COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 09. Januar 2012, 19.30 Uhr Vom Brunnenbauer zum kämpfenden Soldaten Kriegsberichterstattung in Deutschland Von Maximilian Klein Musik: Full Metal Jacket -Ruins - im Hintergrund O-Ton Fischer: Es geht vor allen Dingen darum, langfristig dazu beizutragen, Staaten zu helfen, Völkern zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. O-Ton Struck: Wichtig ist, dass im Vordergrund dieser Wiederaufbauteams nicht die militärische Arbeit steht, sondern die zivile Aufbauhilfe für entsprechende die Region. O-Ton Merkel: Im Völkerrecht nennt man das, was in Afghanistan in weiten Teilen herrscht, einen nicht internationalen bewaffneten Konflikt. Sprecher 1: Es sind diese Worte, die seit 10 Jahren in den deutschen Medien präsent sind. O-Ton Roth Wir haben gerade in einem winzig kleinen Bergdorf Solarkochanlagen betrachtet, wir werden gleich Wasserkraftanlagen anschauen, die dort errichtet worden sind. Sprecher 1: Dass Krieg etwas mit Tod zu tun hat, wird gern sprachlich umschifft. Zivile Projekte und friedlich anmutende Erfolgsmeldungen bestimmten lange das Bild "Bundeswehr in Afghanistan". Effekt: Schuss Musik: Full Metal Jacket - Thema - weg Sprecher 2 : "Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit". Aischylos Musik: Full Metal Jacket - Theme - kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher v. Dienst: Vom Brunnenbauer zum kämpfenden Soldaten Musik: Full Metal Jacket Sprecher v. Dienst: Kriegsberichterstattung in Deutschland Musik: Full Metal Jacket Sprecher v. Dienst: Ein Feature von Maximilian Klein. Sprecher 1: Wo Krieg ist, sind die Medien nicht weit. Sie müssen darüber berichten. Doch Krieg und Medien - das ist nicht nur Berichterstattung. Es ist der Versuch von Kriegsparteien, die Wirklichkeit zu verändern und durch Sprachregelungen Politik zu machen. So kommt es, dass Krieg in den Medien manchmal gar kein Krieg ist - und Menschen das sogar glauben, weil ihnen Soldaten gezeigt werden, die Brunnen bauen. Take 01 a Emcke Ich glaube, die Medien haben sich nicht besonders hervorgetan darin, den Krieg in Afghanistan als eben auch blutig und kriegerisch darzustellen. Sprecher 1: Wie berichtet man, wenn das Parlament deutschen Soldaten den Marschbefehl für eine Aufbaumission erteilt, die sich über ein Jahrzehnt hinzieht und immer kriegerischer wird? Take 01 b Emcke Ich bin aber noch nicht ganz zufrieden mit dem wie es jetzt dargestellt ist. Also ich finde nicht, dass es jetzt schon reicht. Man kann sagen, ja es ist besser geworden und es ist etwas mehr ins Blickfeld geraten wie kompliziert das auch ist. Und wie unerwünscht man in Teilen des Landes da auch ist. Und das keineswegs Gewalt als Mittel zur Befriedung wirklich immer den Frieden herstellt. Auch das ist uns gezeigt worden. Sprecher 2: Carolin Emcke, Kriegsreporterin und Publizistin. Take 02 Emcke Und ich glaube, wenn man ein guter Journalist sein will und ich möchte gerne beschreiben, was Krieg wirklich heißt, dann muss ich dieses Maß an Verstörung, an Verunsicherung ja, an Irritation meiner Selbst mit beschreiben. Denn das gehört dazu. Collage: Auslandseinsatz Take 03a Bach Ja, wir können eigentlich im Fall von Kriegsberichterstattung relativ deutlich nachvollziehen, dass sich die realen Machtverhältnisse des Landes, also militärische Befehlsgewalt, politische Befehlsgewalt relativ deutlich auch im Medientext widerspiegeln. Sprecher 2: Annika Bach, Medienwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin Take 03b Bach Das derjenige, der in der Politik oder als Kriegsakteur machtvoll ist und