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O-Ton Heidi Beha Als ich wusste, dass ich nach Russland gehe und in welche Stadt, hab ich ungefähr das zweite, nachdem ich geguckt habe auf welchem Platz, also wo es auf der Landkarte ist, hab ich geschaut, ob es da Frauenfußball gibt. Und da gibt's, die beste Mannschaft Russlands spielt da, also die immer so bei der Meisterschaft mitspielt. SPRECHERIN Bei der kleinen Frauen EM von Charkow treten vier Länder an. Russland, die Ukraine, Polen und Deutschland. Das Team aus Woronesch mit Heidi Beha als Spielerin und Marina Burakowa als Trainerin vertritt Russland. Burakowa war eine der besten Fußballspielerinnen der russischen Frauenfußballgeschichte. Kurzzeitig, als noch bei Haltern am See der Verein Flaesheim-Hillen existierte, gehörte sie als Profi-Fußballerin zu deren Kader. Die polnischen Spielerinnen kommen aus verschiedenen Orten aus der Nähe von Gliwice. Einige von ihnen spielen erst seit kurzem Fußball. Die Ukraine wird vertreten durch das Team einer Sportschule in Charkow. Die Deutschen, das sind die Frauen von Türkiyemspor in Berlin-Kreuzberg, mit Murat Dogan als Trainer. Vor sieben Jahren gründete er die Frauen- und Mädchenabteilung des Vereins, zu dessen Präsident er vor kurzem gewählt wurde. O-Ton Murat Dogan Geht da raus, spielt anständigen Fußball, gebt Euer Bestes, repräsentiert Euch, den Verein und Deutschland auch im Endeffekt. Und lasst uns hier einfach ein gutes Bild abgegeben, Mädels, ok. ATMO Gemeinsame Rufe, Anpfiff - dann Rufe von Dogan an die Spielerinnen SPRECHERIN Auf einem zerschlissenen Kleinfeld-Kunstrasenplatz inmitten der sehr zentral gelegenen Sportanlage des Stadion Arsenal beginnt das Turnier mit Ukraine gegen Deutschland. Aljona und Anna sind die Trainerinnen der ukrainischen Frauen. Die 24 jährigen trainieren ihre Mannschaft in einer Sportschule. Nur auf diesem Weg können Frauen in Charkow Fußball spielen erzählen sie immer wieder. ATMO - Einblendung - kurz ein paar Sekunden alleine dann wird folgender Sprecherinnentext übergelegt (Aljona u Anna unterhalten sich auf russisch über Strukturen in Charkow) SPRECHERIN Zwar gäbe es viele Mädchen, die in den Höfen spielen, aber dann auf einem höheren Niveau, auf dem auch Turniere durchgeführt würden, da sind es nur noch wenige. Das läge vor allem daran, dass es kaum finanzielle Mittel gäbe, um Turniere durchzuführen. Auch in Polen gibt es kaum Strukturen für den Frauenfußball im Amateurbereich. ATMO Befragung Spielerinnen - deutsche - an Ukrainerinnen - mit Übersetzung (wird im Hintergrund weiterlaufen SPRECHERIN Was ist anders in den Ländern, wie kommen sie zum Fußball, wie werden sie gefördert, unterstützen die Eltern ihren Sport- das sind einige der Fragen, die die Fußballerinnen in vorbereiteten Expertinnengesprächen mit Hilfe der Übersetzer einander stellen. ATMO Befragung Spielerinnen untereinander - klingt langsam mit der Frage aus, was würdest du machen, wenn dein Freund dich vor die Alternative stellt: Fußball oder ich? SPRECHERIN Parallel treffen sich die Trainer und Betreuer aus den vier Ländern zum Austausch. Offensichtlich wird dabei, dass in den Ländern Russland, Ukraine und Polen, wenig bis gar keine Angebote für den Amateurbereich im Frauenfußball vorhanden