Deutschlandradio Körperschaft des öffentlichen Rechts Abteilung Wissenschaft und Bildung Redaktion: Carsten Schroeder Deutschlandfunk Aus Kultur- und Sozialwissenschaften Aus Kultur und Sozialwissenschaften WAS DIE BIBEL VERRÄT Archäologische Forschung im Vorderen Orient Feature von Barbara Weber Donnerstag, 25.12.2014 ? Weihnachten 20.05 - 21.00 Uhr Aufnahmedatum: Sprecher: URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken verwendet werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig ã DeutschlandRadio Raderberggürtel 40 ¨ 50968 Köln ¨ Telefon Hörerservice: 0221-345-1831 Musik 1 -------------- (arabisches Weihnachtslied) darüber Take 1 ------------ Weihnachten im Heiligen Land bedeutet für mich, dass ich dann in die katholische Andacht gehe, obwohl evangelisch, aber die ist einfach feierlicher, um 24 Uhr am Heilig Abend beginnt die Messe. Sie endet um zwei am 25., dann kann man noch eine Stunde lang mit den Mönchen gemeinsam Kaffee trinken und Gugelhupf essen, und dann geht man um drei in der Domitio los, läuft durch die Nacht von Jerusalem nach Bethlehem, ist dann hier in dieser Grotte ungefähr früh halb sechs, um sechs. Dann gibt es noch eine Morgenandacht, und wenn man dann hier die Geburt gefeiert hat, dann setzt man sich in einen Bus, der heißt dann Christmas Shuttle, und fährt nach Jerusalem zurück. Sprecherin ------------------ Prof.Dieter Vieweger, evangelischer Theologe und Archäologe. Musik 2 ----------- Enya, Pax Deorum 003 Zitator 1 --------------- ?In jenen Tagen erging ein Erlass des Kaisers Augustus, den ganzen Erdkreis aufzeichnen zu lassen. ? alle gingen hin, sich aufzeichnen zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Auch Joseph zog von Galiläa aus der Stadt Nazareth hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlecht Davids war, um sich mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war, eintragen zu lassen. Während sie dort waren, begab es sich, dass sich die Tage vollendeten, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihm einen Sohn, den Erstgeborenen, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil für sie kein Platz in einer Herberge war.? Sprecherin ----------------- Evangelium nach Lukas, hier in der Übersetzung der Herder Bibel von 1965. Take 2 ------------ Die Frage ist, wie historisch ist der Ort? Also Bethlehem ist Bethlehem, darüber kann man ganz locker reden, keine Frage, zurzeit Jesu war dort ein Ort. Und um dieses Bethlehem herum sind natürlich auch Ställe gewesen. Und diese Ställe sind nicht, wie wir das in Deutschland haben, Gebäude gewesen, sondern sind ausgedehnte Höhlen, die früher sicher mal Grabhöhlen waren und dann für Tiere benutzt wurden oder zum Ablagern benutzt wurden. Das ist ganz typisch. Insofern sind wir in den Stallungen der vergangenen Zeit. Welcher Stall nun der war, indem Jesus geboren ist, darüber gibt es nun tausend Phantasien, irgendwo hier spielt die Geschichte. Sprecherin ------------------ Kaiser Konstantin ließ im 4.Jahrhundert über der vermeintlichen Geburtsgrotte eine Kirche errichten, Justinian erweiterte sie. Armenier und orthodoxe Griechen beten hier. Die katholische Geburtskirche neben der konstantinischen stiftete übrigens Kaiser Wilhelm II. Sprecher --------------- Aber welche der zahlreichen Höhlen war der Geburtsort Jesu? Keiner weiß es. Die Bibel schweigt. Sprecherin ----------------- Doch lässt sich die Bibel überhaupt als verlässliche Quelle für archäologische Forschung nutzen? Können wiederum archäologische Funde die Richtigkeit der Heiligen Schrift bestätigen? Und inwiefern liefern archäologische Funde womöglich eine Vorlage für aktuelle Politik? Zäsur 1 (Musik 3 Mission 004) ----------- Sprecher 1 ------------------ Was die Bibel verrät - Archäologische Forschung im Vorderen Orient Eine Sendung von Barbara Weber Zäsur 1 ----------- Sprecher --------------- Seit 150 Jahren forschen Wissenschaftler und Reisende im Heiligen Land. Take 3 ---------- Ich würde sagen, wir haben drei Bereiche, in denen Archäologie im Heiligen Land begonnen hat,... Sprecherin ------------------ ? Dr. Hans-Peter Kuhnen unterrichtet provinzialrömische und biblische Archäologie am Institut für Altertumswissenschaften der Universität Mainz. Take 4 ---------- Das eine ist die Erkundung der antiken Fundstätten obertägig durch Forschungs-reisende, ? Sprecherin ------------------ ? zum Beispiel durch Kaspar Setzen oder Jakob Burckhardt, die um 1820 erste Fundstätten dokumentiert haben. Take 5 ---------- Das zweite sind die eigentlichen Grabungen, ? Sprecherin ------------------ ? zum Beispiel durch den Briten Charles Warren, der 1867 mit bergmännischen Methoden das Fundament des Tempelbergs in Jerusalem untersucht hat. Take 6 ---------- Und als drittes wäre noch zu erwähnen die Beschäftigung mit antiken Gräbern, die setzte so um 1880 ein. Man hat antike Grabanlagen dokumentiert, studiert, datiert, natürlich in dem Interesse, hier etwas zum Grab Jesu in Jerusalem sagen zu können. Sprecherin ------------------ Was das Grab Jesu anbelangt, gab es unterschiedliche Meinungen, abhängig von der jeweiligen religiösen Zugehörigkeit: So galt das 1867 entdeckte Gartengrab außerhalb der Jerusalemer Altstadt zum Beispiel evangelischen Christen als das echte Grab Jesu, während die meisten anderen christlichen Kirchen den Felsen unter der Grabeskirche als den richtigen Ort ansahen, was durch neuere archäologische Forschungen bestätigt wurde. Atmo 3 ------------- (Bethlehem, Feldkirche) Sprecher --------------- Orthodoxe, Katholiken, Protestanten: Jede christliche Kirche beansprucht bis heute bestimmte Plätze und Heiligtümer für sich. Im 19.Jahrhundert war die Gemengelage zwischen den christlichen Kirchen so brisant, dass Kaiser Wilhelm bei einem Besuch in Jerusalem 1886 angesichts des Zanks und der Streitereien gesagt haben soll: Take 7 --------- Wenn er noch mal auf die Welt kommt, dann wird er Muslim. Sprecherin ---------------- Denn zu jener Zeit galten Muslime als sehr tolerant. Sprecher -------------- Tempi passati. Zwar gibt es heute noch das ein oder andere Scharmützel zwischen den christlichen Gläubigen, wer wann wo in Jerusalem beten darf, doch die Hauptkonfliktlinien liegen woanders. Über deren Ursachen