Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig Manuskript für NACHSPIEL "Nichts geht mehr!" Haben wir das Laufen verlernt? Autor: Matthias Baxmann Länge: 28´00 Im O-Ton: - Sabine Goy / Nordic Walking Trainerin - Hans Jürgen Mittmann, Brigitte Zeidler / Geher - Dr. Srdan Popovic / Sportmediziner - Gabriela Dumitrescu / Choreographin - Lilia / Tangolehrerin - Stimmen Sprecher Autor Regie: OT 1 (Stimmen mit verschiedenen Schritten unterlegt) O-Ton Thomas: Ich glaube, dass ich ein leidenschaftlicher Geher bin. Ich fühle mich körperlich sehr wohl beim Gehen, und ich versuche, so oft zu gehen wie es geht. O-Ton Mittmann: Ich war über 20 Jahre Läufer und habe dann aufgrund einer Knie-OP den Anschluss zum sportlichen Laufen nicht mehr geschafft. Das war der Grund, warum ich zum Gehen übergewechselt bin, weil ich nach wie vor mit an Wettkämpfen teilnehmen wollte. O-Ton Heike: Ich laufe sehr, sehr gerne barfuss, im Garten gerne, auch im Wald, Wiese - dieses Taktile, dieses Spüren von Nässe und Waldboden und diese ganzen unterschiedlichen Qualitäten. O-Ton Falk: Mein weitester Weg war genau, wirklich genau 1000 Kilometer lang und dafür habe ich einen Monat gebraucht. O-Ton Günter: Als inzwischen schon älterer Mann fällt mir schon auf, dass man als älterer Mensch anders läuft als als junger. Zum Beispiel laufe ich langsamer und empfinde das gar nicht als ein Handicap, sondern auch als einen großen Gewinn. O-Ton Veronika: Wenn man so läuft, achtet man ja nun nicht wie beim Fahrrad auf den Verkehr, sondern man läuft ja in sich und hat auch wie beim Tanzen eine rhythmische Bewegung. Es ist ja auch manchmal eine Melodie im Kopf oder ein Rhythmus im Kopf, so dass das Gehen ja auch ein Lustgewinn sein kann. nach Ende O-Ton 1 (Collage/Schritte mit Musik/Effekt) sofort Autor Autor: Ein Lustgewinn, doch nur so lange das Kniegelenk hält. Wie schön Gehen sein kann, spürt man, wenn es nicht mehr geht. Oder wenigstens, wenn man zeitweilig Krücken benutzen muss, so wie ich nach einer Knie-OP. Fast drei Wochen lang beneide ich die Menschen auf der Straße, wie selbstverständlich sie sich fortbewegen. Wie sie einfach so spazieren, rennen, schreiten... Regie: O-Ton 2 Beginnende Musik von O-Ton 2 schon unter vorigen Autor beginnen lassen, so dass von O-Ton 2: "...laufen, schlendern..." an Autor: "... rennen, schreiten..." anschließt Trocken weiter: Autor: "Laufen sie doch mal diagonal durch den Raum", bat mich meine Physiotherapeutin bei der Reha. "Sie gehen falsch!". Kein Wunder - mit meinem lädierten Knie. Das hätte damit nichts zu tun, meinte sie, ich setzte den Fuß falsch auf, das Becken kippe nach vorn und überhaupt sei da keinerlei Körperspannung. Dass ein Bein länger sei als das andere, dafür könne ich nichts - schließlich seien wir alle irgendwie schief. Aber ich habe doch ganz normal Laufen gelernt! Vermutlich habe man meine Kleinkindfüße zu früh in Schuhe gezwängt. Später dann zuviel Sitzen, Rückenprobleme und infolgedessen ein antrainierter Schongang, falsches Schuhwerk. Ich solle unbedingt mein mit ihr trainiertes Lauflernprogramm täglich zu Hause absolvieren, sonst sei auch bald mein anderes Knie fällig, von der Hüfte ganz zu schweigen. Außerdem könne ich es mal mit Nordic Walking probieren - behutsam erst einmal, am Besten in einer Seniorengruppe, so der Tipp der Physiotherapeutin. Regie: Atmo 1 (Stöcke) noch unter letzte Worte von Autor einfahren, steht ca. 4´´ frei, unter gesamten Nordic Walking Abschnitt: Atmo 1, später Atmo 2 (laufen, atmen) Weiter mit O-Ton 3 O-Ton Goy: Es gibt immer noch einige, denen das zu blöd ist, speziell jetzt Männern. Autor: Sabine Goy. O-Ton Goy: Die setzen sich auf ein Rad und reißen dann