Deutschlandrundfahrt Nixen, Elfen, Wassergeister Leben an der Elbe zwischen Magdeburg und Riesa Von Matthias Baxmann Sendung: 18. Mai 2013, 15.05h Ton: Hermann Leppich Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013 Atmo 1 ca. 4´´ frei darüber weiter mit Text O-Ton 1: Man sagte ja früher, dass die Nixen, die in der Elbe wohnen - unser Nixstein sollte ja die Wohnung gewesen sein, wo die sich drin versteckten - dass die Nixen jedes Jahr ein Opfer forderten, damit die Menschen eben ihr Reich benutzen konnten. - Ich habe zum Beispiel zwei Schulkameraden eingebüßt, die in der Elbe ertrunken sind. Es gibt aber auch angenehme Geschichten, dass Sonntagskinder die Nixen singen hören. Und wenn man hier mit einer Schulklasse kommt und erzählt das, dann gibt’s immer welche, die eifrig hören (lachen). Kennmelodie Nixen, Elfen, Wassergeister Leben an der Elbe zwischen Magdeburg und Riesa Eine Deutschlandrundfahrt von Matthias Baxmann Kennmelodie Atmo 2 unter Autor Autor: Das sächsische Städtchen Strehla liegt etwa in der Mitte zwischen Dresden und Dessau auf einer Anhöhe. Unterhalb des abschüssigen Stadtparks strömt die Elbe vorbei. Zwischen den weiten Uferzonen, die sich weit ins Land erstrecken, fließt der Strom scheinbar ungebändigt Richtung Norden. Das Wasser ist aufgewühlt und verwirbelt. Zu Fuß könnte man einem treibenden Baumstamm so schnell nicht folgen. Hier am Ufer zwischen Schilf und vom Biber angenagten Bäumen liegt der Nixstein, jedenfalls das, was davon noch übrig ist. Früher ragte die gewaltige Granitader bei Niedrigwasser sogar aus dem Fluss hervor und das Nixenschloss brachte so manchen Schleppkahn zum kentern. Deshalb sprengte man den Wasserfelsen in den dreißiger Jahren einfach weg. Und mit ihm wohl auch die Nixen. Atmo 3 unter Sprecher bzw unter alles O-Ton 2: Die Elbe war ja an und für sich kein schiffbarer Fluss. Die Elbe ist ja erst später ausgebaut worden. Früher waren ja auch die Schiffe viel kleiner, denn die Bomätscher mussten ja die Schiffe stromaufwärts ziehen. Man hatte ja auch noch keine Technik, die die Schiffe vorwärts brachte gegen die Strömung. Es wurde richtig getreidelt. Ja, Bomätscher, das ist slawisch, das heißt auf Deutsch: Helfer. Autor: Lothar Schlegel ist Rentner. Er hat sein ganzes Leben hier an der Elbe verbracht. Als Kind erlebte er noch die Flößerei. Mit seinen Freunden balancierte er auf den zusammen geflochtenen Baumstämmen aus Böhmen, wenn die Flöße in Strehla anlegten. Damals gab es hier auch einen Elbfischer. O-Ton 3: Ich habe noch für meinen Großvater in den damaligen Marmeladeneimern, die waren doch so aus Blech mit so einem Deckel drauf, da habe ich immer noch Fische holen müssen beim Fischer. Dann kippte der Opa die Fische in die Badewanne und dann wurden die begutachtet. Und einmal, weiß ich noch, musste ich den Fisch wieder hinschaffen, denn der war ihm nicht groß genug. Autor: Der Fluss trennt die Landschaft in zwei Hälften. Über 50 Kilometer sind es an der Mittelelbe manchmal von einer Brücke bis zur Nächsten. Schwierig, wenn die Liebste zum Greifen nahe im Dorf auf der anderen Uferseite wohnt - wie die von Lothar Schlegel seinerzeit. O-Ton 4: Das große Eckhaus, das hieß früher „Das Gasthaus zum Schiffchen“. Dort war eigentlich der größte Tanzsaal von Strehla. Und na ja, wenn man dann gerade so ein nettes Mädchen hatte, die sagte, ich wohne aber über der Elbe, dann musste man eben sehen. Dann haben eben auch manche die ganze Nacht bis früh zur ersten Fähre mit ihrer Liebsten verbracht. Wenn hier Tanz war, dann fuhr der Fährmann schon noch nach dem Tanz noch mal zwei mal hin und her, aber wenn du dann nun erst noch eine Heimfuhre machen wolltest - so lange hat er nicht gewartet. Autor: Vor tausend Jahren konnte man an dieser Stelle noch durch den Fluss waten. Sand und Geröll hatten sich vor dem Nixstein zu einer Furt angestaut, so dass man die Elbe mit Pferdewagen überqueren konnte. Später segelte man über die Elbe. Eine Fähre zum kleinen Ort Lorenzkirch gegenüber gibt es auch heute noch. O-Ton 4 läuft durch O-Ton 5:: Das ist die fünfte Fähre, wo ich bin. Angefangen: Coswig, Zeren-Spitzhäuser, Kleinzadel-Niedermoschütz, Niederlommatsch, Riesa-Promnitz und jetzt bin ich in Strehla. - Wie oft fahren Sie denn so am Tag? - Heute ein Mal, morgen hundert Mal. Ich kann doch nicht bestimmen, wie die Leute kommen. Autor: Ingo Kowalski ist Anfang 50. Mit einem Tuch um den Kopf und seinen kräftigen Armen erinnert er an einen Seeräuber. Mit ein paar schwungvollen Drehungen des Steuerrades bringt er den 8 Meter langen Fährkahn in die Strömung. O-Ton dito: Machen Sie das gern? - Wenn ich’s nicht gern machen würde, hätte ich es nicht schon 32 Jahre gemacht. Gerade jetzt um die Jahreszeit, das ist die schönste Zeit, wenn das alles grün wird, wenn ich früh rausgehen kann und mich draußen hinsetzen, die Sonne geht auf, und die Vögel zwitschern. Was Schöneres gibt es nicht. Autor: Kowalski weist auf einen Poller am anderen Ufer. Auf ihm sitzt ein Kormoran und hält Ausschau nach Fischen. Der Fährmann setzt nach Bedarf über. Auf der Schiffsbank sitzt nur ein altes Ehepaar. Sie halten ihre Gesichter in die Sonne und scheinen die Überfahrt zu genießen. O-Ton dito: Arbeiter haben wir ein paar, Schüler, Rentner. Hier hüben hast du ja nichts. Es geht von Kreinitz, Konnewitz, Lorenzkirch: Kein Konsum, kein Bäcker, kein Friseur, keine Sparkasse, kein Doktor. Nichts! Kreinitz hast du einen Landgasthof und Jakobstal die Hasenschenke, aber die wollen sie ja zumachen. Die Hasenschenke, das ist ja außen