COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel, 1. April 2013 "Ich schlage mich so durch... Tischtennis - Sport der Großstadt Autor: Fritz Schütte Redaktion: Sabine Gerlach "Wir haben vor zwei, drei Jahren mal zusammen Tischtennis gespielt. Und seitdem geistert vor allem bei ihm verstärkt die Idee herum: "Jetzt lass uns mal Tischtennis spielen." Und heute war irgendwie der Zeitpunkt, um es mal wieder in die Tat umzusetzen." Am Kanal wird gegrillt. Sommer in Berlin. Rauchschwaden ziehen über den Uferweg. In einer von Büschen eingefassten Nische klacken Tischtennisbälle auf zwei dicht umlagerte Platten. Peter und Columbus warten darauf, dass sie wieder an die Reihe kommen. "Von den fünf, sechs Sätzen, die wir gespielt haben, hat er drei gewonnen. Er hat einmal mehr gespielt, und das merkt man total." r "Ja, genau. Ich habe einmal mehr trainiert. Aber wir sind nicht die regelmäßigen Spieler. Ich glaube, die Jungs spielen öfter hier. Die spielen auf jeden Fall sehr, sehr gut. " Die "Jungs" sind ein mürrisch dreinblickender älterer Herr, der mit stoischer Gelassenheit Bälle von weit hinten auf die Platte zurückschaufelt, ein heftig hustender Asthmatiker, ein Stilist, der sich nach Schmetterschlägen um die eigene Achse dreht. "Die kennen sich irgendwie alle, haben wir jetzt in den zwei Stunden mitbekommen. Ich glaube, die treffen sich jeden Tag. Aber die sehen nicht so aus, als ob sie sich privat irgendwie kennen. Die kennen sich nur über die Tischtennisplatte. Wir sind jetzt beide hier, weil wir uns kennen, und weil wir mal Tischtennis spielen wollen. Aber das sind Leute, die sich im Privatleben sonst nie und nimmer an einen Tisch setzen würden und ein Bier trinken würden." Peter und Columbus denken sich gerne Geschichten aus. Mal hören, ob ihre Vermutungen tatsächlich zutreffen. " Ich bin hier seit 2000." Das ist Dani. "... und seitdem spiele ich immer hier. Ich spiele ja auch im Verein, aber ich spiele viermal die Woche vielleicht...." Und das sind Hakan, "...also, früher war es noch schlimmer. Da war es jeden Tag." Hadi, "Wenn ich kann, spiele ich schon täglich auf jeden Fall. In der Woche komme ich zwei-, dreimal." Andi, "Dann bin ich vielleicht mal einen Monat nicht da, weil ich auch noch andere Verpflichtungen habe." Holger 2 "Ich habe auch schon mal Zeiten, da komme ich einen Monat nicht oder anderthalb. Dann hatte ich auch Zeiten, wo ich drei, viermal die Woche da war." und Amir. "Ich spiele jetzt hier seit vier Jahren bestimmt, ja. Eigentlich jeden Tag, wenn das Wetter es zulässt. So mit Günter. Wir sind hier seit zwei Jahren die zähesten Hunde." Günter winkt ab. "Kein Interview." Stattdessen holt er seine Ersatzkelle aus der Sporttasche. "Lieber Spielen als Quatschen." "Günter trainiert immer alle. Weil er irgendwie Lust dazu hat und die Bälle einem Stunden lang zurückspielen kann. Und da kriegt man wieder so die Routine und Treffsicherheit." "Das finde ich gut an ihm. Er spielt auch mit Leuten, die halt gerade mal den Ball rüber schieben können." "Günter ist der beste Trainer. Mit Günter spielt jeder, der neu hierher kommt. Und es macht Spaß, mit Günter zu spielen." "Also jeder fängt an, mit Günter erstmals spielen, und es dann auch zu schätzen zu wissen. Manchmal macht er Ärger. Aber wenn man das vermeidet und weiterspielt, dann hast du keinen Kopf. So ist bei uns." Außer wenn er über einen Doppelpartner mosert, sagt Günter kaum etwas. "Ich glaube, früher hat er schon ganz weit oben gespielt. Ich könnte