entscheidungskräftig, auch im Medientext dieses Verhältnis reproduziert wird. Dagegen die Zivilbevölkerung, die ungeschützte Mehrheit, wenig vorkommt und wenig auch die Perspektive auf sie gerichtet ist. Take 04 Fröhder Ich habe vor einiger Zeit mit jemanden gesprochen, der ist so knappe 30, ist so schwer verletzt, dass er nicht weiß, ob er überhaupt ein normales Leben weiterführen kann. Und es ist nur ein einzelnes Beispiel und ich habe mich wirklich an diesem Beispiel gefragt: Wer übernimmt da die Verantwortung. Ich hätte sie nicht übernehmen wollen, wenn ich in einer politischen Funktion gewesen wäre. Und ich kann nur jedem Politiker raten: Es ist zwar schön, wenn Herr Wulf da in Mazar-e Sharif die Truppen besucht. Wichtiger ist, in die Hospitäler zu gehen, mit den Verletzten zu reden, aber auch mit den Familien von Hinterbliebenen zu reden. Sprecher 2: Christoph Maria Fröhder, langjähriger Auslandskorrespondent. Take 05 Ich weiß, dass mehrere Redaktionen massiv darüber nachgedacht haben, im Dialog mit den Hierarchien es dann letztlich abgebogen wurde. Ich habe es auch immer wieder vorgeschlagen, ich habe gesagt, warum machen wir das nicht. Es wurde wie so eine Antikriegshaltung gesehen. Ich habe gesagt, dass hat mit Antikriegshaltung nichts zu tun. Wir sind eingestiegen in so einen Konflikt und der hat Konsequenzen. Und die Konsequenzen müssen wir auf jeder Ebene zeigen - dazu gehören auch die Opfer und die Hinterbliebenen. Collage: Auslandseinsatz Sprecher 1: Vielleicht hat Krieg einen Geruch. Vielleicht ist es der Pulverdampf, der Nasen und Augen reizt. Vielleicht bleibt nach einem Sprengstoffanschlag ein Hauch von Chemie in der Nase zurück. Die Antwort kennt keiner, der den Krieg nur in den Medien verfolgt. Musik: Prinz Pi Krieg aus dem Fernsehen Sprecher 1: Vielleicht hat Krieg ein Geräusch. Vielleicht ist es ein dauerndes Lärmen, ein dröhnendes Klopfen, ein Hämmern, ein Zischen. Unhörbar für die, die den Krieg nur aus den Medien kennen. Sprecher 2: Carolin Emcke sitzt in einem Berliner Straßencafe, der Wind fegt Blätter über den Asphalt, der Verkehr rauscht vorüber. Sprecher 1: Alltagsgeräusche in einer Großstadt jenseits des Krieges. Take 06 a Emcke Ich glaube es gibt ganz unterschiedliche Geräusche und Rhythmen, die ich mit Krieg verbinden würde. Ein Geräusch, was mir einfällt, ist, wie ich zum ersten Mal Luftbombardement gehört habe. Und das auch aus einer sehr großen Entfernung ein unglaublich dumpfes, dröhnendes Geräusch war und ich erinnere ziemlich genau, wie nur dieses Geräusch, noch nicht einmal das Wissen darum, was das bedeutet und das dass eben Bomben sind und das Menschen dabei getötet werden sollen, dass einen unheimlich demütigte auf Dauer, wieder und wieder dieses Geräusch kam. Anderer Klang wäre der Klang von Tieffliegern. Sehr viel schriller, sehr viel stechenderes Geräusch. Unglaublich penetrant. Hat als Geräusch auch immer etwas von einer Machtdemonstration, wobei das kaum zu trennen ist von diesem Gefühl, dass diese Tiefflieger direkt über einem lang fliegen. Atmo Sprecher 1: Aber wer interessiert sich hier schon für Geruch und Geräusche eines Krieges? Take 08 Emcke Das ist ganz schön, dass sie das fragen, weil meine kleine Nichte hat mich neulich mal gefragt, wie sieht denn Krieg eigentlich aus? Musik: Prinz Pi - der Krieg aus dem Fernsehen Sprecher 1: Und was hat so ein Krieg eigentlich mit denen zu tun, die ihn nur aus Tagesschau und heute-journal, aus Zeitungen, Zeitschriften und aus dem Radio kennen? Und ab wann ist ein Krieg eigentlich ein Krieg? Musik: Prinz Pi der Krieg aus dem Fernsehen" O-Ton Abstimmung Ergebnis