COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel-Feature vom 12.3.2017 18.05 Uhr Damals topfit - heute träge? Was wurde aus der Trimm Dich Bewegung? Autor: Peter Kolakowski O-Ton: Max Greger Orchester: Auf geht's! Wir stehen mit leicht gegrätschten Beinen, heben die Arme waagerecht hoch und drehen sie von den Händen bis zum Schultergelenk im Schwung der Musik. So, jetzt geht's los. Eins, zwo ...(unter Text legen) Spr.: März 1972: Die größte und längste Gesundheitskampagne im damaligen Westen Deutschlands ist so populär wie nie. Über 95% der Bundesbürger kennen die vor genau zwei Jahren gestartete Trimm-Dich-Aktion des Deutschen Sportbundes mit ihren Trimm-Pfaden in Wald und Flur und dem Maskottchen "Trimmy". Ein lustig dreinblickendes Kerlchen in Unterhemd und kurzer Sporthose. Mit hochgerecktem Daumen regt Trimmy auf Plakatwänden, im Radio und Fernsehen die Bürger zu mehr Aktivität an. Mitglieder von Sportvereinen erinnern sich: O-Ton: In den 70er-Jahren kam die Trimm-Dich-Bewegung auf, weiß ich noch ziemlich genau. Und da war auch so ein Trimm-Dich-Pfad, und da sind so die ersten Bewegungen entstanden. Fanden wir erst noch ziemlich witzig, aber es hat wirklich was gebracht. War schön. Bei meiner Mutter im Altenwohnstift, da gab es auch im Wald so einen Pfad. Ich nehme an, das ist das. Und da musste man, konnte man Klimmzüge machen oder eine Reckstange oder über einen Balken - im Wald. Macht Spaß. Wo man dann so drüberlaufen muss, balancieren musste. Mit Anweisungstafeln, ja, doch. Ist ein Maskottchen von irgendeiner Weltmeisterschaft. Trimm-Dich - eine Volksbewegung. Das Volk soll sich bewegen und fit werden. Ja, aus der "Hör Zu" kenne ich den. Ich weiß nicht, wie der heißt. Der Trimmy ist das. Von früher kenne ich den noch. Da wurde immer mit Sport gemacht, im Fernsehen. Ich kenn die noch von Tripp und Trapp, glaube ich. Das waren so die Halt-dich-fit-Männchen, für Allgemeinsport, für Beweg-dich, Halt-dich-fit. O-Ton: TV-Spot: Ein Schlauer trimmt die Ausdauer O-Ton: Ich erinnere mich noch sehr genau, hier in meiner Heimatstadt Bielefeld, als wir 1977, also vor nicht ganz 40 Jahren, es war so im April, den Trimm-Trab ins Grüne gestartet haben... Spr. Prof. Detlef Kuhlmann, Sportwissenschaftler und -pädagoge an der Leibnitz-Universität Hannover. O-Ton: ....natürlich auch mit lokaler Prominenz, und das war damals interessanterweise eine Aktion, die auch von der Universität Bielefeld über den Hochschulsport organisiert wurde, natürlich nicht mitten auf der Straße, sondern auf einem bewaldeten Gelände nahe der Uni. Also ich war durchaus auch Teil dieser Kampagne damals und kann mich auch noch erinnern, dass ich ganz eifrig mich an der Trimm-Spirale beteiligt habe. Das war eine kleine Postkarte, auf der man Bewegungseinheiten selbst eintragen konnte, die man absolviert hatte. Das wurde dann so berechnet mit halbe Stunde und dies und das. Und wenn man irgendwie hundert Felder voll, angekreuzt hatte, dann konnte man sich irgendwo in einem Sportgeschäft eine Anstecknadel holen Zitator. Die allgemeine Aufforderung, dass man mal wieder etwas Sport treiben sollte, bestätigte bei den meisten Bürgern den bereits seit Jahren gefassten aber kaum verwirklichten Entschluss, etwas zu tun. Die vielen Hinweise und Empfehlungen, wie, wo und wann man sich trimmen könne, gaben den letzten Anstoß zu neuer sportlicher Aktivität. Es wurde leichter, über den eigenen Schatten zu springen ... Spr.: ...meinen die Autoren des "Großen Trimm-Buches", eine dicke Gebrauchsanleitung