DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Tina Klopp Feature Forschungsgegenstand: Lästern Über die unheimliche Kunst des heimlichen Sprechens Von Georg Caddeggianini und Steffen Jan Seibel Produktion: DLF 2015 Sprecher: Jonas Minthe Sprecherin: Mareike Hein Sprecherin 2: Caroline Schreiber Sprecherin 3: Christina Puciata/Sylvia Sistermann Regie: Tina Klopp Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, 28. August 2015, 20.10 - 21.00 Uhr Musik: Murfoc: 04_Mo (vom Anfang) Intro: Collage Ansage: Forschungsgegenstand Lästern - über die unheimliche Kunst des heimlichen Sprechens Von Steffen Jan Seibel und Georg Cadeggianini Sprecherin: Der Auftrag Sprecher: Erstellen Sie eine umfassende Recherche zum Thema Lästern, die Sprecherin: - den aktuellen Forschungsstand zum Thema einholt - die Relevanz des Themas deutlich macht - Ihre Thesen mit eigenen Versuchsaufbauten belegt und - die Ergebnisse vor allem akustisch umsetzt. (Musik aus) Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Finden Sie Experten zum Thema "Lästern" und erkundigen Sie sich nach dem aktuellen Forschungsstand! Musik: Muim (Schnitt 1) FS-O-Ton: F_1_I_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Lästern ist eben mehr als nur Bosheiten streuen. FS-O-Ton: F_ 1_II_Neuland.wav Eva Neuland: Man hat es einfach nicht für einen noblen Gegenstand der Wissenschaft gehalten. FS-O-Ton: F_1_III_Schüler.wav Schüler: Der Lästerer hat dann Macht im Unternehmen, wenn er sich sehr darüber bewusst ist, wen er vor welchem Publikum diskreditiert. Fortsetzung F_ 1_II_Neuland.wav Eva Neuland: Etwas, was zufällig ist, voller Versprecher ist, was man auch nicht richtig lehren und lernen kann, das wurde nicht als wesentlich erkannt. Fortsetzung: F_1_III_Schüler.wav Schüler Und immer dann, wenn es hierarchieübergreifend zu Lästereien kommt, wenn dadurch Menschen ausgegrenzt werden oder ihre Arbeitsergebnisse diskreditiert werden, dann kann er schon eine große Macht erlangen auch wenn er selbst keine verantwortungsvolle Position im Unternehmen hat. FS-O-Ton: F_1_IV_Neuland.wav Eva Neuland: Die Erkenntnisse darüber bekommen wir aber nur durch systematische Beobachtung. Das ist ein klassisches Paradox in der Sprachwissenschaft. Ich beobachte die Menschen, ich nehme sie auf. In dem Moment reden sie schon nicht mehr so, als wenn sie nicht aufgenommen und beobachtet werden. (Musik aus) Atmo (darunter) Vorbereitung: Einweisung in OKM, Aufnahmegeräte etc.. "aha", "So rum?", "muss ich das noch irgendwo anschließen?" Zuspiel: EX1_OKM1.wav und EX1_OKM2.wav Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Fertigen Sie heimlich Tonaufnahmen von Lästereien an und schaffen Sie damit eine Grundlage für Ihre Forschung! Sprecherin: Unauffällige Kleidung und ein sogenanntes OKM, - ein kleines Mikrofon, das wie ein Kopfhörer aussieht - erleichtern das heimliche Aufnahmen im öffentlichen Raum. Zuspiel: Aufnahmen/Versuchsaufbau Zuspiel O-Ton: EX1_I_S-Bahn_Basketball.wav Sprecher: Im öffentlichen Personennahverkehr, München Zuspiel O-Ton: EX1_II_Fahrstuhl.wav Sprecher: In einem Aufzug Zuspiel O-Ton: EX1_III_Annweiler Esstisch.wav Sprecher: An einem Esstisch, Rheinland-Pfalz Zuspiel: Friseur Atmo: EX1_VII_Frisör_Schneidegeräusche Sprecher: Im Friseursalon von Tina Nemetz Zuspiel: Friseur O-Ton: EX1_VII_Frisör Tina Nemetz: (lacht), na, also so und dann hat er gesagt und dann habe ich gesagt und dann hat sie gesagt und dann hat er gesagt und dann habe ich gesagt Zuspiel: OP O-Ton: komplett unter: EX1_VIII_OP.wav komplett O-Ton: EX1_IX_OP1.wav Tiffany Ingham, Anästhesistin: "Round and round we go. (ab hier unter dem Sprechertext) Wheel of annoying patients we go. Where it'll land, nobody knows" Sprecher: oder im Internet, z.B. auf der Website der Washington Post: (Fortsetzung Zuspiel) Sprecherin: Die publizierte die Aufnahme, die ein Patient während seiner eigenen OP versehentlich mit dem Handy gemacht hatte O-Ton: EX1_X_OP2.wav And really, after five minutes of talking to you in pre-op, I wanted to punch you in the face and man you up a little bit. Sprecherin: Die Anästhesistin sagt darin zu ihrem narkotisierten Patienten: "Ich wollte dir nach fünf Minuten ins Gesicht schlagen und dich ein bisschen abhärten." O-Ton: EX1_XI_OP3.wav Tiffany Ingham, Anästhesistin: Some syphilis on your arm or something. It's probably tuberculosis in the the penis so you'll be all right. (lachen) Sprecherin: Und macht sich über den Ausschlag des Patienten lustig Sprecher: Ergebnis: Sprecherin: - 17 Stunden und 43 Minuten Material - größtenteils nicht verwertbar, da unverständlich und wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht zu verwenden Zuspiel Experten Mix Definition Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Versuchen Sie, ihren Forschungsgegenstand zu definieren! Musik: Muim (schnitt 1) O-Ton: F_2_I_Bergmann.wav Bergmann: Eine wesentliche, ich glaube durchlaufende Bedeutung des Lästerns ist, dass man im Lästern über andere Personen bestimmte Urteile fällt, die können ästhetischer Art sein - wie läuft der wieder rum? -, oder aber wo ich glaube, dass das Lästern vorrangig betrieben wird, moralischer Art, was sich wieder jemand hat zu Schulden kommen lassen, was jemand wieder aus Ungeschicklichkeit passiert ist, was in der Familie alles geschehen ist. Sprecherin 2: Lästern ist kein Klatsch, da es weder der Vermittlung von Sachverhalten noch der Typisierung des Erzählenden dient. O-Ton: F_2_II_Schüler Schüler: Es hat auch so was wie einen Wertetest, einen Schnelltest für Werte. Wie weit sind Menschen bereit sich despektierlich über andere zu äußern? Wo ziehen sie eine Grenze und was ist Ihnen wichtig. O-Ton: EX2_I_Tischgespräch Atmo Spargelessen, "gibst du mir mal die Butter" etc Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Stellen Sie sich selbst als Versuchsobjekt zur Verfügung und ermitteln Sie, was über Sie gelästert wird. Sprecherin: Die Versuchsperson nutzt ein Essen mit ehemaligen Kollegen in privater Atmosphäre: Während der Feier bittet sie einzelne Gäste auf den Balkon. ((Töne zur Einweisung der Versuchteilnehmer ("komm, wir setzen uns mal") finden sich in: EX2_II_Vorbereitung)) COLLAGE Musik: Mo (Fortsetzung) O-Ton: EX2_III_FragenAntworten Steffen: Ich würde gerne wissen, ob du schon mal über mich gelästert hast Ines: Nein. Nein! Ich hab noch nie über dich gelästert. Sandra: Nein. ich habe noch nie über dich gelästert. ich bin mir ganz sicher. Benedikt: Also, ich hab über dich geredet. Aida: Du bist ein Mensch, über den ich nicht lästern würde, weil es an dir nichts gibt, worüber ich lästern... würde. Steffen: Wie, du hast noch nie über mich gelästert? Aida: Nein, hab ich nicht Heike: Nein überhaupt nicht. Wirklich nicht. Ich lästere sehr sehr gerne. wirklich, macht auch Spaß. Aber dazu muss man auch die richtige Person haben. Aber über dich? Nö. Aida: Nein. Ehrlich nicht. Ich bin ehrlich. Es gibt viele Menschen, ich bin ehrlich. Über die ich mich aufgeregt hab. Über dich habe ich ich nicht aufgeregt. Benedikt: Du platzest da immer ins Zimmer rein. Und hast gefragt: Habt ihr das und das? Habt ihr das und das? Und da sag ich dann eh, puuuhh. Sandra: Weil ich dich