lässt sich streiten. Fakt ist: Geistig und räumlich sind sich die drei verschiedenen monotheistischen Religionen sehr nah. Atmo 4 ------------ (Klänge) Sprecherin ------------------ Judentum, Christentum und Islam berufen sich auf einen gemeinsamen Stammvater: Abraham. Das Alte Testament berichtet über sein Leben und Wirken. Historisch belegt ist nichts, archäologisch gibt es keine Befunde, die auf ihn als Person hindeuten. Atmo 5 ------------ (Grillen) Sprecher -------------- Alle drei monotheistischen Religionen entstanden im Kulturraum des Vorderen Orient. An keinem anderen Ort der Welt gibt es so viele Zeugnisse dieser Religionen auf engstem Raum: Jerusalem ist das in Stein gemeißelte Symbol ihrer Geschichte. Sprecherin ------------------ Prof.Dieter Vieweger ist Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes in Jerusalem und Amman. Atmo 6 ----------- (Ölberg) Take 8 ----------- Wir stehen jetzt hier auf dem südlichen Ausläufer des Ölbergs. Der Ort ist von ganz großer Bedeutung für die Juden und die Muslime, das Jüdische, das sehen wir direkt vor uns: Hier sind viele Gräber. All diese Gräber auf dem Ölberg sind gewandt zu dem einzigen Tor, das der Tempelberg hat, nämlich das goldene Tor, und hier liegt man so2zusagen in der ersten Reihe, wenn der Messias wiederkommt und wenn er durch dieses Tor in den Tempelberg eingehen wird, den Tempel neu erbauen wird, dann ist man hier schon an aller erster Stelle dabei, und insofern sind das die, glaube ich, teuersten jüdischen Gräber der Welt, die es überhaupt gibt, weil sie für die Endzeit hier schon geschaffen worden sind. Sprecherin ------------------ Nicht nur die Juden, auch die Muslime erwarten hier die Endzeit: Take 9 ------------ Hier wird nämlich einmal Issa, Jesus, stehen auf unserer Seite, und auf der anderen Seite, auf den Zinnen des ehemaligen Tempels, wird Mohammed stehen. Und zwischen uns wird eine kleine glitschige Brücke gestreckt werden, und über die müssen alle Menschen hinweglaufen, also jeder. Und die, die rechts und links herunterfallen, fallen in das tiefe Kidrontal, das war schon für die Juden die Hölle, und wenigstens darin sind sich Islam und Judentum einig, dass da unten die Hölle ist. Wer auf der anderen Seite ankommt bei Mohammed, der wird dann am Tempeleingang an den großen Bögen gewogen nach Recht und Unrecht, und wer dadurch kommt, kann dann im heutigen Felsendom an einem schwarzen Stein in Richtung Paradies gehen. Insofern ist das ein wichtiger Ort, den wir hier haben. Sprecherin ------------------ Und natürlich ist dieser Ort auch für die Christen wichtig: Take 10 ------------ Auf unserem Teil des Ölberges sieht man noch hinter uns die Kirche, an der Jesus die Jünger gelehrt hat, das Vater Unser zu beten, direkt vor uns liegt eine Kirche, die sieht aus wie eine Träne, das ist Dominus Flevit, ? Sprecherin ------------------ ? eine römisch-katholische Kirche, die? Take 11 ------------- ? erinnert an das Beispiel im Neuen Testament, wie Jesus dem Tempel gegenübersteht und sagt, der wird jetzt untergehen, und die ganze Stadt wird untergehen, und er weint über die Stadt Jerusalem. Weiter unten eine golden bekrönte Kirche, das ist Maria Magdalena, ? Sprecherin ------------------ ? eine russisch-orthodoxe Kirche, die erinnert? Take 12 ------------ ? an die Frau, die Jesus begleitet hat durch sein ganzes Leben hindurch. Das sehen wir von hier, aber wir sehen natürlich auch die Erlöserkirche... Sprecherin ------------------ ? eine evangelische Kirche? ------------------ ? hinter dem Felsendom. Sprecherin ------------------ ? der wiederum muslimisch ist Musik 4 ------------- Sarband, 001 Sprecherin ------------------ Heute gilt dieser Ort, an dem die drei Religionen ihren Ursprung haben und auf engstem Raum zusammenstoßen, als einer der explosivsten weltweit. Und es ist das Alte Testament, das eine Begründung liefert für die moderne israelische Politik, eine Politik, die zum Ziel hat, besetztes arabisches Land systematisch jüdischen Siedlern zu überlassen. Atmo 7 ----------- (Altstadt) Sprecher -------------- Seit fast einem halben Jahrhundert leben Millionen Palästinenser unter israelischer Militärherrschaft. Ihr Leben wird bestimmt durch Checkpoints, Personenkontrollen, Hausdurchsuchungen. In Ostjerusalem fühlt sich die palästinensische Bevölkerung fremd in der eigenen Stadt; dagegen hat die Zahl der jüdischen Siedler seit dem Osloer Friedensprozess 1993 stark zugenommen. Nie war die israelische Landnahme raumgreifender als im letzten Jahr, nie wurden mehr jüdische Bauvorhaben auf palästinensischem Boden verwirklicht. Sprecherin ------------------- Wenn Jerusalem der Zankapfel des Nahost-Konflikts ist, ist der Tempelberg mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee das Kerngehäuse. Zäsur 2 ------------ Sprecher 1 ------------------ Der Tempelberg Zäsur 2 ------------- Musik 2 ------------- Enya Zitator 1 ----------- ?Da prüfte Gott Abraham und sprach zu ihm ?Abraham, Abraham!? Er antwortete: ?Hier bin ich!? Da sprach er: ?Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebhast, den Isaak, und gehe in das Land Morija und bringe ihn dort auf einen der Berge, den ich dir sagen werde, als Brandopfer dar!? ? Als sie an den Ort kamen, den Gott ihm gesagt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, band seinen Sohn und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. ? Da rief ein Engel Jahwes vom Himmel her ihm zu und sprach: ?Abraham, Abraham!? Er Antwortete: ?Hier bin ich!? Da sprach er: ?Strecke Deine Hand nicht nach dem Jungen aus und tu ihm nichts zuleide. Denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und mir deinen eigenen Sohn nicht vorenthalten hast.? Sprecherin ------------------- Altes Testament, Genesis, Kapitel 22 Sprecher -------------- Hier, auf dem Tempelberg, soll Abraham seinen Sohn Isaak vor rund 4000 Jahren fast geopfert haben. Sprecherin ----------------- König Salomo vor knapp 3000 Jahren Hof gehalten und den ersten Tempel erbaut haben, Sprecher --------------- Jesus vor 2000 Jahren gegen Geldwechsler gekämpft und Herodes den zweiten Tempel erbaut haben, Sprecherin ------------------ und Mohammed vor rund 1400 Jahren auf einem geflügelten Pferd gen Himmel geritten