ihre Kilometer runter. Autor: Nordic Walking Trainerin. O-Ton Goy: Aber wenn sie es erst einmal gemacht haben, dann kommen sie auch immer wieder. Weil Stock hat irgendwie immer mit gebrechlich zu tun. Autor: Beim Nordic Walking Kurs einer Volkshochschule bin ich jedenfalls der einzige Mann. Vor und hinter mir etwa 10 Seniorinnen. Neben mir walkt eine rüstige Dame im Rentenalter. O-Ton 4 Frau: Ich habe vor 6 Jahren mal einen Kurs angefangen und den musste ich abbrechen, weil ich mir damals einen Zeh gebrochen habe. Ich habe damals schon gemerkt, so ein bisschen Anleitung braucht man, bevor man alleine los dackelt. Autor: Nordic Walking scheint nicht ganz ungefährlich. Auch das Laufen mit Stöcken will gelernt sein. O-Ton 5 O-Ton Goy: Sie lernen das alleine nicht. Sie laufen zwar, aber die Armtechnik ist nicht die richtige und dann haben sie auch nicht den Nutzen. 90% der Muskulatur wird betätigt. Das hat man dann, wenn man es nicht richtig macht nicht. Autor Das Feld der Walker ist inzwischen etwas auseinander gerissen. Es läuft sich angenehm leicht und ich komme flott voran. O-Ton Goy: Den Bauchnabel so ein bisschen an die Wirbelsäule ziehen, schön gerade gehen! Regie: ab hier mit Atmo 2 (Laufen/Atmen unterlegen) Autor: Nordic Walking entwickelte sich Ende der 90iger Jahre in Finnland aus dem Sommertraining für Skiläufer. Der Trend wurde zwar von der Sportgeräteindustrie vorangetrieben, doch es scheint, dass dadurch manche Menschen überhaupt wieder Freude an der Bewegung gefunden haben. O-Ton Goy: Nordic Walking ist Naturerlebnis, Gemeinsamkeit, mit einer hohen sozialen Komponente. Autor: Inzwischen ist durch meine Armarbeit beim Gehen der ganze Körper in eine angenehme Schwingung versetzt. Ein gleichsam meditativer Rhythmus hat sich eingestellt, und ich möchte gar nicht mehr aufhören mit Laufen, Gehen, Walken... Regie: O-Ton 6 (Collage/Synonyme/Schritte Kies), beginnende Musik von O-Ton 6 unter letzten Satz von Autor legen Unter Ende von O-Ton 6 (Kies Schritte) Autor Sprecher: Gehen und Denken! Regie: Mit Beginn O-Ton 7 Schritte hart aus O-Ton 7 O-Ton Ronald: Wenn ich was arbeite am Rechner und inspiriert sein will, dann gehe ich auch manchmal, um dann eine andere Perspektive auf ein bestimmtes Thema zu haben. Autor: Ronald, Organisationsberater. O-Ton Ronald: Dann gehe ich auch raus, laufe einfach mal ein bisschen rum. Und das bringt mich weg von dem Thema, von der unmittelbaren Arbeit und ermöglicht mir dann, dass da Ideen kommen. O-Ton Veronika: Da geht mir ja selber auch so, wenn ich gehe, langweile ich mich und der Kopf arbeitet. Autor: Veronika, Malerin. O-Ton Veronika: Deswegen ist es was anderes als Radfahren, weil da hast du nicht so viel Gedanken und die kannst du nicht so langsam entwickeln wie beim Gehen. O-Ton Thomas: Wenn ich gehe und dabei denke... Autor: Thomas, Schriftsteller. O-Ton Thomas: ... respektive arbeite, dann bin ich sehr auf meinen Kopf fokussiert. Ich glaube, dass der Körper in dem Moment auf das angenehmste beschäftigt ist beim flotten, aber nicht allzu flotten Gehen. O-Ton Günter: Ja, das kenne ich auch gut. O-Ton Thomas: Und gerade das macht den Kopf sehr frei. O-Ton Günter: Das hat auf jeden Fall einen inspirierenden Einfluss Autor: Günter, Pädagoge. O-Ton Günter: Wenn ich mich irgendwo verklemme an irgendeinem Gedanken, dann ist dieses Gehen, die Gedanken kommen lassen, fast mit einer meditativen Absicht, die Gedanken eher nicht kommen zu lassen, sondern zu sagen, jetzt mal Pause, jetzt gehst du mal ganz bewusst und guckst so in der Welt rum. O-Ton Thomas: Wenn man jetzt wie ich gewissermaßen sich Geschichten ausdenkt, dann gibt es beim Gehen zum Beispiel keinen horror vacui. Du