DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 26.08.2014 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 - 20.00 Uhr Ortserkundungen Hello Chinaman! Handel in Accra, Ghana von Tom Schimmeck URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo O-Ton Kwami So we are in Ghana, Accra, Derby Avenue. UTC. Central Market. I am Kwami, sales assistant at Raftco Limited. I'll be thirty this very December 24th. Erzähler Kwami, bald 30, ist Verkäufer. Schon sein halbes Leben arbeitet er hier auf dem Markt. Hat Kekse verkauft - Wasser, Gürtel, eigentlich alles. Auf der Straße. Jetzt ist er bei Rocky Shoes, einem richtigen Laden. Mit Regalen, voller Schuhe. Ansage Hello Chinaman! Handel in Accra, Ghana. Ein Feature von Tom Schimmeck. Erzähler Morgengewusel in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Kinbu, Ecke Kojo Thompson Road. Junge Burschen rufen aus den Seitenfenstern der Trotros, der Sammeltaxis, nach Kundschaft. Der Verkehr staut sich. Polizisten drängen zur Weiterfahrt, klopfen mit ihren Stöcken auf die Karosserien der Kleinbusse. Tempo, Tempo! O-Ton Kwami We travel to China, to get some shoes Erzähler Die Ware kommt aus China. O-Ton Kwami My boss, who is the overall director, travels to China, where there's a specific type of shoes he wants, with a specific design and class. Then you order from them. Then they bring it according to your specifications. Sprecher 1 Mein Boss fährt nach China, um die Schuhe auszusuchen, die Klasse haben und ein bestimmtes Design. Dann bestellt er. Die liefern ganz nach unseren Wünschen. Erzähler Es kann ein Vierteljahr dauern, bis der Container da ist. In Kwamis Regalen funkelt es: Viel Plastiksilber, auch Gold. Sandalen, Highheels. Erzähler Das Marktviertel im Zentrum von Accra ist ein gigantisches Labyrinth. Überall Geschäfte, Stände, Karren, Schaufensterpuppen. Überall Trägerinnen, Marktschreier und fliegende Händler, die Gürtel, Nagellack, Kochgerät und Schlipse feilbieten. Generatoren rattern. Der Strom fließt hier nicht verlässlich. Stundenlang kann man durch Straßen, Gassen und Hinterhöfe laufen, ohne ein zweites Mal an denselben Ort zu geraten. Es ist heiß. Immer. Die Sonne brennt vom Himmel. Manchmal weht vom Meer eine rettende Brise. O-Ton Frau You give me money. Me, I'm hungry so if I talk you give me money. Erzähler In einem Hof, nicht weit von Rocky Shoes, sitzen Schuhhändlerinnen vor Bergen von Sandalen. Chinaware. Sehr günstig. Doch das Geschäft läuft schleppend. O-Ton Maanu Listen, with Ghana and Chinese market... Erzähler Wo sind die Chinesen? Eine Händlerin blickt auf. O-Ton Maanu Chinese shop is at the back here, when you are going to Children Hospital... So this one is China. China one has got the goods here. Then we buy for Ghana women here. Then we sell... Sprecherin 2 Die chinesischen Händler ist da hinten, beim Kinderkrankenhaus. Da ist die Ware. Wir Frauen kaufen da. Und dann verkaufen wir. Erzähler Ihre einzige Quelle? O-Ton Maanu Oh nonononono. We have a woman inside the shop who goes to China and we order the goods and (she) brings the goods here. And we buy. Sprecherin 2 Nein, nein. Da ist eine Frau, bei der bestellen wir. Sie fährt nach China und besorgt die Ware. Erzähler Zehntausende Chinesen sind hier. Niemand weiß genau, wie viele. Ghanaer reisen seit Jahren nach China. Um einzukaufen. O-Ton Maanu When they're here, it also helps us. Because if this category of people... maybe this one is two Cedi... Chinaman will produce the same thing with different, different grades. You understand? So if you can buy (for) two Cedi, or (for) three Cedi, it is your own. Because, you know, the purchasing power is not the same. Maybe me, my purchasing power is lesser than yours, or yours is greater than mine. So they even help, I would say, Ghana with our scale of preference. Because when the Chinese are in the market, it actually gives us variety. So actually they help. They come with grades. You understand? Aahaa. Sprecherin 2 Es hilft uns. Und den Kunden. Der Chinese produziert die gleiche Ware in verschiedenen Qualitäten. Manche können nur zwei, drei Cedi bezahlen. Die Kaufkraft ist ja verschieden. Meine ist vielleicht kleiner als Deine... Erzähler Sie schaut mir tief in die Augen. Sprecherin 2 Wir haben andere Bedürfnisse. Wenn die Chinesen da sind, gibt uns das mehr Vielfalt. Das hilft. Verstehst Du? Erzähler Maanu erhebt sich, schwenkt den rechten Arm über den Sandalenberg... Erzähler Eine Kundin wühlt darin. Maanu weiß mit einem Blick: Sie wird nichts kaufen. Die Sandalen sind billig. Aber für sie immer noch zu teuer. O-Ton Maanu You see, this one? She will not buy. She is asking another size. Erzähler Ein paar Schritte entfernt hockt ein schmächtiger Chinese vor einem Warenlager, auf einem Holzschemel. Versucht den Überblick zu wahren in dieser wirren afrikanischen Welt. Mit einem skeptischen, fast schon verzweifelten Blick. Als quäle ihn nur eine Frage: Wo bin ich hier gelandet? O-Ton Maanu Which one? This one? This one only comes to supervise. Maybe samples, you understand. We don't have Chinese operating the shops here. Sprecherin 2 Welcher? Der? Der passt nur auf. Wir haben hier keine Chinesen im Einzelhandel. Erzähler Der Chinese spielt mit seinem Handy. Hantiert mit dem Taschenrechner. Er sagt kein Wort. Versteht kein Wort. O-Ton Stimme: No, he can't speak English Reporter: You speak English? No? Stimme: No, only Chinese! Reporter: Oh, sorry. Stimme: English not good... Erzähler Drei junge schwarze Arbeiter mit nacktem Oberkörper schleppen Kisten. Braune Kisten. Massenware. Nanakwami, 25. Taufik und Kofi, beide 23. Sie grinsen. O-Ton Nanakwami Yes, he is my boss. He is a good boss. Erzähler Er sei ein guter Boss, sagt Nanakwami. Nur manchmal wisse er sich nicht zu benehmen. O-Ton (Forts.) Sometimes he