Ganz wie Sie wünschen Die Lange Nacht der dienstbaren Geister Autor: Dr. Rüdiger Heimlich Redaktion: Dr. Monika Künzel Regie: Claudia Mützelfeldt SprecherInnen: Nicole Engeln Barbara Stoll Thomas Anzenhofer Jonas Baeck Volker Risch Sendetermin: 1. Dezember 2018 Deutschlandfunk Kultur 1./2. Dezember 2018 Deutschlandfunk ___________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde MUSIK: Soundtrack „Around the World in 80 Days“/ Lost in America O-TON Robert Wennekes Wir waren in Montana zum Fliegenfischen, mein Chef mit Klienten und mit seinem gesamten Board. Und dann hat er plötzlich sich entschlossen, wir möchten gerne heute Abend ein formelles Dinner haben, hier, ich würde sagen, of fucking nowhere. Das war wirklich so. Wie ein formelles Dinner? „Ja, das ist ja toll hier, neben dieses Wasser hier, und dann sind wir fertig mit Fischen und dann möchte ich gerne hier einen ganz großen Tisch mit Silber und Kristall und alles schön toll und kannst du das machen?“ Und natürlich meine Antwort war immer: Ja natürlich, mein Herr, ich sorge gerne dafür. Und ich habe dann schon einiges an diesem Tag organisieren müssen. Ich hatte Kollegen einfliegen lassen mit einem Privatflugzeug, alles andere haben wir irgendwo gemietet, haben wir irgendwo gefunden. Und dann am Abend haben wir so ganz, ganz ein tolles formelle Essen gehabt. Mein Boss damals sagte: Herzlichen Dank, Robert. Mit so einem Gefühl von Understatement: Natürlich hast du das geschafft. MUSIK: Pull yourself Together / Gosford Park (Original Motion Picture Soundtrack) SPRECHERIN NICOLE ENGELN Natürlich hat der Butler das geschafft. Denn ein Butler, sagt Robert Wennekes, ist durch nichts in Verlegenheit zu bringen, auch nicht durch die ausgefallensten Wünsche. O-TON Robert Wennekes Ich hatte auch noch nie eine Herausforderung, muss ich ehrlich sagen, wo ich es nicht geschafft habe. Denn letztendlich braucht es nur ein wenig Kreativität und sehr viel Geld, um etwas zu organisieren. Und ich hatte beide. Klar. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Dann also: „Stets zu Diensten“ – willkommen bei der „Langen Nacht der dienstbaren Geister“, willkommen in der Welt des perfekten Service. Begleiten Sie uns zu Robert Wennekes an die „International Butler Academy“ oder zu Ricardo ins Berliner Nobelhotel Adlon. O-TON Ricardo Ja erst mal herzlich willkommen hier in der Präsidentensuite im Hotel Adlon. Wir sind in einer von drei Präsidentensuiten. Wir sind jetzt hier im 5. Stock. Und diese Präsidentensuite hat 180 Quadratmeter. Und das besondere der Suite ist natürlich der herrliche Ausblick zum Brandenburger Tor. Das ist der Blick, den die Gäste lieben. Wir hatten hier Präsident Gorbatschow, wir hatten hier Präsident Obama, den Dalai Lama. Ja, zu lesen war, dass auch Michael Jackson in einer Präsidentensuite von uns gewohnt hat. Und so gibt es sehr, sehr viele prominente Gäste, die hier übernachtet haben. Auch zum Beispiel die Königin Elisabeth. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Geld, Prominenz, Noblesse und die perfekte Dienstleistung – in den nächsten drei Stunden entführen wir Sie in die Welt „upstairs“ und „downstairs“. Wir stellen Ihnen Butler vor und solche die es werden wollen. Ersin Erbay aus Essen zum Beispiel. Auch er lernt an der International Butler Academy, was er zu erwarten hat. O-TON Ersin Erbay Wenn jetzt jemand zur Geburtstagsfeier einen rosa Elefanten haben möchte, dann bekommt er den. Ja. Dann besorgt man sich einen Elefanten, den man dann rosa anstreicht oder bemalt oder wie man das auch immer machen kann. Und dann bekommt er den zum Geburtstag. MUSIK: Us and Them/ “Downton Abbey”/Original Music from the TV Series SPRECHERIN NICOLE ENGELN Butler sind Allrounder – versierte Alleskönner, im echten Leben wie in der Literatur und im Film. Wer denkt da nicht an Jean Passepartout in Jules Vernes Abenteuerroman „In 80 Tagen um die Welt“ – ein Tausendsassa, zuvor Zirkusakrobat und Feuerwehrmann. Oder an Charles Carson, den stockkonservativen Butler der britischen Fernsehserie „Downton Abbey“ – zuvor Sänger und Tänzer in den Music Halls. Was sind das für Menschen, die für andere alles geben? In den nächsten drei Stunden machen wir Sie mit echtem und literarischem Dienstpersonal bekannt und mit ihren verwöhnten Herrschaften, mit dem Dienstpersonal bei Robert Walser und Franz Werfel, bei Jules Verne, Thomas Mann und Kazuo Ishiguro. Aus dem Dienstmädchen-Alltag berichten Céleste Albaret, Madeleine Lamouille und Birgit Kienzle. O-TON Robert Wennekes Butler sein ist kein Beruf von gestern. Es hat noch nie in der ganzen Geschichte der Menschheit so viele reiche Leute gegeben wie heutzutage. Das sind alles Leute, die haben ganz große Häuser und Jachten und Flugzeuge und was weiß ich. Das alles muss professionell gemanagt werden. Und wer kann das besser tun als ein Butler. Also die Nachfrage an Butler ist riesig groß zurzeit, wird auch immer nur größer, insbesondere auch wegen der neuen Länder, zum Beispiel China oder India oder Brasilien. Das sind alles sogenannte neue Länder. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Der Niederländer Robert Wennekes hat selbst viele Jahre als Butler gearbeitet. Heute bildet er sie aus und vermittelt den Nachwuchs weltweit. Die meisten Absolventen kommen aus dem Hotel- und Gastgewerbe, sie wissen also, was guter Service bedeutet. An der International Butler Academy erhalten sie den Feinschliff – der eigenen Persönlichkeit. O-TON Robert Wennekes Der Beruf braucht eine bestimmte Persönlichkeit, eine bestimmte Attitüde. Das ist für mich sehr viel wichtiger als die technischen Fähigkeiten. Ein guter Butler ist jemand, der hart arbeitet, nicht klagt, eine andere Person wichtiger findet als sich selbst. Und das ist sehr, sehr schwierig. Wir wachsen nämlich auf, alle hier im Westen, denkend, dass wir Prinz und Prinzes-sinnen sind. Und: Wir sind wichtig, andere sind nicht wichtig. Für einen Butler ist das genau anders rum. Um dieses Denken unseren Studenten beizubringen, ist sehr, sehr schwierig. Wir sind sehr individualistisch und sehr egoistisch. Und für unsere Studenten ist es sehr wichtig, erst an eine andere Person zu denken und dann erst an sich selbst. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Die richtige Attitude – der Dichter Robert Walser hat darüber ein ganzes Buch geschrieben: „Jakob van Gunten“. Der Titelheld ist das literarische Alter Ego des schweizer Schriftstellers, der selbst ein Sonderling war und ein unstetes, rätselhaftes Leben führte, als Schreibkraft, als Sekretär, Bibliothekar – und: als Hausgehilfe. Im Spätsommer 1905 absolvierte Robert Walser in Berlin einen Ausbildungskurs als Diener und arbeitete danach einige Monate auf einem Schloss in Oberschlesien, inkognito. Er heizte Öfen, putzte Büfetts und servierte bei Tisch. 1909 veröffentlichte er ein Tagebuch über das Leben an der fiktiven Dienerschule Benjamenta: MUSIK: Akt 1/ „Berlin Die Sinfonie der Großstadt“ Robert Walser: „Jakob van Gunten“ Ich-Erzähler: Jonas Baeck Herr Benjamenta: Thomas Anzenhofer Jonas Baeck Herr Benjamenta ist ein Riese, und wir Zöglinge sind Zwerge gegen diesen Riesen, der stets etwas mürrisch ist. Als Lenker und Gebieter einer Schar von so winzigen, unbedeutenden Geschöpfen, wie wir Knaben sind, ist er eigentlich auf ganz natürliche Weise zur Verdrießlichkeit verpflichtet, denn das ist doch nie und nimmer eine seinen Kräften entsprechende Aufgabe: über uns herrschen. Nein, Herr Benjamenta könnte ganz anderes leisten. Solch ein Herkules kann ja einer so kleinlichen Übung gegenüber, wie die ist, uns zu erziehen, gar nicht anders als einschlafen, das heißt brummend und grübelnd seine Zeitung lesen. Es gab übrigens zwischen ihm und mir im Anfang meines Hierseins, ich glaube, am Morgen des zweiten Tages, eine kleine, aber sehr heftige Szene. Ich trat zu ihm ins Kontor, aber ich kam nicht dazu, meinen Mund zu öffnen. Thomas Anzenberger: „Geh wieder hinaus. Versuche, ob es dir möglich ist, wie ein anständiger Mensch ins Zimmer einzutreten“., sagte er streng. Jonas Baeck: Ich ging hinaus, und dann klopfte ich an, was ich ganz vergessen hatte. Thomas Anzenberger: „Herein“ Jonas Baeck: Ich trat ein und blieb stehen. Thomas Anzenberger: „Wo ist die Verbeugung? Und wie sagt man, wenn man zu mir eintritt?“ – Jonas Baeck Ich verbeugte mich und sagte in kümmerlicher Tonart: „Guten Morgen, Herr Vorsteher.“ – Heute bin ich schon ganz dressiert, dass ich dieses „Guten Tag, Herr Vorsteher“ nur so hinausschmettere. Damals hasste ich diese Art, sich untertänig und höflich zu benehmen, ich wusste es eben nicht besser. Was mir damals lächerlich und stumpfsinnig vorkam, erscheint mir heute schicklich und schön. Thomas Anzenberger: „Lauter reden, Bösewicht“. Jonas Baeck Ich musste den Gruß „Guten Tag, Herr Vorsteher“ fünfmal wiederholen. Erst dann fragte er mich, was ich wollte. Ich war wütend geworden und sagte: „Man lernt hier gar nichts und ich will nicht bleiben. Bitte geben Sie mir mein Geld zurück, und dann will ich mich zum Teufel scheren. Niemand, wer es auch sei, wird mich hindern, diesen Ort der Finsternis und der Umnebelung zu verlassen. Dazu, um mich hier von Ihren mehr als albernen Vorschriften plagen und verdummen zu lassen, komme ich denn doch aus viel zu gutem Hause.