für verschiedenste Sportarten. Denn: Zu springen, zu laufen oder sich in und mit seinem Körper einfach nur wohlzufühlen, fällt den Bürgern immer schwerer. Viele sind schlicht zu dick, ihr Herz-Kreislaufsystem stark angegriffen, die Muskulatur verkümmert, bewegungs- und ernährungsbedingte Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Arthrose auf dem Vormarsch. Politik und Krankenkassen beobachten die Entwicklung zwar mit Sorge, entwickeln aber keine Konzepte, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Dem Sportwissenschaftler Jürgen Palm kommt schließlich die Idee: Eine breit angelegte Mitmachkampagne für mehr Bewegung im Alltag. O-Ton: Ich weiß ja, dass jetzt viele zuhören, die ein paar Kilos zu viel haben. Wir gehen in unserer Aktion davon aus: das ist mal eine Absage an die blöden Radikaldiäten, dass ein vernünftiges Körpergewicht auf Dauer nur hergestellt werden kann durch Bewegung. Man hat den Faktor Bewegung viel zu sehr unterschätzt. Man hat aber gar nicht dabei bedacht, dass durch Bewegungstraining nicht nur Kalorien verbraucht werden, sondern auch der Stoffwechsel beeinflusst wird, dass der Appetit beeinflusst wird. Auf die Dauer hilft Bewegung auch, Verhaltensweisen zu verändern. Joggen oder Schwimmen oder Radfahren ist eine Wohlbefindenssteigerung ohne Kalorienzufuhr." O-Ton: TV-Spot Laufen ohne zu schnaufen Spr.: Nicht nur für die Gesundheitspolitik war die Kampagne ein völliges Novum - auch der Sport, vor allem der Sportunterricht wie auch der organisierte Sport in den Vereinen, stand vor gewaltigen Veränderungen und sogar existenziellen Herausforderungen. Jürgen Palm O-Ton: "Wir müssen alle umlernen. Auch die Sportlehrer müssen umlernen. Im Freizeitsport ist weniger mehr. Nicht die Reserven, die man hat, beim Trimmen voll ausspielen, sondern deutlich darunter bleiben. 70-75% dessen ,was man kann, mitnehmen. Markige Sprüche haben wir in der Trimm-Aktion ja nie gehabt, haben immer zu moderatem und spielerischem Verhalten hingeführt. Aber viele von uns sind leider durch eine - ich muss das also auch für meinen Berufsstand sagen - durch eine sportliche Schule gegangen, in der man eben zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl zu sein hatte, was alles Blödsinn ist, Quatsch ist. O-Ton. : Max Greger Zitator: Trimm Dich! Tanz mal wieder! Ärzte verschreiben das Tanzen als Gesundheitstherapie für Leib und Seele mit grossem Erfolg. Legen Sie zu Hause eine flotte Platte auf und tanzen Sie einfach drauf los. Oder laden Sie zu einer Tanzpartie ein mit Kollegen, Nachbarn, Freunden oder Urlaubsbekanntschaften. Kennen Sie schon die Schallplatte Tanz mal wieder? Im Augenblick ist Tanz mal wieder und Tanz mal wieder II im Handel vorrätig. Es sind keine Schallplatten in der herkömmlichen Form mit Tanzturniermusik, sondern eine gute Mischung aus modernem Sound und Standardrhythmen. O-Ton: Ja, dabei kommt man ganz schön aus der Puste. Atmen Sie tief ein und aus und kommen Sie gleich mit nach Madrid. Madrid, das heißt stolzer Gang , den Kopf hoch erhoben und auf der Stelle marschieren. Dabei die Arme über den Kopf nehmen und aus der Schulter heraus in die Menschenmenge winken, die Ihnen jetzt gerade zujubelt. Spr.: Während der als "Trimmvater der Nation" titulierte und im August 2006 verstorbene Visionär Palm die Ideen lieferte, war sein Kollege, der Sportwissenschaftler und Breitsportexperte Jürgen Dieckert für die Organisation der bis 1984 dauernden Kampagne zuständig. O-Ton: Also Jürgen Palm ist ein ungeheuer aktiver und kreativer Mensch