hast ja keinen leeren Computerbildschirm vor dir, es fängt sich wirklich leichter an. Das ist ganz erstaunlich. O-Ton Günter: Es hat wohl auch damit zu tun, dass es so ein wiegender Prozess ist beim Gehen, als würde in einem auch ein Gedanke gewogen und geboren werden. O-Ton Thomas: Und wenn mir nichts einfiele, das Gehen wäre trotzdem schön. Regie: Letzter Klang von O-Ton 7 steht frei und aus O-Ton 8 (immer wenn Sprecher, zunächst mit Atmo 3 unterlegen) O-Ton Mittmann: Es gibt Vorbehalte gegen das Gehen, weil man mitunter uns vorhält, die Hüften werden dadurch zu stark beansprucht werden, was aber in meinen Augen nicht der Fall ist. Und ja, warum ist es eine exotische Sportart? Das hat sicherlich mit diesen Vorurteilen zu tun. Autor: Heinz-Jürgen Mittmann vom Polizeisportverein Berlin. Mittmann Im Kinderbereich ist der Anteil der Mädchen höher als der der Jungen, weil die Jungen von anderen mitunter angemacht werden, wenn sie gehen: Ach, das sieht ja aus wie bei den Homosexuellen und so weiter. Nachher im Alter kippt es etwas um, da gibt es etwas mehr Männer als Frauen. Autor: So wie in dieser kleinen Seniorengruppe der Geher im Berliner Mommsenstadion. Zwei Männer, eine Frau. Ihrem wöchentlichen Treffen habe ich mich angeschlossen. Nach zwölf Trainingseinheiten im Nordic Walking fühle ich mich fit, fürs sportliche Gehen - ohne Stöcke. O-Ton Mittmann: Es schont die Knie, weil, beim Laufen habe ich ja einen gewissen Sprung und das Knie wird ja um das Drei- bis Vierfache meines Gewichts belastet, währenddessen beim Gehen es nur auf das Doppelte kommt. Und das ist der große orthopädische Unterschied. Autor: Hier bin ich richtig! Bevor ich mit auf die Stadionbahn gehe, erklärt mir Heinz-Jürgen Mittmann, worauf ich beim sportlichen Gehen achten muss. O-Ton Mittmann: Ein Fuß muss immer Bodenkontakt haben. Autor: Klar, sonst würde ich ja rennen. O-Ton Mittmann: ... und der Punkt zwei ist: Man muss die Knie beim Aufsetzen immer gestreckt halten. Das ist das größte Problem, woran viele Anfänger dann auch scheitern, weil das eine enorme Konzentration erfordert. Es gibt deshalb auch Kampfrichter, die schauen also laufend auf die Knie und wenn man diese Vorschriften dann nicht hält, dann kann man verwarnt werden und nach drei offiziellen Verwarnungen wird man disqualifiziert und darf das Rennen nicht beenden. Autor: Nach Auskunft von Mittmann gibt es cirka 500 Geher und Geherinnen in Deutschland, die sich den strengen Regeln der Sportart unterwerfen. Diese hatte man sich Mitte des 19. Jahrhunderts in England ausgedacht. Fünfzig Jahre später drücken auch die Deutschen ihr Knie beim Aufsetzen durch. Doch die Engländer gehen ihnen bei Olympischen Spielen regelmäßig davon. O-Ton Autor: Sie sagen mir einfach, was ich falsch mache. O-Ton Zeidler: Da müssen sie erst mal die Hosen ausziehen! Weil, man muss das ja sehen! Das ist natürlich - da kann man ja hier nichts sehen! O-Ton Mittmann: Weil wir eben die Knie zeigen müssen. O-Ton Zeidler: Wir starten immer in Kurz, sonst brauchen wir gar nicht antreten. Autor: Doch Brigitte Zeidler ist keine Kampfrichterin. Ich darf meine Hosen anbehalten. Zeidler ist Mitte 40 und seit 11 Jahren dabei - mit Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften. Ab 35 zählt man hier bereits zu den Senioren. O-Ton Mittmann: Jetzt mal übertrieben formuliert, man geht auf dem Strich oder auf der Linie. O-Ton Autor: Ich sehe, sie setzen ganz extrem die Ferse zuerst auf. O-Ton Mittmann: Das ist wichtig! Sonst kriegt man das mit der Kniestreckung nicht hin. O-Ton Autor: Ach so, mit der Kniestreckung. Regie: Ab hier Autor mit Atmo 4 (gehen/atmen) unterlegen Autor: Jetzt hab ich's begriffen! Nach der