Mit Ja haben gestimmt... Sprecher 2: 22. Dezember 2001: Abstimmung im Bundestag. Es geht um die Entsendung der Bundeswehr im Rahmen der ISAF. Inhalt laut Bundestagsprotokoll: Auslandseinsatz der Bundeswehr. Beteiligung der Bundeswehr am internationalen Afghanistan-Einsatz, humanitäre Hilfe, Sicherheit und Schutz der Soldaten, Finanzierung der deutschen Anteile, Vereinbarung über die Führung von ISAF. Sprecher 1: Viele komplexe Ausdrücke und Formulierungen. Doch ein Wort fehlt: Krieg! Atmo Angriff Sprecher 1: Es wurde lange Zeit nicht Krieg genannt. Nicht von der Politik. Nicht von der Bundeswehr. Und von den Medien auch nicht. Töne: Bundeswehr in Afghanistan Sprecher 1: Kriegsberichterstatter. Es klingt wie ein Wort aus längst vergangenen Zeiten. Youtube: NS Wochenschau - kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher 1: Solche mit Pathos vorgetragenen Meldungen vermeintlicher Erfolge haben sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben - und es auch verändert: aus Kriegsberichterstattung als Anhäufung von vermeintlichen Erfolgen wurde die Einsicht: Kriegsberichterstattung und Propaganda liegen oft nahe zusammen. Musik Prinz Pi Sprecher 1: Dann sind sie plötzlich wieder da, die Journalisten, die im Fernsehen berichten von Schießereien, von Marschflugkörpern und Artilleriefeuer. Berichterstatter, die in Hotelzimmer flüchten, weil sie auf offener Straße zur Zielscheibe geworden sind. Und es geht um deutsche Soldaten, die mit schwerem Gerät in fernen Ländern zu sehen sind - als Aufbauhelfer, als Brunnenbauer, als technisches Hilfswerk in Uniform. Mit Krieg - soll das nichts zu tun haben. An diesem Bild zeichnet die Bundeswehr mit. Take 09 Fröhder Sie haben auch aus Angst möglicherweise um das Leben der Kollegen, die nicht mitgenommen zu kritischen Patrouilleneinsätzen. Was man gerne gezeigt hat, war der Erfolg. Sprecher 1: Erfolgsmeldungen sind im Krieg das Wichtigste. Bomben, Kugeln, Armeen alleine nützen nichts. Krieg muss verkauft werden wie ein Produkt. Der Soldat, der Wähler und auch der Politiker selbst, muss an das glauben, was er verkauft. Take 10 Fröhder Und ich kann Ihnen nur sagen: Brunnen. Ich habe in den letzten Jahren in einem Dorf gelebt, da hat mir der Bürgermeister insgesamt drei Brunnen gezeigt und gesagt: Im Grunde genommen haben wir nur einen gebraucht. Der erste ist gebaut worden von, ich glaube, es waren die Malteser, mit der er keinerlei Schwierigkeiten hatte als Moslem, nebenbei. Sie waren mit diejenigen, mit denen man am besten reden konnte. Die haben ihn nahe der alten Wasserstelle gebaut. Deswegen funktionierte der Brunnen, weil die Bevölkerung dort traditionsgemäß hinkam, sich unterhalten hat, den Informationsaustausch betrieben hat. Dann kam eine andere Organisation, die haben überhaupt nicht mit dem Bürgermeister geredet, sondern haben mit Hilfe der Bundeswehr einen zweiten Brunnen gebaut. Und dann ist noch ein dritter gebaut worden, das waren dann wohl Bundeswehr oder Amerikaner, das war nicht so ganz zu klären vor Ort, weil die Bevölkerung einfach Abstand gehalten hat. Die wollten mit denen gar nichts zu tun haben. Der dritte Brunnen war völlig verödet, obwohl er erst zwei Jahre alt war, beim zweiten Brunnen war weitgehend der gesamte mechanische Bereich geklaut worden, sprich die Kurbel, der Wassereimer usw. Was funktionierte, war der Brunnen an der alten Wasserstelle. Sprecher 1: Die Medien wollten es glauben. Und die Politik selbst. Verantwortung lässt sich leicht übernehmen, wenn die Volksvertreter junge Männer als Entwicklungshelfer in die weite Welt schicken. Es beruhigt, wenn