DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Mission Beethoven. Die Bonner Festspielhausdebatte . von Ulrike Bajohr Sendedatum: 5. Juni 2015 URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio (auf Musik) Am 25. März 2015 hatte der "Bonner Generalanzeiger" zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion geladen. Es war gefühlt die 100. Debatte über ein Thema, das die Stadt Bonn, mal mehr, mal weniger, seit Jahren beschäftigt. Wird ein Festspielhaus für Beethoven gebaut? Wenn ja, dann muss der erste Spatenstich bald erfolgen. Denn 2020 soll das Jubiläumskonzert stattfinden - zum 250. Geburtstag des Komponisten, der in Bonn geboren wurde. Ansage: Mission Beethoven. Die Bonner Festspielhausdebatte . Ein Dossier von Ulrike Bajohr (auf 02) Auf dem Podium sitzen, umrahmt von den Moderatoren, fünf Gesprächspartner. Zwei sind definitiv gegen ein Festspielhaus: .... Rolf Bolwin, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins 02 Wenn Sie mich fragen, was dieses Stadt braucht, um Beethoven zu feiern, dann gibt es eine ganz klare Antwort darauf: Sie braucht auf jeden Fall ein funktionierendes Opernhaus, sie braucht ein funktionierendes Konzerthaus und ein funktionierendes Schauspielhaus. Michael Scharf, Vorsitzender des Stadtsportbundes Bonn 03 Wir können in einer Zeit, wo wir Bäder schließen werden, Bibliotheken schließen, werden, in der wir alle möglichen Dinge in dieser Stadt nicht mehr ermöglichen werden, den Leute knallhart sagen, geht nicht mehr, kein Leuchtturmprojekt hinsetzen....(Applaus) (auf Ende 03) Der dritte Diskutant ist einer, der das Vorhaben eher von weitem betrachtet: Louwrenz Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie 04 Ich habe den Vorteil, dass meine Kölner Philh. kein Festspielhaus ist, sondern ein Haus, wo das ganze Jahr ein Festspiel durchgeht, also jeden Tag ist bei mir Festspiel. Ich brauche dafür keinen Beethoven. (Lauter Applaus) Ich bin seit 2005 in Köln, und die Bonner bauen, die Bonner bauen. Wir sind 2015, nix steht da. Also ich gönne die Stadt Bonn, dass sie bauen. 05 ... aber im Moment gibt es eben die Furcht, dass dadurch die sonstige Kultur und eben auch der Sport leiden Der vierte Diskutant: Martin Schumacher, Kulturdezernent der Stadt Bonn. Einer, der es gern allen recht machen würde. 05f Beethovenstadt Bonn -das ist natürlich eine Herausforderung. Die müssen wir nutzen, um auch die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt zu gestalten, was Bonn unverwechselbar macht und Menschen aus der Region, aus dem In- und Ausland anlockt. Dazu braucht man einen angemessenen Konzertsaal. Und wenn das ein neugebautes Haus sein könnte, wunderbar. Und der Fünfte sagt: Das machen wir. Wir bauen Beethoven ein Festspielhaus. Wolfgang Grießl, Präsident der regionalen Industrie- und Handelskammer und Vorsitzender des Fördervereins Festspielhaus 07 M: Herr Grießl, Sie sind selber ja mit dem Klingelbeutel unterwegs, Sie wollen 5000 mal 5000 einwerben, das ist ambitioniert. Mal ganz direkt gefragt, wie läuft`s denn so? Grießl: Ja gut! 9 Millionen Ich liege gute 6 Mio hinter meiner ursprünglichen Planung zurück, das ist richtig. Ich finde, 9 Mio eingesammelt zu haben in knapp 2 1/2 Jahren ist nicht so schlecht. Mittlerweile ist ja klar, wofür das Geld verwendet wird, was ich sammele: Es wird verwendet für die sogenannten Betriebseinrichtungen des Gebäudes, und die Kosten dafür liegen bei etwa 15 Mio., das heißt, bis zur Ziellinie fehlen mir noch 6 Mio, und die werden nicht nächstes Jahr gebraucht, sondern 2018. (Musik) Ich bin mit dem Vorsatz in diese Veranstaltung gegangen, den Stand der Dinge objektiv zu resümieren. Das fällt mir nicht leicht, denn ich habe Zweifel: Beethoven 2020 feiern - unbedingt! Aber braucht Bonn dafür ein neues Festspielhaus? Es hat genug Kulturstätten: Eine große Oper. Sogar eine "Beethovenhalle", eine Mehrzweckhalle, Spielort des Beethovenorchesters. Die Gebäude sind in keinem guten Zustand und könnten aus diesem Anlass endlich mal in Ordnung gebracht werden. Wären sie nicht von einem Neubau, einem Leuchtturm, in ihrer Existenz gefährdet? Aber - Wolfgang Grießl, der fürs Festspielhaus streitet, hat irgendwas... Missionarisches? Verrücktes? Bewundernswertes? Die meisten Bürgerinitiativen streiten gegen etwas. Aber für ein Projekt mit hohem Risiko? Ich beschließe, dem Mann und seiner Idee, aus Neugier und der Gerechtigkeit halber, ein wenig mehr Raum zu geben, und besuche ihn später in seinem Büro. Grießl ist Geschäftsführer eines mittelständischen Software- Unternehmens, im Ehrenamt Präsident der Industrie- und Handelskammer Bonn-Rhein-Sieg und jetzt auch noch Geldsammler: Sein Festspielhaus-Förderverein heißt "Grießl and Friends". Warum tut der Mann sich das an? Wegen Beethoven? 