Von Feuern, Wildblumen und Drachenreitern Eine Lange Nacht mit der Geschichtenerzählerin Cornelia Funke Autorin: Kerstin Zilm Regie: Klaus Michael Klingsporn Redaktion: Dr. Monika Künzel SprecherInnen Cornelia Schönwald Rainer Strecker Sendetermine: 30. Mai 2020 Deutschlandfunk Kultur 30./31. Mai 2020 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Magische Musik - Score Tintenherz ZITATOR: Lese-Ausschnitt Tintenherz: Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen. Noch viele Jahre später musste Meggie bloß die Augen schließen und schon hörte sie ihn, wie winzige Finger, die gegen die Scheibe klopften. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Hund, und Meggie konnte nicht schlafen, so oft sie sich auch von einer Seite auf die andere drehte. Sie kniete sich vor das regennasse Fenster und blickte hinaus. Und da sah sie ihn. Die Dunkelheit war blass vom Regen und der Fremde war kaum mehr als ein Schatten. Nur sein Gesicht leuchtete zu Meggie herüber. Das Haar klebte ihm auf der nassen Stirn. Der Regen triefte auf ihn herab, aber er beachtete ihn nicht. Reglos stand er da, die Arme um die Brust geschlungen, als wollte er sich wenigstens auf diese Weise etwas wärmen. So starrte er zu ihrem Haus herüber. SPRECHERIN: So beginnt ‘Tintenherz’, das wahrscheinlich bekannteste Buch der Bestsellerautorin Cornelia Funke, mit der wir die nächsten drei Stunden verbringen werden. Sie ist die Meisterin der Fantasy-Geschichten für Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene lesen ihre Bücher gern. Mehr als 60 Bücher hat Cornelia Funke inzwischen geschrieben, die über 20 Millionen Mal verkauft wurden. Seit 15 Jahren lebt sie in Kalifornien, davor wohnte sie in Nordrhein Westfalen und Hamburg. ‘Tintenherz’ war nicht ihr erstes Buch, aber das erste, das Cornelia Funke über ihre Besessenheit mit Büchern geschrieben hat. Es ist ein Buch über die Kraft der Worte, über den Zauber des Lesens. Was passiert, wenn die Figuren einer Geschichte von den Seiten des Buches in den Teil unseres Lebens hinüber wechseln, den wir Wirklichkeit nennen? Darüber wird sie in dieser ersten Stunde der Langen Nacht noch mehr erzählen. Cornelia Funke über ein Leben voller Abenteuer, Abschiede und Aufbrüche. CORNELIA FUNKE: Mir hat mal jemand gesagt, der verliebt in mich war aber ich nicht in ihn, um mir richtig einen reinzuwürgen: ‘du hast ja überhaupt keine Frustrationstoleranz!’ Ich glaube, das stimmt total. Ich hab überhaupt keine Frustrationstoleranz. Das heißt: wenn mir das Leben nicht gefällt, wie ich das lebe, dann muss ich das ändern. Ich kann gar nicht anders. Das ist ein großer Vorteil. Ich könnte mich nie mit was abfinden. Ich könnte nie in einer Routine bleiben, die mich langweilt, oder eine Arbeit machen, die ich nicht mag. Ich kann es nicht. Musikbrücke, etwas düsterere Musik aus Tintenherz SPECHERIN: In der zweiten Stunde dieser Langen Nacht erzählt Cornelia Funke von einem schweren Schicksalsschlag mitten in einem großen Aufbruch. Und sie verrät, dass nicht unbedingt ein Traum wahr wird, wenn die besten Hollywoodkünstler ein Buch wie Tintenherz verfilmen. CORNELIA FUNKE: Du kannst fantastische Schauspieler haben und einen sehr berühmten Drehbuchautor und trotzdem geht ganz viel schief. Es lag nicht an mangelnder Leidenschaft. Die war bei allen vorhanden, einschließlich des Regisseurs, aber es ist eben doch eine Menge schief gegangen. Und wir saßen da also nun im Kino, und freuten uns so sehr auf diesen Film, weil wir waren ja dabei gewesen, wir hatten doch die dailys gesehen und ich weiß noch ganz genau, wie das Licht wieder anging, und wir uns anguckten, und dachten: wo ist denn der ganze Zauber hin? Was ist denn da passiert? SPRECHERIN: Auch in der dritten Stunde geht es noch einmal um Abschiede und Neuanfänge, diesmal in der Zeit zerstörerischer Waldbrände, die in Kalifornien jedes Jahr wüten. Musik nochmal hoch Cornelia Funke hat Kerstin Zilm eingeladen für ein langes Gespräch auf ihre Avocadofarm in Malibu. Dort lebt sie seit gut zwei Jahren mit ihren Hunden Jake und Tabby, mit den Eseln Esperanza und Zorro, mit einem Stall voller Enten und einem Garten voller kalifornischer Platanen, Eukalyptusbäumen, einem Piratenschiff, Vögeln, Eidechsen, Klapperschlangen und Koyoten. CORNELIA FUNKE: Ich bin aufgewachsen in einer Kleinstadt namens Dorsten.Man fuhr an den idyllischen Westfälischen Kuhwiesen vorbei und dahinter waren dann immer irgendwelche Schlote oder Fabrikgebäude am Horizont. Das gehörte im Grunde dazu. Man war in diesen hässlichen zerbombten Städten und fragte sich als Kind warum die denn so hässlich sind und warum die denn so graue Mauern alle haben und so aussehen als ob man sie mal eben so zusammengepflastert hat. Man bewegte sich in deutscher Geschichte ohne das eigentlich zu wissen bis die Großmutter einem dann Bilder zeigt von der Kleinstadt bevor die Bomben fielen. Ich weiß ja nicht so ganz genau, woher bei mir diese Sehnsucht nach dem Landleben kommt. Ich glaube, das fing an, als ich nach Hamburg zog und da mit meinem Mann ein kleines Haus mit einem Hühnerstall und Gemüsegarten bezog, weil wir uns das noch grad leisten konnten und wir uns dann beigebracht haben, wie man Gemüse zieht. Ich wusste ja nicht mal, wie eine Kartoffelpflanze aussieht. Ich glaube, das war wahrscheinlich - aber was wissen wir schon - der Anfang. Und dann haben wir in Hamburg ja oft so gewohnt, immer ein bisschen draußen, Olstedt, Duvenstedt, nachher auch mit Islandpferd im Garten stehen und ich weiß nicht was. Und meine Kinder, die sind mit dem Ruderboot über überschwemmte Wiesen gerudert in Hamburg, und meine Tochter hat immer schon geritten, mein Sohn ist halt in einer kleinen Sackgasse mit tausend Kindern aufgewachsen, die konnten von da aus direkt in den Wald gehen. Diese Kindheitserinnerungen, die sind für mich sehr kostbar. Ich habe selber solche, weil wir immer nur draußen gespielt haben und zum Teil engagier ich mich deshalb auch heute so dafür, dass Kinder mehr Natur haben. SPRECHERIN: Die 60er Jahre sind das, in denen Cornelia Funke mit der Kinderbande um die Häuser von Dorsten in Westfalen zieht. 1958 ist sie geboren. Da ist Konrad Adenauer Bundeskanzler und Franz Josef Strauß Verteidigungsminister der BRD. Wilhelm Pieck ist Präsident der DDR. Dwight Eisenhower regiert die USA und Nikita Chruschtschow, Staatschef der Sowjetunion, fordert von den Alliierten, aus Westberlin abzuziehen. Westdeutschland ist noch mitten im Wirtschaftswunder. In der DDR werden Lebensmittelkarten abgeschafft. Brasilien gewinnt die Fußball-WM und Schalke 04 wird deutscher Fußballmeister. Elvis Presley kommt zum Wehrdienst nach Friedberg in Süddeutschland. In Kinos gruseln sich die Zuschauer beim Rühmann-Film “Es geschah am helllichten Tag” und in Hollywood gewinnt “The Bridge on the River Kwai” den Oscar als bester Film. Hollywood interessiert Cornelia in diesen Jahren noch gar nicht. Sie ist überhaupt noch sehr unschlüssig, welche Richtung sie einschlagen will im Leben. CORNELIA FUNKE: Das ist sehr interessant, darüber heute hier mit meinen jungen Künstlerinnen zu reden. Die sind dann so zwischen 20 und 30. Und die fragen dich dann, die sehen dich so erfolgreich und denken: die Cornelia die hat immer schon gewusst, wo es längs geht, die hat das alles ganz wunderbar angefasst. Und dann muss ich ihnen sagen: pass mal auf, also ich bin mit 17 zur Studienberatung gegangen und die sagte mir: “Ja, sie wollen doch wohl keine Kindergartentante werden.” Das ist jetzt wirklich ein Zitat, was mir im Kopf geblieben ist, “Da sollten Sie wohl besser studieren. Da machen Sie mal das Diplom in Erziehungswissenschaften und das ist das besser.” Ich wunder mich heute noch, dass ich darauf gehört habe, überschätze wohl, wie rebellisch ich war. Meine Eltern wollten dass ich Kunst studiere. Meine ganze Familie wollte, dass ich Kunst studiere. Ich hatte immer gezeichnet. Mein Onkel war Kunstprofessor, der einzige Künstler in der Familie, aber ja, das war anerkannt. Und mein Onkel sagte mir: “Du verrätst dein Talent, das geht gar nicht, das musst du leben!” Ich sagte: “Nein. Was soll ich denn machen? Soll ich irgendwelchen reichen Leuten in Galerien meine Malereien verkaufen? Nein! Die Welt muss verbessert werden! Ich werde Sozialarbeiter! Ich war politisch engagiert. Ich war erzogen worden auf einer Nonnenschule, die das soziale Bewusstsein sehr ernst nahm. Ich dachte: “Das ist deine Verantwortung. Das machst du jetzt.” Ich sage heute oft den Mädchen, die hier her kommen: “Ich hab gelernt: es ist sehr schwer, gegen die eigenen Talente anzuleben. Wahrscheinlich sind wir eben ein ganz bestimmtes Werkzeug in der Werkzeug-Box von wem immer oder was immer. Und wenn wir gegen diesen Charakter anleben, gegen die Talente, die wir haben, das funktioniert nicht, oder man wird sehr unglücklich. Musikbrücke SPRECHERIN: Cornelia Funke lebt schreibt sich in Hamburg für den Studiengang der Diplompädagogik ein. An der Universität merkt sie schnell: das ist nicht das Richtige für sie. CORNELIA FUNKE: Also ich komme dann mit 17 und sage: ok das mach ich jetzt, ich werd Sozialarbeiter, ich hab für die Grünen gearbeitet obwohl ich kein Parteimitglied war, hab viele Sozialarbeiter kennen gelernt, später auch meinen ersten Job bekommen, natürlich nicht als ‘Diplpäd’, oder Diplom Pädagoge, weil die keiner bezahlt, sondern als Erzieherin, und hab dann auf einem Bauspielplatz in Hamburg in einem Hochhausgebiet gearbeitet. Das nennt man auch Abenteuerspielplatz, das ist eine sehr deutsche Sache, ne ganz tolle Sache. Das sind Spielplätze, in denen den Kindern Hammer und Nägel in die Hand gedrückt wird, die lernen ihre eigenen Hütten zu bauen, Feuer zu machen, und das ist der Ansatz der Pädagogik, dass sie was lernen und was machen und sich dabei betreut fühlen, das ist offene Jugendarbeit. Ich glaub an das Prinzip sehr, denn ich hab gesehen, wie es funktioniert. SPRECHERIN Bauspielplatz, davon findet man jetzt auch einiges wieder auf Cornelia Funkes Farm. Da steht ein Piratenschiff auf Stelzen mitten zwischen Palmen und Büschen. Cornelia Funke lädt gerne Kinder ein, damit sie zwischen Bäumen, Büschen, Wiesen und Tieren spielen und sich Abenteuer ausdenken können. Aber zurück nach Hamburg, zum Bauspielplatz und Cornelia Funkes Arbeit als Erzieherin. Da ist sie grade Anfang zwanzig und schon mit ihrem späteren Mann zusammen CORNELIA FUNKE: Bauspielplatz, mein Mann hat das immer gesagt, wenn ich praktische Ideen hatte. Bauspielplatz! Und so macht man, da ist glaube ich meine Lebensgeschichte ein gutes Beispiel, da machst du dann so einen Schlenker, der eigentlich keinen Sinn macht, weil du haßt Pädagogik, du glaubst auch nicht wirklich an die, ich sag immer heute: ich kann trotzdem noch mit Kindern reden, aber: das führt dich zu Erfahrungen, die ich mit Kindern gemacht habe, die wesentlich weniger behütet als ich aufwuchsen, das machte mir so die Augen auf, dass ich deswegen dann auch so ein Buch wie ‘Herr der Diebe’ schreiben konnte, weil ich plötzlich Kinder kannte und den größten Respekt vor denen hatte, die so leben mussten. ZITATOR: Leseausschnitt Herr der Diebe Eine Wasserratte huschte erschrocken davon, als die Kinder sich den engen Gang hinuntertasteten. Der Weg führte zu einem Kanal, wie so viele Gassen und Gänge der Stadt, aber Wespe, Prosper und Bo folgten ihm nur bis zu einer Metalltür, die auf der rechten Seite in der fensterlosen Mauer war. Mit ungelenken Buchstaben hatte jemand vietato ingresso darauf gepinselt, Betreten verboten. Früher war dies einer der Notausgänge des Kinos gewesen, jetzt verbarg sich hinter der Tür ein Versteck, von dem nur sechs Kinder etwas wussten. Prosper zog zweimal kräftig an der Schnur, die neben der Tür baumelte, wartete einen Moment und zog dann noch einmal. Das war ihr Zeichen, aber es dauerte eine ganze Weile, bis jemand öffnete. Bo trat schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, als sie endlich hörten, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. Nur einen schmalen Spalt breit öffnete sich die Tür. "Parole?", fragte eine misstrauische Stimme. "Komm, Riccio, du weißt doch, dass wir uns die nie merken können!", raunte Prosper ärgerlich. Und Wespe trat auf den Spalt zu und zischte hinein: "Siehst du die Tüten in meiner Hand, Igelchen? Die habe ich vom Rialtomarkt bis hierher geschleppt. Meine Arme sind bald so lang wie Affenarme, also mach endlich auf!""Ja, ja schon gut. Aber wehe, Bo verpetzt mich wieder bei Scipio, wie letztes Mal!" Mit besorgtem Gesicht öffnete Riccio die Tür. Mager war er und einen ganzen Kopf kleiner als Prosper, obwohl er nicht viel jünger war. Ihn und Bo hatte der Herr der Diebe bisher noch nicht zum Kundschaften geschickt, obwohl Bo Scipio ständig darum anbettelte. Meistens zogen Riccio und Mosca los, wenn es um das Beobachten der Paläste ging, denen Scipio einen nächtlichen Besuch abstatten wollte. Seine Augen nannte er die zwei, während Wespe dafür zuständig war, dass das Geld vom Verkauf seiner Beute nicht zu schnell ausgegeben wurde. Prosper und Bo, als neueste Schützlinge des Herrn der Diebe, hatten bisher höchstens mitkommen dürfen, wenn die Beute verkauft wurde oder Einkäufe erledigt werden mussten, so wie heute. Prosper war das nur recht. Aber Bo wäre zu gern mit Scipio in die vornehmen Häuser der Stadt geschlichen, um all die wunderbaren Dinge zu stehlen, die der Herr der Diebe von seinen Beutezügen mitbrachte. SPRECHERIN: Das ist ein Ausschnitt aus Cornelia Funke Roman “Der Herr der Diebe”: Der ist 2010 erschienen, viele Jahre nachdem sie in den 1980er Jahren auf dem Spielplatz in Hamburg mit den Kindern Hütten gebaut und Feuer gemacht hat. Die 80er Jahre, das ist auch die Zeit, in der Cornelia mit ihrem Mann Rolf zwischen Hühnerstall und Gemüsegarten lebt. Das ist die Zeit des atomaren Wettrüstens und der Entdeckung de Ozonlochs. Männer tragen ihr Haar a la ‘Vo-ku-hi-la’ - Vorne kurz und hinten lang. Boris Becker und Steffi Graf begeistern die Deutschen für Tennis. Im Fernsehen haben ‘Schwarzwaldklinik’ und ‘Wetten, dass …’die höchsten Einschaltquoten, und die Serien ‘Dallas’ und ‘Denver’ bringen amerikanische Intrigen in deutsche Wohnzimmer. Musik von Nena Prince und Falco ist bei vielen angesagt. Cornelia Funke hört “Heart of Gold” von Neil Young. CORNELIA FUNKE: Ich habe mein Leben lang unglaublich gerne Neil Young gehört. Nur als ich dann Heart of Gold hörte in meiner Hamburger Küche, “I’ve been to Hollywood, I’ve been to Brentwood”, wusste ich natürlich überhaupt nicht, was das ist. Jetzt weiss ich das ganz genau, bin da auch schon oft durchgefahren, und Neil Young wohnt jetzt bei mir in der Nachbarschaft so ungefähr. Deswegen bedeutet das für mich eigentlich, wenn ich Neil Young höre, dass meine beiden Leben zusammen kommen. Das Hamburger Leben und das Malibu Leben sind durch die Musik zusammen gebracht. Und ich bin jetzt nur einen Canyon entfernt von dem Canyon, wo er das Album geschrieben hat, was ich in Hamburg gehört habe. Musik: Neil Young - Heart of Gold CORNELIA FUNKE: Aber ich wollte nie nach Hollywood. Nein! Das hab ich nie gehabt. Ich hab mir auch nie gewünscht, in LA zu wohnen. Wäre ich nie drauf gekommen. SPRECHERIN: Wie es dann doch dazu kam, dass sie in Los Angeles gelandet ist, das erzählt Cornelia Funke in der nächsten Stunde. Aber wie ist vom Spiel mit den Kindern auf dem Bauspielplatz zum Schreiben von Büchern für diese Kinder gekommen? CORNELIA FUNKE: Ich war immer am Malen, Geschichten erzählen, und denen am Vorlesen und ich merkte, ich nahm mir das alles so sehr zu Herzen dass ich die alle nur immer adoptieren und mit nach Hause nehmen wollte. Das ist was, das sollte man als Sozialarbeiter nicht haben. Das Schöne war dann, und deshalb sage ich immer: ‘Die krummen Wege führen ans Ziel nicht die geraden.’ Cornelia machte also reichlich krumme Wege und als ich da raus kam, hab ich gesagt: ‘So. Du hast jetzt den Job. Du arbeitest noch als Erzieherin, aber als Belohnung kannst du jetzt eine Bewerbung an der Schule für Grafik und Design machen. Wenn du die bestehst, die ist sehr schwer zu bestehen, dann kannst du das studieren.’ So arbeite ich: ‘Das kriegst jetzt als Belohnung, das hast du jetzt gut gemacht.’ Ich hab die bestanden, ich bin auf die Schule gekommen, und ich weiß noch, ich hab das zwei Jahre gemacht, ich hab auch sehr viel gelernt, was das Zeichnen und das Malen betrifft, aber ich weiß noch genau wie ich die Treppe runter ging nach einem Seminar und dachte: ‘Nein, ,da gehste jetzt nicht wieder rauf.’ Und dann hab ich mich selbstständig gemacht. Und ich hab dann angefangen, Buchumschläge, die ich doof fand, neu zu machen und an die Verlage zu schicken und irgendwann hab ich dann einen Auftrag gekriegt. Die waren so schlecht, die Umschläge, die ich gemacht habe dass ich mir das heute angucke und denke ‘Oh mein Gott, das hast du allen Ernstes losgeschickt?’ Aber ich war zwar teilweise mit 16 und 17 absolut größenwahnsinnig, ja, ich bin ein Genie, das ist alles wunderbar, das Leben ist so einfach, absolut größenwahnsinnig und blind, aber: ich glaube, ich war immer mehr dem Außen als mir selber zugewandt. Also, das was da draußen ist, fasziniert mich so viel mehr als ich selber. Es geht eher darum: was ist gut für Welt? Es geht eher darum: wie kannst du von Nutzen sein? Wie kannst du den schönsten Beitrag zu diesem Flickenteppich leisten. Also, wenn wir jetzt mal sagen: das Schicksal webt an so einer großen Patchwork-Decke aus dem was wir alle so machen, wie kriegst du das jetzt hin, dass du dein kleines Quadrat am schönsten machst, oder webst du vielleicht sogar einen Faden in das Muster und du entscheidest jetzt ob der jetzt ein bisschen golden ist, oder ob der sehr langweilig ist, und ob du das Muster vielleicht vollkommen versaust, indem du es falsch machst. SPRECHERIN: Nach der Uni hat Cornelia Funkevor allem Kinderbücher illustriert. Die ersten Jahre hat sie oft 14 Stunden am Tag gezeichnet. CORNELIA FUNKE: Ich wollte Drachen zeichnen, Seejungfrauen zeichnen, fantastisch zeichnen. Und ich kriegte Geschichten: Kinder stehen auf dem Schulhof. Kinder sitzen in der Küche. Das war so ungefähr das, was ich zeichnen durfte. Und sehr selten und wenn, dann immer nur sehr kleine fantastische Elemente. Und ich mochte die Geschichten nicht, oder ich hatte Gespräche mit Autoren, wo dann gesagt wurde ‘Ja, welche Haarfarbe hat deine Figur? Ja, weiß ich nicht.’ ‘Du sagst, die gehen spazieren. Ist das am Wald oder am Fluss? Weiss ich nicht.’ Da hab ich irgendwann gedacht, so! Ich werd jetzt nicht dazu packen, was in dem Buch nicht drin ist. Dann schreibe ich doch mal selber eins, und packe alles rein, was ich gerne zeichnen möchte. Das war ‘Die graue Drachensuche’. Der Vorläufer von ‘Drachenreiter’, und ich hatte gleich vier Verlage, die es machen wollten. Von da an hab ich eigentlich kontinuierlich geschrieben, aber die ersten Bücher, ‘Kein Keks für Kobolde’, ‘Hinter verzauberten Fenstern’, das waren alles noch Bücher, die mir als Illustrator schrieb. Ich will was für unter Wasser, oh, ‘Lilli und Flosse’, oh, ich möchte jetzt gerne mal einen Adventskalender zeichnen, ja ‘Hinter verzauberten Fenstern’, es war sehr oft dieser Ansporn. Dann kamen aber die Geschichte aber immer mächtiger. Und verrückterweise kam die Wende nicht mal mit den ‘Wilden Hühnern’, die ja sehr erfolgreich waren und mir halfen, dass ich weniger schnell schreiben musste. SPRECHERIN: Cornelia Funke hätte wohl von sich aus niemals die Geschichten über die Mädchenbande aus dem Wohnwagen geschrieben. Zu den ‘Wilden Hühnern’ kam es nur, weil jemand sie dazu anspornte CORNELIA FUNKE: Weil meine damalige Lektorin bei mir im Garten saß und sagte ‘Kannst du nicht mal endlich was ohne Zwerge und Feen schreiben?’ Und ich so ‘Was soll denn da passieren? Das ist ja wohl stinkelangweilig.’ Und die sagte ‘Bitte! Eins! Bitte!’ Und dann denk ich ok, gut, dann pack ich da jetzt mal alles rein alle Geschichten zusammen über die böse Großmutter meiner Mutter, die böse Großmutter meines Mannes, die Kinderbande, die meinen Mann immer gejagt hat, als er ein kleiner Junge war, meine eigenen Hühner, die ich zu der Zeit hatte. ich pack das jetzt alles mal zusammen, mal sehen ob da eine Geschichte draus wird. Und dann wurden daraus die ‘Wilden Hühner’. Und dann kriegte ich plötzlich Briefe wie: ‘Oh Cornelia, mach die Welt ein bisschen besser und schreib noch ein Hühnerbuch.’ Oder ‘Cornelia, wenn ich traurig bin, dann streichel ich meine Hühnerbücher.’ Und dann hab ich halt immer wieder noch eins geschrieben. ZITATOR: Leseausschnitt Wilde Hühner Es war ein wunderbarer Tag. Warm und weich wie Hühnerfedern. Aber leider ein Montag. Und die riesige Uhr über dem Schuleingang zeigte schon Viertel nach acht, als Sprotte auf den Schulhof gerast kam. „Mist!“", sagte sie, bugsierte ihr Rad in den verrosteten Fahrradständer und zerrte die Schultasche vom Gepäckträger. Dann stürmte sie die Treppe rauf und rannte durch die menschenleere Pausenhalle. Auf der Treppe raste sie fast in Herrn Mausmann, den Hausmeister, hinein. "Hoppla!", sagte er und verschluckte sich an seinem Käsebrot. "'tschuldigung!", murmelte Sprotte – und stürmte weiter. Noch zwei Flure entlang, dann stand sie japsend vor ihrer Klassentür. Mucksmäuschenstill war's da drin. Wie immer bei Frau Rose. Sprotte schnappte nach Luft, klopfte und öffnete die Tür. "... tschuldigung, Frau Rose", sagte sie, "ich musste noch die Hühner füttern." Der dicke Steve sah sie erstaunt an. Die schöne Melanie hob die Augenbrauen und Fred, der blöde Kerl, schlug mit den Armen und krähte. Sehr witzig. "Na, das ist ja mal eine originelle Ausrede", sagte Frau Rose, spitzte ihren rot bemalten Mund und machte ein Kreuz in ihr kleines Buch. Mit düsterer Miene ging Sprotte zu ihrem Platz, streckte Fred die Zunge raus und setzte sich. Neben Frieda, ihre allerbeste Freundin. "Du hast Stroh in den Haaren", raunte Frieda. "Wieso musstest du die Hühner füttern? Ist Oma Slättberg krank?" Sprotte schüttelte den Kopf und gähnte. "Zu ihrer Schwester gefahren. Und ich muss fürs Füttern 'ne Stunde früher aufstehen. Eine Stunde! Kannst du dir das vorstellen?" "Schluss mit dem Getuschel dahinten", rief Frau Rose und fing an rätselhafte Zahlen an die Tafel zu schreiben. Frieda und Sprotte senkten die Köpfe, bis sie sich fast die Nasen an ihren Büchern stießen. "Aber das hat mich auf 'ne Idee gebracht!", flüsterte Sprotte. "Ah, ja?" Besorgt sah Frieda von ihrem Buch auf. Sprottes Ideen waren schlimmer als Windpocken. Und sie brütete ständig neue aus. "Schick Melanie und Trude eine Nachricht", flüsterte sie Frieda zu. "Geheimtreffen in der nächsten Pause auf dem Klo." Trude und die schöne Melanie saßen nebeneinander, drei Tische weiter vorn, und betrachteten gerade sehr angestrengt die Tafel. "Oh nein!", stöhnte Frieda. "Du willst doch wohl nicht wieder mit diesem Bandenkram anfangen?" "Schreib!", zischte Sprotte. SPRECHERIN: Für die Autorin ist das Wichtigste an diesen Abenteuern der Mädchen zunächst, dass sie durch den Erfolg endlich genug Geld verdient, um sich Zeit zu nehmen, ein dickes Buch zu schreiben. Ihr Verleger ermutigt sie, ruhig ein dickes Buch voller Drachen und Fabelwesen zu schreiben, so wie ihr erstes Buch, die Drachensuche. Cornelia Funke ist jetzt nicht mehr Erzieherin oder Diplompädagogin. Sie ist Schriftstellerin. 1996, Deutschland ist seit sechs Jahren vereint. Helmut Kohl ist seit 14 Jahren Bundeskanzler, Bill Clinton seit drei Jahren US-Präsident. Die deutsche Fußballnationalmannschaft gewinnt bei der EM in England das Endspiel gegen Tschechien durch ein Golden Goal von Oliver Bierhoff und in Hollywood gewinnt den Oscar für den besten Film der epische Kriegsfilm ‘Braveheart’ mit Mel Gibson. Durch das Schreiben ihrer Bücher verändert sich Cornelia Funkes Leben sehr. CORNELIA FUNKE: ‘Walk on the wild side’ - ja, ich finde immer, das ist so ein bisschen was mir passiert ist. Ich war so ein braves Mädchen, ich hab nie die Regeln gebrochen, keine Drogen genommen, bin nicht mal betrunken gewesen, je, und Lou Reed ist für mich erstens jemand den ich immer gerne gehört habe, und ‘Walk On the Wild Side’ ist für mich so ein bisschen - ja, dein Leben ist dann doch so ein bisschen auf die wilde Seite gewandert, ist ja ganz erstaunlich, dass das passiert ist. Ich würde mir das gerne selber als Errungenschaft ankreiden, aber nein, nein, nein, das war schon seltsamerweise Schicksal. Dass die Bücher plötzlich international veröffentlicht wurden, musste ich dann halt reisen. Ich musste auch im Englischen noch viel fließender werden. In Amerika ist mir der Horizont so viel weiter geworden. Der wird einem ja schon weiter wenn man plötzlich in vielen Ländern auf Festivals steht und plötzlich Freunde aus aller Welt hat. Das heisst: eigentlich verdanke ich das meinem Schreiben. Eigentlich habe ich mir die Aufregung ins Leben geschrieben. SPRECHERIN: Ihren Weg von der Diplom-Pädagogin zur Illustratorin und dann zur weltweit erfolgreichen Schriftstellerin erlebt Cornelia Funke nicht sonderlich spektakulär. CORNELIA FUNKE: Nein, das finde ich überhaupt nicht wild. Ich mag einfach nicht gerne Sachen machen, die ich nicht gerne mag. Ich empfinde eigentlich mich noch immer als total braves Mädchen, und ein ganz normales, und das ist dann nett wenn man dann ab und zu von anderen hört: ich weiss, meine Lektorin ist mal fast vom Sofa gefallen, als ich zu ihr gesagt habe ‘Ich bin doch so normal’. Ich bin nie jemand gewesen, in dem Sinne der verwegen war, so wie oh, ich versuch jetzt mal LSD aus, da hatte ich eine Heidenangst davor, weil ich ja gerne ich bin, ich selbst bin, ich möchte mich nicht verändern in der Hinsicht, dass mich irgendwas in einen alternate state bringt. Ich bin auch kein Regel-Verletzer, also wenn ich über einen Zaun klettern soll - aber das darf man doch nicht, also ganz schnell, da habe ich viel verwegenere Freundinnen und Freunde. Das meine ich damit. Da bin ich überhaupt nicht wild. MUSIK: Lou Reed - Walk on the Wild Side SPRECHERIN: Zum Schreiben braucht Cornelia Funke Klänge, Melodien, Instrumente, die ihre Fantasie anregen, die sie eintauchen lassen in die Welten ihrer Geschichten. MUSIK: Bach Wohltemperiertes Klavier Präludium Nr.1 in C Dur, BWV 846 SPRECHERIN: Bachs Wohltemperiertes Klavier ist bei Cornelia Funke im Haus zu Hören während sie in Hamburg am Schreibtisch sitzt und ihr erstes dickes Buch schreibt. Da ist sie 37 Jahre alt, nicht mehr unbekannt. Noch kann alles schief gehen mit dem Schreiben. Was ist, wenn niemand ihre Bücher lesen will, wenn sie nicht von Mädchenbanden handeln sondern von Drachen und von Kreaturen mit seltsamen Namen, seltsamen Körpern und seltsamen Fähigkeiten?! CORNELIA FUNKE: Der Drachenreiter, da war die erste Entscheidung: ok, dickes Buch schreiben. Das kam auf ganz verrückte Weise zu Stande, weil mir plötzlich ein Fernsehproduzent ‘Die große Drachensuche’ abkaufen wollte, mein erstes Buch, und daraus eine Augsburger Puppenkiste Serie machen wollte. Das war ganz toll. Wir hatten noch nie so viel Geld gekriegt, das war für die Zeit viel Geld, was der uns anbot für die Option, aber er sagte: ‘Na, ist aber noch nicht lang genug, das musst du ein bisschen länger schreiben.’ Ich hab gesagt ‘Na, das geht nicht, man kann kein Buch länger schreiben. Ich muss das neu schreiben’, und das war die Geburt von ‘Drachenreiter’. Dann hab ich damit angefangen und hab mit meinem Verleger gesprochen darüber bei Dressler, der sagte zu mir, das werde ich nie vergessen: ‘Ja, Cornelia, wir stehen dahinter wenn du ein dickes Buch schreiben willst. Und denk immer daran: du bist eine Schriftstellerin. Egal was die dir vom Film anbieten und vom Fernsehen und was immer, du bist Geschichtenerzählerin, vergiss das nicht.’ Und er hat mir so viel Mut gemacht, ein wirklich großes Buch zu schreiben. Das klang damals so verrückt, oje, das wird vielleicht ein Jahr dauern, wie mach ich das? Wie verdien ich genug Geld? SPRECHERIN: Ihr Mann, gelernter Buchdrucker, hat Cornelia Funke immer ermutigt. Er studierte zu dieser Zeit gerade Architektur. Finanziell kommen sie mit den Honoraren für ihre Wilden Hühner und seinen Studentenjobs ganz gut klar. Noch hatten sie keine Kinder. CORNELIA FUNKE: Dann war es aber so, als ich das Buch schrieb, dann sah ich plötzlich die Figuren wie Puppen aus den Zelten kommen, wie von der Puppenkiste. Ich sah die nicht wie wirkliche lebendige Figuren und hab gedacht: das geht ja nicht, du kannst ja nicht ein Buch schreiben, wenn du die jetzt schon als Puppen siehst. Das geht nicht. Das kannste nicht. Nicht so ein Buch. Dann haben Rolf und ich gesagt: nee, wir kaufen die Rechte zurück. Dann haben wir den angerufen und gesagt, wir machen das nicht, wir zahlen ihm alles zurück. Das war viel für uns damals. Das war heftig. Wir holen uns den Drachenreiter zurück und schreiben das einfach als Buch. Das war das erste Mal, dass ich im Grunde so eine Lektion im Leben lernte: wenn du das machst, wenn du dir treu bleibst und das Risiko eingehst, dann wird es schon eine Belohnung geben. Irgendwann gibt es eine Belohnung. ZITATOR: Leseausschnitt Drachenreiter Unter den Tannen war es dunkel, so dunkel, dass man den Spalt kaum sah, der in der Bergflanke klaffte. Wie ein Schlund schluckte er den Nebel. »Sie wissen nichts«, schimpfte die Ratte. »Das ist das Problem. Sie wissen gar nichts von der Welt. Nichts, überhaupt nichts.« Vorsichtig sah sie sich noch einmal um, dann verschwand sie in der Spalte. Eine große Höhle verbarg sich dahinter. Die Ratte huschte hinein, aber sie kam nicht weit. Jemand packte ihren Schwanz und hob sie in die Luft. »Hallo, Ratte! Was machst du denn hier?« Ratte schnappte nach den pelzigen Fingern, die sie festhielten, aber außer ein paar Koboldhaaren bekam sie nichts zu fassen. Wütend spuckte sie sie aus. »Schwefelfell!«, fauchte sie. »Lass mich auf der Stelle los, du hohlköpfige Pilzfresserin! Ich habe keine Zeit für Koboldscherze.« »Keine Zeit?« Schwefelfell setzte Ratte auf ihre Pfote. Sie war noch ein junges Koboldmädchen, klein wie ein Menschenkind, mit geflecktem Fell und hellen Katzenaugen. »Wieso, Ratte? Was hast du denn so Wichtiges vor? Brauchst du einen Drachen, der dich vor hungrigen Katzen beschützt?« »Es geht nicht um Katzen!«, zischte Ratte wütend. Sie mochte Kobolde nicht. Aber alle Drachen liebten die Pelzgesichter. Sie lauschten ihren seltsamen kleinen Liedern, wenn sie nicht schlafen konnten. Und wenn sie traurig waren, konnte niemand sie besser trösten als so ein frecher, nichtsnutziger Kobold. »Wenn du es wissen willst, ich habe schlechte Nachrichten, sehr schlechte«, näselte Ratte. »Aber die werde ich nur Lung erzählen, ganz bestimmt nicht dir.« »Schlechte Nachrichten? Pfui, Schimmelpilz. Was denn für welche?« Schwefelfell kratzte sich den Bauch. »Setz - mich - runter!«, knurrte Ratte. »Na gut.« Schwefelfell seufzte und ließ Ratte auf den felsigen Boden hüpfen. »Aber er schläft noch.« »Dann werde ich ihn wecken!«, fauchte Ratte und lief tiefer in die Höhle hinein, dorthin, wo ein blaues Feuer brannte und Dunkelheit und Nässe aus dem Bauch des Berges vertrieb. Hinter den Flammen schlief der Drache. SPRECHERIN: Im Herbst kommt der Film nach Cornelia Funkes Drachenreiter-Buch in die Kinos. Glücklich ist sie mit der Interpretation ihrer Geschichte nicht. Warum, und wie das überhaupt so funktioniert, wenn ihre Bücher in Filme verwandelt werden, das erzählt sie in der zweiten Stunde dieser Langen Nacht. Da führt sie dann auch hinter die Kulissen von Hollywood. Aber zurück an den Schreibtisch in Hamburg. Der ‘Drachenreiter’ ist fertig und wird ein Erfolg. Aber danach kommt mit dem Buch ‘Der Herr der Diebe’ ein Härtetest. CORNELIA FUNKE: Weil während ich es schrieb, es mir ständig unter den Händen auseinander fiel, ich das Gefühl hatte, ich schaffe einfach nicht, was ich schreiben will. Ich kann das irgendwie nicht oder es wird nicht so wie ich es wollte. Meine Lektorin hat mir ein vernichtendes Urteil hingelegt, als sie das das erste Mal las und mir einen riesigen Kommentar geschrieben, wie ich das alles ändern muss. Ich stimmte mit nichts überein von dem, was sie sagte und habe zum ersten und einzigen Mal meinen Verlag angerufen und gesagt: ich lektorier das allein. Ich möchte von keiner Lektorin begleitet werden. Und mein Verlag, das muss ich ihnen noch ganz hoch anrechnen heute, hat gesagt: ok. Dann hab ich das Buch in 14 Fassungen umgeschrieben, verzweifelt zwischendurch, weil ich hab manchmal nachts zu Rolf gesagt: oh mein Gott, wir verhungern, das will keiner lesen, das ist alles ganz furchtbar, ich krieg da nicht hin. Alles was ich im Kopf hatte, was das Buch ist, wurde es einfach nicht auf dem Papier. Ich hab 100 Seiten weggeworfen, ich hab ganz neu angefangen, es war mörderisch. Gelöscht, weg, ausgedruckt, immer ausgedruckt. Ich hatte Ordner mit 14 Fassungen, und hab gedacht - so, und dann las ich es mir laut vor und es war genau das, was ich wollte. Und dann, das weiss ich noch ganz genau, hab ich es an meinen Verlag geschickt, und an meine Lektorin, und die riefen mich beide an: und sagten ‘Oh Gott, ja.’ ZITATOR: Leseausschnitt Herr der Diebe Es war Herbst in der Stadt des Mondes, als Victor zum ersten Mal von Prosper und Bo hörte. Die Sonne spiegelte sich in den Kanälen und überzog die alten Mauern mit Gold, aber der Wind blies eisig vom Meer herüber, als wollte r die Menschen daran erinnern, dass der Winter kam. In den Gassen schmeckte die Luft plötzlich nach Schnee, und die Herbstsonne wärmte nur den Engeln und Drachen hoch oben auf den Dächern die steinernen Flügel. Das Haus, in dem Victor wohnte und arbeitete, stand dicht an einem Kanal, so dicht, dass das Wasser unten gegen die Mauern schwappte. Manchmal träumte Victor nachts, dass das Haus in den Wellen versank, mitsamt der ganzen Stadt. Dass das Meer den Damm fortspülte, mit dem Venedig am Festland hing wie eine Kiste Gold an einem dünnen Faden, und alles verschluckte: die Häuser und Brücken, Kirchen und Paläste, die die Menschen dem Wasser so frech aufs Gesicht gebaut hatten. Aber noch stand alles fest auf seinen hölzernen Beinen, und Victor lehnte an seinem Fenster und blickte durch die staubige Scheibe nach draußen. Kein anderer Ort auf der Welt konnte so unverschämt mit seiner Schönheit prahlen wie die Stadt des Mondes. CORNELIA FUNKE: Das war so ein großer Schritt literarisch, der ‘Herr der Diebe’. Ich bin ja auch mit ‘Herr der Diebe’ auf die Liste der 100 besten Jugendbücher aller Zeiten der New York Times gekommen. Das ist für mich immer noch eines der besten Kinderbücher, die ich je geschrieben habe. Weil es so durchgearbeitet, und in sich selbst auch das erste Buch ist, was ich je geschrieben habe, das ein Thema hat. Ich hab immer große Angst davor, als Missionar daher zu kommen, wenn ich da eine Botschaft in dem Buch hab, aber dieses Buch hatte ein Thema: Kind und Erwachsener. Was ist das Kind im Erwachsenen, was ist der Erwachsene im Kind, und und und. Mich hat das so viel beschäftigt, weil ich so viele Kinder gesehen habe als Sozialarbeiter, die erwachsen sein mussten und nie Kinder sein durften. Und ich hab viele Erwachsene erlebt, die überhaupt nicht wissen, wie sie dem Kind in sich begegnen sollen. Das Thema faszinierte mich und ich dachte: das machst du jetzt Mal zum Thema eines Buches, was ich nie vorher versucht hatte. Und wenn du dir ein Thema nimmst, hast du halt diesen roten Faden, das hat seine Vorteile und Nachteile, denn dann musst du dem gerecht werden. MUSIK: französische Troubadourmusik SPRECHERIN: Nach ‘Herr der Diebe’ kam ‘Tintenherz’, Cornelia Funke war überzeugt: Das werden nur wenige Buchbesessene wie sie lesen. Und sie hatte eine Idee für ein zweites Buch aus der Tintenwelt, fing an zu schreiben und hörte nicht mehr auf. CORNELIA FUNKE: Diese Geschichte kam, als wenn du ein Scheunentor geöffnet hättest. Da hab ich gedacht: dann schreib ich das jetzt. Ich habe nie ein Buch leichter geschrieben als Tintenblut. Zweites Buch, bin in London bei meinem literarischen Agent Andrew Nürnberg, in seinem Büro und der sagt: ‘pass auf, wir setzen uns jetzt alle um dich rum,’ das waren alle Mitarbeiter, die alle Ländern betreuen, ,und erzähl uns mal, was du gerade schreibst.’ Ich: Ich schreib gerade Tintenblut, aber ich hab erst 400 Seiten. ‘Ja, erzähle uns mal die 400 Seiten’. Ok. Dann saßen um mich all die Agenten, Agentinnen im Buchgewerbe aus allen Ländern und ich erzähl nun diese Geschichte und ich höre auf. Und die fragen ‘Wie geht es weiter?’ Und ich sag ‘weiß ich doch nicht.’ ‘Wie das weißt du nicht? Du musst doch das Ende wissen.’ - ‘Ich weiß nie das Ende. Ich langweile mich zu Tode, wenn ich das Ende weiß. Ich lasse mich immer überraschen.’ ‘Ist ja furchtbar. Hast du da keine Angst?’ ‘Nee, die Geschichte verrät einem das ja immer, man muss nur warten. Ich weiß nicht wie es weiter geht. Der eine Held sitzt im Gefängnis, der andere ich hab keine Ahnung, das ist alles furchtbar vertrackt.’ Und am Morgen dieses Tages hatte ich zwei Stunden Bücher signieren müssen. Und war mit meinem Verleger, der ja J.K. Rowling sehr gut kennt, und hatte eine heiße Diskussion mit ihm darüber gehabt, wie J.K. Rowling Serious Black umbringt, einen meiner geliebten Charaktere in Harry Potter. Und ich hab gesagt ‘I would never do this, das würde mir nie passieren! Die wischt ihn von der Wand wie Fliege, das wird mir nie passieren. Wenn meine Helden jemals sterben, mit Blut und Tränen auf der Seite.’ Und ich weiß noch genau dieses Gespräch, und Barry am Grinsen. Und ich steig abends ins Taxi, hab also meine Geschichte erzählt bei den Agenten, ich fahr im Taxi nach Heathrow, ich weiß es noch sehr genau, und ich seh im Kopf wie Staubfinger stirbt. Und ich denk ‘nee, nee, nee, das geht ja gar nicht, was ist denn da losgetreten worden? Nein, nein, nein, den rühr ich nicht an, das ist mein Lieblingsheld’, und die Bilder kommen wieder, immer wieder. Ich seh’s ganz genau. Seh die Szene mit Farid, seh das, ‘nein mein Gott, der ist tot. Was ist denn jetzt passiert, wie soll denn das gehen?’ Ich flieg nach Hause, Ich gehe am nächsten Tag mit meinem Hund und meinem Pferd spazieren - ich kann nicht besonders gut reiten, also gehe ich spazieren mit meinen Pferden - ich hab einen kleinen Zettel dabei und einen Stift wie immer und ich fange an zu schreiben, und ich sehe ‘oh mein Gott, der stirbt für den Jungen, ja, der stirbt für den Jungen. Ach du je.’ Ich wusste nun: das passiert. Ob das durch das Gespräch mit Barry war, ob die Geschichte schon immer dahin wollte, man wird das nie wissen. Das war das Einzige was ich schreiben konnte. Ich wusste alle Fans werden mich hassen. ZITATOR: Leseausschnitt Tintentod Es konnte nicht sein. Er war wirklich zurück. Farid. Plötzlich schmeckte sein Name nicht mehr nach Schmerz. Er steckte ihr die Hand entgegen und sie griff danach, so hastig, als müsste sie ihn festhalten, damit er nicht wieder fortging, so weit fort. War Staubfinger jetzt dort? Wie warm sein Gesicht wieder war. Sie kniete sich neben ihn und schlang die Arme um ihn, viel zu fest, spürte sein Herz gegen das ihre schlagen, so kräftig. “Meggie!” Er sah so erleichtert aus, als wäre er aus einem schlimmen Traum erwacht. Sogar ein Lächeln stahl sich auf seien Lippen. Doch dann begann Roxane hinter ihnen zu schluchzen, ganz leise, so leise, dass man es kaum hörte hinter ihrem offenen Haar - und Farid drehte sich um. Für einen Moment schien er nicht zu begreifen, was er sah. Dann riss er sich von Meggie los, richtete sich auf, stolperte über den Mantel, als wären seine Beine noch zu schwach zum Laufen. Auf den Knien kroch er zu Staubfingers Seite und strich ihm mit ungläubigem Entsetzen über das stille Gesicht. “Was ist passiert?” Er schrie Roxane an, als wäre sie die Ursache allen Unglücks. “Was hast du gemacht? Was hast du mit ihm gemacht?” Meggie kniete sich neben ihn, versuchte ihn zu besänftigen, aber er ließ es nicht zu. Er stieß ihre Hände weg und beugte sich erneut über Staubfinger, legte ihm das Ohr an die Brust, lauschte - und presste schluchzend sein Gesicht dorthin, wo kein Herz mehr schlug. Der schwarze Prinz kam in den Stollen. Mo war bei ihm, und hinter ihnen tauchten mehr Gesichter auf, immer mehr. “Geht weg!”, schrie Farid sie an. “Geht alle weg! was habt ihr mit ihm gemacht? Warum atmet er nicht? Da ist nirgends Blut, überhaupt kein Blut.” “Niemand hat ihm etwas getan, Farid!” flüsterte Meggie. Du hättest ihn auch gern zurück, oder?, hörte sie Staubfinger sagen. Immer wieder hörte sie die Worte in ihrem Kopf. “Es waren die Weißen Frauen. Wir haben sie gesehen. Er hat sie selbst gerufen.” “Du lügst”, fuhr Farid sie an. “Warum sollte er so etwas tun?” Roxane aber fuhr mit dem Finger über Staubfingers Narben, so blass als hätte sie kein Messer, sondern die Feder eines Glasmanns gezogen. “Es gibt eine Geschichte, die die Spielleute ihren Kindern erzählen”, sagte sie, ohne einen von ihnen anzusehen. “Sie handelt von einem Feuerspucker, dem die Weißen Frauen seinen Sohn nahmen. In seiner Verzweiflung fiel ihm ein, was man sich übe die Weißen Frauen erzählte: dass sie das Feuer fürchten und sich zugleich nach seiner Wärme verzehren. Also beschloss er, sie mit seiner Kunst herbeizurufen und zu bitten, im seinen Sohn zurückzugeben. Es gelang. Er rief sie mit dem Feuer, er ließ es tanzen und singen für sie und sie überbrachten seinen Sohn nicht dem Tod, sondern gaben ihm das Leben zurück. Den Feuerspucke jedoch nahmen sie mit sich und er kehrte niemals zurück. Man sagt, er müsse ewig bei ihnen wohnen, bis ans Ende aller zeit, und das Feuer für sie tanzen lassen.” Roxane griff nach Staubfingers lebloser Hand und küsste die rußigen Fingerkuppen. “Es ist nur eine Geschichte”, fuhr sie fort. “Aber er liebte es, sie zu hören. Er sagte immer, sie sei so schön, dass ein Funken Wahrheit in ihr stecken müsse. Nun hat er selbst sie wahr gemacht - und er wird nie zurückkommen. Auch wenn er es versprochen hat. Diesmal nicht.” SPRECHERIN: ‘Tintenherz’ wird zehn Millionen Mal verkauft. Das Time Magazine erklärt Cornelia Funke zu einer der einhundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Als das passiert, packt die Schriftstellerin gerade ihre Koffer. Denn sie ist auf dem Weg in ein neues Abenteuer, auf dem Weg in den Westen. Sie und ihre Familie, Mann und zwei Kinder, Ben und Anna, ziehen um nach Kalifornien, nach Los Angeles, wo viele Überraschungen auf sie warten. Und ein schwerer Schicksalsschlag. MUSIK 2. Stunde Von Brücken, dem Zimmer des Todes und Hollywood Kulissen Musik aus: Sarah Schüddekopf , Kammerflimmerei - Perhaps SPRECHERIN: Es ist März 2005. Cornelia Funke und ihre Familie sind auf dem Weg aus dem kalten Norddeutschland nach Kalifornien, zu den Surfern, zur Sonne, zur endlosen Weite des Pazifiks. Doch daneben erwartet sie in Los Angeles auch eine schwere Prüfung. Darüber spricht Cornelia Funke in dieser Stunde. Und sie gewährt uns einen seltenen Blick hinter die Kulissen von Hollywood, wo Magie geschaffen wird, aber auch Bücher den Zauber ihrer Worte verlieren. Als die Funkes an der Westküste ankommen, war der Republikaner George W. Busch ein paar Monate vorher im Amt als US-Präsident bestätigt worden. In Deutschland stellt Kanzler Gerhard Schröder bald die Vertrauensfrage und im November kommt die Große Koalition mit Angela Merkel an der Spitze. Im April wird Joseph Ratzinger Papst. Die Lindenstraße strahlt ihre 1000ste Folge aus. Nena toppt die Charts. Der FC Bayern wird deutscher Fußballmeister. “Million Dollar Baby” gewinnt den Oscar als bester Film und “Bundeskanzlerin” ist das Wort des Jahres. Musik nochmal hoch Cornelia Funke ist nicht ganz si begeistert vom Umzug, aber der Rest der Familie findet die Vorstellung vom Leben am westlichen Ende des amerikanischen Kontinents ziemlich verlockend. Mindestens ein Jahr wollen sie es testen und kaufen ein Haus in Beverly Hills. Fünfzehn Jahre später sitzt Cornelia Funke einige Meilen weiter nordwestlich auf ihrer Farm in Malibu mit Blick auf kalifornische Platanen, Hunde, die im Garten Eichhörnchen jagen und Papageien, die in Palmen neben einem Piratenhaus auf Stelzen landen. Sie hat inzwischen über 60 Bücher geschrieben, übersetzt in30 Sprachen, und über 20 Millionen mal verkauft. Dass es sie einmal nach Kalifornien verschlagen würde, hatte sie eigentlich nicht erwartet. CORNELIA FUNKE: Das war ein seltsamer Zufall, naja, Zusammentreffen. Zum einen hab ich hier den Book Sense Book of The Year Award für den ‘Herr der Diebe’ bekommen in LA, auf der Book Expo America. Wir wollten überhaupt nicht nach Los Angeles kommen. Nein, oh mein Gott, da hört man ja nur schlimme Sachen, da will man ja nicht hin. Und dann liebten wir es auf ganz seltsame Weise. Und ich glaube, ich liebe Los Angeles vor allem so, weil es nicht das Geringste damit zu tun hat, wie ich aufgewachsen bin. Das heißt, es ist wirklich Neuland, anderer Planet, stellt alles in Frage was man kennt, alles in Frage, worauf man sich bezieht. Und dann war das ja so, dass ausgerechnet in dem Monat wo wir uns entschieden, also März 2005, und uns anfingen hier ein Haus zu suchen, ich auf die Time Magazin Liste der 100 most influential people kam, was natürlich sehr bizarr war, weil dann in Deutschland der Medienrummel losging. Wer ist das denn? Wer ist Cornelia Funke? Ich war ja nie wahrgenommen worden. Ist ja in Deutschland - Kinderliteratur. Aber plötzlich ist die aber auf der Liste. Wie kann denn das sein? Und dann kam die ganze Presse auf mich zu und sagte: ‘Wer sind Sie denn?’ nach dem Motto. Und ich sagte - ‘Ja, ich zieh jetzt weg.’ Und das war natürlich eine sehr interessante Situation, für meinen Verlag auch nicht leicht, weil mir das viele Leser doch sehr übel nahmen, dass ich nach Amerika zog. Ich bin doch die deutsche Geschichtenerzählerin. Das geht nicht. Das war durchaus erst so, dass zuerst alle Verkaufszahlen runter gingen und mein Verlag ein bisschen besorgt wurde. Und ich dann auch auf Veranstaltungen immer gefragt wurde, auch heute noch - warum denn nach Amerika, ist das da etwa besser? Ich sag dann was, was sie Gott sei Dank auch alle verstehen und inzwischen wird das auch wirklich absolut akzeptiert, dass ich hier lebe. Ich sage: Ich habe 45 Jahre meines Lebens in einem Land gelebt. Wisst Ihr wie viele Länder auf der Welt es gibt? Man muss doch mindestens ein anderes nochmal ausprobieren, vielleicht noch mal ein anderes. Man kann doch nicht immer nur dasselbe machen. Ich wollte ein Abenteuer. Und trotz all der politischen Schwierigkeiten, die wir ja überall auf der Welt beobachten, ist Kalifornien immer noch ein guter Ort. SPRECHERIN: Auch für die ganze Familie Funke. Die fühlt sich sehr schnell wohl in der Metropole an der US-Westküste. Doch dann kommt ein schwerer Schlag. Cornelia Funkes Mann Rolf bekommt eine Krebsdiagnose. Die beiden hatten sich im Studentenwohnheim in Hamburg kennen gelernt, als Cornelia 20 war und Rolf 30. Zusammen waren sie seither durch dick und dünn gegangen, durch magere und fette Jahre und hatten inzwischen zwei Kinder. Anna, 1989 geboren, 15 Jahre alt, und den fünf Jahre jüngeren Ben. Sie waren unzertrennlich. Und neun Monate nachdem sie in Los Angeles angekommen sind, da kommt diese Nachricht. CORNELIA FUNKE: Und dann ist mein Mann ja innerhalb von sechs Wochen gestorben. Das ist im Nachhinein, wenn man viele andere Krebsgeschichten hört ja fast eine Gnade, aber das war natürlich so, das dann viel Freunde anriefen und sagten: ‘Ja, dann kommt ihr jetzt aber zurück. Und ich hab gesagt: ne, weil wir haben jetzt in diesen sechs Wochen erlebt, wie sehr die Menschen dieses Landes einem dann zur Seite stehen.’ Denn das ist ja eine unglaublich berührende Erfahrung, wenn man als Europäerin das doch eher kennt, dass vor dem Schmerz zurück gewichen wird, Tür zu gemacht wird oder zumindest gesagt wird: ‘Die stören wir jetzt mal besser nicht.’ Hier ist die Reaktion genau umgekehrt. Die Nachbarn kamen durch die Hintertür und stellten einem das Essen auf den Tisch damit man nicht kochen muss. Die Freunde riefen an und sagten wir nehmen deine Kinde mit an den Strand. Die Schulen riefen an und fragten, was können wir tun, wie gehen wir jetzt zusammen damit um? Das wird nicht tot geschwiegen, das wird angeguckt, und es wird ganz fest daran geglaubt, dass man da durch kann. Dass man miteinander aus Leidenssituationen trotzdem noch gute Situationen machen kann. Und für alle Zeit wurde damit natürlich Los Angeles ein Ort, der einem in den schlimmsten Zeiten zur Seite steht und es hilft auch, wenn die Sonne scheint, wenn man traurig ist und wenn man weinen muss. Mal in große Palmen zu gucken und in nen grünen Baum, wenn man durch solche Zeiten geht. Meine Kinder haben beide gesagt: sie hätten das in Deutschland wahrscheinlich auf die Art nicht überstanden. Weil in den Schulen, bei Ben haben alle Kinder Gedichte über seinen Vater geschrieben. Dann wurde am Feuer mein Mann gefeiert, dann hat Bennie über seinen Vater erzählt, und dann haben ihm alle kleine Geschenke gemacht. Bei meiner Tochter war es so, dass alle Kinder und alle Lehrer, die Eltern verloren haben als sie jung waren, zu ihr gekommen sind und gesagt haben: ‘Selbe Geschichte, wenn du reden willst, ich weiss genau, worüber du redest.’ Das war so beindruckend und auch für sie so hilfreich. SPRECHERIN: Der Tod ihres Mannes war ein so großer Einschnitt in Cornelia Funkes Leben, dass sie zunächst nicht mal mehr sicher war, ob sie überhaupt weiter Bücher schreiben könnte. CORNELIA FUNKE: Als ich dann allein in meinem Schreibhaus saß, und da kam keiner mehr durch den Garten und brachte mir den Kaffee, da weiss ich noch, da hab ich gedacht: ‘Da kannst du nicht mehr schreiben, das geht nicht.’ Und dann stellt man mit Schrecken fest, dass man besser geworden ist. Das ist dann natürlich eine bittere Lektion, dass das Leben uns viele Dinge durch Schmerz beibringt. Und wir wollen das nicht, dass uns das Leben durch Schmerz erzieht. Wir alle möchten das nicht. Aber ich glaube, mit vielen Menschen, mit denen man spricht, werden die das bestätigen. Und ich hab immer gesagt: Ich hätte gerne meinen Mann zurück, aber ich würde nicht aufgeben wollen, was ich dadurch gelernt habe. Das ist der Zwiespalt, in dem man dann ist. Wir alle würden nie diese Entscheidung treffen: so, den Schmerz müssen wir lernen. Da gehen wir jetzt durch. Das will man nicht, und wenn es einem im Leben dann passiert, dann hat das was sehr Seltsames an sich. Aber ich wusste einfach mehr. Ich war in der Zeit dabei, Tintentod zu redigieren, denn: nein, das habe ich nicht über den Tod meines Mannes geschrieben, sondern seltsamerweise hab ich das vorher geschrieben. Und ich weiß noch, als ich das redigierte, dachte ich: da musst du jetzt ganz viel ändern, jetzt weißt du ja, was der Tod ist. Und ich musste einen Satz ändern und das war in dem Kapitel über Roxane, die Frau von Staubfinger, wo ich geschrieben hatte, dass sie wusste, sie wird über seinen Tod nie hinweg kommen. Und ich wusste, dass man das tut. ZITATOR: Lese-Ausschnitt Tintentod Resa ritt oft zu Roxane, auch wenn es ein weiter Weg war und die Straßen um Ombra herum mit jedem Tag unsicherer wurden. Der starke Mann war ein guter Beschützer, und Mo ließ sie ziehen, weil er wusste, wie viele Jahre sie in dieser Welt auch ohne ihn und den Starken Mann zurecht gekommen war. Resa hatte Freundschaft mit Roxane geschlossen, als sie in der Mine unterm Natternberg gemeinsam die Verwundeten gepflegt hatten, und der lange Weg durch den Weglosen Wald in Begleitung eines Toten hatte diese Freundschaft nur vertieft. Roxane fragte nie, warum Resa in der Nacht, in der Staubfinger seinen Handel mit den Weißen Frauen schloss, fast ebenso viel geweint hatte wie sie. Sie hatten nicht durch Worte Freundschaft geschlossen, sondern indem sie teilten, wofür es keine Worte gab. Es war Resa, die nachts zu Roxane gegangen war, wenn sie sie fern von den anderen unter den Bäumen hatte weinen hören, die sie umarmt und getröstet hatte, auch wenn sie wusste, dass es für den Schmerz der anderen Frau keinen Trost gab. Sie erzählte Roxane nicht von dem Tag, an dem Mortola auf Mo geschossen und sie mit der Furcht allein gelassne hatte, ihn für immer verloren zu haben. Denn sie hatte ihn nicht verloren, auch wenn sie es für ein paar endlose Augenblicke geglaubt hatte. Sie hatte sich nur ausgemalt, wie es sich anfühlen würde, ihn niemals wiederzusehen, nie wieder zu berühren, nie wieder seine Stimme zu hören, viele Tage, viele Nächte lang, während sie in einer dunklen Höhle gesessen und ihm die fieberheiße Stirn gekühlt hatte. Aber die Angst vor dem Schmerz war etwas ganz anderes als der Schmerz selbst. Mo lebte. Er sprach mit ihr, schlief neben ihr, schlang seine Arme um sie. Staubfinger jedoch würde Roxane nie wieder umarmen. Nicht in diesem Leben. Ihr war nichts geblieben außer Erinnerungen. Und vielleicht war das manchmal schlimmer als nichts SPRECHERIN: Ein Song gibt das wieder, was Cornelia in der Zeit nach dem Tod ihres Mannes fühlt, als ihr klar wird, dass seine Arme sie nie wieder halten werden und sie ihn nie wieder sehen wird. Und obwohl diese Trennung für immer eine so schwierige Erfahrung war - vielleicht ja auch gerade deswegen - ist es bis heute einer ihrer Lieblings-Songs: ”Paint it Black” von den Rolling Stones. Musik: The Rolling Stones - Paint it black CORNELIA FUNKE: Ja, erstens höre ich die Stones einfach gerne. Ich bin eher ein Stones als ein Beatles Fan, aber das ist schon ein Lied, was mich auch sehr an den Tod meines Mannes erinnert, was generell einfach als Musikstück Trauer und Verlust auf so unvergessliche Weise ausdrückt. Und natürlich auch mich als Maler anspricht dadurch dass es das mit Farbe tut. Im Grunde - alles wird schwarz gemalt. Das Lied fasziniert mich auf einer emotionalen Ebene, aber auch wirklich auf einer Handwerksebene. Das ist fantastisch geschrieben, fantastische Musik, sehr gut gesungen, und das befriedigt mich einfach immer auf sehr sehr vielen Ebenen. Es hat sich natürlich intensiviert durch meine Lebenserfahrung aber ich fand das schon immer einfach ein absolutes Meisterwerk. SPRECHERIN: Cornelia Funke ist noch nie dem Tod ausgewichen, schon gar nicht in ihrem Schreiben. Sie denkt dabei immer an ihre Leser, Kinder und Jugendliche. Im Gegensatz zu manchen anderen, die ihr sagen: das ist doch nichts für Kinder, das ist doch zu düster, das ist doch zu traurig, ist sie sicher: Kinder brauchen auch diese Geschichten. CORNELIA FUNKE: Ja, weil ich aus meiner Erfahrung heraus sagen kann, Kinder gucken sich die großen Fragen ja alle noch an, während wir uns als Erwachsene ja so gerne vor denen drücken. Kinder nehmen das Leben ja noch sehr viel ernster. Die fragen: wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Die erleben, dass Freunde krank werden plötzlich, oder bei einem Verkehrsunfall umkommen. Die hören Geschichten, das haben wir alle erlebt in unserer Kindheit, und sich dann vor diesen Themen zu verstecken und nicht mit ihnen drüber zu reden, das lässt sie ja ganz allein in diesen dunklen Zimmern. Deswegen ist mir das sehr wichtig, und ich bin immer besonders stolz wenn ich von Lesern höre, die sagen: ‘Mein sterbendes Kind hat Drachenreiter gelesen, das war das einzige Buch, das sie lesen wollte.’ Oder ich hab von einer Soldatin mal gehört, die nach dem Irak-Krieg schrieb: ‘Ich hab nur durch Tintentod den Sand überstanden.’ Wenn man solche Briefe bekommt, dann wird man daran erinnert, dass das Geschichten-Erzählen eine sehr ernsthafte Tätigkeit ist und eine sehr wichtige. Ich bin ja auch schon mal nach Sandy Hook gefahren, nach dem Massaker da, und hab gelesen vor Kindern, die gerade gesehen haben, wie ihre kleinen Geschwister erschossen worden sind, und bin den Eltern begegnet. Das heißt: ich hab keine Scheu vor dem Tod, ich hab auch noch nie Angst vor dem Tod gehabt. Das ist wahrscheinlich die alte Hexentradition. Man hat ja die Hexen früher Zaunreiterinnen genannt. Die haben dann ein Bein im Leben, und eins im Tod. Das ist mir ein sehr verwandtes Prinzip. Als ich nach Sandy Hook kam, wo man ja sagen könnte, da war gerade ein Massaker, weil sich ein junger Mann die automatischen Waffen seiner Mutter geschnappt hat und in eine Grundschule gegangen ist und 22 Kinder und Lehrer erschossen, soweit ich mich erinnere, das ist die amerikanische Schattenseite. Aber wenn man dann an die Schule kam, dann sah man dann halt auch die amerikanische Lichtseite, dass da Kuchen in der Form meiner Bücher gebacken worden waren und dass da so viel Freude war, und dass der Lehrer, der damit umgegangen war mit dem Schmerz, mir dann immer sagte: ‘This is a very special child,’ wenn er mich jemandem vorstellte, der dabei gewesen war, dass er gleichzeitig so viel Freude für die Kinder brachte. Und als ich die gefragt hab, was sie vorgelesen wollen haben, da hab ich gedacht, die wollen jetzt Drachenreiter, irgendwas Leichteres. Nein, die wollten alle Reckless. Die wollten alle was Dunkles, weil sie da gewesen waren. ZITATOR: Leseausschnitt Reckless Ein Dickicht aus Wurzeln, Dornen und Blättern. Baumriesen und junge Bäume, die sich nach dem Licht streckten, das allzu spärlich durch das dichte Laubdach fiel. Irrlichterschwärme über fauligen Tümpeln. Lichtungen, auf denen Fliegenpilze ihre giftigen Kreise zogen. Jacob war froh, als sie Dörfer und Straßen hinter sich ließen und unter die Bäume ritten, auch wenn er wusste, was dort auf sie wartete. Rindenbeißer, Pilzler, Fallensteller, Krähenmänner - der Schwarze Wald hatte viele unfreundliche Bewohner, auch wenn die Kaiserin seit Jahren versuchte, ihm seinen Schrecken zu nehmen. Trotz seiner Gefahren gab es einen regen Handel mit den Hörnern, Zähnen un Häuten seiner Bewohner. Jacob hatte nie auf die Art sein Geld verdient, aber es gab viele, die gut davon lebten: fünfzehn Silbertaler für einen Pilzler (zwei Taler Zuschlag, wenn er Fliegenpilz-Gift spuckte), dreißig für einen Rindenbeißer (nicht allzu viel angesichts der Tatsache, dass diese Jagd leicht mit dem Tod endete) und vierzig für einen Krähenmann (der es immerhin nur auf die Augen abgesehen hatte). Viele Bäume verloren schon ihr Laub, aber das Blätterdach war immer noch so dicht, dass der Tag sich in herbstgeschecktem Zwielicht verlor. Sie mussten die Pferde schon bald führen, weil sie sich immer öfter in dem dichten Unterholz verfingen, und Jacob wies Will und Clara an, die Bäume nicht zu berühren. Aber die schimmernden Perlen, die ein Rindenbeißer als Köder auf der Borke einer Eiche hatte sprießen lassen, ließ Clara seine Warnung vergessen. Jacob könnt ihr den garstigen kleinen Wicht noch gerade rechtzeitig vom Handgelenk pflücken, bevor er ihr den Ärmel kroch. “Das hier”, sagte er und hielt Clara den Rinderbeißer so dicht vor die Augen, dass sie die scharfen Zähne über den borkigen Lippen sah, “ist einer der Gründe, warum ihr die Bäume nicht berühren sollt. Sein erster Biss macht dich schwindlig, der zweite lähmt dich, und du bist bei vollem Bewusstsein, wenn seine ganze Sippschaft anfängt, sich an deinem Blut satt zu trinken. Keine sehr angenehme Art zu sterben.” Musik: Suite für Violoncello in G-Dur BWV 1007, II. Allemande SPRECHERIN: Rindenbeißer, Pilsner und Fallensteller gibt es nicht in der Geschichte, für die Cornelia Funke jetzt gerade Ölbilder in ihrer Garage malt. Aber auch diese Geschichte beschäftigt sich mit dem Tod. Cornelia hat sie vor einigen Jahren für einen Sammelband geschrieben. Ihr Verlag mochte sie so sehr, dass er sie bat, daraus ein eigenes Buch zu machen und dafür die Illustrationen zu malen. Zum ersten Mal versucht sich Cornelia diesmal dafür an Ölbildern und zeichnet nicht. Mit Freude, Neugier und Geduld stürzt sie sich in das neue Projekt. Sie bewegt sich - mal wieder - auf ganz neuen Wegen. CORNELIA FUNKE: Ja, das geht zurück auf eine Initiative meines Verlages, des Dressler Verlages in Hamburg, die wollten für ihren Schwesternverlag Ellermann eine Anthologie zusammen stellen für die Sternenbrücke, für das Kinderhospiz in Deutschland, sagten: ‘Das ist eine Anthologie, Teil der Gewinne kommen dem Hospiz zu Gute, schreib einfach irgend eine Geschichte, die unterhaltsam ist und nett.’ Und ich hab gesagt: ‘Das geht um sterbende Kinder, da kann ich nicht unterhaltsam und nett schreiben. Da muss ich über den Tod schreiben.’ Die Geschichte, die ich geschrieben habe, heißt ‘Die Brücke’, die ist auch schon in dieser Anthologie veröffentlicht, aber weil ich glaube, das ist schon so mit eine der besten Geschichten, die ich je geschrieben habe und der Verlag das auch so sah, haben wir halt gesagt: da machen wir jetzt nochmal was Besonderes draus. Da machen wir ein farbig illustriertes kleines Geschenkbuch draus, was man dann auch an die Hospize spenden kann. Die Geschichte handelt von der Brücke, die wir den Tod nennen und von der anderen Seite. Das heißt die handelt von einem Engel, der noch relativ jung ist, gerade mal 2000 Jahre alt, dem von all den anderen Engeln erzählt wird, dass er zu jung ist, um die toten Kinder schon über die Brücke zu bringen. Das heißt ab und zu klingelt auf der anderen Seite dann eben die Glocke, und dann wartet einer, und ein Engel fliegt rüber und bringt ihn über die Brücke. Und ihm wird immer gesagt er ist zu jung und das ärgert ihn ganz ungemein. Also geht er zu dem Drachen, der die Brücke bewacht und sagt: ‘Hör mal, also komm, ich kann das doch, ich mach das doch.’ Und der Drache sagt: ‘Das ist lächerlich, dass schaffst du überhaupt nicht, denn die kommen mit vielen dunklen Dingen über die Brücke, und du musst mit ihnen diese dunklen Dinge tragen oder sie loswerden. All das schaffst du gar nicht.’ Daraufhin fliegt er zu einem Engel, der heißt Bairim und der weiß alles über die dunklen Dinge. ZITATOR: Leseprobe Die Brücke aus “Lieblingsgeschichten für kleine Helden”, Ellermann Verlag, Bairim lebte in dem Tal, in dem das Licht schäumend wie Wasser aus den Nachtbergen drang, bis es zwischen ihnen einen See formte, der aussah wie flüssiges Silber. Als Barnabel ihn fand, stand Bairim in dem See und trank das Licht, das von den Bergen herabfloss. Es tropfte ihm von den Flügeln und schimmerte auf seinem Gesicht. Bairim war sehr groß. Er konnte bestimmt jedes Herz ohne Mühe auf der Spitze seines Fingers tragen. “Bairim”, rief Barnabel. “Ich brauche deinen Rat. Tianlong lässt mich nicht auf die Brücke. Er sagt, ich weiß nichts über die dunklen Dinge.” Bairim wischte sich das Licht aus dem Haar und blickte Barnabel mit Augen an, in denen die Nacht zuhause war. Die Nacht und tausend Sterne. “Sagt er das? Nun, Tianlong muss es wissen. Er ist der Wächter der Brücke, seit ich denken kann”, sagte Bairim. “Aber wie lerne ich, was die Dunklen Dinge sind?”, fragte Barnabel. Bairim lachte, und der See aus Licht schäumte und gebar tausend silberne Vögel. Sie flogen über das Wasser wie gefiederte Sterne. “Weißt du, dass ich dich einst über die Brücke geholt habe?,” fragte Bairim. “Du warst noch sehr jung, selbst für ein Menschenkind, und trotzdem wusstest du alles über die Dunklen Dinge. Du wusstest so viel, dass dein Herz selbst für mich fast zu schwer war. Also habe ich einiges von dem, was es schwer machte, von der Brücke geworfen und nur die wichtigsten Dinge mitgenommen.” Barnabel hatte das seltsame Gefühl, etwas schwerer zu werden. “Und wo sind diese Dinge nun?”, fragte er. Bairim nahm Barnabel in seine Hand (er war wirklich sehr groß) und flog mit ihm zu einem Wald mit Bäumen, deren Zweige schwer von Früchten waren. Einige der Früchte waren fast so schwarz wie die Nacht zwischen den Sternen. “Da”, sagte Barium und zeigte auf einen Baum, der so viele Früchte hatte, dass seine Zweige fast bis ins Gras herabhingen. “Das ist dein Baum. Gewachsen aus all den Dunklen Dingen, die dir am Herz hafteten, Iss von den Früchten, und du wirst dich erinnern, was am anderen Ende der Brücke ist und warum manche Menschenherzen sehr schwer sind, wenn sie zu uns kommen.” Und Barnabel aß. Und erinnerte sich an die Dunklen Dinge. Schmerz. Einsamkeit. Zorn. Und immer wieder Angst. So viel Angst. Bairim saß neben ihm und blickte ihn an mit seinen nachtdunklen Augen. “Nun, willst du immer noch auf di Brücke?”, fragte er. “Barnabel nickte. “Was ist Tod?” fragte er. Bairim sammelte die Kerne aus dem Gras, die Barnabel ausgespuckt hatte, und streute sie ihm in die Hand. “So nennen die Menschen die Brücke”, sagte er “Sie fürchten sich sehr vor ihr. Deshalb fliegen wir ihnen entgegen.” Tianlong öffnete die Augen, als Barnabel wieder zwischen seinen Tatzen landete. “Ah, sieh an”, sagte er mit seiner tiefen Stimme, so tief, als enthielte sie den Himmel und die Erde. Vermutlich tat sie das auch. “Du siehst immer noch ziemlich leicht aus:” Zur Antwort streckte Barnabel ihm beide Hände hin. Sie waren gefüllt mit schwarzen Kernen. “Hmmmm”, sagte Tianlong. Und dann noch einmal “Hmmmmmmm.” Und dann erhob er sich, langsam, ganz langsam, auf seine mächtigen Tatzen, bis Barnabel unter seinem schuppigen Leib durchfliegen konnte. Die Brücke sah aus der Nähe noch schöner aus. Sie treckte sich durch die Dunkelheit wie ein ausgerollter Teppich aus Licht. Barnabel hörte in der Ferne eine Glocke läuten. “Worauf wartest du?” fragte Tianlong. “Jemand ruft.” Musik: Ali Fakar Touré SPRECHERIN: Am Tag des Interviews bekommt Cornelia Funke Besuch von Familien, die eine Organisation für Kinder mit Krebs und ihre Angehörigen gegründet haben, das ‘Max Love Project’. Es ist benannt nach einem Jungen - Max -, der mit einem Hirntumor geboren wurde. Cornelia möchte für diese Familien ihre Farm, diesen Garten, die Bäume, das Piratenhaus, die gute Luft und die Nähe zum Meer als heilenden Ort öffnen. CORNELIA FUNKE: Also alle Kinder samt Teenagern sind sofort im Piratenhaus verschwunden und ich hab mit den Eltern über all das geredet, was wir hier machen könnten. Ich bin jetzt sehr gespannt, wie das wird. Ich hab diese Zusammenarbeit initiiert, weil ich von ganz vielen meiner Künstler und Gäste und auch bei Veranstaltungen, die wir mit Kindern aus Downtown gemacht haben immer wieder gehört habe: ‘It is such a healing place’, das ist so ein heilender Ort. Und als ich das so oft und immer wieder hörte, hab ich gedacht: na gut, dann können wir auch mal das physische Heilen mit einbeziehen, oder Menschen die wirklich gerade das Heilen brauchen, die unterstützen. Natürlich ist es nicht so: ich bring jetzt die Kinder her, die spielen draußen und sind dann gesund. Aber sie werden diesen Moment nicht vergessen, und man kann ihnen diese Erinnerung schenken, und man kann ihnen das Glück schenken, das sie in diesem Moment erleben. Und das war heute ganz wunderschön zu sehen, wie der Max oben ins Piratenhaus kletterte, und wie seine Schwester sagte, sie ist aber der Kapitän, und wie sie sich dann die frisch gebackenen Waffeln holten, die meine beiden Künstlerinnen dann gerade am Backen waren. Das war schon ziemlich schick. SPRECHERIN: Die Künstlerinnen, Sara und Thalia, von denen Cornelia Funke spricht, sind Gäste in ihrer Künstlerresidenz. Sie haben jeweils ihr eigenes kleines Häuschen, kommen aber oft zum Kochen, Essen, Reden mit Cornelia Funke in ihr Haus. Die Künstlerresidenz hat die Autorin als Teil ihrer Stiftung “Saum des Himmels” aufgebaut. Von dieser Stiftung werden wir in der dritten Stunde dieser Langen Nacht noch mehr hören. Jetzt aber erstmal ein Lied, das für Cornelia Funke ein Sehnsuchtslied geworden ist: Under The Bridge von den Red Hot Chilli Peppers CORNELIA FUNKE: Hach! Ja, das ist mein Heimwehlied nach LA, das ist verrückt, obwohl es so ein finsteres Lied ist. Ich werde nie vergessen, dass ich auf einer Lesung war, ich glaub in einer alten Fabrik im Osten und ich kam aus der Lesung raus, war ein ganz toller Ort, Theater da, aber ich war so Heimwehkrank nach Los Angeles. Und wie man das von Promotion Touren kennt - ach, ich möchte jetzt eigentlich nach Hause. Und meine Publicity Frau von meinem Verlag stellte sich oben bei der Fabrik auf die Treppe und fing an ‘Under The Bridge’ zu singen und das werde ich nie vergessen. Danke Donate, das war wunderbar, und immer wenn ich auf Promotion Tour Heimwehkrank werde, dann pack ich mir die Kopfhörer drauf und hör Under The Bridge. The City of Angels. MUSIK: Red Hot Chili Peppers - Under the bridge SPRECHERIN: Flea von den Red Hot Chili Peppers wohnte übrigens auch in Malibu - bis sein Haus von einem Feuer zerstört wurde. Doch zurück ins Jahr 2005, zur Entscheidung ihrer Familie nach Kalifornien umzuziehen. Damit ist Cornelia Funke auch ganz nah an den Meistern der Fantasie und der Imagination, ganz nah an der größten aller Traumfabriken, ganz nah an Hollywood. Sie hat zu der Zeit schon Erfahrung mit Verfilmungen ihrer Bücher, und leider oft keine guten. ‘Herr der Diebe’, zum Beispiel. Der Film kam als europäische Koproduktion in die Kinos. CORNELIA FUNKE: Es war eine ziemliche Desaster-Erfahrung, weil als ich dann zum Set kam, hörte, die haben die Schauspieler grade nicht bezahlt. Die sind jetzt eigentlich bankrott. Dann war trotzdem wieder Geld da. Warner Deutschland hatte mich sehr in die Irre geführt, indem sie so ein bisschen behauptet haben, sie sind mit dabei, bis ich dann in meiner Naivität verstand, dass das aber nur um den Vertrieb ging und nicht um die Produktion. Das war beim Dreh trotzdem eine verzaubernde Erfahrungen teilweise, weil die Kinder so toll waren. In Venedig zu sitzen und du hast plötzlich deine Figuren über den Marktplatz laufen, das ist schon unvergesslich. Ich hab das Skript gelesen und den Set besucht. Ich war ja auch noch so unerfahren damals. Im Nachhinein, wenn ich den Film mir angucke, gefällt er mir eigentlich besser als ich ihn das erste Mal gesehen hab. Dann natürlich die Hollywood Erfahrung - Tintenherz. Nur mal so als Vergleich, ich glaube der ‘Herr der Diebe” hatte ein Budget von ich würde mal sagen vielleicht acht Millionen. Und Tintenherz ist dann eben doch eher bei 80. Wenn man sich das dann gegeneinander anguckt denkt man ‘Hmmm, da haben sie doch einiges beim Herr der Diebe vielleicht besser hingekriegt.’ Oder man denkt ‘Ah, da ist das Geld einfach bei Tintenherz in die falschen Richtungen gegangen.’ Das heißt: vieles an dem Film gefällt mir nicht. Das hat sich auch beim Dreh noch gar nicht abgezeichnet. Das ist wirklich erst passiert, als er zusammengestellt wurde. Wodurch mir dann auch beigebracht wurde wie wichtig nachher der Schnitt ist, wie wichtig die Entscheidungen des Regisseurs sind. Du kannst fantastische Schauspieler haben und einen sehr berühmten Drehbuchautor und trotzdem geht ganz viel schief. Es lag nicht an mangelnder Leidenschaft. Die war bei allen vorhanden, einschließlich des Regisseurs, aber es ist eben doch eine Menge schief gegangen. Ich weiß noch, als ich abends immer die dailies kriegte, das ist das, was jeden Tag gedreht wird, und das wurde mir immer zugeschickt, und wenn ich das abends sah, hab ich immer gedacht: mein Gott, so gut kann der doch gar nicht werden, weil da so unglaubliche Szenen waren. Das sind viele Szenen, die nie im Film gelandet sind. Viele Szenen, die gedreht wurden, die mir unheimlich gut gefallen hatten, die dann plötzlich raus waren beim Schnitt. Als ich das erste Mal den Director’s cut gesehen habe, hab ich den gesehen mit meiner Line Producerin, der line producer am set ist ja sowas wie der General. Die muss dafür sorgen, dass jeder abends ein Zimmer hat, dass der Bleistift da liegt, wo der Schauspieler ihn hochheben muss, ist ein unglaublicher Job, sehr faszinierend und sie ist heute noch eine meiner besten Freundinnen, und wir saßen da also nun im Kino und freuten uns so auf den Film, weil wir waren ja dabei gewesen, wir hatten doch die dailies gesehen. Und ich weiß noch, ganz genau, hab da vor Kurzem nochmal mit ihr drüber geredet, wie das Licht wieder anging, und wir beide uns anguckten, und dachten: wo ist denn der ganze Zauber hin? Was ist denn da passiert? Und das war für mich das allererste Mal, dass ich so eine Erfahrung gemacht habe, dass ich wirklich gesehen hatte, was da alles an Schönem produziert worden war, und dass ich dann sah: da hat jemand das falsch zusammen gebaut. Von daher: Tintenherz war eine fantastische Lehrerfahrung und ich warte deshalb immer noch auf den Film, der das alles richtig hinkriegt. Ich glaube, der der dem am nächsten kam, war Detlev Buck mit ´Hände weg von Mississippi`. O-Ton: Trailer Mississippi (Intro) ZITATOR: Leseausschnitt „Hände weg von Mississippi“ In dem Moment klopfte es an der Haustür. Tom und Jerry blieben liegen, aber Zottel schoss so wild unterm Tisch hervor, dass Emma sich den Kakao über die Jeans goss. Doktor Knapps stellte seine Arzttasche ab und versuchte seine langen Beine unterm Tisch unterzubringen. Aber da war einfach kein Platz zwischen all den Hundeschnauzen. "Möchtest du vielleicht einen Kaffee?", fragte Emma. "Was? Ja, gern." Der Tierarzt nahm seine Brille ab und putzte sie. "Also, schieß los!" Dolly scheuchte eine Katze von ihrem Stuhl und setzte sich. "Wer hat dich so geärgert?" Knapps strich sich über das zerzauste Haar. "Du weißt doch, dass ich jeden Morgen zu Klipperbuschs Hof rausfahr", erzählte der Doktor, "Weil ich Klipperbuschs Stute, die mutterseelenallein in ihrem Stall steht, versorge. Ich warte seit Tagen darauf, dass sein Neffe sich endlich auf dem Hof blicken lässt und entscheidet, was aus dem Tier werden soll. Einen anderen Erben gibt es ja wohl nicht, wenn er der einzige lebende Verwandte ist." "Würde ich auch so sehen", sagte Dolly. "Klipperbusch mochte ihn zwar nicht besonders, aber er ist der Sohn seiner Lieblingsschwester." "Ein Mistkerl ist er!", rief der Doktor. "Weißt du was der Kerl heute Morgen zu mir sagt, als ich ihn endlich auf dem Hof treffe?" Knapps haute mit der flachen Hand so fest auf den Tisch, dass Emmas Kakao überschwappte. "Dass er schon den Pferdeschlachter angerufen hat! Jetzt kommst du!" Dolly schüttelte den Kopf. "Das hört sich ganz nach Klipperbuschs Neffen an", sagte sie. "Hab ihn ein paarmal bei Klipperbusch getroffen. Das hat mir gereicht. Albert heißt er, oder?" Der Doktor nickte. "Albert Gansmann. Weißt du was?" Er beugte sich über den Tisch. "Als ich dem Kerl erklär, dass das Tier kerngesund ist, dass es gut und gern noch zehn Jahre leben kann und dass er es doch irgendwo in Pflege geben soll, wenn er sich nicht selbst drum kümmern kann, da grinst er mir ins Gesicht und sagt: 'Der Pferdeschlachter zahlt mir dreihundert Mark und alles andere kostet mein Geld.' Das war seine ganze Antwort!" O-Ton: Trailer Mississippi (Outro) SPRECHERIN: Auch bei der Verfilmung von ‘Hände weg von Mississippi’, dem Abenteuer von Emma, ihren Freunden, ihrer Großmutter Dolly und dem Pferd, das seltsamerweise nach einem amerikanischen Fluss benannt ist, war Cornelia Funke zunächst skeptisch. CORNELIA FUNKE: Ich hatte grade bei ‘Hände weg von Mississippi’ große Sorge. Ich wollte es sogar verbieten, als ich das erste Drehbuch las. Das war so´n richtiges Sozialarbeiter-Drehbuch. Es hatte wirklich nicht viel zu tun mit dem, was ich mit meinem Buch verband. Dann hab ich im Grunde Gott sei Dank Detlev Buck vertraut, dass der das ändert. Denn mir wurde dann gesagt: nein, der Detlev arbeitet mit den Schauspielern und dem Drehbuch, und du wirst sehen, das wird ganz anders. Der wird das alles fixen. Ich weiß bis heute noch nicht woher ich den Mut nahm, das zu glauben, und er hat das alles gefixt. Ich weiß noch genau, dass ich nach Frankfurt eingeladen wurde, um den Film zu sehen, und ich kam mit meinem Sohn und meiner Tochter, das heißt ein zehn jähriger, eine sechzehn jährige und ich. Das ist ein harter Test für einen Film. Drei solche verschiedenen Altersgruppen, und wir alle liebten den Film. Und das tu ich auch heut noch. Und das war im Grunde, wenn man mich heute fragen würde, hat der Buck die beste Verfilmung hingelegt. SPRECHERIN: So gut diese Verfilmung auch gelungen war - es ist dann natürlich etwas Besondere, wenn Hollywood anklopft. CORNELIA FUNKE: Das ist auch im Nachhinein immer noch aufregend, weil man ja so viele Schauspieler liebte, weil man wusste, man hat jetzt ein Budget wo man auch special effects machen kann. Man geht an die locations die man wollte. Natürlich, es war so aufregend. Und ich weiß noch ganz genau als ich in Italien morgens um fünf dann zum Set fuhr und da wurden gerade die Gleise verlegt für einen der berühmtesten Kameraleute der Welt, und da kam dann die große Kamera, da war dann die mittelalterliche Brücke und wir haben den ganzen Tag - wie das beim Film ja so ist - die selbe Szene wieder und wieder gedreht, Paul Bettany, unglaublich und der, der so toll Farid gespielt hat, und dann sitzt man da und fragt sich warum langweile ich mich denn nicht? Ich sitze jetzt hier seit acht Stunden im italienischen Winter. Wir sind alle die gleiche Crew, und es passiert eigentlich nicht viel, als dass man die selbe Szene immer wieder macht und zwischendurch trinkt man schlechten Kaffee, und holt sich was zu essen aus dem Imbisszelt und schnackt mit den Schauspielern, aber man hat so ein Gefühl von Familie, das ist ein Zauber am Filmset von dem ich nichts wusste, und wo ich auch verstehe, warum das eine der stärksten Drogen der Welt ist, im Filmgeschäft zu sein, weil man eine Welt zusammen erschafft. Und ich weiß heute noch es gab eine Szene wo Paul Bettany, wo er am Küchentisch sitzt, und Resa ihm die verbrannten Hände heilt und die Szene hab ich ja geschrieben, und die Szene war im Film natürlich etwas anders, und es plötzlich so unglaublich still wurde auf dem Set, aber alle drum rum standen, weil Paul diese Szene so unglaublich spielte. Und für diese Erinnerung würde ich es wieder machen. Auch wenn ich wüsste, ja es ist etwas schief gegangen. Auch wenn ich wüsste, das wird jetzt nicht alles gut, für diese Momente, wo ein großer, großer Schauspieler eine Figur nimmt, und die zum Leben erweckt, mit seinem Körper, mit seiner Sprache, das ist so unvergesslich. Ich hatte einen anderen unvergesslichen Moment als wir ankamen, als ich nach Ligurien kam für den Set war ich noch frisch Witwe, und ich war mit meinem Mann in genau den Dörfern gewesen. Das war sehr schwer, und ich kam da also mit meinen Kindern an und mit Angie und dachte Oh Gottogott, das wird jetzt melancholisch und du weißt gar nicht wie das jetzt alles wird. Und dann wurde mir gesagt Brendan und Paul haben eine Party für dich vorbereitet als willkommen. Da solltest du schon heute Abend hin auch wenn du im Jetlag bist. Die hatten oberhalb des Dorfes ne Villa gemietet, ne alte italienische Villa und wohnten da. Gott sei Dank hab ich mich überreden lassen obwohl ich gejetlagt war. Ich weiß noch ganz genau, ich fuhr dann eben mit Freunden und der Produktion da rauf und dann brannten Fackeln im Garten und ich ging auf das Haus zu und Brandon war innen drin die Kerzen am Anzünden. Und ich kam rein und dann kamen all meine Charaktere aus den Türen. Da kam Paul Bettany, Jim Broadbent, Hellen Mirren, dann kam Elisa (Bennett), die Meggie spielte, und ich glaube kaum, dass man als Schriftsteller magischere Momente erlebt als diesen Moment, wo sie einfach alle kamen, und lächelten und sich so freuten über mein Entzücken. Dann war es auch so, wenn ich in die Dörfer kam, wo wir drehten. Die Italiener waren so aufgeregt darüber, dass ich da war, was sehr erstaunlich war, die sagten immer nur ‘Oh, la scittrice, la scittrice, die Geschichtenerzählern’. Ich kriegte überall umsonst meine Salami und meinen Käse. Es war unglaublich. Und dann kam man eben auf die Sets und dann waren da die Black Jackets von Capricorn, mit ihren Tattoos im Gesicht und die kamen dann auf einen zu und sagten: ‘Could you sign my book?’ Und ich erlebte natürlich genau das, worum es in Tintenherz geht. Wie die Fiction zur Wirklichkeit wird. Von daher: ja, ich bin nicht so glücklich mit dem Film wie ich es gedacht hätte dass ich sein würde, aber Himmel Herrgott würde ich nicht missen wollen Das war eine Lektion über viele, viele Monate, über das Filmemachen, auch den Respekt davor. Ich hab großen, großen Respekt seitdem vorm Filmemachen, weil den hatte ich vorher auch, aber jetzt habe ich ihn anders, weil ich weiß einfach wie viel schief gehen kann auch wenn sich alle bemühen, wenn alle große Künstler sind, alle begeistert dabei sind. Es sind nie die Bilder, die man selbst im Kopf hat. Das versuche ich auch den Zuschauen immer zu erklären, wenn dann so von den Lesern kommt: ‘Oh mein Gott, das ist ja alles ganz anders!’ Das wird immer ganz anders sein, selbst wenn die Verfilmung genial wird, wird das ganz anders sein, weil du wirst die Bilder sehen, die der Regisseur im Kopf sieht und nicht deine eigenen, und das ist dann schockierend erstmal. Und manchmal wie bei den Harry Potter Verfilmungen wo ich es gesehen habe, meine Tochter der allergrößte Fan ja der Bücher ist, und sie die Filme liebt, und trotzdem sagt: die Bilder sind nicht dieselben. Wenn sie liest sieht sie andere. Trailer: Drachenreiter SPRECHERIN: Gerade wurde wieder eines von Cornelia Funkes Büchern verfilmt, ‘Drachenreiter’. Und zwar als Animationsfilm. Diesmal ist die Autorin wirklich nicht glücklich damit, was aus ihrem Buch geworden ist. CORNELIA FUNKE: Ja, ich hab gesagt, macht das mal aus einem Grund und aus dem Grund wirklich, dass ich mit dem Rechtepreis hier meine Stiftung weiter aufbauen konnte, dass ich ganz andere Summen spenden kann an all die Ziele, die mir am Herzen liegen, mein ganzes ‘Artists-in-residence’ Programm hier, meine Unterstützung im Moment von Immigranten-Anwälten für die Kinder, die sie immer noch einsperren, und und und, für all das hat mir der Rechtepreis für Drachenreiter eine ganz andere Freiheit gegeben. Es gibt viel an dem Film, was mir nicht gefällt, das hab ich auch gesagt, geschrieben, das wissen sie alle. Aber gut, das ist jetzt die Interpretation des Regisseurs, das ist die Interpretation des Drehbuchautors. Da hat man mit andren Künstlern zu tun. Ich hab bei einigem darauf bestanden, dass das geändert wird, weil ich das Gefühl hatte, das ist einfach das Herz meiner Geschichte und da gehen sie mir ran. Das ist nicht der Film, den ich gern gesehen hätte, deshalb haben wir uns auch darauf geeinigt, dass es heißt “frei nach”, damit all meinen Lesern klar ist: Das ist nicht das Buch, was ihr erwartet. Das kann trotzdem sein, dass euch der Film trotzdem gefällt, aber das ist eine andere Geschichte. Darauf haben sie sich auch eingelassen. Bei Drachenreiter war mir von Anfang an klar, was alles schief gehen kann beim Film. Ich hab es jetzt allzu oft gemacht um zu sagen, das weiß ich nicht. Ich finde, da ist ne Menge schief gegangen und wir haben uns auf einiges einfach nicht einigen können. Ich hab mich bei vielem auch beim Regisseur nicht durchsetzen können, dass er meinen Figuren treuer folgt und nicht seine Interpretation da ansetzt. Gerade die Figuren sind dramatisch verändert. Das hab ich zum Beispiel bei Tintenherz nicht so gehabt. Das ist im Grunde das erste Mal, dass eine Verfilmung wirklich meine Figuren ändert, was ich sehr schwierig und auch sehr problematisch finde. Dass sie den Jungen, meinen Haupthelden Ben, der ja meine Hauptfigur in den weiteren Büchern ist, den ich immer als einen Jungen gesehen hab, obwohl er auf der Straße lebt, dass der eine große Unschuld hat. Und mir das auch immer sehr wichtig war, weil ich Kinder erlebt habe, die unter sehr harten Bedingungen leben und trotzdem sich eine große Unschuld bewahren. Das war mir sehr wichtig, und den haben sie dann zu nem Dieb und nem goldgierigen Jungen gemacht und das fand ich furchtbar. Ich hab mich sehr, sehr gewehrt und sie haben einiges davon zurück genommen, ganz ist es ganz bestimmt nicht raus aber das ist halt nicht meine Figur. Und der Drache ist sehr niedlich und kindlich und ein bisschen albern meiner Meinung nach. Mein Drache war würdevoll und stark. Ich würde mir so einen Drachen wünschen und nicht einen, der wie ein Spielzeug aussieht. Aber ist passiert und mal sehen, was die Fans sagen Aber das ist halt das Risiko, das wir alle eingehen und mit dem Rechtepreis wie gesagt hab ich hier wunderbar junge Künstler einladen können, und ich denke immer noch, das ist es dann halt wert. Dann knirsche ich ein bisschen mit den Zähnen und meine Leser müssen sich den Film ja nicht angucken. Wenn sie es dann doch tun, wissen sie hoffentlich, dass