beim Bahnhof. Ist ein bisschen weg vom Ort. Und da dort wenig hinkommen, hat der Kneiper sich gesagt, da musst du dir was einfallen lassen. Und da hat der die Genehmigung gekriegt - da sage ich auch nicht den Namen - einmal im Monat Table-dance zu machen. Jetzt haben das die lieben Frauen von da hinten mitgekriegt: Alter, wo willst du hin? Hier wird geblieben! Und wehe, du gehst dort hin, aber da! Was ist denn da weiter bei, wenn da eine an der Stange oder auf dem Tisch rumhopst? Da sitze ich da, trinke mein Bier und dann gehe ich wieder heim. Du hast eben Frauen dabei, die ihrem Mann nicht weiter trauen. Autor: Die Fähre dreht den Bug gegen die Strömung, noch 5 Meter bis zum Anleger. O-Ton dito: Wenn der Fährmann kein Wasser bis zum Knie hat, fehlt was. Bei der anderen Fähre Kleinzadel-Hintermuschitz, dort hab ich fast an der Fähre gewohnt. Ob ich in der Stube gesessen hab; Fähre gesehen, im Bette gesessen; Fähre gesehen. Da bist du aber auch 24 Stunden mode: Fährmann! Kannst du mal raus kommen? Na ja, da bist du aufgestanden und hast die Leute eben rüber geschafft. Wer stellt denn sich sonnabends, sonntags, feiertags hier hin? Du findest keinen 25 oder 30jährigen. - Mir macht das nichts aus, weil ich den Beruf mit Freude mache. 01 Musik Schubert: Der Schiffer (1´42), gleich anschließend Atmo 4 steht kurz frei, darüber Autor, unter O-Ton 6 ausblenden Autor Riesa liegt etwa 7 Kilometer von Strehla entfernt. Die Elbe liegt unterhalb der Stadt, ihr Ufer geht in den Stadtpark über und ist naturbelassen, ursprünglich. Ein Lastkahn mit tschechischer Flagge tuckert stromaufwärts. Auf den Riesaer Elbwiesen sitzen vier Gymnasiasten mit einem Bier in der Hand. O-Ton 6 ( läuft durch): Es sind schon viele Jugendliche hier, grillen. - Hier ist ja meistens das Stadtfest auf dem Platz dann, jedes Jahr. Hier sind höchstens Wettkämpfe wie die Drachenboote oder so. - Mussten wir immer antreten. - Da gibt es direkt immer solche Schulcups. - Wir sind die Titelverteidiger, aber wir treten nicht mehr an. Autor: Denn die jungen Männer stehen kurz vor ihrem Abitur. O-Ton dito: Es gibt ja hier vorn dieses Bootshaus und dann hat jedes Team immer sein Drachenboot und dann sind immer - Wie viel Leute sind in so einem Drachenboot? - 16 Leute. - 16, 17 Leute und dann fahren die halt da drüben in dem Seitenarm gegeneinander Rennen. - Immer zwei gegeneinander - Wie viel insgesamt? - 10 vielleicht, 12 Teams vielleicht. Wir haben dann hier mit dem Bootshaus zusammen trainiert, nicht direkt von der Schule aus. Na ja, letztes Jahr, wir sind ja Titelverteidiger. Nächste Woche fangen halt die Prüfungen an. - Keine Zeit mehr. Unter folgenden Sprecher Atmo 5 legen O-Ton 7: Ja, Drachenbootrennen seit vielen Jahren, jährlich, wo Betriebe von Riesa und auch auswärtige Kanuten um die Plätze kämpfen. Autor: Mit seinen 84 Jahren erinnert sich Herbert Küttner noch an den Lärm einer ganz anderen Art von Schiffsverkehr auf der Elbe. Die war aber in seiner Kindheit schon im Niedergang begriffen. O-Ton 8: Dann sind ja auch früher hier die Kettenschiffe gefahren, wenn das ein Begriff ist, von Melnik bis Hamburg. Die haben sich an einer Kette fortgezogen. Die lag in der Elbe. Riesa hat auch ein Stück noch davon. Es kann sogar sein, dass irgendwo noch ein Stück in der Elbe liegt. Autor: Die Kettenschifffahrt – heute unbekannt, aber Mitte des 19. Jahrhunderts revolutionierte sie den Lastverkehr. Bis dahin versuchte man stromaufwärts zu segeln oder die Kähne zu treideln, also zu ziehen. Die Kettenschlepper konnten bis zu 12 Lastkähne hinter sich her ziehen, weil sie mit Dampfmaschinen angetrieben wurden. O-Ton 9: Probleme gab es, wenn sie sich ausweichen mussten, aber irgendeine Lösung hatten sie da auch. Autor: Herbert Küttner ist eine Art Ortschronist von Riesa. Als solcher kann er natürlich auch von der Geschichte der Namensgebung seiner Heimatstadt erzählen. O-Ton 10: Die Sage von Riesa Atmo 1 nach Effekt darüber weiter O-Ton dito Nach dieser uralten Sage zog einst ein Riese durchs Land. Es war an dem glutheißen Tage, beschwerlich der Marsch durch den Sand. Da kam auf seinem Marsche der Riese an einen Fluss. Er fühlt seine eigene Schwäche, doch über den Strom er muss. Er leert seine Stiefel am Strande, es rinnt und rinnt immerzu. Die Stiefel sind leer vom Sande, fort geht der Marsch ohne Ruh. Dort, wo der Riese ruhte, ein Hügel neu entstand. Und bald der Samen erblühet, wurde fruchtbar das junge Land. Atmo 1 aus Seit vielleicht 10, 15 Jahren, da gibt es auch einen Mann, der sich als Riese verkleidet und wenn irgendwie Festlichkeiten sind, dann tritt der dann als Riese auf. Atmo 2 unter letzte Worte einfahren, steht kurz frei darüber weiter O-Ton 11 Als Scherz sage ich immer: Ich sitz gerne hier, denn es kommt immer neues Wasser. 