has some mental... this one, you understand? He behaves aggressive, he is not normal. If he's angry, he just misbehaves. But if his stomach is full, he just plays with that. But if... (Rest nur unterlegen) Sprecher 2 Manchmal dreht er durch, wird aggressiv. Wenn er wütend ist, benimmt er sich daneben. Aber jetzt ist er satt und spielt... Erzähler Mit dem Smartphone. Die Jungs lassen ihre Muskeln spielen. O-Ton Arbeiter Nanakwami: This is my assistant. I am the senior and this in my assistant. Taufik: I am the assistant Nanakwami: This is Taufik... Taufik: My name is Taufik. We work here for the China people. Everything is going all right. The relationship is going all right, you understand? So we are doing everything cool. We are not fighting. Here in Ghana here everything is cool here. If you come here, we talk to you, gently. You buy the things gently and go home. There's no fight here. If you come here and fight, we fight you. Understand? Yeah. Sprecher 1 Wir arbeiten hier für die Chinesen. Das ist in Ordnung. Die Beziehung stimmt. Wir machen das ganz cool hier. Hier wird nicht gekämpft. In Ghana ist alles cool. Wir reden ganz sanft mit Dir. Du kaufst gemütlich ein und gehst. Kein Streit. Wenn Du Stress machst, bekommst Du Ärger mit uns, verstanden? Erzähler Wie verständigen sie sich mit dem Boss? O-Ton Nanakwami OK, we work with him like one year so I can speak his English just a little bit. His English is not good. But we understand and just interpret it... Sprecher 2 Wir machen das schon ein Jahr. Sein Englisch ist nicht gut. Aber wir verstehen ihn, irgendwie. Erzähler Aber eigentlich wissen sie nichts über ihn. Nicht einmal, wo er wohnt. Irgendwo außerhalb. O-Ton Arbeiter Nanakwami: They like the special areas, ok?, they don't like plenty people... Taufik: They don't like the place that is crowded, they don't like. They like the cool places. That is China people, you understand? Yeah... Sprecher 1 Da, wo es nicht so eng ist. Die China-Leute mögen die coolen Gegenden, verstehst Du? O-Ton Nanakwami We come here five o'clock. If you're late: 5:30. And we close at four o'clock in the evening. Erzähler Sie kommen morgens um fünf. Arbeiten bis vier. Ein langer Tag. Der Lohn ist dürftig. Wie viel genau, mögen sie gar nicht sagen. O-Ton Arbeiter Kofi: Because we have no work here to do here. Nanakwami: Since the work is not in the system you have work here a little bit just to get small money and go back to school again... to survive... Erzähler Aber es gebe kaum Alternativen, sagt Kofi, der Dritte. Es gehe nur ums Überleben, meint Nanakwami. Er will vielleicht noch mal zurück auf die Schule. Auch das kostet Geld. Atmo Erzähler Ghana, etwa so groß wie Rumänien, hat rund 25 Millionen Einwohner. Schwarzafrikas erste unabhängiges Land gilt als Musterdemokratie Afrikas, mit freien Wahlen und wechselnden Regierungen. Ghana, an der Goldküste Westafrikas, ist voller Schätze - exportiert Kakao, Kokosnüsse, Gummi, Gold, Mangan, jetzt sogar Erdöl. Die engen Beziehungen zu China reichen weit zurück. Die ersten Chinesen kamen schon Ende der 1940er Jahre nach Ghana, aus Hongkong. Da waren beide noch Teil des britischen Empires. Mao Tse-tung empfing 1962 Kwame Nkrumah, den ersten Präsidenten des unabhängigen Ghana. Schickte Militärberater. Dann begann in Ghana eine Ära der Putsche. Die Beziehungen vereisten. Viele Hongkong-Chinesen verließen Afrika. Doch seit den 1990er Jahren strömen Festlandschinesen herbei. Die Volksrepublik hatte die "sozialistische Marktwirtschaft" eingeführt. Exportiert heute Waren im Wert von weit über 2 Billionen Euro. Allein Chinas Schuhe sind mehr wert als sein gesamter Export vor 30 Jahren: gut 50 Milliarden Dollar1. In großen Teilen Afrikas, von Äthiopien bis zum Kap, ist China jetzt die wichtigste Wirtschaftsmacht. Hat seit 2005 südlich der Sahara geschätzt rund 90 Milliarden Euro investiert. Bis 2025 soll eine Billion Dollar gen Afrika fließen. In Accra ist der China-Boom überall sichtbar. China hat das neue Nationaltheater gebaut. China baut die Autobahn nach Kumasi. Und die "Millenium"-Stadthalle, eine Großbaustelle gleich neben dem Markt. Gut eine Milliarde Euro soll in das "Gold Coast City Project" fließen - den Totalumbau des Küstenstreifens von Accra - mit Wohnblocks und Büros, mit Schule, World Trade Center, Luxushotel und einem Einkaufszentrum, mit Eisbahn. China investiert in Ghanas Wasser- und die tägliche kollabierende Stromversorgung. In eine Gasverarbeitungsanlage, den Flughafen, eine Bahnlinie gen Westen. Ghana verhandelt mit China über einen Drei-Milliarden-Dollar-Kredit. O-Ton Chinese: ... a little, maybe because, somebody, a little English... O-Ton Afrikanische Stimme, 1. Chinese: Me English is small. Small, small, small English. Bids no come, right now gone away... Erzähler Die Chinesen auf dem Markt verschanzen sich hinter ihren kleinen Verkaufstresen, beugen sich emsig über ihre Taschenrechner. Wir verstehen nicht, sagen sie. English small, small. Sie können oft nur ein paar Brocken: "Container", "shoes", ein paar Zahlen. Das muss reichen. Erzähler Im 1. Stock eines Hofs sitzen Yang, 20, und sein kleinerer Bruder. Sie verkaufen Schuhe. Wenn mal ein Kunde kommt. Meistens hocken sie auf ihren Kartons und hypnotisieren ihre iPhones. O-Ton ...me English no good, English small-small... Erzähler Eine Frau sitzt in einem verschlissenen Klappsessel und stickt eine kitschige Landschaft. Im Laden nebenan ist gerade der Boss gekommen, ein kleiner drahtiger Chinese. O-Ton Imo He says: immigration people worry him a lot. That's the only problem we are facing. Immigration, Immigration, Ghana Immigration Service. Sprecher 2 Er sagt: Die Einwanderungsbehörde macht ihm Sorgen. Da ist das einzige Problem hier. Erzähler Der Boss schüttelt den Kopf. O-Ton Imo Yeah, I am