COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel - 29.3.2009 Kicken im Salon Futsal soll auch in Deutschland populär werden Autor: Günter Herkel Take 1 (0:25) Begrüßung Futsal Cup: 20. März 2009, 9:55 Uhr, 4. DFB-Futsal-Cup in Mülheim an der Ruhr - herzlich Willkommen Ihnen allen hier in der Halle. Atmo 1 Nur wenige Zuschauer verlieren sich an diesem Freitagmorgen auf der Tribüne der Rhein- Ruhr-Halle. Dabei ertönte gerade der Anpfiff zu einem durchaus hochkarätigen sportlichen Wettbewerb - die deutsche Meisterschaft im Futsal. Moment mal -in was? Take 2 (0:23) Korfmacher: Futsal ist ja nicht ein typisch deutsches gebräuchliches Wort und erklärungsbedürftig - wir sagen: Hallenfußball nach FIFA-Regeln. Der Hallenfußball war ja enorm verbreitet bis hin in die Bundesliga, und Futsal eben als andere, neue Sportart mit anderem Spielgerät und anderen Spielregeln nicht, und da sind wir jetzt dabei, aufzuholen. Meint Hermann Korfmacher, Präsident des Westdeutschen Fußball-Landesverbands. Futsal ist die Abkürzung des spanischen "Futbol de Salon" und bedeutet nichts anderes als Hallenfußball. Zugleich meint es eine Variante des Hallenfußballs, die mit dem in deutschen Arenen lange Zeit dominierenden Gekicke wenig zu tun hat. Das fängt schon mit dem Spielgerät an. Der Futsal-Ball ist kleiner als der übliche Hallenfußball, aber rund 20 Gramm schwerer. Mit 0,4 bis 0,6 bar weist er nur halb so viel Druck auf, lässt man ihn aus der Hand fallen, so tupft er nur zwei, dreimal leicht auf und bleibt liegen. Das erleichtert den Spielern die Kontrolle, der Ball springt nicht so schnell vom Fuß und verwandelt Futsal in eine schnelle, rasante Sportart. Das Eröffnungspiel in Mülheim bestreiten Nordmeister Borussia Hildesheim und Niederrhein-Meister Futsal Panthers Köln. Take 3 (0:20) Borussia Hildesheim - Futsal Panthers Köln: Ja, um allen Mannschaften und auch den Zuschauern zu zeigen, dass es sich bei der Ausführung um einen indirekten Freistoß handelt, müssen beide Schiedsrichter den Arm heben. (Zuschauerjubel) Ja, und hier haben wir auch das erste Tor des DFB-Futsal-Cup- Turniers 2009 durch den Kapitän der Futsal-Panthers Köln, mit der Nr. 9 Harald Gracholski. Man stelle sich vor, während einer Bundesligapartie würde ein Stadionsprecher die Freistoßregeln erläutern. Undenkbar! Beim Futsal ist so was normal und wohl auf längere Sicht notwendig, sagt Stefan Weber, offizieller FIFA-Futsal-Schiedsrichter. Er ist zum dritten Mal beim DFB-Futsal-Cup als Schiri dabei. Noch ist der Bekanntheitsgrad dieser Sportart einfach zu gering. Take 4 (0:15) Weber: Futsal ist in Deutschland noch in der Entwicklung begriffen. In anderen Ländern wie Spanien, Russland, Portugal gibt's Profiligen, die es in Deutschland leider noch nicht gibt. Und man muss jetzt Schritt für Schritt vorangehen, und da ist es ganz wichtig, dass die Zuschauer über die Regeln informiert werden. Futsal kann nahezu in jeder Sporthalle mit den Abmessungen eines Handballfeldes betrieben werden. Gespielt wird ohne Bande. Verlässt der Ball das Feld, wird mit einem Einkick von der Seitenlinie fortgesetzt. Gespielt wird auf Handballtore, jede Mannschaft besteht aus dem Torwart und vier Feldspielern. Vor allem technisch Versierte fühlen sich von dieser Sportart angezogen. Take 5 (0:25) Wusterhausen: Man hat's ja auch jetzt gesehen bei der Meisterschaft, dass die Spieler, die technisch gut ausgebildet sind oder technisches Talent haben, dass die momentan erst mal an vorderster Stelle stehen. Insbesondere sind es die südosteuropäischen und auch die türkischen Spieler. Bei Hertha beispielsweise, der größte Teil sind Türken, die verstehen, mit dem Ball umzugehen. Sagt Bernd Wusterhausen, Geschäftsstellenleiter für Amateur- und Jugendausbildung beim Bundesligisten Hertha BSC, zugleich Mitglied der Futsal AG beim Deutschen Fußballbund. Im Berliner Futsal-Finale, auf