es einfach ne andere Interpretation ist. Mal gucken was das nächste Mal passiert. SPRECHERIN: So unzufrieden sie auch mit dem Ergebnis der Drachenreiter-Adaption ist, so hat dieser Film ihr eben auch ermöglicht, ihre Stiftung ‘Saum des Himmels’ mit der Künstlerresidenz so zu gestalten, wie sie sich das wünscht: mit vielen Gästen und offenen Türen zwischen Avocadobäumen, Eseln und Enten, Tabby und Jake ihren treuen Hunde-Gefährten. Von all dem werden wir in der nächsten Stunde mehr erfahren, aber auch von dem Tag, an dem riesige Flammen auf Cornelia Funkes Paradies zurasten, sie innerhalb von Minuten entscheiden musste, was sie den Flammen überlässt und nicht sicher war, ob sie den Weg in die Sicherheit schafft. Musik 3. Stunde Musik: Bach Wohltemperiertes Klavier Präludium in Es Dur, Nr.7, BWV 852 SPRECHERIN: Es ist Abend geworden während des Interviews mit Cornelia Funke. Auf dem Tisch, an dem sie sitzt, brennen Kerzen neben einer Keramikschüssel mit Orangen. Die sind frisch geerntet von Bäumen aus ihrem Garten. An einer Wand steht ein Regal gefüllt mit alten Büchern, an einer anderen hängt eine Gitarre über dem Kamin. Vor dem Fenster senkt sich die Nacht über den Garten. In der Ferne heulen Kojoten. Es ist das Ende eines langen Tages für Cornelia Funke. Um sieben wecken sie ihre Hunde, eine Stunde später geht sie aus dem Haus, um ihre Esel und Enten zu füttern. Sie hat dabei Gummistiefel an, Leggings und einen Parka mit Spuren von getrocknetem Matsch und Hundepfoten. Ihre beiden Mischlinge rennen über die Wiesen zwischen Wildblumen, kalifornischen Pappeln, Azaleen und Lavendel während Cornelia Funke Strohballen über den Zaun zu ihren Eseln hievt, das Wasser im Entenstall auswechselt und jede Menge Futter verteilt. Zwischen Avocadobäumen stehen kleine Häuser, in denen Künstlerinnen arbeiten. Sie sind Teil des Programms der Stiftung, die Cornelia Funke vor ein paar Jahren gegründet hat: ‘Saum des Himmels’. Damit unterstützt sie kleine Organisationen und Initiativen in den Ländern, in denen ihre Bücher erscheinen. Das sind über 30. Und sie hat angefangen, aus diesen Ländern Künstlerinnen einzuladen, einige Wochen bei ihr kreativ zu sein. CORNELIA FUNKE: Geld ist meiner Meinung nach Verantwortung, denn wir wissen alle, wie ungerecht das zugeht, wer mehr verdient und wer weniger. Warum verdiene ich jetzt mit Kinderbüchern wesentlich mehr als ich als Sozialarbeiter verdient habe? Die Arbeit ist ja nicht wichtiger. Die ist ja nur anders. Das heißt, ich versuche das dadurch wett zumachen, dass ich halt das Geld dahin gebe wo ich denke, dass es eigentlich wichtig wäre und wo es auch eigentlich sein sollte. Wenn andere sagen, das ist so selbstlos, dann sage ich: ‘Das ist es gar nicht, das ist total selbstsüchtig, weil ich liebe es, so zu leben.’ Das ist jetzt nicht so - wenn ich mich jetzt dazu zwingen müsste, das hier zu tun, das würde nicht funktionieren. Aber ich liebe es, viele Menschen um mich zu haben, Ich hab mein Haus lieber voll mit ganz vielen verschiedenen Menschen, und jeden Tag kommt ein ganz anderes Gespräch zustande. Ich glaube, dass viel von der Misere, und der Traurigkeit und all den Depressionen, davon kommt, dass die Menschen so vereinzelt sind. Und ich will nicht alleine leben. Das kann ich gut, aber ich mag mich mehr, wenn ich von anderen Menschen in Frage gestellt werde, herausgefordert werde, inspiriert werde. Da bin ich meiner Meinung nach eine nettere Person. Wenn ich nur vor mich selber hin puzzle und wunderbare Sachen schreibe, und zeichne und mache und tu - ja, aber ich glaube dass man als Menschenwesen doch besser ist, wenn man mit anderen ist. Musik: Ali Farka Touré - Savanne SPRECHERIN: Meist sind es junge Frauen, die Cornelia Funke zu einer Künstlerresidenz einlädt. Durch die Besucherinnen, die seit gut einem Jahr zu ihr kommen, hat sich das Leben der Schriftstellerin verändert. Sie hat aus ihrer Schreibscheune eine Künstlerwerkstatt gemacht und aus einem Gästezimmer ein Stop-Motion-Studio. Ihre Garage, die sie für sich in ein Studio zum Malen auf großen Formaten in Öl und Acryl verwandelt hat, teilt sie sich nun mit bildenden Künstlerinnen auf Besuch. Und jetzt klingen durch ihre Räume auch Melodien, die ihre Gäste mitgebracht haben, wie zum Beispiel die von Ali Farka Touré, Musiker aus Mali. Musik wieder hoch, dann unter Text CORNELIA FUNKE: Ali Farka Touré, den hat eine Künstlerin, die ich hier hatte, die Ayesha Gamied, gebracht. Das ist eine traditionell trainierte muslimische Illuminatorin, das heißt, die macht die alte Buchkunst, illustriert aber auch moderne Kinderbücher. Ayesha brachte uns dann morgens ihre Playlist, und ich hatte ja zu einer Zeit vier junge Künstlerinnen hier und das war wirklich faszinierend. Die deutschen Mädchen hatten natürlich eine andere Playlist als die englischen oder Ayesha hatte eben eine ganz andere, wir alle bleiben aber bei Ali Farka Touré hängen. Das heißt, Sara die Puppenmacherin aus Leipzig war in meiner Scheune, und was hört sie? Ali Farka. Und es war interessant, wenn wir uns morgens zum Frühstück zusammen setzten, es immer nur hieß: mach mal Ali an. Das heißt, das war immer die Frühstücksmusik. Und bei mir war es vor kurzem so, dass ich mir anmachte, was ich oft morgens hör, italienische Oboenmusik, brasilianische Gitarrenmusik, und ich merkte: nein, du musst doch Ali hören, das ist doch einfach besser. Das heißt im Moment gibt’s keine andere Frühstücksmusik. Musik nochmal hoch SPRECHERIN: Das hört sich zunächst idyllisch an, Leben in einer Künstler-WG, aber dieses Landleben hat auch seine Schattenseiten. Denn Natur ist nicht nur friedlich. Zwischen Bergen, Meer und alten Bäumen ist Cornelia Funke auch Naturgewalten ausgesetzt, die sie beinahe in die Knie zwangen. Es gab einen Moment im Dezember 2018, da war sie kurz davor, sich geschlagen zu geben - etwas, was es in ihrem Leben noch nie gegeben hatte. Das war kurz nach ihrem 60. Geburtstag. Die Geschichte des Unglücks beginnt aber ein paar Wochen vorher. CORNELIA FUNKE: Neunter November 2018. Es war so, dass das Feuer ja schon zwei Tage vorher immer böser wurde aber doch relativ weit weg war. Also meine Nachbarn, die schon etliche große Feuer überstanden haben, haben gesagt: ‘Nee, ich glaub nicht, dass das herkommt.’ Ich hab einen Freund hier, der ist Captain bei Feuerwehr. Er hat mir immer Vorwarnungen geschickt. Der schrieb mir am Tag vorher: ‘Cornelia, pack mal einen Koffer. Das kann gut sein, dass das bis ans Meer brennt.’ Das heißt ich hatte schon einen kleinen Koffer mit Kleidern gepackt, und einen Koffer mit Fotoalben, und einen Koffer mit Notizbüchern. Zu der Zeit hatte ich auch mein Künstlerprogramm nicht, ich wohnte hier offiziell allein, und alle Freunde, die ich in Malibu hatte, die standen später alle selber bei ihren Häusern und waren am Löschen. Von daher konnte ich jetzt nicht hier niemand um Hilfe bitten, aber ich hatte - verrückt, oder Zufall oder wie man so sagt was immer das war - ein schottischer Fotograf, ein Freund von mir, und dessen amerikanische Kollegin, beides fantastische Fotografen, die hatten eigentlich einen Fotoshoot in Hollywood. Aber ihr Produzent hatte vergessen, das Permit einzuholen, also riefen die mich abends, einen Tag bevor das Feuer kam, an und sagten: ‘Hey Cornelia, können wir bei dir übernachten? Der hat das alles in den Sand gesetzt, wir hocken hier in Malibu und haben keine Unterkunft.’ Dadurch war ich nicht allein, das heißt: Stu war hier und Laurie war hier, die ich noch nie vorher getroffen hatte, und wurden dann, ich nenne sie noch heute meine Evakuierungskumpel, das heißt wir hatten dann einen unglaublichen und unvergesslichen Tag zusammen. SPRECHERIN: Als die beiden abends bei Cornelia Funke ankommen, ist Los Angeles schon im Alarmzustand. Nach monatelanger Dürre breiten sich die Flammen an vielen Orten im Nordwesten der Stadt, angefacht vom Wind, unglaublich schnell aus. Die Feuerwehr hat Schwierigkeiten, die Feuer im oft unzugänglichen Gelände einzudämmen. Rauch kommt über die Berge auch zu ihrer Farm. CORNELIA FUNKE: Es roch. Der Wind war ganz bös. Das war das Beunruhigende. Der Wind, das kennen wir inzwischen alle hier, das sind die Santa-Anna-Winde, die kommen aus der Wüste, und die waren böse an dem Abend. Und als der Wind sich nicht beruhigte, da wussten wir: das Feuer wird getrieben. Am nächsten Morgen ging das los: oh, es wird evakuiert, es wird evakuiert. Aber meine Nachbarn sagten: ‘Nee, du musst nicht weg, du musst nicht weg.’ Und Alfonso Fuentes, der mit seinem Gartenbetrieb bei mir hier immer alles gemacht hat und auch bei einigen Nachbarn, kam vorbei, was schon sehr beruhigend war, weil Alfonso ist immer sehr beruhigend, der guckte sich einmal alles an und sagte: ‘Nee, das ist schon ok, bleib mal da, mach dir mal einen Kaffee.’ Also fängt Stu an nen Kaffee zu kochen. Und wir machen uns Rühreier, da kommt ein Anruf von Alfonso. Der war raufgefahrenn nach Point Dume, das ist eine Landzunge, die ins Meer ragt, von der man ein bisschen weiter sehen kann und sagte: ‘Du musst sofort weg. Ich seh das Feuer, und ist nichts mehr mit warten.’ Da der keinerlei Panik schiebt, haben wir die Rühreier gelassen, und haben die Hunde gepackt und die Koffer, dann haben Laurie und Stu mich noch dazu gebracht, meine sehr seltenen Bücher einzupacken. - ‘Die lassen wir nicht hier, nein, auf keinen Fall!’ Ich hab gelernt, dass man in solchen Situationen einfach alles da lässt. Und man sagt: so, jetzt ist gut, ich pack jetzt nur mein Nötigstes, die Fotoalben, die Hunde, einen kleinen Koffer mit Reiseproviant, meinen Pass, und das war‘s jetzt. Dann verbrennt eben alles. Das ist ganz seltsam. Man kommt in so ne Stimmung von: nee, ist jetzt gut, brauch ich alles nicht, ich geh jetzt. Ich würde heute eine Sache ganz anders machen. Ich würde rüber gehen in meine Scheune und in einen Koffer all die kleinen Dinge packen, die ich habe. Kleine Erinnerungen, die Kinder mir geschickt haben, die meine Künstler mir gemacht haben, die Freunde mir geschenkt haben, all diese kleinen Dinge, die nicht viel kosten, aber unwiederbringlich sind. Wenn man einen Koffer mit diesen kleinen Dingen hat, ich bin der Meinung, dann machst du dir überall ein neues zu Hause. Das hab ich nicht gemacht. Das würde ich heute machen. SPRECHERIN: Ihren alten Jeep voll mit den Koffern und zwei Hunden fährt Cornelia Funke los, ihre Freunde sind im Auto vor ihr. Aber sie fuhren nicht. Sie standen. Der Pacific Coast Highway, die berühmte kalifornische Küstenstraße, die Einheimische PCH nennen, die einzige Straße raus aus Malibu, war voller Autos, die sich nicht rührten. Stau. Und die Rauchwolke türmt sich hinter den Bergen auf wie ein dickes graues Monster. CORNELIA FUNKE: Und dann rief Stu mich immer auf dem Handy an und sagte: ‘Maybe we should stay, maybe we should go to the beach, maybe we should stay at the beach, if we get trapped on PCH’ - das heißt, das war die Angst: wenn wir auf dem PCH in der Autoschlange stehen und das Feuer springt, von den Bergen zum Meer, dann werden wir gegrillt in unseren Autos. Dann habe ich meinen firefighter Freund Marc angerufen und gesagt: ‘Marc, is there a chance, should I stay on Zuma Beach?’ Und der sagt: ‘There is no chance, you go.’ Und da der seit 50 Jahren Feuer bekämpft habe ich mich auf seinen Rat verlassen und gesagt: ‘Stu, wenn du hier bleiben willst, ist ok, ich fahr jetzt.’ Ich fuhr zurück durch die kleinen Straßen, der Stau fing schon an und bin dann im Schritttempo, 4 Stunden bis ich aus Malibu raus war, und das Feuer war immer noch parallel, das heißt jedes Mal dachte man: jetzt ist man ihm weggefahren und dann kam der Wind und trieb es einem wieder zu. Das heißt wir sahen immer die Flammen, meist nur den Rauch aber auch manchmal mal Flammen, und es sprang aber nicht. Und als wir dann endlich raus waren, hatten die dann auch noch die ganzen Freeways in Santa Monica gesperrt, vielleicht um diesen Evakuierungsverkehr umzuleiten, aber das hieß wir kamen nicht runter. Wir fuhren immer weiter und immer weiter und kamen nicht runter vom Freeway. Irgendwann haben sie dann endlich einen Exit aufgemacht.’ SPRECHERIN: Und eine Stunde später kommt Cornelia Funke endlich in Venice Beach an. Nach neun Stunden Fahrt für eine Strecke, die unter normalen Umständen 40 Minuten dauert und selbst mit schlimmstem Verkehr in Los Angeles nicht über anderthalb Stunden. CORNELIA FUNKE: Dann hatten Angie, meine wunderbare Assistentin und beste Freundin, La Cubana, mit ihrem Mann und ihrem Sohn, die hatten dann schon den Kühlschrank voll gepackt. Alle Freunde waren da. Dann hab ich allen, die ich hier kannte, die evakuierten, die keinen Platz hatten gesagt: ‘Kommt mal dahin, ich hab ein paar Schlafzimmer,’ und dann haben wir uns alle den ersten Abend da getroffen. Mein Sohn, der wohnte da um die Ecke, der kam vorbei und fand das alles ganz schick. Und da merkte man nichts. Man saß in Venice und man merkte nichts. Es war unwirklich. Die Cafés waren voll, die Restaurants waren voll, und man wusste: Malibu brennt. Musik: Patty Smith - Until the end of the world SPRECHERIN: Patti Smith und “Until the end of the world” war das, auch einer von Cornelia Funkes Lieblingssongs. Die Autorin mag Musik aus allen Genres von französischer Troubadourmusik und Jazz aus Afrika zu Barock aus Großbritannien und indischer Percussion. Patti Smith bewundert sie auch wegen der Art, wie sie ihr Leben lebt. In der Hinsicht gibt es durchaus Ähnlichkeiten zwischen Cornelia Funke und Patti Smith. Sie wissen beide sehr genau, was sie mögen und was nicht und leben ihr Leben. CORNELIA FUNKE: Ich find sie als Frau so beeindruckend, wie jemand immer - she dances to her own drum. Sich nie hat kommerzialisieren lassen, obwohl sie das hätte tun können. Sie hat nie ihre Art zu leben geändert, hat sich auch immer mit Leidenschaft der Liebe und ihren Freunden hingegeben. Und ja, ich würde sagen, das Mädchen aus Detroit hat ihr Leben so gelebt, wie man es leben soll. Und ich finde immer noch faszinierend, dieses working class Mädchen aus Detroit, die eine Leidenschaft für Rimbaud hat und dann wirklich die Texte, die sie schreibt, sie ist ja auch eine unglaublich begnadete Schriftstellerin. Ich hab sie hier bei einem Konzert im Getty gesehen und das Foto von Robert Mapplethorpe hinter sich, und sagt: ‘All my boys are dead.’ Und das sagt sie als Frau mit über 70 glaube ich jetzt, die aber alles geliebt und gelebt hat, und dann hat sie ein Bild hinter sich, wo sie mit 20 da mit Robert Mapplethorpe steht, und ihre Tagebücher vorliest. Das war so unvergesslich. Ich glaub ich hab durch die ganze Veranstaltung durchgeheult. SPRECHERIN: Das Konzert, das war vor den großen Feuern von Malibu, als Cornelia Funke noch nicht einmal daran dachte, dass all ihr Besitz mal von Feuern zerstört werden könnte während sie erschöpft mit Freunden in einem fremden Haus in Venice Beach sitzt. Und niemand, der es nicht erlebt hat, kann sich wahrscheinlich einen solchen Moment vorstellen, wo man auf Nachricht wartet, ob alles Hab und Gut zerstört ist. Cornelia Funkes einzige Verbindung nach Hause ist in diesem Moment ihr Gärtner mit seiner Crew. CORNELIA FUNKE: Ich hatte halt glücklicherweise Alfonso. Denn Alfonso hat mir dann immer FaceTime Videos geschickt mit dem Feuer hinter ihm und meinen Mülleimern, die eine Plastikpfütze waren. Und den ersten Abend hat er angerufen und gesagt: ‘Senora,, I have to give up.’ Da sah ich nur meine Hecke brennen, die ganze Straße brennen. Und da dachte ich: ‘So, das wars, Haus weg, Notizbücher weg, Manuskripte weg, Gemälde weg, alles weg.’ Kurz vor meinem sechzigsten Geburtstag. Das war so: ‘Nee, du willst nicht wieder von vorne anfangen.’ Das war wirklich ‘ne tiefe, tiefe Erschöpfung und gleichzeitig aber verrückterweise auch durchaus Erleichterung. Das ist ja das Verrückte. So sind Menschen. ‘Na gut, dann hast du halt gar nichts mehr, aber ist ja auch ganz gut, man hat ja immer zu viel.’ Und: ‘Schaffe ich ja vielleicht sowieso nicht, dieses riesige Grundstück, was hab ich mir da vorgenommen. Ist vielleicht eh alles zu viel.’ Man denkt ja an beides dann. Und dann kam zwei Stunden später ein Anruf von Alfonso: ‘Wir sind doch zurück gegangen. Wir haben die Evakuierung gebrochen und wir sind heimlich über die Hecken rüber und das Haus ist noch da.’ Dann hat er drei vier Tage lang für all meine kleinen Gästehäuser, meine Scheune gekämpft und sie gerettet. Ich werde ihm nie genug danken können, habe ihm ja dann das ‘Labyrinth des Faun’ gewidmet, Ich werde ihn zu einer Figur in ‘Drachenreiter’ machen. Vier Männer, vier Mexikaner haben mein Haus gerettet und viele andere Häuser in der Nacht und in den nächsten Nächten. Und ihre Familien haben sich schon Sorgen gemacht, weil niemand wusste, was ist hier los. Aber ich hatte glücklicherweise jemand, der mir Fotos schickte von meinem Haus. Ich hab andere Freunde gehabt, die wussten zwei Wochen lang nicht ob ihr Haus noch steht. SPRECHERIN: So dankbar Cornelia Funke auch für den Einsatz von Gärtner Alfonso Fuentes und seinen Männern ist, sie sagt ihnen immer wieder: ‘Geht nach Hause, das ist alles nicht so wichtig, ihr bringt Euch in Lebensgefahr. Das will ich nicht. Das ist es nicht wert.’ CORNELIA FUNKE: Das hab ich hundertmal gesagt und hab dann immer nur zu hören gekriegt: ‘Senora it’s fine’. Ich hab Videos, wo Alfonso und seine Männer mit Zweigen die Flammen ausschlagen weil es kein Wasser mehr gab. Und sie haben mir ein Video geschickt, wo sie die Enteneier trinken und sagen ‘Sorry, Cornelia!’ Weil das das Einzige war, was noch zu Essen da war. Es gab ja auch kein Essen mehr in Malibu. Es gab keinen Strom. Es gab kein Gas. Es gab kein Benzin. Das vergisst man ja. Es gab ja nichts mehr. Die Versicherung hat mir ein wunderbares Haus in Malibu bezahlt, also ich hatte keinerlei Ärger mit meiner Versicherung, alle Zäune wieder aufgebaut und so weiter, aber es war alles noch verraucht. Die lassen dich dann da auch noch nicht wohnen. Ich durfte acht Wochen nicht ins Haus zurück, musste aber jeden Morgen dann kommen Tiere füttern. Das war dann auch eine seltsame Zeit. Weil man eigentlich wunderbar untergebracht war, guckte auf den pazifischen Ozean, fuhr in sein verrauchtes Haus. Und dann hatte ich hier ein paar Frauen, die für die Versicherung putzten, die kamen alle aus Guatemala und hatten ihre Kinder in den Camps, die Mr. Trump aufgemacht hat, und bezahlten gerade Anwälte dafür, dass die ihre Kinder wieder raus kriegten. Dann kollidieren die Welten und dann sagt man sich: ja, ok, Cornelia, du hast jetzt dein Haus - erstens ist es noch da, du hast ein paar verbrannte Zäune, aber guck dir mal die Frauen an. Dann kam der Regen und dann wurde wieder evakuiert. Ich musste noch zweimal raus. Das war dann wirklich ganz furchtbar, irgendwann kann man nicht mehr. Musik: Patti Smith: It takes time SPRECHERIN: Immer wieder muss Cornelia Funke aufbrechen, raus aus ihrem Haus, wieder rein ins Haus. Sie muss geschmolzene Mülltonnen und Zäune wegräumen. Sie muss schauen, welche Bäume zu viel Feuerschaden haben und gefällt werden müssen. Sie muss prüfen, ob der Rauch aus allen Zimmern verzogen ist. Und sie ist nicht sicher, ob sie überhaupt zurück will. CORNELIA FUNKE: Und es war einem alles auch fremd geworden. Ich wohnte ja grad erst ein Jahr hier. Und ich fragte mich: ‘Ist das denn jetzt ein zu Hause?’ Dann war so viel verbrannt, nicht die Häuser, aber die Zäune waren weg. Ich konnte die Hunde nicht laufen lassen. Und dann steht man hier, und man denkt: ‘Das ist zu viel, du bist jetzt 60, nee. Jetzt suchste dir einfach ein kleines Haus irgendwo, zeichnest und schreibst, hast es nett, aber da haste dir zu viel vorgenommen, Cornelia. Jetzt ist gut.’ Wir hatten die Künstler aber schon eingeladen. Dann haben Angie und ich hier gesessen beim Lunch bei Oli’s Duck Dive und haben gesagt: ‘Wir sagen denen wohl besser jetzt mal ab, das geht ja nicht, wir können das jetzt nicht machen.’ Und da kam in der Sekunde, das haben wir Helena dann auch später erzählt, in der Sekunde wo wir sagten: ‘Wir sagen das jetzt ab’, kam eine Email von Helena Parks, der jungen Malerin aus Summerset, England, die sagte: “I can’t wait to come, I am counting the days,” Und Angie und ich wir gucken uns an und sagen: ‘Nee, wir können das nicht absagen. Wir machen das jetzt einfach, und wenn das ne Katastrophe wird, wir machen das jetzt einfach. Die wissen ja, was passiert ist. Die wissen ja, die kommen jetzt in ein Malibu, wo alles abgebrannt war und wo inzwischen die Telefonleitungen immer noch nicht richtig funktionieren und und und. Die wissen das ja, also machen wir das jetzt.’ Musikbrücke Und dann, gerade in dieser Stimmung, als auch alles zu blühen anfing nach diesem Regen, es war ja alles bedeckt mit wilden Blumen, die Bäume schlugen wieder aus, und die Zäune waren neu gebaut, kommt Carlos, Alfonsos Bruder, hier auf meine Terrasse zu gerannt und sagt ‘Oh Cornelia, komm schnell. Deine Eselin hat ihr Kind gekriegt, aber die hat es sofort verlassen. Das ist ganz kalt. Wir versuchen jetzt nochmal, das zu retten, aber das sieht nicht gut aus.’ Und dann bin ich da runter und dann war da Flama, das kleine Eselchen, das perfekteste Geschöpf, was mich mit großen Augen anguckte, aber nicht auf die Beine kam, und Esperanza, die Mutter stand da ganz verzweifelt. Und dann haben wir vier Stunden gekämpft mit zwei Tierärzten und allen Freunden, und dann ist die Eselin gestorben, das kleine Eselchen. Dann stand man da und dachte: ‘Was ist das denn jetzt? Jetzt dachte man, das Leben kommt zurück. Dieser kleine Esel wird das verkörpern, und jetzt ist das tot.’ Und da dachte ich: ‘So, jetzt gebe ich auf.’ Und Carlos guckte mich an und sagte: ‘No!’ Aber ich konnte nicht mehr. Dann haben die das Grab gegraben, und waren am weinen, die harten Männer, Carlos und Alfonso, Da kommt Angie zu mir und sagt: ‘Du, Adolfo und Mariela sind angekommen, deine ersten Artists in Residence. Deine Künstler sind gekommen.’ Und die standen hier im Haus, und Mariela kannte ich ja noch gar nicht. Und die kamen dann runter an das kleine Grab. Und Adolfo ist Schriftsteller, ein fantastischer Geschichtenerzähler, 37 Jahre alt aus Mexiko, und seine Frau Mariela Argentinierin, die auch in Mexiko lebt, Fotografin, und dann standen wir da alle, Carlos, und mein wunderbarer Hundetrainer Ben Fadlon aus Tel Aviv, und Angie, die Kubanerin, also wir waren viele Nationen. Meine Schwester war da und mein Schwager, also wirklich viele Nationen. Und wir standen alle um dieses Grab rum, und dann holte Adolfo eine kleine Flasche Mescal aus der Tasche, handgemachten Mescal aus Mexiko, wir haben alle eingeschenkt und haben was ins Grab gekippt, und Adolfo hat gesagt: ‘Kleine Flama,’ mit wunderbarem mexikanischen Akzent, ich übersetz das jetzt mal, ‘Kleine Flama, sie erinnert uns daran, dass selbst die kleinste Flamme, wenn sie einmal im Herzen brennt, unvergesslich ist und uns Wärme schenkt.’ Ja, da fließen die Tränen, die flossen auch damals. Und als der das sagte, und als er da stand und all das verkörperte was eben auch Künstler der Welt geben können, da hab ich gedacht: ‘Oh Cornelia, du kannst das doch.’ Musikbrücke Und das war der Beginn von Bonsall, wie ich das hier nenne. Dann kamen zwei junge Malerinnen, eine aus Australien, eine aus England, und seither sind ich glaube 26 Künstler gekommen in einem Jahr, Musiker, Maler aus vielen Nationen, und das ist das Beste was ich je in meinem Leben gemacht hab, nehme ich an. Ich würde dann sagen, es war das beste, eins meiner allerschönsten Jahre, mal sehen wie’s wieder geht. SPRECHERIN: Cornelia Funke schätzt die Intensität im Leben, die Gleichzeitigkeit von Aufbruch und Abschied, von Neuanfang und Zerstörung, von Leben und Tod. Diese Zeiten, sagt sie, sind Zeiten, die uns gleichzeitig verzaubern und Angst machen. CORNELIA FUNKE: Alle meine schicksalshaften Jahre, also 2006 als mein Mann starb und auch 2019, würde ich absolut in die gleiche Liga sortieren. Es sind ganz unvergessliche Jahre von Licht und Schatten gewesen. Es heißt, wenn das Licht heller ist, sind die Schatten dunkler. Und wir alle wissen nicht, warum das so ist, aber man hört von fast jedem Menschen, dass in diesen Jahren, die so existenziell werden, wie diesmal, als ich das Feuer überlebt habe, dann hatte ich auch noch dicken Liebeskummer, weil so alles auseinander fiel, wenn sich dann das Leben wie der Phönix aus der Asche nur umso schöner zeigt, woran liegt das? Ist das Herz offener, weil wir grade wirklich so getestet wurden, oder weil wir uns wirklich auch öffnen im Schmerz oder im Verlust? Wie hängt das zusammen? SPRECHERIN: Diese Jahre, sagt Cornelia Funke, sind auch Zeiten, in denen wir merken, was uns wirklich wichtig ist im Leben. CORNELIA FUNKE: Ich hab gelernt, was wichtig ist, ist dass man gute Freunde hat. Das ist für mich das aller, aller, aller, allerwichtigste. Dass man auch sehr viel Zeit, Liebe und Leidenschaft in diese Freundschaften investiert. Das zweite würde ich sagen ist, dass man herausfindet, wozu man gemacht ist. Das heißt: was kann man den eigentlich? Und was ist der Beitrag, den man zu dieser Welt leisten sollte? Wie kann man seinen Teil leisten, dass die vielleicht ein bisschen heller wird? Oder dass man sie nur einfach so schön zeigt wie sie ja teilweise auch oft ist. Das dritte ist, dass man einige seiner Ängste bekämpft. Das heisst es gibt Dinge, vor denen man Angst hat und dass man nicht immer den Schritt zurück geht und sagt ‘Oh, oh! Ich bleib jetzt mal in meiner Nichtgefahrenzone.’ Das war für mich sehr wichtig, weil ich war absolut nicht jemand, der gern gereist ist, Ich kann mich unheimlich schnell so an einen Ort verkrümeln. Da muss ich auch heute noch wieder gegen ankämpfen, weil ich jetzt den perfekten Ort gefunden hab. Ich bin eher sogar ein Einsiedler in vieler Hinsicht. Musik: Mercedes Lullaby aus: Labyrinth des Fauns, Soundtrack ZITATOR: Leseausschnitt Labyrinth des Fauns Es war einmal ein Wald, im Norden Spaniens, so alt, dass er Geschichten erzählen konnte, die längst vergangen und von Menschen vergessen waren. Die Bäume ankerten so tief in der moosbedeckten Erde, dass sie die Gebeine der Toten mit ihren Wurzeln umfassten, während sie die Äste nach den Sternen streckten. So vieles ist verloren, murmelten die Blätter, als drei schwarze Autos die unbefestigte Straße entlangkamen, die durch den Farn und das Moos führte. Alles Verlorene kann wiedergefunden werden, wisperten die Bäume. Es war 1944, und das Mädchen, das neben ihrer hochschwangeren Mutter in einem Auto saß, verstand nicht, was die Bäume flüsterten. Ihr Name war Ofelia, und obwohl sie erst dreizehn Jahre alt war, wusste sie alles über Verlust und den Schmerz, den er bereitete. Ihr Vater war nur ein Jahr zuvor gestorben, und Ofelia vermisse ihn so sehr, dass ihr Herz sich zuweilen wie eine leere Schatulle anfühlte, die nichts außer dem Widerhall ihres Schmerzes enthielt. Ofelia fragte ich oft, ob ihre Mutter genauso empfand, doch sie konnte die Antwort in ihrem blassen Gesicht nicht finden. … Sie stieg aus dem Auto, während ihre Mutter zum Straßenrand stolperte und sich in die Farnwedel übergab. … Wasser, raunten die Bäume, Erde. Sonne. Die Farnwedel strichen wie grüne Finger über Ofelias Kleid, und sie senkte den Blick, als sie auf einen Stein trat. Der Stein war grau wie die Uniformen der Soldaten und lag mitten auf der Straße, als hätte ihn jemand dort verloren. … Ofelia bückte sich und schloss die Finger um den Stein. Die Zeit hatte ihn mit Moos überzogen, doch als Ofelia das Moos abrieb, sah sie, dass er flach und glatt war und dass jemand ein Auge hineingemeißelt hatte. Ein menschliches Auge. Ofelia blickte sich um. Alles, was sie entdecken konnte, waren drei verwitterte Säulen, beinahe unsichtbar inmitten des hohen Farns. Den grauen Stein, aus dem sie gehauen waren, überzogen fremdartige, konzentrische Muster, und von der mittleren Säule starrte ein uraltes, verwittertes Gesicht in den Wald hinein. Ofelia konnte nicht widerstehen. Sie verließ die Straße und ging darauf zu, obwohl ihre Schuhe schon nach wenigen Schritten vom Tau durchnässt waren und Disteln an ihrem Kleid hafteten. Dem Gesicht fehlte ein Auge. Wie ein Puzzle, dem ein Teil fehlte - darauf wartend, dass jemand es löste. Ofelia schloss die Finger fester um den Augenstein und trat näher an die Säule heran. Unterhalb der Nase, die mit geraden Linien in den grauen Stein gemeißelt war, gab ein offener Mund verwitterte Zähne frei. Ofelia stolperte zurück, als sich zwischen den Zähnen eine geflügelte Kreatur regte, dünn wie ein Zweig, die die langen, zitternden Fühler auf sie richtete. Insektenbeine tasteten sich aus dem Mund heraus, und das Geschöpf, größer als Ofelias Hand, hastete die Säule hinauf. Sobald es oben ankam, hob es die spindeldürren Vorderbeine und fing an zu gestikulieren. Das brachte Ofelia zum Lächeln. Es schien so lange her, dass sie zuletzt gelächelt hatte. Ihre Lippen waren es nicht mehr gewohnt. “Wer bist du?”, flüsterte sie. SPRECHERIN: So beginnt das Buch ‘Das Labyrinth des Faun’. Ofelia ist keine Erfindung von Cornelia Funke, auch wenn sie diese Geschichte geschrieben hat und obwohl Ofelia eine Schwester von Meggie sein könnte, der zwölf Jahre alten Tochter von Buchbinder Mo, die die Tintenwelt entdeckt. Doch Ofelia ist aus einer ganz anderen Welt, die Cornelia nicht erfunden hat. Zwar liebt auch Ofelia Bücher und findet Zuflucht in fantastischen Geschichten wie Meggie. Doch Ofelia und die Welt, in der sie lebt, hat Regisseur Guillermo del Toro geschaffen, für seinen Film ‘Das Labyrinth des Faun’. Filmtrailer ‘Labyrinth des Fauns’ SPRECHERIN: Das Plakat für ‘Das Labyrinth des Faun’ hängt jahrelang in Cornelia Funkes Schreibzimmer. Es ist ihr Lieblingsfilm. Sie fühlt eine kreative Verwandtschaft mit Guillermo del Toro. Doch nicht mal ihre Fantasie reicht aus, das zu erträumen, was dann passiert. Der Regisseur bittet sie, diesen Film in ein Buch zu verwandeln. CORNELIA FUNKE: Sein Manager hatte mich angerufen. Ich kam gerade in London in mein Apartment, wo meine Tochter lebte, ich glaube nach einem Flug von Hamburg zurück. Irgendwie nachts um zwölf, stolperte in das Apartment, Telefon klingelt. ‘Cornelia, you may have to think about this. Guillermo would like you to turn Pan’s Labyrinth into a novel.’ Und ich musste mich buchstäblich hinsetzen und dachte: ‘Was ist da jetzt grade passiert?’ Weil ich meine, das ist mein Lieblingsfilm gewesen für zehn Jahre, das ist das Poster, das in meinem Schreibhaus hängt. Das ist ein Film, der mich so tief berührt. Wenn du irgendwann in die Richtung Fantasy schreiben kannst, ja das ist das Ziel! Ich habe auch immer gedacht: das ist eine unmögliche Aufgabe. Der Film ist so genial, den kann man nie und nimmer in Worte fassen. Aber wir alle wissen das alle aus den Märchen: die unmöglichen Aufgaben, die müssen wir natürlich akzeptieren. Wir können ja nicht nein zu denen sagen. Wenn sie dir den goldenen Schlüssel geben, oder was immer sie dir geben, du musst es tun, sonst wirst du es dir nie verzeihen. SPRECHERIN: Und dann kam einer der magischen Momente für Cornelia Funke: CORNELIA FUNKE: Wir haben dann ein Abendessen gehabt, wo wir eine riesige Krabbe gegessen haben, ich hab die Klaue immer noch, die hab ich in einem kleinen Glas bei mir im Schreibhaus stehen. Man sitzt da beim Abendessen mit einem der größten erzählenden Genies dieser Zeit. Da ist einfach so. Das ist so für mich, als wenn ich mit Shakespeare am Tisch säße. Dann hatte ich vier oder fünf Fragen, wo ich dachte: wenn er dir diese Fragen beantwortet und du hast die Antworten richtig erraten, dann kannst du wirklich seine Gedanken lesen und du weißt, was die Bilder bedeuten. Denn: ‘Was denkt der Faschist, wenn er vor dem Spiegel steht und sich das Rasiermesser an den Hals hält?’ Das war meine erste Frage, ‘Flirtet er da mit dem Tod? Ist der Tod sein Geliebter?’ Und Guillermo lächelte nur und nickte. ZITATOR: Leseprobe Labyrinth des Faun Vidal hatte nicht gut geschlafen, und als er mit dem Rasiermesser über seine frisch gewaschene Haut schabte, ertappte er sich dabei, dass er hoffte, die Klinge würde ihn von den dunklen Stoppeln und den verstörenden Träumen befreien, die sich immer noch in den Schatten versteckten, die der Morgen in den staubigen Raum malte. Der Rasierschaum färbte das Wasser weiß wie Milch, als er ihn von der Klinge wusch. Wieso erinnerte ihn das an seinen ungeborenen Sohn und dessen blutende Mutter? Neben der Schüssel lag die Taschenuhr, die tickend sein Leben davon zählte. Tod! schienen die silbernen Zeiger zu warnen. Vielleicht war der Tod das Einzige, was Vidals Herz lieben konnte. Seine große Liebe. Nichts konnte sich damit vergleichen. So groß, so absolut, ein Fest des Dunklen, der Moment der totalen Auf- und Hingabe. Doch selbst im Tod gab es natürlich die Angst zu versagen, die Angst, einfach zu verschwinden, unbemerkt und ohne Ruhm, mit dem Gesicht im Dreck - oder schlimmer noch, so zu enden wie seine Mutter, im Bett, während die Krankheit den Körper aufzehrte. So starben Frauen. Nicht Männer. Vidal starrte sein Spiegelbild an. Ein paar Reste von Rasierschaum ließen es aussehen, als würde sein Körper bereits verwesen. Er brachte das Messer so nah an das Spiegelglas, dass die Klinge seine Kehle aufzuschlitzen schien. War da Angst in seinen Augen? Nein Abrupt ließ er die Hand sinken und brachte die Maske der Zuversicht zurück, die sein zweites Gesicht geworden war, gnadenlos, entschlossen. Der Tod ist eine furchteinflößende Geliebte, und es gab nur einen Weg, diese Furcht zu überwinden - indem man sich ihr als Henker andiente. Vielleicht spürte Vidal, als er so allein vor dem Spiegel stand und die Gevatterin Tod mit seinem Rasiermesser umwarb, dass seine furchtbare Geliebte ebenfalls zur Mühle gekommen war. Vielleicht hörte er ihre leisen Schritte auf der Treppe zu dem Raum, in dem seine schwangere Frau sich rastlos in dem schweißnassen Bett hin und her warf. Auch Ofelia hörte die Schritte des Todes. Als sie am Bett ihrer Mutter stand und ihr das heiße Gesicht streichelte. Es war so heiß, als würde das Leben in ihr zu Asche verglühen. Ob sich ihr ungeborener Bruder ebenfalls fürchtete? Ofelia legte ihre Hand auf die Wölbung, die sein Körper unter der Decke machte. Spürte er das Fieber ihrer Mutter auf seinem kleinen Gesicht? Ofelia war es müde, zornig auf ihn zu sein. Dieser Ort machte ihre Mutter krank, nicht er - und der Einzige, der Schuld an all dem Unglück hatte, war der Wolf. Tatsächlich ertappte sie sich inzwischen dabei, dass sie sich danach sehnte, ihren Bruder endlich bei sich zu haben, ihn zu halten und sich um ihn zu kümmern, so wie sich das Mädchen, das der Monolith im Labyrinth zeigte, um das Kind in seinen Armen kümmerte. manchmal müssen wir erst sehen, was wir fühlen, bevor wir es verstehen. Ofelia war ins Zimmer ihrer Mutter gegangen, um zu tun, was der Faun ihr aufgetragen hatte. Sie hatte eine Schüssel Milch und die Alraunwurzel mitgebracht, die er ihr gegeben hatte, obwohl die Wurzel sie noch immer anwiderte. Sie begann sich zu regen, sobald die Milch sie berührte, die bleichen Glieder wie ein Neugeborenes zu strecken, Arme und Beine so speckig wie die eines Säuglings. Selbst die Laute, die die Alraune von sich gab, erinnerten an das leise Jammern eines Neugeborenen. Und als Ofelias Mutter in ihrem Bett aufstöhnte, wandte die Wurzel sich wie ein Kind dem Geräusch zu, gerade so, als würde sie der Stimme der Mutter lauschen. Ofelia musste trotz des Ekels, den sie immer noch empfand, lächeln. Die Wurzel quengelte weiter vor sich hin, als sie die Schüssel zum Bett trug. Es war nicht leicht, sie unter das Bettgestell zu schieben, ohne die Milch zu verschütten. Ofelia musste selbst hinterherkriechen, um die Schüssel so weit zu schieben, dass man sie nicht mehr sehen konnte, und für einen Moment fürchtete sie, die Alraune würde ihre Mutter wecken, weil sie wie ein Baby zu weinen begann. Wie ein hungriges Baby. Natürlich! Ofelia biss sich in den Finger und presste ihn, bis zwei Tropfen Blut in die Milch fielen. Erst da, als sie unter dem Bett lag, hörte sie Schritte. CORNELIA FUNKE: Und da wusste ich, dass wir uns verstehen. Das Abendessen und diese paar Fragen, ich hatte extra nur ein paar ganz wenige gestellt, es ist ja kein Quiz. Ich will ja einfach nur mit ihm reden, auch was er sich vorstellt mit dem Buch, und er hat mir erzählt, dass der politische Hintergrund ihm sehr wichtig ist, dass das weiter die Faschisten sind und der Widerstand, dass man das nicht ent-historifiziert. Und dann habe ich ihm erst ein Kapitel geschrieben, da war er zufrieden mit, aber da merkte ich eben auch: er will, dass ich etwas hinzufüge. Er will das. Ich hab eine große Entscheidung getroffen, indem ich gesagt habe: das ist nicht nur das Mädchen, das das erzählt. Nein, das geht nicht. Ich kann die Folterszene, ich kann die Mordszene nicht aus der Sicht des Mädchens erzählen. Das heißt, ich muss die Perspektive eines allwissenden Erzählers haben. Das war eine gute Entscheidung, das hat unheimlich gut funktioniert. Dass da jemand ist, der sagt: es gibt viele Grausamkeiten in der Welt, der diese allgemeinen Kommentare leisten kann, der philosophieren kann, das war für das Buch sehr wichtig. SPRECHERIN: Und dann geht es also los, das Umsetzen der Bilder vom Film in Worte. Auf gewisse Art ist es eine Rückkehr zu den Anfängen von Cornelia Funkes Arbeit als Schriftstellerin. Damals hat sie zuerst die Wesen, die Charaktere, die Szenen gesehen, die sie zeichnen wollte und dafür dann die Geschichten geschrieben. Aber beim ‘Labyrinth des Faun’ hat sie eine größere Verantwortung. Sie muss Wesen, die sie nicht geschaffen hat, Charaktere aus einem magischen Film, den sie liebt, und Landschaften, die sie nicht kennt, in Worte verwandeln im Auftrag eines Geschichtenerzählers, den sie verehrt. Und das alles auch noch auf Englisch! Einer Sprache, in der sie sich zwar mehr und mehr zu Hause fühlt, die aber eben doch nicht ihre Muttersprache ist. CORNELIA FUNKE: Erst hab ich gedacht ‘Oh Gott, ob du das schaffst?’ Ich hatte ja zu Guillermo gesagt: ‘Ich schreib das Punkt für Punkt sowie den Film. Ich guck den Film während ich schreibe. Ich schreib stop motion, jede Sekunde, jede Geste, jeden Blick. Ich liebe den Film. Ich werde nichts ändern.’ Ich weiß noch, dass Guillermo so anschaute als hätte ich gesagt, Weihnachten ist abgeschafft. ‘No, I want you to play’ Und ich hab gesagt - ‘Nee, also Guillermo das ist heilig, der Film, das kann ich nicht mit spielen.’. Und er guckte weiter so unzufrieden mit mir, Und er sagte ‘I want you to play’. Und dann habe ich gesagt: ‘Na gut, ich könnte zehn Kurzgeschichten schreiben über Schlüsselelemente des Films, und wir können sagen, die sind aus Ofelias Büchern vielleicht, und ob sie wahr sind oder nicht kann der Leser entscheiden,’ Dann sagte er: ‘I like that idea. Interludes.’ - Und ich sagte ‘Ja. Zwischenspiele.’ ZITATOR: Leseprobe Faun Interlude Es lebte einmal, vor langer Zeit, ein junger Bildhauer namens Cintolo. Er diente einem König in einem Reich, das so weit unter der Erdoberfläche lag, dass weder die Strahlen der Sonne noch das Licht des Mondes es je erreichten. Cintolo füllte die königlichen Gärten mit Blumen aus Rubinen und Springbrunnen aus Malachit. Er fertigte Büsten des Königs und der Königin an, die so lebendig aussahen, dass jeder meinte, er könne sie atmen hören. Ihre einzige Tochter, Prinzessin Moanna, liebte es, dem Bildhauer bei der Arbeit zuzusehen, doch Cintolo gelang es nie, ihr Abbild in Stein oder Holz zu bannen. “So lange kann ich nicht still sitzen, Cintolo”, sagte sie. “Es gibt zu viel zu tun und zu viel zu sehen.” Dann war Moanna eines Tages verschwunden. Und Cintolo erinnerte sich daran, wie oft sie ihn nach der Sonne und dem Mond gefragt hatte und ob er wisse, wie die Bäume, deren Wurzeln die Decke ihres Schlafzimmers durchzogen, über der Erde aussahen. Der König und die Königin waren so untröstlich. dass ihr Seufzen durch das Unterirdische Reich hallte und ihre Tränen die Blumen des Bildhauers wie Tau bedeckten. Der Faun, der sie bei allem beriet, was die wilden Geschöpfe und heiligen Dinge betraf, die unter der Erde leben und atmen, sandte seine Boten aus - Fledermäuse und Feen, Kaninchen und Raben -, um Moanna zurückzubringen, doch all diesen Augen gelang es nicht, sie zu finden. CORNELIA FUNKE: Dann hab ich die erste Geschichte geschrieben, die sehr deutlich die ganze Hintergrundgeschichte des Fauns erzählte, und die erklärt, warum Ofelia am Anfang den Stein auf dem Weg findet, also sehr dramatisch verbunden mit seiner Geschichte. Und dann hat er nur eine Zeile zurück geschrieben, und die war: ‘Fly on with silver wings.’ und da wusste ich - ok, das ist wohl ok. Als ich dann den Freischein kriegte, die Geschichten kamen dann so leicht, da musste ich kaum was lektorieren. Ich glaube, der Film ist einfach so reich und so genial, dass er dann einfach andere Künstler inspiriert und füttert, dass es einem dann so geht: ‘Das ist ja ganz leicht, damit was zu machen - das Bild, die Worte. Und darum wird es ja auch im nächsten Tintenbuch gehen, das Bild und die Worte. SPRECHERIN: Cornelia Funke schreibt gerade an einem vierten Buch der Tintenwelt. Nun gibt es nach Tintenherz, Tintenblut und Tintentod ‘Die Farbe der Rache’. Die Autorin lässt sich gerne von ihren Figuren überraschen. Sie weiß nie, wie ihre Bücher ausgehen, bevor sie das Ende geschrieben hat. Und auch jetzt weiß sie noch nicht, wohin die Reise mit dem neuen Buch der Tintenwelt geht. CORNELIA FUNKE: Das Bild und das Wort - was ist mächtiger? Wie beeinflussen sie einander? Das ist mir als Künstlerin sehr nahe, weil ich inzwischen immer mehr male und illustriere, und das wesentlich dominanter wird, und ich plötzlich dachte, ja, ich hatte eigentlich nie eine Idee, was da noch zu erzählen wäre, ich dachte, das ist erzählt. Und dann kam das Bild als Motiv rein. Und das Buch heißt ja auch ‘Die Farbe der Rache’, das heißt es wird um die Macht des Bildes gegen die des Wortes gehen. Damit hatte ich ein Thema, was mich interessierte, worauf ich Lust hatte und womit ich gerne spielen wollte. Dazu kam dann das, dass das Buch endgültig die ganzen Verbindungen zwischen Spiegel und Tinte zeigen wird und ich damit die beiden Serien verbinde. Musik SPRECHERIN: Egal ob in die Tintenwelt oder die Spiegelwelt, ob begleitet von Faunen, Drachen oder Dieben, ob in Piratenhäusern oder Schreibscheunen - Cornelia Funke wird uns immer wieder mitnehmen auf neue Abenteuerreisen. Wir müssen uns jetzt von ihr verabschieden. Aber zum Glück können wir immer wieder eintauchen in die Welten, die sie für uns mit ihren Geschichten eröffnet. Musik, darauf: Absage: Von Feuern, Wildblumen und Drachenreitern - Sie hörten eine Lange Nacht mit der Geschichtenerzählerin Cornelia Funke von Kerstin Zilm Es sprachen: Cornelia Schönwald und Rainer Strecker. Ton: Alexander Brennecke, Regie: Klaus-Michael Klingsporn, Redaktion: Monika Künzel. Musik bis ENDE Musikliste 1. Stunde Titel: Mo Runs Away Länge: 01:40 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: New Line Records Plattentitel: Inkheart Titel: To the Castle Länge: 01:07 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: New Line Records Plattentitel: Inkheart Titel: The Moribund Tree and the Toad Länge: 00:24 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: Milan Best.-Nr: 399 060-2 Plattentitel: Pan's Labyrinth Titel: Machengoidi Länge: 01:34 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani Titel: Another brick in the wall (Part 1) Länge: 01:01 Interpret: Pink Floyd Komponist: Roger Waters Label: Emi Best.-Nr: 524075-2 Plattentitel: Is there anybody out there? The Wall live 1980-81 Titel: Another brick in the wall, Part 2 Länge: 00:50 Interpret: Pink Floyd Komponist: Roger Waters Label: Emi Best.-Nr: 524075-2 Plattentitel: Is there anybody out there? The Wall live 1980-81 Titel: Machengoidi Länge: 00:38 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani Titel: On the case Länge: 01:32 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Nigel Clarke, Michael Csányi-Wills Label: Colosseum Best.-Nr: CST 8109.2 Plattentitel: The Thief Lord (Der Herr der Diebe) - Original motion picture soundtrack Titel: Bo's theme Länge: 00:13 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Nigel Clarke, Michael Csányi-Wills Label: Colosseum Best.-Nr: CST 8109.2 Plattentitel: The Thief Lord (Der Herr der Diebe) - Original motion picture soundtrack Titel: Heart of gold Länge: 02:11 Interpret und Komponist: Neil Young Label: Reprise Records Best.-Nr: 927239-2 Plattentitel: Harvest Titel: Wild chicks (Heute nacht sind die Hühner wild...) Länge: 00:38 Interpret: Die wilden Hühner Komponist: Jakob Anthoff, Elias Meister Label: JUMBO Best.-Nr: 441471-2 Plattentitel: Die wilden Hühner - Der Original-Soundtrack zum Film Titel: Overtüre Länge: 00:42 Interpret: Philharmonisches Orchester München Komponist: Annette Focks Label: JUMBO Best.-Nr: 441471-2 Plattentitel: Die wilden Hühner - Der Original-Soundtrack zum Film Titel: Walk on the wild side Länge: 03:45 Interpret und Komponist: Lou Reed Label: SONY BMG CATALOG Best.-Nr: 705821-2/2 Plattentitel: Rock 4 ever, CD 2 Titel: aus: Präludium und Fuge Nr. 1 C-Dur, BWV 846, (1) Präludium - Länge: 02:02 Solist: Martin Stadtfeld (Klavier) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: Sony Classical Best.-Nr: 88697-334522 Titel: The Fairy and the Labyrinth Länge: 01:36 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: Milan Best.-Nr: 399 060-2 Plattentitel: Pan's Labyrinth Titel: Venice Länge: 01:40 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Nigel Clarke, Michael Csányi-Wills Label: Colosseum Best.-Nr: CST 8109.2 Plattentitel: The Thief Lord (Der Herr der Diebe) - Original motion picture soundtrack Titel: Ab l'alen tir vas me l'aire (Gesang, Instrumente) Länge: 00:39 Ensemble: Camerata Mediterranea Dirigent: Joël Cohen Komponist: Conon de Béthune Label: ERATO Best.-Nr: 2292-45647-2 Titel: Ondas do mar (Instrumente) (1) Altas undas que venez suz la mar (2) Länge: 00:57 Ensemble: Camerata Mediterranea Dirigent: Joël Cohen Komponist: Martin Codax Label: ERATO Best.-Nr: 2292-45647-2 Titel: 56 Länge: 06:57 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani 2. Stunde Titel: Perhaps Länge: 02:30 Interpret: Sarah Schüddekopf (Saxophon) / Lothar Hotz (Klavier) Komponist: Kammerflimmerei Label: Che!Records Plattentitel: Perhaps Titel: Machengoidi Länge: 01:02 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani Titel: Fenoglio Remembers Inkheart Länge: 00:58 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: New Line Records Plattentitel: Inkheart Titel: The Funeral Länge: 01:24 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: Milan Best.-Nr: 399 060-2 Plattentitel: Pan's Labyrinth Titel: Paint it black Länge: 01:55 Interpret: The Rolling Stones Komponist: Mick Jagger, Keith Richard Label: Decca Best.-Nr: 882331-2 Plattentitel: Through the past darkly Titel: Incarcerated Länge: 01:02 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: New Line Records Plattentitel: Inkheart Titel: Vals of the Mandrake Länge: 01:38 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: Milan Best.-Nr: 399 060-2 Plattentitel: Pan's Labyrinth Titel: aus: Suite für Violoncello solo Nr. 1 G-Dur, BWV 1007, 2. Satz: Allemande Länge: 01:12 Solist: Gavriel Lipkind (Violoncello) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: BERLIN Classics Best.-Nr: 0016132 GLP Titel: Schönster Abendstern Länge: 02:34 Interpret: ARTE Quartett Komponist: Unbekannt Label: MARSYAS Best.-Nr: MAR 18042 Plattentitel: Different worlds Titel: Chintro Länge: 00:46 Interpret: ARTE Quartett Komponist: Sascha Armbruster Label: MARSYAS Best.-Nr: MAR 18042 Plattentitel: Different worlds Titel: Machengoidi Länge: 01:29 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani Titel: Under the bridge Länge: 02:54 Interpret: Red Hot Chili Peppers Komponist: Anthony Kiedis, John Frusciante, Chad Smith, Michael "Flea" Balzary Label: Warner Bros. Records Best.-Nr: 248545-2 Plattentitel: Greatest hits Titel: Ruby Länge: 05:56 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani 3. Stunde Titel: aus: Präludium und Fuge Nr. 7 Es-Dur, BWV 852, (1) Präludium - Länge: 01:52 Solist: Martin Stadtfeld (Klavier) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: Sony Classical Best.-Nr: 88697-334522 Titel: Savane Länge: 03:07 Interpret und Komponist: Ali Farka Touré Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: 8036-2 Plattentitel: Savane - The King of the Desert Blues Singers Titel: Until The End Of The World Länge: 01:20 Interpret: Patti Smith Komponist: Paul Bono Hewson, David Evens, Adam Clayton Label: Q Magazine Best.-Nr: QMAGU2DEC2011 Plattentitel: (Ăhk-to͝ ong Ba͞y-bi) Covered Titel: It takes time Länge: 01:31 Interpret: Patti Smith Komponist: Fred Smith, Patricia L. Smith Label: Warner Bros. Records Best.-Nr: 926707-2 Plattentitel: Until the end of the World - Original Motion Picture Soundtrack Titel: Doudou Länge: 02:21 Interpret: Ali Farka Touré Komponist: Unbekannt Label: WORLD CIRCUIT Best.-Nr: WCD083 Plattentitel: Ali and Toumani Titel: Mercedes Lullaby Länge: 01:41 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: The Fairy and the Labyrinth Länge: 03:38 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: The Rose Dragon Länge: 01:01 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: Long, Long Time Ago (Hace mucho, mucho tiempo) Länge: 00:28 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: Three Treals Länge: 00:58 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: A Book of Blood Länge: 01:04 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: Mercedes Länge: 01:37 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Titel: A Princess Länge: 00:55 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Alle: Label: Milan Best.-Nr: 399 060-2 Plattentitel: Pan's Labyrinth Titel: Front Titles Länge: 00:42 Interpret und Komponist: Javier Navarrete Label: New Line Records Plattentitel: Inkheart Titel: aus: Suite für Violoncello solo Nr. 2 d-Moll, BWV 1008, 1. Satz: Prélude Länge: 04:15 Solist: Gavriel Lipkind (Violoncello) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: BERLIN Classics Best.-Nr: 0016132 GLP Titel: aus: Suite für Violoncello solo Nr. 2 d-Moll, BWV 1008, 2. Satz: Allemande Länge: 04:02 Solist: Gavriel Lipkind (Violoncello) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: BERLIN Classics Best.-Nr: 0016132 GLP