working for him. For three years... Erzähler Imo, 25, arbeitet seit drei Jahren für ihn. Miteinander sprechen sie eine Art Pidgin-Chinesisch, mit afrikanisch-englischen Einsprengseln. O-Ton Devine I am just a shop boy for a Chinese company. Erzähler Devine, Imos Freund, arbeitet gegenüber bei einem älteren Ehepaar. Seit fünf Jahren. Plastikblumen, Servietten, Taschentücher... O-Ton Devine They give me the prices of the stock, I help them. I am like a middleman for them. Sprecher 1 Sie sagen mir den Preis. Ich helfe ihnen. Ich bin ihr Mittelsmann. Erzähler Das alte Ehepaar sitzt da in der künstlichen Blumenpracht und sagt kein Wort. In ihren Gesichtern tiefes Unbehagen. O-Ton Devine They are good people. Erzähler Ihre Worte reichen gerade fürs Geschäft. O-Ton Devine It's just business, numbers. Finish. Erzähler Da muss Devine selber lachen. Vier Jahre Arbeit. Null Völkerverständigung. O-Ton Devine No no ... It's just numbers, we don't talk like the way you talk with your boys, you tell them your feeling. You got to understand your feelings. They can't understand, what you mean. So it's just numbers. ... Jaa. Sprecher 1 Du sprichst mit ihnen nicht wie mit Freunden, über Gefühle. Sie verstehen das nicht. Nur über Zahlen, Zahlen. Erzähler Ab und zu sieht man im Verkehrsgewühl einen Geländewagen, klimatisiert, abgeschirmt. Ein ghanaischer Fahrer. Ein Chinese auf dem Beifahrersitz. Erzähler In den Gassen riecht es nach Gewürzen, Holz, Früchten, nach Staub und Schweiß. Mit einer Grundnote Benzin, von den vielen Generatoren. Auf den Straßen kämpfen kleine Handkarren um Platz mit schweren Lastern; drängen Menschen um die aufgetürmten Waren: Koffer und Radios, Seifen und Stoffe, Obst, Auslegeware, Möbel, Wasserhähne und Tomatendosen. Die Kundschaft kommt von weither: aus Togo, von der Elfenbeinküste, aus Mali und Nigeria. O-Ton Toby The Chinese, they sell everything... Die verkaufen alles. Die verkaufen Medizin, Schuhe... Alles, was der schwarze Mann besorgt (braucht), die haben das und die bringen das hier. Die machen große Geschäfte hier... Erzähler Toby, 54, Wachmann auf der Kinbu Road, trägt ein schmuckes weißes Uniformhemd mit einer Kordel, die, wohl zufällig, schwarz-rot-gold ist. Er wuchs in Köln auf. Sein jüngerer Bruder Hans war Fußballer bei Fortuna Köln, Wolfsburg, Bayer Leverkusen und Schalke 04. Trat für Ghanas Nationalmannschaft an. Auch Bruder Edward hat in Köln gespielt. Erzähler Auf dem Weg durch die Gassen diskutieren wir über Wirtschaft. Über Ghanaer und Chinesen. O-Ton Toby Autor: Was bedeutet das für die ghanaische Wirtschaft? Sie könnten die Sachen ja auch selber produzieren. Toby: Nein, nein, Ghana könnte das nichts machen. Die können nichts in Ghana hier machen, die importieren das hier... Autor: Aber zum Beispiel Textil, die Stoffe. Machen sie sehr schön. Jetzt kaufen sie sie aus China... Toby: Jaa. Die Ghanaer machen auch Schuhe. Aber die sind nicht so gut wie die von den Chinesen und so. Autor: Sind sie respektiert - oder eher gefürchtet? Toby: Ja, hier in Ghana jede Person hat sein Gefühl. Es gibt Chinoise, die sind böse auf einen schwarzen Mann, es gibt andere, die morden die Schwarzen. Es ist dasselbe wie irgendwo. Jaa. So ist das. Erzähler Toby, 54, hat nicht viel Glück, wohl auch ein paar falsche Entscheidungen getroffen, deutet er an. Als Wachmann verdient er 200 Cedi, 50 Euro im Monat. Er kümmert sich um die kranke Großmutter. O-Ton Toby Hier arbeite ich. Da sitze ich, ich sitze da. Und so... Erzähler Die chinesischen Händler, sagt Toby, hätten ghanaische Strohmänner... O-Ton (Forts.) Weißt Du was? Viele Chinoise die kommen am Nacht, fünf Uhr bis sechs Uhr. Da siehst Du viele Chinoise kommen mit dem Auto. Die kommen für die Geschäfte. Dann setzten sie Angestellte rein, dann gehen die nach Hause. Nur die Schwarzen arbeiten. Dann später kommen sie - für das Geld. So ist das. Erzähler Die Chinesen hier auf dem Markt - das sind nicht die "Golfplatz-Chinesen". Die mächtigen Leute der Regierung, der Staatsbanken, der Konzerne. Die Händler sind auf eigene Faust hier. Auf eigenes Risiko. Morgens schließen sie viele Vorhängeschlösser an ihrem Laden auf, klappen das Eisentor zurück und legen los. O-Ton Thomas This is African Miami... So we like it very much. So if you have time you go to the nice beaches. It's very, very beautiful. Sprecher 1 Dies ist ein afrikanisches Miami. Wir mögen das sehr. Wenn Du Zeit hast, geh zu den tollen Stränden. Die sind schön, sehr schön. Erzähler Thomas ist der weltoffene Typ. Abenteuerlustig. Sitzt in einem Geschäft in der "Chinese Wholesale Town", einem etwas heruntergekommenen Komplex. Mitten im Marktgetümmel. O-Ton Thomas Fishing products, like fishing nets, fishing lines, that's what we are dealing now. Erzähler Er handelt mit Fischernetzen, Angelschnüren, Tauen. Thomas ist 28. Er wirkt älter. War Chemielehrer in Peking. Sechs Jahre lang. Bis zu jenem Tag, da er beschloss, dass das Leben ihm mehr zu bieten hat als einen sicheren, langweiligen Job. O-Ton Thomas School life is very simple. But here life is more colourful. If I were still ins school, I had never experienced how life is when there is no water, when there is no power. Up to now I think here is ok. And I like everything here right now. Erzähler Sein Boss - und Freund - war Arzt. Bis der 1996 nach Afrika ging, mit einer taiwanesischen Firma. Auch ihn hatten Freunde hergelockt, sagt Thomas: Er legt die Hände auf sein wohlgeordnetes Schreibtischreich: Telefon, Taschenrechner, Quittungsblock, Stempel, Hefter, Schere, Gummibänder. Er hat sogar einen Geldzähler. Weil viel Falschgeld im Umlauf ist. Er kramt ein paar Scheine aus einer Plastikdose. O-Ton 312 Oh, they fake money, many, many... the machine will tell. Piepen So that's why we need the machine... Sprecher 1 Sie fälschen viel. Aber