mag, und wenn ich etwas an dir auszusetzen hätte, würde ich dir selber sagen. Benedikt: Da haben wir über dich gesprochen. Ob man das jetzt als gelästert... ob man das jetzt so so bezeichnen will. Heike: Du bist nicht so ein Typ, über den man lästert. Sandra: Blöd jetzt, ne? Benedikt: ...und dann haben wir gelästert. Das haben wir. Guten Gewissens. Das hat uns auch Spaß gemacht. Ines: Wirklich nicht! Ich hab noch nie über dich ein schlechtes Wort verloren. Benedikt: Der hat keine Erziehung genossen. Da geht es um persönliche Befindlichkeiten. Der hat heute einen schlechten Tag. Der ist nicht gefickt worden, zum Beispiel. Heike: Du bist ein total langweiliger Typ, (lachen) Benedikt: Also, wir haben dich parodiert. Wenn ich morgens ins Büro kam. Und meine Jacke ausgezogen habe, da habe ich mein Shirt in die Hose gesteckt. Dein Gang bietet viel Platz und Raum für eine Parodie. Dann haben wir dich parodiert. Zuspiel Experten Mix Funktion Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Finden Sie heraus, wie die Experten die gesellschaftliche Funktion des Lästerns beurteilen! FS-O-Ton: F_3_I_Eilert.wav Dirk W. Eilert: Es gibt Paare, die sind nur noch zusammen, weil sie gemeinsam über andere Lästern. Wo Verachtung für andere als Kitt benutzt wird, als Klebstoff für die eigene Beziehung. Wo nichts mehr übrig bleibt, wenn das wegfällt. FS-O-Ton: F_3_II_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Das Lästern lebt vom Gegensatz der präsentierten Wirklichkeit eines Menschen und der verborgenen Wirklichkeit eines anderen. Sprecherin 2: "Das Leben ist unfair und die anderen sind alle glücklicher als ich." Dieses Gefühl haben Menschen umso häufiger, je mehr Zeit sie pro Woche auf Facebook verbringen, sagt eine Studie, die das Journal Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking veröffentlicht hat. FS-O-Ton: F_3_III_Bergmann.wav In modernen Gesellschaften ist gewissermaßen dieser Gegensatz immer größer geworden und da bildet das Lästern so eine Art Gegengewicht gegen diese überbordende Technik der Selbstpräsentation. Atmo: O-Ton: EP1_I_Begruessung Türöffner Summen, Tür schlägt zu, (Begrüßung leise unter dem Sprecherintext) Sprecherin Expedition: Sprecher: Die Mimik des Lästerns Sprecherin Fahrt nach Berlin-Spandau zu Dirk W. Eilert. Er ist Mimik-Experte und nennt sich "Der Gesichterleser". Als Gesprächsgrundlage hat Eilert Ausschnitte aus der RTL-Sendung der Bachelor, Staffel 5, vorbereitet. (Falls benötigt: Das Material als direkt vom Videofile konvertiertes WAV findet sich unter: EP1_Zusatz_BachelorPool.wav und EP1_Zusatz_Ekel.wav) O-Ton: EP1_II_Beispiel_Pool.wav Dirk W. Eilert: Ich muss mal kurz kucken. Okay, Sam, Hier sitzen jetzt Sarah und Sam im Pool. Und lästern über Alex, eine andere Kandidatin. Alexandra, eine andere Kandidatin beim Bachelor. Und was hier abläuft, ist wirklich sehr exemplarisch. O-Ton Bachelor: "Keine Ahnung, wie alt sie ist. Vielleicht ist sie in ihrer Pubertät stecken geblieben. Sie geht mir so auf den Senkel." (weiter unter dem Sprecherin-Text: Sie muss alles 20 mal wiederholen, bis jemand sagt, okay ich hab verstanden, dass da eine Fliege in deiner Scheiß-Nase war) Sprecherin: Auf dem Bildschirm sind zwei junge Frauen zu sehen, die nachts im Pool baden. Ihren Kopf haben sie gegen den Beckenrand gelehnt. O-Ton- Bachelor: "Sie sieht ungeschminkt echt Katastrophe aus." (Ab hier unter dem O-Ton Eilert EP1_VI_Interview1.wav (Wie kann man ungeschminkt so heftig aussehen? Das ist echt definitiv schlimm.)) O-Ton: EP1_III_Interview1.wav Dirk W. Eilert: So, was wir jetzt hier haben. Also: Die grundlegende Emotion beim Lästern ist die Emotion Verachtung. Worauf ich in meiner Arbeit achte, ist zwar primär die Mimik, aber was wir immer machen ist, dass wir die restlichen Kanäle nutzen um die mimischen Signale zu verifizieren. Das heißt, wenn ich im Gesicht schnelle Expressionen sehe... Hier ist natürlich auch genau das Spannende: Wie reagieren die beiden hier, die im Pool sitzen, über Alex lästern, die ja nicht anwesend ist, wie reagieren die beiden, wenn Alex da ist? Und da wird Lästern in der Tat nicht offen ausgetragen, sondern da zeigt sich die Grundemotion von Lästern, die Verachtung, schnell im Gesicht. Atmo: Klicken O-Ton Bachelor: Wie kann man nur so heftig aussehen? Das Einpressen eines Mundwinkels, also einseitiges Einpressen eines Mundwinkels, dann ist das nicht vier Sekunden sichtbar, sondern die Mimik zuckt nur mal ganz kurz, und daran kann man dann erahnen, dass da Lästerenergie hinter ist. O-Ton: EP1_IV_erzähltnichts.wav Dirk W. Eilert: So, das nächste... Atmo: Klick Kandidatin Bachelor: "Also, eben gerade meinte Alex so: Sie erzählt nichts, ich sage, doch, gewissen Personen erzählt sie was. (Ab hier unter dem O-Ton Eilert: (Ich wünsch mir so sehr, dass Olli begreift, was für eine verkackte Person das ist. Keine Ahnung wie alt sie ist, vielleicht ist sie in ihrer Pubertät steckengeblieben oder so. Sie geht mir so auf den Senkel)) Atmo: Klick O-Ton: EP1_V_Interview2 Dirk W. Eilert: Samantha wiederholt hier was, was Alex gesagt hat, äfft sie dabei ein bisschen nach. Das ist ein klassisches Signal im Sprechstil von Verachtung. Und Sarah hört zu und macht dieses "ooaa" und verdreht die Augen... O-Ton-Kandidatin Bachelor: Sie erzählt nichts. Ich mein so: Doch, gewissen Personen erzählt sie was. Eilert: Was hier auch ganz klassisch fürs Nachäffen ist: Nachäffen heißt ja, ich stelle das, was jemand erzählt hat, sehr übertrieben noch einmal nach. Und lass die Situation quasi so wieder aufleben. Was man klassischerweise sieht, ist diese übertriebene Mimik dabei. Sie verzieht ja wirklich das Gesicht, schneidet ne Grimasse. Und das gehört definitiv mit dazu zu dem inhaltlichen Nachäffen Steffen: Und was genau macht sie jetzt. Also ich hab gesehen, sie bewegt den Kopf ruckartig nach vorne... Dirk W. Eilert: Dieses Runterziehen der Mundwinkel. Wir hören noch einmal auf den Inhalt. Steffen: Mhhm... O-Ton-Kandidatin Bachelor: "Sie erzählt nichts." Dirk W. Eilert: (nachäffend) "Sie erzählt nichts" so dieses äh, ich bin ein bisschen trotzig, ich bin jetzt n bisschen traurig". Ich bin ein kleines Kind. Also sie macht hier das Gesicht von Trotz extrem nach, wenn wir trotzig sind, ziehen wir die Augenbrauen zusammen, und wenn wir so übertrieben trotzig sind, dann ziehen wir die Mundwinkel auch so ganz stark runter. Und dann wird die Stimme so ein bisschen weinerlich. Dieses Übertriebene. Und das sieht aus gerade wie ein kleines Kind, was schmollt, als sie nachäfft. O-Ton: EP_VI_respektlos.wav Dirk W. Eilert: Ich geh mal hier rein... Atmo: Klick. (Ist sehr leise, hochziehen oder evtl. einen Klick drauflegen?) O-Ton Bachelor Liz über Lisa: War erstmal schon schockierend, weil ich finde es relativ respektlos den anderen gegenüber. Ja, macht man einfach nicht. Ab hier unter dem O-Ton-Eilert: Sehe ich so.. und... naja. ja. O-Ton: EP1_VII_Interview3 Dirk W. Eilert: Hier war der Klassiker zu sehen, wenn man ins Gesicht kuckt... Atmo: Klicken O-Ton Bachelor "macht man einfach nicht." Dirk W. Eilert: Dieses kurze Hochziehen der Oberlippe Steffen: Sieht so aus, als würde sie sich ekeln. Dirk W. Eilert: So siehts