Länderreport, 23.8.2016 – 900 Jahre Stadtsingechor Halle von Susanne Harmsen Eine erwartungsvolle Menschenmenge hat sich am Freitagnachmittag auf dem Marktplatz im Zentrum von Halle eingefunden. Unter dem Denkmal für den großen Komponisten der Stadt, Georg Friedrich Händel, stehen auf Holztreppen 60 Chorknaben in festlichen dunkelblauen Anzügen und weißen Hemden. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt wird reden. Einige Hallenserinnen haben noch Sitzplätze am Rand ergattert. Hier ist die Eröffnung der Händel-Festspiele. Da wird der Bürgermeister sprechen. Da tanzen die kleinen Kinder in Barockkostümen. Und hier singt der Hallesche Stadtsingechor. Und das ist doch ein tolles Ereignis. Na ich bin aus Halle, ich bin immer dabei. Andere Neugierige kommen gerade vom Shoppen im Kaufhaus hinter dem Denkmal oder aus den umliegenden Geschäften der belebten Straßen. In Tüten und Rucksäcken tragen sie ihre Einkäufe, bleiben neugierig stehen. Ich bin gerade nur hier reingeraten, sozusagen und habe mir gerade den Platz gesucht, um zu gucken was passiert. Während der musikalischen Einführung durch das Kammerorchester der Martin-Luther-Universität und der Reden der Honoratioren müssen die Jungen vom Chor ganz still stehen. Nur manchmal tauschen sie ein Flüstern oder einen Blick mit dem Nachbarn. Die kleinsten ganz vorn sind etwa 9 Jahre alt, die Ältesten in der letzten Reihe 18. Einige bange Blicke gehen zum grauen Himmel – ob es regnen wird? Nach einer halben Stunde sind sie dran und beginnen mit dem Eingangschor aus der Messe Sapienze: „Lobet den Herrn“ von Friedrich Wilhelm Zachow. Die hellen strahlenden Kinderstimmen sollten die Gebete der Menschen näher an Gottes Ohr tragen. Deshalb bildeten Kirchen Knabenchöre aus. Das Kloster Neuwerk gründete vor 900 Jahren den Ursprung des Stadtsingechors. Musik aus der reichen Tradition der Stadt wird nicht nur in Kirchen und Konzertsälen gespielt. Das ist ein bewusstes Konzept in Halle, erklärt der Intendant der Händelfestspiele, Clemens Birnbaum: Die Festspiele haben natürlich immer einen Vorteil gegenüber normalen Veranstaltungen in Anführungszeichen, weil sie ein sehr breites Spektrum an Veranstaltungsorten sich auswählen, die passgenau sind für die Veranstaltungsformate. Natürlich versuchen wir und werden den Messias von Händel regelmäßig in der Marktkirche aufführen. Dafür reisen Hunderte von Menschen an, um in der Taufkirche Händels den Messias zu erleben. Natürlich auf einem künstlerisch ganz ganz hohen Niveau. Der Stadtsingechor ist ein wichtiger Protagonist der Festspiele. Neben Eröffnungskonzert und Messias bestreitet er auch das Abschlusskonzert in der Galgenbergschlucht, in diesem Jahr mit zwei befreundeten Chören aus Hildesheim und den Sankt Florianern aus Linz. Für die 80 Jungs bedeutet das viele Stunden Üben vor den Auftritten. Eine Viertelstunde Fußweg vom Markt entfernt liegt das Chorhaus. Es ist Teil der Franckeschen Stiftungen, in denen der Stadtsingechor seit 200 Jahren sein Domizil hat. Aus einer Armenschule und einem einfachen Waisenhaus, die der Pietist August Herrmann Francke 1698 gründete, entwickelten engagierte Pädagogen damals eine ganze Schulstadt. Die über 50 Gebäude, in denen heute Bildungseinrichtungen von Kindergarten bis Universität untergekommen sind, verteilen sich über ein parkähnliches Areal. Das heutige Chorhaus, war früher das Hauptkassengebäude der Stiftungen. Es liegt gleich am Bronzedenkmal für August Herrmann Francke. Hier proben die Jungen manchmal auch im weiten Dachgeschoss mit den freiliegenden Balken. Stehen die Fenster offen, scheint das alte Haus selbst zu singen. Heute wird mit dem Kammerorchester der Universität geprobt. Unter dem