das er sich bezieht, setzte sich die Mannschaft von Hertha BSC Ende Januar gegen den FK Srbija mit 9:6 durch. Zwei der Berliner Tore markierte Ali Kaloglu. Für seine insgesamt 49 Saisontreffer wurde der 21jährige Deutschtürke als Torschützenkönig ausgezeichnet. Was reizt ihn am Futsal? Take 6 (0:20) Kaloglu: Beim Futsal ist es so, dass man zum Beispiel nicht grätschen darf, dass so harte Zweikämpfe vermieden werden, es ist halt n bisschen fairer als Fußball. Im Fußball kannst du dich leicht mal verletzen, wenn da einer die Grätsche rausholt oder so. Beim Futsal ist halt nicht so, und das macht halt Spaß, weil es ist in der Halle, n bisschen kleiner, technisch versierter, fallen mehr Tore und ist n bisschen mehr action drin, und deswegen ist es n bisschen cooler als Fußball. Zu Alis Leidwesen konnte Hertha BSC sich nicht für das Endturnier in Mülheim qualifizieren. Den Nordostdeutschen Fußballverband vertritt die Mannschaft von Futsal Team Neuenhagen. Die Halle bebt unter den lautstarken Anweisungen ihres russischen Trainers. Take 7 (0:30) Getrommel, lautes Trainergeschrei Ansage: Team Neuenhagen geht 1:0 in Führung Dass Futsal in Deutschland nach wie vor als eher exotische Sportart gilt, hat natürlich Gründe. Die Bundesliga setzte seit den 80er Jahren auf Hallenfußball mit Bande. Jeweils in der Winterpause trug sie unter dem Titel "Hallenmasters" eine Meisterschaftsrunde aus. Willi Hink, für Futsal zuständiger Direktor beim DFB: Take 8 (0:30) Hink: Das war eine bewusste Entscheidung zu dem Zeitpunkt für das Spiel mit Bande. Dann haben Hallen auch Banden angeschafft, auch den passenden Kunstrasen dazu. Dieses Konzept war der Bundesliga das ideale, und dass dann international sich die Entwicklung dann in die Richtung Futsal mit einem anderen Ball entwickelt hat, ist dann da zwar zur Kenntnis genommen, aber hat für sie keine große Rolle gespielt, weil sich auch die Bundesliga gar nicht in Richtung spezialisierter Hallenfußball entwickeln wollte. In der Bundesliga galt das Hallen-Masters als eine Art Zwischenrunde, bei der nebenbei ein paar Euros verdient werden konnten. Die internationale Entwicklung wurde somit verschlafen. Erst nach der Einstellung des Masters im Jahr 2001, wachten die DFB- Verantwortlichen auf. Take 9 (0:20) Hink: Damit war im Grunde auch der Weg frei, zu sagen, okay, jetzt schauen wir mal, wie hat sich Hallenfußball denn international entwickelt, und hat sich seit Mitte der 90er Jahre nun doch sehr spezialisiert, bewusst auch von der FIFA so gewollt, als eigene Marke etabliert, und so gehen wir jetzt halt hinterher. Einer der Gründe, die die Klubs zur Abwendung vom herkömmlichen Hallenfußball bewogen, war die nicht geringe Verletzungsgefahr beim Spiel mit Bande. Ali Kaloglu von Hertha BSC weiß davon ein Lied zu singen. Take 10 (0:20) Kaloglu: Zum Beispiel die Turniere, die Hallenfußballturniere, die wir auch in der Oberliga zum Beispiel hier in Berlin haben, die sind ja auch n bisschen anders als Futsal. Da darf man auch grätschen und da sind auch harte Zweikämpfe, und wenn man da dann halt gegen ne Bande knallt, auf dem harten Hallenboden, das ist natürlich weitaus gefährlicher. Aber beim Futsal ist ja dieses harte Einsteigen, Tackling und Rempeln und alles verboten. Und daher passiert's ja auch sehr viel weniger. Stefan Kammerer, der zweite deutsche FIFA-Futsal-Schiedsrichter, ergänzt: Take 11 (0:28) Kammerer: Das so genannte Slide-Tackling, das ist ein Reingleiten im Zweikampf, eben verboten ist und als direkter Freistoß geahndet wird. Das ist der einzige Unterschied, das heißt, im Oberkörperbereich, was Halten, Beinstellen etc. betrifft, ist es genau so wie beim Elfer- Fußball auch. Und wenn man mal ein hochklassiges Spiel sieht, dann verabschiedet man sich von dem Gedanken, dass es körperlos ist. Außerdem stell ich dann immer son bisschen humoristisch die Frage, wie man