mir auch vorstellen, so zweite Liga oder so was." "Günter ist sicher mal richtig gut gewesen," meint Antonio. "Könnte ich mir vorstellen. Ich weiß es auch nicht. Er redet da nicht drüber, und ich sehe nur, wie fit er ist. Er ist 69. Unter siebzig Liegestützen, sagt er, geht er nicht aus dem Haus. Wenn wir hier alle schon schwitzen, ist er eigentlich noch trocken." "Verrate bloß nicht im Radio, wo unsere Platten stehen!" warnt er. "Der Kreis regelmäßiger Spieler ist eh schon ziemlich groß." "Ja, so, ich würde sagen so etwa zwanzig. Wobei das immer wechselt. Mal sind die mehr die da, mal die anderen. Je nachdem, wie man kann und Freizeit hat." "Hier ist immer einer da. Selbst im Winter ist hier einer da. Man braucht auch keinen anrufen. Es ist wirklich immer jemand da." "Ich bin mal stehen geblieben, habe zugeguckt und mit einigen gesprochen. Die haben mir dann erzählt: "Ja, wir treffen wir uns um halb zwei." Ja, und dann bin ich hängen geblieben." "Ich bin auch sehr froh, dass ich mal hier vorbeispaziert bin und habe Günter gesehen. Also, es ist wirklich so eine gewisse Magie, die hier herrscht, an diesem Platz." Manchmal bleiben Spaziergänger stehen. Ein paar Bälle mit Günter entscheiden darüber, ob die Chemie stimmt. "Ich habe gesehen, dass die relativ gut spielen. Ja, und dann habe ich ein bisschen mitbekommen, wie das hier so vonstatten geht, und auch schnell mitbekommen, dass sehr viele hier spielen, viele, die ganz gut spielen, also relativ professionell auch, was ich dann so in dem Maße auch nicht erwartet hatte, dass das hier so auf dem hohen Niveau abgeht." Jürgen ist heute zum zweiten Mal da. "Es war schon etwas gewagt, nachdem ich jahrelang nicht gespielt habe, einfach mal so hier an den Start zu gehen. Aber die Technik ist einfach durch das jahrelange Üben automatisiert." "Das konnte ich alles mal gut. Klar, ich habe es gelernt. Aber wenn man das Jahrzehnte nicht macht, das Feeling wieder zu kriegen Topspin zu spielen. Ich habe zuerst gedacht, das kriege ich nicht mehr hin. Aber es ist dann wieder gelungen." Auf der Liegewiese werden hastig die Taschen gepackt. Ein Gewitter braut sich zusammen. Die Spieler stört das nicht. Für viele von ihnen ist Tischtennis ein Stück Kindheit. "Ich habe in der Jugend angefangen in einem Dorfverein. Und ich habe, glaube ich, bis vor dem letzten Jugendjahr habe ich gespielt. Bis 17." "Ja. ich habe das in der Jugendzeit gelernt in und mehr als zwanzig Jahre nicht gespielt. Immer nur Fußball. Und das konnte ich jetzt nicht mehr, wegen der Gesundheit eben. Und dann habe ich das wieder entdeckt hier durch Zufall und habe es wieder angefangen." "Ich wollte fragen, haben Sie Lust, eine Runde mit meinem Schwiegervater..." Warme Regentropfen prasseln herab. So unvermittelt, als kämen sie aus einer Gießkanne. "Gleich wieder vorbei," meint Günter. "Es gibt relativ viele Platten in Berlin, so in Parks. Ein paar sind auch sehr ungünstig aufgestellt, weil die sehr windanfällig sind. Also, da haut der Wind rein, und dann kann man nicht Tischtennis spielen. Und ein paar sind halt sehr in der Sonne. Und die beiden hier, die stehen sehr günstig, wenn es heiß ist." "Da ist wenigstens eine Mauer und viele Büsche drum herum. Der Wind hat sich auch in den letzten Jahren sehr gesteigert. Und die Platten sind auf jeden Fall noch besser als die Steinplatten." Sie sind dunkelgrün wie richtige Tischtennisplatten, aber nicht aus Holz, sondern aus Blech. "Metall klingt schon mal viel besser als die