sind. Dabei habe Russland eine gut bezahlte Profiliga, wo eine Spielerin gut und gerne an die 3000 Euro verdienen könne, erzählt Marina Burakowa, aber die Vereine fördern nicht die Nachwuchsarbeit. ATMO Im Hintergrund Aljona Aussage SPRECHERIN ATMO Spiel Atmo SPRECHERIN Gnadenlos knallt die Sonne auf die schattenlose Anlage. An allen Seiten des Kleinfelds liegen Wasserflaschen für die Spielerinnen. Die eigens engagierte Krankenschwester mit weißem Kittel und einer Tüte voller Verbandsmaterial, ist häufig gefordert. Mal ein umgeknickter Knöchel, vom Kunstrasen verbrannte Hautstücke an Knien oder der anschwellende Daumen einer Türkiyemspor Spielerin. Auf dem Spielfeld treffen unterschiedlichste Mentalitäten aufeinander. Die Russinnen und Ukrainerinnen sind das Kleinfeld gewohnt, darauf spielen sie normalerweise ihre wenigen Turniere. Die extra für fEMale2012 zusammengesuchten Polinnen finden schnell ins Spiel, getragen von wenigen extrem ehrgeizigen Spielerinnen. ATMO Spielatmo und Trainerrufe von Murat im Hintergrund leise einspielen SPRECHERIN Die Deutschen, die im Berliner Ligafußball am Tag ihres Abflugs in die Ukraine noch ihren Aufstieg in die Landesliga feiern konnten, finden nicht wirklich hinein ins Kleinfeldspiel. Während sie hoffnungslos nach ihrem gewohnten Spielfluss suchen, machen die anderen die Tore. Türkiyemspor-Deutschland verliert alle drei Spiele, während das diszipliniert antretende Team von Marina Burakowa souverän gewinnt. Der fEMale2012 Cup geht an Russland. Die erste Fußball-Europameisterschaft fand bereits 1932 statt Von Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza 1.Sprecher Der Zuschauerandrang ist unerwartet groß, das überfüllte Stadion muss polizeilich gesperrt werden. Knapp 30.000 Zuschauer kommen am 25. September 1932 in die Dresdner Ilgenkampfbahn, um beim Auftaktspiel zur Fußballeuropameisterschaft zwischen Deutschland und Österreich dabei zu sein. "Der Fußball-Stürmer", das Sprachrohr der Arbeiterfußballer, jubelt: 2.Sprecher "Europameisterschaft!" - In Dresden trifft sich Deutschlands Arbeiterfußball. Aus allen Ecken und Gauen kommen sie, um Zeuge zu sein bei der Geburtsstunde eines neuen Werkes." 1.Sprecher Organisiert wird die Fußball-Europameisterschaft von der Sozialistischen Arbeitersport Internationale SASI, dem europäischen Dachverband des Arbeitersports. Viele Experten, so auch der Magdeburger Fußballhistoriker und Buchautor Rolf Frommhagen, sind sich einig, dass die Europameisterschaft eine Reaktion auf die erste Weltmeisterschaft ist, die der bürgerliche Fußballweltverband FIFA 1930 in organisiert hatte. 1.O-Ton Frommhagen Dass der Arbeiterfußball dem bürgerlichen Fußball, der ja die erste Weltmeisterschaft in Uruguay hatte, etwas entgegensetzen wollte. Man wollte eine internationale Veranstaltung haben, neben den Olympiaden, neben den ganzen Bundesfesten. 2.Sprecher Überhaupt versuchen auch die deutschen Arbeiter-Kicker dem oftmals überharten Spiel der DFB-Vereine mit ihrem unerbittlichen Konkurrenzprinzip, mit Starkult und all den materialistischen Verlockungen eine eigene, antibürgerliche und klassenkämpferische Sportauffassung entgegen zu setzen. Rolf Frommhagen: 2.O-Ton Frommhagen Ja, man versuchte offensichtlich eine eigene Arbeiterfußballkultur aufzubauen, eine andere ethisch Aussage in die Fußballausübung hineinzutragen, dass man den Sport nicht roh durchführen wollte. Man strebte ein technisch sauberes Spiel an, man strebte an den Sieg ebenfalls zu erringen. Aber nicht mit allen Mitteln und man versuchte dann auch, den Gegner zu schonen. Man versuchte fast körperlos zu spielen. 