denn körperlos Fußball spielen kann. Der Karlsruher Stefan Kammerer ist seit fast 20 Jahren als Schiedsrichter im DFB tätig. Von 1997 bis 2004 pfiff er 61 Spiele der Zweiten Bundesliga. Dann bekam er einen Anruf vom DFB mit der Bitte, sich als FIFA-Futsal-Schiedsrichter zur Verfügung zu stellen. Take 12 (0:15) Kammerer: Ich hab dann n bisschen recherchiert, hab wenig gefunden, weil ich's gleich mal falsch geschrieben hab, nämlich mit Fuzzal anstatt mit tsal, bin aber irgendwann fündig geworden bei der UEFA, hab mich mit dem Thema beschäftigt und seitdem bin ich eigentlich fasziniert davon. Zwei Schiedsrichter leiten das Spiel an den Längsseiten des Feldes. Dazu kommt ein Zeitnehmer, der die Uhr verwaltet. Beim Futsal wird die Nettozeit gestoppt. Spielfortsetzungen müssen innerhalb von vier Sekunden erfolgen - ein zusätzlicher Beschleunigungsfaktor. Und dann gibt es noch den dritten Schiedsrichter. Take 13 (0:20) Kammerer: Der dritte Schiedsrichter übernimmt die Aufgabe, die der vierte Schiedsrichter beim Elfer- Fußball hat. Der steht nämlich zwischen den Bänken und überwacht die so genannte technische Zone. Das heißt das Verhalten der Auswechselspieler, das Verhalten der Offiziellen, das Coaching. Er überwacht beim so genanten Timeout, eine Auszeit, dass hier ordnungsgemäß gecoacht wird. Und er überwacht, dass die Auswechselspieler ein Leibchen tragen. Bis zu sieben Ersatzspieler können jederzeit bei Ballbesitz der jeweiligen Mannschaft ausgewechselt werden. Ein Zugeständnis an das kräfteraubende Spiel, das faktisch aus lauter Kurzsprints mit überfallartigen Attacken besteht. Eine Besonderheit beim Futsal ist das Ahnden so genannter kumulierter Fouls. Ein normaler Strafstoß wird von der Sechs-Meter- Marke ausgeführt. Die ersten fünf Fouls werden mit einem direkten Freistoß sanktioniert und als Mannschaftsfoul gezählt. Ab dem sechsten Teamfoul gibt es einen 10-Meter-Freistoß ohne Mauer, auch wenn das Foul in der gegnerischen Hälfte begangen wurde. Allerdings hat die ausführende Mannschaft zwei Alternativen. Take 14 (0:16) Kammerer: Das sechste Foul passiert, das Spiel wird gestoppt. Jetzt kann die Mannschaft sich raussuchen, ob sie einen Freistoß ausführt vom 10-Meter-Punkt, ohne Mauer oder ob sie einen Freistoß am Tatort ausführt, wenn er zwischen dem 10-Meter-Punkt und der Torlinie war. Klingt kompliziert, ist es auch auf den ersten Blick. Aber irgendwas muss sich der Erfinder dieser Regel dabei gedacht haben. Take 15 (0:21) Kammerer: Man stelle sich vor, es passiert sechseinhalb Meter vor dem Tor dieses sechste Foul. Die Mannschaft hätte ja den Anspruch, von diesen sechseinhalb Metern zu schießen. Und jetzt nimmt der Schiedsrichter den Ball und geht auf 10 Meter zurück, das wär natürlich n Nachteil. Insofern hat die Mannschaft da ein Wahlrecht, das kann ich denen noch so oft erklären, hat in Deutschland noch keiner kapiert. Macht aber nix, kommt alles noch. Beim 10-Meter-Freistoß darf der Torwart auf 5 Meter heran laufen, während er beim Strafstoß von der 6-Meter-Linie auf seiner Torlinie zu stehen hat - ähnlich wie beim Feldfußball. Atmo Für Ästheten kann Spitzenfutsal eine wahre Offenbarung sein. Die Spieler belauern sich, streicheln den Ball mit der Sohle, versuchen, den Gegner durch Übersteiger zu verwirren, um im letzten Moment den Ball per Hacke weiter zu passen. Alles in rasendem Tempo, mit fliegendem Wechsel oft schon nach zwei, drei Spielzügen. Nicht selten erfolgt der Torabschluss per "Pieke", also mit der Fußspitze aus vollem Lauf - im Feldfußball eher verpönt. Cracks wie Ronaldo und Robinho haben sich beim Futsal den Schliff für ihre späteren Karrieren geholt. Taktik und Spielsystem haben mit dem Elfer-Fußball wenig gemein. Ali Kaloglu: Take 16 (0:30) Kaloglu: Ich spiel auch beim Futsal eigentlich Verteidiger, klingt ja komisch, wenn man Torschützenkönig wird, aber beim Futsal ist