gewesen. Er hatte an der Sporthochschule Köln studiert und sein Diplom gemacht und wurde dann im deutschen Sportbund für den Breitensport eingesetzt. Und er war eben nicht ein, sagen wir mal, reaktiver Mensch, der nur irgendwie an seinem Bürotisch saß, sondern er war ein sehr kreativer Mensch und hat im Grunde genommen durch seine kreative Tätigkeit diese Trimm-Aktion in die Vielfalt gebracht. Also nicht nur, es ist ganz gut, wenn du mal wieder läufst. Lauf mal wieder spring mal wieder, schwimm mal wieder, das ist ja ein schöner Appell. Aber das Wichtige ist ja, dass dies auch in Rahmenbedingungen möglich ist, die den Menschen nicht entkleiden, den komischen Blicken der Nachbarn ausliefern. Spr.: Bis dahin war Vielfalt im westdeutschen Sport nämlich ein völliges Fremdwort. Sowohl was die Disziplinen als auch die Sporttreibenden anging. Sportwissenschaftler und Sportpädagoge Prof. Detlef Kuhlmann von der Universität Hannover. O-Ton: Der Sport war, sagen wir, bis Ende der 60er-Jahre ein Sport, der auf Wettkampf und Leistung bezogen war, primär zumindest, eine Betätigung für junge Menschen, also Jugendliche, junge Männer. Hinzu kam eben, dass der Sport in der Nachkriegszeit eine Sport war, der a) an die Vereine gebunden war und b) darüber in wettkampfähnlicher Form betrieben wurde. Dabei gab es ja dann die sogenannten Fresswellen und so weiter. Da musste also ein Gegengewicht geschaffen werden. Das Besondere bei diesen Kampagnen war ja, dass sie auch eindrucksvolle Slogans hatten: "Ein Schlauer trimmt die Ausdauer" oder "Spiel mit, da spielt sich was ab". Damit wurde ja auch Werbung gemacht, und das hat dem Ganzen natürlich auch einen besonderen Drive gegeben. Und das haben sich Leute ausgedacht, also wirklich Profis beim Deutschen Sportbund damals. Spr.: Jürgen Dieckert, heute emeritierter Professor für Sportpädagogik, baut 1970 den ersten Trimm Dich-Pfad Deutschlands im niedersächsischen Oldenburg, auf dem die Bürger bis heute turnen, hopsen und balancieren. Mit schlichten, aus Baumstämmen und Ästen gezimmerten Turngeräten, lassen sich Muskelkraft, Ausdauer, Koordination und Gelenkigkeit geradezu spielerisch verbessern. O-Ton:. Ich hab das vor vielen Jahren hier entwickelt. Da war nur Wald. Also wir stehen hier vor drei Stangen, die im Abstand von ungefähr drei Metern auf zwei Ständern stehen, und schräg, warum? Weil ich, der ich 1,82 groß bin, die Möglichkeit habe, über die höhere, schräg geführte Stange zu springen bzw. zu flanken. Und etwas kleiner Gewachsene, also Kinder oder Jugendliche, die Möglichkeit haben, bei dem schrägen Stamm auf der anderen Seite auch ein Erfolgserlebnis zu haben. Und wenn man das einmal probiert hat, dann wäre es blöde, wenn man das nicht ein zweites Mal probieren könnte oder ein drittes Mal. Und deswegen sind mehrere dieser Schrägstangen auf Ständern hierher gebaut, sodass daraus auch ein Bewegungsrhythmus erfolgt. Also nicht nur die Bewältigung der einzelnen Stange, sondern auch, Jampa-pa-pa, rüber, jampa- pa-pa, rüber - sodass ein rhythmischer Verlauf entsteht. Und das ist das Wichtige an Bewegung. Spr.: Eifrig errichten auch andere Städte und Gemeinden Trimm-Pfade in Stadtparks und Wäldern - wie viele es genau sind, weiß niemand. Es sollen bis 1984 über 1.500 sein. Sporttrainer Jörg Borning, langjähriger Mitarbeiter beim Landessportbund Nordrhein-Westfalen, hält sich mit 82 immer noch am liebsten auf einem Trimm Dich Pfad fit: O-Ton: Da sind ungefähr sieben Stationen mit Laufen, Springen, an Reckstangen hochziehen und Weitsprung. Und