man nicht über Kriegseinsätze sondern über Hilfsmissionen entscheidet. Take 11 Bach Jeder ist beeinflussbar, natürlich. Sprecher 1: Beeinflussung. Das heiß auch, bereit sein, sich beeinflussen zu lassen. Take 12 Bach Da gings ja, abgesehen von der Figur Brunnenbauer versus Helfer in Uniform versus Soldat im Einsatz. Die Frage hier war ja ganz stark die Frage der Legitimität dieses Krieges und für den Einsatz der Bundeswehr als deutsche Armee mit der kompletten Geschichte die dazu gehört. Sprecher 1: Krieg ist für die meisten hierzulande losgelöst von den eigenen Erfahrungen. Krieg findet sich in Geschichtsbüchern, Erzählungen, in Filmen und eben in den Medien. Doch was hat die mediale Darstellung mit der Wirklichkeit zu tun? Take 13 Fröhder Wir haben nahezu euphorisch von der Demokratisierung Afghanistans berichtet, von dem Wohlstand, der aufkommt, von den Schulen, den Einrichtungen in Form von kleinen Gewerbebetrieben und so weiter und so fort. Sprecher 1: Das Risiko wurde unterschätzt und die Konsequenzen wurden unterschätzt. Von der der Politik, der Bundeswehr, und den Medien. Take 14 Fröhder Die Militärs waren natürlich hochinteressiert, erst einmal den Einsatz vom Risikofaktor her runterzureden. Sprecher 1: Und die Medien folgten dem. Take 15 Bach Es ist natürlich ein Problem, wenn die journalistische Berichterstattung einzig einen politischen Fokus auch quasi nachvollzieht und da die Logik der Politik simuliert. Also die Relevanzsetzung immer von einem politischen Akteur ausgeht. Und nicht auch in Form von Berichterstattung auch von der journalistischen Seite aus. Atmo: Zappen durch die Medienlandschaft. Sprecher 1: Es sind Formulierungen, die immer wieder den Blick vernebeln und offenbaren, wie subtil Einfluss genommen wird. Take 16 Emcke Also ich glaube Krieg ist immer noch Krieg und Gewalt ist immer noch Gewalt. Das klingt wie ein running gag sozusagen. Ja, aber es ist leider so geworden, das hat mittlerweile alles solche schönen Worte gefunden, und so wunderbare Begriffe und auch so aseptische Bilder, das man immer den Eindruck hat, da ginge es nicht mehr ums Töten. Sprecher 1: Das Bild des Brunnenbauers ist Verharmlosung. Ein wichtiger Teil seiner Ausrüstung spielte nämlich kaum eine Rolle: Waffentechnologie, made in Germany. Denn auch das stand nicht im Fokus der Berichterstattung: Krieg ist immer auch ein lohnendes Geschäft für die Produzenten von Kriegsgerät. Deutschland ist weltweit der drittgrößte Waffenexporteur. Ein Erfolg, bei dem die Politik nicht weiter stören will. Und mit dem die Bevölkerung nicht weiter belästigt werden soll. Der Soldat als Brunnenbauer kam da gerade recht. Doch das freundliche Bild war nicht von Dauer. Collage: Meldungen von Explosionen, Toten usw. Take 17 Emcke Ich glaube, dass ist noch nicht mal eine Form der Kriegsberichterstattung. Ich finde, das den Häppchenjournalismus, den es in den Nachrichtensendungen gibt, wo sich ein Mensch nach dem anderen gerade in die Luft jagt und man sieht, irgendwelche Körperfetzen und Bombenteile an einer Kreuzung, in einem Ort irgendwo, den kein Zuschauer kennt. Ich glaube, dass überhaupt nichts erzählt wird in diesen Beiträgen. Auch mit diesen Bildern wird nichts erzählt. Außer "Das sind Fetzen". Ich glaube auch nicht, dass Aufnahmen einer Leiche an sich aussagekräftig sein können. Das ist auch keine Kritik an Gewalt. Das ist Kritik an gar nichts. Sprecher 1: Krieg in Häppchenform, professionell aufgearbeitet, fertig für den Verzehr, angerichtet für die abendlichen Nachrichten. Die Zutatenliste ist übersichtlich: Mal ein Selbstmordattentat, mal ein Raketenbeschuss, mal