02 Musik – Im Anschluss gleich Musik, Komp. :Wagenseil: in G Major 3 Vivace (ab 01’28 für 30 sek.), darunter vorige Wasseratmo langsam ausblenden Musik steht kurz frei, darüber Autor, Musikende =Textende von Autor Autor: Zwischen Riesa und Elster – also auf einer Länge von 100 Kilometern - schwingt sich der Strom durch die Elbauen, die bis zu 5 Kilometer breit sind. In Mäandern durchzieht er die kaum bebaute Natur. Am nächsten ist man dem Fluss hier auf dem ausgebauten Elbe-Radweg. In Elster kreuzt dieser Weg den Fluss. Musikende, Atmo 6 darüber: Autor: Auch hier gibt es nur eine Fähre. Aber Fähre ist nicht gleich Fähre Etwa 8 Autos passen auf den Kahn. O-Ton 12 mit Atmo-Ende überblenden O-Ton 12 (läuft durch): Wir haben jetzt hier eine Gierseilfähre. Die geht also nur durch die Strömung der Wasserkraft, wird die angetrieben. Die wird in einen bestimmten Winkel zur Strömung gestellt, hat also keinen Motor und wird durch diesen Winkel entweder auf die eine oder andere Seite gebracht. Autor: Fährmann Elstermann weist mit der Hand stromaufwärts. In etwa 200 Metern Entfernung ist das Fährseil nahe dem Ufer im Fluss fest verankert und verhindert so das Abtreiben der Fähre. Je nach Winkelstellung „giert“ der Kahn durch die Strömung zum anderen Ufer. O-Ton dito: Das Prinzip gibt es eigentlich schon seit 1650, hat das mal ein Holländer erfunden, das Prinzip. Wir haben keinen Motor, um die Fähre zu bewegen, also, es wird alles nur über Wasserkraft gemacht. Autor: Ist die Fähre am jenseitigen Ufer, dann ist das Fährseil quer über den Fluss gespannt. O-Ton dito: Da können aber jetzt keine Schiffe durchfahren? - Jetzt zur Zeit nicht, weil wir jetzt auf der Elsteraner Seite liegen. Wenn Schiffe kommen melden die sich per Funk bei uns an (Funk-Ansage). Wir haben jetzt gerade das Glück jetzt kommt Schifffahrt. Und ich muss jetzt auf die andere Seite rüber und die Schiffe können nur auf dieser Seite die Fähre passieren. Und es hat sich gerade ein Schiff gemeldet, ca. 2 Kilometer entfernt. Und dann fahren wir rüber und machen uns fest und dann kann das Schiff passieren. Ja, hier ist die Fähre Elster, einen schönen guten Abend, ich mache jetzt für Euch das Fahrwasser frei. Ich wünsch euch noch eine gute Weiterfahrt und einen schönen Abend (Funk-Ansage). Autor: Eine Frau ist während der Überfahrt aus ihrem Wagen gestiegen. Sie lehnt am Geländer und schaut in die Weite des Elbtals stromabwärts. O-Ton dito: Spart viel Fahrtzeit und schöner, entspannter, einfach ruhiger, die Fähre zu fahren als wenn ich durch die Stadt fahren muss. Kannst einfach mal alles um dich herum genießen. Das hat einfach was, mit der Fähre zu fahren. So ist immer Hektik, immer Stress, bist immer im Gange, so musst du einfach mal die paar Minuten genießen.. Autor: Die Fähre legt an. O-Ton dito: Also im Winter ist es etwas ruhiger, aber im Sommer die Radfahrer, wir haben jetzt drüben diesen Radweg hier, geht das richtig ab hier . Schlussatmo von O-Ton 12 Atmo mit Atmo 2 überblenden darüber weiter mit Text Autor: Mit dem Flusslauf ändert sich nicht nur der Dialekt - wir sind jetzt in Sachsen-Anhalt. Auch das Ufer sieht anders aus. Im Sachsen des 19. Jahrhunderts schüttete man Dämme auf, um den Strom für die Schifffahrt in einem beständigen Flussbett zu halten. Im damaligen Preußen hingegen baute man Buhnen. In einem Abstand von genau 207 Metern. Sie ragen an beiden Uferseiten ins Flussbett. Bei Beginn O-Ton 13: Atmo 2 ausgeblendet O-Ton 13: Durch die Buhnen wird ja das Wasser immer wieder zur Mitte gelenkt, dadurch ist es eben gelungen, die dann in die Form zu bringen wie sie jetzt halt ist, und die hat sich ja die letzten 200 Jahre nicht verändert. Unter alles Atmo 3 legen Autor: Und so sieht man bis heute an der Art der Uferbefestigung: ab Kilometer 121 begann Preußen. O-Ton 14: Mein Name ist Lutz Rotte. Ich bin der Vorsitzende des Kanuvereins „Harmonie“, Elster/Elbe, bin hier geboren, bin hier groß geworden, mit der Elbe gelebt. Autor: Hier bei Elster beschreibt der Fluss eine schlaufenartige Kurve. Es ist der Elbbogen mit dem engsten Radius im ganzen Flusslauf. Gleich hinter dem Mäander liegt das Bootshaus des Kanuvereins. O- Ton 15: Es ist ja so genial im Sommer drüber auf der anderen Seite ist überall weißer Sand. Der ist teilweise feiner wie an der Ostsee. Das ist so Schwemmsand, ganz fein, der verändert sich natürlich nach jedem Hochwasser. Das hat man nachher hinter den Buhnen riesige Sandbänke, wo man ganz wunderbar im Sommer sich tummeln kann. Autor: Und vor allem auch baden. O-Ton 16: Es schwimmt sich ja in so einem fließenden Fluss viel leichter als in einem stehenden Gewässer, weil, das Wasser dreht sich ja ständig. Man braucht da bloß mit den Händen ein bisschen wackeln. Hier sind wir rein, in die Buhne hier hinten und zwei Buhnen bergab auf der anderen Seite sind wir angekommen. Und drüben waren dann schöne Sandbuhnen, da haben wir dann Fußball gespielt. Autor: Der Kanuverein von Elster hat etwa 120 Mitglieder. Ebenso viele Paddelboote stapeln sich in den Regalen des Bootshauses. Die Einwohner des 2500 Seelen-Ortes scheinen regelrechte Wasserratten zu sein. Vielleicht liegt die traditionell enge Bindung zur Elbe daran, dass bis vor dem Zweiten Weltkrieg etwa die Hälfte der Elsteraner von der Binnenschifferei gelebt haben. O-Ton 17: Ja, die Elbe bin ich gefahren von Prag - das war ja eigentlich noch die Moldau - bis hierher am Stück eine Woche. Das besondere ist an der Elbe, dass sie eigentlich soweit wie man sie mit dem Paddelboot befahren kann, nicht gestaut ist. Sie ist urwüchsig geblieben. Diese sagenhafte Natur, die an der Elbe stattfindet, Vögel, Kraniche Seeadler, Biber, man hat alles. Autor: Die Pegelstände der Elbe wechseln ständig. Besonders hoch sind sie im Frühjahr. Im Jahr 2002 kam es zum Jahrhunderthochwasser, als ganze Ortschaften entlang der mittleren Elbe überschwemmt wurden. O-Ton 18: Jedes Frühjahr haben wir Hochwasser. Dann sind die Buhnen weg und drüben war das gesamte Gelände bis Wartenburg rüber, sind etwa 4 Kilometer, alles unter Wasser. Man denkt, man lebt an einem großen See. Und da paddeln wir Kanuten natürlich auch, weil, da kommt man an Stellen hin, wo man sonst nie hinkommt. Hier in Wartenburg rüber sind etliche alte Elbarme. Wenn dann das Wasser rein läuft dort, da gibt es