3.O-Ton Teichler die Arbeitersportler hatten ja immer die Idee, dass der Sport erziehen sollte, 2.Sprecher Ergänzt der inzwischen emeritierte Potsdamer Sportprofessor Hans Joachim Teichler. 4.O-Ton Teichler dass der Klassenkamerad ja der Kamerad der eigenen Klasse und nicht der Klassenfeind ist, gegen den man spielt, dass man möglichst ein faires Spiel betreiben sollte, dass man sich am gelungenen Spielzug des Gegners angeblich und dessen Tore erfreuen sollte, ja man versuchte doch etwas anders und fairer zu sein. 2.Sprecher Der 1919 aus dem Arbeiter-Turnerbund hervorgegangene Arbeiter- Turn- und Sportbund, kurz ATSB, zählt 1921 bereits 3.500 Fußball-Mannschaften. Er führt eigene Bundesmeisterschaften durch und stellt auch eine Arbeiter-Nationalelf zusammen. Als 1932 die Europameisterschaft auf dem Plan steht, hat die ATSB- Auswahl bereits über sechzig Länderspiele absolviert. 5.O-Ton Frommhaben Die Europameisterschaft begann im September 32, sollte 34 beendet werden. Das heißt, die Verbände hatten die Spiele dann abzuschließen, jedes mit Hin- und Rückspiel, und diese Länder wurden dann in Gruppen eingeteilt, regionale Gruppen, und hier waren dann vier bis fünf zugeordnet, jeweils wie es passte. Und es musste sich dann ein Gruppensieger herausschälen und dann sollten dann die weiteren Spiele kommen zwischen den drei Gruppensiegern in der Endrunde." Spielatmo 1.Sprecher Während Holland Belgien, Frankreich und die Schweiz die West-Gruppe bilden, treffen in der Nord-Gruppe Dänemark, Schweden, Norwegen sowie Est- und Lettland aufeinander. Die deutsche Arbeiter-Elf spielt muss sich in der Mitteleuropa-Gruppe mit Österreich, der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn messen. Das Auftaktmatch verliert die ATSB-Auswahl gegen die spielstarken Österreicher knapp mit 0:1. Die Tschechoslowakei dagegen wird im Oktober 1932 klar mit 4:0 geschlagen. Und am zweiten Weihnachtstag gewinnen die deutschen Arbeiterkicker in Leipzig gegen Polen mit 4:1. 2.Sprecher So euphorisch die Europameisterschaft der Arbeiterfußballer gestartet war, so jäh wird sie beendet, als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gelangen. 6.O-Ton Frommhagen Die Europameisterschaft wurde nicht zu Ende gespielt. Im Mai 33 war im Grunde genommen die ganze deutsche Arbeitersportbewegung zerschlagen, das heißt, Deutschland musste ausscheiden, im Februar 1934 wurde dann in Österreich geputscht und hier wurde dann auch die österreichische Arbeitersportbewegung zerschlagen. 