eine Panzergranate oder ein Bombenabwurf. Dazu Tote, Verletzte und ausgebrannte Häuser. Das ist der Krieg, wie er in der Ferne ankommt: auf Smartphone, Tabletcomputern und Flachbildschirmen im öffentlichen Nahverkehr. Take 19 Emcke (Fortsetzung) Ich frag mich ja, was denken die denn eigentlich in den Redaktionen. Wer sitzt in der Redaktion, der sich ein Bild aussucht auf dem irgendein Rest von einem Selbstmordattentäter in einem Rest von irgendeinem Restaurant auf einem Marktplatz ist. Da ist jetzt ein Loch in der Straße, da liegt Blut rum. Was soll das? Das erzählt niemandem was. Das erzählt niemandem wirklich etwas von der Lebenswirklichkeit der Menschen dort. Es erzählt niemandem etwas von dem Hintergrund der Gewalt. Noch von der Angst, die sie möglicherweise verbreitet in so einer Gegend. Sprecher 1: Medien können die Wirklichkeit verändern. Im Juni 1972 bombardierte die US-Luftwaffe ein Dorf in Vietnam mit Napalm. Ein Foto nach diesem Angriff ging um die Welt: ein neunjähriges Mädchen läuft mit schmerzverzerrtem Gesicht um sein nacktes Leben. Das Bild wird zum Symbol dafür, dass Krieg immer mit Angst und Schrecken verbunden ist - und das Unschuldige leiden. Bilder wie dieses mobilisierten die Öffentlichkeit, die begriff: Krieg ist immer menschenverachtend. Die Amerikaner zogen sich aus Vietnam zurück und die Welt begriff: Medien können die Wirklichkeit verändern. Das weckt Interessen. Der Druck auf Kriegsreporter wächst. Atmo: Arabische Terrorvideos Sprecher 1: Die Taliban wollen brutal und schrecklich wirken - sie erhoffen sich so Macht und Einfluss. Atmo: Die Bundeswehr will zeigen, dass sie Gutes tut. Ein positives Image, so die Hoffnung, fördert die Unterstützung von dem, was Militärs Heimatfront nennen. Es geht um das Image, es geht um Deutungshoheit. Die einen wählen den Weg über brutale Videos, die anderen beschäftigen PR-Agenturen. Atmo Sprecher 2: Strategisches Themensetting. Themen finden, planen und platzieren. Kommunikation ist nur dann erfolgreich, wenn gute Geschichten zum richtigen Zeitpunkt gezielt auf die öffentliche Agenda gebracht werden. Der Kampf um Aufmerksamkeit ist hart. Nur interessante Ansätze lassen sich platzieren. Sie möchten wissen, wie Sie Ihre Themen finden und deren Einsatz strategisch planen? Sie wollen spannende Storys entwickeln, um diese in den verschiedenen Medien wiederzufinden? Sprecher 1: Damit wirbt die PR Agentur Atkon AG. Das Bundesverteidigungsministerium hat diese zweifelhaften Dienste in Anspruch genommen. Die Agentur lieferte für die Bundeswehr positive "Berichte". Ein Spannungsfeld der Verantwortung von Seiten der Medien, der Bundeswehr und der PR Agentur. Wird die Quelle des Materials genannt? Sendet eine Rundfunkanstalt ungefragt solches Material? Hier wird die Grenze von Information zu Propaganda überschritten. Als diese Praxis im Jahr 2007 öffentlich wurde, sprach die Pressestelle der Bundeswehr ohne einen Funken Schuldgefühl einfach von einer "neuen Form der Pressearbeit". Diese Form der "Pressearbeit" wird im Verteidigungsministerium nicht mehr praktiziert. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung kann auch subtiler funktionieren: Die Bundeswehr bietet kostenlose Seminare an, in denen Journalisten auf Einsätze in Kriegsgebieten vorbereitet werden: Take 20 Emcke Und zwar gab es eine Übung, bei der man üben sollte, wie das ist, sich in einem Minenfeld zu bewegen und die Übung bestand darin, dass man paarweise durch ein Minenfeld gehen sollte und sollte sich ausmalen, der eine sein verwundet, und könnte nicht mehr selber sich bewegen und der andere müsste ihn retten. Sprecher 2: Carolin Emcke, Kriegsreporterin Take 21 Emcke Sie wollten einem demonstrieren, dass man in bestimmten Fällen eben sich nicht selber helfen kann, sondern, Hilfe holen muss. Und dass das vernünftiger ist. Sprecher 1: Eine Vorbereitung auf Kriegs- und Kriseneinsätze ist notwendig, aber die Bundeswehr als Helfer und Ausbilder für Journalisten? Uneigennützig gar? Take 22 Emcke Die Bundeswehr macht das nicht einfach aus Nettigkeit, Journalisten gegenüber. Sondern die Bundeswehr will dass ihre Soldaten auch darin erprobt sind, was das heißt, nervige Medienvertreter auf Kriegsschauplätzen um sich herum tummeln zu haben. Natürlich der Blick, der damit auf Kriegsberichterstattung geformt und noch mal und geschult wird, ist natürlich einer, der immer das Militär ins Auge nimmt und vielleicht nicht Zivilisten. Take 23 Fröhder: Meine Grundkritik daran ist: Ich denke, Journalisten sollten nicht von der Bundeswehr ausgebildet werden. Die Bundeswehr bildet sie natürlich automatisch in ihrem Sinne aus. Das ist völlig verständlich nachvollziehbar. Sprecher 2: Sagt Christoph Maria Fröhder, langjähriger Krisen- und Kriegsreporter. Musik: The XX Intro erste Sekunden freistehend dann weg Sprecher 1: Inzwischen werden Kriege live vom Schlachtfeld in die Wohnzimmer übertragen - das ist moderne Kriegsberichterstattung. Take 25 Bach Das ist einerseits eine Herausforderung die sich durch den Gegenstand selber stellt. Darüber hinaus ist natürlich noch eine Veränderung in den technischen Bedingungen und auch in der Arbeitsweise der Journalisten zu beobachten. Sprecher 1: Digital Hero. So heißt die Firma, die Helmkameras für die Bundeswehr produzieren soll. Der Soldat, der nun nicht nur schießt, sondern dabei auch noch das festhält, was er sieht. Was bei der US-Armee seit Jahren gang und gäbe ist, wird nun auch bei der Bundeswehr angeschafft. Der Blick aus der Schussperspektive, den nicht nur die Bundeswehr nutzen kann. Viel näher ist ein Rankommen an den Krieg nicht möglich. Informationen und Emotionen vermischen sich. Atmo: Helmkameras der Deutschen (youtube video) Sprecher 1: Die Bundeswehr glaubt, dass sich der mündige Bürger ein Bild machen kann - durch die Bilder aufgenommen von den Helmkameras der Bundeswehr? Doch was sollte das für ein Bild sein - ohne das Wissen um den Kontext, ohne die Möglichkeit das Bild einordnen zu können. Bundeswehr und Bundeswehrverband beklagen, dass ihr Kriegseinsatz auf keine Anerkennung in Deutschland stößt. Helmkameras sollen da Abhilfe schaffen. Der Einsatz am Hindukusch aus der Ego-Shooter-Perspektive. Atmo: Helmkamera Der mediale Arm des Krieges wird verlängert auf youtube, facebook, auf das ganze Mitmachnetz. Zum Live-Erlebnis des Krieges kommt die Möglichkeit der Live- Kommentierung - und sei es mittels "Gefällt mir" - Button. Kriegsakteure und deren Opfer können in Blogs oder über Twitter ihre Sicht online stellen: Take 26a Bach Was in Bezug auf den Irak ja noch ganz interessant war, dass ja die, weil sie technisch viel besser ausgestattet sind, mit Internet auch 2003 schon, natürlich viel besser versorgt waren als es jetzt Afghanistan ist. Dort auch noch mal zivile Blogger oder Photographen Bilder oder Videos, vor allem auch Texte online gestellt haben, die noch mal einen zivilen Blickwinkel auch auf das Kriegsgeschehen geworfen haben. Also, wie die Zivilisten mit den Bombardierungen in Bagdad zum Beispiel klarkommen oder nicht klarkommen. Sprecher 1: Annika Bach - Medienwissenschaftlerin. Ihr Fachgebiet: die audiovisuelle Erzählstrategie von CNN und Al Jazeera zum Thema Krieg in Afghanistan. Sprecher 