08 Wenn man sieht, was für ein Pfund wir als Region mit Beethoven in der Hand haben, ist es für mich völlig unverständlich, wie man nicht für diese Projekt sein kann. Das hat eine Menge kultureller Auswirkungen, es hat aber auch, das ist mein Hauptargument, enorme wirtschaftliche Auswirkungen hier für die Region. Also, dass es uns so gut geht und wir nicht die Bundesdorfschlafstadt sind, das ist uns auch ein bisschen in den Schoß gefallen. Das Postministerium ist aufgelöst worden, die großen Einheiten sind privatisiert worden. Die heute so gern gesehenen Globalplayer in dieser Region - Telekom, Deutsche Post/DHL, Postbank, das sind ja ehemalige Postministeriums- Abteilungen, das ist ja nicht unbedingt unser Verdienst. Das sind große Unternehmen, - es steht nicht im Grundgesetz, dass die drei in 30 Jahren noch in Bonn sind. Die Deutsche Post AG mit Hauptsitz in Bonn, Post-Tower, ist der Hidden Player im Ringen um das Festspielhaus. Die Festspielhausanhänger führen die vier Buchstaben POST wie ein Zauberwort im Mund. 30 Millionen Euro will die Post in das Projekt stecken. 09 Einmal sieht die Post, der Vorstand, seine Verantwortung für die Region. Großteil der Mitarbeiter kommen aus der Region, der Kundschaft... aber, und das, glaube ich ist der Hauptgrund: die Post möchte mit Beethoven ihre Marke noch besser darstellen. Beethoven ist weltweit ein Gigant, und öffnet in vielen Ländern dieser Welt die Möglichkeiten des Zugangs. Das, glaube ich, ist der tatsächliche Grund. 30 Millionen sind wenig Geld für viel Post-Werbung, das streitet Wolfgang Grießl gar nicht ab. Aber er wird ungeduldig, wenn er dauernd diese Frage hört, diese Grundsatzfrage, die hartnäckige Bürger immer wieder anbringen: 10 Mann aus dem Publikum: Was mich stört ist, dass die Sponsoren...ein ganz unmoralisches Angebot an die Bonner machen, indem sie ihre Spende nur mit der Lösung Festspielhaus verbinden-und bei einer hochkompetenten Ertüchtigung der Beethovenhalle und des Opernhauses die Stadt vollkommen im Regen stehenlassen... ich finde das unmoralisch.... deshalb die Frage, ob das nicht noch umzudrehen wäre. Grießl: Das ist einfach. Die Post hat eine Verpflichtung ihren Steakholdern gegenüber, und da kommt sie mit der Renovierung der Beethovenhalle nicht durch. Alle, die knapp 1000, die mir zugesagt haben, dass sie mich unterstützen, haben bei dieser Erklärung schriftlich erklärt, dass dieses Geld nicht für eine Renovierung zur Verfügung steht. Es steht ihnen frei, eine ähnliche Initiative zu gründen für die Renovierung der Beethovenhalle. (Applaus) 25 (auf Applaus oben) W.-M. Dass die Post sich zum Teil dafür kritisieren lassen musste in der Öffentlichkeit, dass sie es wagt, der Stadt Bonn ein Geschenk machen zu wollen , dass sie dann trotzdem zu dieser Zusage steht -das finde ich in der Tat toll. Die Stadt Bonn müsste die Post auf Knien bitten, bleibt hier mit Eurer Weltzentrale, das ist was Besonderes, auch für eine Stadt - statt dass die Post die Stadt Bonn bittet, das Geschenk anzunehmen. Wir haben hier eine etwas verkehrte Welt. Monika Wulf-Mathies. Sozialdemokratin, einstige ÖTV-Vorsitzende, EU-Kommissarin und - unter Kanzler Schröder - Abteilungsleiterin bei der privatisierten Post. 26 W.-M: Es war nicht die Markenabteilung der Post, sondern es war Karin Hempel-Soos, die diese Idee geboren hat und mit der ihr sehr eigenen Durchsetzungskraft bis noch 3 Tage vor ihrem Tod wirklich durchgesetzt hat. (Musik) Karin Hempel-Soos war auch Sozialdemokratin. Dazu Lyrikerin, Kulturaktivistin, berühmt-berüchtigt als "Nervensäge von Bonn". Sie brachte es fertig, die Vorstandschefs der drei Dax-Unternehmen an einem Tisch zu versammeln. Die Stadt, paralysiert vom Regierungsabzug, brauchte eine neue Zukunft. Von der Lokalpolitik war nichts zu erwarten. Also machte Karin Hempel-Soos Politik. Post, Telekom und Postbank, sagten, okay, wir bauen euch ein Festspielhaus. Das war 2007. Der Bund bewilligte daraufhin 39 Millionen für den Betrieb. Da wollte die Stadt nicht zurückstehen. Die alte Beethovenhalle sollte einem neuen Festspielhaus weichen. Es entbrannte der Debatte erster Teil: Bürger gegen den Abriss der Beethovenhalle, eines Symbols des demokratischen Wiederaufbaus. Ergebnis: Ein anderer Standort für das neue Festspielhaus wurde gesucht und nach langem Hin und Her am Rhein neben der Beethovenhalle gefunden. In dieser Zeit passierte der WCCB-Skandal: Der Investor eines World Conference Centers Bonn erwies sich als Betrüger und hinterließ der Stadt einen Schuldenberg. 