sein. Musik 5 ------------- Sarband, 007 Sprecher -------------- Der Tempelberg im Herzen Jerusalems ist für viele Gläubige das Zentrum der Welt. Hier kumulieren israelische und palästinensische Interessen, geht es doch darum, wer rechtmäßig den Berg für sich beanspruchen kann. Sprecherin ------------------- Das 144.000 Quadratmeter große Areal, auf dem heute die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen, verwaltet die Waqf, eine islamische Stiftung. Die Al-Aksa Moschee zählt zu den heiligsten Stätten des Islam. Sprecher --------------- Der Berg darf von Nichtmuslimen nur nach strengen Regularien betreten werden. Juden ist es verboten, dort zu beten. Das versuchen jüdische Orthodoxe immer wieder zu umgehen, so wie der bei einem Attentat schwer verletzte Aktivist Jehuda Glick. Sprecherin ----------------- Jüdische Archäologen dürfen dort nicht graben, was ihnen laut Völkerrecht auch in anderen besetzten Gebieten verboten ist. Das bedauert Prof. Gabriel Barkay, Archäologe und Professor an der Bar-Ilan-Universität im Bezirk Tel Aviv, anlässlich des fünften ?International Temple Mount Awareness? Tages am 4.April diesen Jahres Take 14 ----------- The Temple Mount? Sprecher 1 ----------------- Der Tempelberg ist der bedeutendste archäologische Ort in diesem Land, vielleicht auch auf der ganzen Welt. Der Tempelberg birgt bedeutende archäologische Schätze, die ihresgleichen in der Welt suchen. Im Gegensatz zu dem Rest von Jerusalem ist der Tempelberg ein schwarzes Loch. Jerusalem ist weltweit archäologisch am besten erforscht. Paradoxerweise wurde der Tempelberg von Archäologen niemals berührt. Das hat politische Gründe. So ist der wichtigste Platz auch der unbekannteste Platz, archäologisch gesehen. ?the less known place archaeologicaly. Sprecherin ----------------- Ende der 1990er Jahre begann die Waqf ein großes Bauprojekte auf dem Tempelberg. So entstand die weltweit angeblich größte unterirdische Moschee. Take 15 ------------- We have a monumental entrance into that mosque from the north and in order to have that entrance a gigantic puits was barbarically, brutally excavated by heavy machinery ? Sprecher 1 ----------------- Wir haben einen monumentalen Eingang in die Moschee von Norden. Um diesen herzustellen, wurde 1999 mit schweren Maschinen, mit Bulldozern, brutal eine große Grube ausgehoben. Sie arbeiteten Tag und Nacht, um die Grube auszubaggern, die zwölf Meter tief und vierzehn Meter lang war. Es wurde alles zerstört, was man finden konnte. 400 Lastwagenladungen, gefüllt mit Erde und der Geschichte des Tempelberges, wurden weggeschafft, ein Teil zunächst vermischt mit modernem Stadtabfall, was es den Archäologen unmöglich machte, den Schutt zu untersuchen. Einen anderen Teil brachten sie später ins Kidrontal. ? in the Kidronvalley. Sprecherin ------------------ Warum beteiligte die Waqf keine Archäologen an dem Vorhaben? Selbst palästinensische Wissenschaftler waren nicht von der Behörde informiert worden, sagt Prof. Hani Nur El-Din, Leiter des Instituts für Archäologie der palästinensischen Al-Quds Universität in Ostjerusalem, der von den Bauarbeiten als einer Restauration spricht: Take 16 ------------ I think when they did this kind of restauration? Sprecher 2 ------------------ Ich denke, als sie die Restauration gemacht haben, hätten die palästinensischen Archäologen als Experten beteiligt werden müssen, um zu sehen was passiert. ?.to see what?s going on. Sprecherin ----------------- Das sei schon allein aus dem Grund notwendig gewesen, um Vorwürfe von Seiten der israelischen Kollegen zu verhindern. Die versuchen wiederum seit zehn Jahren den angerichteten Schaden zu begrenzen. Take 17 ------------ We do not know the finds and from what depths did they come. ? Sprecher 1 ----------------- Wir kennen nicht die Fundzusammenhänge, wissen nicht, aus welchen Tiefen die Objekte kommen. Doch abgesehen davon versuchen wir, soviel wie möglich von der ausgehobenen Erde zu retten, so viel Erkenntnis wie möglich zu erlangen. Wir haben tausende von Funden, die tausende von Jahren der Geschichte des Tempelberges repräsentieren. Wir haben ungefähr zwanzig Prozent der Funde, die auf die erste Tempelperiode datiert werden können. ?from first temple period. Sprecherin ------------------ Bis heute durchsiebt und untersucht Gabriel Barkay mit vielen Helfern den Tempelschutt. Der Wissenschaftler vermutet, dass rein politische Gründe hinter der Zerstörung archäologisch wertvoller Schichten liegen: Take 18 ------------ That came together with the ? Sprecher 1 ---------------- Das fällt zusammen mit der totalen Weigerung, eine Verbindung zwischen Juden und Tempelberg herzustellen und der Weigerung, die Existenz eines ersten und zweiten Tempels anzuerkennen. ?first and second temples. Sprecherin ----------------- Mit deren Anerkennung tut sich Prof. Hani Nur El-Din von der Ostjerusalemer Al-Quds Universität schwer. Take 19 ----------- I think also the first and the second temple. Sprecher 2 ----------------- Ich denke, sowohl der erste als auch der zweite Tempel sind Ideen von biblischen und israelischen Archäologen. Wenn man vom ersten Tempel spricht, meint man den Tempel von Salomo und David. Unglücklicherweise konnten die Beweise für dessen Existenz nicht erbracht werden. Was den zweiten Tempel von Herodes betrifft, glaube ich, dass Herodes viele Tempel in Palästina erbaut hat. Aber es waren keine jüdischen Tempel, es waren römische. Das Problem biblischer und israelischer Archäologie ist, dass ihre Aussagen mehr auf einer Idee beruhen als auf Belegen. ? it can be supported. Sprecherin ----------------- Das sieht sein israelischer Kollege naturgemäß anders: Take 20 ----------- I do not need any prove? Sprecher 1 ---------------- Ich brauche keinen Beweis. Wir haben die Bibel. Wir haben Flavius Josephus. Wir haben dutzende von literarischen Referenzen, die darüber berichten. Ich brauche keinen Beweis. ? I don?t need a prove. Sprecherin ------------------ Gabriel Barkay ist überzeugt, dass Grabungen im Tempelberg den Beweis erbringen würden. Zudem zeugten schon bislang gefundene Inschriften von einem Tempel. Der israelische Wissenschaftler vermutet, dass unter dem Deckmantel des Bauprojektes und