Stellen, da kann noch nicht mal jemand lang wandern, da fährt man dann mit dem Boot durch. Autor: Mit der Verbesserung der Wasserqualität in den letzten 20 Jahren hat sich nicht nur der Fischbestand verbessert. Die Fische sind auch genießbarer geworden. Es heißt, früher schmeckten sie nach Seifenlauge. Doch nicht nur den Fischen scheint das Wasser jetzt besser zu bekommen. O-Ton 19: Verkosten tun wir das Wasser seit 1990. Wir machen dann immer im Sommer eine Fahrradtour nach Galin in die Kneipe an der Elbe und dann wird Elbwasser geschöpft. Das ist jetzt schon ein richtiges Ritual. Und dann wird gekostet. Jeder ein Glas voll Elbwasser und ich kann nur sagen: Es leben alle noch, ist noch keiner gestorben. Das ist, wenn es normal ist, absolut geschmacksneutral. Autor: Bootfahren, Baden, Fußball am Elbstrand - doch wie ist hier der Winter, wenn die Landschaft keine Farben hat. Friert die Elbe manchmal zu? O-Ton 20: Ich habe es drei Mal erlebt, in den 60er Jahren, im Winter, war ich schon in der Schule, da ist so viel Treibeis drauf. Ich weiß noch, wo ich das erste Mal rüber bin mit meinem Vater, sind wir in eine Leiter reingekrochen, 7, 8 Meter Leiter. Und dann 4, 5 Meter auseinander und dann losgelaufen. Man sieht ja dann die Stellen. Das Gefährliche war ja immer zwischen den Schollen, wo es dann zufrieren musste. Er hat immer gesagt, Junge, wenn du da reinfällst, zieht einen sofort die Strömung weg. Da hatte man überhaupt keine Chance. 03 Musik Schubert: Winterreise „Auf dem Fluss“ unter letzte Worte einfahren, Textende= Strophenanfang Musikende bei 1´58 Atmo 1, nach Effekt darüber weiter Zitator: Einst ruhte Ritter Willfried, vom Jagen müde an der Elbe. Da sah er einen Muschelkahn über den Fluss kommen, gezogen von zwei schneeweißen Schwänen. In der Muschel aber saß ein gar liebliches Mädchen mit Schilf und Wasserrosen im Haar. Das Mädchen winkte ihm, und ohne Zögern stieg er zu ihr in den Muschelkahn. Bereitwillig erzählte sie ihm, dass sie Elwine heiße, die Beherrscherin der Elbe sei und dass sie ihn lieb gewonnen habe. Er müsse ihr nur treu sein und dürfe niemals zu erfahren begehren, was sie manchmal heimlich triebe. Willfried und Elwine kamen von nun an oftmals zusammen, sie nahm ihn mit in ihr Schloß, und beide waren glücklich und zufrieden. Eines Tages aber brach Willfried sein Versprechen und belauschte seine Liebste beim Spiel mit anderen Nixen. So kehrte Elwine nie wieder zu ihm zurück. Fröhlich und heiter ist Willfried niemals wieder geworden. O-Ton 21: Wir befinden uns hier im Leopoldshafen. Das ist ein Schutzhafen an der Elbe, am Elbkielometer 261,5. Wir werden jetzt den Hafen gleich verlassen und die Elbe zu Tal fahren, zu Tal, sprich, Richtung Hamburg, aber so weit wollen wir heute sicher nicht fahren. unter nächsten Sprecher Atmo 7 legen, mit O-Tönen überblenden Autor: Das Polizeiboot von Dessau manövriert in dem kleinen Seitenarm. Zur Besatzung gehören zwei durchtrainierte Frauen um die 40 und Dietmar Bloch - ein freundlicher Seebär von knapp zwei Metern. - In der Mündung zum Hauptstrom schwimmt etwas: Ein totes Schaf, ein Baumstamm oder nur Gestrüpp? Polizeihauptmeisterin Georgi Stemmler greift zum Fernglas. O-Ton 22: Ist das ein Kadaver? Baumstamm! - Vielleicht wächst die Mulde, weil, das sieht aus wie aus der Mulde hier. Autor: Die Mulde kommt aus dem Erzgebirge und fließt bei Dessau in die Elbe. O-Ton Dito: Das Problem ist nämlich, wenn wir das jetzt in die Maschine kriegen, in die Schraube, gibt’s gleich eine Havarie. Autor: Polizeihauptmeisterin Jedwapski steuert das Boot bei der täglichen Streifenfahrt. O-Ton dito: Komme ich vorbei? - Ja, ja. - Bei der normalen Streifenfahrt achten die Kollegen schon darauf, wie ist der Zustand der Wasserstraße. Autor: Dietmar Bloch ist Chef der beiden Damen. Normalerweise sitzt er im Büro und ist für Schifffahrtsrecht zuständig. Er freut sich über die Abwechslung, mal wieder auf der Elbe zu sein. O-Ton 23: Jetzt war gerade eine Bachstelze hier vorne auf dem Vorschiff. - Sie hatten es ja gesehen bei der Ausfahrt aus dem Leopoldhafen, war Treibgut in der Wasserstraße. Das war in dem Falle relativ kleinstückig. Bei größeren Sachen müssten wir natürlich Maßnahmen ergreifen, um die Schifffahrt zu warnen oder sofern es uns möglich ist, würden wir selbst die Bergung zumindest bis zum Ufer dann übernehmen. Autor: Doch nicht nur Treibgut findet sich in der Elbe. Eine der Aufgaben bei der Streifenfahrt ist, auf die Einhaltung des Umweltschutzes zu achten. O-Ton 24: Zum Beispiel Altautoentsorgung, das war hauptsächlich ein großes Thema bis vor Jahren, hat allerdings schon abgenommen. Man hat versucht, sich der Altautos zu entledigen und hat sie in die Bundeswasserstraße geschoben. Es kommt hin und wieder auch vor, wenn zum Beispiel das Wasser und Schifffahrtsamt Baggerarbeiten durchführt, dass man da auch noch alte Autos mit am Haken hat. Dann haben wir auch meistens, oft den Verursacher noch gefunden. Autor: Hinter Dessau öffnet sich das Elbtal breit, und nach vorn kein Land in Sicht, als würde man aufs Meer schauen. O-Ton 25: Das ist zum Beispiel dieses typische Bild von der ursprünglichen Elbe. Es ist relativ wenig eingegriffen in die Natur. Also, die Buhnen ziemlich weit auseinander und Rechts und Links diese Überflutungsgebiete eben. Das heißt, wenn die Elbe jetzt höher wäre, könnten sie bis zum Wald super gucken. Das sind alles Überflutungsgebiete. Die gehen teilweise wirklich, ich denke mal, so auf 10 Kilometer, 20 Kilometer haben wir teilweise, wenn man Rechts und Links