aus! Ekel und Verachtung sind zwei Emotionen die sehr sehr eng beieinander sind. Es gibt n kleinen Unterschied: Bei Ekel gehe ich auf horizontaler Ebene auf Distanz zu ner Person. Ich trete quasi einen Schritt zurück, sinnbildlich gesprochen. Bei Verachtung gehe ich noch ein Schrittchen drüber. Was man bei ihr hier spannender Weise sieht. Hier ist es in der Tat eine leichte Mischung. Oberlippe zieht sich hoch, Zeichen für Ekel, gleichzeitig nimmt sie den Kopf hier so leicht in den Nacken und kuckt so von schräg oben runter. Die Mimik verrät hier Ekel, der Kopfneigungswinkel leichte hochnehmen, schräg von oben runter kucken, verrät uns die Mischung mit Verachtung. Steffen: Jetzt ist das ja eine sehr attraktive Frau, hier im Standbild nicht unbedingt. Wie sie die Mundwinkel hochzieht... Dirk W. Eilert: Also Lästern, wenn man uns mal die zu Grunde liegenden Emotionen anschaut, macht Lästern eher hässlich. Ekel lässt ein Gesicht eher hässlich erscheinen. Deswegen kann man sagen: Lästern macht unattraktiv. Atmo (darunter) EX3_Atmo.wav Ach du bist auch über Festnetz erreichbar. Super. - Du das rauscht enorm. Kannst Du wo hingehen, wo es weniger rauscht. Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Machen Sie sich selbst zum Versuchsobjekt und finden Sie heraus, was man über Sie als Lästerer denkt! Sprecherin: Versuchsperson 2 ruft Freunde und Arbeitskollegen an und befragt sie zum eigenen Lästerverhalten Musik: Mo (ruhiges Zwischenteil gegen Ende) Zuspiel: Collage Freundin 1: Du? Du bist n ziemlich guter Lästerer, würde ich behaupten. Freund 1: weil treffend, nicht verletzend, aber mit n bisschen wumms. Ich würde sagen 100 von 100. Freundin 2: auf hohem Niveau, aber echt unerbittlich. Freund 2: Ob du ein Schandmaul bist? Freundin 2: manchmal wundere ich mich, dass du wirklich krass loslästerst. Freund 3: Wenn es den Typ gibt, dann bist du der freundliche Lästerer. Er freut sich an der Absurdität seiner Umwelt und Mitmenschen. Freundin 3: so n Nachbohrertyp. Du kommst dann immer so zwischendurch noch mal zurück und bohrst dann in die Wunde rein. Freund 1: Du bist kein harmloser Lästerer, ein treffender Lästerer. Bei dem man nicht nur lächelt. Freundin 4: du kaschierst Freund 4: Der ehrliche. Der gerade raus. Der ehrliche Lästerer. Freundin 5: mit Inbrunst, mit Ausdauer und mit Verve. Freundin 4: Mit Lust. Mit fieser Lache. Zuspiel Experten Mix Verachtung Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Finden Sie heraus, was die Wissenschaft über den Zusammenhang von gruppenbezogenen Lästern und Verachtung weiß! FS-O-Ton: F_4_I_Eilert.wav Eilert: Wenn wir selber lästern, dann fühlen wir uns besser als der andere. Wir erheben uns über den anderen. Verachtung ist eine Emotion, die richtig Stress auslöst. Durch Verachtung fühlen wir uns besser, wenn wir lästern. Extrem ist aber, was mit der Person passiert, wenn die Person das mitbekommt. Sprecherin 2: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt mit dem Alter zu, und mit besserer Bildung und höherem Einkommen ab; Männer und Frauen unterscheiden sich in ihren Einstellungen kaum. FS-O-Ton: F_4_II_Bajohr.wav Bajohr: Personen, die reale, also sehr viel Macht ausüben, haben es eigentlich nicht nötig, sich solcher Mittel zu bedienen. Und wenn man sie dann benutzt, kann es eben auch in dem einen oder anderen Fall ein Mittel der Unsouveränität sein. FS-O-Ton: F_4_III_Neuland.wav Eva Neuland: Indem ich gemeinschaftlich geteilte Werte und Verwerflichkeiten anspreche, wird die Gruppe, die Interaktantengruppe, und darüber hinaus vielleicht die Gruppe der Freunde, oder der Schulklasse, gefestigt und gestärkt. Also durch die Übereinstimmungen in diesen Wertungen Sprecherin 2: Die wichtigsten Erklärungsfaktoren von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind neben einer autoritären und hierarchiebefürwortenden Grundhaltung das subjektive Gefühl der Bedrohung und das Gefühl der Orientierungslosigkeit in der heutigen Zeit. Auch ein geringes Einkommen und das Gefühl der Benachteiligung spielen eine Rolle. Atmo (darunter) O-Ton: EP2_Schüler_atmo.wav Sprecherin: Expedition Sprecher: Der toxische Lästerer Sprecherin: Gespräch mit Business Coach Heidrun Schüler aus Hamburg. Ihr Fachgebiet sind Menschen, die Unternehmen vergiften. Sie nennt sie Toxiker. Als Gesprächsgrundlage dient die telefonische Befragung der Freunde zur eigenen Lästerperformance. O-Ton: EP2_I_Schüler.wav Freundin 1: Manchmal ging es mir zu weit, wenn du über Leute gelästert hast, die ich mochte und kannte. Da hatte ich das Gefühl, ich muss dich jetzt einfach bremsen, damit ich mich nicht selber irgendwie äußern muss. Wenn du jetzt aber beispielsweise dich despektierlich äußerst über eine Kolumne von xyxy (hier bitte ein Anonymisierung/Piepser/o.ä. über den Namen legen), was dann laviert ist als sachliche Kritik, ich aber genau spüre, du steigerst dich rein, dann muss ich bremsen, um mein eigenes Wohlbefinden nicht zu sichern. Schüler: Mensch, ich komme hier in einen Loyalitätskonflikt rein. In dem Moment, wo jemand in meiner Gegenwart über jemanden lästert, den ich eigentlich ganz nett finde, muss ich mich an einer Stelle entscheiden. Gehe ich mit auf diesem dunklen Weg des Lästerns oder bleibe ich bei meinen Werten und sage: Nee, ist mir jetzt zu viel und finde ich auch nicht mehr lustig. Sie waren zu schnell und zu schnell böse. (lacht) Sprecherin: Schüler startet das nächste Tondokument Atmo drunter: EP2_Schüler_atmo.wav O-Ton: EP2_II_Schüler.wav Freundin 2: Ich kann mich noch erinnern, du hast einmal wahnsinnig über xyxy (hier bitte ein Anonymisierung/Piepser/o.ä. über den Namen legen) abgezogen. Auf allen Ebenen. Auf einmal hat ihr Freund sie abgeholt und der sei so wahnsinnig hässlich gewesen. Daran erinnere ich mich nämlich noch sehr gut. ((Weil nämlich,)) und das hat mir in dem Moment Genugtuung verschafft, weil ich ihn überhaupt nicht leiden kann und er nämlich eine gute Bekannte von mir wegen xyxy (hier bitte ein Anonymisierung/Piepser/o.ä. über den Namen legen) verlassen hat. Wenn er jetzt hier so Gas gibt, dann kann ich mich jetzt mal zurücklehnen und mir das anhören. Und ich muss mich hier gar nicht so besudeln. Schüler: Da haben wir Lästern als Stilmittel der kalten Rache. Es gab irgendwann mal eine heiße Konfliktphase, wo dann sich darüber aufgeregt wurde, dass dieser Freund eine Freundin verlassen hätte. Und dann geht es aber darum, dass dann an einer ganz anderen Ecke dieser Mensch als Lästerobjekt herhalten muss, nur weil doch dieser alte Konflikt in Bezug auf sein Beziehungsverhalten besteht. Es kann im Moment Entlastung bringen für denjenigen, der gerne lästern möchte, aber es führt natürlich zu gar nichts. Also es ist eine höchst unproduktive Form der Konfliktbearbeitung. Sprecherin: Sie hören sich noch eine weitere Aufnahme an Atmo drunter: EP2_Schüler_atmo.wav O-Ton: EP2_III_Schüler.wav Freund 1: Um es interessant zu machen, darf lästern glaube ich nicht gefahrlos sein. Freundin 2: Versuch nicht noch fair dabei zu sein, würde ich dir als erstes sagen. weil das funktioniert nicht. Schüler: (Lacht) Ja wie schön. Die dunkle Seite der Macht, Herr Cadeggianini. Hier geht es darum, dass Lästern