Untröstliche Meister: Aljoscha Dimitriewitsch, Alexander Wertinskij und Wadim Kosin Die Lange Nacht der russischen Romanzen im 20. Jahrhundert Autor: Uli Hufen Regie: Rita Höhne Redaktion: Dr. Monika Künzel Sprecher: Daniel Minetti Alexander Radszun Joachim Schönfeld Sendetermine: 17. Dezember 2016 Deutschlandradio Kultur 17./18. Dezember 2016 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Musik 01 Liveatmo, Live in New York 1984 - Ansage Aljoscha Dimitriewitsch (russ.) Menja Poprosili ... vspoju romans. VO zur Ansage Musik 01/Sprecher 3 Man hat mich um eine Romanze gebeten - ich kann sie nicht singen, weil meine Schwester sie immer gesungen hat. Walja ist vor vier Monaten gestorben. Darum: eine andere Romanze! Musik 01 Aljoscha Dimitriewitsch: Spuskalas Nochnaja Prokhlada - Live in New York 1984 4:24 Autor 01 New York 1984. Zwei Jahre vor seinem Tod ist Aljoscha Dimitriewitsch zum ersten Mal im Leben nach New York gereist. Sein Publikum in New York spricht wie er selbst Russisch: es sind russische Emigranten. Wie die sich fühlen, weiß Dimitriewitsch genau, er ist selbst einer. Auch wenn Aljoscha Dimitriewitsch nur ein paar Jahre in Russland verbracht hat, vielleicht sieben, vielleicht acht, als Kind. Seit den späten 20er Jahren lebt der Klan der Dimitriewitschs in Paris. Doch egal ob in Paris oder jetzt in New York: für sein Publikum ist Aljoscha Dimitriewitsch der Inbegriff uralter russischer Traditionen. Aljoscha Dimitriewitsch singt Romanzen. Russische Romanzen. Zigeunerromanzen. Lieder wie "Spuskalas nochnaja prochlada" - "Die Kühle der Nacht senkte sich herab". Zwei Liebende verbringen eine romantische Nacht in einem Garten. Doch es ist die letzte. Als die Sonne aufgeht, geben sich die beiden wortlos die Hand und trennen sich. Für immer. Musik 01 Aljoscha Dimitriewitsch: Spuskalas nochnaja prochlada - Live in New York 1984 4:24 Autor 02 Aljoscha Dimitriewitsch: Spuskalas' nochnaja prochlada. Um herrliche, herzzerreißende Lieder wie dieses soll es in den nächsten 3 Stunden hier gehen. Die Lange Nacht ist heute eine Lange Nacht der russischen Romanze. Gebrochene Herzen und zartfühlende Seelen, Leidenschaften und Intrigen, Mord und Totschlag, tiefste Verzweiflung und größtes Glück. Darum soll es heute gehen. Eine Nacht der Extreme, samtweich eingewickelt in die schönsten Melodien, die sich denken lassen. Im Laufe der Sendung werden Sie mehr darüber erfahren, was eine Romanze eigentlich ist, woher sie kommt und ob es eigentlich einen Unterschied gibt zwischen Romanzen, russischen Romanzen & Zigeunerromanzen. Ein musikwissenschaftliches Seminar will ich heute Nacht allerdings nicht abhalten, keine Sorge. Darum wird es hier auch keinen pedantischen Spaziergang durch die Geschichte der russischen Romanze geben. Im Mittelpunkt werden heute Nacht die Lieder dreier Männer stehen. Der erste heißt Aljoscha Dimitriewitsch, sie haben ihn gerade schon gehört. In der zweiten Stunde wird Alexander Wertinskij im Mittelpunkt stehen und in der dritten der unvergleichliche Wadim Kosin. Alle drei konnten nicht nur großartig singen. Alle drei hatten auch das Glück - oder, je nach dem, das große Pech - in dramatischen Zeiten zu leben. Ihre Lebensgeschichten spiegeln die Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert und mit ihr auch die Geschichte der russischen Romanzen. Aber genug der Worte: "Sie wollen Lieder, ich habe keine/Vy prosite pesen, ich net u menja" - eine alte Romanze, aus Petersburg, wie Aljoscha Dimitriewitsch einleitend erklärt: Musik 02 Aljoscha Dimitriewitsch: Vy prosite pesen/Sie wollen Lieder - Live in New York OT 01 Kasansky/VO Sprecher 2 46:45 Aljoscha hat entschieden, ob er für dich ein Freund ist, ein Bruder, ein Vater oder jemand, dem du egal bist. Er hatte dafür Kriterien, über die ich nichts weiß. Ich weiß nur, dass ich das Privileg hatte, das er so mit mir war, wie er eben war. Aber warum er das gemacht hat - ich weiß es nicht. Er war ein ganz ungewöhnlicher Mensch. Autor 03 Konstantin Kasansky, mittlerweile selbst knapp über 70, stand 1984 in New York neben Aljoscha Dimitriewitsch auf der Bühne. In den 60er Jahren war Kasansky ein Star der bulgarischen Popmusik, 1970 kam er nach Paris und geriet dort schnell in russische Kreise. Heute lebt Kasansky am Montmartre, wo er mich in seiner kleinen Wohnung empfängt. Kasansky spricht ein zauberhaft bulgarisch schattiertes Russisch, raucht unentwegt und spricht mit südlichem Elan und großen Gesten. OT 02 Kasansky/VO Sprecher 2 46:45 Aljoscha hat z.B. auf Fragen nicht unbedingt geantwortet. Er hat irgendetwas ganz anderes erzählt, was man aber ebenso wenig verstanden hat. Das hat er oft gemacht. Warum? Da hätte man ihn fragen müssen. Aber er ist einer meiner geistigen, spirituellen Väter! Und er konnte weder lesen noch schreiben. Autor 04 Konstantin Kasansky spielte jahrelang mit den Dimitriewitschs und anderen Stars der russischen Zigeunermusik in legendären Pariser Cabarets wie dem "Rasputin", dem "Zarewitsch" oder dem "Scheherazade". Vor allem aber produzierte er in den 70er Jahren mehrere LPs in Paris, die zum Schiönsten gehören, was die russische Musik jener Jahre zu bieten hat: eine mit Wolodja Poljakoff, gleich mehrere mit dem sowjetischen Bob Dylan Wladimir Wyssozkij und eine mit Aljoscha Dimitriewitsch - seine einzige Soloplatte. Hier aber zunächst eine Aufnahme, die Dimitriewitsch 1972 mit seiner Schwester Walja einspielte. Ein Klassiker aus seinem Repertoire: "Ja Milovogo Usnaju po Pochodke" - "Einen Freund erkenne ich am Gang". Die meisten dieser Lieder stammen übrigens aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, dem goldenen Zeitalter der russischen Romanze. Musik 03 Aljoscha Dimitriewitsch: Ja Milovogo Usnaju po Pochodke. - 2:39 - von: Valia et Aliocha Dimitrievitch (1972) OT 03 Kasansky/VO Sprecher 2 Es heißt Aljoschas Schwester Walja sei 1905 in Liverpool geboren und dass sie damals in die USA wollten. Jedenfalls waren sie 1914 in Russland, vielleicht sogar früher. Autor 05 Aljoscha Dimitriewitschs Vater gehört zu den sogenannten Kalderasch, ursprünglich in Moldawien und Rumänien beheimateten Roma. Die Mutter hingegen entstammte einer berühmten russischen Roma-Familie. Wahrscheinlich haben die beiden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Russland kennengelernt. OT 04 Kasansky/VO Sprecher 2 Offiziell wurde Aljoscha in Serbien geboren, so steht es in der ersten Urkunde. Dann hat er seinen Pass geändert und gesagt, er sei in Samara an der Wolga geboren. Ich war dabei, auf dem Amt in Paris. Das Geburtsjahr wissen wir genau - 1913, das stimmt. ... Aber das Datum - das überlasse ich ihnen. Autor 06 Als in Russland nach den Revolutionen von 1917 der Bürgerkrieg und eine große Emigrationswelle beginnen, lassen sich die Dimitriewitschs erst in Wladiwostok und später im chinesischen Charbin nieder, wo es damals eine große russische Exil-Gemeinde gab. Es heißt, sie hätten später in Peking im Zirkus gearbeitet, es heißt, sie hätten Station gemacht in Hongkong und Birma, auf Java, auf den Philippinen und in Kalkutta. Irgendwann Mitte der 20er Jahre müssen sie dann in Europa angekommen sein. Über Spanien gelangten sie schließlich nach Paris, wo um 1930 zehntausende Russen lebten. OT 05 Kasansky/VO Sprecher 2 - 01:13:30 Zuerst sah es schlecht für sie aus. Weil sie nicht zur Zigeuner-Aristokratie gehörten. Einige von denen waren hier in Paris: Njura Massalskaja, Nastja Poljakowa, Wolodja Poljakow. Das sind Leute, die schon in Russland berühmt waren. Die Dimitriewitschs kannte in Russland absolut niemand. Sie tauchen 1927 hier auf, aber sie haben einen Vorteil: sie sind jung. Und: sie sind nicht im Cabaret erfolgreich, sondern in Restaurants: "Poisson d'Or - Der Goldene Fisch". Da, am Montparnasse, wo auch junge Journalisten wie Joseph Kessel hingingen. Und sie entsprachen eher den Vorstellungen über Zigeuner von Leuten, die Puschkin und Tolstoj gelesen hatten. Nastja Poljakowa zog sich ja an wie die Piaf und sang realistische Chansons. Die Dimtriewitschs waren anders. Lesen sie Wertinskij: da gibt es ein Kapitel über die Dimitriewitschs und Wertinskij sagt: das sind Wanderzigeuner! (lacht) Zitat 01 Wertinskij/Sprecher 01 Die Dimitriewitschs kamen aus Spanien nach Frankreich. Sie kamen mit einem riesigen Wagen, der mit modernster Technik ausgestattet war und von einem Automobil gezogen wurde. Autor 07 Alexander Wertinskij, der im Mittelpunkt der zweiten Stunde dieser Langen Nacht stehen wird, war ein paar Jahre vor den Dimitriewitschs nach Paris gekommen und hatte sich dort schnell einen großen Namen gemacht. Zitat 02 Wertinskij/Sprecher 01 Den Wagen hatten sie vom Direktor irgendeines Wanderzirkus als Kompensation für Schulden erhalten. Der Zirkus war Pleite gegangen und der Direktor hatte sie fast ein Jahr lang nicht bezahlt. Zu ihrem Klan gehörten um die 30 Personen. Der Vater, etwa 60 Jahre alt und von Beruf ein alter Kupferschmied war ein richtiger Monarch. Alles, was die Familie verdiente, bekam er. Die Familie bestand aus seinen vier Söhnen mit Frauen und Kindern und vier jungen Töchtern. Zuerst traten sie im "Eremitage" auf, wo auch ich arbeitete. Dass ich Zigeuner mochte, merkten sie sofort und freundeten sich mit mir an. Aus dem "Eremitage" wechselten sie zum Montparnasse, wo sie sich im "Poisson d'Or" endgültig einen Namen machten. OT 06 Kasansky/VO Sprecher 2 Der Unterschied zwischen Restaurant und Cabaret ist, dass die Cabarets erst abends um 11:00 aufmachten, zu essen gab es da nichts, höchstens Kaviar. Ins Cabaret ging man nach dem Essen um das Programm zu sehen. Das Programm ging meist bis 3 Uhr Nachts oder sogar bis in den frühen Morgen hinein. Autor 08 Das Publikum bestand zum Teil aus Franzosen, zum Teil auch aus russischen Emigranten. Am auffälligsten, zumindest in den 20er Jahren waren aber Amerikaner, die sich auf Grund der günstigen Wechselkurse