2010 legte Oberbürgermeister Nimptsch, SPD, die Festspielhaus-Idee auf Eis. Daraufhin wollte die Telekom beim Bau nicht mehr mitmachen. Die Postbank stieg ganz aus. Daraufhin mobilisierten die Bürger pro Festspielhaus ihre Kräfte. 2014 signalisierte der Oberbürgermeister wieder Interesse. 2015: Die Post ist immer noch bereit, 30 Millionen Euro zu geben. Aber das Festspielhaus wird mindestens 70, eher 75 Millionen kosten, allein das Gebäude. (Musik weg) Grießl und seine Freunde wollen also 15 Millionen für die Innenausstattung sammeln. Dann gibt es die "Beethoventaler"-GmbH: Ihr Vorstand ist Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement. Sie soll das Haus später auch betreiben. Sie verkauft Lizenzen mit dem Komponisten-Konterfei und will einen Kredit über 25 Millionen aufnehmen. Für den Rest hofft man auf Sponsoren... Die Kreditzinsen sind günstig, die Stimmung in der Stadt ist es nicht. 14 Es ist eben sehr schwierig, ein Thema, was schon so viele Tode gestorben ist, immer wieder zu neuem Leben zu erwecken. Monika Wulf-Mathies, Vorsitzende des Vereins "Festspielhausfreunde", ist nicht in erster Linie fürs Geldsammeln zuständig, sondern eher für Sympathisantenwerbung. 14f Es treibt uns 1., dass ich es wirklich schlimm finde, dass Bonn als B.stadt, als dass sie sich ja draußen versucht zu verkaufen, nicht, der OB fährt nach China, da kennen die Leute B. , von Bonn haben sie kaum was gehört und erzählt, ja, wir sind hier die B. stadt. Und wir haben einerseits das wunderbare B.haus, wir haben das Beethovendenkmal, was auch zeugt von der Kleingeistigkeit der Stadt Bonn, denn ohne Liszt würde es das nicht geben - und von daher denke ich, ist das fast so ein Etikettenschwindel, Bonn Beethovenstadt, und wir waren der Meinung, dass es notwendig ist, das dadurch zu korrigieren, dass man B. einen Konzertsaal hinstellt, der seiner Musik würdig ist. Der kulturelle Aspekt ist ein wesentlicher, aber es ist auch einer, der eben verbunden ist mit der Frage, was wird aus Bonn in der Zukunft. Monika Wulf-Mathies sitzt am 25.März nicht auf dem Podium, sondern im Publikum, und man darf annehmen, dass die Pro-Fraktion um sie versammelt ist. Allerdings verursacht die Contra-Fraktion mehr Lärm im Saal. Was den Moderator veranlasst, eine von seiner Zeitung beauftragte dimap Umfrage unter der Bonner Einwohnerschaft zu zitieren. 10a: Da zeigte sich, dass die Lager sehr ausgewogen sind. Pro 46, contra 47%, der Rest unentschlossen. Also, die breite Mehrheit, die das ablehnt, die gibt es nicht in dieser Stadt. Die Contra-Fraktion besteht einerseits aus Menschen, die jegliche "Hochkultur" beargwöhnen und in Wolfgang Grießls Kopf den Satz vom kaputten Schuldach eingegraben haben, das zu reparieren die Stadt kein Geld habe, weil sie ja "Kultur" bezahlen müsse. Hier im Saal macht sich vor allem der zweite Teil der Contra-Festspielhaus-Fraktion bemerkbar. Die auf die Philharmonie im benachbarten Köln verweist. Die um die Existenz der vorhandenen Kultureinrichtungen in Bonn fürchtet. An Gebäuden, sagt der Kulturdezernent, an Gebäuden sei die Stadt überversorgt. 11 Schumacher: Also, wir leiden immer noch darunter, dass es Strukturen gibt, vor allem im Bereich der Gebäude, die aus der Bundeshauptstadtzeit herrühren und die nicht rückgebaut wurden. Wir müssen kleiner werden aber auch feiner. D.h. die Gebäude sollte zurückgebaut werden, aber sie müssen auch ertüchtigt werden. Das Theater Bonn ist ein Beispiel, nicht wahr, mit 3 Orten da könnte man intelligent sparen, indem man zurückbaut. Problem: das erfordert Investitionen, bevor man sparen kann. 12/13 Langevoort:. Ich gönne die Stadt Bonn ein Festspielhaus, ich gönne vor allem das Beethovenorchester einen Konzertsaal, wo man sich hört, wo man irgendwo Musik machen kann. Nur dieses Konzerthaus soll natürlich nicht auf Kosten gehen später von die städtische Kasse, die dann wieder dafür sorgt, dass das Theater weniger Geld bekommt, und jetzt schauen wir mal nach: wo spielt das Orchester seine meisten Dienste? Im Theater! B: Herr Grießl, sollte Herr L. etwas mehr Sorge vor Konkurrenz aus Bonn haben? L: ...so lange nichts da steht, habe ich auch... oh. Entschuldigung... Grießl: Es ist Platz genug für beide Häuser, und wer sind wir denn, dass wir mit unserem kleinen aber feinen Festspielhaus gegen die große Philharmonie, einen der Platzhirsche in Deutschland, uns auflehnen wollen, keine Sorge Herr L., das ist nicht Intention dieses Gebäudes. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn wir diesen süffisanten Unterton aus der Diskussion raushalten könnten. (Applaus) Es sind zweimal so Dinge angeklungen, die ich nicht für korrekt halte: einmal, das Festspielhaus hätte etwas zu tun mit dem Schließen von Bädern und Bibliotheken. Und zum 2., das FSH hätte etwas zu tun mit Einschnitten bei der Kultur. Es mag dem einen oder anderen nicht passen, aber das FSH ist in der Investition, was das Bauen betrifft und auch im Betrieb, ein privatwirtschaftliches Unternehmen. (Musik) Das wäre das erste Mal, dass in Deutschland so etwas funktionierte. Es gibt nur Beispiele, wo es mit dem privaten Betrieb dann doch nicht so richtig geklappt hat. Das Festspielhaus in Baden-Baden etwa bekommt jährlich 4 Millionen Euro Zuschuss aus der öffentlichen Hand. 15 (Grießl im Büro) Wir wollen für den Betrieb kein öffentliches Geld! Das können wir in der Region nur deshalb tun, weil wir so großzügige und phantastisch arbeitende Sponsoren wie die Deutsche Post haben und die deutsche Telekom. Die haben nur wir hier. Die Motivation auf dieser privaten Finanzierung des Betriebs zu bestehen ist auch: Wir wollen permanente politische Diskussionen vermeiden. Wenn sie auf einen jährlichen Zuschuss der Kommune angewiesen sind, dann dürfen sie alle 2 Jahre mit wechselnden Ratsmehrheiten darüber diskutieren: machen wir das oder machen wir das nicht? Da dürfen sie diese Diskussion die wir jetzt haben...in der Schule meiner Kinder regnet` s rein pp - dürfen wir alle 2 Jahre über die Betriebsmittel führen. Das wollten wir nicht. Entweder wir schaffen das ohne öffentl. Finanzierung oder wir lassen das. 29 W.-M.: Ich würde mich als OB ... nicht wohlfühlen, wenn mir irgendwann gesagt würde, Du mit deinen paar Pennys hast hier nicht reinzureden. Es zeigt ja auch, wenn Private das alleine finanzieren müssen, dass die Stadt eben auch nur so viel mitreden kann, wie es ihrem eher kleinlichen Beteiligungen entspricht. (Zäsur) 17a M: ...Herr Bolwin, für wie belastbar halten sie die Planungen denn? Was ist denn eigentlich, wenn das, was man da berechnet hat, wenn das aus welchen Gründen auch immer nicht funktioniert. Das ist doch überall ein Problem.... Und wer finanziert es dann am Ende? Es finanziert die öffentliche Hand, Und insofern Herr Grießl, ist es auch nicht einfach ein Privatunternehmen, weil die Halle steht dann da. (Applaus) 17 (unter folg Text) Und jetzt zu Herrn Bolwin: Wie kommen Sie darauf, dass die öffentliche Hand da haften muss? Wo steht in einem Vertrag, dass die Stadt, die öffentliche Hand haften muss, wo? Was hindert die Gegner, sich zurückzulehnen und zu sagen: lasst es die Festspielhausfreunde doch mal probieren - wenn sie scheitern, unser Scheitern ist es nicht... Doch, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin. 17 hoch bei: Bolwin: Das ist nichts anderes als die normative Kraft des Faktischen. (Applaus) Wirkt die "normative Kraft des Faktischen" quasi wie ein Naturgesetz in der vorwiegend öffentlich finanzierten deutschen Kulturlandschaft? Oder gibt es tatsächlich Möglichkeiten und Gründe, es außer Kraft zu setzen? Schauen wir zunächst auf die Bau-Planung des künftigen Festspielhauses: 16 (Wulf-M.) Ich glaube, es gibt kaum einen Bau, der so sorgfältig geplant ist, wie die jetzigen Entwürfe für das FH, die also jetzt schon ein zweites Mal durch die Mangel genommen werden, die nicht nur von den Architekten, wie bei der Hamburger Elbphilharmonie, eben mal eine Skizze hingeworfen. Das Problem ist, dass die Bürger sehr platt sagen: also: egal, BER funktioniert nicht, die Elbphilharmonie funktioniert nicht und das wird auch nicht funktionieren. Punkt. In der Saal-Debatte tauchen Elbphilharmonie und Berliner Flughafen als abschreckende Argumente gegen ein privat finanziertes Festspielhaus nicht auf. Dafür das WCCB, dessen Wiederbelebung die Stadt viel Geld gekostet hat. Angenommen, fragt ein Häuslebauer, angenommen, der Bauherr geht vor dem Ende des Baus pleite... Muss die Stadt dann nicht doch einspringen? 18 Grießl: Für das Kostenrisiko eines Hauses haftet m.W. der Bauherr. Und der Bauherr ist eine Objektbaugesellschaft, die von den Investoren gegründet wird, und diese Investoren haften natürlich auch für das Risiko. Bolwin: Das stimmt ja nicht ganz, Herr Grießl, also diese Gesellschaft ist eine GmbH, und wie jede GmbH kann sie Pleite gehen, wenn dann der Nachschuss nicht stattfindet, das ist doch eine berechtigte Frage. Das Risiko ist da, und es gibt keine verbindliche Äußerung darüber, und das ist ja ein Teil des Problems, dass dieses Risiko dann nicht von der öffentlichen Hand getragen wird, weil es privat nicht finanziert wird. Glauben Sie denn wirklich, springt eine Dame Wolfgang Grießl gegen Rolf Bolwin bei, glauben Sie wirklich, die Post, die jetzt für das Festspielhaus ist, würde es halbfertig stehenlassen? (Musik) Glauben wir der Dame oder auch nicht - und wenden uns der Frage zu, ob es denn stimme, dass die Stadt das Grundstück kostenlos bereitstellt und baufertig macht? Richtig, sagt der Kulturdezernent, dafür erbe die Stadt das Haus ja auch - nach 30 Jahren. 