wirklich etwas wäre, was in die verletzende Richtung zu gehen hat. Es gehört zur Natur der Toxiker, dass sie narzisstische, psychopathische, machiavellistische Persönlichkeitsanteile haben und das heißt, die können sich zunächst einmal wunderbar auf Situationen einstellen. Da laufen die ne Weile unterm Radar, verhalten sich unauffällig. Das ist die so genannte Analysephase. Die gucken sich erstmal um. Wer kann mit wem. Über wen wird gelästert. Wie kann ich diese Konflikte mir zu eigen machen, wie kann ich die ausnutzen, um meine Position zu stärken? Zuspiel Experten Mix Dramturgie Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Finden Sie heraus, was die Experten über die besondere Dramaturgie des Lästerns wissen! FS-O-Ton: F_5_I_Neuland.wav Eva Neuland: Natürlich würden alle, die lästern, sagen, ich gehe doch nicht nach einem Drehbuch vor. Das ist mir gerade so eingefallen. Aber wir versuchen in der Sprachwissenschaft nachzuweisen, dass wir im Rahmen der sprachlichen Sozialisation das Lästern erlernt haben. Obwohl es uns sicher niemand explizit beigebracht hat. Aber wir erkennen das Muster wieder. Wir haben ein Alltagswissen dieses Musters. Dass man Spannung aufbaut, dass man den Handlungsgang retardiert. Also zurückhält. FS-O-Ton: F_5_II_Eilert.wav Dirk W. Eilert: Menschen sind so n bisschen wie Wackeldackeln. Jemand erzählt uns etwas, und wir nicken, und lächeln, wir dürfen das aber nicht mit Zustimmung verwechseln. FS-O-Ton: F_5_III_Schüler.wav Schüler: Es geht um die Lästergeschwindigkeit. Um die Geschwindigkeit, in der das Ganze eskaliert. Wenn jemand vorprescht und einfach schon ganz schnell, ganz schlimme Sachen über Nichtanwesenden raushaut, dann hat er ja vergessen, eine Gemeinsamkeit mit seinem Kolästerer herzustellen. Er wird einfach dann zu schnell zu gemein. Und da hat der andere dann ne Möglichkeit, sich davon zu distanzieren und zu sagen, nö: n bisschen lästern wäre ja noch okay, aber das geht mir n Schritt zu weit und deshalb steige ich ganz aus. Atmo Party EX4_Partyatmo.wav Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Schaffen Sie eine Situation, die ihre Partygäste dazu animiert, über Sie zu lästern! Atmo: Unter dem Sprechertext: Raphael: Was sollen wir jetzt machen? Über dich lästern? Christian: Gehts jetzt schon los? Steffen: Also, wenn ich das Licht ausmache, dann beginnt die Lästerei. Christina: Okay, und das Dings läuft, ja? (Töne für die Collage "Vorbereitung": EX4_Collage_1 , EX4_Collage_2 etc... Sprecherin: Die Wäschekammer der Wohnung, 2,5 mal 3 Meter, dient als "Lästerkammer". Darin ein Polstersessel, 70er Jahre, geblümter Stoffbezug. Auf dem Beistelltisch: Kerze, Schokoladensnack-Mischung "Celebrations" Die Probanden werden paarweise in die Kammer geführt. Mikrofon und Aufnahmegerät sind sichtbar angebracht. Die Versuchsperson selbst befindet sich während des Experiments nicht im Raum. Atmo: EX4_Partyatmo.wav (Fortsetzung) (Partygeräusche, Stimmengewirr: wird leiser, Tür zur Kammer schließt sich.) O-Ton: EX4_Kammer1.wav Nicole: Mich hat das total getroffen, mir zu schreiben, dass er das Gefühl haben möchte, dass auf seiner Party seine Freunde da sind. Und er hat geschrieben, dass ich verstehen soll, dass auf Jans und seiner Party "meine" Freunde da sind. Sarah: Einfach nur zu sagen, okay: "Kenne ich die? Oder: Waren die schon immer dabei? Gehören die zum üblichen Clan?" Oder wie auch immer, ist doch scheißegal. Trennergeräusch O-Ton: EX4_Kammer3.wav Olli: Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, da ist so ein bisschen Pose in diesem Jugend-Bubi-haften nonchalanten (Christina: lacht leise: "hoha") Auftreten. Trennergeräusch O-Ton: EX4_Kammer4.wav Björn: Manchmal ist der so ein bisschen verklemmt. Rieke: Aha, in wie fern? Björn: Also zum Beispiel: Sarah hat so ein Schandmaul und Christian hat so ein Schandmaul, Und ich eigentlich auch. Und wenn wir über Sex reden und da jeder auch so aus dem Nähkästchen plaudert, dann ist Steffen immer so "hach"... Rieke: Aha. Das würde sich auch ganz gut sozusagen mit meinem Eindruck paaren, dass die halt beiden so wahnsinnige Ästheten sind. Björn: Und über Sex reden ist unästhetisch? (lacht) Rieke: Nee, ich meine..ganz ernsthaft. Man hat sein chices Porzellan. Und das, was am Samstagabend passiert, bleibt unter einem und am Sonntagmorgen sitzt man irgendwie da und hat den perfekten Fluffy-Teppich, so. Unter den man alles Schmutzige kehren kann. Atmo EP3_atmo.wav Ankommen, Begrüßung, ich habe mich schon mal verkabelt. Wir brauchen so n bisschen Platz am Tisch - Ja, ich kann das hier alles runterschmeißen. Sprecherin: Expedition Sprecher: Lästern als Inbegriff des Bösen Sprecherin: Besuch bei Dr. Frank Bajohr im Zentrum für Holocaustforschung in München. Als Gesprächsgrundlage dienen die Tagebücher von NS-Politikern. O-Ton: EP3_Bajohr.wav Bajohr: (liest aus Rosenbergtagebuch, wird ab "Zentrum für Holocaustforschung in München" drunter gelegt) Und dann sagt Hitler: Vielleicht würde das dann verängstigte Europa ihn bitten, (diesen Halbsatz würde ich frei stehen lassen) für die Humanität im Osten zu sorgen. Alle lachten, notiert Rosenberg. Führer - also Hitler: Und Rosenberg müsste der Schriftführer eines von mir präsidierten Kongresses zur Humanbehandlung der Juden sein. Wieder großes Gelächter." Das ist das gemeinsame Ablästern über einen Feind und das Resultat soll sein: (ab hier weiter unter dem Sprecherintext) Eine Kameraderie, eine kameradschaftliche Atmosphäre zu schaffen, in dem die ideologischen Bindungen unter den Satrapen oder in diesem in diesem Umfeld von Hitler noch mal durch gemeinsames Lästern über den Feind noch mal bekräftigt werden. Sprecherin: Zwei Jahre lang hat Historiker Bajohr an einer kritischen Ausgabe der Tagebücher von Alfred Rosenberg, dem Chefideologen der NSDAP, gearbeitet. Aufschlussreich war der Abgleich mit Tagebüchern anderer NS-Größen: Dabei fiel dem Historiker eine Facette der Persönlichkeit von Adolf Hiltler auf, die bislang wenig beschrieben wurde. Bajohr: So bekommt man etwa, wenn man das Goebbelstagebuch liest, mit, dass Hitler sich despektierlich über Rosenberg geäußert hat, in Gegenwart von Goebbels. Der sei wie eine Frau, die gut kocht, aber statt zu kochen lieber Klavier spielt, heißt es da. Schaut man ins Rosenbergtagebuch äußert sich Hitler despektierlich über Goebbels in Rosenbergs Gegenwart. Goebbels sei ein Schwafler, dessen Reden ich ständig nachkontrollieren muss, damit er nichts Unwillkommenes sagt. Wir sehen: Hitler äußert sich immer negativ über den jeweils abwesenden. Gibt dem jeweils anwesenden aber immer das Gefühl ganz besonders in seiner Gunst zu stehen. Und hier ist Lästern eine deutliche Technik der Herrschaftssicherung. Georg: Könnten sie mir das mal aufmalen einfach, so eine Art Organigramm des Lästerns? Atmo Kritzelgeräusche EP3_atmo_kritzeln.wav Bajohr: Hitler würde ich ganz oben malen, weil er einerseits die entscheidende Integrationsfigur in diesem System ist und weil er sakrosankt ist. Atmo Kritzelgeräusche EP3_atmo_kritzeln.wav Bajohr: Dann würde man um ihn herum jede Menge Personen, Goebbels, ein besonders versierter Lästerer oder Rosenberg, Himmler. Man würde um Hitler herum