Steinplatten, nimmt wahrscheinlich auch ein bisschen mehr Schnitt an. Steinplatte nimmt gar keinen Schnitt an. Man muss auch immer einen Besen mithaben, damit man da den Staub runterkriegt." "Viele Vereinsspieler, sage ich jetzt mal, spielen nicht gerne auf der Steinplatte, weil der Ball natürlich auf der Steinplatte ganz anders springt als auf der 25 mm Holzplatte. Aber ich habe damit angefangen, meine Liebe dazu gefunden seit dem fünften Lebensjahr. Nachdem meine Mutter nicht mehr ausgereicht hat, musste mein Bruder dann herhalten, da haben sie mich hin und her gescheucht. Ich habe mich dann so durchgeschlagen durch Berlin. Ich habe schon an vielen Steinplatten gespielt." Thomas und Hadi kennen sich aus der Tischtennisliga. "Wir spielen beide Landesliga." "Landesliga ist schon ein gutes Niveau." In der Halle ist gegen die beiden wahrscheinlich schwer zu gewinnen. "Aber hier draußen gelten andere Regeln," meint Holger, der zur Unterscheidung von seinem Namensvetter Holger 1 genannt wird. "Da du hier im Freien spielst, hast du auch gegen so gute Spieler eine Chance, weil da noch Einflüsse sind wie Wind, ja ... und Schnee. Ich bin auch öfter mal, wo ich noch im Verein gespielt habe, stehen geblieben und habe mal geguckt, so. Ja, gutes Niveau. Ich würde sagen: erste Kreisklasse, manchmal erste Kreisliga. Kommt immer drauf an, wer da ist." Einige Spieler, die sich an den Platten im Park kennen gelernt haben, sind sogar einem Verein beigetreten. "Das war vor drei Jahren, weil wir im Winter nicht viel spielen konnten. Und dann sind wir in den Verein gekommen. In zwei Wochen ist unser erstes Spiel in der ersten Kreisklasse. Ja, da werden wir mal sehen, was wir da machen." "So, dann wollt ich euer Doppel." "Sag mal erstmal deins an!" " Antonio, spielt ihr Doppel?" Hakan füllt den Spielberichtsbogen aus. Obwohl viele Interesse bekunden, schafft es Anadoluspor gerade so, die für eine Ligaspiel erforderliche Anzahl Spieler zusammenzubringen. "Einige kommen nicht zum Trainieren. Sind halt die klassischen Freizeitspieler." Antonio reicht das Tischtennisspielen im Park nicht aus. Er war Leistungssportler und braucht den Wettkampf. In der Turnhalle in Berlin-Kreuzberg ist an diesem Montag der SV Motor Wildau zu Gast. "Kreisklasse ist teilweise auch gut besetzt in den oberen Mann- schaften. Da spielt einer, der war dreimal Seniorenvizeweltmeister. Die sind halt jetzt ein bisschen älter, aber die können spielen." Von den acht Tischtennisplatten in der Halle sind zwei für das Punktspiel reserviert. An den übrigen trainieren Mitglieder anderer Vereine. "Er geht immer weiter zurück. Er versucht anzugreifen, der Mann mit dem dicken Bauch. Ich würde mal sagen: ich vertue mich vielleicht um eine, achte, neunte oder zehnte Liga." Volker Braun braucht nur wenige Minuten, um das Niveau an den Platten zu checken. Er ist Jugendtrainer bei einem Verein im Nachbarbezirk und nur hier, um einen Freund zu treffen. "Er zum Beispiel ist ein sehr guter Tischtennisspieler. Achte mal auf ihn! Achte mal auf seine Beine! Und der würde ich sagen, der spielt jetzt bestimmt vierte Liga oder so." "Das war gerade ein Rückhand - Topspin. So ziemlich der kompli- zierteste Schlag. Den spielst du mit Vorspannung. Achte mal auf sein Handgelenk! Er zieht das Handgelenk ein bisschen so ein, als würde er eine Frisbeescheibe schmeißen. Er dreht das so nach hinten weg und dadurch kriegt der Ball so eine Explosionsgeschwindigkeit." "Achte mal auf seinen Schläger! Der hat da