19 Schumacher. Für die Herrichtung des Grundstücks sind 4,4 Mio vorgesehen, aber die werden noch aufgestockt durch Städtebaufördermittel vom Land NRW. Es handelt sich um einen Bunker und ein Studentenwohnheim, das abgerissen werden muss, und da die Stadt Eigentümerin des Grundstücks bleibt und später Eigentümerin des Hauses wird - nach Ablauf des Erbbaurechtsvertrags- ist das Geld Investitionskosten, die bei der Stadt verbleiben. Aber was für ein Haus bleibt nach 30 Jahren bei der Stadt? Eines, dessen drei vorausgewählte Entwürfe sämtlich schon heute überholt sind, ein Festspielhaus mit einem unflexiblen Saal? bohrt eine Zuhörerin nach. 24 Schumacher: Eigentlich brauchen wir neben unserem großen Haus noch die salle modulable, für die Veranstaltungen, die in dem großen Saal nicht stattfinden können. Und wir sind dann zu einem Kompromiss gekommen, der darin besteht, dass das jetzt in Planung genommene Haus für 800 Besucher taugt wie auch für 1500.. Langevoort: Ich denke, dass man gerade eine andere Art von Saal jetzt bauen sollte als den Schuhkarton, wo die Bühne vorne ist ... ein Beispiel von neuem Saal, der gerade eröffnet wurde, ist die Philharmonie in Paris, wo absolut möglich ist, den Saal total zu ändern....so ein Saal ist natürlich wunderbar...(Grießl: teuer!) ... die Kosten waren 200 Millionen, es wurden 360 Millionen. Einen Konzertsaal, der ein Alleinstellungsmerkmal sein soll, baut man m.E. nicht für 75 Millionen. Grießl: Die Frage nach einem flexiblen Saal kann ich bestätigen. Wir haben uns auf Einladung der Post mit allen Beteiligten besprochen.... Klar, wenn Sie fragen, ist nicht ein flexibler Saal besser, dann gibt es keine andere Antwort als ja. Aber da kann ich nur sagen, das Leben ist kein Wunschkonzert. Von zehn Entwürfen wählte die Jury drei aus: einen aus dem Büro David Chipperfield: Ein Architekt von Weltrang, sagt Wolfgang Grießl, da kämen sicher auch Architekturstudenten, um sich den Saal mal anzusehen. Einen Entwurf des Teams Kadawittfeld, das eine Vinyard-Lösung vorschlägt: das Publikum sitzt wie in einer Arena um das Orchester herum. Und einen Entwurf des Luxemburger Büros Valentiny. Ein Schuhkarton zwar, meint Grießl, aber ein schöner - und wirtschaftlicher: man müsse dann den darunter liegenden Bunker nicht abreißen. 24 f Grießl: ... nochmal: ich kann mir vieles vorstellen, bessere, größere, schönere Säle... die sind nicht finanzierbar. Bolwin: Es geht doch um die Tatsache, dass diese Hallen alle nicht unter 150 bis 170 Mio zu haben sind, da kommt man doch nicht drum herum! Moderator: Das wurde doch gerade gesagt, Herr Bolwin! Bolwin: Ja, man muss es noch mal deutlichsagen, weil immer so getan wird, mit dem Geld, was auf dem Tisch liegt, lässt sich das alles problemlos bauen und besteht auch noch in der internationalen Konkurrenz. Nein, es lässt sich nicht bauen und besteht auch nicht in der int. Konkurrenz. Das ist nicht so 31Grießl Büro: Es steht uns gut, wenn wir bescheiden, aber mit guter Qualität auftreten und wenn wir die Risiken - jedes Projekt hat Risiken - versuchen zu minimieren. Und das Kostenrisiko ist eins der großen Risiken. Und wenn es nicht privat organisiert wäre und wenn wir nicht, Entschuldigung, wenn ich das schon wieder sage, die Post dabei hätten mit ihrem Baumanagement und die Post ist einer der größten Immobilienbauer in Dtl. und weltweit, die wissen, was sie tun, wenn sie bauen, wenn wir die nicht dabei hätten, dann würde ich die Finger von diesem Projekt lassen. Zäsur Der Bau mag noch weitgehend privat zu finanzieren sein - aber Betrieb und Programm eines Hauses, das eben kein Musicaltheater sein soll? Dazu präsentieren die Festspielhausfreunde einen umfangreichen Businessplan. Anzahl und Art der Veranstaltungen, Ticketpreise und Auslastungsvorgaben. Einnahmen aus Medienrechten, Garderobe, Merchandising, Vermietungen - übrigens auch an das Beethovenorchester, eine städtische Institution. Ausgaben für Instandhaltung, Steuern, Personal. Alles nicht realistisch, sagt die Contra-Fraktion. Ach was. Das Ganze funktioniert. Sagt der Businessplan der Post. 35/36 Grießl/ Büro: Die Unternehmensberatung, die das für ins bzw. die Post erarbeitet hat, hat gesagt: welche Art von Konzerten wollen wir anbieten, wo kommen die Leute her, wie alt, aus welchen sozialen Verhältnissen, statistisch, und