natürlich nicht so wie beim Fußball, dass halt die Stürmer die Tore machen und die Abwehrspieler verteidigen, weil beim Futsal ist es so, dass da sehr viel rotiert wird, dass halt mal der Stürmer des Gegners sich nach hinten fallen lässt, und der Abwehrspieler mal nach vorn kommt und sich auch drauf einstellen muss. Und dass ich auch manchmal, wenn ich den Ball hab, nach vorn geh, und da ist auch die Entfernung nicht so groß zum gegnerischen Tor, das sind ja, was weiß ich, 30 oder 40 Meter nur. Und wenn man da einmal n Sprint hinlegt, ist man gleich vorm gegnerischen Strafraum. Also es spielt eigentlich keine Rolle, ob man Verteidiger ist oder Stürmer. Defensiv wird meist Raumdeckung praktiziert. Umgekehrt versuchen die Angreifer, durch permanente Positionswechsel mit schnellen Ballstaffetten eine Lücke in die Deckung des Gegners zu reißen. Take 17 (0:15) Kaloglu: Man muss gestaffelt stehen, man muss die Laufwege voneinander kennen. Wenn der Gegner in Ballbesitz ist, versucht man sich so in die Mitte zu stellen, dass der Gegner über die Außen kommt, damit der Weg zum Tor ein bisschen weiter ist. Und wenn man selbst im Ballbesitz ist, versucht man's breit zu machen, damit man mehr Anspielstationen hat und so. Musik Einziger Endrundenteilnehmer in Mülheim mit einer Bundesliga-Adresse ist die Eintracht aus Frankfurt. Doch so richtig anerkannt in den eigenen Reihen ist der hessische Futsal-Meister noch nicht. Das lässt sich zumindest aus den Worten von Futsal-Coach Horst Schumacher heraushören. Take 18 (0:15) Schumacher: Na ja, in der Fußballabteilung sind wir integriert, und wir werden dort auch im Rahmen des Möglichen gut beachtet, aber auch nicht sehr viel mehr. Im Leistungsbereich ist es noch nicht angekommen. Woran mag das liegen? Take 19 (0:12) Schumacher: Viele ältere Leute haben einfach das Gefühl, das wäre kein Fußball. Wobei: Es ist hochausbildend. Die Spieler, das sieht man ja. Die müssen laufen wie die Hasen, ne... So mancher Feldfußball-Trainer fürchtet, die Futsal-Praxis könne negative Einflüsse auf die Fußballkünste seiner Schützlinge haben. Ein Vorurteil, wie eine 2004 am Sportwissenschaftlichen Institut der Uni Frankfurt vorgenommene Studie belegt. Dabei wurde bei rund 400 Nachwuchskickern geprüft, ob die Unterschiede in beiden Sportarten sich positiv oder negativ auf die Weiterentwicklung ihrer fußballerischer Fähigkeiten auswirken. DFB- Direktor Hink: Take 20 (0:15) Hink: Es hat sich dann herausgestellt, dass nach zwei Jahren, diejenigen, die sich auf Futsal konzentriert hatten, die besseren Fußballer waren, also draußen dann besser zurecht gekommen sind, weil sie gewisse Grundtechniken und kleingruppen taktisches Verhalten besser gelernt hatten. Die Bedenken, die viele Vereinstrainer gegenüber der neuen Sportart haben, scheinen daher unbegründet. Auch Hertha-Torjäger Ali Kaloglu hält beide Fußball-Varianten für vereinbar. Take 21 (0:25) Kaloglu: Seit knapp 16 Jahren spiel ich auch Fußball draußen, seitdem ich klein bin, mach ich auch immer noch sehr gern. Ich werd's auch, so weit es geht, beides parallel miteinander laufen lassen. Ich hab da keine Probleme, mich da umzustellen, weil es sind zwei andere Sachen. Das eine ist mehr technisch versierter, das andere ist mehr Kampf, mehr Kondition, mehr Fitness, aber so lange beides parallel geht, werde ich auch beides verüben. Neben Futsal spielt Ali auf dem Großfeld für den Berliner Landesligisten BSV Al Dersimspor. Im Zweifelsfall muss der Futsal zurückstehen. Aus nahe liegenden Gründen: Take 22 (0:20) Kaloglu: Zum Beispiel haben wir zwei Spieler, die ab und zu gar nicht zu den Spielen können, weil sie am nächsten Tag n Fußballspiel haben, und die begründen das dann halt auch damit, weil die verdienen ja Geld beim Fußball, und beim Futsal ist das nicht der Fall. Da das bei den anderen europäischen Ländern so ist, zum Beispiel Russland, Spanien - die verdienen ja Geld damit - die Spieler können mehr Zeit dafür aufwenden, können sich mehr dafür interessieren. Und da wird halt mehr gefördert, sag ich mal. Anderswo hat Futsal den reinen Amateurstatus längst verloren. In der spanischen Profiliga entsprechen die Spielergehälter in etwa denen der Zweiten Fußball-Bundesliga. Einige Topstars sollen recht gut verdienen. In der Saison wird allwöchentlich eine Partie im staatlichen Fernsehen live übertragen. Von solchen Verhältnissen können hiesige Futsal- Enthusiasten einstweilen nur träumen. Alle acht Endrunden-Teilnehmer beim diesjährigen DFB-Futsal-Cup haben Migranten in ihren Reihen, die immer wieder mit verblüffenden Tricks und technischen Kabinettstückchen aufwarten. Ganz besonders gilt dies für das Team von Eintracht Frankfurt, in dem Spieler aus Osteuropa, der Türkei und sogar aus Spanien herumwirbeln. Frankfurt sei nun mal ein multikulturelles Pflaster, sagt Eintracht-Coach Schumacher. Und unter den richtigen Straßenfußballern gebe es eh kaum noch Deutsche, schon gar keine Fußballverrückten wie "seine Jungs". Take 23 (0:12) Schumacher: Die Fußballcenter sind voll mit Leuten, die dort spielen. Meine Jungs, die kicken Futsal, dann spielen sie noch n Landesligaspiel und dann fahren sie abends, um 22:30 Uhr mieten sich n Fußball-Center und spielen noch zwei Stunden. Die Schnelligkeit von Futsal hängt nicht allein mit dem speziellen Ball zusammen. Einige Regeln sorgen dafür, dass ein langweilige Hin- und Her-Geschiebe, wie es selbst im Profi- Fußball gelegentlich vorkommt, faktisch ausgeschlossen ist. So darf der Torwart zum Beispiel von seinen vier Feldspielern nur sehr begrenzt angespielt werden. Beim Abwurf muss der Ball die Mittellinie überquert haben oder von einem Gegenspieler berührt worden sein, ehe der Ball zurück gespielt werden darf. Zudem gilt die Netto-Spielzeit: Bei jeder Unterbrechung wird die Uhr angehalten, was unsportliches "Zeitschinden" unmöglich macht. Frage an den Eintracht Coach: Wie wird im Futsal eigentlich trainiert? Horst Schumachers Antwort verrät eine gewisse Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen, unter denen hierzulande Futsal praktiziert wird. Take 24 (0:30) Schumacher: Es ist ein hartes Training. Das ist monatelange Laufarbeit, immer wieder eine Rochade nach der anderen zu laufen, manchmal drei Stunden am Abend. Das ist ne Menge Arbeit, um das zu machen. Aber die Trainer werden nicht ausgebildet, es gibt nicht die Meisterschaften, in denen es interessant ist, die Spielzeit hier ist viel zu kurz. Hertha-BSC-Mann Bernd Wusterhausen legt den Finger in die selbe Wunde. Take 25 (0:25) Wusterhausen: Die Vereine machen ja speziell im Moment noch keine Futsal-Ausbildung, muss man ja so sagen. Die machen ihre Ausbildung für den Feldfußball, und Futsal ist dann, so muss man es mal sagen, son bissel Abfallprodukt. Aber wenn sich das durchsetzt deutschlandweit, dann wird sicherlich Futsal spezialisiert, dass man nur Futsal-Ausbildung macht. Ist ja auch unser Ziel auch, in der Jugend damit anzufangen. Was Hanschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? Ali Kaloglu hat es mit seiner Mannschaft trotz widriger Trainingskonditionen immerhin bis zum Berliner Futsal-Meister gebracht. Wenn dieser Erfolg getoppt werden soll, müsste sich künftig wohl einiges ändern. Take 26 (0:20) Kaloglu: Wir zum Beispiel, wir trainieren gar nicht. Ab und zu Donnerstags gehen wir ein bisschen Futsal spielen, aber wir haben da keinen richtigen Trainer, und wir haben da niemanden, der sich nur mit Futsal auseinandersetzt. Wir kompensieren das mit gutem Fußball-Spiel. Daher haben wir n bisschen Vorteile, aber so gesehen haben wir da jetzt keine richtige Futsal-Taktik, was wir machen. Das ist mehr son Mischmasch aus Futsal und Fußball. Dass die Berliner sich unter diesen Umständen nicht für die Endrunde in Mülheim