2.Sprecher Die erste Arbeiterfußball-Europameisterschaft, und damit die erste Fußball-EM überhaupt, endet, bevor sie richtig in Fahrt gekommen ist. Nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 werden alle politischen Sportverbände und Vereine, so auch der sozialistische Arbeiter Turn- und Sportbund, zerschlagen und verboten. Nachwuchstalent - gescheitert? Zusammen mit Tim Borowski war Lars Schmedes im Werder-Internat. Ende der 90er Jahre war das. 1999 wurde er mit der A-Jugend Deutscher Fußballmeister. Und er träumte, als Profi in vollbesetzte Stadien einzulaufen und umjubelt zu werden. Daraus wurde aber nichts. Kurz vor der A-Jugend WM in Deutschland erfuhr der 18-Jährige, dass er aus dem DFB-Kader gestrichen wurde. Werder Bremen zog die Option auf einen Profi-Vertrag ebenfalls nicht. Lars Schmedes wechselte zum Karlsruher SC in der 2. Bundesliga. Auch dort klappte es nicht und er kehrte zurück in die Heimat, kickte beim BV Cloppenburg in der Oberliga. Heute ist Lars Schmedes Disponent in Vechta und wirft ein Blick zurück auf seine Zeit als Nachwuchstalent. CUT 01: Fußball war mein Leben. Ich habe alles gemacht und getan, nur um diesen Sprung zu schaffen. Das fing an, dass ich mit 15 weg gegangen bin von Zuhause, aus dem Freundeskreis, um meinen Traum zu verwirklichen, den ich gehabt hatte damals, mit Fußball Geld zu verdienen. Lars Schmedes, defensiver Mittelfeldspieler, heute 31 Jahre alt. In Vechta wohnt er, in einem Reihenhaus. Ein großes Bild von ihm hängt im Eingangsflur, als 17jähriger im Werder-Trikot - volles, lockiges Haar, kurz geschnitten; ein freundliches Gesicht, die Augen leuchten vor Stolz, der Blick erwartungsfroh in die Zukunft gerichtet. CUT 02: Wen hatten wir noch dabei gehabt damals. Tom Borowski, Markus Krösche, Christian Schulz Hannover war auch im Internat dabei, Simon Rolfes Leverkusen. Das waren alle so in zwei, drei Jahre Unterschied, die im Internat groß geworden sind. Lars Schmedes nimmt am Esstisch Platz. Fußball spielt er immer noch leidenschaftlich gern. Heute ist es nur noch die Bezirksliga. Auch mit den Haaren, bedauert Lars Schmedes, ist es weniger geworden. Er lacht und fährt sich über den lichten Kranz. Die Brille ist dazugekommen. Geblieben sind die freundlichen Augen. Ohne Groll, doch ein wenig melancholisch blickt Lars Schmedes zurück auf die Jahre im Werder-Internat. CUT 03: Es fing eigentlich damit alles an, ich habe meine Länderspiele beim DFB damals noch gemacht in U-Mannschaften. Wir hatten 2000 die U-18 Europameisterschaft in Deutschland. Ich bin seit der U-17 mit Uli Stielike immer mit gegangen zwei Jahre. Dann bin ich drei Tage, bevor der Kader nominiert wurde, nicht nominiert worden, das hat er mir im Vorfeld mitgeteilt. Damals hätte er viel mit den Eltern geredet, sei häufig nach Hause gefahren. Mit den anderen aus dem Internat hätte er nicht gesprochen. Ein Haifischbecken sei der Fußball schon zu seiner Zeit gewesen. Sich Rückschläge einzugestehen und Schwächen zu zeigen, ist im Leistungssport immer noch ein Tabu. CUT 04: Wir hatten einen Lehrgang, dann bin von Frankfurt nach Bremen geflogen, habe nachmittags ganz normal trainiert, bin dann ins Internatzimmer gekommen, habe mein Telefon angemacht und hatte einen Anruf in Abwesenheit drauf, das war Uli Stielike mit der Mitteilung. Ja, davon habe ich mich lange Zeit nicht mehr erholt. Ich war unzufrieden ich habe nicht mehr die Leistung gebracht, ich habe natürlich dann in der neuen Regionalliga, die neue Liga, die damals entstanden ist, kaum gespielt unter Frank Neubarth. Dieser Moment, wo ich dann aufgelegt hatte, wo ich dann mitgeteilt bekommen habe, dass ich nicht dabei bin bei dem