was können wir für Eintrittspreise nehmen. Das Konzept, das als Basis angenommen wird, sieht ja vor im Wesentlichen die zusätzlichen Zuschauer über zwei kleinere Festivals zu gewinnen, von denen eins um Ostern herum stattfinden soll und eins um den 17. Dezember herum, Tauftag Beethovens, damit wird man, so die Rechnung, 25 000 bis 30 000 zusätzliche Besuche generieren können. Wir brauchen 140 000 Besuche, Klassikbesuche - 90 000 haben wir über Beethovenorchester Bonn und das Beethovenfest, wenn man noch 30 000 über die beiden kleinen Festivals bekommt ist man bei 120 000, fehlen noch 20 000, die wir über das Jahr ins Festspielhaus holen müssen - das ist machbar. Kann funktionieren, meint der Kulturdezernent, will aber lieber noch mal nachrechnen lassen: 23 Die Schlüssigkeit können wir selbstverständlich prüfen, aber z.B. kann ich keine Aussage darüber treffen, ob der Köln-Bonner Markt, der regionale Markt, die Besucherzahlen abgibt, ob die Eintrittspreis so sind, dass sie auch erzielbar sind, ob die Auslastungszahl von 78% realistisch gerechnet ist. 22 Bolwin: Wenn wir uns konkret diesen Überlegungen, was macht das Festspielhaus zuwenden, also dem Businessplan, da muss man mal sagen, ohne Jugendveranstaltungen, die nicht viel kosten, ist das Ding in der Bürgerschaft nicht verankerbar. Dann muss es in der Lage sein, auch Veranstaltungen anzubieten für solche Menschen, die sich die teuren Karten nicht leisten können und vor allem auch für Jugendliche, und das geht nicht ohne öffentliches Geld. (Applaus) 32 Grießl: Lieber Herr Bolwin, ich weiß nicht woher sie ihre Informationen haben. Was denken Sie eigentlich, wie wir ticken! 5 Jahre vor Ende des Baues gibt es natürlich noch kein konkretes Programm. Es gibt eine Grundplanung, es wird auch weitere Planungen geben, wir werden nächstes Jahr mit der Findungskommission für den Intendanten beginnen, und es ist Aufgabe dieses Intendanten, dann ein Programm auszuarbeiten. Und es ist auch klar unter allen Beteiligten, dass wir junge Leute zusätzlich in dieses Haus holen müssen. Nicht umsonst haben wir 30 Veranstaltungen vorgesehen für U-Musik. Louwrenz Langevoort, Chef der Kölner Philharmonie, schüttelt den Kopf auf die Frage eines Besuchers, ob er vielleicht Interesse an der Intendanz des neuen Festspielhauses hätte. Er hat keine Angst vor der Konkurrenz eines noch nicht existierenden Hauses - aber Erfahrung mit Programmgestaltung in einer auch kulturell dichtbesiedelten Region. 33 Man kann natürlich die gleichen Solisten in beiden Häusern spielen lassen, aber ein Zuviel von einem Solisten, macht auch, dass der Marktwert weniger wird. Man kann natürlich einen großen Saal füllen in einer Region, aber nicht zweimal. Und wenn ich den Businessplan durchschaue, dann schau ich auf die gleichen Namen, die auch bei uns auftreten, die auch in den anderen Städten auftreten. Grießl: Ich gebe Ihnen recht: ein berühmtes Orchester wird nicht heute in Köln spielen und übermorgen bei uns, insofern bin ich für Kooperation. Aber die müsste besser angelegt sein als der Versuch bei den Opern. Langevoort: Man kann ja nicht sagen, dass die Opern so schlecht miteinander arbeiten, zweimal die gleichen Titel sind hier eher eine Bereicherung, weil man zwei Interpretationen sieht. Zweimal das gleiche Konzert ist doof. (Appl.) 27 Wulf-M: Ein Attraktives Programm - dazu gehört, dass man nicht nur 9 Beethoven-Sinfonien runterleiert, sondern dass man bewusst Risiken eingeht, wenn man Kompositionsaufträge vergibt, wenn man neue Musik spielt. Nur es kommt schon auf die richtige Balance an. Und wenn man ein Konzerthaus führt, hat man auch eine Verantwortung dafür, nicht nur für die Galerie zu arbeiten, sondern auch für die zahlenden Kunden. Das ist nun mal so, und das ist im öffentl.-rechtl. Bereich nicht anders als im privaten Bereich. 50 Millionen Euro stark soll die Betriebsstiftung zu Beginn sein - wenn denn alle, die einzahlen wollen, das auch tun: Und das sind neben Post, Telekom, Sparkasse und den privaten Spendern vor allem öffentliche: Der Bund mit seinen 39 Millionen. Aber auch der Landkreis würde der Betriebsstiftung beitreten - und: die Stadt. Die Stadt mit 20 Jahresraten zu je einer halben Million Euro. Wenn - ja wenn die Stadtverordneten dem Beitritt zur Betriebsstiftung zustimmen. Alles, was sich die Festspielhausfreunde ausgedacht und errechnet haben, passiert überhaupt nur dann. Die Stadt ist das Zünglein an der Waage. Nur die Grünen und die Linken lassen keinen Zweifel an ihrem Nein. Es gibt so gut wie keinen Stadtverordneten, dem Wolfgang Grießl und Monika Wulf Mathies noch nicht begegnet wären. (Musik) 38a Grießl/ Büro: Im Rat hat das Projekt eine deutliche Mehrheit bei CDU, FDP und SPD - der weitaus überwiegende Teil der Ratsmitglieder - aber da vermisse ich von wenigen Ausnahmen abgesehen- dass die sich öffentlich hinstellen und sagen: Das Projekt halten wir für wichtig für die Stadt, da kämpfen wir jetzt auch als Politiker dafür Das hat den Grund, glaube ich, dass die Politiker unbewusst immer an die nächste Wahl denken. 