zweiten Stadionrunde meldet sich bereits mein rechtes Hüftgelenk. O-Ton Autor: Wie ist das für den Anfang? O-Ton Mittmann: So sieht das ordentlich aus. Wobei, genau kann man das nur sehen, wenn die Knie frei sind. Autor: Wir gehen etwa so schnell wie ein Jogger läuft. Wenigstens versuche ich das. O-Ton Mittmann: Vor allem Anfänger - ich mach das nun schon seit 13 Jahren und habe es immer noch - leichte Schmerzen im Schienbein. - Das kommt! - durch dieses Aufsetzen. Bei Volksläufen oder dem Berlin-Marathon rollen die Geher das Feld von hinten auf. Giese: Die Gesichter, wenn wir dann - vorbei GEHEN. Aber 200 Meter vor dem Ziel, da geht der Kampf los. Regie: ab hier wieder Atmo 3 unterlegen Autor: Nach der 5. Stadionrunde habe ich zwar keinerlei Knieprobleme, doch die Schmerzen in den Schienbeinen zwingen mich zum Aufgeben. Mein Abstecher zum Gehsport ist damit beendet. Die drei Profis sind vermutlich erleichtert. O-Ton Mittmann: Dann ziehen wir los und machen unser Training. Autor: Und können jetzt ohne mich endlich auf die Tube drücken. Vor ihnen liegen noch 15 Kilometer durch den Grunewald. Regie: O-Ton 9, beginnende Musik von von O-Ton 9 unter vorigen O-Ton einfahren Nach Ende Musik von O-Ton 9 (Schritte/Kies) unter Überschrift Autor: Sprecher: Wann gehen wir? Regie: O-Ton 10, mit Beginn von O-Ton 10: Schritt von O-Ton 9 hart aus O-Ton Falk: Mein weitester Weg war 1000 Kilometer lang von Sevilla nach Santiago de Compostella, allerdings nicht die Nordroute des Jakobsweges. Ich bin vom Süden an der portugiesischen Grenze hochgegangen nach Santiago de Compostella. O-Ton Ronald: Ich gehe am Tag ziemlich viel in meiner Wohnung auf und ab, dass ich auch zum Telefon gehe oder auf Toilette gehe. Das ist schon eine ziemliche Lauferei. O-Ton Günter: An Strecken ist es wahrscheinlich mehr das Fahrrad, aber es sind doch so 1 1/2 Kilometer bis zur S-Bahn, dann, ja, diese Wege zur Post und zum Einkaufen. Das sind auch immer so ungefähr Kilometer. O-Ton Thomas: Ich bin ein Wanderer, ich bin ein Spaziergänger. Ich fahre sooft es möglich ist aus der Stadt hinaus, um weite Waldspaziergänge zu machen. O-Ton Falk: Wenn man so eine lange Strecke zurücklegt - man muss vor allem erst mal seine Geschwindigkeit finden. Am Anfang ist es so, dass man denkt, ich will jetzt die Etappe schaffen, oder ich will noch da hin. Das wirkt eigentlich der Idee dieses Laufens entgegen. Man selbst gewöhnt sich immer mehr daran, dass die Ziele sich dem Bedürfnis des Laufens unterordnen. Also, man nimmt sich dann nicht vor, dann und dann da anzukommen, sondern man kommt da an, wie man gerne geht. O-Ton Ronald: Ansonsten fahre ich viel mit dem Fahrrad oder auch mit dem Auto, jetzt nicht übermäßig viel, aber ich bin jetzt kein großer Geher. O-Ton Thomas: Ich verachte auch - also, ich ertappe mich öfter mal dabei, wie ich den durchschnittlichen Wohlstandsdeutschen, der halt jeden Einkauf mit dem Auto erledigt, der dann mit seinem Übergewicht auf dem Parkplatz vorfährt - ja, und ich fühle mich dann sehr wohl in dem anders Leben. Regie: nach letztem Effekt von O-Ton 10 sofort Autor/trocken Autor: Vielleicht laufe ich trotz meines Gehtrainings immer noch falsch - 8 Wochen nach der Knie- OP. Woher die ständigen Schmerzen in den Waden? Ich will es genau wissen! Regie: O-Ton 11, unter Autortexte immer Atmo 5 (Laufanalyse) legen O-Ton Popovic: Wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, Herr Baxmann, sie müssen laufen lernen, dann würden sie mich für verrückt erklären. Gehen Lernen und laufen Lernen sind zwei Sachen, die man kann. Das ist die weit verbreitete Meinung. Laufen brauchen wir vermeintlich nicht zu erlernen. Autor: Srdan Popovic arbeitet