ein dichtes Netz von gegenseitigen Lästeratacken haben, die hin und her gehen. Hitler pflegte sich seiner Umgebung vor allem in Form von Monologen mitzuteilen. Es kamen viele ja gar nicht zu Wort. So dass die Dynamik, die wir da konstatieren können, immer eine Dynamik des Monologs ist. Hitler textet gewissermaßen seine Umgebung hemmungslos zu. Georg: Also Hitler lästert auch alleine? Bajohr: Hitler lästert auch alleine. Das hat oft so ne Lanzknechtdimension. Es ist ja nicht sonderlich elaboriert jetzt Churchill als Säufer zu bezeichnen. Es gibt ja Formen der feinsinnigen Ironie, in der man Leute scheinbar lobt, mit dem rhetorischen Florett ganz fein so seine Treffer setzt. Nein, da wird der schwere Säbel ausgepackt und die umstehenden hauen sich auf die Schenkel oder auf die Lederhose oder wo immer, meistens wird sehr gelästert am Obersalzberg, also in einer halb privaten Umgebung und da ist das schon sehr drastisch. Georg: Ist denn Adolf Hitler als Inkarnation des Bösen, wenn er solche Instrumente benutzt, ist damit schon die Frage beantwortet, ob Lästern gut oder böse ist? Bajohr: Ach Gott. Es ist im Grunde genommen doch so weit verbreitet, dass ich jetzt die Tatsache, dass Hitler gelästert hat, nicht werten würde als Ausdruck einer dämonischen oder bösen Persönlichkeit. Sondern. Das ist eigentlich relativ normal. Georg: Dann war Hitler vielleicht noch im Lästern am normalsten? Bajohr: Könnte man sagen. Zuspiel Experten Mix Qualität Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Ermitteln Sie, welche Eigenschaften nach Expertenmeinung einen guten Lästerer kennzeichnen! FS-O-Ton: F_6_I_Bergmann.wav Bergmann: Einen guten Lästerer macht erstens mal aus, dass er irgendwie Informationen hat. Aber jetzt diese Informationen auch gut erzählen kann. Jetzt kommt dazu, dass beim Lästern diese Kunst des Übertreibens dazu gehört. FS-O-Ton: F_6_II_Neuland.wav Eva Neuland: Alle wissen, dass man immer übertreibt. Formen der Übertreibung der Hyperbolik, wie wir sie nennen, kommen laufend in solchen Mustern vor. Der Intensivierung, es ist immer alles total, und absolut und krass. FS-O-Ton: F_6_III_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Das Übertreiben muss aber in so einer Art Spielmodus geschehen. Man muss im Übertreiben deutlich machen, dass man weiß, dass es eine Übertreibung ist. FS-O-Ton: F_6_IV_Neuland.wav Eva Neuland: Beim Lästern wird erwartet, dass jetzt etwas kommt, thematisch, was auch neu ist, ein kleiner neuer Moment, der uns verärgert hat oder als ungewöhnlich aufgefallen ist, der muss da sein. FS-O-Ton: F_6_V_Bergmann.wav Bergmann: Das Lästern ist ein diffiziler Akt. Bis hin zu den Stimmlagen, bis hin zu der Geschwindigkeitsveränderung, bis hin zu den Pausen, den Stimmhöhen, die eingesetzt werden. Bis hin zu der Stimmmelodie, es durchaus so was wie einen poetisch künstlerischen Charakter hat, wenn Leute über andere Leute urteilen. Insofern habe ich gar keine Hemmungen zu sagen, dass Leute, die gut lästern können, auch wahre Künstler sind. Atmo: Fahrt nach Wuppertal, ICE innen EP4_Anfahrt.wav Sprecherin: Expedition Sprecher: Die Poesie des Lästerns Sprecherin: Fahrt an die Bergische Universität Wuppertal zu der Soziolinguistin Eva Neuland. Gesprächsgrundlage ist ein heimlicher Mitschnitt: Das Lästern zweier Frauen im Zug über "Toni", ausgelöst durch eine SMS. Die Aufnahmen wurden nachgesprochen. Sprecher: Material eins: "Zwei Frauen im Zug" EP4_FrauenZugOriginal.wav Atmo Zugfahrt Zugdurchsage Sprecherin 3: Ja, schreib ihr eine SMS. (lacht) Hast Du die Nummer? Sprecherin 2: Ja, freilich. (Diktiert sich selbst) "Sind gerade, fahren gerade kurz vor deiner Haustüre vorbei." Sprecherin 3: (lacht) Kannst deine Brille dazu aufsetzen. Sprecherin 2: Ja, habe ichs droben? Ja bin ich blöd. Okay jetzt. Ja, halt der Toni: O-Ton: EP4_Neuland1.wav Neuland: Hier wird das Lästerobjekt eingeführt Sprecherin 2: "Gestern den ganzen Tag Stapler repariert. Mutter ist nicht da, muss alles allein machen" O-Ton: EP4_Neuland2 Neuland: Ja, hier haben wir ein sehr schönes Beispiel, wie sich ein Lästermuster entwickelt, indem man anlässlich einer SMS, von demjenigen, über den dann gelästert wird, in das Muster einsteigt. Das wird auch zitiert und dann der Kommentar... Sprecherin 2: Was interessiert mich dem sein psychopathischer Zwischenbericht? Ich hab mit dem nix zu tun. O-Ton: EP4_Neuland_3 Neuland: Was interessiert mich DEM sein psychopathischer Zwischenbericht. Also hier haben wir ein ganz klares Distanz herstellen. Der geht uns jetzt mal gar nichts an. Und dann kommen eben verschiedene kleine Episoden. die dienen dem Spannungsaufbau, sie retardieren den Handlungsablauf etwas. Sprecherin 3: Wir haben auch bei ihm jetzt am Wohnhaus was gemacht. O-Ton: EP4_Neuland_4 Neuland: Jetzt kommt eine kleine Episode. Ein narrativer Einschub. Sprecherin 3: Und da kommen halt auch so Balkonverkleidungsplatten hin. Und die haben halt ne ewige Lieferzeit. Und dann haben sie angerufen: "Ja wann die Platten kommen? Sprecherin 2: So bolisch. Sprecherin 3: Ja, voll bolisch. Stinksauer. O-Ton: EP4_Neuland5 Neuland: ein ganz deutliches negatives Werturteil: "bolisch", das ist sehr dialektal, es ist ganz klar, hier wird dem Referenzobjekt eine Eigenschaft zugeschrieben, die man für sehr unzuträglich und schlecht hält. Und das heißt ja eigentlich auch immer, dass ich anders bin. Also, sonst würde ich es ja nicht für schlecht halten. Also hier haben wir die Differenzierung. die Solidarisierung der beiden Frauen in ihrer Meinung, die bestätigen sich ja laufend gegenseitig, Ja genau. Sprecherin 2: Weißt was? Der soll seine Klappe halten. 3000 Euro habe ich damals nicht gekriegt von seinem Bau. O-Ton: EP4_Neuland_6 Neuland: und ein resümierendes Fazit. Das wird ausführlicher erzählt. Sprecherin 2: Da habe ich gesagt: Du, das ist doch eigentlich nicht mein Problem. Ja, nix, er hats denen schon gezahlt. Er kann mir das nicht doppelt geben. Ja, ist schon klar. O-Ton: EP4_Neuland_7 Neuland: Wir haben hier zum Teil also indirekte Redewiedergabe. Nich, das ist ganz interessant. Das ist immer ein Beispiel dafür, dass es tatsächlich so war, wie ich das jetzt erzähle. Das hat er gesagt: Das ist eine Inszenierung, sprachlich ist das sehr interessant, reklamiert aber eben auch Realitätsanspruch. Sprecherin 2: Ja, aber wer weiß, was die wieder für n Deal gemacht haben, die sind da ja auch so geldgierig. Verdienen einen Haufen und sind immer noch geldgierig. Ja, seine Mami ist nicht da. Die ist auch im Urlaub. O-Ton: EP4_Neuland_8 Neuland: Und dann kommt am Ende noch ein ganz interessantes Stichwort: Die sind geldgierig. Das ist glaub ich, was dem Lästerobjekt vorgeworfen wird. Und nachher am Ende macht man sich noch ein wenig lustig, indem man sagt: Seine Mami ist nicht da., man stuft ihn auf die Stufe eine Kleinkinds herab. Ja, die beiden, die sind vollkommen klar einer Meinung. Wir verstehen uns gut, das ist blöd was der gemacht hat. Steffen: Gelacht haben die aber jetzt nicht. Neuland: Aber die Übereinstimmung, der Einklang, der ist außerordentlich hoch. Steffen: Wie wichtig ist denn da die Betonung? So ein Mhhhmm. Das kann man ja auch unterschiedliche Arten