in Paris wie Millionäre fühlen durften. Auch die Leute, die die russischen Cabarets eröffneten, hatten mit Russland oft wenig zu tun: OT 07 Kasansky/VO Sprecher 2 George Varounis, der das berühmte "Chateau Caucasien" eröffnete, war ein Grieche. Dafür hatte er lauter georgische Fürsten, die Lesginka tanzten. Und im Saal amerikanische Millionärinnen, eine von denen heiratete dort auf dem Sofa! Autor 09 Joseph Kessel, ein Freund der Dimitriewitschs, beschrieb diese Welt 1927 in seinem Roman "Ab Mitternacht": Zitat 03 Kessel/Sprecher 3 Auf diese Weise miteinander vermengt, ausgehungert, verkleidet, vermittelten sie - Gardeobersten, Professoren, adlige Damen, Prostituierte, improvisierte Artisten, berühmte Zigeuner - bald aus aufrichtiger und ganzer Seele, bald mit schmierigem Komödiantentum, den mit Geräusch, Licht und Champagner überschütteten Paaren den barbarischen, verzweifelten und manchmal erhabenen Atem, den das grenzen- und gestaltlose Russland in den Gesängen, Tänzen und Herzen seiner unglückseligen Kinder niedergelegt hatte. OT 08 Kasansky/VO Sprecher 2 19:30 Es ist nicht unbedingt ein russisches Programm, aber eins, das im russischen Geist von Russen organisiert wird. Du kommst rein und denkst das ist eine russische Atmosphäre. Und da singt dann ein Argentinier, oder ein Spanier, ein Flamenco. Es gab jahrelang türkische Nummern! Also: russische Kleidung, und zwar so wie bei Großfürsten! Darum das ganze Orchester immer im Smoking, der Dirigent im Frack. Dazu ein internationales Repertoire. 20% russisches, nicht mehr, dazu: rumänische Sachen, ungarische, so genannte leichte Klassik, alles mögliche. Ich nenne das in meinen Memoiren: Zigeunerorchester Made in Paris. Made in Paris, das ist es! Autor 10 Die Dimitriewitschs, aber auch Sänger wie Alexander Wertinskij, Jurij Morfessij, oder Nastja Poljakowa bezaubern das Champagner-selige Publikum mit leidenschaftlichen russischen Romanzen. Romanzen wie "Rasstavajas, ona govorila/Zum Abschied sagte sie", hier gesungen in drei Versionen: Nastja Poljakowa 1926 in Paris, ihr Bruder Wolodja Poljakow 1967 ebenfalls in Paris und Walentina Ponomarjowa in Moskau, wahrscheinlich in den 80er Jahren. Musik 04/05/06 Medley Nastja Poljakowa/Wolodja Poljakow/Walentina Ponomarjowa: "Rasstavajas, ona govorila/Zum Abschied sagte sie" (Medley bauen) Autor 11 "Rasstavajas, ona govorila/Zum Abschied sagte sie" - zum Schluss gesungen von Walentina Ponomarjowa. — Wie Aljoscha Dimitriewitsch nach Paris kam und warum in Paris einige der berühmtesten russischen Romanzen-Sänger der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts auftraten, haben wir inzwischen geklärt. Höchste Zeit für ein paar klärende Worte darüber, was eigentlich russische Romanzen sind. Konstantin Kasansky hat sich damit lange beschäftigt: OT 09 Kasansky/VO Sprecher 2 - (23:00) Die Ursprünge der russischen Romanzen liegen in Westeuropa. Das kommt von den italienischen Canzonettas. Mit klassischen Liedern hat das nichts zu tun, mit Schubert oder Hugo Wolf. Romanzen sind populäre, städtische Lieder, die Texte sind nicht von großen Dichtern wie Goethe. Und selbst wenn sie von so jemandem sind, dann kommt die Musik nicht von Schubert, sondern von irgendeinem Amateur. Autor 12 Kurz gesagt: Romanzen sind weder russische Volkslieder noch russische Kunstlieder, sondern moderne, an westlichen Vorbildern geschulte leichte Unterhaltungsmusik. OT 10 Kasansky/VO Sprecher 2 Es gibt natürlich russische Texte, die russische Themen aufgreifen. Aber die Musik ist - egal ob sie Folkelemente aufnimmt oder nicht - immer mit italienischer Harmonie. Genau wie in Deutschland. ... Keine Balalaikas! (OT11) Autor 13 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchen in Moskau und Petersburg erstmals professionelle Romanzeninterpreten auf, die Roma sind. Sowohl Einzelsänger wie Stescha Soldatowa, als auch die ersten so genannten Zigeuner-Chöre. OT 11 Kasansky/VO Sprecher 2 Wir wissen nicht, wo sie herkam, aber in Moskau verglich man Stescha mit der berühmten italienischen Sängerin Angelica Catalani. Aber sie sang keine Opernarien, sondern russische Lieder. Sie und Elisaweta Sandunowa, das waren die populärsten Sängerinnen in Moskau und die Leute weinten, wenn sie sie hörten. Autor 14 Von Anfang an sind die Übergänge allerdings fließend: Das Repertoire wird gemischt, russische Sänger singen Zigeunerromanzen, Roma singen russische Romanzen. OT 12 Kasansky/VO Sprecher 2 Selbst wenn die Lieder keinerlei Bezug zu Zigeunern haben, nennt man sie Zigeuner-Romanzen, weil der Komponist will, dass man sie so singt, wie die Zigeuner singen. Ein Kompliment! Autor 16 Die berühmten Zigeunersänger des 19. und frühen 20. Jahrhunderts leben wie ihre russischen Kollegen in den großen Städten und sind hoch angesehen. Sie ziehen keineswegs in jenen mythischen Kibitka-Wagen durchs Land, die Alexander Puschkin in die russische Folklore eingeführt hatte: OT 13 Kasansky/VO Sprecher 2 Das sind Musikprofis. Das ist wichtig, nicht dass sie Zigeuner sind. Das sind keine Wanderzigeuner, das sind sesshafte Leute, die ein bürgerliches Leben führen. Die Zigeunermusik aller Länder ist ja immer die Musik von sesshaften Zigeunern. Dieser Mythos, dass das die Musik von Nomaden ist, hat keinerlei Grundlage in der Geschichte. Mir können sie das nicht erzählen. Früher hab ich das leider auch gedacht, vor 40 Jahren. Dass es da irre gute Geiger gibt, die herumziehen. Alles Unsinn. Das sind ganz normale Leute wie wir. Wer sich an anderen Musikern messen will, bleibt in der Stadt und versucht besser als die anderen zu spielen. Zigeuner oder nicht, das ist egal. Nur so entsteht Kunst. Bis heute. Autor 15 Der Erfolg der Zigeunersänger und -Chöre ist so groß, dass der Begriff Zigeunerromanze zum Ende des 19. Jahrhunderts fast zu einem Synonym für russische Unterhaltungsmusik wird. Wobei unerheblich ist, ob die Romanzen von Zigeunern geschrieben oder gesungen werden. Was zählt ist eine bestimmte Art der Interpretation, eine Haltung. Auch berühmte Komponisten wie Sergej Rachmaninow versuchen sich jetzt an Romanzen. Hören Sie seine berühmte Romanze: "O net, ne Ukhodi/Oh nein, geh nicht" Musik 07 Sergej Rachmaninow: O net, ne Ukhodi/Nein, geh nicht 1:29 Autor 16 O net, ne Ukhodi/Nein, geh nicht - von Sergej Rachmaninow. Nach der Revolution 1917 spaltet sich die Entwicklung der russischen Unterhaltungsmusik genau wie die gesamte russische Kunst in einen in- und einen ausländischen Zweig. Sänger wie Alexander Wertinskij, Jurij Morfessij oder die Poljakows verlassen Russland, während in Moskau und Leningrad neue Stars wie Wadim Kosin geboren werden. Kosin steht im Mittelpunkt der 3. Stunde dieser Langen Nacht, hier ein kleiner Vorgeschmack: "Ja Vas Ljubil/Ich habe Sie geliebt!". Musik 08 Wadim Kosin - Ja Vas Ljubil/Ich habe Sie geliebt! 2:45 Autor 17 "Ja Vas Ljubil/Ich habe Sie geliebt!" - eine Aufnahme von 1939. Wadim Kosin ist damals auf dem Höhepunkt seines Ruhms, in Europa beginnt der Krieg. Mit Hilfe einflussreicher Freunde emigrieren Aljoscha Dimitriewitsch und sein Klan 1940 aus Angst vor den Nazis nach Brasilien und später nach Argentinien. Es heißt, Aljoscha habe dort mit Pferden gehandelt, es heißt, er sei in Rodeos aufgetreten, es heißt, er habe als Alexandro El Russito im Polo brilliert. OT 14 Kasansky 02/VO Sprecher 2 Sie kehrten in den 50er Jahren zurück. Zuerst Walja, dann Aljoscha. Und dann fingen sie im Cabaret "Palata" an, das "Zarewitsch" gab es noch nicht. Das "Palata" gehörte Lida Golescu und da sind sie zu viert oder fünft aufgetreten. Das war schon eine andere Epoche. Autor 18 Gekrönte Häupter, Stars und ganz normale Leute erlebten in Cabarets wie "Rasputin", "Zarewitsch", "Palata" oder "Scheherazade" ab Ende der 50er Jahre einen veränderten Aljoscha Dimitriewitsch und eine neue Art Zigeunerromanzen zu singen. OT 15 Kasansky/VO Sprecher 2 Aljoscha hat gar nicht gesungen, bis er fast 50 war. Er hat getanzt, Gitarre gespielt, die Brüder und Schwestern haben gesungen. Dann hat er aufgehört zu tanzen und begann zu singen. Wahrscheinlich in Argentinien. Das war der große Moment. Einmalig! ... Hören Sie sich an, wie Roberto Goyeneche Piazzola singt - das ist genau die Art, wie Aljoscha singt. Er hat ja einige Jahre in Argentinien gelebt und er singt seine Sachen wie Tangos - nicht Tangos zum Tanzen, sondern T-AAAA-N-G-OOOO! Achtung, mit Texten! Und was für welche! Ah! Musik 09 Roberto Goyeneche - Vuelvo Al Sur 4:06 Musik 10 Aljoscha Dimitriewitsch - Katorzhniki 4:34 Autor 19 Aljoscha Dimitriewitsch mit einem uralten russischen Lied über Katorzhniki - Verbannte, die auf dem Weg nach Sibirien sind. Wie gesagt: Romanzen machten den Großteil seines Repertoires aus, doch weder er noch irgend ein anderer der großen Sänger, um die es heute Nacht geht, ließen sich von Genre-Grenzen beeindrucken. —- In den späten 60er Jahren sind die Dimitriewitschs erstmals auf LPs zu hören. Der französische Starschriftsteller Joseph Kessel, der schon in den 20er Jahren die Cabarets am Pigalle in einem Roman verewigt hatte, nimmt eine Platte mit Aljoschas Schwester Walja Dimitriewitsch und dem aus Moskau stammenden, beinahe 80-jährigen Sänger Wolodja Poljakoff auf, die er dramatisch "Die letzten Zigeunerstimmen" nennt. Es folgt eine Platte mit dem amerikanischen Schauspieler Yul Bruner, auf der Bruner allerdings besser seinem alten Freund Aljoscha die Hauptrolle überlassen hätte. Musik 11 Yul Bruner/Aljoscha Dimitriewitsch: Dwe Gitary/Zwei Gitarren. 