“ Nun hatte ich geredet. Heute muss ich mich beinahe krümmen vor lachen, wenn ich mir dieses dumme Betragen wieder ins Gedächtnis zurückrufe. Mir war es damals aber durchaus heilig ernst zumute. Doch der Herr Vorsteher schwieg. Ich war im Begriff, ihm irgendeine grobe Beleidigung ins Gesicht zu sagen. Da sprach er ruhig: Thomas Anzenberger: „Einmal einbezahlte Geldbeträge werden nicht mehr zurückerstattet. Was deine törichte Meinung betrifft, du könntest hier nichts lernen, so irrst du dich, denn du kannst lernen. Lerne vor allen Dingen erst deine Umgebung kennen. Deine Kameraden sind es wert, dass man wenigstens den Versuch macht, sich mit ihnen bekannt zu machen. Sprich mit ihnen. Ich rate dir, sei ruhig. Hübsch ruhig.“ Jonas Baeck Dieses „hübsch ruhig“ sprach er wie in tiefen, mich gar nicht betreffenden Gedanken versunken. Er hielt die Augen niedergeschlagen, wie um mir zu verstehen zu geben, wie gut, wie sanft er es meine. Schon befasste sich Herr Benjamenta wieder mit Zeitunglesen. Es war mir, als ob ein furchtbares unverständliches Gewitter mir von ferne drohe. Ich verbeugte mich tief, fast bis herab zur Erde, vor demjenigen, der mir gar keine Beachtung mehr schenkte, sagte, wie die Vorschriften es geboten, „Adieu, Herr Vorsteher“, klappte die Schuhabsätze zusammen, stand stumm da, machte kehrt, das heißt nein, suchte mit den Händen den Türriegel, schaute immer auf das Gesicht des Herrn Vorstehers und schob mich, ohne mich umzudrehen, wieder zur Türe hinaus. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Robert Wennekes, der Prinzipal der International Butler Akademie, ist ein bulliger Typ. Er kann seinen Eleven brüsk die Meinung sagen, wie es Ersin Erbay erlebt hat. O-TON Ersin Erbay Er ist ein Mensch, der extrem viel Wert auf Disziplin, Konzentration legt. Er kann auch mal sehr, sehr böse werden mit einem, hat aber ein Riesenherz. Seine Tür steht immer offen. Wir können unsere Gedanken, Ängste, Befürchtungen mit ihm teilen. Dann ist er nicht mehr der Boss, sondern quasi dein älterer Bruder oder dein Onkel oder dein Vater wie auch immer, redet dann mit wirklich dir von Kumpel zu Kumpel, das sind Eigenschaften, die sind schon bewundernswert. Toll. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Ersin Erbay ist in Fünf-Sterne-Hotels ausgebildet worden und hat Jahre auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet – keiner, der sich in den Senkel stellen lässt. Von Robert Wennekes lässt er es sich gefallen, denn er weiß: Auch das ist Teil der Ausbildung: Dienstherren können launisch sein und Butler müssen einstecken können. O-TON Ersin Erbay Eine kleine Mücke wird dann zum Elefanten gemacht. Extravagante Leute, die dann schnell auf die Palme gebracht werden. Aber auch da muss man mit der Situation umgehen können. In ein Ohr rein, aus dem anderen wieder raus. Und man muss dann sich dafür auch bedanken und höflich lächeln und drüber stehen können. Dafür werde ich bezahlt, dafür habe ich mich entschlossen und das ist auch gar nicht so schlimm. Wenn man ein Ego-Problem haben sollte, ist der Beruf nicht für einen. Das ist auch eine Herausforderung. Das muss man lernen. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Wegstecken können, sich selbst hintanstellen – um das zu lernen, wird auch Jakob van Gunten einer Art Gehirnwäsche unterzogen, wie nach dem Comment des Militärs. MUSIK: March (from Little Suite) / British Light Music Classic SPRECHER JONAS BAECK Man will uns vielleicht verdummen, jedenfalls will man uns klein machen. Aber man schüchtert uns durchaus nicht etwa ein. Wir Zöglinge wissen alle, der eine so gut wie der andere, dass Schüchternheit strafbar ist. Wer stottert und Furcht zeigt, setzt sich der Verachtung unseres Fräuleins aus, aber klein sollen wir sein und wissen sollen wir es, genau wissen, dass wir nichts Großes sind. Das Gesetz, das befiehlt, der Zwang, der nötigt, und die vielen unerbittlichen Vorschriften, die uns die Richtung und den Geschmack angeben: das ist das Große, und nicht wir, wir Eleven. Nun, das empfindet jeder, sogar ich, dass wir nur kleine, arme, abhängige, zu einem fortwährenden Gehorsam verpflichtete Zwerge sind. So benehmen wir uns auch: demütig, aber äußerst zuversichtlich. Wir sind alle ohne Ausnahme ein wenig energisch, denn die Kleinheit und Not, in der wir uns befinden, veranlassen uns, fest an die paar Errungenschaften, die wir gemacht haben, zu glauben. Unser Glaube an uns ist unsere Bescheidenheit. Wenn wir an nichts glauben würden, wüssten wir nicht, wie wenig wir sind. Immerhin, wir kleinen jungen Menschen sind irgendetwas. Wir dürfen nicht ausschweifen, nicht phantasieren, es ist uns verboten, weit zu blicken, und das stimmt uns zufrieden und macht uns für jede rasche Arbeit brauchbar. Die Welt kennen wir sehr schlecht, aber wir werden sie kennenlernen, denn wir werden dem Leben und seinen Stürmen ausgesetzt sein. Die Schule Benjamenta ist das Vorzimmer zu den Wohnräumen und Prunksälen des ausgedehnten Lebens. Hier lernen wir Respekt empfinden und so tun, wie diejenigen tun müssen, die an irgendetwas emporzublicken haben. Ich zum Beispiel bin ein wenig erhaben über alles das, gut, umso besser tun mir auch alle diese Eindrücke. Gerade ich habe nötig, Hochachtung und zutraulichen Respekt vor den Gegenständen der Welt fühlen zu lernen, denn wohin würde ich gelangen, wenn ich das Alter missachten, Gott leugnen, Gesetze bespotten und meine jugendliche Nase schon in alles Erhabene, Wichtige und Große stecken dürfte? Meiner Ansicht nach krankt gerade hieran die gegenwärtige junge Generation, die Zeter und Mordio schreit und nach Papa und Mama miaut, wenn sie sich Pflichten und Geboten und Beschränkungen ein wenig beugen soll. Nein, nein, hier sind Benjamentas meine lieben leuchtenden Leitsterne. Der Unterricht, den wir genießen, besteht hauptsächlich darin, uns Geduld und Gehorsam einzuprägen. Wir tragen Uniformen. Nun, dieses Uniformtragen erniedrigt und erhebt uns gleichzeitig. Wir sehen wie unfreie Leute aus, und das ist möglicherweise eine Schmach, aber wir sehen auch hübsch darin aus. Mir zum Beispiel ist das Tragen der Uniform sehr angenehm, weil ich nie recht wusste, was ich anziehen sollte. Aber auch in dieser Beziehung bin ich mir bisher noch ein Rätsel. Aber das eine weiß ich bestimmt: Ich werde eine reizende, kugelrunde Null im späteren Leben sein. Ich werde als alter Mann junge, selbstbewusste, schlecht erzogene Grobiane bedienen müssen, oder ich werde betteln. Oder ich werde zugrunde gehen. MUSIK: Pull yourself Together / Gosford Park (Original Motion Picture Soundtrack) O-TON Robert Wennekes Früher war ein Butler im Prinzip zuständig für Essen und Trinken und sonst nichts. Heutzutage ist ein Butler ein richtiger Executive Manager. Der ist ja verantwortlich für den ganzen Haushalt, für Häuser, die Millionen Euros wert sind und natürlich letztendlich die Sicherheit, das Glück von die Familie und die Kinder, für die ein Butler arbeitet. Also die Verantwortlichkeiten heutzutage sind viele Male größer als wie früher. Wir arbeiten ja für Leute, die normalerweise sehr viel Geld haben. Und Geld bringt mit sich diese Freiheit, also bin ich hier, morgen bin ich in New York dann bin ich einen Tag danach wieder in London. Das bedeutet, der gesamte Haushaltsstab muss damit umgehen können. Es kann ja sein, dass der Arbeitgeber sagt, heute Abend sind wir zu Hause zum Essen, aber dann plötzlich gibt es eine andere Entscheidung, dann ist er eben nicht da. Das Personal muss damit umgehen können. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Sich blitzartig auf eine neue Situation einstellen – das muss auch Jean Passepartout in Jules Vernes Abenteuerroman „In 80 Tagen um die Welt“. Nach Jahren eines unsteten Lebens bewirbt sich der Franzose in London auf eine Stellung, von der er sich endlich Ruhe und ein geordnetes Leben verspricht. Doch dann kommt alles ganz anders: MUSIK: The Wager / “Around the World in 80 Days” Filmmusik Jules Verne: „In 80 Tagen um die Welt“ Erzähler: Thomas Anzenhofer Phileas Fogg: Volker Risch Passepartout: Jonas Baeck ERZÄHLER / THOMAS ANZENHOFER: Phileas Fogg hatte London seit vielen Jahren nicht mehr verlassen. Wer es sich zur Ehre anrechnen durfte, ihn etwas näher zu kennen, der konnte bezeugen, dass man Phileas Fogg – wenn nicht auf dem direkten Weg, den er täglich von seinem Haus zum Club zurücklegte – noch niemals irgendwo sonst begegnet war. Zeitungslektüre und Whistpartien bildeten seinen einzigen Zeitvertreib. Phileas Fogg lebte mutterseelenallein in seinem Haus in der Saville Row, das außer ihm niemand betrat. Er benötigte nur einen einzigen Bediensteten. Lunch und Dinner nahm er stets im Club ein, pünktlich wie ein Uhrwerk, immer genau zur selben Zeit, im selben Saal, am selben Platz. Er ging erst zum Schlafen nach Hause, exakt um Mitternacht. Er gehörte zu jenen mathematisch exakten Menschen, die – niemals in Hast, doch stets bereit – mit ihren Schritten und Bewegungen sehr ökonomisch umgehen. Er tat keinen Schritt zu viel, nahm immer den kürzesten Weg. Er zeigte niemals die geringste Eile und kam doch stets rechtzeitig an. Wenn man diesen Lebensstil als exzentrisch bezeichnen will, muss man doch zugeben, dass ein exzentrischer Charakter auch sein Gutes hat! Aufgrund der unveränderlichen Gewohnheiten des Hausherrn waren die Anforderungen an den einzigen Bediensteten im Übrigen gering. Trotzdem verlangte Phileas Fogg von seinem Diener absolute Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit. An jenem Tag, dem 2. Oktober, hatte Phileas Fogg seinem Butler James gekündigt, weil dieser sich des Vergehens schuldig gemacht hatte, das Wasser für die Rasur seines Herrn statt auf die vorgeschriebenen 86 nur auf 84 Grad Fahrenheit zu erwärmen. Und nun wartete Phileas Fogg auf James Forsters Nachfolger, der sich zwischen 11 und 11 Uhr 30 vorstellen sollte. Phileas Fogg saß in seinem Lehnstuhl, die Füße gegeneinander gepresst wie ein Soldat bei der Parade, die Hände auf die Knie gestützt; er hielt sich kerzengerade und verfolgte mit erhobenem Kopf den Minutenzeiger der Standuhr. Pünktlich um 11 Uhr 30 würde Mr. Fogg, seiner täglichen Gewohnheit folgend, das Haus verlassen und sich in den Reform Club begeben. In diesem Moment pochte es an die Tür des kleinen Salons. James Forster, der entlassene Diener, erschien. „Der neue Dienstbote«, meldete er. Ein Mann von etwa 30 Jahren trat vor und grüßte. FOGG/VOLKER RISCH: „Sie sind Franzose und heißen John?“ PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: „Jean, wenn Sie gestatten, Sir«, „Jean Passepartout – ein Spitzname, den man mir für meine natürliche Gabe verliehen hat, mich stets aus der Affäre zu ziehen. Ich halte mich für einen ehrlichen Burschen, Sir, doch muss ich zugeben, dass ich schon mehreren Beschäftigungen nachgegangen bin. Ich war Straßensänger, Kunstreiter im Zirkus, bin übers Seil getanzt; später bin ich dann Turnlehrer geworden und zuletzt war ich Feuerwehrhauptmann in Paris. Ich kann auf beachtliche Brände in meiner Laufbahn verweisen. Doch vor 5 Jahren habe ich Frankreich den Rücken gekehrt und wurde, da ich mich nach einem häuslicheren Leben sehnte, Kammerdiener in England. Nun bin ich zurzeit ohne Stellung und habe gehört, dass Mr. Phileas Fogg als der pünktlichste, sesshafteste Mann im ganzen Vereinigten Königreich gilt. Und so erlaube ich mir, mich Ihnen vorzustellen, Sir, in der Hoffnung, dass ich hier ein ruhiges Leben führen und alles Vergangene vergessen kann, nicht zuletzt den Namen Passepartout ... « FOGG/ VOLKER RISCH: »Passepartout gefällt mir«, »Sie wurden mir empfohlen, und meine Nachforschungen haben die besten Referenzen ergeben. Meine Bedingungen sind Ihnen bekannt?« PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Jawohl, Sir!« FOGG/ VOLKER RISCH: »Gut. Wie spät ist es jetzt auf Ihrer Uhr?« PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »22 Minuten nach 11.« FOGG/ VOLKER RISCH: »Ihre Uhr geht nach.« PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Verzeihen Sie, Sir, aber das ist unmöglich!« FOGG/ VOLKER RISCH: »Doch, sie geht vier Minuten nach. Aber sei's drum. Es genügt, die Abweichung festzustellen. Also, seit diesem Moment, 11 Uhr 29 vormittags, Mittwoch, den 2. Oktober 1872, stehen Sie in meinen Diensten.« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Phileas Fogg erhob sich, griff mit der linken Hand nach seinem Hut, setzte ihn mit automatenhafter Geste auf den Kopf und verschwand ohne ein weiteres Wort. PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Also, ich muss schon sagen«, »die Burschen, die ich bei Madame Tussaud gesehen habe, waren auch nicht viel lebhafter als mein neuer Herr!« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Sogleich nahm er das ganze Gebäude gründlich in Augenschein, vom Keller bis zum Speicher. Dieses reinliche, ordentliche, puritanische Haus war leicht in Ordnung zu halten und sagte ihm zu. Im ersten Stock fand er sein eigenes Zimmer, das ihm gut gefiel. Es war durch elektrische Klingeln und Sprechrohre mit den Räumen im Zwischengeschoss und im Erdgeschoss verbunden. Die elektrische Uhr auf dem Kaminsims zeigte exakt die gleiche Zeit wie die Uhr in Phileas Foggs Schlafzimmer, und beide Uhren schlugen auf die Sekunde genau im selben Moment. Außerdem hing oberhalb der Uhr ein Zettel an der Wand. Dies war sein täglicher Dienstplan. Alles war ganz genau festgelegt: Von 8 Uhr morgens, der Zeit, zu der Phileas Fogg regelmäßig aufstand, bis halb 12, wenn er das Haus verließ. Tee und Toast um 8 Uhr 23, das Wasser zum Rasieren um 9 Uhr 37, Kämmen um 20 Minuten vor 10 usw. Auch von halb 12 Uhr vormittags bis um Mitternacht – wenn sich dieser methodische Gentleman zu Bett begab – war alles bis ins Kleinste vermerkt, bedacht, geregelt. PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Das lass ich mir gefallen! Das ist ganz nach meinem Geschmack! Wir werden bestens miteinander auskommen, Mr. Fogg und ich! Das reinste Räderwerk! Nun ja, ich habe nichts dagegen, einem Räderwerk zu dienen!« MUSIKAKZENT ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Passepartout, der seinen Dienstplan gewissenhaft studiert hatte, war höchst überrascht, dass Mr. Fogg nicht zum exakten Zeitpunkt, sondern zu ungewöhnlicher Stunde erschien. Eigentlich hätte der Bewohner des Hauses Saville Row Nr. 7 erst um Punkt Mitternacht zurückkehren dürfen. FOGG/ VOLKER RISCH: »Passepartout.« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Passepartout antwortete nicht. Damit konnte unmöglich er gemeint sein. Es war ja noch viel zu früh. FOGG/ VOLKER RISCH: »Passepartout.« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Passepartout erschien. FOGG/ VOLKER RISCH: »Ich musste Sie zweimal rufen.« PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Aber es ist noch nicht Mitternacht« FOGG/ VOLKER RISCH: »Ich weiß und ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf. Wir brechen in 10 Minuten auf, nach Dover und Calais.« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Das runde Gesicht des Franzosen verzog sich zu einer Grimasse. Er musste sich wohl verhört haben. PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Der gnädige Herr verreist? «, FOGG/ VOLKER RISCH: »Ja, wir machen eine Reise um die Welt.« ERZÄHLER /THOMAS ANZENHOFER: Zusammengesunken stand Passepartout da – mit hängenden Armen, weit aufgerissenen Augen und hochgezogenen Brauen sah er aus, als hätte ihn vor Verblüffung der Schlag gerührt. PASSEPARTOUT/JONAS BAECK: »Eine Reise um die Welt!« FOGG/ VOLKER RISCH: »In 80 Tagen«, sagte Fogg. »Wir haben also keine Sekunde zu verlieren.« SPRECHERIN NICOLE ENGELN Ricardo ist seit 19 Jahren der Butler des Berliner Grandhotels Adlon. Ricardo bevorzugt eine ruhige Stellung und überlässt das Reisen seinen prominenten Gästen, über die er absolutes Stillschweigen behält. Denn Diskretion ist das A und O eines Butlers. Also verrät Ricardo auch nicht, ob die Queen ihr Teewasser eigens aus England mitführt oder welche Temperatur ihr Frühstücksei haben darf. O-TON Ricardo Nun, da ins Detail zu gehen, das möchte ich nicht so gerne. Aber ich habe mich um die Belange und die Vorbereitung, auch den Service gekümmert. Und dass hier alles reibungslos funktioniert. Wir wissen, dass Pünktlichkeit sehr geschätzt wird und deshalb war die Koordination der Speisenlieferung – es darf nicht zu früh sein, es darf nicht zu spät sein, es muss genau auf den Punkt sein – darum habe ich mich gekümmert. Für einen Butler ist natürlich der Besuch der englischen Königin ein Wunschtraum, und der ist für mich zwei Mal in Erfüllung gegangen. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Ein Wunschtraum auch der 19-jährigen Elliette MacLeod. Sie ist aus dem kanadischen Halifax an die International Butler Academy im niederländischen Simpelveld gekommen, um sich einen Kindheitswunsch zu erfüllen. O-TON Elliette MacLeod I have always been interested in Etiquette and Protocol. My Mum in particular loves the british royal family, she adores them. She has a plate, she has momarabilia. I grew up watching TV with the Queen, and seeing that is really interesting. And they have Butlers. And I always thought I want to be like that. Voice Over: BARBARA STOLL Ich habe mich schon immer für Etikette und Protokoll interessiert. Meine Mutter liebt die Royal Family und ich habe schon als Kind die Queen im Fernsehen verfolgt. Tja, und die haben Butler. Und ich habe mir immer gewünscht, einmal Teil dieser Welt zu sein. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Ein langer Weg bis dahin. Elliott bewundert die Selbstsicherheit von Butler-Profis wie Robert Wennekes. Ihr selbst fehlt es daran noch. O-TON Elliette MacLeod They really want people who are confindent in what they are doing. And sometimes I am not. I am hesitant to try things. I have to try to break out of that circle. I am hesitant in serving Mister and Madame. I am so scared in messing up. I hate to stay away, but sometimes I am still nervous. I think: let somebody else do it. And it’s so wrong of me to think like that. I dont know why. It’s so tough for me to break out of that zone. Voice Over: BARBARA STOLL Sie wollen Leute, die selbstsicher auftreten. Manchmal bin ich das aber nicht. Ich zögere, etwas auszuprobieren. Ich traue mich nicht, die Herrschaften zu bedienen, aus Angst ich könnte etwas verschütten. Ich denke: Lass es besser jemand anderen tun. Und das ist natürlich falsch. Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Es ist hart, das zu überwinden. MUSIK: Queen and Country / England Orchestral SPRECHERIN NICOLE ENGELN Aller Anfang ist schwer. So ist es auch Paul Burrell ergangen, der dann 21 Jahre lang als Butler für die Queen und Lady Diana arbeitete. Über diese Zeit hat er geschrieben – ein Bestseller, wie man sich denken kann. Hier seine Erinnerungen an die ersten Tage „Im Dienste meiner Königin“. SPRECHER VOLKER RISCH Als ich am ersten Tag in meinem besten dunklen Anzug, einen kleinen Koffer in der Hand, den Buckingham Palace betrat, zitterte ich vor Aufregung. Ich hatte mich gefragt, ob die Arbeit annähernd mit der in einem Grand Hotel vergleichbar sein würde. Doch es war ganz und gar anders: Hotels haben schmale Flure, Paläste teppichbelegte Wandelgänge. Die barocke Innenausstattung und die anachronistischen Berufsbezeichnungen erweckten eher den Eindruck eines Museums. Der Oberlakai Martin Bubb überreichte mir fünf verschiedene Uniformen: die volle Livree für Staatsanlässe, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Palastes zu tragen war. Die scharlachrote Uniform, ein Frack mit Zylinder für halbstaatliche Anlässe sowie für das Royal Ascot; die Livree mit den Epauletten; ein zweireihiger Frack mit hoch geschlossenem Kragen, eine Uniform, die nur auf der königlichen Jacht Britannia zum Einsatz kam; die tropische Uniform mit einem weißen, Safari-artigen Jackett für heiße Klimazonen und die Livree für den Alltag: ein schwarzer Frack zu weißem Hemd, schwarzer Fliege und scharlachrotem Kummerbund. Außerdem wurden mir ein Kutscher-Cape aus rotem Pelz sowie Kisten mit Hemden und Kleiderbügel mit zusätzlichen Hosen ausgehändigt. Ausnahmslos alle Uniformen waren schon von Vorbesitzern getragen worden. In Buckingham Palace waren Secondhand-Kleider gang und gäbe. Selbst die Hemden, Hosen und Anzüge des jungen Prinzen Andrew waren geändert und an Prinz Edward weitergereicht worden. Ich stand einige Minuten lang vor dem mannshohen Spiegel an der Innentür meines Kleiderschranks. Was mir da entgegenstarrte, war ein Spiegelbild aus der Vergangenheit, ein Fremder, der eine königliche Livree trug, die besser zu König Georg dem III. als zu Queen Elisabeth II. gepasst hätte. An meiner Linken hing ein Schwert in der Scheide, und meine Hände steckten in weißen Baumwollhandschuhen. Zuerst fand ich, dass ich albern aussah, doch dann empfand ich einen ganz besonderen Stolz, als ich das letzte Kleidungsstück überzog, das die Staatslivree vervollständigte: einen scharlachroten Frack mit breiten Goldrändern. Es war eine Uniform, die seit mindestens zweihundert Jahren von einer Generation zur nächsten weitergereicht worden war. Ausgebessert, gestopft und muffig, doch von einer Ehrwürdigkeit, der die Zeit nichts anhaben konnte. Niemand hatte mich auf meine allererste Aufgabe an Heiligabend vorbereitet, nachdem ich mit dem Shuttle-Zug nach Windsor gebracht worden war. Ich stand im ersten Stock eines Turms an der nordöstlichen Ecke des Schlosses. Die Mokkatassen mit Monogramm klirrten auf einem großen Silbertablett in meinen zitternden Händen. Meine Nerven flatterten, mir drehte sich der Magen um. Ich musste beständig daran denken, dass ich vielleicht etwas falsch machte, und fühlte mich in der Uniform furchtbar gehemmt. Würde ich das Tablett fallen lassen? Würde ich irgendwie unangenehm auffallen? Würde es gar ein Desaster werden? Ich war dabei, zum ersten Mal der gesamten königlichen Familie gegenüberzutreten – ein großer Moment für mich. So wartete ich im Oktogon-Zimmer mit seiner hohen Decke im Pugin-Stil und den eichenholzgetäfelten Wänden. Ein kurzer, mit rotem Teppich ausgelegter Flur führte zu dem Raum, den ich jetzt betreten würde – den riesigen Bankettsaal, in dem die Windsors bei Kerzenlicht dinierten. Zwei Stunden lang hatte ich zugesehen, wie ein nicht abreißender Strom uniformierter Lakaien, Hilfsbutler, Pagen und Weinkellner durch den Flur kam und ging. Sie wirkten wie ein menschliches Förderband mit Silber, Tellern, Gläsern und Schalen mit Speisen, eine ununterbrochene Bewegung von der Vorspeise über das Hauptgericht zur Pastete. Dann war es Zeit für das Dessert – eine Birne, Banane, etwas Ananas oder ein Pfirsich –, das mit vergoldetem Besteck zu Munde zu führen war. In einer königlichen Residenz isst man eine Banane nicht wie ein Affe: Man benutzt Messer und Gabel, als ginge es um eine Melone mit Schale. In der königlichen Familie läuft alles, einschließlich der privaten Mahlzeiten, bis ins kleinste Detail nach einem genauen Drehbuch ab. Viele Menschen warten, wie ich damals, nervös auf den Einsatz für ihre winzige, unbedeutende Rolle. Livrierte Lakaien stehen kerzengerade aufgereiht und halten Platten mit Speisen in der Hand. Erst das Fleisch. Dann Kartoffeln, Gemüse und Salat. Eine Stimme gibt der Prozession die Kommandos: »Fleisch ... los.« Dreißig Sekunden vergehen. »Kartoffeln und Soße ... los.« »Gemüse ... los.« »Salat ... los.« Dann merkte ich, dass nun der Kaffee gereicht werden würde, und der große Moment war für mich gekommen. Durch die halb geöffnete Tür, das Gewicht des Tabletts auf den Armen, erhaschte ich einen Blick von der Pracht des Raums. Gelächter und lautes Geplauder drangen bis zu mir heraus. Mr. Dickman, der Haushofmeister, der für den reibungslosen Ablauf der Operation zuständig war, spürte meine Nervosität. »Keine Sorge, es ist nichts dabei«, sagte er. Man hatte mir mit Absicht die denkbar einfachste Aufgabe übertragen. Sie sollte mir die Gelegenheit geben, der königlichen Familie zum ersten Mal zu Diensten zu sein, und der königlichen Familie die Möglichkeit, das neue Gesicht kennen zu lernen. »Gehen Sie einfach in den Bankettsaal, stellen Sie sich in die Ecke, und der Lakai kommt und füllt Ihr Tablett auf. Sie müssen nur dort stehen bleiben. Der Lakai serviert den Kaffee«, erklärte Mr. Dickman. Keine Zeile Text. Eine reine Statistenrolle. Doch mein Lächeln war offenbar nicht sehr überzeugend. »Sie fressen Sie schon nicht auf!«, sagte mein neuer Chef. Er gab mir einen sanften Schubs in den Rücken. »Und nun los« Während ich auf bleiernen Füßen den Raum betrat, fielen mir die Worte wieder ein, die Mr. Dickman bei früherer Gelegenheit zu mir gesagt hatte. »Starren Sie niemanden an und sehen Sie niemandem ins Auge. Die königliche Familie mag es nicht, wenn man ihr beim Essen zusieht.« Meine Augen bohrten sich in die wackelnden Porzellantassen. Vorsichtig. Ganz vorsichtig. Ich musste nur zehn Schritte in die andere Ecke des Zimmers gehen. Geschafft. Ich riskierte einen scheuen Blick. Vor mir stand der größte Tisch, den ich je gesehen hatte: ein glänzendes Oval aus Mahagoni, etwa sechs Meter lang, mit einer Reihe von Kandelabern auf der Längsachse und kunstvollen Blumenarrangements zwischen ihnen. Karmesinrote Samtvorhänge mit goldenen Quasten waren vor die riesigen gotischen Fenster gezogen. Von der Wand über dem Kamin starrte das Porträt der Queen Victoria auf ihre Nachfahren herab. Und dann taten meine Augen, was ihnen ausdrücklich verboten war: Sie starrten. Ich suchte den Tisch, an dem dreißig Familienmitglieder, alle in Abendrobe, saßen, nach der Queen ab. Zunächst entdeckte ich die Königinmutter. Sie saß in der Mitte, auf dem größten, vergoldeten, thronartigen Sessel, in eine Unterhaltung mit ihrem Lieblingsenkel Prinz Charles vertieft. Die Queen hatte auf der anderen Seite des Prinzen auf einem viel kleineren Stuhl, der nicht größer war als die der anderen, Platz genommen. Sie befand sich gegenüber von Prinz Philip, dem Herzog von Edinburgh, und lauschte aufmerksam einem Gespräch. Viele Menschen würden etwas darum geben, sich ein facettenreicheres Bild von einer Frau machen zu können, deren wirkliche Persönlichkeit nur verschwommen hinter den Pflichten, die sie zu erfüllen hat, durchscheint. Da saß sie nun also entspannt im Kreise ihrer Familie. Es war das erste Mal, dass ich die Monarchin hinter verschlossenen Türen sah. Ich bemerkte ihr natürliches Lächeln, und mir fiel auf, wie klein sie in Wirklichkeit war. Juwelen blitzten im Kerzenlicht. Die Lakaien servierten flink, und ich war froh, dass ich nicht mehr darzustellen hatte als eine Statue mit einem Tablett in der Hand. Ich konnte die jungen Prinzen Andrew und Edward sehen, Prinzessin Anne und Captain Mark Phillips, der seit zwei Jahren ihr Mann war. Prinzessin Margaret dominierte die Unterhaltung mit ihrer hohen, schrillen Stimme. Sie reden alle so laut, dachte ich. Ich sah rasch zur Seite, bevor jemand merkte, dass ich sie anstarrte. Mein Silbertablett war auf einmal leer, und ich ging langsam aus dem Zimmer, von niemandem bemerkt. »Na siehst du. War doch gar nicht so schlimm, oder?«, sagte Mr. Dickman lächelnd auf der anderen Seite der Türen. MUSIK: Royal Procession / England Orchestral SPRECHERIN NICOLE ENGELN Natürlich war die Royal Family „not amused“ über das Buch von Paul Burrell. Für Butler Ricardo und für Robert Wennekes ein Tabu-Bruch. O-TON Ricardo Nun, ich bewerte das als eine Sache, die man nicht machen sollte und nicht machen darf. Und ich werde auch des Öfteren gefragt, wie denn hier manche Gäste in der Suite ... ob es darüber etwas zu berichten gibt oder irgendwelche interessanten Sachen. Aber meine Kollegen haben schon aufgehört mich zu fragen, denn sie wissen, dass ich darüber nicht sprechen würde und ich werde auch kein Buch darüber schreiben. O-TON Robert Wennekes Man muss immer, 24 Stunden am Tag, vorsichtig sein, was man wem sagt. Es gibt immer Leute, die möchten Informationen von dir. Diskretion ist unglaublich wichtig. Kommt auch noch dazu mit Terrorismus heute, Anschläge, auch dann muss man vorsichtig sein. Wir arbeiten für Leute, die sind reich, bekannt, königlich, sehr oft auch. Auch mit dieser ganzen Sicherheitsgeschichte muss man sehr vorsichtig sein. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Auch die Sicherheit der Herrschaften gehört deshalb zum Lehrprogramm der Butler-Akademy. Was ist zu tun, wenn der Limousine des Chefs ein Wagen auffällig lange folgt? Ersin Erbay: O-TON Ersin Erbay Auf jeden Fall immer in Bewegung bleiben und flüchten. Das ist die oberste Priorität. Nie stehen bleiben, sondern möglich immer in Bewegung bleiben mit dem Fahrzeug. Eigentlich sollte es gar nicht so weit kommen. Nur versucht man natürlich das Risiko zu minimieren, indem man unterschiedliche Routen nimmt, unterschiedliche Fahrzeuge nimmt, eventuell unterschiedliche Uhrzeiten nimmt. Einfach minimieren. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Butler sind keine Bodyguards, doch sie sollten mit Gefahrenmomenten umgehen können. Aus Literatur und Film sind einige Spezial-Butler bekannt, und natürlich haben Superhelden Super-Butler. Alfred Pennyworth zum Beispiel – der Butler von Batman. Auch Lara Croft wird glänzend bedient – ihr Butler serviert Tee und 9mm-Munition. Und da ist Butler, der Butler des 12jährigen Artemis Fowl, Sprössling einer uralten Ganoven-Dynastie. Der irische Schriftsteller Eoin Colfer hat Butler mit den erstaunlichsten Raffinessen ausgestattet. MUSIK: Chuyen The / Music from Vietnam & Cambodia Eoin Colfer: "Artemis Fowl" Erzähler: Thomas Anzenhofer Artemis Fowl: Jonas Baeck Butler: Volker Risch ERZÄHLER / THOMAS ANZENHOFER Ho Chi Ming City im Sommer. Unerträglich heiß und drückend. Artemis Fowl hätte selbstverständlich solche Unannehmlichkeit niemals auf sich genommen, wenn nicht etwas ungeheuer Wichtiges auf dem Spiel gestanden hätte. ARTEMIS FOWL / JONAS BAECK „Ich hoffe, das ist nicht wieder ein Reinfall, Butler!“ Vor allem nach der Sache in Kairo.“ BUTLER / VOLKER RISCH „Nein, Sir, dies Mal bin ich sicher! Nguyen ist ein zuverlässiger Mann.“ ERZÄHLER / THOMAS ANZENHOFER Die Vorübergehenden wären erstaunt gewesen, wenn sie gesehen hätten, wie der riesige Eurasier den Jungen mit Sir anredete, schließlich befand man sich im dritten Jahrtausend. Doch dies war keine gewöhnliche Beziehung und die beiden waren keine gewöhnlichen Touristen. Sie saßen in einem Straßencafé in der Don-Kai-Street und sahen zu, wie die Jugendlichen aus dem Viertel den Platz mit den Mopeds umkreisten. Nguyen war unpünktlich. Und das armselige Stück Schatten, den der Sonnenschirm spendete, verbesserte Artemis’ Laune auch nicht gerade. Der Kellner kam an ihren Tisch geeilt. NGUYEN / VOLKER RISCH „Noch etwas Tee, die Herren?“ ARTEMIS FOWL / JONAS BAECK „Ersparen Sie mir das Theater und setzen Sie sich! Sie tragen handgearbeitete Schuhe, ein Seidenhemd und drei goldene Siegelringe. Ihr Englisch hat einen Hauch von Oxford-Akzent und Ihre Fingernägel schimmern wie frisch manikürt. Sie sind kein Kellner. Sie sind unser Kontaktmann Nguyen Xuan. Und sie haben diese lächerliche Verkleidung gewählt, um uns heimlich auf Waffen zu überprüfen.“ NGUYEN / VOLKER RISCH „Das stimmt. Unglaublich.“ ARTEMIS FOWL / JONAS BAECK „Kaum. Und was die Waffen betrifft, so trage ich keine. Butler jedoch, mein, ähm, Butler, hat eine Sig Sauer in seinem Schulterhalfter, zwei Wurfmesser in seinen Stiefeln, eine doppelläufige Derringer in seinem Ärmel, Würgedraht in seiner Armbanduhr und drei Betäubungsgranaten in diversen Taschen. Aber keine Sorge, Herr Xuan, die Waffen sind nicht für Sie bestimmt. Butler könnte sie auch ohne seine Ausrüstung auf 100 verschiedene Arten umbringen. Obwohl eine sicher ausreichen dürfte.“ ERZÄHLER / THOMAS ANZENHOFER Die Familie Butler diente den Fowls schon seit Jahrhunderten. Einige einflussreiche Sprachwissenschaftler sind sogar der Meinung, dass dies der Ursprung der Bezeichnung Butler sei. Im Alter von zehn Jahren werden alle Butler-Kinder zu einem privaten Ausbildungszentrum in Israel geschickt, wo man sie in den speziellen Fähigkeiten unterweist, die nötig sind, um die Nachkömmlinge der Fowls zu beschützen. Zu diesen Fähigkeiten gehören: das Zubereiten von Cordon Bleu, die Schießkunst, eine besondere Mischung verschiedener Kampfkünste, Notfallmedizin und Informationstechnologie. Falls es nach Ablauf ihrer Ausbildung keinen Fowl zu beschützen gibt, werden die Butlers mit Begeisterung von verschiedenen königlichen Hoheiten als Leibwächter eingestellt, meistens in Monako oder Saudi Arabien. Sobald ein Fowl und ein Butler zusammengebracht werden, sind sie auf Lebenszeit miteinander verbunden. Es ist eine anspruchsvolle und einsame Tätigkeit, doch der Lohn ist beachtlich, wenn man lange genug lebt, um ihn zu genießen. Wenn nicht bekommt die Familie eine sechsstellige Entschädigungssumme und eine monatliche Rente. Der jetzige Butler beschützte den jungen Master Artemis seit zwölf Jahren, seit dem Moment seiner Geburt. MUSIK: The Batman Theme (Filmmusik) 2. Stunde MUSIK: A Portrait Returns/Darlington Hall/End Credits / Filmmusik “The Remains of The Day” SPRECHERIN NICOLE ENGELN Was ist ein großer Butler? Für Robert Wennekes ist klar: Einer, für den der Dienstherr an erster und er selbst an allerletzter Stelle steht. Kazuo Ishiguro, 2017 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, beschreibt in seinem Roman „Was vom Tage übrig blieb“ einen Butler, für den sein Dienstherr an aller erster Stelle steht, obwohl der fragwürdige Verbindungen mit den Nazis pflegt. Ishiguru, in Japan geboren, in England aufgewachsen, beschreibt hier eine Haltung, die sich während des japanischen Kaiserreichs zu einem tragischen Kamikaze-Gehorsam verstieg. SPRECHER VOLKER RISCH Was ist ein »großer« Butler? (...) Meines Wissens hat es innerhalb des Berufsstandes nur sehr wenige Versuche gegeben, eine offizielle Antwort zu formulieren. Der einzige Fall, der mir in den Sinn kommt, ist der Versuch der Hayes Society, Kriterien für die Mitgliedschaft auszuarbeiten. Sie ließ wissen, das entscheidende Kriterium sei, „dass der Bewerber von einer mit seiner Profession in Einklang stehenden Würde beseelt ist. Kein Bewerber, so hoch sein Leistungsniveau im Übrigen auch sei, kann den Erfordernissen entsprechen, wenn er diese Bedingung nicht erfüllt.“ Mein Kollege Mr. Graham vertrat stets die Ansicht, »Würde« sei so etwas wie die Schönheit einer Frau, und der Versuch, sie zu analysieren, habe deshalb keinen Sinn. Ich dagegen war der Meinung, dass »Würde« etwas ist, wonach man sinnvollerweise seine ganze Karriere über streben sollte. Die »großen« Butler haben sie, dessen bin ich gewiss, in vielen Jahren der Selbstschulung und des sorgsamen Verwertens von Erfahrungen erlangt. Und es ist meine feste Überzeugung, dass mein Vater auf dem Höhepunkt seiner Karriere in Loughborough House in der Tat die Verkörperung von »Würde« war. Es gibt eine Anekdote, die mein Vater immer wieder gern erzählte. Es handelte sich anscheinend um eine wahre Geschichte, die einen Butler betraf, der mit seinem Dienstherrn nach Indien gereist war und dort viele Jahre lang unter dem einheimischen Personal den gleichen hohen Standard aufrechterhielt, den er von England her gewohnt war. Eines Tages nun war dieser Butler in das Speisezimmer getreten, um sich zu vergewissern, dass für das Dinner alles vorbereitet war, als er unter dem Tisch einen Tiger liegen sah. Der Butler hatte den Raum leise wieder verlassen, darauf achtend, dass die Türen geschlossen waren, und war ganz ruhig in den Salon gegangen, wo sein Dienstherr mit einigen Gästen beim Tee saß. Dort machte er seinen Dienstherrn durch ein höfliches Hüsteln auf sich aufmerksam und flüsterte ihm dann ins Ohr: »Es tut mir sehr leid, Sir, aber im Speisezimmer scheint ein Tiger zu sein. Vielleicht gestatten Sie, dass die Büchse Kaliber zwölf benutzt wird?« Und der Legende zufolge hörten der Dienstherr und seine Gäste ein paar Minuten später drei Schüsse. Als der Butler nach einiger Zeit wieder im Salon erschien, um frischen Tee zu bringen, erkundigte sich der Dienstherr, ob alles in Ordnung sei. »O ja, vielen Dank, Sir«, hatte die Antwort gelautet. »Das Dinner wird zur üblichen Zeit serviert, und ich kann die erfreuliche Mitteilung machen, dass bis dahin keine erkennbaren Spuren des jüngsten Vorfalls mehr vorhanden sein werden.« Diesen letzten Satz – »dass bis dahin keine erkennbaren Spuren des jüngsten Vorfalls mehr vorhanden sein werden« – pflegte mein Vater lachend und mit einem bewundernden Kopfschütteln zu wiederholen. Es ist letztlich von geringer Bedeutung, ob die Geschichte wahr ist oder nicht; von Wichtigkeit ist natürlich, was sie über die Ideale meines Vaters offenbart. Denn wenn ich auf seine Laufbahn zurückblicke, kann ich im Nachhinein sehen, dass er sein Leben lang bestrebt gewesen sein muss, auf irgendeine Weise dieser Butler zu werden. Und nach meiner Ansicht hat mein Vater auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn dieses ehrgeizige Ziel erreicht. Es fallen mir einige Situationen ein, in denen er zur Genüge ebenjene Eigenschaft erkennen ließ, die er an dem Butler in seiner Geschichte so sehr bewunderte. Ich sollte an dieser Stelle erklären, dass ich einer von zwei Brüdern bin und dass mein älterer Bruder Leonard im südafrikanischen Krieg fiel, als ich noch ein kleiner Junge war. Dieser schwere Verlust musste meinem Vater natürlich sehr nahegehen, doch um alles noch schmerzlicher zu machen, wurde der übliche Trost, der einem Vater in solchen Situationen beschieden ist – nämlich die Vorstellung, dass der Sohn sein Leben glorreich für König und Vaterland hingab –, durch den Umstand befleckt, dass mein Bruder bei einem besonders schändlichen Unterfangen ums Leben gekommen war. Es hieß nicht nur, dass dieses Unternehmen ein höchst unbritischer Überfall auf eine zivile burische Siedlung gewesen sei, es tauchten