betonen... Neuland: Die Frage gebe ich sofort zurück. Wie würden Sie das denn machen, wenn ich jetzt mit Ihnen über jemanden lästere, und Sie sind überhaupt nicht einverstanden damit? Steffen: Ich würde wahrscheinlich so ein bisschen fragen...mhhhh...? Neuland: Mhh? So ein eingipfliges, kein zweigipfliges mmmhhmmm. Sondern mmhh? Oder durch ein erstauntes Schauen. Vielleicht weicht man millimeterweise zurück. Die Augen verkleinern sich. Meint er das wirklich? O-Ton: EP4_Neuland_9 Steffen: Vielleicht können wir uns mal ein Beispiel anschauen, wo über mich gelästert wurde... weiter unter dem Sprecherin-Text: vielleicht auch anhören. Und zwar Hier beschweren sich zwei Freundinnen über mich Hinweis: reißt etwas ab Sprecherin: Eva Neuland öffnet die Audio-Datei "Versuchsaufbau Lästerkammer_Nicole und Sarah" ((Hinweis: Es existiert eine durchlaufende Aufnahme, wie Neuland und Steffen sich die Lästerkammer-Aufnahme anhören. EP4_NeulandKammerlive.wav)) O-Ton: EP4_Neuland10.wav Nicole: Also, mich hat das total getroffen, mir zu schreiben, dass er das Gefühl haben möchte, dass auf seiner Party seine Freunde da sind. (ab hier unter den Neuland-O-Ton legen) Und er hat geschrieben, dass ich verstehen soll, dass auf Jans und seiner Party "meine" Freunde da sind. O-Ton: EP4_Neuland_11.wav Neuland: Ja, also hier sehen wir noch, oder hören besser gesagt, die emotionale Beteiligung. Es gibt tatsächlich einen "Skandalon", also einen Anlass. Der wird auch nochmal reproduziert, nich?, indem man genau sagt, was da passiert ist. O-Ton: EP4_Neuland_12.wav Sarah: Einfach nur zu sagen, okay: "Kenne ich die? Oder: Waren sind die eigentlich immer dabei? Gehören die zum übrigen Clan?" Oder wie auch immer, ist doch scheißegal. (ab hier unter den Neuland-O-Ton legen)...weil im letzten Jahr haben wir Steffen vielleicht zwei Mal gesehen... O-Ton: EP_Neuland_13.wav Neuland: Was er da gemacht hat, das war eigentlich unmöglich. Das würden WIR beide nicht tun. O-Ton: EP_Neuland_14.wav Nicole: Was ich bei Steffen so schwierig finde. Ich kenne Steffen ja schon super lange und ich kann das ja auch immer versuchen anders zu interpretieren....(ab hier unter den Neuland-O-Ton: aber dieses "bestimmte Dinge nicht ansprechen, bestimmte Dinge nicht abklären und auch mal Dinge totschweigen" und ich das immer sehr schade finde, dass er dann, auch wenn man das weiß, wenn man ihn lange kennt, dann weiß man, ob er einen mag oder nicht... wo es dann Situationen gibt, wo man dann so denkt, in der Situation hätte jetzt...) O-Ton: EP_Neuland_15.wav Neuland: Jetzt kommt aber etwas, was ich als Abmilderungen eines negativen Urteils oder Versuch, Verständnis zu erwecken, interpretieren würde: Ich kenne denjenigen schon super lange, das ist ja mein Freund, oder unser Freund, ich würde nie etwas Schlechtes über ihn sagen. Ich versuche nicht nur, ihn zu verstehen, sondern auch seine Handlungsweisen zu deuten. Zuspiel: Experten Mix Moral Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Tragen Sie zusammen, was die Experten über das Verhältnis von Lästern und Moral denken! FS-O-Ton: F_7_I_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Lästern ist schon auch wichtig geworden in der modernen Gesellschaft, weil wir eben nicht mehr so eine ganz klare und verankerte und von allen geteilte Weltsicht haben. Insofern ist für mich auch das Lästern positiv zu bewerten, als darin eine Art Verständigung darüber stattfindet wie wir denn heutzutage mit der Unsicherheit und der Unübersichtlichkeit der Welt in der wir uns bewegen, umgehen sollen. FS-O-Ton: F_7_II_Eilert.wav Eilert: Die Frage ist ja auch immer, über was lästert eine Gruppe? So wird für jeden klar, alles klar: Die Dinge sollte ich nicht tun. FS-O-Ton: F_7_III_Neuland.wav Eva Neuland: Beim Lästern ist die Person nicht anwesend, wenn wir über sie lästern. Eigentlich würde man ethisch moralisch sagen, man darf sich nicht über andere Menschen äußern, die nicht da sind FS-O-Ton: F_7_IV_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Das ist das Infame gewissermaßen beim Lästern, dass man jemanden schlecht macht, dabei so tut, als würde man nur spielen - und letztlich dann aber doch Rufschädigung betreibt. Atmo EX5_Atmo.wav Türöffnen, Autotür schlägt zu, (Begrüßung leise unter dem Sprecherintext) Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Probieren Sie, die Freunde der anderen Versuchsperson zum Lästern zu verleiten! Sprecherin: Ein dunkler Kombi auf dem Parkplatz eines Münchner Großmarkts, im Schatten der Waschanlage. Darin sitzt Ex-Agent Leo Martin, neben ihm Versuchsperson 2. Über die Freisprechanlage wird die Kontaktliste von Versuchsperson 1 abtelefoniert. O-Ton: EX5_I_Agent.wav Georg: Ich habe mir da neulich auch Sorgen gemacht: Vielleicht ist das ja nicht so normal, was er da macht. Ich bin nicht so nah dran an ihm. Deswegen keine Ahnung, vielleicht, nimmt der da irgendwas? Johanna: (lacht) Ich glaube nicht, dass Steffen irgendwas einnimmt (Ab hier bereits Sprecherin drüber laufen lassen) um nicht zu altern. Bisher hat er sich nicht verändert. Ich kenne ihn ja auch erst seit ein paar Jahren. Sprecherin: Der Agent holt Zettel und Stift aus einer Tasche. Er schreibt "privater, Ausrufezeichen". O-Ton: EX5_II_Agent.wav Georg: Wie hält sich der so in Form? Johanna: (lacht) Ich kann mir schon denken worauf das hinausläuft. (Ab hier bereits Sprecherin drüber laufen lassen) Also ich glaube Steffen ernährt sich nicht wirklich gesund. Und er geht ja auch laufen und schwimmen. Ja genau, schwimmen macht er gerne. Sprecherin: Der Agent unterstreicht das Wort "privater", dann schreibt er: "Danke, Ende, Schluss machen. Hier kommt nichts mehr." O-Ton: EX5_III_Agent.wav Georg: Du meinst nicht, dass da irgendwas im Hintergrund ist, so Tabletten, Fatburner oder irgendsowas? Johanna (lacht): Nee. Glaube ich ganz sicher nicht. Georg: Ganz sicher. Johanna: Ja, ganz sicher nicht. Georg: Okay. Danke Dir, gute Reise euch. Ciao. Agent: Okay, da hätte man definitiv mehr rausholen können. Da bringt jetzt auch ein Nachhaktelefonat nichts mehr, ja. Das war für sie eine komische skurrile Situation. Die fragt sich jetzt, was sollte das, wo führt das hin. Und im nächsten Kontakt mit Ihnen wird die sehr sehr sehr zurückhaltend und vorsichtig sein. Georg: Warum kann ich das nicht und Sie schon? Agent: Mein Job war es im Milieu der organisierten Kriminalität Vertrauensleute anzuwerben. Ich habe Kriminalwissenschaften studiert, für den Geheimdienst gearbeitet zehn Jahre lang. Und das heißt: Einen wildfremden Typen, der im kriminellen Milieu lebt, trotzdem dazu zu bringen, mir brisante geheime Insiderinformationen Preis zu geben. Also bei dem nächsten Gespräch, das du führst würde ich ein glasklares, sehr allgemeines Interview führen, dann mich bedanken, das Ding beenden und eigentlich schon eine Stimmung erzeugen, als würde ich auflegen und dann noch mal n Ansatz machen: Ach, du übrigens, woher kennt ihr euch eigentlich? O-Ton: EX5_IV_Agent.wav Georg: Oh Gott, ja, ich schau mal. (Freizeichen) Olli: Servus, da ist der Olli Georg: Hallo Olli, hier spricht Georg. Ich bin ein Freund von Steffen Seibel (Ab hier bereits Sprecherin drüber laufen lassen) der mir auch die Telefonnummer gegeben hat. Olli: Ja genau. Wusste zwar nicht mehr um was es genau geht. Georg: Lüge und Wahrheit. Es geht um das Thema Lüge und Wahrheit. Es sind nur vier kurze Fragen. Sprecherin Anruf bei Olli. Ein kurzes, allgemeines Interview zum Thema Lüge und Wahrheit. O-Ton: EX5_V_Agent.wav Georg: Was glaubst Du, wie oft lügen wir pro Tag? Olli: Ja, viel zu häufig. Tatsächlich. Anders geht's nicht. (Ab hier bereits Sprecherin drüber laufen lassen) Lügen ist das Schmiermittel der Gesellschaft. Ich hab heute sicher schon zwanzig Emails losgeschickt in denen stand: Schönen guten Morgen. Sprecherin: Kurz vorm Auflegen dann das, was der Agent den Columbo-Move nennt: Im Verabschieden, ganz beiläufig erwähnen, worum es eigentlich geht ... O-Ton: EX5_VI_Agent.wav Georg: Okay. Ja, super, danke Dir. Das war perfekt. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Dann wünsche ich Dir noch n schönen Tag und... Sag mal - woher kennt ihr euch überhaupt, Steffen und du? Olle: ich habe mit Steffen die Ausbildung beim Bayerischen Rundfunk gemacht. Georg: Ich war neulich mal in Berlin und da ist mir einfach auch so aufgefallen, wie gleich der bleibt, der Steffen. Glaubst du der nimmt da irgendwas? Macht der so Bodytuning oder so? Olle: Was? Warte mal. Der Steffen, der war schon immer drahtig, aber das ist ja bei den Jungs immer so, (Ab hier bereits Sprecherin drüber laufen lassen), dass die mehr auf ihren Körper achten, würde ich mal sagen. Nee quatsch. Der Steffen ist der letzte, der so was... Sprecherin: Der Agent schreibt "Badschrank". O-Ton: EX5_VII_Agent.wav Georg: Als ich neulich oben war, da habe ich in seinem Badschrank, da waren so komische Medikamente. Mein Gott, kann natürlich alles sein. Olle: Ich glaube, er hatte mal welche gegen Akne oder so. Da hatte er mal was. Kenn mich mit Medikamenten nicht aus, aber... Georg: Naja, ist ja jetzt auch gar nicht das Thema. Du. Danke Dir auf jeden Fall. Olle: Also dann machs gut. Georg: Ciao. Danke dir. Agent: So, also großes Lob, das war mustergültig. Brillant war dieses Abschließen so zu tun, als wäre es eigentlich schon durch. Du hast schon fast aufgelegt und dann ist die Situation privat geworden. Du hast auch gemerkt, wie sich seine Stimmung und sein Ton verändert. Ja, der war auf einmal bei dir. Mit ihm hättest du noch eine Stunde telefonieren können. Themen abziehen und Themen setzen wie du gewollt hättest. Das war perfekt gemacht. Sprecherin: Der Agent steckt Zettel und Stift in seine Tasche. Georg: (liegt unter dem Sprecherintext) Super. Ja, ich hätte noch n Namen nennen können, um das Gerücht weitertragen zu lassen. Naja. (Fortsetzung) Agent: Also der Olle wird sich auf jeden Fall Gedanken machen. Jetzt hängt es auch so ein bisschen davon ab: Wie dicht ist er an unserer Zielperson tatsächlich dran. Haben wir ihn gerade aus irgendeinem Arbeitsprozess rausgerissen, in dem er jetzt schon lang wieder drin steckt und Gott und die Welt vergisst? Der schnelle Erfolg ist nicht garantiert, aber er ist auch gar nicht wichtig: Sondern wenn ein Thema gesetzt ist: Es wird seinen Weg finden. Es ist wie Wasser durch eine Wand. Es hat keinen Kopf, es kommt unten an. Musik break Miniature 1 (Eventuell kurzer Musikbreak Miniature 2) Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Infiltrieren Sie den Freundeskreis des anderen und bringen Sie seine Freunde dazu, über ihn zu lästern! O-Ton: Johanna: "Hallo Silke! Hi ich bin s" "Hallo Ole", "Hi du, wie geht's " "Stör ich gerade?"Hörst du mich? Hallo, Hallo?") Die Töne hierfür, plus Töne für Trenner (Wählen, Mailbox, der gewünschte Gesprächspartner antwortet nicht, Auflegen) finden sich im File EX6_I_stoerich.wav Sprecherin: Die gemeinsame Freundin Johanna kann dafür gewonnen werden, Lästereien am Telefon anzuzetteln. COLLAGE Musik: Miniature 2 O-Ton: EX6_II_alleAnrufe Johanna: Also ich meine, er ist ja jetzt auch irgendwie über 30. Silke: Er ist ja schon immer so der Jutebeutel-Typ. Johanna: Ja genau, der Jutebeutel-Typ. Wenn er da so dahingeschlurft kommt, sieht aus wie ein kleiner Junge, dann hält er den Kopf noch so schräg, die dünnen Beinchen, wirkt jetzt nicht aus wie ein erwachsener Mann Silke W.: haha (abfälliges lachen) Silke K. kichern... du hältst ihn für eitel? Johanna: Ganz oft, ganz freundlich, und dann irgendwann so: Nee, geht gar nicht. Silke: Ja, so ein bisschen zickig vielleicht. Das stimmt schon. Ole: Ich bin nicht drauf gekommen, dass er schwul sein könnte, obwohl viele sagen, das sei offensichtlich, es ist auch schon was dran, wo ich denke, dass er es auch bewusst ein wenig betont. Silke W.: Steffen sagt immer zu zu allem, was ich mache: "tooooooll" Ole: Oder damit kokettiert... Silke: Irgendwann hat er mal gelernt, dass es eine tolle Strategie ist, toll gefunden zu werden, wenn man anderen Komplimente gibt (Musik aus) Atmo: Auflegen Telefonhörer Johanna: Hab keinen Bock mehr Johanna: Nee, Spaß hat mir das nicht gemacht. Wenn ich etwas los lasse, etwas Gemeines - und der andere macht nicht mit, ist das ein ätzendes Gefühl, weil man sich fies und gemein vorkommt. Zuspiel: Experten Mix sozialen Zwang Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Ermitteln Sie, was die Experten über den sozialen Zwang zum Mitlästern wissen! FS-O-Ton: F_8_I_Bergmann.wav Bergmann: Wenn man in einer Lästerkommunikation sich befindet, dann hat man auch die Pflicht, etwas beizutragen. Denn indem man nur zuhört beim Lästern macht man sich selber die Hände nicht schmutzig. Das geht nicht. Wenn man eine Lästergeschichte erzählt bekommt, dann muss man auch selber was dazu beitragen, sonst ist das eine sehr asymmetrische Beziehung. FS-O-Ton: F_8_II_Nemetz.wav Nemetz: Und ich denke, sobald man sich da nackig macht und dem anderen eben auch zeigt, dass man auch nur Mensch ist und das schwarz in sich trägt und auch mal nicht ganz so korrekt ist, hat das n Aufbau an Nähe und Bindung. FS-O-Ton: F_8_III_Bergmann.wav Bergmann: Da glaube ich schon, dass jemand, wer nicht mitmacht gewissermaßen, dann auch nicht mehr beteiligt wird, dass dann jemand aus den sozialen Netzwerken ausgeschlossen wird. FS-O-Ton: F_8_IV_Schüler.wav Schüler: Und das wäre natürlich noch mal ne schöne Motivation, um richtig ins Lästern einzusteigen. Atmo (darunter) Vorbereitung/Versuchsaufbauiersituationen wie Stühle rücken, Anweisungen an Versuchspersonen o.