5:46 Autor 20 Dann beginnen die 70er Jahre und interessante junge Leute tauchen in Paris auf. 1970 erreicht Konstantin Kasansky die Stadt, ein Jahr danach kommt der russische Maler und Bildhauer Michail Schemjakin. Es sind diese beiden jungen Männer, die dem inzwischen 60jährigen Aljoscha Dimitriewitsch zu einem Soloalbum verhelfen. OT 16 Kasansky/VO Sprecher 2 Aljoscha wollte seit Jahren eine Platte ohne Walja machen. Die gab es ja schon. Er erzählte Leuten aus dem Showgeschäft jahrelang davon, ich war oft dabei. Und alle sagten: "Ja, ja" - aber niemand half. Die wussten, dass sich so was nicht verkaufte. Dabei war es in den 70er noch leichter verrückte Sachen zu machen als später. Und dann rief Schemjakin an und sagte: "Wie viel kostet das?" Und ich sagte: "Kommt drauf an, wie viel Musiker er will". Und Aljoscha sagte zu mir: "Du entscheidest, wie viele Musiker ich brauche". Und ich sagte: "Ok, reden wir über das Repertoire, darauf kommt es an". Und so entstand das Album, Schemjakin sei Dank. Ich ziehe den Hut vor ihm - das war eine Geste! Er war jung und er dachte: "Die gehen, ohne Spuren zu hinterlassen, das darf nicht sein." Musik 12 Aljoscha Dimitriewitsch - Emigrantskoe Tango/Emigrantentango 1:51 Autor 21 Aljoscha Dimitriewitschs einziges Soloalbum wurde 1976 aufgenommen. Schemjakin trat als Produzent und Finanzier auf, Kasansky besorgte die Arrangements und spielte auch selbst mit. Das Ergebnis unterschied sich dramatisch von der Zigeunershow, die die Dimitriewitschs in den Pariser Cabarets aufführten. Und das führte zu Problemen. OT 17 Kasansky/VO Sprecher 2 Es gab so eine Fernsehshow, PrimeTime, 20:30. Die wollten, dass Aljoscha so auftritt, wie auf der Platte. Mit Saxofon. Aljoscha hat sofort abgesagt. Und Walja fragte mich im "Rasputin": Willst Du etwa, dass mein Bruder JAZZ singt?" Jazz - das war für sie ... (Geräusch!) Musik 13 Aljoscha Dimitriewitsch: Pozhalel Krasawitsu 3:58 Autor 22 Aljoscha Dimitriewitschs Album landete umgehend in Moskau und das führte schon bald zu einer Begegnung, die russische Musikfreunde seither zu einem mythischen Ereignis erhoben haben. Zu Dimitriewitschs Bekannten in Paris zählte damals auch die Schauspielerin Marina Vlady, die wiederum mit Russlands Bob Dylan Wladimir Wyssozkij verheiratet war. Wyssozkij nahm Mitte der 70er Jahre in Paris selbst mehrere Platten mit Kostja Kasansky auf. Hier beschreibt Marina Vlady den Moment, als Wyssozkij und Dimitriewitsch sich zum ersten Mal begegneten. Zitat 04 Marina Vlady/Sprecherin 01 Du brennst vor Ungeduld. Du hörst schon lange diese Platte, die ich dir nach Moskau mitgebracht habe. Du kennst alle mit ihm verbundenen Geschichten und Anekdoten: die Nächte, die Aljoscha, mein Vater und Kessel im Cabaret verbracht haben, Aljoschas Ratschläge: "Trink nie Wodka, wenn du Kokain schnupfst!" - Ich war damals 13. Als man den Dimitrijewitschs all ihre Reichtümer stahl, gab auch ich ihnen Geld. Sie nahmen mein Geschenk schweigend an - Zigeuner nehmen Geld wie eine ihnen zustehende Selbstverständlichkeit. Aljoscha kommt die Treppe hinab, ein ruckender Husten kündigt sein Erscheinen an. Nur ein Sonnenstrahl durchdringt die Dunkelheit der Bar von der Straße und tanzt im Tabaksqualm. Du stehst im Profil zu mir, ich sehe deine durchsichtigen Augen, höre, wie du atmest. In dem Moment, in dem Aljoschas Füße in den Sonnenstrahl treten, beginnt etwas wie eine Zeitlupenaufnahme. Dann sehen wir sein Gesicht, die über Wangenknochen gespannte dunkle Haut, die von Tausend Falten durchzogen ist, die von den schwarzen, glänzenden und durchdringenden Augen ausgehen. Ihr blickt euch gerade an, greift zu den Gitarren wie Cowboys zu den Pistolen, und beginnt, ohne zu sprechen, wie ein Wunder auf dieselbe Note gestimmt, ein akustisches Duell. Versunken in einem großen weichen Sessel beobachte ich, wie zwei Traditionen aufeinander treffen. Die Stimmen überlagern sich: eine beginnt die Strophe, die zweite übernimmt, ändert den Rhythmus. Eine singt eine uralte Romanze, Worte, die seit der Kindheit vertraut sind. Die andere führt fort und schreit Worte hinaus, die noch niemand gehört hat: Musik 14 Wyssozkij: Moja Zyganskaja/Mein Zigeunerlied 4:27 Autor 23 Wladimir Wyssozkij - Moja Zyganskaja - Mein Zigeunerlied. Hier ist aus der alten Tradition der Romanzen etwas Neues geworden: ein tragisch-schönes russisches Singer-Songwriter-Stück, das Russen bis heute die Tränen in die Augen treibt. Im Refrain kombiniert Wyssozkij die berühmte Zeile: "Wse ne tak - kak nado - Nicht ist so - wie es sein sollte" mit jenen legendären Ausrufen, mit denen Aljoscha Dimitriewitsch seine Lieder gern punktierte. Musik 14 Wyssozkij: Moja Zyganskaja/Mein Zigeunerlied 4:27 Autor 24 Wladimir Wyssozkij starb 1980 mit gerade 42 Jahren. Aljoscha Dimitriewitsch 1986 mit 73. Zu gemeinsamen Aufnahmen ist es nie gekommen. Konstantin Kasansky aber, der das erstaunliche Glück hatte, in den 70er Jahren mit diesen beiden Giganten der russischen Musik des 20. Jahrhunderts befreundet gewesen zu sein und Platten aufzunehmen, lebt noch immer am Montmartre in Paris. OT 18 Kasansky/VO Sprecher 2 Es hat alles gut geklappt, aber es hätte auch nicht klappen können. Ich weiß nur eins: wenn ich damals alles so gemacht hätte, wie die Leute es für Aljoscha Dimitriewitsch und für Wladimir Wyssozkij erwarteten, dann würde heute niemand kommen um mich darüber zu befragen. Niemand, das wäre längst vergessen. Nicht Aljoscha und Wolodja, aber diese Aufnahmen. Die Russen z.B. haben Aljoschas Platte ja gekauft, aber die russischen Zigeuner haben gesagt: "Was macht er da?" Und ich verstehe sie! Das ist ihr Recht. Aber aus Sicht der Kunst, der Ästhetik ist Aljoscha Dimitriewitsch der absolute Gipfel dessen was russische Zigeuner erreicht haben in der Interpretationskunst. Musik 15 Aljoscha Dimitriewitsch: Dve Gitary po Piterburgskij/Zwei Gitarren auf Petersburger Art Autor 25 Damit geht die erste Stunde der Langen Nacht der russischen Romanzen zu Ende. Nach den Nachrichten wird ein Mann im Mittelpunkt stehen, der in den späten 20er und frühen 30er Jahren ein großer Star in Paris und überhaupt in ganz Europa war. Sein Name ist schon gefallen: Alexander Wertinskij. Bis zu den Nachrichten singt hier aber noch Aljoscha Dimitriewitsch "Dve Gitary po Piterburgskij/Zwei Gitarren auf Petersburger Art" Musik 16 Aljoscha Dimitriewitsch: Dve Gitary po Piterburgskij/Zwei Gitarren auf Petersburger Art 2. Stunde Musik 01 Wertinskij - "In der moldauischen Steppe" 3:20 Autor 01 In der zweiten Stunde reist die Lange Nacht von Kiew aus nach Moskau, dann von Moskau nach Süden auf die Krim, über das Schwarze Meer hinüber nach Konstantinopel, von dort aus kreuz und quer durch Europa, in die USA, nach China und schließlich wieder zurück nach Moskau. Das nämlich sind einige der wichtigen Stationen im turbulenten Leben des legendären russischen Chansonniers Alexander Wertinskij. Wertinskij wurde 1889 geboren. Aber beginnen soll unsere Geschichte 1944. Sie erinnern sich: 1944 verloren die Moskauer einen ihrer liebsten Sänger: Wadim Kosin wurde verhaftet und nach Magadan verbannt. Doch im selben Jahr 1944 erhielten sie einen anderen Star zurück. Und das grenzte an ein Wunder. Zitat 01 Galitsch/Sprecher 2 Wir betraten den Saal. Die Bühne war leer, der Vorhang offen, ein Klavier stand da. Und dann betrat ein großer Mann in engem Frack ohne jede Ankündigung die Bühne. Mit einem beinah leeren Gesicht, einem Gesicht scheinbar ohne Augen, mit weißlichen, grauen Haaren. Hinter ihm tauchte ein kleiner Begleiter auf und setzte sich an den Flügel. Der Mann trat nach vorne und sagte ohne jede Ankündigung sehr deutlich und doch leise: "In der Moldauischen Steppe". Autor 02 Der junge Dramaturg Alexander Galitsch, später selbst ein berühmter Sänger, erlebte dieses Wunder 1944 und beschrieb es Jahrzehnte später in seinen Erinnerungen. Im Haus des Kinos besuchte Galitsch das Konzert eines Mannes, von dem noch vor kurzem kaum jemand in Moskau hätte sagen können, ob er existiert oder vielleicht doch nur eine Legende ist. Alexander Wertinskij war zurück. Zitat 02 Galitsch/Sprecher 2 Der Pianist spielte das Intro und der Mann mit dem ausdruckslosen, leeren Gesicht sang die ersten Zeilen: Und wir erkannten einen großen Meister mit einem erstaunlich schönen Gesicht, glänzenden, gewitzten Augen, mit ausdrucksstarken, beweglichen Gesten und Bewegungen, die nur Jahre harter Arbeit ermöglichen und die nur Leuten mit großem Talent gegeben sind. Musik 01 Wertinskij - "In der moldauischen Steppe" 3:20 Autor 03 Seit beinah 25 Jahren war Alexander Wertinskij nicht in Russland aufgetreten. Ältere Moskauer konnten sich vielleicht noch an die spektakulären Auftritte eines jungen Mannes im Pierrot-Kostüm erinnern: schwarzer Frack, Zylinder, kalkweiß geschminktes Gesicht, blutroter Mund. Aber das war noch im ersten Weltkrieg gewesen, vor der Oktoberrevolution oder kurz danach. Die jüngeren wie Galitsch kannten bestenfalls ein paar Lieder von zerkratzten Schellackplatten, die aus Frankreich, Polen oder Deutschland den Weg nach Moskau gefunden hatten. Aber für die meisten war Wertinskij einfach eine Legende. Jetzt aber stand er vor ihnen auf der Bühne. Und sang. Musik 02 Wertinskij - Madame Autor 04 Alexander Wertinskij wird 1889 in Kiew geboren. Die Mutter stirbt, als Wertinskij gerade drei Jahre alt ist. Aber in einem hat er Glück: Das alte Kiew ist eine herrliche Stadt voller Wunder, großartig gelegen auf den Hügeln über dem Fluss Dnepr. Auch voller Musik. Da sind die Chöre in den Kirchen des Höhlenklosters, da sind die blinden Wandersänger Kobsari. Schon als Teenager hat Wertinskij wenig übrig für die Schule, sehr viel dagegen für Musik und alle Arten von Bühnenkunst. Die kleinen Theater der Stadt, die Clubs und Cabarets ziehen ihn magisch an, genau wie das Bohemeleben, das in dieser Welt normal ist. In seinen Memoiren beschrieb Wertinskij das so: Zitat 03 Wertinskij/Sprecher 1 Wir, die Boheme, trafen uns in einer kleinen Kellerkneipe unter dem Rat der Stadt, wo es billigen Wein und Käse gab. Tagelang debattierten wir hier und taten sonst praktisch gar nichts. Ich saß da ??Tag und Nacht - ein großer Kerl im Frack, verächtlich und arrogant, immer mit einer Blume im Knopfloch, ein Snob durch und durch. Ein Bürgerschreck! Autor 05 Wertinskij versucht sich als Schauspieler - ohne Erfolg. Er veröffentlicht ein paar Erzählungen. Er hungert. Er feiert. Er schläft auf der Straße. Er wird kokainabhängig. Weil sich aus alldem aber bei allem Wollen keine Karriere fügt, folgt Wertinskij 1913 einer alten russischen Regel: Wer etwas werden will, muss in die Hauptstadt. Russland hat zwei: In Sankt Petersburg residiert der Zar, aber Wertinskij entscheidet sich für Moskau. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs ist die Stadt voller ambitionierter junger Leute, alle paar Monate werden neue Kunstrichtungen aus der Taufe gehoben. Alles Alte kommt auf den Prüfstand, alles ist in Bewegung. Dann aber beginnt, scheinbar aus heiterem Himmel, der Krieg. Knapp zwei Jahre arbeitet Wertinskij als Sanitäter. Erst in Moskau, dann in einem Sanitätszug, der zwischen der Front und Moskau zirkuliert. Anfang 1916 hat er die entscheidende Idee. Alexander Wertinskij wird nicht Schauspieler und auch nicht Dichter. Er vereint beides: Wertinskij beginnt, Lieder zu schreiben, er trägt sie selbst vor und er schneidert sich eine ganz eigene Bühnenfigur auf den Leib. In den 40 Jahre später entstandenen Memoiren klingt das so: Zitat 04 Wertinskij/Sprecher 1 Aus Angst vor dem Publikum und meinem eigenen Gesicht schminkte ich mich stark: bleiweiß, dazu schwarze Tusche und ein knallroter Mund. Um meine Unsicherheit und Erregung zu verbergen, sang ich in einem geheimnisvollen, mondscheinartigen Halbdunkel, aber weiter als bis in die 5.Reihe hörte man mich nicht. Dabei gab es nur 300 Plätze in dem kleinen Theater. Das leicht zu beeindruckende und der Romantik verfallene weibliche Publikum nahm mich über die Maßen begeistert auf und ertränkte mich in Blumen. Ich musste das Theater durch den Hintereingang verlassen. Die Männer schauten finster und meinten verächtlich: -Kokainist! -Verrückt geworden, der Typ! "Und was finden Sie an dem"- fragten sie die Frauen. Ich wusste es auch nicht. Ich konnte nicht singen. ich war ein ziemlich bescheidener Dichter und dazu ein naiver Komponist. Ich konnte noch nicht mal Noten lesen und irgendwer musste immer meine Melodien aufschreiben. Anstelle eines Gesichts hatte ich eine Maske. Was also berührte die Leute? Musik 03 Wertinskij Kreoltschik Autor 06 Alexander Wertinskij mit einem seiner ganz frühen Hits: Malenkij Kreoltschik, der kleine Kreole. —- Was also berührte die Leute? Auf die Frage gibt so viele Antworten, wie Wertinskij Fans hatte und hat: Die Lieder erzählen häufig spannende Geschichten, wie kleine Novellen haben sie eine klar erkennbare Handlung und streben auf ein Finale zu. Die Sujets entsprechen dem Milieu, aus dem der Sänger kommt und für das er schreibt: die großstädtische Boheme. Und sie erfüllten ein offenbar starkes Bedürfnis: Mit dramatischen Geschichten über das Großstadtleben, über zerstörte Beziehungen zwischen Männern und Frauen, über Sünden und Drogen lieferte Wertinskij hochfeinen Eskapismus mitten im Krieg. Palmen, exotische Schauplätze und Figuren, nicht unähnlich vielen frühen Stummfilmen. Einer seiner größten Hits trägt den Titel "Lilowyj Negr" - "Der lilafarbene Neger". Darin fragt sich ein enttäuschter Liebhaber, wo die Untreue Verflossene wohl abgeblieben ist, ob sie noch immer mit dem Malaien – dem Südostasiaten - zusammen ist oder mit dem Portugiesen oder ob sie doch in einer Absteige in San Francisco gelandet ist, wo ihr ein lilafarbener Neger den Mantel reicht. Mit Liedern wie diesen gibt Wertinskij dem alten Genre "Romanze" ein neues Gewand für ein neues Jahrhundert. Musik 04 Wertinskij - Lilowyj Negr Autor 07 Lilowyj Negr - der lilafarbene Neger - gesungen von dem legendären russischen Chansonnier Alexander Wertinskij. Ein anderer von Wertinskijs großen Hits jener Jahre hat den unmissverständlichen Titel "Kokainetka" - "Die Kokainistin" oder "Die Kokainabhängige". Darin rät der Erzähler einer jungen, verlorenen Dame, die er spät abends auf einer Parkbank an einem der Moskauer Boulevards trifft: "Weinen Sie nicht, es lohnt sich nicht, mein einsames Kind, meine vom Kokain Gekreuzigte auf den feuchten Boulevards von Moskau/Ziehen Sie lieber das Tuch um ihren blauen Hals enger/und gehen Sie dahin, wo niemand mehr danach fragt, wer Sie sind." Wir schreiben das Jahr 1916, Alexander Wertinskij ruft unverblümt zum Selbstmord auf und das Publikum ist begeistert. Eine Aufnahme von Wertinskij selbst ist leider nicht erhalten, aber das Lied wurde später häufig gecovert: etwa von Tatjana Kabanowa: Musik 05 Tatjana Kabanowa - Kokainetka Autor 08 Zu Wertinskijs Freunden in Moskau gehört auch die Stummfilm-Diva Vera Cholodnaja. Ihr widmet der Chansonnier viele seiner ersten Lieder. Eins soll die Cholodnaja allerdings vehement abgelehnt haben: "Vashi palcy pachnut ladonom" / "Ihre Finger duften nach Weihrauch" ist voller schaurig-schöner Bilder dekadenter Todessehnsucht. Die Hände, die nach Weihrauch duften, ein Priester, der mit seinem Bart den Staub von Ikonen wischt, die Wimpern der besungenen Frau, in denen Trauer schläft. Wera Cholodnaja erkannte hier wohl eine unheimliche Prophezeiung und sie sollte Recht behalten: Zwei Jahre später starb sie mit 26 an der Spanischen Grippe. Musik 06 Wertinskij: Ihre Finger Autor 09 Alexander Wertinskij "Vashi palcy pachnut ladonom" / "Ihre Finger duften nach Weihrauch". —- Wertinskij sang diese schaurige Romanze während in Europa der 1.Weltkrieg tobte. Es sind die Jahre 1916, 1917. Kurz vor seinem Ende reißt der Weltkrieg dann die zaristische Ordnung in den Abgrund. Wertinskij erinnerte sich an den Tag in seinen Memoiren: Zitat 05 Wertinskij/Sprecher 1 "Die Tickets waren in einer Stunde ausverkauft, es gab an diesem Tag drei statt zwei Vorstellungen, aber ich hätte noch fünf andere Theater füllen können. Der Abend begann. Moskau erdrückte mich beinahe! Das ganze Foyer war mit Blumen und Geschenken überfüllt. Große Tischlampen mit Pierrot-Porzellanfiguren, bronzene Briefbeschwerer, silberne Lorbeerkränze, Parfum, Ringe mit Opalen und Saphiren, bestickte Sofakissen, Bilder, Seidenpyjamas, Halstücher, Gravuren, silberne Zigarettenetuis und vieles mehr. Die Geschenke wurden im Büro des Theaters abgegeben, die Blumen stellte man im Foyer direkt auf den Boden, die Leute wussten kaum wo sie stehen sollten. Nach dem alten Kalender war das der 25.Oktober. Der Tag, an dem die Große Oktoberrevolution begann." Autor 10 Wie sehr die Revolution sein Leben verändern wird, kann Alexander Wertinskij an diesem Abend noch nicht ahnen, aber die Vorzeichen sind schlecht: Auf dem Weg nach Hause fallen Schüsse. Wertinskij ist mit drei Wagen unterwegs, um die vielen Blumen nach Hause zu bringen. Als die Kutscher sich weigern, weiter zu fahren, findet Wertinskij den poetischen Ausweg: Er bittet die Kutscher, die Blumen am nahegelegenen Puschkin-Denkmal niederzulegen. Puschkin gilt als Begründer der russischen Literatur und größter aller Dichter - Wertinskij erweist ihm in dieser schweren Nacht die Ehre. Ein paar Wochen nach der Revolution schreibt Wertinskij eins seiner berühmtesten Lieder über den sinnlosen, tragischen Tod von 300 jungen Offiziersschülern, die versucht hatten, den Umsturz zu verhindern. "To chto ja dolzhen skazat'" - "Was ich jetzt sagen muss". Die berühmten ersten Zeilen lauten: "Ja ne snaju sachem i komu eto nuzhno - ich weiß nicht warum und wem das nun nützt. Wer sie in den Tod geschickt hat ohne dass die Hand zitterte… " Musik 07 Wertinskij - "To chto ja dolzhen skazat'" - "Was ich jetzt sagen muss" Autor 11 1918 wird aus der Oktoberrevolution ein Bürgerkrieg. Die neuen Machthaber und ihre Rote Armee kämpfen gegen eine bunte Koalition von in- und ausländischen Gegnern, für die sich der Sammelbegriff die Weißen eingebürgert hat. Wertinskij findet sich auf Seiten der Weißen wieder. Nicht aus politischer Überzeugung, sondern eher zufällig. Er ist in Südrussland auf Tour und folgt den Weißen, die immer weiter in Richtung Krim gedrängt werden. Ob Wertinskij bewusst vor den Roten flieht oder eher vom Sturm der Geschichte mitgerissen wird, ist unklar. Jedenfalls erreicht er Ende 1920 mit den letzten weißen Truppen Sewastopol. Die Stadt auf der Krim ist voller Flüchtlinge, über das Schwarze Meer emigrieren in jenen Wochen und Monaten Hunderttausende aus Russland. Jahrzehnte später erinnerte Wertinskij sich in seinen Memoiren an die dramatische Szenerie: Zitat 06 Wertinskij/Sprecher 1 Morgens auf dem Schwarzmarkt verkauften hochgewachsene, bohnenstangengleiche hochwohlgeborene Damen und Mädchen, ehemalige Hoffräuleins, Gräfinnen, Fürstinnen und Baronessen mit langen Rassepferdegesichtern, hässlich und hochmütig den Familienschmuck, ihre Lippen zitterten beleidigt. Die Tränen trockneten nicht mehr in ihren Augen. Die Spekulanten bezahlten mit Kornilow-Geld - Tausend-Rubel-Noten, die schon niemand mehr haben wollte. Autor 12 Alexander Wertinskij lernt den griechischen Kapitän eines Dampfers kennen, fragt ihn nach einem freien Platz für sich, seinen Pianisten und einen Freund. Wenige Stunden später sind die drei Männer an Bord des "Großfürsten Alexander Michailowitsch". Am nächsten Morgen tauchen aus dem Nebel die Minarette der Hagia Sophia auf. Wertinskij ist in Konstantinopel - die erste von vielen fremden Städten auf drei Kontinenten, die er in den nächsten 23 Jahren bewohnen, besuchen und entdecken wird. Zitat 07 Wertinskij/Sprecher 1 Bis heute verstehe ich nicht, woher ich den Mut nahm, die Heimat zu verlassen. Ich kannte keine einzige Sprache vernünftig, ich war ein kapriziöser, verwöhnter russischer Schauspieler, ein Neurastheniker, unfähig zu leben, ohne Erfahrungen, ohne Geld und ohne Selbstvertrauen. … Autor 13 Die Memoiren, aus denen diese Passage stammt, verfasste Alexander Wertinskij in den 50er Jahren. Zitat 08 Wertinskij/Sprecher 1 Was trieb mich? … Hasste ich die Sowjetmacht? O nein. Die