qualifizieren konnten, verwundert da nicht. International kann der deutsche Futsal so erst recht nicht mithalten. Beim UEFA-Futsal-Cup, vergleichbar der Champions League im Elfer- Fußball, hatten deutsche Vertreter in den letzten Jahren kaum eine Chance. Einzig der letztjährige deutsche Futsal-Meister UFC Münster konnte einen Achtungserfolg verbuchen. Mit einem 3:1 Erfolg über den FC Betoon Tallin aus Estland beim UEFA-Futsal-Cup- Vorrundenturnier 2008 erzielten die Münsteraner den ersten internationalen Sieg einer deutschen Futsal-Mannschaft überhaupt. Gemeinsam mit den Sportwissenschaftlern der Uni Frankfurt haben der DFB und der Hessische Fußballverband unlängst einen Pilotkurs für eine 20 stündige Futsal-Basis- Ausbildung entwickelt. Ein Angebot mit dem Ziel, Lizenztrainer für diesen neuen Hallensport zu begeister, das kann alternativ zur ohnehin alle drei Jahre fälligen Fortbildung belegt werden kann. Für Trainer mit wenig Erfahrung, die nicht gleich so intensiv einsteigen wollen, will der DFB eine Futsal-Kurzschulung von sechs Stunden anbieten. Willi Hink: Take 27 (0:16) Hink: Die nächste Stufe ist dann eine spezialisierte Futsal-Lizenz. Da gibt's ja eigentlich noch kein internationales Vorbild. Da warten wir son bisschen auf UEFA und/oder FIFA, dass die sagen, okay, wir legen mal die Inhalte fest... In Holland, so berichtet Hink, werde selbst in den Nachwuchsmannschaften schon zwischen Fußball- und Futsalspielern getrennt. Der Absicht dahinter ist klar: Es geht schlicht darum, Futsal als eigene Sportart zu etablieren. Der Grundstein für eine gute Futsal-Ausbildung -darüber sind sich alle Beteiligten einig - muss in der Jugend gelegt werden. Hallenfußballer alter Schule sind für die Variante Futsal wohl verloren, befürchtet Hermann Korfmacher vom Westdeutschen Fußballverband. Take 28 (0:30) Korfmacher: Wir mussten erst erkennen, dass man Altherrenfußballspieler, die gern den Hallenfußball ausüben, nicht umerziehen kann zu Futsal-Spielern, das war ein untauglicher Versuch, sondern wir müssen von unten aufbauen, mit den Kindern, mit den Jugendlichen anfangen. Und da reichen uns die Schulen die Hand, weil gerade die Schulen erkannt haben, dass es ein körperloses, ein schnelles, ein Spiel ist, das Technik erfordert, ja, geistige Beweglichkeit erfordert, und dass es sich gut eignet für den Schulsport. Interessierte Regionalverbände versuchen daher neuerdings, an den Schulen für Futsal zu werben. Hertha-BSC-Funktionär Wusterhausen: Take 29 (0:25) Wusterhausen: Wir haben beispielsweise im Dezember letzten Jahres eine Fortbildung mit 50 Lehrern in Berlin gemacht. 50 Lehrer aller Stufen, von der Grundschule bis zum Gymnasium ham wer ne Veranstaltung gemacht. Der DFB hat es mit Sachleistungen unterstützt, sprich mit Futsal- Bällen. Und die Lehrer sind alle begeistert raus gegangen. In Mülheim wurde parallel zum DFB-Futsal-Cup für Senioren und C-Junioren erstmals auch ein Cup-Turnier für Schulen ausgetragen. Beim Schülerturnier gab es dabei zwei Vierergruppen: je eine für Jungen- und Mädchen-Mannschaften: Im ersten Gruppenspiel der Mädchen fiel der erste Treffer bereits nach acht Sekunden. Take 30 (0:20) Das schnellste Tor des Turniers: Das war dann direkt das 1:0 für die Nelson-Mandela-Schule durch die 2, Jessica Löhr. Take 31 (0:13) Dick: Ich bin Rentner, ich mach das hobbymäßig an der Schule - Mannschaftsbetreuer der jungen Pfälzerinnen ist Günter Dick und mach mir richtig viel Arbeit damit, hab auch Glück, dass ich n sehr guten Jahrgang hab, dat gehört dazu, sonst wär dat nicht der Fall, das sind alles tolle Fußballerinnen. Meint der kleine, grauhaarige ehemalige Fleischermeister. Von einer organisierten Unterstützung durch den DFB habe er nichts bemerkt, sagt er. Take 32 (0:20) Dick: Im Moment hat der DFB da gar keine Rolle gespielt, dat is meine eigene Initiative und ich werd von der Schule