COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Atmo_01 Straßenatmo Sprecherin Der lang gezogene graue Bürohausriegel am Rand des Berliner Alexanderplatzes ist nach dem Schriftsteller Alfred Döblin benannt. Mit seinem Großstadtroman ?Berlin Alexanderplatz? hat er dem Ort ein Denkmal gesetzt. Atmo_02 Foyer Döblin-Haus Sprecherin Im Döblin-Haus arbeiteten bis Ende Juni 2011 Professoren, Doktoranden, Studenten an der Entwicklung und Optimierung von Finanzmodellen; ein Forschungsprojekt von Berliner Humboldt Universität, Technischer Universität und Deutscher Bank. Atmo kurz einblenden als Zäsur Sprecherin ?Deutsche Bank AG, Quantitative Products Laboratory, Global Markets Structuring, fünfter Stock, Seitenflügel? steht noch immer auf dem Wegweiser im Foyer. `Bisher hat noch niemand Zeit gefunden, das Schild abzumontieren`, kommentiert der Pförtner Klaus-Peter Scheinhardt lakonisch das überraschende Ende des Forschungsprojekts und erzählt, wie vor vier Jahren, 2007, der erste Professor bei ihm auflief ? mit Fahrrad und Rucksack. O-Ton_01 Zu Anfang kam der Herr Professor Doktor Schied, der war am Aufbau beteiligt. Dann kamen die jungen Mitarbeiter, später kamen die Professoren und dann der Herr Doktor Overhaus, der kam aus London nach Berlin. Der war der Chef für eine ganze Zeit. Dann wurde mir gesagt, die Abteilung wird aufgelöst. Aber die meisten sind in Lohn und Brot, in Frankfurt am Main oder London oder an den Universitäten. Atmo ausblenden Sprecherin Ursprünglich war eine Laufzeit von acht Jahren für das Forschungsprojekt vorgesehen. Man versprach sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse in enger Zusammenarbeit mit der Praxis. Doch dann kam die Finanzkrise. Die Abteilung von Marcus Overhaus bei der Deutschen Bank in London wurde aufgelöst und schließlich auch der Kooperationsvertrag mit den beiden Berliner Universitäten. Nach vier Jahren beendete die Deutsche Bank die Finanzierung von zwei Stiftungsprofessuren mit 3 Millionen Euro jährlich, sowie von Sach- und Reisekosten für zeitweise bis zu 25 Mitarbeitern. Das Ende war bereits beschlossene Sache, da gelangte der Vertrag an die Öffentlichkeit. Er schlug hohe Wellen in der Presse, denn an Hand dieses Falls stellte sich die Frage, welchen Einfluss Geldgeber auf die universitäre Forschung haben.. In der Präambel des Vertrags heißt es: Zitator Die Deutsche Bank beabsichtigt, ihre Forschungsaktivitäten in Zusammenarbeit mit den Universitäten auf dem Gebiet der Finanzmathematik insbesondere dem Bereich der Erforschung neuartiger Liquiditätsmodelle und Handelsalgorithmen sowie der Entwicklung neuer Methoden im Risikomanagement zu intensivieren? Sprecherin ? einige Absätze später zeigt sich das Brisante des Vertrages: Zitator Das Forschungs- und Lehrkonzept wird zwischen den Vertragspartnern abgestimmt?. Die Besetzung der Professuren erfolgt im Einvernehmen mit der Deutschen Bank. Sprecherin Vereinbarungen zwischen Wirtschaft und Universität werden normalerweise nicht publik. Es handelt sich von Rechts wegen um privatwirtschaftliche Verträge über die die Beteiligten Stillschweigen bewahren. An den Universitäten gilt das auch für die Mitglieder des Akademischen Senats, die über solche Kooperationen abstimmen. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes wundert sich, dass dem Vertrag in dieser Form zugestimmt wurde. O-Ton_02 An dem Vertrag zwischen Deutscher Bank und den beiden Berliner Universitäten gibt es mehrere Dinge auszusetzen: Zum einen war in dem Vertrag, und das ist eigentlich der schwerwiegendste Punkt, verankert, dass alle wissenschaftlichen Ergebnisse, die von den beiden Stiftungsprofessoren erbracht werden, der Deutschen Bank vorgelegt werden mussten, d.h. also wir haben es hier mit einem Fall zu tun, in dem die Freiheit der Wissenschaft in schwerer Weise eingeschränkt worden ist, weil alle Ergebnisse unter dem Vorbehalt der Deutschen Bank und damit des Zuwendungsgebers standen. Der zweite Punkt ist, dass es natürlich auch Einflussnahmen gegeben hat bei der Auswahl der beiden Stiftungsprofessuren und über das, was geforscht wird ein Lenkungsausschuss zu befinden hatte und dieser Lenkungsausschuss hat ein letztes Entscheidungsrecht der Deutschen Bank. D.h. letztlich gab es bei der schwer auszutarierenden Balance zwischen Freiheit der Wissenschaft und Interesse des Stifters, eine klare Machtverschiebung zugunsten des Stifters, der Deutschen Bank, die in dieser Form nirgendwo in der Wissenschaft aufgetaucht ist. Sprecherin Jan-Hendrik Olbertz ist seit 2010 Präsident der Berliner Humboldt Universität. Als der Akademische Senat dem Kooperationsvertrag mit der Deutschen Bank zustimmte, war er noch nicht im Amt. Er kann sich das Zustandekommen nur so erklären: O-Ton_04 Es kann sein, dass die Gremien damals im Vertrauen darauf gehandelt haben, dass es bestimmte Standards gibt, die man als selbstverständlich an der Universität erachtet und sich darüber nicht immer wieder vergewissern muss. Das wäre die freundliche Hypothese und die weniger freundliche wäre vielleicht auch die Vermutung einer nicht so glücklichen Routine. Dass schlicht nicht so genau hingesehen wurde. Atmo_03 Vor der Humboldt-Universität Unter den Linden Sprecherin Die Berliner Humboldt-Universität mitten im urbanen Trubel der Hauptstadt. Touristen, unterwegs Unter den Linden, bleiben vor dem imposanten Gebäude stehen. Atmo Tourist ruft aus: Bella porta! Sprecherin Hermann von Helmholtz thront davor auf einem Marmorsockel. Ein vielseitig gebildeter Naturwissenschaftler und Ausnahmeerscheinung. Er hatte Zugang zur Macht, zum Kaiser und zu Bankiers. Mit dem Erfinder und Industriellen Werner von Siemens war er befreundet, Forschern wie Heinrich Hertz oder Max Planck stand er nahe. Atmo ein Pferdegespann mit Touristen fährt vorbei, man hört den Aufschlag der Hufe?. Sprecherin Touristen lassen sich im Zweispänner an der Humboldt Universität vorbeikutschieren. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine Epoche der großen Erfindungen. In dieser Zeit, schreibt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser: Zitator hat die Wissenschaft der Wirtschaft zu einem bis dahin nicht gekannten Aufschwung verholfen. Theoretisches Wissen und die Ergebnisse systematischer Forschung wurden zu neuen, ungeheuer dynamischen Produktionsfaktoren`. Atmo ein Pferdegespann mit Touristen fährt vorbei, man hört den Aufschlag der Hufe?. Sprecherin In den 1980er Jahren entstand an den Universitäten die neue Fachrichtung Finanzmathematik, denn aus der Stochastik und Analysis ergaben sich vollkommen neue Anwendungsmöglichkeiten für das Bankgeschäft, insbesondere für Spekulationen und Risikomanagement. Auch in den Banken bildeten sich eigene finanzmathematische Abteilungen. Doch für weitere Entwicklungen waren die Banken auf die wissenschaftliche Forschung angewiesen. Im Zuge dieser Entwicklung entstand auch der Vertrag der beiden Berliner Universitäten mit der Deutschen