mindestens irgendwie .. unheimlich viel Belag drauf. Das sind richtig Katapulte, ja. "Das ist halt im Tischtennis so, wie bei jeder anderen Sache auch: der Einäugige ist unter den Blinden der König. In dieser Halle ist er der König. Wenn er jetzt in eine andere Halle in Berlin geht, kann er Glück haben, dass jemand mit ihm spielt. Das ist wirklich so. Und er ist eine andere Generation. Er spielt halt quasi das Tischtennis der Generation von Berlin. Ich nehme mal an, dieser Mann mit dem weißen Bart, war vor fünfzehn Jahren, gehörte der zu den zwanzig besten in Berlin. Und das ist eben das Schöne, lass den mal sechzig sein oder 55, weiß nicht, ich habe den noch nie gesehen, der wird bis zu seinem letzten Atemzug so gut sein, dass jeder junge Mann gerne mit ihm spielen möchte." Richtig getippt. Gerhard Zeitler ist Anfang sechzig. "1960 habe ich angefangen, Tischtennis zu spielen als Zwölfjähriger, bin dann zu Hertha BSC gewechselt und da dann in der Oberliga gespielt. Das ist eine Klasse unter der ersten Bundesliga gewesen." Zwölf Jahre lang hat er aus familiären Gründen pausiert, und als er wieder anfing, war das schon sehr eigenartig. "Da waren die Bälle größer. Vorher hatten wir 38 mm, jetzt haben wir 40 mm. Also, es war schon eine Umstellung. Jetzt spielen wir drei Sätze, damals hatten wir nur zwei Sätze gespielt in den Punktspielen." Er wiegt den dick mit Gummi und Kunststoff gepolsterten Schläger in der Hand. "Als ich angefangen habe, gab es überhaupt keinen Schwamm. Da habe ich mit einem Brettchen gespielt mit einer normalen Noppe. Und Mitte der 60er Jahre fing das an mit einem Schwamm, und seitdem hat sich das entsprechend weiter entwickelt." Es ist Herbst geworden. Die Bäume rauschen im Wind. Ab und zu segelt ein welkes Blatt auf den dunkelgrünen Tisch herab. "Als ich klein war, haben wir unsere eigenen Schläger gemacht aus ganz dünnem Holz. Und wir hatten keine richtige Tischtennisplatte. Wir hatten nur einen großen Tisch dort in unserer Schule." "Und manchmal haben wir dreißig Bälle an einem Tag kaputt gemacht, weil wir keine richtige Tischplatte hatten und kein Netz. Wir haben nur ein Brett über den Tisch gelegt. Und das war es. Aber wir haben viel Spaß gehabt und unseren eigenen Stil entwickelt. Als ich erwachsen wurde, wurde ich Lehrer und arbeitete in der Schule. Und dort an der Sekundarschule, an der Hochschule hatten sie richtige Tischtennisplatten mit Netz und so. Und dort konnten wir besser trainieren." Für Holz und Belag kommt man auf fünfzig Euro bei einem guten Schläger. Kein Pappenstil für die meisten hier. "Ich bin einer der wenigen, der noch nie was investiert hat oder sich irgendwelche Dinge geholt hat. Absolut undenkbar bei mir. Also, die Kelle muss schon zerbrechen, dann hole ich mir eine Neue. Das ist die Kelle, mit der ich seit Jahren spiele. Das ist meine dritte Hand. Sobald ich eine andere Kelle habe, kann ich nicht in dem Stil spielen, wie ich eigentlich so gewohnt bin zu spielen." Andi spielt manchmal auch im Verein. Aber die Gegner haben sich schon beschwert, und in einem Ligaspiel könnte ihn der Schiedsrichter wegen seines kaputten Schlägers sogar disqualifizieren. "Der Griff schon halb locker, die Beläge zerbröseln. Na ja, nun muss ich wirklich mal investieren. Es wird Zeit." Manchmal gibt es so genannte Tischtenniskomplettsets als Angebot im Supermarkt. "Ja, das ist jetzt ein Billigprodukt aus China. Da gab es tatsächlich zwei Schläger für sieben Euro. Die sehen fast so professionell