die Maschine merkt das. Erzähler Ein Mangoverkäufer kommt in den Laden. O-Ton Thomas You like the African fruit - mango? OK, give me another one. Erzähler Er sagt: Die Leute sind freundlich hier. Er genießt es. So gut es geht. O-Ton Thomas I know for the Chinese, the African Chinese, the life... a lot of them get some money all right, but the life is not very good. Because, you know, many of us, we have to leave our family, our relatives in China, when we come here. Because we are human beings, we need to stay together with our families but the problem is: for some of us our business is in Africa. So it's a very difficult choice. Sprecher 1 Für uns afrikanische Chinesen ist es nicht einfach. Wir verdienen gutes Geld, sicher. Doch viele von uns lassen ihre Familien zurück. Wir sind auch nur Menschen. Wir brauchen die Nähe unserer Verwandten. Unser Geschäft ist hier. Aber es bleibt eine schwierige Wahl. Erzähler Sie halten online Kontakt. O-Ton Thomas Facebook, yeah - QQ or We Chat. So we can talk with them. When we go home we talk with them on the computers... O-Ton Thomas I miss my parents very much. And my girlfriend. I asked my girlfriend if one day she can come to Africa and she said: Nononononono. Lacht Sprecher 1 Ich vermisse meine Eltern sehr. Und meine Freundin. Ich habe sie gefragt, ob sie vielleicht eines Tages nachkommen würde. Sie hat Nein gesagt. Erzähler Er steht jeden Tag um halb sieben auf. O-Ton Thomas My life? We wake up around 6:30. Then we start to cook. We have to prepare the food in the house, because we don't like the Ghanian local food - Banku, Fufu. I can not eat it. So I have to cook the food by myself. Sprecher 1 Dann kochen wir. Wir mögen das Essen hier nicht: Banku, Fufu. Ich kann das nicht essen. Erzähler Wir wandern am Ufer der Weltwarenströme. Dieser endlose Basar ist aus mehreren Märkten zusammengewachsen. Das Herzstück: Mokola Market, der älteste Markt von Accra, zwischen Barnes und Kojo Thompson Road. Ein Irrgarten voller Früchte und Fleisch, Stoffe, Leder, Kosmetika und Schmuck. Mittendrin thronen vier imposante Damen in bunten Kleidern. Die Chefin wirkt missmutig. Sie habe schon seit dem frühen Morgen Sitzungen, murrt sie. Sie will ein Mittagessen. Und etwas zu trinken. O-Ton Mrs. Lei I am Rosemary Lei. My position here is PRO, Public Relations Office of Grater Accra Market. Erzähler Sie verkauft Pampers und Bier und so allerlei. Und beschwichtigt. O-Ton Mrs. Lei The situation is fine, because we are trading cool, nobody worries, no soldier, no police. So we are trading smoothly in the market. We haven't had trouble with Chinese before. Nooo. We've got our stores. And we are selling in the stores. It's a smooth trading. Sprecherin 1 Die Lage ist ruhig. Kein Ärger mit Soldaten oder der Polizei. Auch nicht mit den Chinesen. Wir haben unsere Läden. Da verkaufen wir. Ganz gemütlich. Erzähler Mrs. Lei fächelt sich Luft zu. Nur das Geld. sagt sie, sei ewig knapp. Weil die Banken kaum Kredit gäben. Als Händler müsse man große Mengen einkaufen, um Gewinn zu machen. Nicht nur zwei, drei Stück. O-Ton Mrs. Lei You buy more goods, you earn more profit. Erzähler Mrs Bani mischt sich ein. O-Ton Mrs. Bani But how to get the money is difficult. Banks, they give us, but their interest rate is high. Because of the interest rates we can't afford. So that is our problem. So here we need money. We, the women, we take care of everything. So we are suffering. It's only money we need. To work. Sprecherin 24 Es ist schwer an Geld zu kommen. Die Banken verlangen hohe Zinsen. Die können wir nicht zahlen. Wir Frauen, wir kümmern uns um alles. Wir brauchen nur Geld. Um arbeiten zu können. Erzähler Das Kapital ist knapp. Der Cedi, die heimische Währung verliert ständig an Wert. Der Dollar klettert immer höher. Der Euro auch. Allein vom Sommer 2012 bis Sommer 2014 hat sich der Wert der ghanaischen Währung gegenüber dem Euro halbiert. Die Wirtschaft wächst. Aber die Handelsbilanz stimmt nicht. Ghana importiert zu viel - Fahrzeuge, Benzin, Reis, Pestizide, Telefone, Zucker, Zement. Und produziert zu wenig. Exportgüter wie Kakao verlieren an Wert. Das Öl, der neue Exportschlager, bringt bislang wenig ein. Die Ölkonzerne wollen erst einmal ihre Investitionen hereinholen. Die Staatsschulden wachsen. Mrs. Bani hebt die Arme, schüttelt den Kopf. O-Ton Bani Everybody knows here: It's difficult. Our presidents are trying their best to make it. But, you know, we are Ghanaian... lacht Ghana people. We are not as white people... Autor: Why do you say this? You, you have improved soo many things. You see? But we are not like this. We are happy here. We are very, very happy here because we have peace of mind here. The only the problem is money to work. That is all... Sprecherin 2 Jeder hier weiß, wie schwierig es ist. Unsere Präsidenten tun ja ihr Bestes. Aber wir sind Ghanaer. Wir sind nicht wie die Weißen. Erzähler Sie schaut mich, den Europäer, bewundernd an. Als hätte ich ganz persönlich ein Wirtschaftswunder vollbracht. Sprecherin 2 Ihr habt so viel geschafft. Weißt Du? Wir sind nicht so. Wir sind glücklich hier, sehr, sehr glücklich. Aber wir haben kein Geld. Erzähler Es ist ein lächelnder Fatalismus, den man hier oft antrifft. Ein Minderwertigkeitsgefühl: Wir sind wunderbar, so freundlich, so friedlich. Aber wir kriegen es nicht hin. Die anderen können es besser: Die Europäer, die Amerikaner. Die alten Master. Die neuen Master. Ja, auch die Chinesen. Vielleicht, meint Mrs. Bani, sollte sie nach China fahren. Wie so viele ihrer Kolleginnen. O-Ton Bani Oooh, it works. They get more than us. They can do what they want but we can not. It's only hand to mouth. But when you get the money to go there and bring the goods... You can make it! Sprecherin 2 Die verdienen mehr als wir. Die tun, was