unterstützt, dat is dat Ausschlaggebende. Wenn die Schule mich nit unterstützen würde, dann könnt ich dat nit so durchziehen. Ich bekomm Hallentermine, wie ich sie gern hätte, ich bekomme Platztermine an der Schule, und dadurch ist dann sone Mannschaft zustande gekommen. Die bereits zitierte Frankfurter Uni-Studie über die Auswirkungen des Futsal-Trainings auf die Spielkunst der Jugendlichen brachte übrigens ein weiteres interessantes Ergebnis: Fußball- Anfänger haben mit dem Futsal-Ball viel schneller Erfolgserlebnisse. Sie bekommen mehr Spaß am Spiel und zeigen kaum noch Angst vor dem Ball. DFB-Futsal-Direktor Hink: Take 33 (0:25) Hink: Wovor haben zum Beispiel ängstliche Schüler, oft Mädchen Angst? Vor dem springenden Ball. Immer wenn der über Kniehöhe springt, dann ist das etwas Bedrohliches. Wenn Sie sich das mal in der Halle anschauen, dann weichen die Kinder zurück. Dieser Ball springt ja gar nicht über Kniehöhe, also brauchen sie vor dem keine Angst haben, haben sie dann auch nicht, weichen nicht davor zurück, sondern gehen drauf zu. Und die Freundschaft zum Ball, die man als Fußballer einfach braucht, entsteht viel schneller. Für die Schülerinnen vom der Nelson-Mandela-Realschule gilt dies allemal. Sie besiegten im Finale das favorisierte Team der Hamburger Gesamtschule Alter Teichweg nach 6-Meter- Schießen. Beim Futsal-Cup der Jungen ging es schon etwas härter zur Sache. Mit dabei: Sportlehrer Tobias Friedsam und seine Mannschaft vom Gutenberg-Gymnasium in Mainz. Anfangs war er eher skeptisch, was die neue Spielart angeht. Inzwischen ist er begeistert vom schnellen, trickreichen Futsal. Take 34 (0:13) Friedsam: Auf der anderen Seite besteht für die technisch nicht so ganz starken Spieler die Möglichkeit, dass sie den Ball etwas leichter kontrollieren können. Und das ist natürlich n großer Vorteil, und es kommt halt zu mehr Spielzeit, weil der Ball weniger im Aus ist. Seine Mannschaft schlägt sich wacker, unterliegt allerdings im Finale dem Team vom Gymnasium Allee aus Hamburg-Altona. Take 35 (0:20) Endspiel Futsal-Cup Jungen Oléolé Der DFB hat die Zeichen der Zeit erkannt und seine Landesverbände aufgefordert, im Juniorenbereich Hallenturniere konsequent nur noch nach Futsal-Regeln auszutragen. Für Sportlehrer Friedsam kann das nur der erste Schritt sein. Tale 36 (0:25) Friedsam: Wenn man mal schaut, was wir für'n großen Sportverband haben in Deutschland und wenn wir einfach sehen, da gibt's ne Sportart, in der wir überhaupt keine Weltspitze stellen, dann find ich das schon gut, dass man das einführt. Seit 1989 werden - organisiert von der FIFA - sogar Futsal-Weltmeisterschaften ausgetragen. Der amtierende Champion ist Brasilien. Europameister ist Spanien. Eine Kräfteverteilung wie beim Feldfußball. Kein Wunder, dass sich auch im DFB Kräfte regen, die den Anschluss schaffen wollen. Doch bis zur Weltspitze ist es sicher noch ein weiter Weg. Meint zumindest FIFA-Schiedsrichter Stefan Weber. Seine Bilanz des diesjährigen DFB-Futsal-Cup: Take 37 (0:24) Weber: Es ist in der Breite unter den acht Mannschaften ausgeglichener geworden. Die Spitzenteams verbessern sich schon Schritt für Schritt. Aber es wär halt wichtig, n kontinuierlichen Spielbetrieb zu haben, und ne Liga, wo halt diese Topteams immer aufeinander treffen. Denn wenn die in ihren eigenen Ligen spielen, ist es schwer, wenn ich nur zweimal im Jahr gefordert werde und ansonsten nen großen Teil der Spiele zweistellig gewinne. Das bringt einen nicht weiter. Gereon Quick, Mannschafskapitän vom Westfalenmeister und in Mülheim entthronten Titelverteidiger UFC Münster, wünscht erst mal eine breitere Basis für den hiesigen Futsal- Sport. Take 38 (0:23) Quick: Das Allerwichtigste ist, dass der Spielbetrieb weiter gefördert wird, dass es nicht nur in Westdeutschland ne Regionalliga gibt, sondern auch in anderen Bereichen, in Süddeutschland, in