wie richtige Schläger aus. Wobei ich gerade sehe, die haben keine Schwämme, sondern nur einen Belag. Es sieht natürlich viel besser aus, als er ist." "Nein, um Gottes willen. Damit kann man kein Tischtennis spielen." "Wer Spaß am Tischtennis haben will, braucht einen maßgefertigten Schläger," meint Amir. "Das entwickelt sich. Je mehr man lernt, desto mehr Vorstellungen hat man auch, wie der Schläger sein muss." Jürgen ist auf ein vermeintliches Schnäppchen reingefallen, dabei kennt gerade er sich bestens aus mit den Finessen. "Ein Belag hat halt eine Griffigkeit. Das heißt, für den Moment haftet der Ball so ein bisschen am Belag. Und dadurch kann man dem mit einer Handbewegung dann noch einen Drall versetzen." Amir wischt seinen Schläger liebevoll mit einem Tuch ab. "Den habe ich mir zusammengebaut. Das ist gute Qualität. Das kriegt man da in der Kochstraße in dem Tischtennisladen. Und da kann man dann auch gleich Probe spielen. Und die habe ich mir so ausgesucht für Vor - und Rückhand." Die Beläge auf beiden Seiten des Schlägers müssen unterschiedlich gefärbt sein, damit der Gegner weiß, mit welchem Drall der Ball auf ihn zufliegen wird. "Also, ich bin halt ein offensiver Spieler, der mit der Vorhand ständig Topspin spielen will und dafür ist dieser schwarze Belag genommen." Der Tischtennisshop in der Kochstraße wenige Meter entfernt vom ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charly. In der Mitte des Ladens eine Tischtennisplatte. Dahinter an der Wand mehrere Reihen roher hölzerner Kellen. "Die Hölzer sind immer aus ganz unterschiedlichen Hölzern zusammengestellt. Das heißt, wenn es ein defensives Holz ist, sind die meistens eher weich. Wenn es ein offensives Holz ist, sind die meistens eher hart. Und das macht einen riesigen spielerischen Unterschied." Von weichem Holz springt der Ball anders ab als von hartem, sagt Christian Stamatow. Er nimmt zwei Hölzer aus der Halterung. "Das ist jetzt ein defensives Holz und das ist ein offensives. Es ist ein Riesenklangunterschied. Das ist ein heller Ton. Das heißt, es ist ziemlich schnell. Und das ist langsam. Es ist auch ein heller Ton, aber es gibt noch deutlich langsamere. Und das ist die Power." Bei Christian Stamatow wird jeder landen, der in Berlin ernsthaft Tischtennis spielen will. "Erstmal würde ich ihn fragen, was er von der Spielanlage bevorzugt, ob er mehr nach vorne geht oder nach hinten geht. Danach würde ich ein Holz aussuchen. In der Regel sind es Allroundhölzer, weil man damit am flexibelsten ist. Dann klebe ich Gummis drauf je nach seiner Neigung, ob er viel mit Unterschnitt oder Überschnitt spielt, ob er mehr kontert, blockt, schießt. Das klebe ich dann drauf, und das probieren wir hier aus." "Die richtig schnellen Beläge sind hochelastisch. Das muss man sich wie so ein Trampolin vorstellen. Wenn ich da auf so einen Belag einen Ball drauf springen lassen würde, gibt es Beläge, die dämpfen, die ziehen den Ball praktisch rein, ohne dass er wieder rauskatapultiert wird. Und manche Beläge katapultieren raus wie wahnsinnig." "Es bringt nichts, einem Anfänger das schnellste Material auf den Schläger zu kleben," meint er. "Man setzt auch keinen Fahrschüler in einen Formel 1- Wagen." "Für uns Nichtprofis reichen dann Allround-Beläge auf einem schnellen Holz. Das ist schnell genug, weil du musst es ja auch kontrollieren können. Bei so einem Schläger muss ich lernen zu schließen." Zur Demonstration hält er den Schläger erst schräg und dann wieder gerade. "Wenn