Sowjetmacht hat mir nie etwas getan. War ich für eine andere Gesellschaftsordnung? Wieder nein. Ich hatte damals überhaupt keinerlei Überzeugungen. Was ist also passiert? Was zwang mich wegzugehen? Warum riss ich mich los von diesem Land, für das ich heute leicht und freudig mein Leben geben würde, wenn es nötig sein sollte? Es war einfach Dummheit. Vielleicht die Leidenschaft für Abenteuer und Reisen, für das Neue, Unbekannte. Ich weiß es nicht. Angefangen von Konstantinopel und endend in Shanghai, lebte ich das lange und nicht sehr lustige Leben des Emigranten, eines Menschen ohne Heimat. Ich habe viel gesehen, viel gelernt. Zu Hause, unter günstigen Lebensbedingungen wäre ich vielleicht nicht zu jenem scharfen Verständnis für fremdes Leid gekommen, wie es mir diese Jahre der Wanderschaft gaben. Musik 08 Wertinskij Tschuzhie Goroda - Fremde Städte! Autor 14 "Fremde Städte, Tschuzhie goroda" heißt dieses Lied von 1936. Darin erzählt Wertinskij, wie ihm der Zufall auf einem Spaziergang die Worte "Wintergarten", "Fontanka" und "Newa" zuträgt - jeder russische Zuhörer weiß, dass sie für Sankt Petersburg stehen. Wertinskijs Herz krampft sich beim bloßen Gedanken an die geliebte Stadt zusammen. Seit 16 Jahren lebt er nun fern der Heimat, aber wirklich gewöhnt an das Leben in der Fremde, in den "Fremden Städten", unter fremden Menschen hat er sich nicht. "Wir bleiben", singt Wertinskij "für immer fremd". Musik 09 Wertinskij Tschuzhie Goroda - Fremde Städte! Autor 15 Ganz genau sind Alexander Wertinskijs Abenteuer in Europa, Afrika, Nordamerika und China bis heute nicht erforscht, aber ein ungefähres Bild lässt sich zeichnen. Von Konstantinopel verschlug es den Sänger nach Rumänien. Über Polen und Deutschland erreichte er 1925 Paris. Etwa acht Jahre lang hat er hier sein Hauptquartier, ist aber in diesen Jahren überall in Europa, in Nordafrika und der Levante unterwegs. Als Sänger und als Schauspieler. Wertinskij ist ein Star im Europa jener Jahre. Er trifft Fürsten und Könige, lernt Marlene Dietrich und Charlie Chaplin kennen, dazu natürlich russische Stars wie den Opernsänger Fjodor Schaljapin oder Iwan Mozzhuchin, einer der ganz Grossen des europäischen Stummfilms jener Jahre. Wertinskij singt in den berühmten russischen Cabarets und Restaurants am Montmartre, er singt in Berlin, in Warschau und in London. In Polen, Deutschland und Großbritannien entstehen zwischen 1930 und 33 auch die meisten seiner Schallplattenaufnahmen. Die deutschen Labels Parlophone und Odeon, die englische Columbia und die polnische Syrena Electro zeichnen Wertinskij auf dem Höhepunkt seines Schaffens auf. So wird ein unsterblicher Hit nach dem anderen für die Ewigkeit aufbewahrt. Hits wie "Tango Magnolija" - über eine Frau, die im tropischen Singapur ihrem verflossenen Liebhaber, dem Sänger nachtrauert: Musik 10 Wertinskij - Magnolija Autor 16 Im Herbst 1934 geht Alexander Wertinskij dann in die USA, gastiert an Ost- und Westküste, erhält wohl auch Angebote aus Hollywood und kann sich doch nicht mit Amerika und der englischen Sprache anfreunden. Für einige Zeit soll der Sänger im Haus von Marlene Dietrich gewohnt haben, der er auch ein Lied widmete: Möglicherweise hat Marlene Dietrich ihn aber auch wegen des Liedes aus ihrem Haus geworfen: Wertinskij zeichnet in "Marlen" das witzige Portrait einer männerverschlingenden Dame, von der sich besser fern hält, wer noch alle Tassen im Schrank hat. Musik 11 Wertinskij - Marlen Autor 17 Ab 1935 lebt Alexander Wertinskij in China, zunächst in Charbin, dann in Shanghai. Auch hier gibt es seit 1917 große russische Exilgemeinden. Doch Wertinskijs Zeit im Rampenlicht scheint vorbei: die wirtschaftliche Lage wird immer schwieriger, vor allem nach dem japanischen Einmarsch in China. Doch schlimmer ist das Heimweh. Seit den 20er Jahren hatte Wertinskij mehrfach vergeblich eine Genehmigung zur Rückkehr erbeten. 1943 unternimmt er einen neuen, verzweifelten Versuch und schreibt direkt an den sowjetischen Außenminister Molotow. Zitat 09 Wertinskij/Sprecher 1 Seit 20 Jahren lebe ich ohne Heimat. Die Emigration ist eine große und schwere Strafe. Aber jede Strafe muss ein Ende haben. Sogar lebenslange Verbannung wird manchmal verkürzt - wegen guter Führung und Reue. …Fern der Heimat zu leben, jetzt wo sie in Blut ertrinkt, unfähig zu sein ihr zu helfen - das ist das Schlimmste. Sowjetische Patrioten opfern ihre übermenschliche, unermüdliche Arbeit, ihr Leben und ihre letzten Ersparnisse. Ich aber bitte Sie, mir zu erlauben meine Kräfte, die mir noch immer ausreichend zur Verfügung stehen, und wenn nötig auch mein Leben der Heimat zu opfern. Ich bin ein Künstler. Ich bin etwas über 50 Jahre alt, ich bin im Vollbesitz meiner Fähigkeiten und meine Schaffenskraft ist ungebrochen. Früher hat man mir die dekadente Stimmung meiner Lieder vorgeworfen, aber ich war immer nur ein Spiegel und ein Mikrofon meiner Epoche. Und wenn meine Lieder so waren, so ist das nicht meine Schuld, sondern die der vorrevolutionären Epoche der Dekadenz und des Verfalls. Meine Lieder haben sich schon lange verändert. Erlauben Sie mir heimzukehren. Alexander Wertinskij, Shanghai, 7.März 1943 Autor 18 Das Wunder geschieht: Im November 1943 kehrt Alexander Wertinskij mit seiner Frau und der gerade 3jährigen Tochter nach Russland zurück. Er sieht seine nun zerstörte Heimatstadt Kiew wieder und lässt sich in Moskau nieder. Im April 1944 betritt er erstmals ein russisches Tonstudio und nimmt insgesamt 15 Lieder auf. Kurz darauf beginnt er Konzerte zu geben, überall in der Sowjetunion. In den 13 Jahren bis zu seinem Tod 1957 gibt Alexander Wertinskij zwischen zwei und drei Tausend Konzerten in sowjetischen Fabriken, Krankenhäusern, Bergwerken, Kinderheimen und natürlich auch in Konzerthäusern. Überall in der Sowjetunion hören die Leute nun Lieder wie "Bes Zhenshin/Ohne Frauen" - eine wie immer bei Wertinskij auch ironische Ode an das Leben ohne Frauen: ohne Lügen, ohne Theater, ohne große Reden, Hysterie, Verrat, Entschuldigungen und Trennungen. Und je detaillierter Wertinskij die Vorteile aufzählt, um so klarer wird, dass nicht viel übrig bleibt vom Leben - wenn man die Frauen daraus entfernt hat: Musik 12 - Wertinskij - Bez Zhenschtschin/Ohne Frauen Autor 19 Alexander Wertinskij erhält vom Staat eine große Wohnung auf Moskaus Prachtmeile, der Gorkistraße, 1951 gewinnt er sogar den Stalinpreis für eine Filmrolle. Ist also alles gut, zurück in der Heimat? – Eher Im Gegenteil. Wertinskij darf zwar singen, doch die Presse schweigt ihn tot. Im Radio wird er nicht gespielt, die Platten-Aufnahmen von 1944 sind die letzten, die ihm erlaubt werden. Welche Logik hinter den bizarren Entscheidungen der sowjetischen Kulturbürokratie steckt, ist im Detail nicht mehr nachzuvollziehen. Aber es war wohl so, dass Wertinskij weiterhin als verdächtig galt. Eine einzige Auslandsreise konnte in den 30er und 40er Jahren leicht zu zehn Jahren Lagerhaft führen. Wertinskij aber hatte mehr als 20 Jahre im seit 1945 feindlichen Westen gelebt! Im Vergleich mit Hunderttausenden Landsleuten hatte er also noch großes Glück. Doch der Mangel an Anerkennung trifft den alternden Sänger und die vielen Tourneen kreuz und quer durch die vom Krieg zerstörte Sowjetunion sind auch kein reines Vergnügen: Im April 1956 schreibt Wertinskij aus Nowosibirsk an seine Frau im fernen Moskau: Zitat 10 Wertinskij/Sprecher 1 Lilitschka, Ich will ja nicht klagen, aber diese Konzerte - es ist Folter. Sie sitzen. Scheinen zu verstehen. Schweigen. Sie reagieren mit dem Gehör auf meinen Auftritt, aber applaudieren halten sie nicht für nötig. Jeden Tag. Ich bin wütend! … Verstehen sie meine schwere, ehrliche und ehrenwerte Arbeit wirklich nicht? Ich verberge doch nichts vor ihnen. Ich singe so wie ich auch für Gott den Herrn singen würde. Wahr, tief, ehrlich, als Gläubiger, wie ein Priester! Und die Antwort…? Mein Beruf soll verflucht sein! Scheiße in Fässer herumzufahren ist besser als das was ich tue. Na gut, es reicht, sei mir bitte nicht böse. Aber ich habe niemanden, mit dem ich meinen Kummer teilen kann. Musik 13 - Wertinskij: Zheltyj Angel - Gelber Engel Autor 20 Der gelbe Engel - geschrieben 1934 in Paris. Schon damals fühlte sich der gerade erst 45jährige, feinsinnige Wertinskij alt und verbraucht. Das Lied erzählt davon, wie er mit seinem mürrischen Gesicht in den Pariser Parks die Kinder erschreckt. Ein Gelber Engel erscheint und tröstet ihn. "Sie sind müde, sie sind krank. Maestro. Man sagt Sie singen nachts in Bars Tango. Sogar in unserm guten Himmel waren alle erstaunt!" 1956 hilft kein Gelber Engel mehr, Wertinskij unternimmt einen letzten Versuch sich zu verschaffen, was ihm wie er glaubt zusteht: Anerkennung. Er schreibt an den Kulturminister: Zitat 11 Wertinskij/Sprecher 1 Über mich wird kein Wort geschrieben oder gesprochen, als wäre ich gar nicht im Lande. Die Journalisten sagen: "Niemand hat es erlaubt." Wahrscheinlich bleibt es so. Und dabei bin ich hier! Sehr sogar! Das Volk liebt mich - Entschuldigen Sie bitte diese Dreistigkeit! - Seit 13 Jahren sind meine Konzerte ausverkauft. Ich habe das Land schon vier oder fünfmal kreuz und quer bereist. Ich habe überall gesungen: auf Sachalin und in Mittelasien, hinter dem Polarkreis, in Sibirien, im Ural, im Donbas und natürlich in den großen Städten. Es sind inzwischen beinahe 3000 Konzerte. In Bergwerken und Schächten kommen von der Kohle schwarze Bergleute zu mir und sagen: "Vielen Dank dafür, dass Sie zu uns gekommen sind! Wir haben uns auf ihrem Konzert heute erholt! Sie haben uns ein Fenster in eine andere Welt eröffnet. Eine Welt der Romantik, der Poesie, eine Welt vielleicht der Träume und Illusionen, aber eine Welt, nach der die Seele jedes Menschen strebt und die uns hier bislang gefehlt hat!" Musik 14 Wertinskij: Palestinskoe Tango Autor 21 Der Palestina-Tango - Schon 1929 schreibt der damals gerade 40 Jahre alte russische Sänger Alexander Wertinskij diese melancholische Hymne auf die Vergänglichkeit des Lebens: ? ???? ??? ???????? ??? ??????? - "nur wenig ist noch übrig jetzt vom Leben" heißt es hier. und weiter: "das Herz mag also wissen, träumen und warten und uns immer wieder dahin rufen, wohin die Trauer fliegt und wegtaut, dahin wo die Mandeln blühen." Wobei die Trauer "pechal'" und die Mandeln "mindal'" sich im Russischen herrlich reimen. Musik 15 Walerij Obodzinskij: Arawijskaja Pesnja Autor 22 Als Walerij Obodzinskij, einer der großen verzweifelten Crooner der späten Sowjetunion, Anfang der 90er Jahre seine Version des Palestina-Tango aufnahm, war Alexander Wertinskij schon beinah 40 Jahre tot. Wertinskij starb am 21.Mai 1957 in einem Zimmer des Hotels Astoria in Leningrad. Am selben Tag war er ein letztes Mal aufgetreten. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des Moskauer Nowodewitschij-Klosters: da, wo viele der ganz Großen der russischen Kunst und Kultur begraben sind. Wertinskijs Töchter Marianna und Anastasia Wertinskaja wurden beide zu großen Stars des sowjetischen Kinos, seine Lieder gehören heute zum unsterblichen Erbe der russischen Kunst des 20.Jahrhunderts. Damit geht die zweite Stunde dieser Langen Nacht zu Ende, nach den beiden Emigranten Aljoscha Dimitiriewitsch und Alexander Wertinskij, die große Teile ihres Lebens in Paris verbrachten, kommen wir in der dritten Stunde zu einem Mann, den das 20.Jahrhundert ebenfalls aus seiner Heimat vertrieb. Nicht nach Westen allerdings, wie Wertinskij und Dimitriewitsch, sondern ganz weit nach Osten. Sein Name: Wadim Kosin. Zuvor aber ein letzter Klassiker aus dem Repertoire von Alexander Wertinskij, ein Lied über eine traurige Frau aus einer staubigen russischen Kleinstadt, in der es nie Bälle gibt. Ihr Leben lang träumt sie von Versailles, von einem Prinzen, von Bällen, Pagen und Kutschen. Und dann bekommt sie ein Kleid aus Paris geschenkt. Doch sie kann es nirgendwohin anziehen und darum zieht man es ihr schließlich an, als sie gestorben ist. Bal Gospoden. / Der Ball des Herrn! Musik 16 Wertinskij: Bal Gospoden 3. Stunde Musik 01 Wadim Kosin - Osen/Herbst Autor 01 20. März 1956. Am Morgen ist der Sänger Wadim Kosin mit dem Zug in Wladiwostok am Pazifischen Ozean angekommen. Kosin ist 52 und der umjubelte Star der Truppe des Magadaner Theaters, die auf großer Tour kreuz und quer durch die Kulturhäuser Sibiriens, des Urals und des Fernen Ostens ist. Im Taxi hört er Erstaunliches: Zitat 01 Kosin/Sprecher 3 Der Taxifahrer dachte wir seien aus Moskau und fragte unterwegs, was los sei, es heiße aus Moskau sei die Weisung gekommen, alle Stalin-Bilder abzuhängen. Meine Hände und Füße wurden eiskalt. Wenn das stimmt, werde ich diesen Tag bis zu meinem Tod nicht vergessen. Musik 01 Wadim Kosin - Osen/Herbst Autor 02 Ganz falsch lag der Taxifahrer nicht: In den 30er und frühen 40er Jahren lebte Wadim Kosin tatsächlich in Moskau. Er war ein gefeierter Star, das Land lag ihm zu Füßen. Doch dann tat das 20. Jahrhundert, worin es unübertroffen gut war und versorgte Kosin mit einer tragischen Biografie. Eine entscheidende Rolle spielte dabei jener Mann, dessen Bilder jetzt, im Frühjahr 1956 abgehängt werden. Zitat 02 Kosin/Sprecher 3 Wie seltsam es im Leben zugeht: Man hebt dich in den Himmel, über dich wird geredet, in Zeitungen geschrieben, dir werden Gedichte und Lieder gewidmet, zu deinen Ehren verdrehen die Künstler zuweilen sogar die Realität. Und dann kommt ein Moment und: kein Wort mehr über dich, Grabesstille. Autor 03 Kosin wusste, wovon er sprach. Ihm war ähnliches passiert. Wie das kam, warum ab 1944 zumindest offiziell kein Wort mehr verloren wurde über einen Mann, der noch kurz zuvor ein von Millionen angehimmelter Star war - darum soll es in jetzt in der dritten Stunde der Langen Nacht gehen. Aber vor allem natürlich geht es um Musik, um Kosins Stimme und um jene Lieder, die ihn in den sowjetischen Olymp trugen und unsterblich machten. Falls Sie sich über den Sound wundern: Kosins wichtigste Aufnahmen entstanden in den 30er und frühen 40er Jahren und wurden ursprünglich auf 78er Schellack-Platten veröffentlicht. Auch das folgende Lied: "Druzhba - Freundschaft" Musik 02 Kosin: Druzhba - Freundschaft Autor 04 Wadim Kosin wurde am 21.März in Sankt Petersburg geboren. Soviel ist sicher. Bloß in welchem Jahr? Kosin selbst behauptete zu Lebzeiten, er sei 1903 geboren. In seinem Pass war das Jahr 1906 vermerkt, ein Archiv in Petersburg fand auf Nachfrage von Biographen vor einigen Jahren einen Vermerk für das Jahr 1905. Immerhin ist sicher, wer Kosins Eltern waren. OT 01 Maxim Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Seine Mutter war eine Zigeunerin und sang in einem Zigeunerchor in Petersburg, der Vater war ein Kaufmann. ... Kosin hatte einige Schwestern und er erzählte gern, dass im Haus der Familie viele Stars ein und ausgingen. Autor 05 Maxim Krawtschinskij, einer der besten Kenner der russischen populären Musik des 20. Jahrhunderts. OT 02 Maxim Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Die Primadonna Anastasia Wialzewa, auch Jurij Morfessij, bei dem Kosin angeblich auf dem Schoß saß. Morfessij soll auch gesagt haben: "Hier wächst mein Nachfolger heran." Kosin sagt auch, Warja Panina sei eine entfernte Verwandte. Zar Nikolaus II war ein Fan ihrer tiefen Stimme. Autor 06 In Deutschland sagen all diese Namen kaum jemandem etwas. Wie berühmt die Freunde und Verwandten der Kosins aber in Russland waren und sind, zeigt schon der Umstand, dass sich mehrere Dutzend Aufnahmen von Warja Panina erhalten haben - obwohl die Panina schon 1911 starb! Hier singt sie "Glasa" - "Augen". Musik 03 - Warja Panina: Glasa - Augen (kurz) Autor 07 Warja Panina war das, mit einer Aufnahme von 1909 oder 10. Und hier ist der Mann, auf dessen Schoß Wadim Kosin gesessen haben soll: Jurij Morfessij singt einen der unsterblichen Klassiker des russischen Romanzenrepertoires: Chernye Glasa - Schwarze Augen. Musik 04 - Jurij Morfessij: Tschernye Glasa Autor 08 Jurij Morfessij: "Tschernye Glasa". Oskar Strok schrieb das Stück 1928, in den folgenden Jahren wurde es von vielen großen Stars des sowjetischen Entertainments aufgenommen. Oskars Stroms "Schwarze Augen" sind übrigens unter keinen Umständen zu verwechseln mit diesen, deutlich älteren, aber ebenso unwiderstehlichen und schicksalhaften schwarzen Augen: "Ochi Tschernye". Hier singt Wadim Kosin: Musik 05 - Wadim Kosin "Ochi tschernye" Autor 09 Wadim Kosin war das mit "Ochi tschernye" - einem Klassiker aus dem 19.Jahrhundert, der im 20. um die ganze Welt ging und zum Beispiel auch von Louis Armstrong gesungen wurde. Aber zurück zu Kosin. Wie kam der vom Schoß Jurij Morfessijs im Jahr 1910 oder 11 auf die Bühnen Russlands? Maxim Krawtschinskij: OT 03 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Kosins Vater starb Anfang der 20er Jahre, der Familie hatte man nach der Revolution ihre Häuser und den ganzen Besitz genommen und Wadim Kosin musste für die Familie sorgen. Er arbeitete im Hafen und später in diversen Theatern. Er war auch in Kinos beschäftigt, wo die Stummfilme mit Musik begleitet werden mussten. Damals traten vor den Filmen auch Sänger auf, man nannte das Divertissement. Einmal war ein Sänger krank, der Direktor wusste nicht was tun, das Publikum war unruhig, die kamen oft wegen der Konzerte, nicht wegen des Films. Also ging Kosin raus und sang ein paar Lieder. Und so ging das los. Autor 10 Zunächst tritt Wadim Kosin in den Vororten von Leningrad auf, in Kleinstädten der Umgebung und weiterhin in Kinos. Viel Geld ist damit nicht zu verdienen, aber Kosin macht sich einen Namen. In seinen Memoiren beschrieb Kosin das so: Zitat 3 Kosin/Sprecher 3 In meiner Jugend lernte ich die Armut kennen: Ich hatte nur einen Anzug und wenn ich wusste, dass abends ein Konzert anstand, bügelte ich ihn morgens und setzte mich dann den ganzen Tag über nirgends hin. Ich wollte natürlich wie alle jungen Leute in Restaurants herumsitzen und im Theater, aber ich konnte mir das nicht erlauben. In den ersten Jahren bekam ich statt eines Honorars nur Fahrgeld: 75 Kopeken oder 1 Rubel 50. Im Kino "Phoenix" am Putilow-Werk sang ich nach jeder Vorstellung, insgesamt sechs oder sieben Mal am Tag und bekam dafür anderthalb Rubel. Autor 11 Was aber singt Kosin? Womit gewinnt er die Herzen des Publikums? OT 04 Krawtschinksij/VO Sprecher 2 Zu Beginn des 20. Jahrhundert, vor der Revolution, entwickelte sich die russische Estrada rasant und es gab einige Hauptgenres. Couplets, Schansonetki - halb aus dem französischen übersetzt. Und Romanzen. Und statt Romanzen sagte man oft einfach: Zigeunerromanzen. Das lag nicht daran, dass die von Zigeunern geschrieben wurden. Aber im Text ging es um Zigeuner oder es wurden bestimmte Attribute des romantischen, freien Zigeunerlebens genannt: die Kibitka, die Troika, 7-seitige Gitarren. Dazu kam eine bestimmte Art des Gesangs, der Interpretation, in der es nur Extreme gab: entweder weinen oder tanzen. Champagner, Hoch die Tassen. Das ist die Zigeunerromanze, alle Helden sind total übersteigert, entweder positiv oder negativ. Autor 12 Hier ist Kosin mit einem Klassiker dieses pseudofolkloristischen Zigeunerrepertoires: In "Jechali Zygane - die Zigeuner fuhren" kehrt eine Gruppe von Zigeuner vom Markt heim, macht unter einem Apfelbaum Rast und beginnt zu tanzen, im roten Hemd natürlich. Musik 06 Kosin: Die Zigeuner fuhren/Jekhali Zygane Autor 13 Als die Revolutionen von 1917 und der anschließende Bürgerkrieg vorbei waren, erlebte die leichte Muse in Russland, die sogenannte Estrada, eine Blüte. Und mit ihr die Romanzen. OT 05 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Anfang der 20er war der Hunger der Bürgerkriegsjahre vorbei, Privateigentum wurde erlaubt und die Estrada blühte