Norddeutschland. Und dann muss Futsal auch populärer gemacht werden. Dann müsste man vielleicht namhafte Fußballer mal dafür gewinnen, dass sie irgendein Futsal-Freundschaftsspiel gegen eine große Mannschaft machen, dann würde es auch die Medien interessieren und dadurch auch die Zuschauer. Bislang hat das Fernsehen die neue Sportart noch nicht entdeckt. Der Aufwand sei gemessen am Zuschauerinteresse zu hoch, fürchtet Willi Hink. In Mülheim produzierte der DFB selbst mit zwei Kameras Bilder für den eigenen Internet-Auftritt. Auch was den Aufbau einer Futsal-Bundesliga angeht ist Hink noch ein wenig skeptisch. Take 39 (0:20) Hink: Ne bundesweite Liga wäre natürlich auch hilfreich, da würden unsere Landesverbände natürlich auch zukucken, wer spielt da? Ist klar, aber - die seh ich nur so schnell noch nicht. Ich seh jetzt hier nicht die zehn Vereine, die sagen: ich will ne bundesweite Liga spielen. Weil: Das reicht ja nicht. Ich brauch ja auch nen Unterbau. Wohl wahr. Längst sind nicht alle Landesverbände so weit wie der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband. Dort startete bereits Ende 2005 ein regelmäßiger Futsal- Ligaspielbetrieb. Aber andere Regionen holen auf, wie Bernd Wusterhausen zu berichten weiß. Take 40 (0:25) Wusterhausen: Wir haben angefangen mit sechs Mannschaften in Berlin, det war denn im Jahr 2006, mittlerweile sind wir schon knapp an die 40 Mannschaften. In der abgelaufenen Saison haben wir mit 32 Mannschaften im organisierten Spielbetrieb gespielt. Und wir haben mittlerweile schon wieder Nachmeldungen. Ich geh davon aus, dass wir in der kommenden Saison, die ab April so etwa anfängt, mit 40 Mannschaften spielen werden. Und wann gibt es ein deutsches Futsal-Nationalteam? Hink gibt sich zurückhaltend. Take 41 (0:23) Hink: Wenn wir sagen, wir wollen in zwei Jahren ne Nationalmannschaft haben, dann ist der erste Schritt zu sagen: Liebe Landesverbände, jetzt fangt ihr mal bitte mit Talentförderung, mit Auswahlarbeit an, und ich kann mir gut vorstellen, dass ein erster Schritt son offenes Turnier für Landesverbands-Auswahlmannschaften ist, und dann würden wir bei solchen Turnieren uns die besten Spieler raussuchen und damit dann die Nationalmannschaft bilden. Das ist im Männerfußball ja so ähnlich. Im Finale stehen sich - etwas unerwartet - mit Hildesheim und Köln erneut die Kontrahenten des Eröffnungsspiels gegenüber. Nach ausgeglichener Partie steht es am Ende der regulären Spielzeit 2:2. Laut Turnierregel gibt es keine Verlängerung, die Entscheidung fällt im 6-Meter-Schießen. Ein echter Krimi, denn erst mit dem 20. Strafstoß, den der Kölner Keeper hält, gibt sich Hildesheim geschlagen. Endstand: 12:11. Der Hallensprecher hat große Mühe, sich akustisch gegen die jubelnden Kölner durchzusetzen. Take 42 (0:20) Jubelgesänge Panthers Köln Nochmal Gereon Quick vom enttronten Titelverteidiger UFC Münster Take 43 (0:22) Quick: Ich glaube, das mit der Liga wird noch einige Zeit dauern, weil man Sponsoren braucht, um ne bundesweite Liga zu schaffen, weil die Reisekosten einfach sehr groß sind und die Sponsoren bisher sehr rar gesät. Und ne Nationalmannschaft sollte es meiner Meinung nach schon viel früher geben, also jetzt bald geben, um den guten Spielern n Anreiz zu geben, Futsal zu spielen. Aber ich fürchte, das wird noch einige Zeit dauern. Wo wird Futsal in Deutschland in - sagen wir - fünf Jahren stehen? DFB-Mann Willi Hink macht einiges von der Unterstützung durch die FIFA und die UEFA abhängig. Take 44 (0:18) Hink: Wenn die internationalen Fußballverbände sagen: Zum Fußballverband gehört eben nicht nur Frauenfußball, sondern auch Frauen- und Männer-Futsal, vielleicht demnächst auch Beachsoccer, dann werden wir das halt annehmen und sehen, dass wir mit der üblichen deutschen Gründlichkeit auch da erfolgreich werden. Musik: X-sports, CHAP AV 178 - Take 14/10 LC 8904 16