dann macht man zwei Runden, eine Runde zum Kennenlernen und dann eine, wo ein bißchen mehr Power hinter ist. Sport der zweite Weg. Und die Leute wurden dann per Zeitung - oder per Medien, würde man heute sagen - animiert, auf die und die Plätze, wo Übungsleiter standen oder Diplomsportlehrer standen, die dann die Leute anleiteten zur Gymnastik oder zu spielen und so weiter. Überwiegend Spiele. Und nach den Spielen wurde dann eine Zeit lang Gymnastik gemacht. Spr.: Der sogenannte "Zweite Weg" sollte die gesellschafts- und gesundheitspolitischen Möglichkeiten des Sports im Bewusstsein der Bürger fest verankern und Sport überall erlebbar machen. O-Ton': Max Greger: Mit Musik geht alles besser. Auch die Gymnastik. Jung- schlank schön. Eins, zwei, eins, zwei.... Zitator: Trimm Dich am Wochenende? Jaaaa - und die Möglichkeiten dazu liegen buchstäblich gleich vor der Haustür oder sogar in den eigenen vier Wänden. Turnhilfsgeräte wie Stuhl, Besen, Kissen, Handtuch, Wolldecke, Buch, Zeitung und Taschentuch hat jeder. Machen Sie mit und erfinden Sie selbst. Spr: Sport, so der Deutsche Sportbund seinerzeit, ist mehr als Wettkampfsport für Jüngere. Sport leistet einen gesellschaftspolitischen Modernisierungsbeitrag. Erinnert sich Andreas Klages, stellvertretender Bereichsleiter Sportentwicklung und zuständig für das Ressort Breitensport beim Deutschen Olympischen Sportbund: O-Ton: Also die Trimm Dich Kampagnen haben den Sport in der Gesellschaft in der Breite verankert und haben ihn im öffentliche Raum eingeführt, neue Zielgruppen erschlossen, neue Nachfragen nach dem Sport gefördert und insofern die ganz zentralen und notwendigen Voraussetzungen für den modernen Vereinssport in sehr hohem Masse überhaupt erst miterschaffen. Spot: TV-Spot Laufen ohne zu schnaufen Prominenz aus Funk und Fernsehen, der Wirtschaft, Unterhaltungsbranche und selbst Kirchenbischöfe ziehen mit dem Deutschen Sportbund an einem Strang und lassen sich beim Joggen, werfen, recken und strecken filmen. O-Ton: Trimm trab - das neue Laufen ohne zu schnaufen. Spr.: So einfach wie das Trimmen, war das Credo der Kampagne. Den Sport so machen, wie ihn sich jeder wünscht. Jürgen Dieckert: O-Ton: Wir wollten nicht das, sagen wir mal, bewegte Krankenhaus sein für die Bevölkerung, sondern wir wollten den Menschen sagen, nicht der Arzt ist zuständig für deinen Körper, sondern du selbst bist zuständig für deinen Körper,Und dieses Bewusstsein, trimm dich - trimm dich, nicht jemanden, sondern trimm dich durch Sport, ist ja ein Appell gewesen, mit seinem Körper wie mit einem Freund umzugehen, also wieder in Einheit und in Wohlbefinden mit dem Körper zu leben. Und ich meine, dass viele Menschen das begriffen haben und dass es also in der Bevölkerung auch klar geworden ist.. Und ich meine, dass viele Menschen das begriffen haben und dass es also in der Bevölkerung auch klar geworden ist. Und kluge Lehrer in den Schulen haben das gefördert, dieses Bewusstsein, wir sind nicht nur der Kopf, der in die Schule getragen wird, sondern wir sind im Grunde genommen ein ganzer Mensch, und der Leib ist die Grundlage für dieses Menschsein. Spr.: Nur: viele Sportvereine wollen zunächst von dieser neuen Art von "Leibeserziehung nichts wissen. Das Hüpfen über Balken, "Laufen ohne zu schnaufen", Boccia oder gar Tanzen kann doch nie und nimmer Sport sein! Sortwissenschaftler Detlef Kuhlmann. O-Ton: Dieses Verständnis wurde eklatant erweitert über die Trimm-dich- Kampagne, die übrigens am 16. März 1970 in Berlin gestartet ist. Das