im Sportmedizinischen Institut Berlin. O-Ton Popovic: Es gibt hauptsächlich zwei Gruppen, die zu uns kommen. Das sind einmal die Sportler natürlich, die sich in irgendeiner Art verletzen, und es gibt natürlich einen großen Part, die haben mit dem Sport nichts zu tun in dem Sinne. Das sind einfach nur die orthopädischen Beschwerden. Autor: Ich gehöre eindeutig zur zweiten Gruppe. Der Arzt führt mit mir eine Gang- und Laufanalyse durch. O-Ton Popovic: Es kommt meistens vor, dass die Muskulatur am Becken unterschiedlich stark verspannt ist und ihr Becken dadurch schief stehen kann, wodurch sich dann unterschiedlich lange Beinlängen ergeben. Und wenn sie mit einem langen und einem kurzen Bein durch das Leben laufen, dann kann es sehr gut vorkommen, dass sie dann die Schuhe, insbesondere am Außenrand der Ferse unterschiedlich abreiben. Autor: Deshalb schaut sich der Sportmediziner zunächst meine Schuhsohlen an. O-Ton Popovic: Viele kommen hierher und sagen, um Gottes Willen, mein äußerer Rand der Ferse ist total abgelaufen, ich laufe schief. Ist gar nicht der Fall. Man wird bei den allermeisten sehen, dass man die Ferse an dem äußeren Rand zuerst abreibt, weil das der gewöhnlich Auftritt ist, sprich, wir treten niemals glatt auf die Ferse auf, sondern immer leicht schräg. Das ist der normale Aufsatz.- So jetzt dürfen sie einmal auf der Liege in Rückenlage Platz nehmen. Autor: Dort werden meine Beine vom Doktor abwechselnd gestreckt, gedehnt und gebeugt, soweit das eben bei mir möglich ist. O-Ton Popovic: Von dem, was wir in der Praxis sehen können, sind die Frauen, aus meiner Erfahrung jedenfalls, leicht besser dehnfähig. Autor: Seine Diagnose: Meine Beine sind gleich lang, leichter Beckenschiefstand, aber fast unauffällig. O-Ton Popovic: Dann machen sie doch mal einen Einbeinstand auf der linken Seite... Autor: Sensoren unter meinen Füßen messen die Kraftverteilung beim Stehen. O-Ton Popovic: ... und auf der rechten Seite. Das sieht doch gut aus. Regie: Ende O-Ton 11, Atmo 5 steht weiter unter Autor Autor: Dennoch - am angeschlossenen Bildschirm erkennt Popovic sofort: leichter Spreizfuß. Genau wie bei den meisten seiner Patienten. Regie: unter letzte Worte von Autor Atmo 6 (Laufband) einfahren mit Atmo 5 überblenden, darüber weiter mit O-Ton 12 O-Ton Popovic: OK, dann wollen wir jetzt sehen wie sie gehen und laufen. Autor: Auf dem Laufband nehmen Hochgeschwindigkeitskameras den Gang und Lauf meiner zunächst nackten Füße auf. O-Ton Popovic: Wir müssen da jetzt ganz strickt unterscheiden zwischen Gehen und Laufen. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Fortbewegungsarten. Beim Gang ist es üblich, dass wir über die Ferse auftreten und dass wir dann dort abrollen. Dieses Wort Abrollen gilt für den Gang. Sie werden allerdings auch beim Lauf immer in populärwissenschaftlichen Zeitungen oder irgendwo lesen von einem Abrollverhalten des Schuhs, und dieses Abrollen suggeriert ja wiederum, sie sollen über die Ferse auftreten und abrollen. Ist nicht der Fall. Von daher ist das Wort abrollen irreführend beim Lauf. Regie: unter folgendem Sprecher Atmo 6 mit Atmo 5 überblenden Autor: Die Filmaufnahmen der nackt laufenden Füße in Zeitlupe haben etwas Animalisches. Die Zehen strecken sich vor dem Aufsetzen wie bei einer Raubkatze. Der Fuß setzt eher mit dem Ballen als mit der Ferse auf. Etwa 80% der Menschen würden sich beim Barfusslauf ganz intuitiv so bewegen. Sobald man aber Schuhe trägt, setzt man mit den Hacken zuerst auf, was eine enorme Erschütterung für Fußgelenk, Knie und Hüfte bedeutet. Regie: O-Ton 14, unter Autor wieder Atmo 5 O-Ton Popovic: Das ist eine Sache, die man automatisch tatsächlich dann falsch