zusammen zieht. An manchen Stellen, nicht überall. Autor: Keinerlei Bebauung soweit das Auge reicht. Nur Wiesen, Gesträuch und vereinzelt eine Weide. Und: Polizisten als Vogelliebhaber! O-Ton 26: Ich finde die so was von schön! - Die Kormorane? - Ja, ich bin ein Fan von denen, ganz ehrlich. - Ich bin mehr ein Fan von denen dort drüben, die Graureiher. - Ich finde die Kormorane immer so schön, wenn die oben auf den Schildern sitzen und sich schön trocknen. - Grade, wenn sie im Morgengrauen kommen, dann schwimmen ihnen die Biber vors Boot oder es schwimmen gleich mal eine Horde Wildschweine durch die Elbe. Oder sie haben halt einen Eisvogel, sie haben die Silberreiher, die Schwarzstörche, Seeadler. Die Natur, die hat sich so wahnsinnig gut erholt, aber immer im Einklang mit der Schifffahrt, und das kann super gut funktionieren. Hier drüber ist alles Naturschutzgebiet, hier dürfte zum Beispiel nie einer auf der Buhne stehen oder außerhalb der Wege sich bewegen. - Der will sich erholen, darf er dann nicht, weil es diese Naturschutzverordnung, Biosphärenreservat mittlere Elbe gibt. - In den Totalzonen, also, Zone 1, dürfen sie nicht die Wege verlassen und Rechts und Links, das haben sie zu vermeiden. Ist natürlich für die Menschen sehr schwer zu akzeptieren, weil, die kommen hier runter im Sommer und wollen sich sonnen und verstoßen dann halt gegen das Naturschutzrecht. Autor: Die Beamten machen überwiegend Routinekontrollen von Sportbooten und Anglern, vor allem aber bei der Berufsschifffahrt. Bei ihren Besuchen auf den Lastkähnen erhalten sie auch Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Schifferfamilien. O-Ton 27: Bei den Tschechischen Schiffen ist es nicht wirklich gemütlich. Da möchten Sie nicht wohnen. Oder kommen Sie auf ein Deutsches Binnenschiff, was privat ist oder auf ein Holländisches, die haben schon Wohnungen drauf, bis zum weißen Plüschteppich haben sie da alles. Da trauen sie sich da nicht rein. Gerade auf den Tschechischen Binnenschiffen - welche Entbehrungen die eigentlich haben, wenn die hier so die ganze Zeit unterwegs sind, wochenlang - ist schon Wahnsinn, mit welchen Enthusiasmus die ihre Schiffe noch erhalten und fahren und leben, also, es ist Wahnsinn, muss ich sagen. Autor: Viel ist heute nicht los auf der Elbe, bisher nur ein Lastkahn. Georgi Stemmler schaut durchs Fernglas. 200 Meter voraus sitzt ein Angler am Ufer. O-Ton 28: In den Naturschutzgebieten dürfen die sowieso nicht angeln. In den anderen Zonen des Biosphärenreservats gibt es Genehmigungen, dass sie angeln dürfen. Und dann stehen die auch schon auf den Sandbänken. Das ist dann schon erlaubt. Autor: Der Angler winkt vorsorglich. Er hat Glück. Polizeichef Bloch winkt zurück. Ist selbst ein Angler. Das Boot fährt weiter. Wie kommt man überhaupt zu diesem Traumjob auf dem Wasser? O-Ton 29: Bei mir war es so, dass ich aus der anderen Polizei rüber gekommen bin 1990, zur Wasserschutzpolizei, das Glück hatte, genommen zu werden. Das war damals als Frau nicht so einfach. Es ist noch heute nicht so üblich, dass es viele Frauen gibt bei der Wasserschutzpolizei. Wir sind zum Beispiel auch mit einer Kollegin in Magdeburg die beiden Einzigen in Sachsen - Anhalt. Autor: Das Boot wird langsamer. Polizeihauptmeisterin Stemmler traut ihren Augen nicht. In einer Bucht zwischen zwei Buhnen steht ein junges Pärchen in Badesachen knietief im Wasser. Offensichtlich wird hier angebadet. Verboten ist das allerdings nicht. O-Ton 30: Wir haben ja regelmäßig diese Elbeschwimmen. Die sind dann an der ganzen Elbe, meistens an einem Tag, Durchschwimmen der Elbe. Und da sieht man dann schon, das sollte man nicht unterschätzen, wie gute Schwimmer so 500 Meter abtreiben. Weil gegen die Strömung anschwimmen, hat keinen Sinn. Das schaffen nur Wildschweine. Das ist für mich immer wieder kurios, die gehen an einem Punkt rein und kommen genau am anderen wieder raus. 04 Musik „Mitten auf der Elbe“ mit letztem Satz überblenden, Kalvierausgang mit Lachen von O-Ton 31 überblenden Sprecher bzw. alles unterlegt mit Atmo 3 O-Ton 31: Das ist so ein richtiger Anziehungspunkt. - Da kann das Wetter noch so schlecht sein, aber mal gucken muss sein am Tag. Autor: Zwei ältere Ehepaare stehen am Elbufer von Breitenhagen, knapp 40 Kilometer vor Magdeburg. Auf der verblichenen Mütze von Schiffer Jahn prangt ein Ankerabzeichen. O-Ton 32: Der Geruch von Wasser, das braucht man. Wenn du zum Wasser kommen tust, einen gewissen, irgendwie ein Geruch kommt dann immer so, weil das Wasser bewegt sich doch, das ist doch nicht ein stehendes Gewässer bei uns die Elbe. Früher hat das nach Chemie richtig gestunken, ja. Und wo wir jetzt hier groß geworden sind, wir sind ja Breitenhagener Bürger, geboren hier und da freut man sich wenn man wieder runter kommen tut. Mal gucken muss man. Einmal muss man runter zur Elbe. Autor: Bis zum Krieg lebten im Dorf Breitenhagen über zwei Drittel der Einwohner von der Schifferei. O-Ton 33: Meine Familie, da habe ich zu Hause die Unterlagen von 1724 oder ´27. Soweit ist der Schifferberuf bei uns in der Familie schon mit verbunden. Ich war als Steuermann auf so einem großen Raddampfer als Schleppschiff. Bei dem Schiff waren die Schaufeln hinten. Hamburg bis Aussig, Tschechei, da ging dann mein Patent. Und wir hatten schon mal 14 oder 16 solche Kähne dran. Autor: Solch ein Kahn ist 3 Meter über uns hier am Ufer aufgebockt. Er ist so lang wie ein Fußballfeld breit. O-Ton 34 Einen ganzen Kilometer waren ja dann die Kähne entfernt vom Schlepper, angehangen. Atmo 3 mit Atmo 