Bank. 2007 empfahl der damalige Dekan Wolfgang Coy dem Akademischen Senat der Humboldt Universität die Zustimmung: Zitator Für die Humboldt Universität bietet das Projekt die außergewöhnliche Chance, die Finanzmathematik noch stärker an vorderster Front in der internationalen Forschungslandschaft zu positionieren und ihr durch den direkten Anwendungsbezug in der Kooperation mit der Deutschen Bank einen zusätzlichen Vorsprung zu geben. Sprecherin Heute möchte keiner der beteiligten Wissenschaftler zu dem Projekt Stellung nehmen, weder zur wissenschaftlichen Arbeit, noch zur Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank. Sie fühlen sich von der öffentlichen Kritik an den Pranger gestellt und zu Unrecht diskreditiert, hatten die Universitätsgremien den Vertrag doch abgesegnet! Atmo Humboldt Universität ausblenden Sprecherin Mit dem Berliner Fall stellt sich die Frage, wie andere Wissenschaftler Forschung und Auftragsforschung voneinander trennen. Die Grenzen sind fließend, meint der Finanzmathematiker Ralf Korn, erklärt dann aber den Unterschied sehr anschaulich ? aus eigener Erfahrung. Er ist Professor an der Universität Kaiserlautern und gleichzeitig Leiter der Abteilung Finanzmathematik an dem dortigen Fraunhofer Institut, das anwendungsorientierte Forschung betreibt. O-Ton_05 Ich glaube, was es wirklich kritisch macht, ist eher die Funktion, die der einzelne Forscher einnimmt. Wenn der Forscher bezahlt wird Auftragsforschung durchzuführen, dann ist er in der Regel kein Forscher mehr, sondern er ist ein Dienstleister und von einem Dienstleister wird ein out-put erwartet und der out-put muss einen Nutzen haben für den Auftraggeber. Wenn ich umgekehrt als Wissenschaftler forsche, dann steht da nicht, dass ich Resultate schaffen soll. Ich soll Wissen schaffen, ich soll neues Wissen erzeugen, das Wissen niederschreiben und ob dieses Wissen irgendwo einen Nutzen hat oder nicht, das ist völlig egal in dem Moment. Die Freiheit der Wissenschaft ist wirklich das, dass man selbst entscheiden kann, ob man Wissen geschaffen hat oder nicht. Sprecherin Im universitären Betrieb kommt der Forscher immer mehr in eine Zwitterrolle. Für einen Professor gehört es heute zur Dienstpflicht Drittmittel zu beschaffen. Er muss Anträge an die Deutsche Forschungsgemeinschaft stellen oder bei Firmen nachfragen, ob sie eine Doktorandenstelle fördern können. Pressestellen an Universitäten sind in Abteilungen für Fundraising und Marketing umgewandelt worden. Wer im Ranking einer renommierten Wirtschaftszeitung geführt wird, hat bessere Chancen bei finanzkräftigen Markenunternehmen Geld einzuwerben. Ein potenter Geldgeber und renommierte Wissenschaftler finden zu einem Forschungsthema zusammen - so kam wohl auch das ?Quantitative Financial Products Laboratory? zustande. Und es lag für den Geldgeber offenbar nahe, im Vertrag seine `strategischen Interessen` auszuweiten. Zitator Die Universitäten werden die Deutsche Bank im Hinblick auf ihre Positionierung im Personalmarkt und bei der Optimierung ihrer Aktivitäten zur Gewinnung geeigneter Praktikanten und zukünftiger Mitarbeiter unterstützen. Sprecherin Bei Vertragsabschluss nahmen weder Justitiare noch Professoren der beiden Universitäten Anstoß an dieser Klausel. Dem jetzigen Präsidenten der Humboldt Universität Jan-Hendrik Olbertz geht das zu weit. O-Ton_06 Die Selbstverständlichkeit, mit der in diesem Falle der Geldgeber sich Zugriffsrechte auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit hat einräumen lassen bzw. auch die Möglichkeit im Vertrag hat verankern lassen für die Eigenbelange innerhalb der Universität zu werben bzw. den Nachwuchs unmittelbar zu rekrutieren ? im mittelbaren Sinne ist das ja alles legitim, denn wir bilden ja aus für den Arbeitsmarkt! Aber nicht in dem Sinne, dass direkt bei uns Personalrekrutierung betrieben wird. Sprecherin Die Tatsache, dass der Vertrag genehmigt wurde ist ein Indiz dafür, dass in der Praxis die Interessen von Geldgebern die akademischen Strukturen schon viel mehr durchdrungen haben, als offiziell zugegeben wird und bekannt ist. Der Campus als Werbeplattform für Unternehmen? In der Kooperation mit der Wirtschaft ist die Goethe Universität in Frankfurt bereits einen Schritt weiter gegangen. Seit dem Jahr 2008 ist sie eine Stiftungsuniversität. Mehr Autonomie vom Einfluss politischer Gremien will sie damit erlangen und erhofft sich neue Spielräume für Forschung und Lehre durch finanzielle Zuwendungen von Stiftern und Förderern. Auf dem Gelände der ehemaligen IG Farben Zentrale entsteht der neue Campus Westend. Im Herbst 2008 wurde dort das House of Finance eingeweiht. Das interdisziplinäre Forschungszentrum für Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, die Finanzmathematik ist auch dabei, finanziert sich zu einem Drittel aus Landesmitteln und zu zwei Drittel aus Zuwendungen der DFG, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Unternehmen, in diesem Fall der Finanzwirtschaft. Die Stifterliste ist lang und reicht von Banken bis zu Beratungsunternehmen. Atmo_04 Foyer House of Finance Sprecherin Wolfgang König ist Geschäftsführender Direktor des House of Finance. Gerade wegen der großen Nähe zur Finanzwirtschaft, so erklärt er, regelt ein Stiftungskodex die Trennung der Interessen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. O-Ton_07 Dort ist z.B. festgehalten, dass durch diese Art von Geldern kein Einfluss auf die Freiheit von Lehre und Forschung genommen werden darf. Dass entsprechend Transparenz über Mindestsummen aufwärts hergestellt werden muss. Von 50 000 Euro jährlich über die dann im Senat berichtet wird, deren Verwendung die Universitätsöffentlichkeit dann eben verfolgen kann. Sprecherin Walter König ist Wirtschaftsinformatiker und hat selbst mehrere Jahre in Amerika geforscht und gearbeitet. Er möchte das House of Finance auf einen Spitzenplatz im internationalen Forschungsranking führen. O-Ton_08 Den Unternehmen wird mehr und mehr klar, dass gute Forschungsergebnisse, qualitativ herausragende Forschungsergebnisse auch ihnen als Unternehmen nützen. Und eben nicht nur die kurzfristige Handreichung, die vielleicht für ein, zwei Jahre hält und dann muss man das nächste große Thema vom Zaun brechen. Sprecherin Gefälligkeitsgutachten führen nicht weit, erklärt Wolfgang König. O-Ton_09 Stellen Sie sich bitte vor, dass diese Unternehmen Wissenschaft unterstützen nicht im Sinne von Beeinflussung von Forschungsergebnisse. Ich halte es für wichtig, dass wir international visible Forschung produzieren. Sprecherin Gut sichtbar hat die Deutsche Bank ihr Markenzeichen im Foyer des House of Finance positioniert: Vom Eingang aus gesehen in der zentralen Blickachse steht wie ein Altar ein hoher weißpolierter Sockel. Darin eingraviert der Firmenslogan ?passion to perform? , Leistung aus Leidenschaft. Auf dem Sockel das blaue Quadrat mit Schrägstrich. Die Förderin der Wissenschaft präsentiert sich als die