der Zerstörung der historischen Erdschichten die Absicht steckt, ein anderes Geschichtsbild zu kreieren, das einher geht mit der ?Tempellüge?. Take 21 ----------- The temple-denial is to my humble view? Sprecher 1 ----------------- Die Tempellüge ist aus meiner bescheidenen Sicht wesentlich gewichtiger als die Holocaust Lüge. Ich bin ein Überlebender des Holocaust. Ich wurde in einem Ghetto in den 1940ern geboren in Mitteleuropa. ? the middle of Europe. Sprecherin ----------------- Der aus deutscher Perspektive etwas befremdliche Vergleich lässt sich mit dem Versuch erklären, eine möglichst lückenlose Besiedlung Palästinas und Jerusalems durch Juden nachzuweisen, um damit wiederum Landansprüche zu rechtfertigen. Genau das liegt naturgemäß nicht im Interesse der Palästinenser. Sprecher --------------- Ein weiterer Aspekt scheint die hitzige Diskussion nicht zu stören: Ob Salomo bereits ein monotheistisch geprägtes Reich führte, ist fraglich. Zu jener Zeit scheint in Palästina noch vielen Göttern gehuldigt worden zu sein. Wem alles in einem salomonischen Tempel geopfert wurde - darüber lässt sich nur spekulieren. Atmo 9 ----------- (Klagemauer) Sprecherin ----------------- Die Klagemauer ist heute der Ort, an dem fromme Juden beten. Sie bildet einen Teil der westlichen Wand der 70 n. Chr. zerstörten zweiten Tempelanlage. Südlich der Klagemauer schließt sich die so genannte Davidstadt an, heute ein archäologischer Park und eine Ausgrabungsstätte. Zäsur 3 (Musik 6 Pugnate 001) ------------- Sprecher 1 ----------------- Die Davidstadt Zäsur 3 ------------- Atmo 1 ---------- Zitator 1 ------------- ?Hierauf zog der König mit seinen Leuten gegen die Jebusiter. ? David eroberte die Burg Zion, das ist die Davidstadt. ? David ließ sich in der Burg nieder und nannte sie Davidstadt. David wuchs immer mehr an Macht und Jahwe ? war mit ihm. Hiram, der König von Tyrus, schickte Beauftragte an David mit Zedernstämmen, Zimmerleuten und Steinmetzen, damit sie für David einen Palast bauten. So erkannte David, dass Jahwe ihn als König über Israel bestätigte.? Sprecherin ------------------- Altes Testament, Samuel Kapitel 2 Sprecher --------------- David machte Jerusalem zur Hauptstadt und zum geistlichen Zentrum Israels, indem er die Bundeslade mit den zehn Geboten dorthin brachte, erzählt die Bibel. Davids Sohn Salomo beendete, was sein Vater begann und ließ einen Tempel bauen. Jerusalem erblühte zu einer prachtvollen Stadt, so die Erzählung. Musik 7 ------------ Händel/Königin von Saba/001 Sprecher --------------- Der weise König Salomo war so mächtig, dass ihn die Königin von Saba besuchte - eine Figur, die archäologisch bis heute nicht nachweisbar ist ? ihn reich beschenkte und mit ihm einen Sohn zeugte. Sprecherin ------------------ Aber stimmt das alles? Der Archäologe Prof.Israel Finkelstein, Direktor des Archäologischen Instituts der Universität Tel Aviv, hat da seine Zweifel. Ob David das jebusitische Jerusalem eroberte, ist archäologisch nicht zu belegen. Jerusalem als prachtvolle Hauptstadt Salomos? Finkelstein vermutet eher eine ?dimorphe? Stammesgemeinschaft, ein Bergdorf. Das entspricht dem typischen Siedlungsmuster für Orte in Juda in der frühen Bronze- und späten Eisenzeit, also etwa 1550 bis 900 v.Chr. Demnach war die Anzahl der Bewohner in Jerusalem überschaubar. Sprecher ---------------- Dieses bronzezeitliche Dorf steht in keinem Verhältnis zu der Bedeutung, die die so genannte Davidstadt heute bei orthodoxen Juden genießt. Der Hintergrund: Je glorreicher die Vergangenheit, umso eher lassen sich politische Gebietsansprüche untermauern - so die Überlegung. Der Ort gilt als der älteste besiedelte Teil Jerusalems und als wichtigste archäologische Fundstelle des biblischen Zeitalters, sagen seine Ausgräber. Sprecherin ----------------- Heute liegt die Davidstadt mitten in dem palästinensischen Bezirk Silwan am Rande der Altstadt vom israelisch besetzten Ostjerusalem. Die archäologischen Arbeiten sponsert die rechte Siedlerorganisation Elad, die daneben auch den jüdischen Siedlungsbau finanziert. Take 22 ------------ Das Projekt ?Grabungen in der Davidstadt? ist eines, was auch auf israelischer Seite hochumstritten ist. Sprecherin ------------------- ?meint Dr.Hans-Peter Kuhnen Take 23 ------------- Es sind ja keine staatlichen Grabungen, sondern es ist ja eine private Entwicklungsgesellschaft, die eine Grabungslizenz bekommen hat und die nun dort gräbt, um die Wurzeln des eisenzeitlichen Jerusalem, des Königtums Juda, manifest zu machen und zu präsentieren. Sprecherin ------------------ Die Lage der Ausgrabungsstätte ist von strategischer Bedeutung. Die Davidstadt verbindet den jüdischen Teil der Altstadt mit den neuen jüdischen Stadtvierteln und trennt gleichzeitig die arabischen Stadtteile Jerusalems. Wird das Gebiet weiter besiedelt, wird die Altstadt künftig von Ostjerusalem abgeschnitten aber mit den jüdischen Siedlungsblöcken im Nordosten verbunden sein. Atmo 10 ---------------- (City of David) Sprecher -------------- Ein opulent ausgestatteter Archäologiepark demonstriert 5000 Jahre Geschichte mit Funden vom Tempelberg, Mauerstücken, Bädern für rituelle Waschungen, byzantinischen Wohngebäuden, Überresten von islamischen Palästen und Türmen aus der Kreuzfahrerzeit. Atmo 11/12 ------------ (Grabung/Verkehr) Sprecherin ---------------- Südlich des Parks, an einem Parkplatz und einer Straße gelegen, umschließt ein hoher Bauzaun das große Grabungsareal. Take 24 -------------- Dr.Doron Ben Ami ?. Sprecherin ------------------ ? stellt sich der Archäologe der Hebräischen Universität Jerusalem vor. Doron Ben Ami steht am Rande der Grabung auf einer Holzplattform. Er gräbt mit seinem international besetzten Team, rund 50 Studenten und Freiwilligen, in der alten Davidstadt und berichtet gleich von einem spektakulären Goldfund, den britische Ausgräber zutage gefördert hätten, ? Take 25 ------------- ? a large gold hoard, more than 260 gold coins that where under earth? Sprecherin ----------------- Die große Grabung ist gut erschlossen und komfortabel ausgestattet: Holzstege trennen die einzelnen Grabungsareale voneinander, Holztreppen, mit Geländer versehen, führen in einzelne Gruben bis in die biblische