Dach ist es drückend warm. Die Jungen tragen T-Shirts und kurze Hosen, dennoch fällt es ihnen sichtlich schwer, sich bei der Hitze zu konzentrieren. Chordirektor Clemens Flämig feilt dennoch hartnäckig an Details. Aufgenommen werden Chor-Jungen ab der ersten Klasse als Aspiranten. Nach zwei Jahren Ausbildung und einer letzten Prüfung können sie reguläre Mitglieder werden. Das bedeutet jede Woche an drei Tagen je zwei Stunden Proben, dazu Unterricht in Musiktheorie und Stimmbildung. Nicht leicht für Carl und Karl Okke in der 7. Klasse. Also es ist abends immer sehr schwer, wenn man dann erst um 6 zuhause ist. Dann muss man noch schnell Hausaufgaben machen, dann wird gegessen, und dann hat man vielleicht nur noch eine halbe Stunde, bis man ins Bett gehen muss. Das ist halt schon relativ wenig Freizeit. Und deswegen ist es auch manchmal doof, dass eine Probe nicht so viel Spaß macht. Dafür gibt es auch andere viele schöne Sachen in den Proben. Das sind schöne Stücke. Und das macht hat teilweise auch richtig Spaß, mit dem Chor das zusammenzusetzen und da ein Stück vollständig und gut zu singen. - In Bezug auf die Schule ist es glaube ich eher so, man kann das natürlich alle schaffen, trotz des Chores. Es gibt ja auch viele, die außerhalb des Chores noch etwas anderes machen. Ich glaube man kann das alles schaffen, aber es ist nicht leicht. Was sie trotzdem beim Chor hält, ist die Gemeinschaft, erklärt Carl. Ja, mit mir singen auch andere, die ich mag, die ich gern habe, dann singe ich sozusagen auch fast für die. Weil wir sind ein Chor und wir singen alles für alle. Wir können das auch nur zusammen, weil alleine, dann wären wir ja kein Chor. Ich finde, man sollte wirklich auch sich wie ein größerer Bruder fühlen. Das ist hilfreich für einen selber, weil man dann wahrscheinlich selbstbewusster wird. Und auch hilfreich für die kleinen, weil sie halt wissen, wie es richtig geht. Die eben noch disziplinierten Sänger verwandeln sich in der Pause in übermütige Jungen, die um das Francke-Denkmal Fangen spielen. Warum sie dem Chor jede Woche viele Stunden ihrer Freizeit opfern? David, Max und Kurt sind schon 7 Jahre dabei. Am besten sind die Veranstaltungen, z.B. In den Sommerferien das Chorlager. Wir haben ungefähr eine Woche, das ist immer in der Gemeinschaft ganz toll. Zusammen zu sein, die Hauptbeschäftigung ist Fußball oder Tischtennis. - Im Endeffekt bekommt man ja alles auch zurück, durch Applaus und durch Chorfahrten. So gleicht sich das schon aus, ist schon ziemlich cool. - So im Kindergarten hatten wir schon so ein paar Schnupperkurse, sag ich mal. Wollte ich unbedingt mitmachen und fand das so toll mal zu singen und auf der Bühne zu stehen. In der Freizeit hören sie aber schon lieber Rap und Hip Hop erzählen sie. Ganz andere Musik als das Repertoire des Chors, das neben Werken von Händel, Bach, Schütz oder Mendelssohn-Bartholdy viel kirchliche Musik umfasst. Zum Beispiel von Samuel Scheidt und dem Händel-Lehrer Friedrich Wilhelm Zachow. Beide Musikdirektoren des Chores, im 16. bzw. 18. Jahrhundert. Aber mitunter ergreift auch diese Musik die jungen Sänger. Arthur König gehört schon zehn Jahre zum Chor. Also ich denke nicht, dass man geistliche Musik so sagen kann, dass es nicht so unsers ist. Es gibt ganz verschiedene Arten, wie man diese Musik umsetzen kann. Es gibt die klassischen alten Sätze, die Choralsätze. Die klingen sehr einfach, sind trotzdem anspruchsvoll. Wenn sie gut sind, klingen sie auch einfach wunderschön. Für mich klingen die Werke der Romantik einfach am schönsten. Es ist sehr melodisch und es sind schöne Harmonien dabei. Manche würden sagen, es ist kitschig. Aber gerade das gefällt mir, das es so groß und schön