ich so spiele, dann haut er mir drei Meter über den Tisch. Und deswegen sagen wir auch den Anfängern im Verein: Lieber sofort einen richtigen Schläger kaufen! Sonst lernt ihr Tischtennis einfach falsch." Es steht jedem frei, sich im Supermarkt zu bedienen, meint Christian Stamatow. Aber die Schläger von dort hält er für ungeeignet. "Das ist natürlich kein Tischtennis. Das ist Pingpong." "Heute haben die Techniker keine Chance." "Komm jetzt Günter!" "Ich musste aus dem Verein austreten, weil ich Probleme nach einer Bergwanderung habe mit meinem Gelenk, und seit einem Jahr spiele ich mit einer Bandage, aber immer nur zwei Stunden, und es ist okay." "Ich habe erst vor drei Jahren angefangen mit dem Tischtennisspielen. Ich komme eigentlich aus dem Volleyballbereich. Das konnte ich aber nicht mehr so richtig ausführen wegen meinem Knie. Und Tischtennis geht halt. Das kann man ziemlich lange spielen auf gutem Niveau." "Ich spiele phasenweise drei-, viermal die Woche und dann bin ich meistens irgendwie so kaputt, es zwickt irgendwie links und rechts und oben und unten. Und dann mache ich auch mal wieder drei, vier Wochen Pause." "Ich spiele gerne. Und ich nehme den Schmerz in Kauf, drei Tage danach. Dann kann ich zwei, drei Tag nicht laufen. Es ist für mich schwer, aber ich muss mich wirklich langsam mal anstrengen, dass es nicht mehr so geht, wie es früher mal ging mit der körperlichen Belastung." Andi ist Mitte dreißig. Niemand, der ihn Tischtennisspielen sieht, würde vermuten, dass er gesundheitliche Probleme hat. "Ich habe einen Schwerbeschädigtenausweis und dürfte eigentlich in keinster Weise das machen, was ich hier mache. Mein Arzt würde mich töten, mein Professor Doktor. Ich hatte vor anderthalb Jahren eine Operation. Mir haben sie fast den Fuß abgenommen. Ich habe Knochenkrebs im Fuß konzentriert, Arthrose und so Sachen... und in Deutschland haben zwei Menschen diesen Fall, was ich habe, einmal ein geringerer und einmal ein krasser Fall. Und ich bin natürlich der mit dem Sechser im Lotto." Finanziell hat hier keiner das große Los gezogen. Aber beim Tischtennis zählt Zeit. "Ich bin selbstständig. Ich habe so Spätis. Spätkauf. Und da kann ich mir eigentlich die Zeit hier nehmen." "Wenn schönes Wetter ist, fahre ich mit dem Fahrrad zur Krummen Lanke und schwimme da einen Kilometer, und dann fahre ich mit dem Fahrrad zurück, und abends spiele ich noch zwei Stunden Tischtennis. Das ist dann immer so mein Tagesablauf." "Momentan bin ich arbeitssuchend. Ich lese sehr viel. Ich habe eine Platte mal letztes Jahr herausgebracht, und beschäftige mich mit dem Weltgeschehen." "Ich bin Musiker und sitze vorm Bildschirm. Und da braucht man unbedingt so etwas als körperliche Aktivität. Da ich irgendwie auch noch asozialer Rentner bin, habe ich nicht so viele Möglichkeiten auch, wie man hört..." "Ich komm einfach nur, um mich zu bewegen. Weil, wenn ich nicht Tischtennis spiele, dann... was mache ich? Fernsehen gucken und denken über Scheiße, ne. Weil arbeitsmäßig ist es auch schwierig. Ich habe ein bisschen Englischunterricht gemacht so privat, aber in einer richtigen deutschen Schule nur einmal als Honorarkraft. Weil meine Ausbildung von zu Hause auch nicht anerkannt wird, und dadurch wird alles so kompliziert." Übrig bleibt Zeitarbeit. Weite Anfahrten, ungünstige Schichten. In Jamaika war Dani Lehrer. "Ich kam nach Deutschland in meinem Urlaub, habe ich Freunde getroffen und meine Frau und so. Und weil man nicht immer zu Hause