8 Autor: Das Schiff ist zum Museum mit Gaststätte ausgebaut. Im Heck kann man sich anschauen wie eine Schifferfamilie gelebt hat. O-Ton 35: Und das ist hier die Wohnung gewesen auf dem Schiff, original. Hier hatten sie ihre Schlafzimmer. Hier ist die Küche, da nebenan ist eine Toilette. Das war hier der Aufenthaltsraum. Autor: Sieht aus wie eine überdimensionierte Puppenstube, vermutlich recht eng für eine Schifferfamilie. O-Ton 36: Die müssen alle ziemlich kurz gewesen sein, weil das so kleine Betten sind. - Wenn ich so zurückdenke an meine Kindheit, die Schiffer, die ich so von früher kenne, die waren alle nicht groß. Das waren kleine Menschen. - Gucke dir doch den alten Jahn an, Jahn, das waren alles solche kleinen Leute. - Und das Gleiche war vorne noch mal, da haben die Bootsleute geschlafen. Autor: Aufgabe der Bootsleute war, das Schiff zu staken oder Segel zu setzen, wenn es flussab ging. Werner Rinecke erinnert sich noch an die Zeit, als die Schleppzüge die Elbe hinauf fuhren. O-Ton 37: Uns hat das immer Spaß gemacht als Kinder, dass wir dann rangeschwommen sind. Wir haben ja nun in der Elbe gebadet und sind dann rangeschwommen an die Schiffe und da waren da Wellen 1 Meter, 1,20 Meter durch den Raddampfer, durch die Schaufel. Sind wir mit diesen Wellen immer mitgeschwommen. Und am letzten Kahn, denn die hatten ja alle, die Schiffe, ein Beiboot, ein kleines Boot mit dran. Da sind wir dann hoch und sind zwei, drei Kilometer da mit hochgefahren und dann runter geschwommen. Aber den Schiffern war das schon so lästig, dass sie die Ränder mit Teer schwarz gemacht haben, und wenn wir dann drüber weg gesprungen sind, da haten wir natürlich den ganzen Bauch voll teer. Wir haben schwimmen gelernt mit dem Laufenlernen, so ungefähr. Autor. Unbefestigte Ufer, überschwemmte Wiesen, tote Elbarme - gleichzeitig ein Wildnis- und ein Spielparadies für Kinder wie Beate Stahlhut damals. Deshalb brachten ihr die Eltern das Schwimmen im Alter von vier Jahren bei. O-Ton 38: Ich habe die Elbe erlebt, ewig mit Hochwasser, im Winter, im Sommer. Im Prinzip haben wir das als Kinder als sehr schön empfunden. Ich habe bei Hochwasser schwimmen gelernt. Ich wohne ganz in der Nähe vom Damm, da ging ja dann die Treppe runter, da konnte man dann runter gehen und dann sind wir immer am Damm langgeschwommen, wo das Wasser nicht zu tief war. Da habe ich eben Schwimmen gelernt. O-Ton 39 unter vorigen einfahren, beginnend mit Atmo darüber Text, O-Ton lauft durch Autor: Die Fähre hier in Breitenhagen ist auch eine Gierfähre, die sich durch die Strömung ans andere Ufer drücken lässt – aber sie ist eine ganz besondere: bietet Grill auf offenem Deck. O-Ton dito: Haben sogar noch eine Bratwurst an Bord für dich oder ein Steak, je nachdem, denn hungrig bist du bestimmt, da die Kneipe ja noch nichts zu bieten hat. Autor: Karl-Heinz Orlowski begrüßt seine Fahrgäste wie alte Freunde. Sein Gesicht ist braungebrannt, das Basecap sitzt tief in der Stirn. Er zieht die Hebel der Seilwinde, um die Fähre quer zur Strömung zu stellen. O-Ton dito: Wie wird man Fährmann, ja? Aus Berufung oder durch Zufall, sage ich mal. Das war mehr oder weniger Zufall bei mir. Zu DDR - Zeiten bin ich eigentlich Maschinen - und Anlagenmonteur von Beruf. Aber durch einen Kumpel erfahren, dass auf der Gierseilfähre in Brachwitz damals, 1986, noch ein Fährmann gesucht wird. Ja, da ich schon immer gern mit Wasser in Berührung war - ja, und dann hat es mich dort richtig gepackt und seit dem bin ich eigentlich immer auf Fähren gewesen mit kurzen Unterbrechungen. Letzten zwei Jahre war ich in Norwegen auf einer Schiffswerft, wäre dort auch geblieben, aber dunkle Winter tun ihrs für die Seele. (Norwegisch) - das hieß also, es war so dunkel im Winter und ich hab das dann seelisch nicht so vertragen und musste dann auf Grund dessen nach Deutschland zurück. Und irgendwie hat’s immer die Sucht gehabt, wieder auf eine Fähre zu gehen. - Towarisch! - Dobry den! - Ja, kommt noch einer! - Ja, Pech gehabt! (…Russisch) - Ist ebenso ein bisschen herzliches Verhältnis bei uns hier zwischen den Fährgästen. Die werden auch so persönlich verabschiedet und kommt auch mal eine Rose rüber. Die Dauerfahrer, das ist wie eine große Familie. Der Umgang mit Menschen, das ist eben der Part, der mir Spaß macht, die kurze Unterhaltung. Manchmal offenbaren dir hier Leute Sachen, da fragst du dich hinterher, Mensch, das hättest du doch niemandem erzählt, ja. Bist ja eigentlich ein Fremder für die Leute. Aber Fährmann, das ist manchmal auch so ein kleiner Seelsorger dann. Da erfährt man, Mensch, der - mein Mann ist fremdgegangen, ja, solche Geschichten. Ein kleines Gespräch, zwei, drei Minuten, da ist man manchmal erstaunt, welche Geheimnisse so die Leute dir anvertrauen. Das ist schon verrückt, aber da geht dann auch nicht weiter, das bleibt dann hier auf der Fähre, wird dann nicht rumerzählt. Im Sommer höre ich dann, ach, so möchte ich mal meinen Urlaub verbringen! Das ist immer der schönste Spruch. Ja, kannst du dann kommen ab 1. November, kannst du dann bei mir Urlaub machen, bis Anfang März. Wir sagen immer, wir sind im Sommer auf einem Pizzablech. Im Winter wirst du gekühlt von dem Blech, hast du immer kalte Füße und im Sommer glühst du weg, dann ist es richtig heiß. - Wann war das Rainer? Am Wochenende? Sonnabend, ja, waren hier vier Radfahrer aus Frankreich. Die haben hier ein Elbe-Tour gemacht, haben wir noch begrüßt, geklatscht, viva la France! Die haben sich halb kaputt gelacht und wie sie dann hier auf der Fähre waren, hatten wir noch Kaffe da, für unseren Bedarf eigentlich und Kuchen auch für uns. Und da haben wir dann mit denen geteilt. Dann waren die natürlich happy, dass sie heißen Kaffee hatten und Kuchen. Kurz darauf kamen welche aus Schweden. Die haben also auch eine Elbe-Tour gemacht. Konnte ich ja dann gleich bisschen mit denen plaudern, weil Norwegisch und Schwedisch ist ja fast Eins. Die waren dann natürlich total überrascht, wie jemand denn hier mitten in Ostdeutschland die auf Norwegisch angequackelt hat. Haben wir uns dann die ganze Überfahrt unterhalten. War schon ganz lustig. 