auch unwiderlegbare Beweise dafür auf, dass man bei dem Befehl zu dem Einsatz in unverantwortlicher Weise mehrere militärische Vorsichtsmaßregeln außer Acht gelassen hatte, sodass die Gefallenen – unter ihnen mein Bruder – einen völlig überflüssigen Tod gestorben waren. Es hatte Stimmen gegeben, welche die Abberufung des betreffenden Generals, ja, die Einleitung eines kriegsrechtlichen Verfahrens gegen ihn verlangten, aber die Armee hatte sich vor ihn gestellt, ihn auf diskrete Weise in den Ruhestand versetzt, worauf er sich als Geschäftsmann mit Importen aus Südafrika befasst hatte. Ich führe dies an, weil etwa zehn Jahre nach dem Krieg, das heißt zu einem Zeitpunkt, da die von dem schmerzlichen Verlust gerissenen Wunden nur oberflächlich verheilt waren, mein Vater in Mr. Silvers' Arbeitszimmer gerufen wurde und dort hörte, dass eben diese Person – ich werde sie einfach »der General« nennen – demnächst mit anderen zusammen Gast des Hauses sein würde bei einer mehrtägigen Zusammenkunft, während derer der Dienstherr meines Vaters die Voraussetzungen für eine lukrative geschäftliche Transaktion zu schaffen gedachte. Mr. Silvers hatte sich jedoch an die Bedeutung erinnert, die der Besuch für meinen Vater haben würde, und ihn zu sich gerufen, um ihm das Angebot zu machen, während der fraglichen Zeit Urlaub zu nehmen. Die Gefühle meines Vaters für den General waren natürlich solche tiefster Abscheu, aber ihm war bewusst, dass ein Erfolg der geschäftlichen Bestrebungen seines Dienstherrn von dem reibungslosen Verlauf des Treffens abhing – welches, da immerhin achtzehn Personen dazu erwartet wurden, nicht gerade ein unbedeutendes Ereignis sein würde. Mein Vater gab infolgedessen zur Antwort, er nehme die Rücksicht auf seine Gefühle dankbar zur Kenntnis, könne Mr. Silvers im Übrigen aber versichern, dass alle Aufgaben in der üblichen Weise wahrgenommen werden würden. Der General war ein wohlbeleibter, hässlicher Mann, seine Manieren waren nicht die feinsten, und seine Redeweise zeichnete sich durch die Neigung aus, bei allen nur erdenklichen Themen militärische Vergleiche zu gebrauchen. Es kam indes noch schlimmer, als offenkundig wurde, dass dieser Herr keinen Kammerdiener mitgebracht hatte, da der seine erkrankt war. Dies führte zu einem delikaten Problem, da ein anderer Gast des Hauses ebenfalls ohne seinen Kammerdiener angereist war, sodass sich die Frage ergab, welchem Gast der Butler und welchem der Hausdiener als Kammerdiener zugeteilt werden sollte. Mein Vater erbot sich in Kenntnis der Situation seines Dienstherrn sofort, den General zu bedienen, und musste daher vier Tage lang die Nähe des Mannes erdulden, den er verabscheute. Unterdessen nutzte der General, der von den Gefühlen meines Vaters nichts ahnte, die Gelegenheit, immer wieder von seinen soldatischen Leistungen zu erzählen – wie dies natürlich viele Militärs im Beisein ihrer Kammerdiener tun. Mein Vater verbarg jedoch seine wahren Gefühle so gut und entledigte sich seiner Pflichten mit einer solchen Umsicht, dass der General bei der Abreise Mr. Silvers zu seinem Butler beglückwünschte und als Anerkennung ein ungewöhnlich hohes Trinkgeld zurückließ – das mein Vater, ohne einen Augenblick zu zögern, einem wohltätigen Zweck zuzuführen bat. Ich hoffe, man ist mit mir der Ansicht, dass mein Vater in dieser Episode aus seiner Laufbahn das, was die Hayes Society »mit seiner Position in Einklang stehende Würde« nennt, nicht nur bekundet, sondern regelrecht verkörpert. Und somit möchte ich folgendes postulieren: »Würde« hat entscheidend zu tun mit der Fähigkeit eines Butlers, niemals die berufliche Identität preiszugeben, die ihn erfüllt. Die großen Butler sind groß aufgrund der Fähigkeit, ihre berufliche Identität bis zum äußersten auszufüllen und in ihr zu leben; sie lassen sich nicht aus ihr herausschütteln durch äußere Ereignisse, mögen sie noch so überraschend, beunruhigend oder irritierend sein. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Wie weit darf heute die Loyalität gehen? Auch dies ist eine Frage, die an der Butler Academy von Robert Wennekes und Ersin Erbay diskutiert wird: O-TON Robert Wennekes Heute Morgen hatten wir zufällig eine Diskussion, was passiert, wenn ein Chef zu dir sagt, organisiere für mich bitte ein Paar Prostituierte. Was machst du dann? Und ein Student sagte: Das ist kein Problem. Das ist mein Chef, der will das. – Und das Alter? Tut das zur Sache? – Nee, nee, nee. – Okay, sag ich, dein Chef möchte gerne zwei Mädels haben von 18. Ist das ein Problem für dich? – Nee, nee, nee, natürlich nicht. – Und da dachte ich mir, du musst ja irgendwo eine Linie ziehen, womit du einverstanden bist und womit nicht. Da sagte ich zu ihm, und wenn die 16 sind? Nee, nee, das ist mein Chef. Ich arbeite für ihn, ich mache das. Also ich habe damit große Probleme. Ich habe ihm das auch erklärt. Denn wo liegt denn diese Grenze, wenn die 14 sind, 12, oder zehn oder acht? Er sagte dann gleich, natürlich mache ich das nicht. Dann habe ich ihm erklärt, vielleicht soll deine eigene Integrität da sein, wo du selbst das nicht machen würdest. Und diesen gleichen Maßstab kannst du dann auch haben für deinen Chef. Denn bitte verliere nicht deine eigene Integrität. Nie. Und das ist mir schon wichtig. O-TON Ersin Erbay Also wenn es moralisch für mich wirklich grenzwertig ist, würde ich es verweigern. Und wenn mein Arbeitgeber mir erklärt, entweder das oder du verlierst deinen Job, dann gehe ich. Ganz einfach. Man muss im Endeffekt mit dem, was man tut, leben können. Wenn’s meiner Moral nicht entspricht, dann mache ich es nicht. Das heißt nicht, dass man alles machen muss, was der Arbeitgeber sagt. Wenn jetzt einer verbal attackiert, unter die Gürtellinie geht, oder körperlich gewalttätig wird, würde ich natürlich mein Arbeitsverhältnis sofort kündigen. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Was ein Diener zu tun und zu lassen hatte, das formulierte in Deutschland bis 1918 die Gesindeordnung. Darin ist viel von Pflichten die Rede, kaum aber von den Rechten der Subalternen: SPRECHERIN BARBARA STOLL Gemeines Gesinde muss sich allen häuslichen Verrichtungen nach dem Willen der Herrschaft unterziehen. Auch außer seiner Dienste ist das Gesinde schuldig, der Herrschaft Bestes zu befördern, Schaden und Nachteil aber, so viel ihm ist, abzuwenden. Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft darf es sich auch in eigenen Angelegenheiten vom Hause nicht entfernen. Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise, muss das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen. Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebührliches Betragen zum Zorn, und wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Tätlichkeiten behandelt, so kann es dafür keine gerichtliche Genugtuung fordern. Weigert sich das Gesinde, den Dienst anzutreten, so muss es dazu von der Obrigkeit durch Zwangsmittel angehalten werden. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Personal für viele bürgerliche Haushalte die Regel. Meistens fehlte jedes Verständnis für die Bedürfnisse des Personals oder für die Anstrengungen, die man ihnen auferlegte. Immerhin gedachte manch „edleres Herz“ in Dankbarkeit seines Personals, so wie Franz Werfel in seiner Hommage auf „Die Diener“. SPRECHER THOMAS ANZENHOFER Es sei hier nicht gesprochen von Mitleid und Bewunderung; denn, obgleich ihre emsige Tätigkeit um uns Strapazen und Aufreibung fordert, wer könnte ihr Los Heroenlos nennen und ihr idyllisches Abarbeiten dem Werk eines Grubenarbeiters, der Gefahr eines Maschinenhüters, der Mühe eines Soldaten vergleichen? Und gewiss! Es ist leichte Arbeit, Nachtgeschirre zu waschen, es bedarf keiner Kraft, den Federwisch zu führen, und wenn auch der Tag früh beginnt, so gibt es doch nicht jeden Abend Gäste. Warum nun erfüllt uns edlere Herzen dieser Stand gerade mit so rührender Heiligkeit, uns, die wir selbst nicht übermäßig gut gestellt und zu mancher eigenen Berufsqual geboren sind? Fern von jedem sozialen Pathos fällt es uns nicht ein, auf Reformen zu pochen, und trotzdem das Maß unserer Menschlichkeit vielleicht weiter ist, tragen wir absolut nicht dazu bei, ihr Schicksal zu ändern. Nein, wir rufen morgens stürmisch wie nur einer, nach unserem Kaffee, wir werden grob, ist unser Bettzeug nicht in Ordnung, und häufen sich Nachlässigkeiten, so kündigen wir. Und bei alledem schiene uns in durchsichtigen Stunden für jene ein Lämpchen, ein Hausaltärchen geraten. Denn, wenn sie uns auch (wie gesagt) weder als Helden, noch als Leidende erscheinen, haben wir dennoch den Drang, sie als Heilige anzusehen. Das liegt darin, weil ihr Leben durchaus Auflösung bedeutet, ein sich Demütigen in fremde Formen, ein Namenloswerden. Wer hat es einmal unternommen, sich den untertänigen Kellner seines Kaffeehauses anders als eilig bedienend vorzustellen? Welch merkwürdiger Gedanke wäre das, anzunehmen, er hätte Frau und Kinder, er ginge sonntags spazieren, er äße anders, als auf dem Sprunge in einem Winkel, man träfe ihn mit dem Hute in der Hand auf der Straße oder er spräche uns gar im Theater an. Und das graziöse Mädchen, das mein Zimmer aufräumt! Nie spricht die Schöne ein Wort, das nicht zur Sache gehörte. Vor lauter Selbstentfremdung ist sie schon ganz schwebend und königinnenhaft geworden. Ich vermag es nicht zu fassen, dass sie eine Heimat besitzt, eine Familie, Verwicklungen und Bekanntschaften. Es kann mich