Nummer eins. Atmo_05 Foyer Deutsche Bank Sprecherin Im Foyer der Deutschen-Bank-Zentrale in Frankfurt eilen Angestellte zielstrebig zu den Zugangsschranken, halten ihre Chipkarte an das Lesegerät und verschwinden in einem der beiden Banktürme. Das Gebäude aus den 1980er Jahren wurde von Grund auf saniert und erfüllt neueste Umweltstandards: 67% weniger Heizkosten, 55% weniger Stromverbrauch, 74% Wasserersparnis. Inzwischen gehört auch Ökologie zu einer Unternehmensstrategie, die heißt: Effizienz. Die Förderung der Wissenschaft hat die Deutsche Bank in der Hauptsache an den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft übertragen. Er verwaltet den Stiftungsfond. Wo für die Bank die Schwerpunkte liegen, erklärt Michael Münch aus dem Vorstand der Deutsche Bank Stiftung. O-Ton_10 Das ist im Laufe der letzten 20, 25 Jahren mehr und mehr in den Finanzbereich hineingegangen. Insofern haben wir in der Forschungsförderung den Schritt von einem rein praxisbezogenen Bankgeschäft zu einem immer komplexer werdenden nachvollzogen, was durch mathematische Modelle hinterlegt ist. Und wenn Sie heute unsere Schwerpunkte ansehen, dann ist es heute eindeutig der Komplex von Finanzmarktforschung mit allen mathematischen aber auch juristischen Fragestellungen, die der Komplex beinhaltet.. Sprecherin Insgesamt stiftete die Deutsche Bank im Jahr 2010 4,7 Millionen Euro für die Förderung der Wissenschaft. Das Berliner Forschungsprojekt erhielt 3 Millionen Euro jährlich ein vergleichsweise hohes Budget. Zum ?Quantitative Financial Products Laboratory? möchte sich Michael Münch nicht äußern, weil die Verantwortung und Zuständigkeit bei der Londoner Niederlassung gelegen habe. Atmo Foyer Deutsche Bank Sprecherin Aus dem Stiftungsfond erhält das House of Finance jährlich 1 Million Euro. Außerdem ist der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann zusammen mit weiteren Vertretern von Banken, dem Land Hessen und der Bundesregierung, Mitglied im Kuratorium des House of Finance, erklärt Michael Münch : O-Ton_11 Das Kuratorium hat zu entscheiden wie die Ausrichtung des Houses of Finance sein soll, welche Forschungsschwerpunkte in toto angegangen werden sollen, welche Investitionen zu machen sind. Es hat aber nichts damit zu tun, welche Professoren zu berufen sind. Es geht um die strategischen Entscheidungen, die da getroffen werden. Das hat man zu verstehen wie einen Aufsichtsrat, der die großen Linien festlegt, den Jahresabschluss entgegen nimmt, aber der sich natürlich aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten hat. Atmo Foyer als Zäsur kurz stehen lassen und dann ausblenden Sprecherin Public Private Partnership, Marken Management, Effizienz und Leadership: An der Universität halten Unternehmenskulturen Einzug. Das House of Finance, ein Gebäude mit heller Sandsteinfassade und einem Foyer mit Marmorboden, ist ausgesprochen elegant ausgestattet und wie geschaffen für repräsentative Anlässe. Bei der Eröffnung gab es von Seiten der Studenten massive Kritik an der Beteiligung der Finanzwirtschaft. Diese Vorbehalte haben sich bestätigt, erklärt Timotheus Kartmann vom Asta der Frankfurter Goethe-Universität. O-Ton_12 Das House of Finance ist für mich und für uns ein Symbol, dass es schon zu zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dass nicht entschieden wird über die Bildung und Ausbildung an den öffentlichen Einrichtungen von den Menschen, für die sie da sein sollen. Sondern es steht dafür, dass