macht, weil sie ihre biologischen Systeme nicht nutzen, wenn sie den Schuh anziehen. Das ist geschuldet dieser Bettung oder Weichstellung des Fußes im Schuh, der uns unsere Sensoren taub macht. Wir kriegen gar nicht mit, was eigentlich unter unseren oder in unseren Füßen passiert. Jetzt könnten sie natürlich zu Recht fragen, sollen wir alle barfuss laufen? Sagen wir es mal so, als Training wäre es gar keine so schlechte Sache. Autor: Als Alternative empfiehlt Popovic so genannte barfußartige Freizeitschuhe, um den Fuß wieder an Reize, besonders von unten zu gewöhnen. Diese Schuhe haben kaum Dämpfung, dafür eine dünne Sohle. Doch nicht nur beim Laufen würden wir uns in den zunehmend gepolsterten Schuhen einrichten. Auch beim Gehen sei das Schuhwerk Dreh- und Angelpunkt für die Ursache von Gelenk- und Hüftschäden. Popowic: Wenn man sich anguckt, welches Schuhwerk es heutzutage natürlich gibt: Bei den Damen insbesondere hochhackige Schuhe, die die Belastung auf den Vorfuß bringen, führt natürlich zu einem Spreizfuß, keine Frage. Und sonst aber auch, alles, was sehr weich, schwammig ist, wo man fälschlicherweise denkt, dass man gut gebettet ist, weil man gut geführt ist. Das ist genau das, was dem Fuß sagt, du wirst geführt, du wirst gebettet, also, tue bitte nichts! Bei Kindern, die im frühen Kindes- und Jugendalter viel barfuss machen und ihre Füße beanspruchen, sehen sie ein hervorragendes Fußgewölbe, das auch weiter bis ins hohe Alter erhalten bleibt. Dagegen, wenn sie inaktiv sind, sehen sie insbesondere bei den Jugendlichen heute die Zivilisationsdiagnose, Knick-, Senk-, Spreizfuß. Das sind erworbene Deformitäten. Die ganze Fußmuskulatur bildet sich zurück, weil es keinen Reiz gibt. Und der Fuß, die Gewölbe, die unser Gewicht tragen sollen, brechen in sich zusammen. Regie: unter Autor wieder Atmo 5 Autor: Mein Fußgewölbe scheint trotz leichtem Spreizfuß noch gut aufgerichtet. Insgesamt ein positives Fazit der Geh- und Laufanalyse. Mit einigen Übungsanleitungen für Dehnung und Gleichgewicht verlasse ich beruhigt das Sportmedizinische Institut. Regie: Atmo 7 ("Treppe/Musik Schritte) unter vorigen Sprecher bei "...Fazit..." einfahren Über Schluss von Atmo 7 (Schritte) Autor: Sprecher: Gehen und Haltung! Regie: O-Ton 15, mit Beginn von O-Ton 15: Schritt von Atmo 7 hart aus O-Ton Falk: Vor allem, wenn mir bewusst ist, dass ich wahrgenommen werde, leg ich schon Wert darauf wie ich gehe. O-Ton Thomas: Dass der Gang dann plötzlich beobachtet wird von mir selbst und dass dann die Gefahr besteht, dass der Gang etwas manierierter wird. O-Ton Falk: Die Körperspannung verändert sich. Ronald. Eigentlich hat das Gehen was mit Präsenz zu tun, inwiefern ich in der Welt präsent bin und auch bewusst gehe, insofern auch einen aufrechten Gang habe. O-Ton Heike: Als ich 18 war, bin ich immer barfuss gelaufen, auch so durch die Straßen und so. Es war für mich auch so ein Stück von Befreiung, auch Protest. O-Ton Veronika: Ich könnte zum Beispiel nicht mit Absatzschuhen arbeiten, malen. Dann bin ich nicht ich. Und wenn ich mich als Frau verkleide und ziehe Absatzschuhe an, fühle ich mich auch so. O-Ton Günter: Wichtig ist, dass die Dinger auch passen! O-Ton Veronika: Aber es ist schon eine gewisse Fremdbestimmtheit, und du läufst wirklich anders mit solchen Damenschuhen. O-Ton Heike: Dass Männer eher so etwas Breitbeiniges haben... O-Ton Veronika: Ja, natürlich, sicherlich. O-Ton Heike: ...und Frauen eher so die Füße eher die Füße so voreinander setzen und dadurch vielleicht auch so ein Beckenschwung bei den Frauen rüber kommt. O-Ton Günter: Eine extrem andere Haltung nehme ich an, wenn ich Gummistiefel anziehe. Wo ich dann auch so einen