aufregen, sehe ich, dass der Briefträger für sie Briefe, Postkarten oder gar Pakete bringt. Ihre Kindheit hat sich ja nirgends abgespielt und ihre Sonntagsausgänge können ja keinem Liebsten gelten oder einem verschwiegenen Grabbesuche; viel eher einem Hinweggenommenwerden von der Erde. Dann kehrt sie wieder in ihren Montagsmythos zurück. Nicht anders auch die Köchin. Und erinnert Euch alle Eurer vergessenen Kinderfrauen! Wenn alle andere Betätigung Beruf ist, das Dienen ist religiöse Handlung, ist Priestertum. Der Berufsmensch erfüllt seine Aufgabe innerhalb bestimmter Zeitgrenzen zum Broterwerb, aus Ehrgeiz oder um seiner Neigung zu leben. Der Dienende ist immer zu errufen. Er ist in Deinem Hause und Dir zu jeder Stunde ergeben. Wenn auch sein äußerer Zweck teleologisch ist, einen Unterhalt zu finden, so ist sein Tun dennoch rein, unbewusst Idee. Er löscht sich aus, um ganz Dein Werkzeug zu sein. Du beherrschst ihn wie eine Zauberformel. Jetzt ahnen wir es auch ein wenig, warum uns alle die Dienstboten so mythisch erscheinen. Sie kommen von nirgendher auf die Erde, und man schämt sich, sie essen, lachen und schlafen zu sehen. Man schimpft, macht es ihnen nicht leicht und hält doch ein Lämpchen und Hausaltärchen für geraten. Sie verdienen auf die christlichste Weise ihr Himmelreich und wenn sie es nicht finden sollten, so klingt ihr Dasein in manchem edleren Herzen dennoch dankbar fort. Das streben wir Sterbliche alle an; nicht jeder so schön. MUSIK: Good Luck / “Gosford Park” / Original Motion Picture Soundtrack SPRECHERIN NICOLE ENGELN Der fromme Dienst der Dienenden – die Realität sah all zu oft anders aus. Auch unter der Dienerschaft. Nach oben wurde gebuckelt, nach unten getreten. Julie Blum, geboren 1894, aufgewachsen als Waisenkind in einem protestantischen Kinderheim, arbeitete 60 Jahre lang als Dienstmagd auf Bauernhöfen. Erzogen im Geiste protestantischer Arbeitsdisziplin wäre es ihr nie eingefallen, sich gegen Unchristlichkeiten zur Wehr zu setzen. SPRECHERIN BARBARA STOLL Die Haushälterin beim Bauern Bertsch war eine Kratzbürste, die hat mich nicht verputzen können. Deshalb wollte ich doch nicht so gerne dahin. Aber wir haben als Kinder den Vers gelernt: „Was Du nicht willst, das tue. Und was du willst, das lasse. Das ist zur Seligkeit die allererste Straße.“ Das habe ich mir gemerkt. Und gerade deshalb bin ich hingegangen, um für die Ewigkeit etwas aufzuopfern. Der Bauer Bertsch war ja nicht verheiratet, deshalb hat er eine Haushälterin gebraucht. Ihm hat sie immer schön getan, aber sonst war es eine bissige Person. Mir hat sie gar nichts gegönnt und mich, wo sie konnte, gedrückt. Aber ich bin hingegangen, weil ich weiß, das man im Leben den Weg gehen muss, der nicht leicht ist, und nicht den gehen darf, den man will. – Wegen der Anna durfte ich nicht mit am Tisch sitzen. Ich habe nur in der Küche etwas bekommen und musste Sackschürzen anziehen, Schürzen aus alten Kartoffelsäcken genäht. Sie sagte: „Damit man sieht, wer hier die Magd ist.“ Immer wenn sie gemerkt hat, dass ich etwas gelernt habe und gekonnt habe, hat sie mir eine auf den Deckel gegeben. Sie wollte immer die erste sein. Am Anfang habe ich sie oft gefragt, wie macht man dies, oder wie macht man jenes. Aber sie hat gesagt: „Dir zeige ich nichts, du bist zu dumm, um etwas zu lernen.“ Dabei war sie selbst ein armer Teufel, und der Bauer hat sie nur aufgenommen, weil sie keine andere Stelle bekommen hat. So habe ich auch nie in der Stube sitzen dürfen. Das konnte sie einfach nicht sehen. Da hat sie mich gleich hinausgesetzt. Ich war acht Jahre im Haus, bis ich mir selbst eine Schale Kaffee einschenken oder ein Stückerl Brot nehmen durfte. Immer hat sie mir herausgeschöpft. Damit ich mir auch nicht zu viel nehme. In der Kammer über der Küche habe ich geschlafen. Da war kein Ofen drin. Ein kleines Erdöllämpchen haben sie mir gegeben, eine Flasche mit einem Röhrchen und einem Docht. Eine ganz kleine Flamme, und das Öl musste immer für eine Woche reichen. Ich bin ein richtiger Schuhputzlumpen gewesen. Gedacht habe ich mir dabei nichts. Ich habe gemeint, das sei normal, dazu bin ich eben auf der Welt. Mich wehren? Ja, das hätte ich tun sollen. Aber wenn man es nicht gelernt hat, sich zu wehren, sondern nur zu gehorchen, kann man es auch gar nicht mehr. Mich haben sie einfach zum Dubel gestempelt. Ja, zum Schluss glaubt man es noch selbst, wenn es einem oft genug gesagt wird, dass man blöd ist. Man traut sich einfach nichts mehr zu. Und wenn es einen fast verreißt, dass man ungerecht behandelt wird. Den Mut abzuhauen, darauf wäre ich nicht gekommen. Der Hausleiter Engler hat uns schon im Heim gesagt: Wenn es einem Kind einmal nicht passt und es davonlaufen möchte, dann soll es gerade bleiben und durchhalten. Das ist das irdische Jammertal, und da muss der Mensch durch. Ich bin halt geprägt vom christlichen Glauben. MUSIK: Bored to Sobs / “Gosford Park” / Original Motion Picture Soundtrack SPRECHERIN NICOLE ENGELN Madeleine Lamouille, Jahrgang 1907, ist eine der wenigen Frauen, die über ihre Dienstzeit während der 20er Jahre geschrieben haben. Der Titel ihrer Erinnerungen – „Wir werden Sie Marie nennen“ – beschreibt eine herrschaftliche Gewohnheit: die Zimmermädchen wurden der Einfachheit halber immer mit dem Namen der Vorgängerin gerufen. Doch in den 20er und 30er Jahren haben junge Frauen längst berufliche Alternativen, in Büros und Betrieben. Die Maries werden selbstbewusster. MUSIK: Erik Satie, „Gnossiennes: No. 5” SPRECHERIN BARBARA STOLL In Valeyres war die Arbeit fürchterlich. Um sechs Uhr musste man aufstehen und alles auf den Knien machen. Es gab noch keinen Staubsauger zu jener Zeit, der Gärtner klopfte die Teppiche. Man klopfte sie einmal die Woche. Die übrige Zeit wurden sie gebürstet – auf den Knien. Man rutschte von einem Zimmer zum andern auf den Knien, so dass einmal, viele Jahre später, ein Doktor zu mir sagte: «Fräulein, warum haben sie solche Hornhaut am Knie?» «Das kommt davon, Herr Doktor, dass ich fünf Jahre auf den Knien rumgerutscht bin, um den Haushalt zu machen.» Er wollte es nicht glauben: «Das darf doch nicht wahr sein?» «Natürlich war es so. Das Parkett machte man auf den Knien.» Man kehrte, wischte den Staub von allen Leisten; Madame machte einen Rundgang durchs ganze Haus, um zu sehen, ob die Mädchen ihren Haushalt anständig besorgten. Sie war nett; sie war voller Fürsorge; immer war sie höflich zu uns. Sie sprach immer sehr liebenswürdig mit uns, wenn sie uns zuschaute, wie wir uns abrackerten. Es wurde viel gearbeitet. Oft gab es große Einladungen. Wir waren am Abend sehr müde. Kein Ausruhen: ein Nachmittag frei pro Woche, wenn man das einen Nachmittag nennen darf – es waren knapp vier Stunden. Wir versahen der Reihe nach alle Dienste. Ich war Zimmermädchen der Buben; ich war Zimmermädchen der jungen Damen; ich war Zimmermädchen von Monsieur und Madame; und dann habe ich bei Tisch serviert. Als ich Zimmermädchen der jungen Damen war, hatte ich zu warten, bis die Damen geruhten, ins Bett zu gehen. Sie blieben bis zehn Uhr auf, bis halb elf, bis um elf. Dann musste ihnen das Haar gebürstet und Zahnpasta auf die Zahnbürste getan werden. Man brachte warmes Wasser in kleinen Krügen und leerte es in die Waschschüssel. Die jungen Damen waren ungefähr in meinem Alter. Die eine war zwanzig, die andere neunzehn. Ich bürstete ihnen das Haar. Ich goss Wasser ins Zahnglas, Wasser in die Waschschüssel, in der genau richtigen Temperatur. Dann wuschen sie sich die Hände; sie machten abends keine große Toilette. Und man musste ihr Kleid nehmen und es in die Wäschekammer tragen, damit es täglich gebügelt werden konnte. Wenn das Kleid nicht mehr ganz frisch war, zogen sie ein anderes an. In der Regel trugen sie ihre Kleider zwei Tage, aber sie zogen sie nicht wieder an, wenn sie nicht frisch gebügelt waren. Man bügelte sie frühmorgens. Tagsüber arbeiteten wir jede für sich: eine arbeitete mit der Glätterin, eine andere polierte das Silber usw. Abends kamen wir alle in der Wäschekammer zusammen; man erzählte sich, was man gemacht hatte. Einmal sagte ich zu meinen Kolleginnen, man könnte Madame wirklich um Erlaubnis bitten, dass wir abends nicht mehr aufbleiben müssten, bis sie und die jungen Damen zu Bett gingen. Wir würden alles vorbereiten, das Wasser im Waschbecken, die Zahnpasta, die Handtücher. Und man könnte schlafen gehen: man war abends müde, ich hatte Schlaf, ich meine, ich hatte Schlaf nötig. Die Köchin und das Küchenmädchen sagten nichts dazu, aber das ging sie ja auch nicht direkt etwas an. Die andern beiden Zimmermädchen sagten zu mir: «Wir trauen uns nicht, um so etwas zu bitten. Nein, nein: man braucht nichts zu ändern an unserem Dienst.» Als ich sah, dass sie sich so rauswinden wollten da hab' ich gesagt: «Es tut mir leid, aber dann gehe ich eben allein.“ Eines Tages habe ich mich getraut, etwas zu sagen; ich habe mich getraut, mit Madame zu reden. Ich habe zu ihr gesagt: «Würde Madame so gut sein und uns erlauben, nicht mehr auf Madame und die jungen Damen zu warten, wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, um ihnen die Kleider abzunehmen und bei der Toilette zu helfen?“ «Aber ... Ach? Aha ja ... ja ... Um wieviel Uhr sind Sie mit Ihrer Arbeit fertig?“ «Wenn kein Besuch da ist, um acht, halb neun.“ «Ach ja, das ist wahr, und wir gehen um halb elf zu Bett ... Hören Sie zu, was Sie da verlangen, ist ganz einfach. Sie können sehr wohl früher zu Bett gehen. Sie füllen die Waschschüsseln und warten nicht mehr auf uns.