direkte Einflussnahme und zwar an den Leuten vorbei regiert durch die Wirtschaft praktiziert wird und durch neue Entscheidungsstrukturen, wo die Stiftungsuni Frankfurt Vorreiter ist, dass das ganz einfach umgesetzt wird. Dass die Interessen der Wirtschaft massiv materialisiert sind in der Bildung und Ausbildung, aber trotzdem aus Landesmitteln bezahlt wird. D.h. es wird öffentlich bezahlt, aber die Autonomie der Wirtschaftswissenschaften nicht im Sinne von Aufklärung, sondern im Sinne von Anwendung einer Nutzbarkeit für den Finanzsektor steht im Vordergrund. Atmo_06 Foyer House of Finance Sprecherin Die Finanzwirtschaft hat über das Kuratorium ein Mitspracherecht bei der strategischen Ausrichtung des House of Finance. Ihr Einfluss zeigt sich nicht unmittelbar, aber sie will z.B. das House of Finance im Ranking der Wissenschaftsinstitute im mit Spitzenleistungen ganz oben sehen. Atmo_06 Foyer House of Finance offen als Zäsur Sprecherin Nicholas Bolz hat in Oxford Wirtschaftswissenschaften studiert und bereitet sich am Graduierten Kolleg auf seine Promotion vor. Er ist nach Frankfurt gekommen, weil das House of Finance ausgesprochen gute Bedingungen für die Forschung bietet. O-Ton_13 Es ist auf der einen Seite schon die Gefahr, dass es nach außen nach einer Elitebildung aussieht. Da hat sich Frankfurt einfach an den Zeitgeist angepasst. Das kann man gut finden oder schlecht finden. Ich seh das Problem schon, aber andererseits sind wir auch froh, wenn man nach 12 Stunden Arbeit die Sache hinter sich lässt. Sprecherin Fast jede Woche kommen hochrangige Vertreter aus der Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik zu Vorträgen oder Seminaren in das House of Finance. Es geht um aktuelle Themen wie Griechenland-Hilfe oder Euro-Rettung. Für Nicholas Bolz sind das einmalige Gelegenheiten. Aber es wird für ihn nicht leicht sein, in diesem Umfeld einen eigenen Forschungsansatz durchzuhalten O-Ton_14 Rein von der vorgegebenen Lehre ist es schon so, da kommt schon viel aus Amerika. Die veröffentlichen in den Top-Journals, das sind die Benchmarks, an denen sich unsere Professoren orientieren, daran wird man in den wissenschaftlichen Kreisen gemessen. Und wenn in Amerika diese Richtung vorgegeben wird, da passt sich Deutschland schon an. Und wenn man das komplett ablehnt, da gibt es auch Professoren, die das machen, dann veröffentlicht man nicht in den Top-Journals, dann veröffentlicht man in den deutschen Journals. Die Reputation ist dann nicht so hoch. Man muss sich da gewissermaßen anpassen, damit man eine höhere Reputation bekommt. Sprecherin Die Finanzkrise hat auf drastische Weise gezeigt, dass Forschungszweige in den Wirtschaftswissenschaften und der Finanzmathematik den Bezug zur Gesellschaft verloren haben. Welche Auswirkungen finanzmathematische Entwicklung auf die Finanzmärkte haben, welche Risiken damit verbunden sind, darüber gab es bislang KEINE Forschung. Forschung steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Aber sie hat auch Verantwortung. Werner Abelshauser, renommierter Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Bielefeld und mittlerweile emeritiert, hat in den 1990er Jahren zum Thema `Finanzmarkt` geforscht. Welche Bedeutung mathematische Formeln für die Spekulationen mit vollkommen neuartigen Wertpapiere annahmen, war für ihn nicht zu erkennen O-Ton_15 Diese Vorgänge in den Trading Rooms der Investmentbanken, die angeblich nicht einmal die Vorstände überblicken