kam von außen sicherlich, aber es gab auch eben eine sportimmanente Bewegung. Denken Sie nur daran, dass 1972 die Olympischen Spiele in München stattfanden und zwei Jahre später die Fußballweltmeisterschaft. Das waren natürlich Ereignisse, die auch die Öffentlichkeit angesprochen haben, natürlich in erster Linie zum Zuschauen, zum Mitverfolgen. Und so könnte man diese Trimm-dich- Kampagne natürlich als genial bezeichnen, weil sie gleichzeitig auch dafür gesorgt hat, dass immer mehr Menschen Sport treiben sollten beziehungsweise konnten dann auch, denn der Deutsche Sportbund hat ja seine Mitgliederzahl in der Zeit verdoppeln können. Spr.: Für Breiten- und Freizeitsport gibt es in den traditionellen Turn- und Sportvereinen lange keinen Platz - er wird von den Vorständen und Trainern mitunter bekämpft. Denn: Die Aktion wirbt für "Sport überall und jederzeit" und nicht zwingend für eine Vereinsmitgliedschaft. Die traditionellen Turn- und Sportvereine fühlen sich durch die Kampagne des Deutschen Sportbundes DSB düpiert. Der DSB muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Trimm-Dich-Aktion spiele anderen Anbietern in die Hände. Andreas Klages vom Deutschen Olympischen Sportbund: O-Ton: Ja in der Tat. Die Vereine waren zunächst nicht Hauptzielgruppe. Gleichwohl waren die Vereine in der Entwicklung und der Umsetzung der Kampagne beteiligt. Aber es ging den Kampagnen ja gerade darum, den Sport für alle zu erschließen, für die die noch nicht Vereinsmitglied waren, nicht sportlich aktiv waren, entsprechende Brücken zu bauen und entsprechend kamen dann erst im zweiten Kampagnenzyklus die Vereine dazu und wurden dann auch Hauptthema mehrerer Kampagnenelemente. Spr.: Andere Anbieter kamen eher "in die Gänge". Volkshochschulen, Kommunen, kirchliche und caritative Organisationen und ab Anfang der 1980er Jahre auch die ersten Fitnessstudios boten unter dem Motto "Sport für alle" Breitensport- und Gesundheitskurse ohne Vereinsbindung an. Und das sogar für Frauen, Ältere, Kinder, oder Menschen mit Behinderung. Prof.Jürgen Dieckert: O-Ton: Es war im Grunde genommen auch ein Appell an die Menschen, mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen. Und dieses Ins-Reine-Kommen ist ja nicht nur eine Angelegenheit, die oberhalb der Augen stattfindet, also rein kognitiv versucht wird, zu bewältigen, sondern auch in Liebe mit dem Körper zu leben, in Freundschaft mit dem Körper zu leben, ihn nicht zu vernachlässigen, ihn nicht in die Modenschau bringen, sondern in einen Dialog kommen mit dem Körper. Und so sind auch diese Geräte schlicht, einfach, den Bäumen und dem Wald angepasst, eben als Aufforderung, wieder mit sich selbst ins Reine zu kommen. Es war die Aufgabe, durch die Trimm-Aktion sich selbst wieder zu entdecken und sich selbst zu entwickeln. Das heißt, die Verantwortung wurde nicht irgendwie an Lehrer oder Institutionen gelenkt, die dann noch irgendwie bös angeschrien werden konnten, wenn es also nicht ganz gelang, sondern man selbst war verantwortlich, mit seinem Körper gut zu leben. Spr.: Nur allmählich öffneten sich die Vereine für neue Zielgruppen, erweiterten ihr Angebot auch für Nichtmitglieder. Für den DSB indes stand stets nicht allein die Verbesserung der Gesundheit im Vordergrund, sondern auch die Förderung des Sportgedankens, der Geselligkeit oder das Körpererleben an sich, typisches Vereinsleben also. Damit lag der Dachverband aus heutiger Sicht goldrichtig. Nicht nur der Wettkampf, auch der Allgemeinsport, die Prävention, Rehabilitation, Entspannung