sie wollen. Wenn Du das Geld hast und da hinfährst und einkaufst, kannst Du es schaffen. Erzähler Sie war noch nie da. Erzähler Seit 1994 ist es Gesetz in Ghana, dass jeder Ausländer hier eine Handelsfirma eröffnen darf - sofern er den Gegenwert von mindestens 300.000 US-Dollar investiert. Und zehn lokale Arbeitskräfte beschäftigt. Das Gesetz verbietet Ausländern den Einzelhandel - um die vielen einheimischen Klein- und Kleinsthändler zu schützen. Ende 2007 gab es Ärger. Die Ghanaer warfen einigen Chinesen vor, immer tiefer in ihre Geschäfte einzudringen. O-Ton Kwami But when they realised: No, there is more profit in the retailing than in the wholesaling, then they began to do both. They are therefore delving into our business, which is reducing our profits. You know, we kicked against that. We didn't like it. But it was going against us. Sprecher 1 Als sie merkten, dass im Einzelhandel mehr Profit steckt als im Großhandel, begannen sie, beides zu tun. Sind in unser Geschäft eingedrungen. Da haben wir uns gewehrt. Das ging uns an den Kragen. Erzähler Kwami, der Schuhhändler aus der Derby Street, war bei den ersten Protesten dabei. O-Ton Kwami We wrote petitions, we petitioned the government by that time. And we organised demonstrations to just let them know what they are doing we don't like it. Yes, we spoke a lot against it. Sprecher 1 Wir haben Petitionen an die Regierung geschrieben. Und demonstriert. Damit sie merken, dass uns das nicht gefällt. Erzähler Der Druck der Straße wuchs. Auch die Polizei ging plötzlich gegen chinesische Händler vor. An einem Tag Anfang 2009 wurden über 100 Chinesen verhaftet. O-Ton Kwami For now, I can say: They are in their track now, they are no longer jumping into ours. They are now doing their wholesaling thing and we are also into wholesaling and retailing. Now I can say: things are quite calm now. Sprecher 1 Im Augenblick sind sie wieder in der richtigen Spur. Sie machen Großhandel und wir machen beides. Gerade ist es ziemlich ruhig. Erzähler Westlich des Mokola-Markts beginnt der Okaishie Markt, zwischen dem Polizeihauptquartier und Rawlings Park. An einer Kreuzung stehen acht junge Frauen in giftgrünen Hemden. Sie werben für einen Schoko-Trunk. Auf der Kimberly Street verkaufen Händler von Rollwägelchen allerlei "Aktionsware": Portemonnaies, Kämme, Plastikzeugs. Möglichst schnell, möglichst billig, möglichst viel. Das, sagt man hier, sei das chinesische Prinzip. Noch ein Stück weiter westlich liegt Agbogbloshie, der "Recycling Markt". Auch "Computerfriedhof" genannt. Oder schlicht "Sodom und Gomorrha". Berühmt-berüchtigt als gigantische Elektroschrott-Müllkippe. Die Korle-Lagune, einst ein Vogelparadies, ist gefüllt mit "E-Waste" aus der Welt - Computer, Fernseher, Kühlschränke, Mobiltelefone. Verseucht durch Blei Cadmium und Quecksilber. Kinder verbrennen hier Kabel, um das Kupfer freizulegen. Über der Lagune hängt giftiger Qualm. Erzähler Manche sagen: Die Chinesen sind ein Segen. Andere sehen sie eher als Fluch. Ihre raue Zielstrebigkeit, ihre Verschlossenheit, ihr mangelnder Respekt - für die "Schwarzen". "Die übernehmen uns", heißt es überall. "Und die ganze Welt." O-Ton Rex I don't like it at all. It's very, very bad. It's killing the local content. Erzähler Auf der Oxford Street, der Einkaufs- und Vergnügungsmeile für Ghanas Gutverdiener - und die Ausländer - sitzt Rex. Aus Kumasi. Da, wo das Kente herkommt, das kunstvoll gewebte Tuch der Ashanti. Das früher nur für die Könige hergestellt wurde. O-Ton Rex My name is Rex, from Ghana. Kumasi to be precise. But I live in Accra, Oxford Street. I am the best weaver in Ghana. I make Kente, the country cloth, I make bracelets, I make sandals, I make necklaces, a lot of things. Erzähler Rex ist ein Rasta-Typ. Immer locker. Er sei der beste Weber der Nation, erklärt er. Malen kann er auch. Ein Lebenskünstler. Gerade stellt er mit flinken Fingern einen Armreif, her. In den Landesfarben: Grün, Gelb, Rot. Und der schwarze Stern. O-Ton Rex The red is the blood of our ancestors, who fought for our independence. The yellow is the mineral, we have gold, bauxite, manganese - and oil. The green is the natural forest. Or the vegetation. And the black is the people, because we are the black stars of Africa. The first country in subsaharan Africa to win independence. Sprecher 2 Das Rot ist das Blut unserer Vorfahren. Das Gelb steht für unsere Mineralien: Gold, Bauxit, Mangan. Und für das Öl. Das Grün ist der Wald. Das Schwarz sind die Menschen. Wir sind der schwarze Stern von Afrika... Erzähler Sein unabhängiges Ghana. Plötzlich verzieht er das stolze Gesicht. O-Ton Rex When we fought for the independence, we got like a Micky Mouse freedom. We are not free economically, because we can't produce. Like a rich country not benefitting from it's richness... Sprecher 2 Wir haben nur eine Micky-Mouse-Freiheit bekommen. Wirtschaftlich sind wir nicht frei. Weil wir nicht produzieren können. Wir sind ein reiches Land, das von seinem Reichtum nicht profitiert. Erzähler Die Stoffe, die schönen bunten Stoffe aus Ghana, sind das greifbarste Beispiel. Es gibt sie noch. Auch die Fabriken. Aber die Kopien aus China sind viel billiger. O-Ton Láté I don't like their fabric, but I'm selling it. Erzähler Ich mag sie nicht, aber ich verkaufe sie, sagt die Stoffhändlerin Láté. Eine Achtung gebietende Frau. Ihre Armreifen klappern, wenn sie gestikuliert. O-Ton Láté Roughly I may tell you, I sell more Chinese. The stuff from China, you, know, the price is down. So many people (can) afford it. If you use the Ghana fabric you can't sell it. And it will not move quickly. Sprecherin 1 Ich verkaufe mehr chinesischen Stoff. Das Zeug ist einfach billiger. Das können sich viele leisten. Mit Stoffen aus Ghana machst Du einfach nicht den Umsatz. O-Ton Láté Yes, they do a lot of bad, bad things. They have freedom in Ghana here, go to the mining (areas), buy excavator machines, you see, going to the deep well they dig gold and so forth and so on. Dig our gold!! And they take it back to their home. Sprecherin 1 Sie machen eine Menge schlimmer Dinge hier. Genießen die Freiheit. Sie gehen in die Bergbaugebiete, kaufen sich Bagger, graben nach Gold. Unserem Gold! Nehmen es mit nach Hause. O-Ton Ghana TV Erzähler Unser Gold! Das bewegt hier die Gemüter. Eine Frechheit, sagen die Ghanaer. Dass Chinesen einfach in den Busch gehen, alles abholzen, sich das Gold holen. Nur giftige Tümpel zurücklassen. Die Regierung hat lange zugeschaut. 