05 Musik „Schubert „Auf dem Wasser zu singen“ unter letzten Take einfahren: Textende = Stophenanfang Atmo 1, nach Effekt darüber weiter Zitator: Die Nixen von Magdeburg, so wird erzählt, ließen sich von Zeit zu Zeit bei hellem Tage sehen; dann saßen sie am Ufer, sonnten sich und kämmten die langen, goldgelben Haare. Oftmals versuchte man, sie zu fangen, aber sobald ihnen jemand zu nahe kam, schlüpften sie hurtig ins Wasser. Einmal, weil das Brunnenwasser hart zu kochen war, das Elbwasser aber weit und mühselig in die Stadt getragen werden musste, wollten die Magdeburger eine Wasserleitung bauen lassen. Man fing an, große Pfähle in den Fluss zu schlagen. Da tauchten die Nixen aus dem Wasser auf, rissen alle Pfähle wieder aus und trieben es so arg, dass der ganze Bau aufgegeben werden musste. Atmo Gänse, steht kurz frei, darüber weiter mit Text, unter Sprecher bzw. alles Atmo 3 O-Ton 40 : Dieses Gebiert südlich von Magdeburg, wo ja durch die flache Elbeaue, die ja immer Überschwemmungsgebiet ist, so ein bisschen an Holland erinnert, da haben in den 20er Jahren die alten Magdeburger gesagt, das ist Flandern und es gäbe hier ein flämisches Licht. Wenn die Sonne ganz flach im Westen steht, dann hast du so ein ganz flaches Licht und dann ist das Wasser so blau, wenn das ist. Das ist ganz schön. Autor: Hans-Joachim Döring lächelt, als er das sagt. Er wohnt in Pechau, einem Dorf gleich hinterm Deich des Umflutkanals. Der Kanal wurde Ende des 19. Jahrhunderts angelegt, um das Hochwasser vor Magdeburg abzuleiten. O-Ton 41: Der Umflutkanal, muss man sich vorstellen, das ist ein See, der etwa hier an dieser Stelle 8 Kilometer lang ist, 40, 50 Meter breit, ringsum von Röhricht umstanden und von einzelnen Weiden, die oft von Bibern angenagt wurden. Hier gibt es ja quasi aller dreieinhalb Kilometer einen Biberbau. - Wenn der Umflutkanal voll ist, dann rauscht das hier wie am Meer, weil, da ist eine große Strömung. Und an den Bäumen, zwei Meter über uns, da ist noch so altes Röhricht, alte Äste. Bis dahin war das letzte Hochwasser. Autor: Es stand bis 40 Zentimeter unter der Deichkante, was der Höhe von Dörings Gardinenstange entsprach. Doch der Deich hielt. O-Ton 42: Das Wasser ist klar, wir gehen hier auch oft baden. Und irgendwann im Mai, da haben wir vom Deich gesehen wie ein großer Biber - die sind ja fast so groß wie ein Schäferhund - da schwamm und dann schwammen da noch zwei kleine, so groß wie Kaninchen, bloß im Fell heller. Und die sind so umeinander rumgeschwommen und haben sich geküsst. Das war ganz großartig. Die werden ja auch gefangen, weil die Population zu groß ist. Lange Zeit wurden die noch in den Niederlanden abgegeben, aber jetzt hat wohl auch die Niederlande genügend und im Saarland sind Biber und in Bayern. Es wir schwierig. O-Ton 43 mit Atmo beginnend einfahren O-Ton 43: …probier mal, ob das noch geht. - Dieses schöne Lied, das ist aus einem schönen DEFA-Film, der hier gedreht wurde mit so Lastkähnen in den 50er Jahren - ´58. Eine Frau, die so einen Lastkahn auf der Elbe führt nd - glaube ich, kein fröhlicher Film, erzählt mehr von dem harten Leben auf der Elbe. - Genau und wir haben das genommen und in unser erstes Sommertheater, was wir hier im Haus gespielt haben eingearbeitet. - (Lied) - vielleicht nicht ganz rundfunkreif, müssen wir noch mal üben. Autor: Matti Engel und Ines Lacroix haben ihr freies „Theater an der Angel“ in einer Jugendstilvilla auf dem Magdeburger Werder eingerichtet – einer Insel zwischen Alter Elbe und Stromelbe. O-Ton 44: Das ist eine Sandinsel, die sich so um die Mittelalterzeit gebildet hat, weil die Elbe sich wälzt. Ist ja kein fließender Fluss, sondern ein wälzender Fluss. Und der Sand wurde hier auf einer Stelle abgelagert, als man sich entschieden hat, die Stromelbe dicht an die Stadtmauer zu verlegen, damit die Stadt geschützt ist durch den Fluss. Autor: Auf ebendiesen Elbarm blickt man durch die Erkerfenster des Theaterfoyers. Das Theater bietet 100 Zuschauern Platz. Die Vorstellungen sind durchweg ausverkauft. Gespielt wird von Mittwoch bis Freitag. Außer zum Sommertheater. Da wird 4 Wochen lang durchgespielt: Mal in einer durch die Stadt fahrenden Straßenbahn, mal in einer Ruine - oder auf der Elbe. O-Ton 45: Es ist nahe liegend, wenn man so dicht am Fluss ist, dass man da verführt ist, mit dem Element Wasser auch umzugehen. Und da hatten wir uns ausgesucht: Die Flussbettleroper nach Rainer Werner Fassbinder. Also, die Spieler waren auf dem Floß oder in schwimmenden Objekten, nur die Leute saßen im Trockenen. - Ines, zum Beispiel als Schauspielerin, hatte die wunderschöne Aufgabe in so einem Treckerreifen aufzutreten. Die kam also aus dem Fluss raus mit einem langen Seil zo die sich in die Bootshalle hinein und saß da drin wie so ein kleiner Matrose und hat sehr schön gesungen. - Inder Badewanne eigentlich, du saßt im Ring! Ich saß in der Badewanne und habe immer zum anderen Ufer rüber gerufen: Ja, ja! Und