und Wellness bestimmen heute das Sportgeschehen. O-Ton: Max Greger: "Ja das war schwer.Deslab legen wir eine kleine Ruhepause ein." Spr.: Das Ziel des Deutschen Sportbundes, große Bevölkerungsgruppen für den Breitensport zu begeistern, erwies sich für die etablierten Sportorganisationen und -vereine als die einzig richtige Überlebensstrategie, auch in Zukunft bestehen zu können. Heute sind die fast 90.000 Sport-Vereine in Deutschland die führenden Anbieter von Präventions- und Rehabilitationsleistungen bei bewegungsbedingten Erkrankungen. Mit hervorragend qualifizierten Übungsleitern und Trainern und einem weltweit einzigartigen Ausbildungssystem. Spr.: Aber: Was hat die Trimm-Dich-Bewegung seinerzeit, zwischen 1970 und 1984, konkret bewirkt? Schließlich waren die Initiatoren der Kampagne mit dem Ziel an den Start gegangen, das Bewusstsein möglichst aller für mehr Gesundheit und Wohlbefinden durch Bewegung zu verändern. In der Tat genoss die Trimm-Dich-Bewegung einen unschlagbaren Bekanntheitsgrad, der allerdings nicht mit aktiver Bewegung gleichzusetzen war. Rund 8,5 Millionen Westdeutsche ließen sich zwar zeitweilig fürs Trimmen im Verein begeistern. Aber die Mitgliederzuwächse in den Vereinen allein waren kein Beweis, dass sich die Bevölkerung wirklich mehr bewegte. Allerdings: Empirische Auswertungen und Analysen zur Qualitätsbestimmung von Kampagnen, so auch der Trimm-Dich- Bewegung, waren bis Ende der 1980-er Jahre nicht entwickelt. Chancen zur laufenden Qualitätssicherung und -fortführung der Kampagne waren vertan, bemängelt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin. Andreas Klages vom Deutschen Olympischen Sportbund: O-Ton: "Wissenschaftliche Evaluation, Fragen von Income und Outcome, Evidenzen und Analysen waren damals nicht so üblich. Man muss auch bedenken, dass die deutsche Sportwissenschaft parallel zu den Kampagnen in den 70er Jahren auch erst etabliert hat. Wir verfügen in Deutschland auch erst in den 80er Jahren über das notwendige Know-how und das wissenschaftliche Instrumentarium. Aber ich denke, der Erfolg der Kampagne hat den Kampagnenmachern recht gegeben und es wurde ja immer wieder vereins-, verbandsintern geprüft, welche Themen funktionieren, welche Motive kommen an, das war sicher keine wissenschaftliche Evaluation im engeren Sinne, aber doch schon sehr ein systematisches Vorgehen." Spr.: Auch Krankenkassen dachten um, verstanden sich zunehmend als "Gesundheitsdienstleister" und nicht als Krankheitsverwalter. Längst bieten sie ganz selbstverständlich Bonusprogramme für Bewegung an. Viele Trimmpfade wurden inzwischen renoviert oder mit Geräten aus Metall auf den neusten Stand gebracht. Aktuell erlebt das betriebliche Gesundheitsmanagement ein Boom, Auslöser war auch hier die Trimm-Dich-Kampagne, die schon damals Gesundheitsförderung im Betrieb anmahnte: Sportwissenschaftler Detlef Kuhlmann. O-Ton: Da erleben wir ja auch immer noch wieder innovative Ansätze. Ich will Ihnen ein anderes Beispiel bringen aus meiner eigenen Hochschule, wo es seit Kurzem ein Projekt gibt, das nennt sich "Pausen-Express", und das Besondere daran ist, dass Expertinnen und Experten für Bewegung an den Arbeitsplatz eines Teams kommen und dann eine 15-minütige Bewegungspause dort sozusagen veranstalten. Und das toleriert nicht nur der Dienstherr, sondern er propagiert es, und man kann das also ein- bis zweimal pro Semester dann kostenfrei buchen und wird auch angerechnet auf die Arbeitszeit. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Wenn man so will, sind die Anfänge da früh gelegt worden. Wobei der Betriebssport im klassischen Sinne sich natürlich auch als ein eher breitensportlicher Wettkampfsport verstanden hat, und insofern auch hier das Verständnis längst erweitert wurde. Spr.: Zweifellos war die Trimm Dich Bewegung der Beginn öffentlicher Gesundheitsförderung, heute einer der tragenden Säulen von Gesundheitspolitik. Der Deutsche Sportbund als Dachverband des organisierten Sports hat seine künftige Arbeit für den Breiten- und Gesundheitssport vielfältiger und lebendiger gestalten können. Die Sportvereine konnten sich mit Angeboten neu aufstellen. Ohne die Trimm-Dich-Kampagne wäre aber nicht nur ein solch breitgefächertes Sportangebot in Deutschland völlig undenkbar. Jürgen Palm und Jürgen Dieckert haben mit der Trennung zwischen strammer sportlicher Ertüchtigung auf der einen und pure Freude an der Bewegung auf der anderen Seite die Sportwissenschaft und die ihr angegliederte Bewegungslehre, die Physiotherapie und Motopädie, die Prävention, Rehabilitation und Gerontologie revolutioniert und einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Jürgen Dieckert: O-Ton: Und da war dann die Trimm-Aktion der Auslöser, Trimm dich durch Sport, geh wieder mit deinem Körper in freundschaftlicher Weise um, liebe ihn und bewege ihn, dann bleibt er dir auch gesund, und du bist froh und glücklich. Spr.: Wenngleich bewegungsbedingte Erkrankungen aktuell weiter steigen - hätte es Trimm-Dich-Bewegung nicht gegeben, wären die Bürger wohl noch viel größere Sport- und Gesundheitsmuffel, sind sich Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperten einig. Leider gerät der sporthistorische Stellenwert der Trimm-Dich-Bewegung menr und mehr in Vergessenheit. Verantwortung trifft hier vor allem die Städte und Gemeinden. Statt die Trimm Dich Pfade mit geringstem Aufwand zu renovieren und als einmalige Zeugnisse der Sportgesichichte zu pflegen, sind viele von ihnen bereits verfallen. O.-Ton Max Greger: "Die letzte Übung schüttelt sie so richtig in Form." Spr.: Die Zukunft wird zeigen, inwieweit alle im Sport und der Gesundheitsbranche Tätigen bereit sind, sich erneut zusammenzufinden, und diesmal wissenschaftlich begleitet, eine weitere bewegende Kampagne für mehr "Volksgesundheit" zu initiieren. Ein gutes Vorbild hätten sie ja: Prof. Jürgen Dieckert: O-Ton: Ich glaube, dass solche Aktionen immer wieder der Bevölkerung vorgestellt werden müssen. Und wir wissen ja nun auch, es kommt immer der Nachwuchs, und der Nachwuchs kann sich natürlich orientieren am Verhalten der Eltern. Dann sind solche Impulse auch sehr wohl fähig, Solidarität zu erzeugen. Das heißt, wenn der Nachbar so etwas macht und der zeigt dann auf seinen inzwischen geschwollenen Oberschenkel voller Muskeln, dann kann es sein, dass der Nachbar links und rechts sagt, ich möchte auch so tolle Oberschenkel haben. Es entsteht natürlich dann auch ein Effekt - die Gesundheit, die man an anderen sieht, oder auch die Wohlgestaltetheit eines Körpers, die man feststellt, nun auf sich selbst zu übertragen. Wenn es nur Institutionen gäbe, in die die Menschen hineingingen, um dann ihre Aufgaben abzuholen oder sich dort reparieren zu lassen, dann wäre das ein armes Land. Nein - Initiativen von unten, Verantwortung tragen für sich selbst, für andere, das ist eigentlich das, was wir vom Bürgertum erwarten sollten, und wie eine Gesellschaft überhaupt leben kann O-Ton. Max Greger: Gut haben Sie das gemacht! Täglich so trainieren heißt: Laufend Jahre gewinnen