Zeit: Take 26 ------------- I ask you to follow me because we should go deep in our time-tunnel. We go these stairs. The listeners don?t see but must imaging stairs leading us now deep, deep into the lower level of this side and then we can look at the remains of the biblical era. Sprecherin ----------------- Es geht bergab: vorbei an der späten römischen Periode des 3. bis 4.Jahrhunderts n.Chr., der frühen römischen Epoche des 1.Jahrhunderts n.Chr., bis hinunter auf 13 Meter Tiefe. Auf dem Boden kauern Studenten und Freiwillige und schaben mit kleinen Kellen über die Erde. An einigen Stellen ragen Mauern aus dem Grund, bedeckt von Lehm. Eine hohe Wand bildet den nördlichen Abschluss des Grabungsareals. Sie muss in biblischer Zeit zu einem repräsentativen, öffentlichen Gebäude gehört haben. Für den Archäologen ist klar: Take 27 ------------- This one here cannot be a temple because there was only one temple functioning and legitimate in the biblical era and it is not this one. Sprecherin ----------------- Der einzige legitime Tempel der biblischen Ära stand nämlich 200 Meter nördlich auf dem Tempelberg, ist Doron Ben Ami überzeugt. Wie das Areal vor der Zerstörung durch die Babylonier 586 ausgesehen hat? Take 28 -------------- Well the picture was that in the northern part of the city, there is the temple-mountain with the temple, in the southern part the City of David. ? Sprecherin ----------------- Der Archäologe entwirft das Bild einer blühenden Stadt, die in der Nähe des Tempels über administrative Gebäude verfügte, an die sich Wohnbezirke anschlossen. Als die Assyrer Ende des 8.Jahrhunderts Jerusalem eroberten, zerstörten sie es nicht. Erst 150 Jahre später fiel die Stadt den Babyloniern zum Opfer. Musik 8 ------------- (Indians 003) Sprecher ------------- Dass die Assyrer in Jerusalem einmarschierten, ist archäologisch unumstritten. Doch die Geschichte vorher scheint sich anders abgespielt zu haben, als die Bibel glauben machen will - das belegt eindrucksvoll eine aktuelle Veröffentlichung von Israel Finkelstein: Sprecherin ------------------ Um 1000 v.Chr. gab es keinen von David geschaffenen Einheitsstaat, sondern im Norden Israel, im Süden das ärmliche Juda, ein Territorium mit etwa 30 Dörfern. Sprecher -------------- Israel erlebte als Kleinkönigtum und ägyptischer Vasallenstaat eine Blütezeit im 9.Jahrhundert v.Chr. Seine Herrscher, die Omriden-Dynastie, erbauten ein Prunkschloss und gründeten Samaria. Zu den Gründungsmythen dieses Nordreiches gehörten die Geschichten von Jakob und vom Auszug aus Ägypten. Hier entstand auch eine Bewegung um den Propheten Hosea, der Jahwe als alleinigen Gott anpries. Sprecherin ------------------ Ganz anders die Situation im abgelegenen Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem: In dieser Provinz war die Besiedlung dünn. Monumentalbauten sind in Juda aus dieser Zeit nicht überliefert. Eine homogene jüdische Bevölkerung - so Finkelstein ? habe nur das unbedeutende Südreich Juda besessen. Im Norden hätten Israeliten mit Kanaanäern, Aramäern und Moabitern zusammengelebt. Sprecher -------------- Erst als die Assyrer 720 v.Chr. in Israel einmarschierten, wuchs Jerusalem: 12.000 Flüchtlinge suchten ihr Heil in der südlich gelegenen Stadt. Sie brachten ihre historischen Überlieferungen mit und prägten das Geschichtsbild der Bibelautoren. Sprecherin ------------------ 19 Jahre später verwüsteten die Angreifer Juda. Nur ein Rumpfgebilde blieb übrig. Anders, als das Alte Testament glauben machen will, besiegten die Judäer nicht die Assyrer, vielmehr schloss deren Anführer Sanherib Jerusalem ein und plünderte dessen Gold und Silber. Zäsur 4 /Musik 9 Flamma 014 ----------- Sprecher 1 ----------------- Sumerer, Assyrer und Babylonier Zäsur 4 ------------- . Musik 2 ------------- Enya Zitator 1 ----------- ?Da sprach Gott zu Noah: Baue Dir eine Arche, ? denn ich will die Flut, das Wasser, über die Erde kommen lassen?. Alles, was auf Erden ist, soll umkommen. Mit Dir aber will ich meinen Bund schließen. Du sollst in die Arche gehen, du und mit dir deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne. Von allen lebenden Wesen, von allem Fleisch, sollst du zwei von allen mit in die Arche aufnehmen, damit sie mit dir am Leben bleiben, ein Männchen und ein Weibchen soll es sein.? Sprecherin ---------------- Altes Testament, Genesis, Kapitel 2 Sprecher -------------- Die Bibel erzählt eindrucksvolle Geschichten: Angefangen von der Entstehung der Welt und der Schaffung des ersten Menschen über die Schwangerschaft der 90jährigen Gattin von Abraham bis hin zur Teilung des Meeres durch Moses. Eine dieser Geschichten ist die Geschichte von der Sintflut und der Rettung der Schöpfung durch den Bau einer Arche. Musik 10 ------------- Flamma 004 Zitator 1 ----------- Mann von Schuruppak, Sohn Ubara-Tutus! Reiß ab das Haus, erbau ein Schiff, Laß fahren Reichtum, dem Leben jag nach! Besitz gib auf, dafür erhalt das Leben! Heb hinein allerlei beseelten Samen ins Schiff! Das Schiff, welches du erbauen sollst ? Dessen Maße sollen abgemessen sein, Gleichgemessen seien ihm Breite und Länge; Du sollst es wie das Apsû bedachen. Sprecherin ------------------ Gilgamesch Epos, 11.Tafel Atmo 13/14 ------------ (Museum Pergamon) Take 29 ------------ Zunächst muss man sagen, dass Flutgeschichten, Sintflutgeschichten im Alten Orient schon lange vor dem Gilgamesch Epos bekannt sind. Wir kennen eine sumerische Fluterzählung aus dem späten 3.Jahrtausend, die schon ganz wesentliche Elemente dessen enthält, was wir später auch in der biblischen Flutgeschichte haben. Sprecherin ----------------- ?sagt Prof.Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums im Pergamon Museum Berlin. Take 30 ------------ (Ess) Im Ursprungsmythos der Sintflut-Geschichte geht es darum, dass die Götter, die die Menschen geschaffen haben, sich über die Menschen ärgern, und zwar deswegen, weil sie zu viel Lärm machen und man dann entscheidet, dass diese Menschen wieder abgeschafft werden müssen und eine Sintflut sie dahinraffen soll Sprecher -------------- ? so Dr.Margarete van Ess, wissenschaftliche Direktorin der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts. Take 31 ----------- (Hilgert) Wenn wir die beiden Geschichten aus Babylonien und aus der Bibel miteinander vergleichen, dann sehen wir tatsächlich sehr, sehr große Ähnlichkeiten. (van Ess) Ganz ähnlich wie in der biblischen Geschichte wird dann durch Information eines der Götter an einen der Menschen dafür gesorgt, dass eben ein Mensch und bestimmte Tiere das ganze überleben und daraus auch die ganze Menschheit überlebt. (Hilgert) Insofern ist tatsächlich hier davon auszugehen, dass es sich um einen gemeinsamen Erzählstrang, um eine gemeinsame Erzähltradition handelt, was ja auch nicht verwundert, weil es im 1.Jahrtausend ja sehr enge Kulturkontakte zwischen westsemitischen Bevölkerungsgruppen und der babylonischen Mehrheitsgesellschaft auf der anderen Seite gibt. Insofern wandern natürlich auch Erzählungen, Motive, Sujets und ist genau diese Tatsache, die Entdeckung der Flutgeschichte in Keilschrifttexten aus dem Palast Asubanipals von Ninive, eine wesentliche Grundlage dafür gewesen ist, dass man sich am Beginn des 20.Jahrhunderts sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, in welchem Verhältnis die babylonische Kultur, die babylonische Gesellschaft mit der Überlieferung in der Bibel steht. Musik 11 ------------- (Flamma 005) Sprecherin ------------------ Das Gilgamesch Epos geht auf die Sumerer zurück. Es beschreibt vordergründig die Taten des Königs Gilgamesch, aber in den einzelnen Episoden geht es auch um den Sinn des Lebens und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Sprecher ----------------- Seit Ende des 4. Jahrtausends lebte das Volk der Sumerer im Südirak, gefolgt später von der Großmacht Babylonien. Die Erfinder der phantastischen Sintflut-Geschichte waren kultivierte Menschen. Sie gründeten die Stadt Uruk. Margarete van Ess hat - als es noch möglich war - vor Ort gegraben: Take 32 ------------- Mit der Stadt Uruk und mit der Kultur der Sumerer beginnt diese Art der Hochkultur, das heißt, die Stadt steht ein wenig für den Nukleus, für die gesamte spätere Entwicklung, die immerhin dann 3000 Jahre angehalten hat. Das heißt, Uruk ist die erste, wirklich sehr große Stadt in der Region, und sie ist die Stadt, in der viele Dinge entwickelt wurden, die wir auch heute noch als urbane Struktur ansehen, das heißt, die Idee der Großstadt stammt aus dem Südirak, aus der sumerischen Zeit, und Uruk ist pars pro toto dafür oder das Symbol dieser städtischen Entwicklung und war es im Übrigen auch schon in der Antike. Sprecherin ------------------ In die Zeit von Uruk fällt auch die Entstehung der Schrift, erläutert Markus Hilgert: Take 33 -------------- Wir beobachten im späten 3.Jahrtausend dann auch zum ersten Mal den systematischen Gebrauch von Schrift, und zwar von Schrift in zwei Bereichen, einmal im Bereich der Wirtschaftsverwaltung, weil eine bestimmte Konzentration von Ressourcen in größeren Haushalten, in größeren Institutionen es erforderlich machte, dass man diese Ressourcen auch entsprechend verwaltet hat. Sprecherin ------------------- Gleichzeitig entstehen aber auch wissenschaftliche Texte. Take 34 -------------- Das heißt, Schrift ist nie nur Wirtschaftsinstrument gewesen sondern ist gleichzeitig auch Instrument zur Vermittlung von Wissen und Wissenschaft gewesen Musik 11 -------------- s.o. Sprecherin ------------------ Die zweite große Hochkultur in Mesopotamien war die der Assyrer, die vermutlich im 2.Jahrtausend v.Chr. Ninive gründeten, ihre spätere Hauptstadt. Ninive lag am Tigris, gegenüber der heutigen Stadt Mosul im Nordirak. Sprecher --------------- Seine Hochblüte erlebte Ninive unter Sanherib, dem Eroberer von Israel und Juda. Sanherib ließ einen 80 Kilometer langen Kanal bauen und einen Staudamm errichten, um Ninive mit Wasser zu versorgen. Doppelte Mauern mit Türmen umgaben das assyrische Zentrum, Reliefs zierten prachtvolle Paläste. Kampf-, Jagd- und Kultszenen dominierten den Bilderzyklus. Religiöse Darstellungen scheinen weniger beliebt gewesen zu sein. Sprecherin ----------------- Zwar wird in der Bibel der Schrecken, den die Assyrer auf die Judäer ausübten, eindrucksvoll beschrieben, doch ihre Hochkultur findet wenig Beachtung. Musik 11 ------------- s.o. Sprecher --------------- Die Hochkultur, die das biblische Volk dann mit eigenen Augen bewundern konnte, war Babylon. Sprecherin ----------------- Dessen König Nebukadnezzar zerstörte 587 v.Chr. Juda und seine Hauptstadt Jerusalem und deportierte Priester und Politiker. Sprecher -------------- Zwar war Jerusalem zu jener Zeit schon eine blühende Stadt, doch was die Deportierten in Babylon zu sehen bekamen, muss eine starke Wirkung auf sie ausgeübt haben. Atmo 13/14 ------------ Sprecherin ----------------- Das lässt sich heute noch im Vorderasiatischen Museum in Berlin nachempfinden: Das Ischtar Tor mit seinen 15 Metern Höhe und 30 Metern Breite, das die Besucher empfängt, ist neben der Prozessionsstraße ein Meisterwerk antiker Baukunst. Mit seinen tiefen Tierreliefs in lebensechten, leuchtenden Farben müssen diese Monumentalbauten auf die gefangenen Neuankömmlinge einschüchternd gewirkt haben, meint Markus Hilgert: Take 35 ------------- Und insofern kann man sich vorstellen, dass für einen Besucher, der auf einmal diese monumentale Großarchitektur gesehen hat, der das Leben dieser Stadt gesehen hat, dass das sehr beeindruckend gewesen sein muss, und dass das, was hier an Wissen, auch an religiöser Überzeugung, auch an kultischen Praktiken vorgefunden werden konnte, für eine Religionsgemeinschaft, die nur an einen Gott glaubte und die an einen Gott glaubte, der sich nicht in Bildern darstellen lassen wollte, dass das schon eine Herausforderung gewesen ist. Insofern ist die biblische Auseinandersetzung oder die Auseinandersetzung des Alten Testaments mit dem Exempel Babylon ist natürlich paradigmatisch, beispielhaft, für die Auseinandersetzung zweier ganz verschiedener Kulturen. Sprecherin ----------------- Babylon war eine Weltstadt, mit einer Geschichte, die weit in das frühe 2.Jahrtausend v.Chr. zurückreichte, eine internationale Metropole, die schon im 1.Jahrtausend über zahlreiche internationale Kontakte verfügte ? Take 36 ------------- ? durch Handel, durch Vielsprachigkeit. Wir wissen, dass im 1.Jahrtausend nicht nur