konnten dieser nämlichen Banken, wenn die nicht nach außen dringen, dann ist es natürlich schon schwer sich bewusst zu werden, welche Bedeutung die haben Von daher war nicht zu sehen, dass da etwas ganz Wichtiges passiert ist, dass die Kultur des Vertrauens, die bis dahin das Bankengeschäft charakterisiert hat zu einer Kultur des Risikos sich gewandelt hat. Das ist die eigentliche Problematik, die wir nicht rechtzeitig verstanden haben. Viel einfacher war es ja die Konsequenzen zu sehen. Sprecherin Interdisziplinäre Forschungsprojekte, in denen Mathematiker und Geisteswissenschaftler zu einer gemeinsamen Sprache finden und sich fachlich austauschen, gab es nicht. O-Ton_16 Die Problematik des Nichtverstehens solcher Vorgänge ist ja vielleicht auch dadurch zu erklären, dass wir in der wissenschaftlichen Arbeit immer spezialisierter sind. Dass es uns nicht honoriert wird, wenn wir als Generalisten vorgehen, was wir allerdings gerade als Wirtschaftshistoriker und Wirtschaftssoziologen sein sollten und müssten. Und von daher ist das ein weiterer systematischer Punkt, der verhindert, dass die Auswirkungen einfach nicht erkannt werden können, weil man dazu die Übersicht über verschiedenen Disziplinen braucht und natürlich auch nicht zuletzt die Übersicht über die Praxis, die sich dem Blick des Wissenschaftlers lange verborgen hat. Sprecherin Interdisziplinäres Forschen können sich die jüngeren Kollegen gar nicht mehr leisten, fügt Werner Abelshauser noch hinzu. O-Ton_17 Wer heute den Weg durch die Universitätskarriere macht, muss sich hoch spezialisieren, um auf einem Forschungsfeld Spitzenklasse zu erreichen, Exzellenz sagt man ja heute dazu, und wer auf zu vielen Hochzeiten tanzt, wie es dann heißt, der passt nicht in eine Schublade und wird seine Karriere nicht damit beflügeln. Sprecherin Nur wer im Ranking der Spitzenforschung nach oben rückt, hat gute Chancen Finanzmittel für weitere Forschungen zu erhalten. Das Grundproblem sieht der Deutsche Hochschulverband in der Unterfinanzierung der Universitäten, denn der Anteil an Drittmitteln nimmt zu und bringt Forschung und Lehre immer stärker in ökonomische Zwänge. Der Vertrag für das Forschungsprojekt ?Quantitative Financial Products Laboratory? in Berlin, vermutet Michael Hartmer vom Hochschulverband, ist kein Einzelfall, sondern die Spitze eines Eisbergs. O-Ton_18 Wir leben in einer Zeit, in der Drittmittel geradezu fetischhaft behandelt werden. Alles orientiert sich nach der Höhe von Drittmitteln, ob das die Zuweisung der Länder an die Universitäten sind oder ob das personelle Verknüpfungen, sprich Gehalt, Ausstattung der einzelnen Hochschullehrer angeht. Drittmittel sind das Maß aller Dinge. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, dass notwendige kritische Diskurse ausbleiben. Wissenschaft ist aber ein System, das sich immer wieder selbst reguliert und wir stehen am Beginn einer Diskussion über Risiken von Wissenschaft und nichts wäre schlimmer, als wenn industriegeleitete Interessen große Teile von Wissenschaft dominieren würden. Denn Wissenschaft ist das Gewissen einer Gesellschaft und Wissenschaft muss deswegen frei sein. Wir haben uns auf unserer letzten Jahresversammlung mit Wissenschaft und Ethik beschäftigt und werden 2012 in Hannover die Jahrestagung dem Thema Unparteilichkeit von Wissenschaft widmen, weil man einfach die Frage stellen muss: Gibt es Tendenzen in der Republik, die darauf hinweisen, dass man Wissenschaft kaufen kann? 16