sitzen kann, hat sie mich gefragt, welche Sportart ich mache. Und dann hat sie gesagt: "Na ja, da gibt es zwei gute Platten. Und da kann man vorbeikommen und spielen. Dann haben wir uns mit Freunden verabredet. Günter war da." Dreizehn Jahre ist das her. Günter trifft er noch regelmäßig, seine Exfrau nicht mehr. "Ne, ne, das ist schon lange her, Mann. Das hat nicht gedauert. Aber jetzt bin ich mit einer anderen Frau zusammen. Und alles ist ganz leicht. Die ist okay, die lässt mich meinen Sport machen. Ich bin für mein Tischtennis immer wieder. Die macht keine Sachen. Manchmal kommt sie vorbei und guckt und hat ihren Spaß und dann: "Ich gehe wieder. Tschüss." Sie ist cool, ja." "Familie ist gerade im Machen. Also, ich habe einen elfjährigen Sohn von meiner Exfrau. Und da ist der Kontakt immer da, schon seit der Trennung. Und jetzt mit Neuheirat und allem, das ist alles gerade am Laufen. Läuft gut." Das Thema Tischtennis hat Hakan bisher ausgespart. "Noch weiß sie nicht, dass es einen erheblichen Teil meines Lebens einnimmt. Das weiß sie noch nicht. Sie fragt immer wieder natürlich... "Wohin gehst du?" ... aber wird sie noch früh genug... aber ich glaube jetzt nicht.. ich meine, wenn man so die Zeit hat wie ich, dann mache ich das hier.... Wenn ich jetzt, sage ich mal, eine Frau habe, und sie möchte mit mir zusammen etwas unternehmen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das dann ignoriere und trotzdem hierher komme. Also, so verrückt bin ich nun auch wieder nicht." "Ich habe schon immer gern Tischtennis gespielt als Kind, so wie andere auch. Aber irgendwie dann nicht mehr gespielt. Und dann haben wir hier vorne gegrillt und in der Pause haben wir gesagt: machen wir ein paar Bälle. Dann hat es Spaß gemacht, und auf einmal ging es los und dann haben wir uns verabredet tagtäglich hierher. Und da waren wir natürlich ein bisschen zu schlecht für die Leute, die hier waren. Jetzt ist es natürlich mindestens ausgeglichen. Und dann fing das halt an. Dann haben wir festgestellt: wir können gar nicht mehr ohne." "Das ist schon eine Sucht gewesen bei uns, beziehungsweise ist es immer noch." "Sehe ich auch so. Ich habe mehrere solche Süchte. Aber ich stehe dazu. Die erste Sucht ist Tischtennis, Schach spiele ich auch ziemlich intensiv, Radfahren tue ich natürlich gerne, Schwimmen. Ich finde, wenn viele Leute solche Süchte hätten, dann sähe das bei uns gut aus." "Der war viel zu kurz zum Ziehen für dich." "Ach Quatsch." "Logo. " Vom Fenster seiner Wohnung aus kann Holger 1 die Tischtennisplatten sehen und weiß, ohne auf die Uhr zu schauen, dass es halb zwei ist, wenn Günter unten sein Fahrrad abstellt. "Also, auf jeden Fall habe ich mich tischtennismäßig verbessert. Logisch, wenn man jeden Tag zwei Stunden trainiert oder spielt. Aber darum geht es mir eigentlich nicht. Ich bin jemand, der dem Buddhismus zugewandt ist und dem Hier und Jetzt, Nicht denken und so weiter. Und das kann man beim Tischtennis gut. Man ist so voll in seiner Mitte, und kann vollkommen abschalten und den Kopf leer machen, ja. Das ist das Wichtige." "Also, ich schalte auch ab. Sobald ich an der Platte stehe, schalte ich auch ab. Das ist wie ein Fluss, der einen dann irgendwie übermannt. Da denkt man nicht mal irgendwie daran, eine Zigarette zu rauchen oder ein Bierchen zu trinken, sondern einfach nur zu spielen. Das ist so für mich mein Ding." "Wahnsinn." "Schöner Ballwechsel." "Vor allen, wenn du dann zwei Stunden intensiv gespielt hast, dann