schlurfenden Gang habe, obwohl die gar nicht schwer sind. Es ist so was komisch Bäuerliches, was ich dann annehme. O-Ton Heike: Ich frage mich, ob man seinen erlernten Gang, ob man das immer so beibehält? Ob man seinen Gang irgendwie verändern kann? Regie: Atmo 8 (Schritte) mit Musikende sofort beginnen lassen Atmo 8 immer unter Autor blenden Autor: Kann man! In den Walk-Kursen von Gabriela Dumitrescu. Regie: O-Ton 16 O-Ton Dumitrescu: Geh doch einfach mal durch den Raum und schlendere mal ganz extrem mit den Armen, ganz extrem. - Ich zeige dir mal wie das aussieht, extrem mit den Armen schlenkere. Bei Dir sieht das so aus: Für mich sieht das steif aus vor allem Dingen, hölzern, würde mir einfallen. Und jetzt schlenkere doch noch mal und fühl mal nach wie sich das anfühlt. Autor: Gabriela Dumitrescu ist Tänzerin und Choreographin. O-Ton Dumitrescu: Jetzt gehen wir mal zu den Füßen. Geh doch mal sehr geschlossen, also wie auf dem Schwebebebalken. Wie fühlt sich das an? Autor: Fühlt sich irgendwie offiziell an. O-Ton Dumitrescu: Was wäre denn das Gegenteil für dich? Wie würdest du gehen inoffiziell, ungeführt? Würdest Du mehr in den Knien sein, würdest du breitere, längere, kürzere Schritte machen? Was genau wäre da der Unterschied? Autor: Ich laufe in unterschiedlicher Garderobe durch den Raum, wechsle von Sandalen in Stiefel, dann in elegante Lederschuhe. Ganz automatisch verändert sich meine Haltung. In Hauslatschen und T-Shirt will mir kein souveräner Gang gelingen. In Lederschuhen und Jackett richtet sich mein Körper auf. Doch meine Schultern sind wie eingefroren. O-Ton Dumitrescu: Ganz spannend ist, dass bei Männern oft diese Partie blockiert ist, im Oberkörper. Einfach spüren wie sich das anfühlt, wenn du da oben beweglich bist. Nimm das mal mit in Deinen Gang und versuche es mal ganz extrem zu machen, um das zu spüren. Autor: Je mehr ich mit meinem Gang spiele, umso lockerer werde ich. Regie: Atmo 8 unter O-Ton 17 ausblenden O-Ton 17: O-Ton Dumitrescu: Die Idee dahinter ist, dass das Gehen die grundlegendste Bewegungsart des Menschen ist und unheimlich viel über die Persönlichkeit aussagt. Die Haltung ist ja auch eine innere Haltung, also, wie halte ich mich innerlich, so halte ich mich auch äußerlich. In der Regel sind wir uns dessen nicht so richtig bewusst, und ich möchte es gerne bewusst machen und auch Menschen dazu inspirieren, ihren inneren Reichtum sozusagen über die Körperlichkeit auszudrücken. In meiner Arbeit geht es nicht darum, dass ich jemandem sagen kann, was er falsch oder richtig macht. Derjenige weiß das aber selber, ist sich dessen bloß nicht bewusst. Für mich ist das wie ein Schatz, der in ihm verborgen ist, und ich schließe die Tür einfach auf, sodass derjenige Zugriff darauf bekommt. Regie: trocken weiter Autor: Selbst Bikinifrauen können bei ihr den selbstbewussten Gang lernen. Der Bikinigang sei einer der Schwierigsten überhaupt - sich gegen die eigenen Unsicherheiten ganz souverän am Strand auf und ab zu bewegen. Und sollte ich in nächster Zeit heiraten, könnte Frau Dumitrescu meiner Braut nicht nur Sicherheit beim Schreiten zum Altar vermitteln, sie würde mit uns beiden auch den Brauttanz einstudieren. Regie: O-Ton 18 (mit Musik beginnend) Musik unter letzten Satz einfahren, so dass letzte Worte Autor an folgenden (Dunitrescu) anschließen O-Ton Dumitrescu: Ich biete an, den exklusiv zu choreographieren für das Paar. Da müssen die beiden, Braut und Bräutigam gar nichts können, weil ich mit dem arbeite, was da ist. - Und es wird ein toller Tanz dabei rauskommen! Regie: O-Ton 18 endet wieder mit Schritten, diese unter Autor, Sprecher: Das Gehen zu Zweit! mit Beginn O-Ton 19 Schritte