ist. Clemens Flämig, der heutige Chordirektor wuchs selbst im Dresdner Kreuzchor heran. Er entwickelte dort seine Leidenschaft für die alte Musik und freut sich, wenn er sie weitergeben kann. Ich glaube aber, wenn man als Musikpädagoge gut vermitteln kann, dass man einen eigenen Bezug dazu hat, und dass man die Sache halbwegs gut vermitteln kann, wie das funktioniert das Stück und warum das so funktioniert und wovon es handelt und und was das tolle daran ist, obwohl es vielleicht aus der Zeit gefallen ist, wobei ich das gar nicht so sagen würde. Aber das weitet ja auch den Horizont. Und Menschliche Empfindungen und Affekte und Gefühle, die haben wir alle. Egal ob wir gläubig sind, ob wir nicht gläubig sind, in welcher Stadt wir leben, aus welchem Land wir kommen, und wenn man sich auf diese Ebene begibt, und Kindern das erklärt, das ist ungefähr wie, er meint das so und der Text meint das so und der Komponist hat dies und das daraus gemacht, dann kann man sie schon mitnehmen, denke ich. Anders als ihre berühmten Nachbarn vom Dresdner Kreuzchor und den Leipziger Thomanern leben die Hallenser Sänger nicht im Internat. Hier müssen die Familien jeden Tag von neuem die Balance zwischen Schulpflicht und Chorfreizeit finden. Clemens Flämig weiß das zu würdigen: Deswegen haben die Eltern logistisch gesehen schon mal eine ganz wichtige Rolle und die erfüllen sie auch bewundernswert. Also für die kleineren, sie immer zum Chor-Haus zu bringen und abzuholen, zu allen Terminen und die Chorkleidung zu waschen und da drauf zu schauen und die Jungs auch zuhause zu motivieren weil die sicherlich zuhause auch mal erzählen ach heute war aber es aber anstrengend muss ich denn morgen wieder hin? Das übernehmen alles die Eltern. Trotzdem herrscht viel Fluktuation. Sänger verlassen den Chor, weil sie neben der Schule nicht mehr genug Zeit finden oder weil sie erwachsen sind, ins Studium oder in die Ausbildung gehen. Dafür kommen junge Stimmen hinzu, die neu ausgebildet werden müssen. Eine Herausforderung für den Chordirektor und seine Mitarbeiter: Man möchte einen Chor haben, der annähernd über Jahre in der immer gleichen Qualität singt und zugleich zu wissen, dass der Chor sich immer neu bildet, im Gegensatz zu einem Erwachsenenchor. Darauf muss man sich einlassen, das muss man wissen. Und das ist aber auch etwas Großes, Faszinierendes, weil man nicht nur die Jungs anregt, zu lernen, sondern es sollte einen auch selbst anregen sich immer wieder zu hinterfragen. Ich weiß, das ist anstrengend, das gebe ich zu (lacht) aber es hat auch einen sehr erfrischenden Aspekt. Die Pause ist vorbei, die Probe geht weiter. Nur einige Häuser vom Chor entfernt arbeitet die Verwaltung der Franckeschen Stiftungen. Zum Ende der DDR-Zeit standen die alten Fachwerkgebäude kurz vor dem Zusammenbruch. Großzügige Spenden und das Engagement des Wiedergründungsdirektors Paul Raabe und seiner Mitstreiter ließen die Reihe fünfgeschossiger Häuser wieder auferstehen. Heute sind die Franckeschen Stiftungen wieder voller Leben. Nicht nur dank der Jungs des Stadtsingechors. Es gibt auf dem Gelände insgesamt 40 Bildungseinrichtungen, darunter auch eine Bibliothek und ein Institut für theologische Forschung. Stiftungsdirektor Thomas Müller-Bahlke: Anfang des 19. Jahrhunderts wurde entschieden, den Stadtsingechor hierher in die Franckeschen Stiftungen zu verlagern und ihn zu vernetzen mit der Schulstadt August Hermann Franckes und das hat sich als eine sehr fruchtbare Synergie erwiesen. Weil auf diese Weise natürlich das ganze Chorleben mit dem schulischen Geschehen hier verbunden werden konnte. Viele der Sänger besuchen auch das musikspezialisierte Gymnasium in den Stiftungen. Dem