14a Wulf-M: Und hinzukommt, dass in Bonn eben mit einem SPD-OB und einer schwarz-grünen Ratskoalition auch im Grunde seit 4,5 Jahren absoluter Stillstand herrscht. Weil man sich auf nichts verständigen kann. Das ist eine scheußliche Situation, und deshalb ist die Stadt, ist die Stadtpolitik, und deshalb sind die Politiker in Bonn unfähig, über ihren Tellerrand hinauszuschauen. 39 Grießl /Büro: also ich habe genug Menschen um mich herum, die mir sagen, wie es nicht geht. Man bräuchte welche, die einem sagen, wie`s geht. Einen Kommunalpolitiker, einen städtischen Behördenleiter, der klar sagt, was wie geht. Den wünschen sich im Grunde ja alle. Auch die Theaterleute im Publikum. Für sie kämpft Rolf Bolwin, wenn er - gegen das Festspielhaus - zum Beispiel für die Renovierung der Oper streitet. 02b So, ich bin sehr für in die Zukunft schauen, nur: 8 Mio Kürzung in der Oper ist keine Kulturpolitik mit Blick in dies Zukunft. Das ist Kulturpolitik die auf Zerstörung der kulturellen Struktur einer Stadt ausgerichtet ist und nichts anders. Wenn Bolwin auf dem Podium kraft seiner Erfahrung sagt: Nichts geht ohne öffentliches Geld! bekämpft er nicht die Festspielhausfreunde als Verfechter eines kulturellen Projekts, sondern als Konkurrenten um öffentliche Töpfe - und um Sponsorengelder. Denn wer von den Großspendern gibt noch Geld für einen besonderen Opernabend, wenn er mit der permanenten Unterstützung des Festspielhauses ganz anders für sich werben kann? Wen Bolwin mit seinen Attacken eigentlich meint, sind die kommunalen Haushälter - die sich ihrerseits mit dem Verweis auf eine normative Kraft des Faktischen vor Verantwortung drücken. Leere Kassen, das Schlagwort ziehe immer, aber, sagt Bolwin... 40 Bolwin: Fangen wir mal bei den Steuereinnahmen an. Es war gerade wieder zu hören, dass zusätzliche Steuereinnahmen der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen, weil es Gott sei Dank der deutschen Wirtschaft gut geht. Es hat ein Programm der Bundesregierung gegeben zur Entlastung der Kommunen, es gibt ein Programm der Landesregierung zur Entlastung der Kommunen. Wir alle, auch der Bühnenverein, alle Kultureinrichtungen fordern, dass die Kommunen ausreichend ausgestattet sein müssen, um ihre sozialen und kulturellen Aufgaben zu finanzieren. Das ist in der großen Politik zu einem wichtigen Teil angekommen und funktioniert ja auch. Dass es der Kommune so schlecht geht, dass wir z.B. zwischen Sport und Kultur uns über diese Frage auseinanderdividieren lassen müssen, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn etwas finanziert werden soll, was politisch nicht so ganz genehm ist, dann fällt auf einmal den Kommunen ein, dass sie wenig Geld haben. Musik Die Festspielhausverfechter wollen dem Theater, den Museen, der Basiskultur nicht schaden. Nur: Sie ticken anders, ihr Kulturbegriff ist ein pragmatischer, das Primat hat die Wirtschaft. Sie haben, wie Grießl sagt, eben einen "grundsätzlich anderem kulturpolitischen Ansatz". 20 Grießl: Ich gehe regelmäßig ins Konzert in der Beethovenhalle ....und hab relativ schlechte Akustik da vorne, die Musik geht über einen hinweg. Ich gehe aber auch zur Unterhaltungsmusik wir haben hier in Bonn den Kunstrasen, da war auch Carlos Santana schon, solche Sachen höre ich mir gerne an .Oper auch, ab und zu, nicht so oft. Ich gehe in die Oper, wenn ich nach einer Viertelstunde erkenne, was da gespielt wird. Ich denke, wären wir nicht Bundeshauptstadt gewesen, hätten wir keine Oper. Nun ist sie aber da, steht auf einem hervorragenden Grundstück, ist Arbeitgeber des Beethovenorchesters Bonn, nicht zu vernachlässigen- also ist es nicht einfach zu sagen: die reißen wir ab. Es gibt ein gewisses Missverhältnis zwischen dem Geld, das wir in der Stadt für die Oper ausgeben und das wir für andere Kultureinrichtungen ausgeben. Oder auch Sporteinrichtungen. Das ist etwas, was wir aushalten müssen und was wir versuchen müssen auszugleichen. Das ist kein Grund, die Oper dichtzumachen 21 Wulf-Mathies: Ich glaube, dass durch einen solchen Magnet wie ein Festspielhaus die anderen Kultureinrichtungen gewinnen. Ich gehe davon aus, dass Menschen, die hier abends ins Konzert gehen, z.B. auch am Morgen in die