ä. Sprecherin: Der Versuch: Sprecher: Platzieren Sie im sozialen Umfeld des anderen gezielt eine Falschinformation und probieren Sie aus, wie weit Sie damit kommen! Sprecherin: Fahrt zur Münchner Agentur one-two-social. Mit Hilfe der Experten für soziale Medien will die Versuchsperson das Gerücht streuen, der andere habe eine größere Geldsumme im Lotto gewonnen. Zuspiel: Aufnahmen/Versuchsaufbau O-Ton: EX7_I_Helge.wav Helge: Wir suchen jetzt bei Google erst mal. (tippt) Steffen Jan Seibel. Da kommt er auch schon. Das heißt: Sein Profilbild hier zu klauen, ist relativ einfach. Da suchen wir uns das mit der besten Auflösung raus. Das von Twitter. Nehmen wir doch gleich mal das von Twitter. Atmo aus: EX7_atmo_lachen.wav EX7_atmo_tippen.wav Sprecherin: Für das Experiment legt Helge Ruff Fake-Profile in sozialen Netzwerken an, postet Fragen und verteilt Smileys. O-Ton: EX7_II_Helge.wav Helge: Wir sind ja jetzt er. Wir haben gerade 50 000 Euro gewonnen. Und fühlen uns damit so absolut überhaupt nicht gut. und deswegen machen wir uns jetzt auf den Weg und verteilen das Geld. Vorname Steffen Jan, Seibel, Berlin, ne? Also hier bei gute Frage können wir richtig gut rumspammen. Das ist echt fantastisch. Schlechtes Gewissen nach Lottogewinn: Was könnt ihr mir empfehlen? Ich finde, das sieht so unglaublich authentisch aus. Wir könnten noch n paar Abos für Steffen machen. das Lottogewinnermagazin Oh guck mal, ich habe schon ne Antwort erhalten. Jetzt gehts schon rund. Ha. Steffen, du bist schon voll in the Game. Wir machen mal einen kleinen Reload der Seite. Oaah. Holy shit. Steffen. Georg: Was ist passiert? Helge: Es ist explodiert. Ich kann gar nicht mehr so weit runterscrollen hier. Die Psylinchen23: (Helge liest) Meine Idee wäre es nicht einfach so an eine Organisation zu spenden, sondern an die Leute, die es wirklich brauchen können, die vielleicht auf der Straße sitzen, die würden sich auch sehr freuen und du kannst ihnen ins Gesicht schauen und die Freude mitbekommen. Ich habe gerade noch überlegt, ob wir die Psylinchen einladen. "kannst ja mitkommen". Dann steht die beim Steffen vor der Tür und er muss 50 000 Euro rausrücken. Man hätte das eigentlich mit sehr sehr vielen Inhalten machen können. Der erste schwule Rechtsradikale Deutschlands oder so was, den hättest du da auch etablieren können. Aber da wird er seines Lebens nicht mehr froh, glaube ich. Musik Break: Miniature 3 O-Ton: EX8_I_Coaching.wav Atmo: Türklingel, Abnehmen des Hörers der Sprechanlage Sprecherin: Der Versuch Steffen: Ja, hallo? Ja, ich grüße Sie. Hallo Frau Till! Sprecher: Engagieren Sie einen Profi, der Sie coacht, wie Sie mit den Lästereien umgehen können! Atmo: Tür öffnen, Schritte im Treppenhaus, Begrüßung Steffen: So, ich grüße Sie. Hallo, Frau Till. Schön dass Sie zu mir gekommen sind. Das ist ja Klasse. Ich bin gerade so ein bisschen... man kann sagen, durch den Wind. Denn ich habe mitbekommen, dass eine Gerüchte-Kampagne gegen mich läuft (ab hier weiter unter dem Sprecherintext) Die hat jetzt heute morgen angefangen. Till: machen wir persönliche Beratung Sprecherin: Kerstin Till ist Wirtschaftspsychologin und auf psychische Belastung und Konflikte spezialisiert. Steffen: ... lauter seltsame Nachrichten auf Facebook und so weiter. (Ab hier unter dem Sprecherin-Text) Legen Sie einfach alles hin... Sprecherin: Beim Vorgespräch am Telefon hatte Kerstin Till nach einem Schachbrett gefragt. Steffen: Setzen Sie sich gerne hier hin. Sprecherin: Jetzt steht es ausgeklappt auf dem Couchtisch. Es gilt zunächst, sich eine Figur auszusuchen. (unter dem Sprecherin-Text: Steffen: Möchten Sie einen Kaffee haben oder lieber nen Tee? Wir können da ja mal direkt draufkucken und... Till: Nicht zu lange drüber nachdenken. Steffen: hmm.. Till: Benutzen Sie Ihre spontane....Okay. Das sind Sie jetzt. Steffen: Genau Till: Sie sind also eine helle Figur. Steffen: Ja. Und ich hab mich jetzt intuitiv hier an den Rand des Spielfelds gestellt. Sprecherin: Das Lästeropfer nimmt den schwarzen Turm aus der Schachtel. (unter dem Sprecherin-Text: Till: Wer sind denn noch wichtige Personen, die sich im Umkreis Ihrer Thematik bewegen? Till: Ok, das ist also Georg, der anscheinend schon öfter mal eine Attacke gesetzt hat. So und jetzt ist die Frage, wie wollen Sie den Leute morgen begegnen? Steffen: Am liebsten würde ich austreten. Ich habe jetzt hier meine Figur ganz weit nach links gesetzt auf dem Brett, austreten aus der Situation. Till: Ist das realistisch, können Sie das machen? Steffen: Eigentlich würde ich gerne darauf hoffen, dass sich deren Attacke nicht verfängt. Und morgen niemand drüber redet. Und ich lass das einfach stehen und lösch dann den Post. Till: Das ist natürlich schon...ähhh...kindliches Fantasieren. Das macht man, wenn man klein ist, das ist eine Bewältigungsstrategie, das man das einfach negiert. Funktioniert nur nicht so richtig. Till: Wenn Sie in einer ziemlich frustrierenden Situation sind, vielleicht völlig austicken, dann stellen Sie sich vor, Sie müssten Ihr Problem einem dreijährigen Kind erklären. (Anmerkung: Ich mache das dann. Aber das ist ziemlich langatmig und auch ein bisschen albern und bringt nicht weiter) Steffen: Ich glaube, das Kind fände es, glaube ich, nicht so schlimm. Till: Genau, das Kind würde sagen: Und? Hat dir jemand dein Spielzeug weggenommen? Zuspiel: Atmo: EX8_II_Schnellhefter.wav EX8_III_AtmoGemurmel.wav Sprecherin: Kurz bevor sie geht, zieht Till noch einen Schnellhefter mit Statistiken aus der Tasche. Es geht um die psychischen Folgen des Lästerns. Dann zieht das so Kreise, nimmt natürlich die Leistungsfähigkeit ab, man beschäftigt sich nur mit dem Problem, man kann sich nicht mehr mit seinen Kollegen austauschen, das Netzwerk wird irgendwie immer fragiler, man wird krank. (ab hier: unter dem Sprechertext) Also, psychische Belastung, Stress Burnout, sind so die ganz klassischen Dinge, Herzkreislauferkrankungen ist ganz typisch.... Sprecherin 2: Laut eines Reports der Bundesanstalt für Arbeitsschutz werden rund 1,5 Millionen Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz gemobbt. Nach Zahlen des Arbeitsministeriums hat sich der Anteil der Fehltage aufgrund einer psychischen Erkrankung in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Der jährliche volkswirtschaftliche Schaden von Mobbing und Lästereien wird auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt. Zuspiel: Experten Mix Regeln Sprecherin: Zum Forschungsstand Sprecher: Finden Sie heraus, ob strengere Regeln etwas gegen das Lästern ausrichten könnten! FS-O-Ton: F_9_I_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Es ist ja verboten. Und trotzdem tun wir es natürlich. FS-O-Ton: F_9_II_Schüler.wav Schüler: Verdrängung kann ja auch ne Gabe sein. Das heißt wenn Sie es nicht reflektieren wollen, was sie da für einen Schaden anrichten, kann es ja auch sein, dass sie es einfach mal verdrängen und gar nicht weiter anschauen. Aber wenn Sie Momente der Einsicht haben, dann wäre es sicher gut zu fragen: Was habe ich denn davon und wie kann ich auf andere Art und Weise mit meinen Kollegen und Freunden ins Gespräch kommen. Warum muss ich das hinter dem Rücken machen? FS-O-Ton: F_9_III_Bergmann.wav Jörg Bergmann: Und das wäre natürlich, für mich jedenfalls, das Ideal. Ich will ja nicht Lästern auf Teufel komm raus verteidigen. Lästern ist was böses, wenn ich also als Gesellschaftsmitglied urteile. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass Lästern psychologisch und für moderne Gesellschaften eine wichtige Einrichtung ist. Ich bin sauer, wenn über mich gelästert wird auf der anderen Seite bin ich froh, wenn über mich gelästert wird. und mit dieser Spannung muss man heutzutage leben und die muss man auch aushalten. Ideal wäre es natürlich, wenn man letztlich als Lästerer zu der Selbsterkenntnis kommen würde, dass auch bei mir diese Diskrepanz zwischen dem Gezeigten und dem Verborgenen vorhanden ist - und mich damit auch ein bisschen bescheidener und demutvoller macht. Absage 2