Turnier, war nicht schön. Die Enttäuschung, den Zorn und die Wut richtete Lars Schmedes nicht gegen den, der mit einem schnöden und wenig einfühlsamen Anruf auf die mailbox den Traum seiner Jugend jäh zerstörte. Nein, die Schuld suchte Lars Schmedes bei sich. Er hatte versagt, er war nicht gut genug, er selbst hatte es zu verantworten, dass der Trainer ihn aus dem Kader strich. Selbstzweifel machten sich breit. CUT 05: Ich werde den Moment auch nicht vergessen, wo ich dann noch mal mit Frank Neubarth in der Vorbereitung gesprochen habe, da waren wir im Bürgerpark und haben eine Laufeinheit gemacht, und da haben wir noch mal darüber gesprochen, das weiß ich noch wie heute, da kamen dann auch die Worte, mach dir keinen Kopf, weitermachen, weitermachen. Das Selbstwertgefühl kann sehr instabil sein - gerade bei Heranwachsenden oder jungen Männern, die dem Erwartungsdruck - dem eigenen und dem der anderen - wenig entgegenzusetzen haben. Chronische Überforderung und Stress im Hochleistungssport können durchaus psychische Störungen nach sich ziehen. Doch Seelennöte und Alltagssorgen landen häufig beim Co-Trainer oder beim Masseur. Wie damals bei Lars Schmedes. An eine psychotherapeutische Anlaufstelle kann er sich zumindest nicht erinnern. CUT 06: Ich wüsste nicht, dass es jemand gesagt hätte. Ich behaupte, es hätte auch zu unserer Zeit jemand gegeben, der sich die Zeit dafür genommen hätte. Aber man wollte mit sich alleine sein, vielleicht kommt man da auch wieder an den Punkt, keine Schwächen zu zeigen vor allem auch anderen gegenüber. Wie gesagt, ich kann mich nicht daran erinnern, dass es angeboten wurde, noch dass ich es von mir aus angesprochen hätte. Nein. Für Lars Schmedes war im Sommer 2001 das Kapitel Werder Bremen beendet. Eine tolle Zeit habe er trotz allem erlebt, sagt er im Rückblick von 11 Jahren. Die allerwenigsten schaffen den Sprung nach ganz oben, in die 1. Bundesliga oder gar in die Nationalmannschaft. Werder Bremen war sich der Verantwortung bewusst, als der Verein als einer der ersten den eigenen Nachwuchs in ein Internat steckte. Auf die schulische Ausbildung wurde großen Wert gelegt. Lars Schmedes machte in Bremen das Fachabitur. Heute arbeitet er als Industriekaufmann. Im Treppenaufgang seines Hauses hängen Bilder von ihm und eingerahmte Zeitungsartikel des Lokalblattes, die dem hoffnungsvollen Talent eine große Zukunft prophezeiten. 15 Jahre war er damals alt und mächtig stolz, dass Werder Bremen ausgerechnet ihn ins Internat holte. CUT 07: Wenn ich jetzt zurückschaue, würde ich es sicherlich wieder so machen, aber ich irgendwie möchte ich auch leben, so was wie Feiern gab es bei uns so richtig nicht. ... Dadurch dass du im Internat gewohnt hast, warst du irgendwie immer unter Kontrolle. Kein Drama mehr Von Ole Schulz Die WM-Niederlage von 1974 hat man in den Niederlanden überwunden, und viele halten die Deutschen inzwischen für die besseren Holländer. Darum sehen niederländische Intellektuelle ihre Mannschaft vor dem EM-Spiel am Mittwoch auch als Außenseiter Atmo: WM-Finale 74: Tor Gerd Müller / Kommentar Heribert Fassbender Sprecher: Das 2:1 der Deutschen gegen Holland im WM-Finale von 1974. Lange war diese Niederlage der Mannschaft um Johann Cruyff für viele Niederländer ein