2013 aber wurden Tausende illegale chinesische Goldschürfer verhaftet und ausgewiesen. O-Ton Ghana TV Erzähler Ghana ist ein stolzes Land. Aber in China, etwa 40 mal so groß, leben gut 50 mal so viele Menschen. Und suchen ihre Chance. Es gibt viele Enklaven von "Fremden" in Afrika. Noch aus Kolonialzeiten. Oft schotten sie sich hinter hohen Mauern und dicken Gittern ab. Die chinesischen Händler aber stehen mitten auf dem Markt. Verkaufen. Und werden auch deshalb viel unmittelbarer als Bedrohung empfunden als die Geschäftemacher aus England, Frankreich, Deutschland, den USA. Erzähler Auf der Derby Avenue lugt eine kleine Chinesin mit großer Brille und Zöpfchen hinter ihrem Holztresen hervor. Neben ihr eine Wasserflasche und ein Reiskocher. Sie zeigt ein sonniges Lächeln. O-Ton Wen Juan My business? Actually I am one of the employees in this company. I am not the owner of this company. From January this year I came to Ghana... Erzähler Wen Juan, die sich den englischen Namen Bertha ausgesucht hat, ist seit Januar hier. Vor eineinhalb Jahren war sie mit dem College fertig. In Hengyang, Provinz Hunan. Mitten in China. O-Ton Wen Juan I found it on the internet. In China. Erzähler Sie hat sich den Job in Ghana im Internet gesucht. O-Ton Wen Juan Actually before I came to Ghana I had to serve on the Internet to know something about Ghana, to know something about Africa. Now I am 24 years old. Many people here asked me: Why did you come to Ghana? Including my parents and my friends. Why did you come to Ghana? Why did you come to Africa? Because here, you see, the environment, everything is not as good as in China. But I said: I am young. I said: There are many different chances in life for young people. You should go out. You should go abroad to take more chances for yourself, I think. So I came here. Sprecherin 2 Ich musste im Internet erst einmal nachgucken, um etwas über Ghana und Afrika zu erfahren. Ich bin jetzt 24. Und alle fragen mich: Warum Ghana? Auch meine Eltern, und meine Freunde. Da ist es doch gar nicht so gut wie in China. Aber ich sagte mir: Du bist jung. Und es gibt viele Chancen im Leben. Du musst losziehen. Du musst ins Ausland, Risiken eingehen. Also bin ich hergekommen. Erzähler Wen Juan kam ganz allein. O-Ton Wen Juan Yeah, just me alone. Just me alone. Erzähler Sie buchte den Flug. Sie flog. Sie landete. Wurde abgeholt. Das war einfach, sagt sie. O-Ton Wen Juan I did decisions. I will work hard. And live better. Erzähler Sie verkauft Koffer, ganze Sets, vier ineinander gesteckt wie russische Matroschkas. Sie passt genau auf. Wenn die Straßenhändler die Rollkoffer angucken und die Sets wie die Hütchenspieler immer wieder auseinander nehmen und zusammensetzen. Sie kann hart verhandeln. Erzähler Ein Straßenhändler will vier Sets kaufen. Wen Juan tippt auf ihrem Taschenrechner, gibt einen Cedi Rabatt. Die gibt es nie wieder zu diesem Preis, sagt sie. Und nächste Woche steht der Dollar noch höher... Erzähler Er zieht los, vier Koffer auf dem Kopf balancierend. O-Ton Wen Juan This is my sister here. My sister is strong, strong sister (lacht), Yeah... Erzähler Sie hat eine ghanaische Kollegin. Sawada. Sie nennt sie: meine Schwester. O-Ton Wen Juan Wen: Her name is Sawada. It's a local name. She is a Muslim. Maybe this is a muslim name... Erzähler Sawada ist schüchtern. Möchte nichts sagen. Obwohl Wen Juan laut verkündet, dass ich ein Freund bin. Atmo/O-Ton Wen Juan He's my friend... Tom!... She a sister (lacht), a sister of the sister. She's in the market, carrying the goods for somebody... Erzähler Manchmal kommen auch die Schwestern der Schwester. Sie arbeiten als Kayayei, als Trägerinnen. Können sich hier im Schatten hinter den Koffern ein wenig ausruhen. Erzähler Sie hat Mitleid mit ihnen. Manche sind alleinerziehende Mütter, mit einem Baby auf dem Rücken. Und fast noch selbst Kinder. Die Kayayei schuften in der stechenden Sonne, mit einer Emailleschüssel, einem Holzbrett oder nur einem gerollten Stofffetzen auf dem Kopf. Sie tragen Essen und Wasserbeutel, Säcke und schwere Kisten. Schleppen die Einkäufe der Kunden und die Lieferungen der Händler. Sehr schmal, sehr aufrecht. Junge Frauen aus dem Norden. Ihre Familien schicken sie nach Accra, um Geld zu verdienen. Angeblich leben etwa 160.000 von ihnen in Accra. Oft werden sie Opfer von Gewalt und Missbrauch. Erzähler Wen Juan ist ihren Eltern dankbar, dass sie ihr Freiheit lassen. Auf der Suche nach einem guten Leben. Was ist das, ein gutes Leben? O-Ton Wen Juan A good life? A good life... is to stay with the one you love. Including my family also. And to look for the life you want, you really want in your heart. Sprecherin 2 Mit dem zusammen zu sein, den man liebt. Und mit der Familie. Und nach dem Leben zu suchen, das man wirklich von ganzem Herzen will. Erzählerin Sie hat jetzt einen Freund hier. Einen Chinesen. Er kam im gleichen Flugzeug wie sie. Aber sie haben sich erst später getroffen. O-Ton Thomas Good life? Stay with my family. And the income should be stable. With a certain business to do. And I have some time to travel around to see