Direktor ist es ein besonderes Anliegen, den jungen Sängern den Hintergrund ihres Musikrepertoires näher zu bringen. Thomas Müller-Bahlke: Es ist erstaunlich zu sehen, wie diese Geistliche Liedkultur heute weiterlebt bei einem Chor, dessen Sänger ja weitestgehend nicht mehr christlich sozialisiert sind. Und darin sehen wir als Franckeschen Stiftungen eine besondere Aufgabe. Wir haben ja einen Stiftungspfarrer, der auch regelmäßig bei den Choristen zu Gast ist und dort etwas über die inhaltlichen Hintergründe erzählt dessen, was die Chorknaben so trefflich in Gesang umzusetzen wissen. Ein Gesang der auch in den Kirchen der Stadt erklingt. Halle hat als einzige deutsche Großstadt mit mehr als 200.000 Einwohnern den Zweiten Weltkrieg fast ohne Schäden überstanden. Ganze Straßenzüge mit prächtigen alten Bürgerhäusern, zum Teil aus der Renaissance- oder Barockzeit künden vom Stolz auf das Geschaffene. In einem Patrizierhaus auf dem Weg zum Markt liegt das Stadtmuseum, es zeigt gerade eine Ausstellung über den Stadtsingechor. Das Motto: „Stimmen Bilden Leben“. Sie wurde von der Mutter des Chorsängers Max gestaltet, einer Musikhistorikerin. Cordula Timm-Hartmann: Es gab in dieser Geschichte, das ist mir jetzt klar geworden in meinen vielen Recherchen, immer wieder grenzwertige Situationen. Durch politische Umbrüche hervorgerufen, aber auch durch Kriege, durch Belagerungen, durch Epidemien, wo der Chor immer wieder auch vor dem Nichts stand. In seiner Existenz bedroht war. Und ich aber auch gesehen habe, dass es nicht nur die Verwaltungen waren, sondern einfach auch die Hallenser Bürger, die es geschafft haben für ihren Chor zu kämpfen. Und ihn immer wieder neu aufzubauen und zu entwickeln. Bis ins 20. Jahrhundert sang der Chor zum Gottesdienst, auf Bestellung bei Bürgern daheim oder auf Straßen und Plätzen. Vor der Erfindung von Schallplatten und Radio war Musik immer live und selbst gemacht. So finanzierte sich der Chor auch, denn das Schulgeld musste selbst verdient werden. Dabei sangen die Jungen bis ins späte 19. Jahrhundert Choräle oder geistliche Arien. Später kamen romantische Volkslieder hinzu. Im 20. Jahrhundert allerdings war es nicht mehr selbstverständlich, dass die Jungen religiöse Lieder sangen, hat die Musikhistorikerin Cordula Timm-Hartmann recherchiert: Es gab 1938 eine ganz plötzliche Ansage des Präsidenten der Regierung hier in Merseburg, dass das Singen für Geld ab sofort verboten werden muss. Und durch verschiedene Kompromissversuche und großartige Bemühungen der Franckeschen Stiftungen, die damals der Träger waren des Chores, gab es dann die Möglichkeit, trotzdem weiter zu singen. Aber unter der Bedingung, dass keine geistliche Musik mehr gesungen wurde sondern man musste eine Liste vorlegen der Lieder, die dort gesungen wurde. Das waren dann Volkslieder, aber auch patriotische Lieder, aber auch so etwas wie eben das Horst-Wessel-Lied, Deutschlandlied usw. Viele dieser Knabenchöre, also auch die Thomaner zum Beispiel gehörten dann zur Hitler-Jugend, zur HJ, waren ein Teil dieser Jugendveranstaltungen. Man bemühte sich, sogenannter Kulturchor zu werden. Wenn man das war, durfte man auch wieder mehr machen, was man wollte. Aber bis dann war es ein weiter Weg. Und die mussten dann eben auch bei Veranstaltungen der Gauleitung singen usw. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der Chor neu beginnen, unter anderen Vorzeichen, aber wieder mit Einmischung der Politik: Das Ansinnen der ersten Chorleiter, das war vor allem Richard Döll, war, den Chor so zu haben, dass er zum einen geistliche Musik singt, zum andern Händels Musik und zum Dritten dann weltliche Musik singt und moderne Musik. Dieser Herr Döll starb sehr unvermittelt und plötzlich 1950. Und der neue Chorleiter, der dann berufen wurde, ein sehr kompetenter Musiker, wollte natürlich dieses Profil weiterführen. Und wurde aber zunehmend unter Druck gesetzt und demoralisiert und demontiert durch fiese Politikmache und Agitation usw. So dass er 1958 freiwillig von seinem Amt zurücktrat. Was aber auch die Eltern dazu bewog, dass sie ihre Kinder zum allergrößten Teil aus dem Chor herausnahmen. So dass der Chor 1959 praktisch fast wieder von vorn anfangen musste. Zurück auf dem Marktplatz, dem Zentrum von Halle. Die Stadt entwickelte sich, dank riesiger unterirdischer Steinsalzvorkommen, ab 806 rasant zu einer florierenden Handelsstadt mit einem selbstbewussten Bürgertum. Das begehrte Gewürz und Konservierungsmittel sorgte für materiellen Wohlstand. Das machte die Hanse-Stadt zu einem kulturellen Zentrum mit einer Reihe bedeutender Komponisten. Diese Tradition ist den Hallensern lieb und teuer, erklärt der Oberbürgermeister im Stadthaus, mit Blick auf das Händeldenkmal. Der Stadtsingechor vertrete Halle, sagt Bernd Wiegand: Ja, 90 Jahre ist die Stadt bereits Träger. Wir haben einen großen Ansatz. Also 500 000 € stehen für die Stadtsingechor im Jahr im Haushalt zur Verfügung. Im Grunde genommen kann der Stadtsingechor damit fast machen was er möchte. Er kann die Schwerpunkte selbst setzen. Und darüber hinaus gibt es einen Freundeskreis und auch einen Elternkreis, der sehr intensiv die Chorarbeit unterstützt. Für uns bedeutet das natürlich, dass wir weiterhin versuchen, diese 500 000 € jährlich aufzubringen, in der Haushaltssituation. Weil ich denke, es ist eine Selbstverständlichkeit, der Chor ist für die Stadt ein Aushängeschild und deshalb werden wir ihn weiter intensiv fördern. Der Stadtsingechor ist ein Kultur-Botschafter für die Stadt. Und wird natürlich in Europa, auch in der Welt die Stadt vertreten. Einmal im Monat singen die Jungen Motetten in der großen Marktkirche, in der Luthers Totenmaske aufbewahrt wird. Die Mischung aus Konzert und Gottesdienst ist eine gute Gelegenheit für alle Hallenser ihren Chor zu erleben, meint der Direktor der Franckeschen Stiftungen Thomas Müller-Bahlke. Wenn man zu den regelmäßigen Chorveranstaltungen geht, beispielsweise in der Marktkirche, die ja Samstagnachmittag stattfinden, dann ist man überrascht, wie breit die Bevölkerungsschicht ist, die da zu den Konzerten kommt. Die da nach ihrem Samstageinkauf mit Plastiktüten in die Marktkirche kommen, in einen Raum, den sie sonst vielleicht nicht unbedingt betreten würden. Und dann aber ihren Stadtsingechor hören wollen. Und das dann wirklich auch genießen. Da ist die Hallesche Bevölkerung sehr aufmerksam. Vielleicht auch deshalb, weil unter den Hallensern viele ehemalige Sänger und ihre Familien sind, die der Musik zumindest als Konzertbesucher treu bleiben. Beruflich sind die ehemaligen Chormitglieder heute überall in der Stadt zu finden. Sie arbeiten in der IT-Branche, haben ein Reisebüro, wurden Mediziner oder sitzen im Stadtrat, wie André Cierpinski. Es war schon eine harte Schule sage ich mal. Durchsetzungsvermögen und auch an Projekten dran sein und wissen, dass man was ordentlich zu Ende bringt. Denn wenn man das Ziel Konzert hat, z.B. dann heißt das ja immer Wochen oder Monate Vorbereitung. Immer wieder das gleiche singen, dran feilen bis zur Perfektion, oder wenigstens nah dran. Das prägt einen wie gesagt, ja. Ich habe dann jahrelang auch noch im Universitätschor gesungen, ich habe das Singen auch nicht aufgegeben, dass begleitet mich immer noch. Meine Gitarre steht auch bei mir und wird aktiv genutzt. Die Musikalität, die trägt man dann auch weiter, Chor war immer ein Stück Leben und