hart aus Regie: O-Ton 19 O-Ton Ronald: Den gemeinsamen Rhythmus zu finden, das ist natürlich das besonders Schöne beim Gehen. O-Ton Veronika: Kommt drauf an. Wenn der andere doppelt so groß ist, macht einen großen Schritt, dann muss der anderthalb Schritte machen, wenn der einen macht. Das nervt dann. Dann kriegst Du keinen gemeinsamen Rhythmus. O-Ton Ronald: Weil man natürlich, wenn man zu zweit geht, sich an die andere Person anpasst, wechselseitig. O-Ton Veronika: Ich weiß noch aus meiner Ehe, wir konnten nicht zusammen gehen. Und dann haben wir immer Streit gehabt, jeder ging nach seinem eigenen Rhythmus. Regie: ab hier etwa Atmo 8 (Musik) in O-Ton 19 beginnen lassen, so dass letzter Akkord auf Ende von O-Ton 19 ausklingt O-Ton Ronald: Es ist natürlich auch ein Ausdruck der Beziehung, ob man sich anpasst oder vorneweg geht und hinterher trottet. O-Ton Veronika: Beim Tanzen gibt es ja den, der führt. Das ist der Mann... O-Ton Ronald: ...dass die Frau sich hingeben kann und einfach den Impulsen des Mannes folgt. O-Ton Günter: Das ist ja noch mal eine andere Variante des sinnlichen Umgangs mit dem Schritt. Regie: trocken weiter Autor: Nachdem die sportliche Phase meines Gehprogramms hinter mir liegt und ich auch einen spielerischen Umgang mit meiner Gehhaltung gefunden habe, widme ich mich dem sinnlichen Gehen. Dem Tango. Regie: O-Ton 20, läuft so bis MS Ende durch, in den Pausen: Autor O-Ton Lilia:: Die allererste Übung, die wir sehr häufig machen, wir stehen nicht voreinander... Autor: Lilia, Tangolehrerin. O-Ton Lilia: (in Atmo): ...weil das macht den meisten Menschen gleich so ein bisschen Angst - oh, Gott, was passiert? - sondern wir stellen uns nebeneinander und umarmen uns, so wie wir wirklich als Paar gehen würden, wenn wir zusammen spazieren gehen. Ich werde dich jetzt führen und du versuchst zu folgen. - Und genau, hier gehen wir los. Autor: Bei Lilia habe ich meine erste Tangostunde gebucht. O-Ton Lilia:: Wir können auch hier stoppen und Gewicht gemeinsam verlagern. - Autor: Zu meinem Erstaunen lerne ich erst mal keine Tangoschritte, sondern werde in den Arm genommen und beim Gehen geführt. O-Ton Lilia:: Und diesmal führst du. O-Ton Autor: OK! O-Ton Lilia: (trocken): Wenn ich unterrichte, das Gehen im Tango, dann sage ich immer, versucht, so zu gehen wie auf der Straße, wie wenn ihr im Park spazieren geht. Nur, der Unterschied beim Gehen im Tango ist, dass wir das zu Musik machen. Es bedeutet, dass wir das ein bisschen rhythmisch machen, wir versuchen auf den Beat zu gehen und dadurch ist das Gehen von der Technik her das Gleiche, aber wir betonen den Takt. O-Ton Lilia: (in Atmo): Und wenn ich zum Beispiel verdoppeln möchte, gibt es eine Technik, die man benutzen kann, das ist zum Beispiel hier - mit dem Einatmen ... O-Ton Lilia: (trocken): Häufig kommen Leuten zu mir und sagen, ach, ich werde das nie lernen können, weil, dafür bin ich viel zu unbegabt, tanzen kann ich nicht oder werde es nicht lernen können, aber beim Tango ist es zum Beispiel so: Jeder der einigermaßen laufen kann, also, jeder Mensch, der Laufen kann, ist auch im Stande Tango tanzen zu können, weil, das ist der Hauptteil von dem Tanz, das Laufen. Das Gehen im Tango nimmt ungefähr 80% ein von dem Tanz an sich. Deshalb können auch alle Leute tanzen! O-Ton Lilia: (in Atmo): Wir würden dann jetzt mit der Umarmung arbeiten, weil, durch die Umarmung kriege ich ja die Impulse wie ich gehen soll. Deshalb wird das das nächste Thema sein. Autor: Das gefällt mir. Ich denke, ich bin bei der für mich besten Art zu gehen angekommen. Ganz sicher wird das nicht meine letzte Tangostunde gewesen sein! Regie: letzter Akkord von Musik hoch und Ende 1