auf, Restaurant, Cabarets, Bierbars, in Petersburg überall. Und da traten wieder Sänger auf, das ging ganz schnell. In Petersburg gab es im Sommergarten das sogenannte Aquarium. Der Besitzer hatte 1921 ein Poster auf dem stand: "Alles wie früher!" Autor 14 Die Grenzen zwischen den Genres waren selbstredend fließend und vor allem verbot niemand einem Sänger, Romanzen mit neuen sowjetischen Schlagern oder auch mit Gaunerchansons zu mischen. OT 06 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 In den 20er Jahren war auch alles exotische sehr populär und Kosin sang zum Beispiel "Es lärmt das nächtliche Marseille" über allerlei schicksalhafte Abenteuer im Hafen von Marseille: Vagabunden, Prostituierte und dergleichen. Solche Sachen liebte man damals, ferne Länder, ein Matrose ersticht einen anderen wegen einer schönen Frau. Musik 07 Kosin - Marseille Autor 15 Ab 1930 weitet Wadim Kosin seinen Aktionsradius von Leningrad aus immer weiter aus. Und bald landet er dort, wo früher oder später jeder landet, der hoch hinaus will: In Moskau. OT 07 Krawtschinkskij/VO Sprecher 2 Kosin trat im Gorkijpark auf, der 1928 gerade erst eröffnet worden war. Das war sehr prestigeträchtig, die großen Stars traten im Gorki Park auf, im Eremitage Park und in einigen anderen. Und dann geht alles sehr schnell, er nimmt Platten auf, er schreibt selber Lieder, er wird berühmt. Autor 16 Spätestens 1935 gehört Kosin zu den Stars des sowjetischen Entertainments: niemand nimmt häufiger Platten auf als er, selbst der große Leonid Utjosow nicht. Obwohl damals über populäre Musik in den Zeitungen praktisch nicht geschrieben wurde, obwohl Radios und Plattenspieler noch Luxusgegenstände sind, ist Kosin der Liebling von Millionen. Doch das goldene Zeitalter der Romanzen neigt sich dem Ende: OT 08 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Die Bolschewiki hatten etwas gegen diese alten Lieder, weil sie eben ein Symbol des Alten waren. Das waren Lieder, die der Sache nicht dienten! Da ging es um Amüsements, ich trinke solange der Wodka fließt, solange Sekt im Glas ist interessieren mich Leben und Tod kein Stück - solche Sachen. Das waren eben Romanzen und mit dem Kommunismus und neuen Fabriken und Werken hatte das nichts zu tun. Da erschienen ständig Artikel "Nieder mit dem Zigeunerkitsch" "Nieder mit dem Spießertum auf unseren Bühnen". Autor 17 Nach und nach verschwanden die Romanzen aus dem offiziellen Kulturleben, genau wie die ebenso populären Gaunerchansons. Beides passte nicht zur neoklassischen, ernsten Kultur des Hoch-Stalinismus, die sich nun durchsetzte. Es gab bloß ein kleines Problem: OT 09 Krawtschinskij 10:00/VO Sprecher 2 Die Zigeunerlieder galten als Überbleibsel des alten Russland, der Zarenzeit. All diese hochemotionalen Romanzen. Alles wurde verboten und es war unklar was man singen sollte. Isabella Jurjewa erzählt, wie man sie in den Kreml rief zu einem Konzert. Kalinin kam zu ihr, der war damals Präsident, und sagte: "Sie können alles singen, Zigeunerlieder, alles. Bloß die sowjetischen Sachen, die müssen nicht sein." Also, im Kreml liebten sie die Sachen, die sie selbst verboten. Autor 18 Hören Sie Isabelle Jurjewa, die einhundert Jahre alt werden sollte, mit der berühmten Romanze über eine Bettlerin, die einst eine umjubelte und fabelhaft schöne Sängerin war: "Nischtschaja". Auch Wadim Kosin hatte das Stück aus dem 19.Jahrhundert in seinem Programm. Musik 08 Isabella Jurjewa - Nischtschaja/Die Bettlerin Autor 19 In den späten 30er Jahren, Europa steuert auf den Krieg zu, eilt Wadim Kosin von Triumph zu Triumph. 1939 entsteht sein berühmtestes Lied: "Osen'"- "Herbst". Ein junger Mann schaut frühmorgens aus dem Fenster, es ist Herbst, der Himmel ist nebelig, die Sonne kalt, der Horizont liegt in Perlmutt-Farben vor ihm. Der Sommer ist zu Ende. Aber muss deshalb auch die Liebe zu Ende sein? Ganz klar erinnert sich der Mann an jenen Sommerabend, als man sich ganz zufällig kennenlernte. Jetzt aber muss er seine Liebe anflehen: "Ne ukhodi - Geh nicht!" Musik 09 - Wadim Kosin: Osen'/Herbst Autor 20 Kosins "Osen'" gehört zu den berühmtesten russischen Chansons des 20. Jahrhundert und wurde auf wundersame Weise zu einer Art Chiffre für die 30er und 40er Jahre. Das Lied wurde in zahllosen Filmen und Dokumentationen verwendet, russische Zuhörer assoziieren mit dieser Melodie zuverlässig Erinnerungen und Bilder aus jener Zeit. Kein Wunder, dass das Lied auch immer wieder gecovert wird. Hier eine Version des wunderbaren Alec Kopyt, aufgenommen Anfang 2013 in Kiew. Musik 10 - Alec Kopyt: Osen' Autor 21 Als im Juni 1941 die Deutsche Wehrmacht in der Sowjetunion einmarschiert, tut Wadim Kosin, was alle großen Stars jener Jahre tun: er gibt unaufhörlich Konzerte an der Front. Dann, auf dem Schlachtfeld zeichnet sich der Sieg der Sowjetunion schon deutlich ab, nimmt Kosins Schicksal eine tragische Wendung. Doch auf paradoxe Weise ist es diese Wendung, die aus dem großen Sänger Wadim Kosin einen Mythos machen wird. Zitat 04 NKWD/Sprecher 1 Protokoll Nr 7, NKWD der UdSSR: Kosin Wadim Alexejewitsch wird wegen antisowjetischer Agitation, Verführung Minderjähriger und Unzucht mit Männern zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt. Die Strafe beginnt am 12. Mai 1944. Das Privateigentum wird konfisziert." Autor 22 Bis heute spekulieren Kosins Fans darüber, was der eigentliche Anlass für seine Verhaftung war. Vier Versionen werden immer wieder genannt: Kosin habe während des Krieges vor polnischen Kriegsgefangenen in Chabarowsk gesungen, er habe dem Geheimdienstchef Lawrentij Berija die Geliebte ausgespannt, er habe sich geweigert, Lieder über Stalin zu singen und er habe lautstark protestiert, weil seine Verwandten nicht aus dem belagerten Leningrad gerettet wurden. Kosin beschrieb seine damaligen Lebensumstände später so: Zitat 05 Kosin/Sprecher 3 In den Jahren meiner größten Popularität vor dem Krieg umgaben mich in Moskau Massen von jungen Leuten. Oft saßen wir in Restaurants, ich bestellte für alle zu Essen, bezahlte und ging in mein Zimmer. Ich dachte, sollen Sie doch sitzen die jungen Leute und sich amüsieren! 100 oder 200 Rubel bedeuteten damals nichts für mich - ich verdiente bis zu 125.000 im Monat. Jedenfalls kamen daher die Gerüchte, dass ich die Jugend verderbe. Einige Schweinehunde, die sich von mir bewirten ließen, haben bei der Untersuchung unfassbares Zeug über mich erzählt. Autor 23 Ob Kosins Interesse an den jungen Leuten wirklich so unschuldig war, darf zumindest bezweifelt werden. Nach allem was man heute weiß, war Kosin wohl bisexuell und hatte tatsächlich ein Faible für künstlerisch begabte junge Männer. Wer ihn deshalb angezinkt hat und warum man den Star so hart fallen ließ, bleibt trotzdem ein Rätsel. In jedem Fall trat Kosin 1944 eine Reise an, die Hunderttausende Landsleute seit den 30er Jahren antreten mussten: Im Viehwaggon nach Magadan, ans andere Ende des Landes. Aber selbst hier, in den Lagern Nordostsibiriens, war Wadim Kosin kein Unbekannter. Maxim Krawtschinskij: OT 10 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Er war im Lager, aber er musste nicht wie die anderen arbeiten. Die Frau des Lagerleiters, ich habe vergessen wie sie hieß, betrieb ein Theater. Das war damals angesagt in den Lagern. Da saßen ja viele berühmte Künstler, nicht nur Kosin. Schauspieler wie Georgij Zhonow, Theaterregisseure, Musiker wie Eddi Rosner. Und Kosin arbeitete als Sänger und unterhielt die Bosse. Musik 11: Kosin - O Materi Autor 24 Als Kosin 1952 frei kommt, beschließt er in Magadan zu bleiben. OT 11 Krawtschinskij 27:15 /VO Sprecher 2 Er hätte heimkehren können, wenn er gewollt hätte. Vielleicht nicht nach Moskau, aber nach Leningrad. Aber er hatte wohl auch Angst. Als er das erste Mal entlassen wurde, lebte Stalin noch. Außerdem wartete er darauf, dass man ihn rief: er war ja ein großer Sänger und wollte nicht wie irgendein Gefangener mit dem Sack über der Schulter zum Bahnhof gehen. Er erwartete, dass man ihm eine Wohnung gibt, Konzerte. Aber das passierte nicht. Und das hat ihn wahrscheinlich beleidigt. Kosin war ja nicht einfach populär. Kosin - das war ein Triumph, Ruhm, ein legendärer Name. Autor 25 Die Parteizentrale in Moskau hatte Kosin vielleicht vergessen, das russische Publikum aber keineswegs - das erfuhr Kosin Mitte der 50er Jahre. 1955/56 reist er auf einer Tournee mit anderen Künstlern des Magadaner Theaters neun Monate kreuz und quer durch den Ferner Osten und Sibirien. Die Truppe gibt mehr als 200 Konzerte. In Chabarowsk und Omsk, in Krasnojarsk und Wladiwostok, auf Sachalin und Kamtschatka, in Ufa und Tscheljabinsk. Ein Triumph, überall wird Kosin umjubelt, niemand hat ihn vergessen. Trotzdem ist er oft frustriert. Seine Stimme lässt nach, die Kollegen sind unter Niveau. Am 26. Dezember 1955 notiert er in seinem Tagebuch: Zitat 06 Kosin/Sprecher 3 Gestern war es erstaunlich kalt draußen: -38 Grad und Nebel! Die armen Vögel! Abends wurde der Nebel noch dichter. Aber der Saal war voll, beim ersten und beim zweiten Konzert. Womit ich heute Abend singen soll - ich weiß es nicht. Und so geht das Jahr 1955 zu Ende. Was 1956 wohl bringen wird? Dieselbe Enttäuschung, dieselbe Diskriminierung? Nur der Herr weiß, wie schwer ich es habe. Aber, es ist auch egal: lange habe ich nicht mehr zu leben. Ich werde es aushalten. Autor 26 Ein Jahr später ist Kosin wieder auf Tour, diesmal führt die Reise auch ins europäische Russland. Moskau, Leningrad und Kiew sind offenbar tabu, aber abgesehen davon scheint es kaum eine sowjetische Stadt gegeben zu haben, in der Kosin in den 50er Jahren nicht gesungen hat. In Sotschi entsteht 1957 folgende Aufnahme seines großen Hits "Osen'" Musik 12: Wadim Kosin: Osen' 1957 Autor 27 Etwa um diese Zeit, Mitte der 50er Jahre, sorgt eine technische Revolution für neuen Schwung in Kosins Karriere. In sowjetischen