how the world it is. Like Germany, America, Africa. And Japan, some other parts of China. I think, life should be like this. It's what you call happiness. Autor: Children? Thomas: Yeah, maybe. I want to have two children. If my wife agrees. Sprecher 2 Ein gutes Leben? Mit der Familie sein. Ein stabiles Einkommen haben. Und Zeit zu reisen, um die Welt zu sehen. Deutschland, Amerika, Afrika, Japan, andere Regionen von China. So sollte das Leben sein. Das nenne ich Glück. Erzähler Kinder? Sprecher 2 Ja, vielleicht. Zwei. Wenn die Frau einverstanden ist. Erzähler Ist er glücklich? O-Ton Thomas Mmmmmh. Somehow. Not always. Erzähler Thomas, der Fischernetzhändler, hat viel zu viel Zeit. Weil der Laden nicht läuft. O-Ton Thomas Just as you see. You come here three times. You only meet one customer. And you stay here more than one hour every time. As you can see: The business is very bad. Sprecher 2 Du warst jetzt dreimal hier. Jedes Mal über eine Stunde. Und hast nur einen Kunden getroffen. Das Geschäft ist sehr schlecht. Erzähler Vielleicht, weil so viele über die mangelnde Qualität der chinesischen Waren schimpfen. Thomas lacht nur. China, sagt er, produziert, was der Kunde wünscht. Sprecher 2 Für die Amerikaner machen wir Smartphones und für Afrika gefälschte Nokias. Erzähler Warum ist er so offen? Während viele seiner Landsleute völlig verschlossen wirken? Ich bin neugierig, sagt Thomas. Ich war an der Uni. Und Vizepräsident der Studentenunion. Ich habe schon viel erlebt. O-Ton Thomas You see we have many friends over here. Erzähler Gerade ist Moroko zu Besuch gekommen, ein Ghanaer aus dem Norden, der hier oft Netze kauft. O-Ton Moroko / Thomas Moroko: Africa is good. Africa good. Thomas: Just before you came we were talking about this. Moroko: We too love them, they love us, you see? So we all are friends. Mhmm. So it's good. Erzähler Hinter dem Bahnhof, direkt an den Gleisen gibt es noch einen Markt: Kantamanto Market. Ein Gewirr von Gängen, mit Blech, Planen und Stoffen überdacht. Second Hand-Kleidung und unverkäufliche Ware aus den USA, Europa und Asien wird hier umgearbeitet. Überall rattern Nähmaschinen. Man läuft ganz weich auf den vielen Stofffetzen. Vor ein paar Wochen erst hat hier ein Feuer gewütet. Das kommt immer wieder vor. All das Holz, die Kohlenfeuer, die Gasflaschen, das Benzin für die Generatoren. Wenn die Flammen erst einmal hochschlagen, ist es schnell ein Inferno. O-Ton Joe Joe is speaking now lacht. Yeah, Joe is a handsome boy, I can say that. Joe is someone... OK, Joe don't have family in Ghana here. So I came here as a hustler. Sprecher 1 Joe ist ein hübscher Junge. Ich darf das sagen. Erzähler Joe, ein junger Schneider, spricht von sich in der dritten Person. Er sieht tatsächlich hübsch aus. Löckchen umrahmen sein charmantes Gesicht. Er sieht wie ein Künstler aus. Sein Vater war Japaner, seine Mutter ist Afrikanerin, lebt irgendwo im Nachbarland Elfenbeinküste. O-Ton Joe My father died long time ago. That was a lorry accident. My father was fair in complexion. He's like you. Sprecher 1 Mein Vater ist längst gestorben. Ein LKW-Unfall. Er war ganz hellhäutig. So wie Du. Erzähler Als er 11 wurde, lernte er Nähen. O-Ton Joe Here is a hustler place. If you don't any friend, any brother, any sister, any mother, auntie, if you're here alone, you'll suffer. Unless you use your mind. Erzähler Man muss sich durchschlagen, sagt Joe. Ohne Freunde und Verwandte geht es Dir hier schlecht. Er arbeitet und schläft auch hier. Um sechs schließt der Markt. Dann strömen viele herbei, um sich ein Nachtlager zu bereiten. Irgendwo auf den Brettern der Marktstände. Morgens um vier, fünf, wenn die Besitzer kommen, muss alles leer und sauber sein. Erzähler Sie arbeiten zu fünft, dicht gedrängt in einen kleinen, halboffenen Raum. Die Maschinen sind nur gemietet. Manchmal ruft der Besitzer an. O-Ton Joe Sometimes he calls: Joe, what is going on? Please I want my money. Then I say: Oh, master, please, next week... Erzähler Joe mag die Arbeit. Aber es geht nicht recht voran. Er ist zu arm. O-Ton Joe If I had my own machine I would try to find some boys and teach them the work. So that I would be the boss. And they work for me. Because I know the work. Sprecher 1 Mit einer eigenen Nähmaschine würde ich ein paar Jungs suchen und es ihnen beibringen. Ich wäre der Boss. Sie würden für mich arbeiten. Erzähler Hinter der Granville Avenue, durch halbdunkle Flure, liegt der Laden von Theresa, die eigentlich Ama heißt. Eine Autorität unter den Schuhverkäuferinnen. Sie ist 62, hat drei Kinder. Ist seit bald 40 Jahren im Schuhhandel. Sie reiste nach Abidjan und importierte Gummisandalen. Dann nach Togo. Mit 38 fuhr sie zum ersten Mal nach China. Nach Guangzhou. O-Ton Ama I go to Guangzhou. I stayed in Guangzhou. And then I go round there. I just go round to search for goods. Erzähler Anfang der 90er. Ein Abenteuer. O-Ton Ama The first time I go there the people there liked me. So they take me as a sister. And they helped me. The time that we go there no African people there, no African people. Now there is African community there. If you go to Guangzhou you see many, many African people. But at first we go there, if they see black, they just rushed to see you like a god. Sprecherin 1 Als ich das erste Mal hinfuhr, mochten mich die Leute. Sie halfen mir. Damals gab es noch keine Afrikaner in Guangzhou. Heute ist da eine echte Community. Du siehst viele Afrikaner. Aber als wir kamen, sahen die zum ersten Mal Schwarze. Und dachten, wir seien Götter. Erzähler Jahrelang fuhr sie nach China. Rumgehen, gucken, verhandeln. Container organisieren. Es war ein gutes Geschäft, sagt Ama. Aber es läuft nicht mehr. O-Ton Ama Ooh, at first, Chinese people were not in Ghana. That's why we get profit. But now we couldn't get. So