das akkadische und das sumerische noch in der Schule verbreitet gewesen sind, sondern dass man auch das Reichsaramäische gesprochen hat, und in späteren Jahrhunderten kommt das griechische hinzu, vielleicht das persische, das medische, das heißt, die biblische Geschichte von der babylonischen Sprachenverwirrung geht womöglich tatsächlich darauf zurück, dass in Babylon aufgrund der Größe der Stadt und aufgrund der Internationalität der Stadt, sehr viele Sprachen zu hören waren. Sprecherin ----------------- Vermutlich sind hier, im Exil in Babylon, große Teile der Bibel entstanden. Vielleicht trieb die Judäer die Sorge um, ihre Identität in diesem Melting Pott zu verlieren. Fernab von ihrer Hauptstadt Jerusalem schufen sie den Mythos eines auserwählten, früh schon mächtigen Königreiches, der so gar nicht der Realität eines Volkes entsprach, was von Ägyptern, Assyrern, Babyloniern und später Persern, Griechen und Römern erobert und beherrscht wurde. Sprecher -------------- Die Bibel ist kein historisches Werk, auch wenn die eine oder andere Begebenheit durch archäologische Forschung oder weitere Quellen belegt wird. Doch in weiten Teilen ist das ?Buch der Bücher? Wunschdenken eines kleinen Volkes auf der Suche nach der eigenen Identität. Zäsur 5 /Musik 12/ Glass 004 ------------ Sprecher ----------------- Bibel und Wissenschaft Zäsur 5 ----------- Sprecher -------------- Es gibt historische Phänomene, die weit über die Grenzen der biblischen Archäologie und die Grenzen des Nahen Ostens hinausgehen. Dazu zählen die Schriftrollen von Qumran am Toten Meer. Sprecherin ------------------ Die von einem Hirtenjungen im Jahr 1947 ans Tageslicht geförderten Schriftrollen lösten in Folge nicht nur einen wahren Boom an Grabungen, Forschungen und Touristenströmen aus, sondern auch heftige wissenschaftliche Diskussionen in der Fachwelt, denn der antike Ort vor dem Fundplatz führte zu wilden Spekulationen über die Verfasser der Schriften und darüber, warum die Rollen in den Höhlen deponiert worden waren. Sprecher ---------------- Doch jenseits aller wissenschaftlichen Dispute zeigen die Rollen, wie authentisch die Texte der Bibel sind, ? Take 37 ------------ ? weil man dort erstmalig Texte des Alten Testaments aus vorchristlicher Zeit gefunden hat, durch die man beweisen konnte, dass der Text des Alten Testaments, den wir heute lesen, im Wesentlichen der ist, der schon in vorchristlicher Zeit tradiert wurde, also eine hohe Authentizität der Überlieferung hat. Sprecherin ------------------- ?. meint Dr.Hans-Peter Kuhnen. Insofern war dieser Fund auch für Theologen und Rabbiner von großer Bedeutung. Musik 12 -------------- s.o. Sprecher --------------- Herodes der Große und die von ihm geschaffene Festung Masada sind ein weiteres Beispiel für die starke Wirkung von biblischer Archäologie. Sprecherin -------------- Für Christen verkörpert Herodes den Inbegriff des Bösen, weil er ? wie im Neuen Testament eindrücklich berichtet ? für vielfachen Kindermord verantwortlich war. Sprecher --------------- Auf der anderen Seite steht der erfolgreiche Herrscher, der einer drohenden Hungersnot mit Getreideaufkäufen zuvorkam. Von den Römern zum König von Israel ernannt, baute er den 2.Tempel in Jerusalem, gründete die Hafenstadt Caesarea Maritima und die Felsenfestung Masada (Masáda) in der Nähe des Toten Meeres. Sprecherin ------------------ Die unterschiedlichen Sichtweisen führen zu gegensätzlichen Bewertungen der Person Take 38 ------------ Das muss man vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte des Nahen Ostens sehen, Gründung des Staates Israel, ? Sprecherin ------------------ ?sagt Hans-Peter Kuhnen. Take 39 ------------ ? nach den Erfahrungen des Holocaust ein dezimiertes und gedemütigtes Volk, das dann entdeckt, nicht nur wir können einen Staat gründen, sondern ein mächtiger jüdischer Staat hat Tradition, Herodes war ein König, der dem Land Judäa prachtvolle Bauten verschafft hat, zum Beispiel Masada, der so viel Ingenieurwissen in seiner Hand hatte, dass er mitten in der Wüste einen riesigen Palast betreiben konnte mit hunderten von Bewohnern, Bediensteten etc. . Also das war identitätsstiftend für den Staat Israel und hat auf diese Weise auch in die aktuelle Politik hineingewirkt. Der Masada-Mythos ist ja berühmt, Masada soll niemals wieder fallen, wo man hier die Antike mit der Gegenwart verbunden hat. Musik 13 --------------- Glass, 001 Sprecher -------------- Es ist diese Gemengelage aus Politik und Wissenschaft, vor der Dr. Margarete van Ess vom deutschen Archäologischen Institut warnt: Take 40 ------------- Ich lehne das kategorisch ab, und zwar aus dieser historischen Last, die wir hier ganz besonders in Deutschland haben, ähnliches gibt es aber woanders auch. Ich denke, hier in Deutschland ist insbesondere Ähnliches reflektiert worden, und Wissenschaftler der heutigen Zeit können und dürfen sich darauf nicht einlassen, soweit sie es aus dem eigenen Gesellschaftsumfeld erkennen können. Das heißt also für mich, und ich glaube, da spreche ich auch im Namen sehr vieler Kollegen, darf Archäologie nicht dazu verwendet werden, um moderne politische Interessen zu vertreten. Sprecher ---------------- Wie durch Grabungen auf besetzten Gebieten ? ließe sich anfügen, auch wenn, wie Dr.Hans-Peter Kuhnen meint, diese auf hohem professionellen Niveau stattfinden Take 41 ------------- Das sehen Sie auch daran, dass vor einigen Jahren die Universität Tel Aviv eine Evaluation der Archäologie in den besetzten Gebieten leisten konnte, da zu sehr differenzierten Ergebnissen gekommen ist, ein Verfahren, was hier in Deutschland kaum denkbar wäre. Sprecherin ------------------- Diesen Optimismus bezüglich israelischer Forschung kann Prof. Hani Nur El-Din von der Al-Quds Universität in Ostjerusalem nicht teilen: Take 42 -------------- For us the task of digging and searching ? Sprecher 2 ----------------- Für uns sind Grabungen und Forschungen in Jerusalem schwer. Wenn ich ein wenig über Jerusalem erzählen darf, weil ich verantwortlich bin für die archäologische Forschung hier. Es ist wirklich schwierig, wissenschaftlich zu arbeiten. Ja, wir forschen und studieren die Archäologiegeschichte der letzten 150 bis 160 