Kaufhäusern tauchen die ersten Tonbänder auf. Kosin ist begeistert. Zitat 07 Kosin - 16.8. /Sprecher 3 In Irkutsk werde ich eine Schreibmaschine, einen Plattenspieler und ein Mikrofon kaufen. Und fertig, das wars. Bloß genug Tonbänder muss ich noch beschaffen. Etwa 10.000 Meter. Außerdem brauch ich einen Staubsauger und zwei Kaffeemühlen. Autor 28 Zu Hause in Magadan nimmt Kosin sich fortan immer wieder auf, über Jahrzehnte. Viele dieser Aufnahmen sind wohl verloren, einige haben die Zeiten aber auch überdauert. Und sie dokumentieren Erstaunliches: unbedrängt von Zensur und Theaterleitung entwickelt Kosin sein Repertoire stetig weiter, schreibt Lieder zu Texten alter und neuer Dichter. Irgendwann entsteht so sein vielleicht rätselhaftester Zyklus. Die Moskauer Führung hatte ihn ins eisige Magadan ans Ende der Welt geschickt. Aber das eisige Magadan am Ende der Welt wurde Kosin zur Heimat. Und dieser Heimat widmete er wunderschöne Lieder. "Sie haben sicher Yves Montand gehört, der die Boulevards von Paris liebt", erzählt er seinen Zuhörern. "Ich aber bin in die Boulevards von Magadan verliebt, vielleicht sogar mehr als Yves Montand in die von Paris." Musik 13: Kosin - Die Boulevards von Magadan OT 12 Krawtschinksij/VO Sprecher 2 Das ist das Stockholm Syndrom. Man kann sich an jeden Ort gewöhnen. Sicher, für uns ist Magadan der Gulag, Kolyma. Aber da wohnen fast 200.000 Leute, ich habe einen Bekannten dort, der sagt "Bei uns ist die Luft sauberer als in Moskau, wir haben das Meer, es gibt Krabben, alles ist wunderbar." Kosin ging es wie dem Dichter Pjotr Nefjodow, der schrieb: "Ich liebe dieses Land, seine Nebel und Winde..." Dazu kam: In Russland dachten die Leute, das er im Lager gestorben ist, selbst in den 80er Jahren, ich kann mich daran erinnern. Aber in Magadan wussten sie, dass er gesund und munter ist und liebten ihn. Jedes Jahr rettete er der Philharmonie den Plan: die zeigten irgendwelche kommunistischen Theaterstücke, die niemand sehen wollte. Und dann riefen sie Kosin für ein paar Konzerte, alles war ausverkauft und der Plan gerettet! Musik 14 - Kosin: Der Wind von Magadan Autor 29 So vergingen die Jahrzehnte. Wadim Kosin, der schon mit 52 seinen baldigen Tod vorausgeahnt hatte, wurde älter und älter. 1981 sendet das Magadaner Fernsehen sogar eine Sondersendung zum 75. Geburtstag - mit live Auftritt des Maestros. Wer mag kann sich das phänomenale Zeitdokument heute auf YouTube ansehen. Dann, Kosin war wohl schon über 80 Jahre alt, passierte ein Wunder. Seit mehr als 40 Jahren hatte es keine neuen Schallplatten von ihm gegeben. Jetzt aber begann die Perestroika und eines Tages trug der Wind der Veränderungen Kosin Erstaunliches zu. In den USA waren zwei Langspielplatten erschienen. Mit seinen Liedern. OT 13 Krawtschinskij/VO Sprecher 2 Seeleute brachten ihm die Platten mit. Und er hielt sie in den Armen wie ein Kind. Es gibt Zeugen, die das gesehen haben. Er war glücklich. Er hatte ja zu Hause einen Plattenspieler und überhaupt viel Equipment. Aber er nahm die Platten und ging ins Kaufhaus in Magadan in die Musikabteilung und sagte: "Schauen Sie, ich habe das hier geschenkt bekommen, aber ich habe zu Hause keinen Plattenspieler. Können Sie das nicht mal anmachen?" Die wussten natürlich, wer er ist, und verstanden seinen Schalk. Und da stand er und hörte seine eigene Stimme, von einer amerikanischen Schallplatte. Musik 15 Kosin Autor 30 Als Wadim Kosin dann im Dezember 1994 doch starb - mit 89 oder eventuell auch 91 Jahren - hinterließ er viele Tonbänder, ein altes verstimmtes Klavier, Hunderte Konzertplakate, Bücher, Briefe aus aller Welt und zwei Katzen namens Tschunja und Bulldozer. 50 Jahre hatte er in Magadan verbracht, 50 Jahre lang hatte die offizielle Sowjetunion ihn tot geschwiegen. Doch der große Romantiker und Romanzensänger Wadim Kosin überlebte die Sowjetunion. 2009 veröffentlichte der englische Sänger Marc Almond, weltberühmt seit seiner Zeit mit der Band Soft Cell, ein komplettes Album mit Coverversionen von Kosins Liedern. Das Album heißt: "Orpheus in Exile". Und Kosins größter Hit ist natürlich auch drauf: Osen' - Herbst, die wunderbare Romanze über einen jungen Mann, der sich an einem Herbstmorgen an eine verflossene Liebe erinnert und fleht: "Ne ukhodi - Geh nicht!". Wir aber gehen, die Lange Nacht der russischen Romanzen geht zu Ende… Absage Musik 16 Marc Almond: Autumn Musikliste Titel: Nochnaja Prokhlada Länge: 02:10 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Rariti Best.-Nr: CD RAR-9902 Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch Titel: Starinnyj Piterskij Romans Länge: 02:50 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Rariti Best.-Nr: RAR-9902CD Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch Titel: Ja Milovogo Usnaju po Pochodke Länge: 03:20 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Rariti Best.-Nr: RAR-9902CD Titel: Rasstavajas, ona govorila Länge: 02:50 Interpret: Nastja Poljakowa Komponist: trad. Label: Gamma Discs Plattentitel: CD Starinnye Pesni i Romansy Titel: Rasstavajas, ona govorila Länge: 01:50 Interpret: Wolodja Poljakow Komponist: trad. Label: Philips Best.-Nr: 844.918 BY Plattentitel: CD Les derniers voix tziganes Titel: Rasstavajas, ona govorila Länge: 02:50 Interpret: Walentina Ponomarjowa Komponist: trad. Label: Galaxy Studio Best.-Nr: GSR-2005-31-M Plattentitel: CD Starinnye Pesni i Romansy Titel: O net, ne uchodi Länge: 01:15 Interpret: unbekannt Komponist: Sergej Rachmaninow Label: Stereo & Video Best.-Nr: S&V 042 Plattentitel: CD: Rachmaninov: Romansy Titel: Ja was Ljubil Länge: 02:45 Interpret: Wadim Kosin Komponist: trad. Label: Russkij Compact Disc Best.-Nr: RCD 40604 Plattentitel: CD Masterpieces of Russian Estrade. Black Eyes Titel: Vuelvo al Sur Länge: 04:01 Interpret: Roberto Goyeneche Komponist: Astor Piazzolla Label: Milan Best.-Nr: 13978-2 Plattentitel: Sur Titel: Katorzhniki Länge: 02:45 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Polydor Best.-Nr: 2393 149 Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch Titel: Dve Gitary Länge: 02:55 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Vanguard Best.-Nr: VRS 9256 Plattentitel: CD: The Gypsy and I Titel: Emigrantskoe Tango Länge: 03:10 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Polydor Best.-Nr: 2393 149 Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch Titel: Pozhalel Krasawizu Länge: 03:05 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Polydor Best.-Nr: 2393 149 Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch Titel: Moja Zyganskaja Länge: 02:35 Interpret und Komponist: Wladimir Wyssozkij Label: WEM Records Best.-Nr: WEM-P 002/07-04 Plattentitel: CD Wse ne tak Titel: Dwe Gitary Länge: 02:20 Interpret: Aljoscha Dimitriewitsch Komponist: trad. Label: Rariti Best.-Nr: CD RAR-9902 Plattentitel: CD: Aljoscha Dimitriewitsch 2. Stunde Titel: In Moldavian Steppe Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Plattentitel: CD What I Should say Titel: Madam, the leaves are already falling Länge: 03:15 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: Retro Music Plattentitel: CD Lutschee / The Best Titel: Kokainetka Länge: 01:30 Interpret: Tatjana Kabanowa Komponist: Alexander Wertinskij Ohne Label und Bestellnummer Titel: Waschi Palzy Länge: 02:15 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: Retro Music Plattentitel: CD Lutschee / The Best Titel: What I should say Länge: 02:05 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Plattentitel: CD What I Should say Titel: Tschuzhie Goroda Länge: 02:45 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: Retro Music Plattentitel: CD Lutschee / The Best Titel: Magnolia Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Plattentitel: CD What I Should say Titel: Marlen Länge: 02:55 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Plattentitel: CD What I Should say Titel: Yellow Angel Länge: 02:45 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Plattentitel: CD What I Should say Titel: Arabian Song (Palestinskoe Tango) Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: MEL Best.-Nr: 60 00621 Titel: Arawijskaja Pesnja (Palestinskoe Tango) Länge: 03:10 Interpret: Walerij Obodzinskij Komponist: Alexander Wertinskij Label: AVA Records Best.-Nr: A 950 10 Plattentitel: CD Dni Begut Titel: Bal Gospoden´ Länge: 02:45 Interpret und Komponist: Alexander Wertinskij Label: Retro Music Plattentitel: CD Lutschee / The Best 3. Stunde Titel: Osen` Länge: 02:35 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Druzhba Länge: 03:15 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Glaza Länge: 01:55 Interpret: Warja Panina Komponist: Wadim Kosin Label: Ozon Records Best.-Nr: ID 74173 Plattentitel: Lutschie zyganskie pesni i romansy nachala XX weka Titel: Tschernye Glasa Länge: 01:45 Interpret: Jurij Morfessij Komponist: Wadim Kosin Label: Ozon Records Best.-Nr: ID 74173 Plattentitel: Lutschie zyganskie pesni i romansy nachala XX weka Titel: Jechali Zygane Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Schumit nochnoj Marseille Länge: 04:05 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Nischtschaja Länge: 02:50 Interpret: Isabelle Jurjewa Komponist: trad. Label: Melodija Best.-Nr: 33D 032035 Plattentitel: CD Starinnye Romansy i Pesni Titel: Osen` Länge: 02:15 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Osen´ Länge: 02:55 Interpret: Alek Kopyt Komponist: Wadim Kosin Ohne Label Best.-Nummer Titel: O Materi Länge: 03:00 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Boulvary Magadana Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Wadim Kosin Label: Moroz Records Best.-Nr: dMR 41301/41401 Plattentitel: CD Welikie Ispolniteli XX weka Titel: Autumn Länge: 04:20 Interpret: Marc Almond Komponist: Marc Almond Label: CHERRY RED RECORDS Plattentitel: CD Orpheus in Exile