ist es offenbar auch heute noch. Zum Beispiel beim Musikfest „Unerhörtes Mitteldeutschland“, das im Juni in vielen Städten der Region stattfand. In Anknüpfung an die alte Tradition, in allen Kirchen der Stadt aufzutreten, singen die Jungen hier nacheinander im Dom, der Marktkirche und der Moritzkirche. Für die Besucher Gelegenheit, die verschiedenen Gotteshäuser von innen zu erleben, ihren Klang zu vergleichen. Der gotische Dom wirkt eher eng in seiner extrem aufstrebenden Architektur. Die Marktkirche bietet dem Blick und dem Klang mehr Raum. Zwischen den Konzerten wandern Besucher und die Sänger in ihren blauen Festanzügen in lockeren Gruppen durch die Straßen zur nächsten Kirche. Viele Familienmitglieder zeigen sich stolz auf ihre Jungs. Mir hat es sehr gut gefallen ja, ich war auch im Dom dabei. Wir sind Fans des Stadtsingechors. Weil unser Enkel hier mitsingt und wir versuchen, jedes Konzert zu begleiten. Jetzt ist er 14, zehn Jahre, seit seinem vierten Lebensjahr. Und er sagt immer selbst zu mir, die Stimme ist mein Instrument. Und das hat er dem Stadtsingechor zu verdanken. Und das ist wohl auch dem Chordirektor zu verdanken, dass er versucht, Freizeit und gesangliche und stimmbildnerische Ausbildung miteinander gut zu verbinden. Das immer der Spaß dabei und natürlich auch die Bildung nicht zu kurz kommen. Auch Besucher, die den Chor zum ersten Mal erleben, sind beeindruckt: Ja sehr gut, weil das auch so junge Stimmen sind. Ich kenne verschiedene Knabenchöre auch den Thomaner, und den Kreuzchor, die bekannten. Und die sind vielleicht etwas mehr ausgebildeter aber die klingen natürlicher, auch diese kleinen, die Jungen, und das fand ich besonders schön. Also auch sehr gut dann hinterher dieser ältere Chor. Also so in den leisen Stimmen und diese Dynamik. Also ich bin sehr begeistert. Wir sind hier aus Recklinghausen zu der Sommerakademie, die in Halle stattfindet. Und ich suche mir dann immer so ein Programm aus und als ich das gesehen habe, habe ich gesagt: da müssen wir hin! Und das hat sich auch gelohnt. Es sind diese Auftritte und die Reisen, die auch die Jungen immer wieder dazu motivieren dran zu bleiben. Diesen Sommer besuchte der Stadtsingechor Partnerchöre in Hildesheim, Karlsruhe, Wiesbaden und Freiburg im Breisgau. Im Mai waren die Jungen in Finnland. Ein unvergessliches Erlebnis für den 12jährigen Emil Petersen und den 17jährigen Arthur König. Also das schönste Erlebnis war für mich auf jeden Fall die Finnland Reise mit dem Chor. Da waren wir zwei Wochen in Finnland, sind durch verschiedene Städte gefahren. Und das war also wirklich, mal zwei Wochen ohne Eltern ist halt schon was Neues und das war echt cool. - Wir haben in Finnland z.B. in der Felsenkirche gesungen. Diese Kirche war total in den Fels hinein gehauen und das hatte eine besondere Akustik. Man steht dann da und singt und denkt sich einfach beim Singen, wow das klingt einfach anders und deshalb gibt es schon Höhepunkte oder Orte an denen man lieber singt. Im September treffen die Hallenser den Thomanerchor aus Leipzig zum gemeinsamen Konzert. Für den ehemaligen Sänger Hans-Dieter Wöllenweber weist das in die richtige Richtung: Über die Stadtgrenzen hinaus wünschte ich mir eine Ausstrahlung noch. Thomaner, Kruzianer, das ist bekannt, Regensburger Sängerknaben, Tölzer Knabenchor was es überall so gibt. Eigentlich könnte der Stadtsingechor in der gleichen Liga spielen, nicht. Das tut er leider noch nicht, was auch ein bisschen eine Frage der Außenwirkung ist. Man stellt, wie so vieles in Halle, ein bisschen unter den Scheffel. Links: https://www.stadtsingechor-zu-halle.de/ http://www.francke-halle.de/ http://www.halle.de/de/Kultur/Freizeit/?RecID=364 2