Trauma. Mittlerweile hat man das einigermaßen überwunden - meint der Sportautor Henk Spaan: 1. O-Ton Henk Spaan Übersetzer: "Ich habe mir das Spiel später noch einmal angeschaut und musste feststellen, dass Deutschland in der zweiten Hälfte wirklich besser war. Dann gab es die Revanche im EM-Halbfinale von 1988, das wir gewannen. Es ist zwar immer noch ein wenig bedauerlich, dass wir 74 verloren haben, aber es ist kein Drama mehr." Sprecher: Völlig vergessen können Holländer der Generation Henk Spaans die Schmach von 74 aber nicht - auch wenn die Niederlande 2010 in Südafrika wieder einmal in einem WM-Finale standen. Der Schriftsteller Pieter Frans Thomése - er hat schon mehrere Fußball- Erzählungen veröffentlicht: 2. O-Ton P.F. Thomése "Ich hätte es schwieriger gefunden, wenn wir Weltmeister geworden wären, weil 2010 war es kein Märchen, es war Realität, und es war mittelmäßig. Das ist etwas anderes als diese wunderschönen `Matches´ 74. Noch immer, wenn ich an schönen Fußball denke, denke ich an 74. Das gehört zum Besten, was ich je gesehen habe." Sprecher: Henk Spaan, der die literarische Fußballzeitschrift "Hard Gras" herausbringt, sieht das ähnlich: Der offensive "Fußball total" bleibt für holländische Intellektuelle weiter das Maß der Dinge. 3. O-Ton Henk Spaan Übersetzer: "Ich war sehr enttäuscht darüber, wie die Niederlande bei der WM 2010 gespielt haben. Insbesondere im Finale, aber auch schon davor ging es nur um das Ergebnis, es war eine geradezu zynische Herangehensweise, eine fast italienische Art des Fußballs. Ich war darum sehr eifersüchtig auf die Deutschen und ihr romantischeres Spiel." Sprecher: Laut Spaan sind die Deutschen heute im Fußball die besseren Holländer: 4. O-Ton Henk Spaan Übersetzer: "Die Deutschen spielen so wie die Holländer spielen sollten, vor allem Özil. Der ist für mich ein holländischer Spielertyp. Er ist eine klassische 10 nach niederländischem Verständnis, taktisch perfekt und hat phantastische Fähigkeiten" Sprecher: Auch der Autor Pieter Frans Thomése nimmt es den Deutschen nicht übel, dass ihr Stil mittlerweile vielleicht sogar attraktiver als der der Niederländer ist: 5. O-Ton P.F. Thomése "Nein, nein, weil ich liebe das Fußballspiel. Also ich finde es eine sehr gute Entwicklung, dass die Deutschen so spielen wie sie heute spielen, weil es gibt ziemlich wenige Ländermannschaften, die so gut spielen wie die Deutschen." Sprecher: Angesichts der neuen teutonischen Schönspielerei sehen beide ihre Mannschaft gegen die Deutschen in einer Außenseiterrolle: 6. O-Ton Henk Spaan Übersetzer: "Deutschland ist zu gut. Wir haben keinen Özil, wir haben nur Wesley Sneijder, und der hat seinen Zenit überschritten. Van Persie ist unser einziger richtiger Weltklassespieler." Sprecher: Dabei schätzt Henk Spaan den "Bondscoach" Bert van Marwijk - er hofft nur, dass der Nationaltrainer die Taktik ändert. 7. O-Ton Henk Spaan Übersetzer: "Eigentlich mag ich ihn. Aber er ist sehr konservativ und bei der WM 2010 hat er immer zwei defensive Mittelfeldspieler aufgestellt, van Bommel und de Jong. Ich fände es besser, einen offensiveren Spieler zu bringen. Auch, weil nur van Bommel in der Lage ist, den Ball gut zu passen. Ich denke, er sollte van der Vaart anstelle von de Jong aufstellen." 2