Jahre. Aber es ist sehr schwierig im Vergleich zur israelischen Archäologie. Es ist eine schwierige Aufgabe, nur nach fremden Veröffentlichungen zu forschen. Es ist schwierig, direkten Zugang zur Archäologie in Jerusalem zu haben. Es ist schwierig, weil wir besetzt sind. ?because we are under occupation. Sprecherin ------------------ ? und er fährt fort: Take 43 -------------- I think now we are moving forward? Sprecher 2 ------------------ Zur gleichen Zeit glaube ich, dass wir uns vorwärts bewegen im Bereich palästinensischer Archäologie speziell auf der Westbank. Wir haben jetzt eine palästinensische Abteilung für Archäologie in Ramallah. Wir können uns selbst organisieren, wir können ins Feld gehen. Aber selbst auf der Westbank gibt es für uns nur bestimmte Zonen, in denen wir aufgrund der politischen Situation graben dürfen. Wir dürfen zum Beispiel nur in Zone A und B arbeiten, was nur etwa 20 Prozent des palästinensischen Gebietes ausmacht. Aber wir hoffen, dass wir vorwärts kommen nach 150 Jahren ?fremder? Archäologie in Palästina. ?.. in Palestine. Musik 14 --------------- Marschmusik, 001 Sprecherin ------------------ 150 Jahre fremder Archäologie in Palästina, das bedeutet auch deutsche Archäologie und Forschung im Land der Bibel. Diese Forschung geht auch auf den deutschen Kaiser Wilhelm II. zurück, der sich ein Areal direkt neben der Grabeskirche vom damals zuständigen osmanischen Reich schenken ließ und auf dem Ölberg das Deutsche Evangelische Archäologische Institut in Jerusalem gründete. Atmo 15 ------------ (Glocken) Sprecher ------------------ Prof.Dieter Vieweger steht in der Erlöserkirche, mitten in der Jerusalemer Altstadt. Take 44 ----------- Die Kirche ist 1898 geweiht worden und zwar von dem deutschen Kaiser Wilhelm II., der ist tatsächlich hierhergekommen, um das zu tun, es war der Höhepunkt seiner Orientreise, die er nicht als allererstes als Machthaber durchgeführt hat sondern einen großen Teil als Pilger Sprecherin ------------------ Während der Grabungs- und Bauarbeiten zu der Kirche kam es zu einem unerwarteten Fund: Take 45 ----------- 1893 geschieht dann hier die riesengroße Sensation, denn unter uns, genau, wo wir stehen, wird eine dicke Mauer gefunden. Und das war das Problem der damaligen Zeit: 1893 diskutierte man heiß und heftig, ob die Grabeskirche am richtigen Platz sei. Sprecher ------------------ Die evangelischen Christen vermuteten das Grab vor der Stadt in einem Garten, die Katholiken schwörten auf den Fels unter der Grabeskirche. Take 46 ------------- Conrad Schick, der große Architekt, sagte natürlich sofort, aha, dann haben wir die Stadtmauer, die wir immer suchen, aus der Zeit von Herodes dem Großen gefunden. Sprecherin --------------- Das war leider falsch, wie Grabungen unter der Kirche aus den 1970er Jahren gezeigt haben. Die Mauer stammt aus jüngerer Zeit. Doch der Steinbruch, auf dem die Mauer steht, datiert aus der Zeit des Herodes, das heißt, die benachbarte Grabeskirche steht an der richtigen Stelle über dem Felsen Golgatha. Sprecher ------------------ Rund 100 Jahre nach Herodes erweiterte Kaiser Hadrian Jerusalem, ließ den Steinbruch zuschütten und neue Häuser bauen. Sprecherin --------------- Das zeigt eindrucksvoll ein neuer, unter der Erlöserkirche geschaffener Archäologieparcour. Prof.Dieter Vieweger ließ die alte Grabung freilegen, so dass sie jetzt für Besucher zugänglich ist. Eine Computeranimation demonstriert die Entwicklung der Stadt und dass die hadrianische Stadt mit ihren Mauern und Toren im Wesentlichen der modernen Stadt heute entspricht. Take 47 ------------- Und jetzt zeige ich ihnen mal, wie die Via Dolorosa heute geht und da haben wir ein Problem: (Atmo) Das ist die Via Dolorosa, ? Sprecherin ------------------ ? die die Pilger heute nutzen, das heißt von Nordosten nach Südwesten. Take 48 --------------- ? und sie meinen damit, da sei Jesus hergekommen, hier hingekommen und sei, dann hier hingerichtet worden. Das kann nicht sein, weil dieser arme Jesus drei Mal durch die Stadtmauer gegangen ist. Sprecherin ------------------ Wenn man hingegen die biblischen Berichte nicht auf die heutige Stadt überträgt, die man heute hat, sondern auf die, die damals existierte, verläuft die Via Dolorosa anders: Atmo 16 ---------- Take 50 --------------- Jesus ist irgendwo auf dem Ölberg gefangen genommen worden, er wird dann in die Stadt geführt, das kann nicht im Norden sein, weil da keine Stadt war, er muss im Süden in die Stadtgeführt werden, er kommt dann zum Haus des Oberpriesters, das ist irgendwo in dieser Oberstadt gewesen, wir wissen aber nicht wo, aber irgendwo hier, was wir genau wissen, dass er dann zu Pontius Pilatus musste, und dessen Palast ist hier, wo heute die Polizeistation ist, und der hintere Teil ist armenisches Viertel. Das ist ausgegraben und ist nachgewiesen. Und es gibt nur ein Nordtor, also erster Zwangspunkt ist, Palast Herodes des Großen, das zweite ist Nordtor, der dritte Zwangspunkt ist Golgatha, das heißt also, völlig klar, dass die Via Dolorosa von Süden nach Norden gelaufen ist und keinesfalls von Nordosten nach Südwesten. (Atmo), wobei eins klar ist, Golgatha liegt am richtigen Ort, eine der ganz wenigen Orte in Jerusalem, die am richtigen historischen Ort gezeigt werden. Da ist Archäologie nützlich, dass man sagen kann, Leute, es sah anders aus, es war eine andere Stelle. Zäsur 1 ------------ Sprecher ------------------ Archäologie in biblischen Ländern, das hieß in der 150jährigen Geschichte auch immer europäische, amerikanische und israelische Archäologie. Es steht zu befürchten, dass die noch junge palästinensische Archäologie in der momentanen politischen Situation kaum eine Chance hat, sich zu etablieren Hani Nur El-Din: Take 50 --------------- I think that our history is a ?. Sprecher 2 ------------------ Ich glaube, dass unsere Geschichte eine Art kulturelle Kontinuität hat. Kultur-geschichte in Palästina beruht auf tausenden von Jahren. Es hat immer unterschiedliche Epochen gegeben, aber alle Menschen, die hier leben, kommen aus dieser Kultur, und man kann Geschichte nicht als Instrument benutzen für einen politischen Ansatz und politische Forschung. ?. political approach and political research. ENDE