das trug natürlich über den Fluss hinweg, das war unglaublich! Die Schauspieler sind dann im Finale auf einem Floß weggetrieben. Und in der Premiere war es so, dass wir vergessen hatten, die Seile festzumachen und dann ist das Floß tatsächlich weggetrieben. Die Zuschauer klatschten frenetisch. Wer nicht kam waren die Schauspieler, die trieben ab und mussten echt ins Wasser springen und sich an Land retten. - Damit war zum Applaus, der dann nach zwölfeinhalb Minuten war, kaum noch jemand bereit, weiter zu klatschen, bis zu dem Moment, wo lauter sehr nasse Schauspieler auf die Bühne gekrabbelt kamen aus dem Wasser. Und dann gab es noch mal einen Applaus, ja. Autor: Vielleicht steht das „Theater an der Angel“ seit 12 Jahren unter einem so guten Stern, weil das Familienunternehmen seinen Pakt an der Elbe besiegelte. O-Ton 46: Wir haben uns tatsächlich geküsst das erste Mal an der Elbe. - Und der eine ist eben an der einen Uferseite groß geworden und der Andere an der anderen. - Man sagte immer ostelbisch, das war irgendwie russisch - irgendwie, und das war immer so eine Grenze. Die Amerikaner sind eben nur bis westelbisch Magdeburg - haben die die Stadt befreit, dazwischen lag der Werder. Der wurde nicht befreit, der war Niemandsland, da wurde immer drüber geschossen. Und da haben wir uns getroffen und haben eine schöne Wiedervereinigung gefeiert. 06 Musik (Wagenseil: in G Major 3 Vivace, ab 1´28, für 19´´) mit letztem Take überblenden, unter Ausklang: Atmo von O-Ton 47 einfahren O-Ton 47 (läuft durch): Wir sind hier an der Mündung der Alten Elbe in Jerichow. Je nach Wasserstand habe ich überall mal meinen Kahn zu liegen. Autor: Ein 5 Meter langer Blechkahn mit einem Außenbordmotor. Fischer Gernot Quaschny will nach seinen Reusen sehen. O-Ton dito: Im Augenblick ist sehr schlechter Wasserstand für die Fischerei, ist sehr niedrig noch. Normalerweise steht das Wasser bis da oben an den Deich ran jetzt um die Jahreszeit. Autor: In der Mitte seines Kahns ist ein Becken für die Fische. O-Ton dito: Für uns, für die Fischerei ist immer Hochwasser am besten im Frühjahr. Dann zieht der Fisch praktisch hier auf die Wiesen rauf. Dann ist alles Eins hier, ist ein See. Mit Atmo 10 überblenden, darüber Text Autor: Hier oben, nördlich von Magdeburg kurz vor Tangermünde, sind die Bedingungen für den Fischfang ideal. Auf beiden Seiten des Hauptstromes, soweit das Auge reicht, alte Elbarme, Tümpel, Sumpf und Morast, dazwischen Wiesen, Schilf. Das alles ist im Frühjahrshochwasser überflutet. Der See erstreckt sich dann über mehrere Kilometer. Atmo 10 kürzen, auf Schluß gehen Mit Atmo von O-Ton 48 überblenden, 48 läuft durch Autor: Am Ufer eines schmalen Seitenarms ragen Pfähle aus dem Wasser. O-Ton dito: Sehn Sie wie es krüselt über der Reuse? Hier vorne, die Pfähle, die nach dem Land gehen, ist das so genannte Leitnetz, da schwimmen die Fische gegen und wenn sie wollen, schwimmen sie eben in die Reuse rein. Wenn sie wollen. Wenn sie nicht wollen, dann drehen sie eben ab und das ist es gewesen. Autor: Der Fischer zieht sich am Leitnetz entlang und öffnet die Reuse. Hunderte von Fischen schwappen in seinen riesigen Kescher. O-Ton dito: Wenn das Wasser anfängt zu steigen, dann kommen die Fische rein hier in die Nebengewässer, dann ist die Reuse natürlich voll bis oben hin. Da habe ich manchmal eine ganze Tonne drin. Dann kescher ich eine ganze Stunde, jetzt sind ja bloß ein paar. Autor: Ein paar, sagt er. In der Reuse sind mindestens 100 Kilo Fisch. O-Ton dito: Das meiste sind eben Bleie, Brassen, ein Zander ist auch drin. Hier ist eine Aalquappe. Aal und Zander sind so die besten Fische, die lassen sich auch an Besten vermarkten. - Verkaufe ich selbst. Wenn ich viel fangen tue, an Angelvereine als Besatz, ansonsten über meinen Hofladen oder über einen Verkaufsanhänger oder an Gaststätten. - Manchmal ernähre ich mich die ganze Woche nur vom Fisch, weiß ich wenigstens, was ich esse: selber geräuchert, selber gefangen. - Das ist ein Hecht hier. Autor: Der Hecht landet im Bootsbecken. Zander, Aal und Plötze nimmt der Fischer mit, den Rest schwappt er mit seinem Kescher wieder ins Wasser, zentnerweise. O-Ton dito: Ansonsten nehme ich die Bleie auch mit, die Brassen, aber heute kann ich die nicht gebrauchen, lohnt auch nicht. Das ist ein Karpfen hier, den haben die Kormorane schon bearbeitet. Sieht man hier auf dem Rücken, wo sie reingehackt haben. Schuppenkarpfen, aber der erholt sich wieder. Autor: Auch der Karpfen wandert zurück in die Elbe. O-Ton dito: Die größten Fische sind Welse, der Wels. Die haben die alle mal eingesetzt in die Elbe hier, die Welse, und die haben sich so viel vermehrt. Die größten nach 15 Jahren, die haben alle so zwei Meter und wiegen so um die 40 bis 50 Kilo. Deswegen habe ich auch einen ganz großen Kescher, um die überhaupt zu bändigen. Die hast du erst sicher, wenn die die auf dem Auto drauf hast. Autor: Gernot Quaschny will heute noch eine neue Reuse setzen. Er hofft auf Hochwasser. O-Ton dito: Oberhalb, weiter 8 Kilometer stromauf, da ist eine gute Stelle, eine Laichstelle der Zander - Woher wissen Sie das? - Ja, wenn man hier 33 Jahre fischen tut, dann weiß man das! Atmo 10 vom letzten O-Ton langsam wegblenden. Kennmelodie Nixen, Elfen, Wassergeister Leben an der Elbe zwischen Magdeburg und Riesa Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Matthias Baxmann Ton: Hermann Leppich Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2013 Manuskript und Online-Version der Sendung finden Sie im Internet unter dradio.de 2