2: Fast scheint es, das Internet helfe dabei, sich ein Bild vom Krieg zu machen, weil alle zu Wort kommen. Take 27 Bach Das ist ja ganz interessant, dass das ja in Afghanistan überhaupt nicht vorkommen kann, weil einfach die technischen Gegebenheiten für die Bevölkerung nicht gegeben sind. Und weil da auch eine ganz andere Alphabetisierungsquote usw. vorliegt, die also nicht twittern. Sprecher 1: Informationen aus dem Netz können helfen. Take 28 Fröhder Man wird gar nicht drumrum kommen. Sie können nur über Facebook, youtube, z.B. aus Zentralsyrien Bilder bekommen. Das ist bedauerlicherweise so. Aber man müsste parallel dazu den Mut haben, das man z.B. arabische Kollegen, die irgendwie in die öffentlich- rechtlichen schon integriert waren in der Vergangenheit, ruhig auch auf den Weg schickt. Sprecher 1: Was die neuen Medien nicht leisten können, ist der Ersatz von professionellen Journalisten, die über den Krieg berichten. Geschehenes einordnen, Überblick verschaffen, Quellen prüfen. Ein viel beschworener Satz verpflichtet den professionellen Journalisten zu Neutralität, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Ist das überhaupt möglich, umgeben von Elend und Tod? Take 29 Fröhder Ich kann mit dem Wort "neutral" wenig anfangen. Ich denke, wir müssen eine gewisse Distanz zum Berichterstattungskonflikt haben. Sprecher 1: Es gibt den Moment, wo der Journalist selbst in Erscheinung tritt. Hinter seiner Arbeit ein Stück weit sein eigenes Gesicht, seine eigene Meinung Preis gibt. Das ist eine Grenze. Die Grenze der vermeintlichen Neutralität. Take 30 Emcke Die ist nicht nur eine Illusion, sondern ich halte sie auch für eine Gefahr. Weil ich sagen würde: Kriegsverbrechen gegenüber bin ich nicht neutral! Ich kann neutral gegenüber Parteien sein, im Kosovo-Krieg beispielsweise kann ich Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen kritisieren, ob sie von Serben begangen werden oder ob sie von Kosovo-Albanern begangen werden. Also in dem Sinne, ich mach mich nicht gemein mit einer Partei, um mal den alten Satz von Hajo Friedrichs wieder aufzunehmen. Aber ich mach mich selbstverständlich gemein mit einer Sache. Nämlich mit Menschenrechten. Wenn ich gar keine Richtschnur hätte, weder eine ethische oder eine rechtliche, könnt ich überhaupt nicht beurteilen was ich hier erlebe. Natürlich muss ich mir ein Urteil bilden. Dafür werde ich da ja hingeschickt. Sprecher 1: Und da kann ein Journalist sich selbst schwerlich ausklammern. Die hierzulande verbreitete Angst vor der Ich-Form wird da zur Farce. Take 31 Emcke Das ist eine komplizierte Diskussion. Ich glaube immer bei der Distanz ist es, ein stückweit, gerade bei Kriegsberichterstattung auch eine Illusion, weil in dem Maße in dem du selbst beschossen wirst, bist Du eben nicht mehr distanzierter Beobachter, sondern Du bist selbst Betroffener. Sprecher 1: Eines nämlich scheint immer wahr zu sein: Krieg erklären ist fast unmöglich. Und verstehen können wir ihn aus unseren Wohnzimmern heraus sowieso nicht. Take 32 Ich glaube... Ich muss mal überlegen, wie man das beschreibt...Sehr oft erlebe ich in Kriegsgebieten Situationen, die so furchtbar sind, oder so verwerflich, oder sich so unterscheiden von all dem was ich alles aus einer beschützten, westlichen Stadt wie Berlin kenne, dass ich sie nicht glauben mag. Musik: Intro the XX. Sprecher vom Dienst: Vom Brunnenbauer zum kämpfenden Soldaten Kriegsberichterstattung in Deutschland Ein Feature von Maximilian Klein. Es sprachen: Viktor Neumann und Oliver Brod Ton: Alexander Brennecke Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012 1