it's very, very hard for us to do business now. Because the Chinese people, they bring their goods here themselves. Sprecherin 1 Anfangs gab es kaum Chinesen in Ghana. Deshalb haben wir Profit gemacht. Jetzt nicht mehr. Es ist sehr schwer geworden. Weil die Chinesen die Waren selber bringen. Erzähler Sie hat resigniert. War schon vier Jahre nicht mehr in China. O-Ton Ama It's very bad. More then for years I couldn't go to China. Erzähler Sie sitzt hier auf Ware, die uralt ist. Die Händler haben eine Vereinigung gegründet, sich bei der Regierung beschwert. Aber die Regierung interessiert das nicht sonderlich. Sie hat große Pläne mit China. O-Ton Ama We talked about it to the government. But the government never minds, I think most of the market people, about 80 percent, all loose money. Money we used for trading, we don't have it now. Sprecherin 1 Ich glaube die meisten hier, etwa 80 Prozent, verlieren jetzt Geld. Alles weg. Wir haben nichts mehr zum Handeln. O-Ton Ama So now it's very totally hard. Erzähler Es sind die Strukturen. Die Kräfteverhältnisse. Nicht die Chinesen. Vor denen hat sie Respekt. Die arbeiten hart, sagt Ama. Härter als wir. Die haben Willenskraft. O-Ton Ama The building they're making today, next year you go they are finished. Because of the power of the will is working. So, I think, they have overcome Ghana, they will take Ghana, because we don't do anything... Sprecherin 1 Was sie heute bauen, ist nächstes Jahr wirklich fertig. Weil ihre Willenskraft funktioniert. Sie haben Ghana bezwungen. Sie werden Ghana übernehmen. Weil wir nichts tun. Erzähler Ihr Deutschen, sagt sie, würdet so etwas niemals zulassen. Draußen auf der Straße wird schon der nächste Container entladen. O-Ton Coby Scheiße. Erzähler Coby präsentiert seine einzige deutsche Vokabel. O-Ton Coby Scheiße. Erzähler Ein Kumpeltyp. Gerade mal 22. O-Ton Coby Ok, my name is Chin Lei, and my English name is Coby - C O B Y. I am from China. Actually I am working for a Chinese car company, the name is Caitec. We import Chinese cars from China and we sell it here. So we make money, Yeah, of course. We not only sell cars, we also do other business. Such as this shop. It's a fishing net shop. We sell fishing nets and rope. So that's what I do every day. Sprecher 1 Ich heiße Chin Lei, mein englischer Name ist Coby. Ich arbeite für eine große chinesische Autofirma, Caitec. Wir importieren Autos und machen Geld. Klar. Aber wir machen auch andere Geschäfte. Wie diesen Laden hier: Für Taue und Netze. Erzähler Fischernetze. Wie Thomas. Coby stammt kommt aus Tianjin, einer Hafenstadt nicht weit von Peking. Durch Freunde an der Universität hörte er von dem Job. Willst Du auch? fragten sie: O-Ton Coby So they asked me, if I want to go to Ghana. Experience another culture and another life in another country. And it pays a lot. Sprecher 1 Willst Du nach Ghana, eine andere Kultur, ein anderes Leben kennen lernen? Und es ist sehr gut bezahlt! Erzähler Zwei Jahre Afrika. O-Ton Coby Two years... it's a bloody long time. Excuse my language. Erzähler Nächste Woche fliegt er heim. Heute ist sein letzter Arbeitstag. Er hat es nicht bereut. O-Ton Coby I think I made a really good choice. I like Ghana. Erzähler Die Dunkelheit kommt schnell am Äquator. Am späten Nachmittag brechen alle eilig auf. Die Chinesen - und auch die Ghanaer - verriegeln die Tore ihrer Läden mit vielen Schlössern. Die Kayayei, die Trägerinnen laufen in Grüppchen nach Westen. Genau in die Abendsonne. Erzähler Ein Kokosnussverkäufer schlägt geschickt seine letzten Früchte auf. Erzähler Auch auf dem Kantamanto Markt hinter den Bahngleisen werden schnell die letzten Waren eingepackt. Ein paar Ziegen fressen im Müll. O-Ton Coby It's like a mixed life: A Ghanaian life and a Chinese life. Sprecher 1 Ein gemischtes Leben: Ein ghanaisches und ein chinesisches. Erzähler Es war ein abgeschirmtes Leben hier, sagt Coby. Beschützt von der großen Firma. Erzähler Tagsüber im Laden. Nachts im Compound, draußen an der Mallam Junction, in den Wohnhäusern hinter dem Verkaufssalon von Caitec. Mit den vielen "Junggesellenzimmern". Und ein paar größeren für Paare. O-Ton Coby It's like a Chinese castle, a Chinese bubble. And all the Chinese people live inside. Sprecher 1 Es ist wie eine chinesische Festung. Eine Blase. Und alle Chinesen leben da drin. Erzähler Sie haben hier eine Kantine - mit chinesischem Koch. Singen Karaoke, spielen Pingpong und Basketball. Coby will noch ein paar Souvenirs kaufen. Und jetzt ein letztes Mal Ball spielen, mit den Jungs. Obwohl er gar nicht richtig mithalten kann. Er hat einen tiefen Schnitt auf dem rechten Oberarm. Genäht. Mit neun Stichen, erklärt Coby tapfer. Sein Geschäft ist letzte Woche überfallen worden. Kurz vor Ladenschluss. Von drei Ghanaern, ein Ex-Angestellter war dabei. Sie fesselten ihn und zwei Kollegen raubten die Tageseinnahmen. Sie wurden gefasst. Es stand auf der Titelseite der Zeitung. Am Tor stehen ein paar afrikanische Kinder und gucken zu. Erzähler Das Basketball-Team bricht auf zum Abschiedsessen. Cobys Wilde 13. Sie rauchen, reißen Witze, senken flink die Stäbchen in die Delikatessen. Versuchen, Stress und Hemmungen abzuschütteln. Ein bisschen zu leben. Sie mögen das ghanaische Bier. Der Rest bleibt chinesisch. Absage Hello Chinaman! Handel in Accra, Ghana. Ein Feature von Tom Schimmeck. Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2014. Es sprachen: Fabian Gerhardt, Constance Craemer, Axel Gottschick, Andreas Laurenz Maier und Claudia Mischke Technische Realisation: Daniel Diethmann und Angelika Brochhaus Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Karin Beindorff 1 Exporte 1988: 47,42 Milliarden Dollar, 2013: 2,21 Billionen --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ Hallo, Chinaman! Seite 8 / 27