Museen gehen... ich denke auch, ob man ins Theater geht, ist eine Frage der Qualität des Theaters und nicht der Höhe der Subventionen. Die Subventionen werden sich wegen des Festspielhauses nicht ändern und natürlich dürfen auch andere Kultureinrichtungen dann mal schauen, dass sie sich vielleicht um Sponsoring intensiver kümmern als das zum Teil der Fall gewesen ist, weil man sicher war, dass alles die öffentliche Hand trägt. Musik Über die Pro- und Contra-Erwägungen ist etwas ein wenig aus dem Blick geraten: Beethovens 250. Geburtstag 2020. Beethoven gehöre der ganzen Welt, gestorben sei er schließlich in Wien. Wenn er in Bonn nicht gefeiert würde... auch nicht schlimm, ruft der Kölner Philharmonie-Chef nur halb im Spaß. Empörung im Publikum. Außerdem...äußert der Vertreter des Sports auf dem Podium: es gäbe doch so viele Säle in der Stadt, um Beethoven zu feiern - und meint den Saal, in dem man gerade sitzt. Er erntet höhnisches Lachen. Der Komponist muss gefeiert werden. Darüber herrscht Einigkeit unter den Zuhörern. Was Martin Schumacher, Dezernent für Kultur und Sport freut. 41 Schumacher: Natürlich muss Bonn ein Programm, egal in welchem Haus, anbieten, welches typisch für unsere Stadt ist. Das muss uns gelingen, das muss so sein, dass die Klassik- und Beethovenfans sagen, es ist ein Must nach Bonn zu kommen, weil dort passiert was, was in sonstigen Städten nicht passiert. Egal in welchem Haus? fragt der Moderator nach und verweist auf die städtische Beethovenhalle. Die steht unter Denkmalschutz und muss - Festspielhaus hin oder her - saniert werden. 42 Schumacher: Nun ist es so, dass wir haben die Hoffnung im Moment, dass es ein neues Haus geben wird. Aber wir müssen, um das Jubiläum begehen zu können, sicherstellen, dass wir spätestens 18, allerspätestens 19, ein Haus bereitstellen können, das den Ansprüchen genügt um auch dem Anspruch Beethovens gerecht werden zu können. Und deshalb ist die Planung für den Umbau und die Renovierung der Beethovenhalle einem Zeitplan angepasst, der sicherstellt, dass diese Halle dann auch zur Verfügung steht. Dieser Zeitplan kann noch verändert werden, also wenn das FH kommt, kann man noch rechtzeitig umsteuern und dann so planen, dass man sich auf das neue Haus konzentriert und das alte solange nutzt. Moderator: Aber hat die Stadt das Geld, diese alten Immobilien wieder so instand zu setzen, um sie dann nutzen zu können? Schumacher: Um es klar zu sagen, die Stadt hat das Geld nicht, aber sie muss diese Investitionen trotzdem machen, obwohl wir wissen, dass wir damit den Schuldenberg vergrößern - auf der anderen Seite muss ich klar sagen, es war noch nie so günstig wie im Moment zu bauen, weil einfach die Zinsen gegen Null tendieren... An dieser Stelle hätten die Festspielhausfreunde natürlich Zahlen parat. Zum Beispiel, dass die Stadt in die Sanierung der Beethovenhalle dramatisch weniger investieren müsste, wenn darin keine sinfonischen Konzerte mit Weltorchestern stattfinden müssten. Wenn die Beethovenhalle als das betrieben würde, was sie ursprünglich war: als Mehrzweckhalle. Wenn es, mit anderen Worten, auch ein Festspielhaus gäbe. Die Stadtverordneten, die am 18. Juni über die Beteiligung der Kommune an der Betriebsstiftung des Festspielhauses abstimmen, werden die Zahlen kennen. Und die Oberbürgermeisterkandidaten, die sich am 13. September zur Wahl stellen, auch. 43 Grießl/Büro So, es gibt Menschen, die sagen, ja, wenn die Post das macht mit ihrem Baumanagement und ihrem Sachverstand, da kriegt man das auch in 2 Jahren hin - ich sag immer lass uns bitte von 3 Jahren ausgehen. Irgendwas wird passieren, ein Wassereinbruch oder so ... deshalb sollen wir von den 3 Jahren ausgehen. 2019, also zurückgerechnet, 2019...2017 ... also 2016 sollten wir mit dem Bau beginnen. Und sie glauben daran? Ja klar, sonst säße ich nicht hier. (Musik) Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sagen: Kommunale Kultureinrichtungen so herrichten und ausstatten, dass sie konkurrenz- und überlebensfähig sind. Das heißt: Geld und Mut hier investieren! Und das Festspielhaus? Zulassen. - Und vertraglich absichern, dass kein städtischer Euro mehr als vereinbart gezahlt wird. Kein einziger städtischer Euro. Denn eines ist klar: Das Festspielhaus ist kein Projekt für eine Stadt. Sondern für Beethoven. Und der ist keine Privatangelegenheit. Der gehört auch nicht der Post. Der gehört allen. Musik weg Absage: Mission Beethoven. Die Bonner Festspielhausdebatte . Sie hörten ein Dossier von Ulrike Bajohr Es sprach Claudia Mischke Ton und Technik: Michael Morawietz und Anna D´hein Eine Produktion des Deutschlandfunks 2015 18