kannst du das Glück haben, dass du noch einen kleinen Flash kriegst. Als wenn du einen schönen Joint geraucht hast, so ist das dann eben. Du bist noch mehr in der Mitte und manchmal so im Fluss und in so einer Situation können dir manchmal auch so unmögliche Dinge gelingen." "Manchmal, besonders wenn man Doppel spielt, dann nervt dich dein Partner manchmal. Und dann sagst du etwas, und dann: "Ich spiele Tischtennis schon ewig hier. Ich bin kein neuer Spieler." Und dann merkst du: "Lass ihn! Wir kommen ja ganz gut klar miteinander." "Mann, Alter. Das war so einfach" "Und die Leute hier sind auch alle in Ordnung. Das ist ja auch wichtig. Wir haben ein paar sensible Künstler dabei, die das Spiel manchmal zu ernst nehmen. Aber so ist das eben im Leben." "Was für ein Ping-Pong!!" "Manchmal spielen wir hier im Winter. Auch wenn es mit Eis bedeckt ist, kratzen wir das Eis weg vom Tisch und spielen. Aber es gehen mehr Bälle kaputt." "Guck mal! Siehst du das hier? Das kriegen wir nicht... ich glaube, das können wir heute..." Ein Montag im Dezember. Am Wochenende hat es geschneit. "Den Schnee könnte man ja wegfegen," meint Holger 2. Aber darunter ist Eis. "Es gibt so einen Punkt... ich glaube, da ist eine Grenze. Dann muss man erstmal warten, bis das hier wieder abgetaut ist." "Hallo Amir." "Scheiße, hätte ich mal Günter angerufen." "Guck mal hier!" "Ach, das kriegst du alles weg." "Aber da muss man schon was Härteres nehmen als den Finger." "Hast du schon recht." Wo steckt Günter? Normalerweise müsste er schon da sein. "Dass er jetzt nicht hier ist, zeigt schon, dass er nicht glaubt, dass jemand kommt." "Ich glaub auch." "Das ist bei Günter selten." "Sonst ist der immer relativ pünktlich." "Ja, dann müssen wir morgen hier mal zusammen Schnee schippen." "Ja, das ist jetzt die Zeit für drinnen. Wenn du was drinnen weißt?" "Ja, bei Günter im Keller." "Ja, höchstens da. An seiner Platte im Keller." "Aber ich brauchte da gar nicht hingehen. Ich komme da zwei Minuten mit, dann ist es vorbei bei mir. Das ist bei mir im Augenblick nicht zu machen mit so schnellen Geschichten und vor allem nicht mit Günter. Der ist dann auch eher schnell traurig und beleidigt, wenn man dann nicht mitkommt. Und dann mag man nicht aufhören." "Na ja, ich mache mich wieder auf den Weg nach Hause." "Ich werde Günter gleich mal anrufen." "Rufst du ihn an?" "Ja." Am nächsten Tag sind die Tischtennisplatten schnee- und eisfrei. Das hat Günter am Vormittag im Alleingang erledigt. "Günter nicht ärgern! Freu dich! Es ist Winter, schönes Wetter. Du hast schön sauber gemacht." "Es ist in erster Linie Tischtennis. Privat habe ich eigentlich so gut wie keinen Kontakt zu denen. Das ist schon für mich in erster Linie Tischtennis, und danach war ich meistens auch kaputt, und dann geht man auseinander. Ja, manchmal ergeben sich ja auch persönliche Gespräche. Aber darüber hinaus habe ich mich nicht mehr darauf eingelassen." "Nein, weiß ich nicht. Ich jedenfalls nicht. Ich spiele hier Tischtennis. Das ist jetzt für mich nicht die Fundgrube für Freunde. Sind auch fast alle jünger." "Das sind Tischtennisbekanntschaften. Ich sage mal, vielleicht würde sich daraus mal irgendwas ergeben. Aber, ich sage mal, ich habe selber so viele Freunde, da ist man dann, ich würde nicht sagen ausgelastet, aber in einem bestimmten Alter, da sucht man keine Freund mehr, da hat man sie. Und wenn dann noch mal irgendjemand kommt, dann muss das was Besonderes sein, ja. Also, ich forciere da nichts." 1