“ Also: so einfach war das. Hinterher hatte ich ein bisschen Angst vor meinen Kolleginnen. Sie hätten böse sein können auf mich. Aber es ist alles gut gegangen: schließlich waren auch sie froh, wenn sie früher frei hatten. Immerhin, ich hab' ziemlich Courage gehabt für die damalige Zeit. MUSIK SPRECHERIN NICOLE ENGELN Butler Ricardo hat natürlich auch einen Familiennamen, für seine hohen Gäste im Adlon spielt der jedoch keine Rolle. Ricardo genügt. Er ist 24 Stunden am Tag erreichbar, sieben Tagen die Woche, wenn es sein soll also auch mitten in der Nacht. O-TON Ricardo Nun haben wir manchmal aber auch Wünsche, dass um drei Uhr morgens vielleicht ein Hemd gewaschen werden soll. Da ist die Abteilung natürlich nicht da. Aber das ist gar kein Problem. Ich habe ja Schlüssel und kenne mich aus, und dann waschen wir das Hemd nachts um halb drei und bügeln es, und um sieben Uhr hat der Gast sein gebügeltes Hemd. Was eine interessante Aufgabe war, dass ich doch schon mal mit der Kamera zur Konzerthalle gehen sollte. Da muss der Gast eine Rede halten. Und ich sollte bitte fotografieren, wie die Treppe nach oben geht, oder welcher Zugang das ist. Dass ich schon mal mich erkundige und dem Gast berichte, wie dort die Abläufe sind. Wünsche sind z.B. solche, dass wir besondere Getränke schon im Vorfeld organisieren, dass wir manchmal hier auch Sportgeräte in die Suiten reinstellen, weil der Gast im privaten Bereich sein möchte und nicht in unserem Gym trainieren möchte. Dass jemand einen Frisierstuhl hier haben wollte, weil er einen Friseur mit dabei hat und der rasiert ihn morgens in diesem Frisierstuhl. Und dann war der Wunsch, dass wir einen Originalfrisierstuhl in die Suite stellen sollen. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Prominente Besucher legen Wert darauf, nur einen Ansprechpartner zu haben, kein Kommen und Gehen des Dienstpersonals, immerhin ist die Präsidentensuite ein Rückzugsort zwischen Staatsgesprächen und Empfängen. Hier ist ein Gespür für die Befindlichkeit der Gäste wichtiger als Cocktails mixen können. O-TON Ricardo Wie nah darf ich den Gästen kommen? Vielleicht mögen die etwas mehr Abstand. Manche mögen vielleicht etwas mehr Nähe. Situationen gut einzuschätzen, ja und natürlich Diskretion spielt eine große Rolle, weil man ja tatsächlich in den Privatbereich der Gäste gelangt. SPRECHERIN NICOLE ENGELN So ist das auch im Buckingham Palace, offizielles und privates Zuhause der Royal Family – und ihrer Dienerschaft. Die soll dort möglichst unsichtbar sein, und doch 24 Stunden am Tag ansprechbar. Das erzeugt Stress und der muss auch mal abgelassen werden. Paul Burrell, langjähriger Butler der Queen, erzählt, wie es bei Hofe zugeht. MUSIK: Joyful and Ceremonial / England Orchestral SPRECHER VOLKER RISCH In den Fluren mit Seidentapeten war es den Zofen nicht gestattet, vor neun Uhr einen Staubsauger zu benutzen, damit die königliche Familie nicht gestört wurde. Stattdessen griff man auf grobe Gartenbesen zurück, um den tiefroten Teppich aus Noppenvelours zu reinigen. Es war auf keinen Fall schicklich, über die Mitte des Teppichs zu gehen, denn das wäre offensichtlich »viel zu anmaßend für einen Lakaien«. Ein frisch gebürsteter Teppich gebührte nur königlichen Füßen. Die Bediensteten hatten auf dem dreißig Zentimeter breiten Rand zu gehen. Wenn ein Lakai ein Mitglied der königlichen Familie den Flur entlangkommen sah, verlangte das Protokoll, dass er nicht weiterging, sondern mit dem Rücken zur Wand stehen blieb und sich, sobald besagtes Mitglied der königlichen Familie vorüberging, stumm verbeugte. Die wahre Kunst, ein guter Bediensteter zu sein, das lernte ich schnell, bestand darin, so viele meiner Aufgaben wie möglich zu erledigen, ohne dabei gesehen zu werden. Ein Bediensteter hatte ein Schattendasein zu führen und am besten unsichtbar zu sein. Im Extremfall konnte dies bedeuten, dass eine Armee von Zofen und Lakaien sich in einem Versteck verbarg, bis die Luft rein war. In Sandringham House schossen Zofen in eine Besenkammer unter der Treppe, um nicht gesehen zu werden, wenn die Queen in die große Eingangsdiele herunterkam. Dieses Versteckspiel führte zu mancherlei bizarren Situationen, wenn etwa Bedienstete hinter der geschlossenen Tür zu einem Durchgang in ein Schlafzimmer lauerten und das Ohr an die Tür pressten, bis die einsetzende Stille ihnen anzeigte, dass sie jetzt ohne Gefahr herauskommen konnten. Aus einer dunklen Nische heraus beobachteten sie auch das Wohnzimmer, um, sobald der letzte Gast gegangen war, hervorzukommen, die leeren Gläser abzuräumen, das Feuer zu schüren, die Kissen aufzuschütteln und den Teppich zu bürsten. Niemand verstand besser als die Queen, wie hart ihr Hofstaat, der zudem noch von der Außenwelt abgeschnitten war, arbeitete. Und ihr war bewusst, wie sehr ihr Personal ab und zu einmal einen harten Drink gebrauchen konnte, um mit dem anstrengenden Dienst und der Einsamkeit fertig zu werden. Die Toleranz der Queen war legendär. Als ich einmal in einem engen Durchgang neben der Queen saß, die gerade die Corgis fütterte, flog eine Tür auf, die zu einem Treppenhaus zwischen den Personalunterkünften und dem Haupthaus führte. Ein lang gedientes Mietglied des Personals kam – offensichtlich betrunken – zum Vorschein, wankte und prallte gegen die nächste Wand. Als er sich durch das Minenfeld der Corgis durcharbeitete, entdeckte er die Queen, die ihn – Gabel und Löffel in der Hand – schweigend musterte. Er lallte etwas Unverständliches und ging seiner Wege. Ich war überzeugt, dass sie empört war und den altgedienten Mann wegen seines Betragens entlassen würde. Aber sie runzelte nur die Stirn, sagte nichts, füttere weiter ihre Corgis. Der Mann kam damit durch. Vielleicht wäre sie nicht gar so nachsichtig gewesen, wenn sie das volle Ausmaß der Dienstbotenmätzchen gekannt hätte. Viele von uns entwickelten eine eindeutige Vorliebe für Gin, der auch am leichtesten zugänglich war. Einige Lakaien perfektionierten die Kunst, täglich aus Kristallkaraffen Gin abzuzapfen und heimliche Vorräte in Chromkesseln anzulegen. Kein anderes Mitglied des Hofstaats konnte an einem Lakaien etwas Verdächtiges finden, der mit einem Kessel den Flur entlangkam. Auch leere Tonicwasserflaschen wurden mit Gin aufgefüllt und an der Innenseite der Frackschöße hinausbefördert, wo beutelartige Taschen ins Futter eingenäht waren. Diese Vorräte hielten die Trinkgelage in Gang, die auf den Fluren der Personalunterkünfte häufig abgehalten wurden. Das Personal des Hofstaats arbeitete hart und amüsierte sich gut, und fast jede Woche gab es in Buckingham Palace solche geselligen Runden entweder zum Mittagessen oder am Abend. Selbst wenn die Queen nichts von den geheimen Gin-Vorräten wusste, war ihr die Tatsache, dass es regelmäßige Partys gab, auf jeden Fall bekannt, und es ist stark anzunehmen, dass sie dies stillschweigend tolerierte, weil eine treu dienende Belegschaft auf diese Weise Dampf ablassen konnte. Denn das Leben in königlichen Diensten war reglementiert, ermüdend und nicht gerade gesellig. Unser Arbeitsplatz - ein Palast, Schloss oder Landsitz - war zugleich unser Zuhause. Der königliche Hofstaat kann alle, die darin essen, schlafen und unablässig im Dienst sind, einengen und ihnen die Luft zum Atmen nehmen. Er führt zwangsläufig zu einer eingeschworenen, von der Außenwelt abgeschotteten Gemeinschaft, und die endlosen Partys wurden aus dem Bedürfnis geboren, Spaß zu haben und auszubrechen. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Die Herrschaften und ihr Dienstpersonal – nicht selten betrachtete der Hausherr die Zofe, Köchin oder das Kindermädchen als wohlfeiles Objekt der Begierde. Allzu oft mussten sich die Subalternen gegen Zudringlichkeiten wehren oder sie sich gefallen lassen, wenn sie ihre Stelle nicht verlieren durften. Ein uneheliches Kind vom Hausherrn war keine Seltenheit. Die Zofe wurde dann abgefunden und musste das Haus verlassen. Nur sehr selten wird es so apart zugegangen sein wie in Thomas Manns Erzählung „Felix Krull“. Hier hat der vielseitig talentierte, junge Held gerade als Liftboy eine Stellung in einem Pariser Nobelhotel gefunden. Wie die meisten Diener muss auch er den Namen und die Livree seines Vorgängers übernehmen. Doch die Fügung will es, dass Armand der reichen Madame Houpfle wiederbegegnet, die er Tage zuvor um ihre Schmuckschatulle gebracht hatte. MUSIK: Catch me if you can (Reprise and End Credits) / Filmmusik “Catch Me If You Can” Thomas Mann: Felix Krull Mme Hupflé: BARBARA STOLL ICH-Erzähler ARMAND: JONAS BAECK Es ist wirklich nichts leichter, als einen Lift zu bedienen. Man kann es beinahe sofort, und da ich mir selbst und, wie so mancher Blick mich merken ließ, auch der auf- und abfahrenden schönen Welt nicht wenig in meiner schmucken Livree gefiel, dazu viel innere Erfrischung fand an dem neuen Namen, den ich nun führte, so machte der Dienst mir anfangs entschiedene Freude. Allein, ein Kinderspiel an und für sich, ist dieser Dienst, wenn man ihn mit kurzen Unterbrechungen von sieben Uhr morgens bis gegen Mitternacht zu versehen hat, recht sehr ermüdend, und einigermaßen gebrochen an Leib und Seele erklettert der Mensch nach einem solchen Arbeitstage sein Oberbett. Sechzehn Stunden lang war man ohne ein Niedersitzen, in eingeschlossener, von den Parfums der Fahrgäste geschwängerter Luft auf den Beinen, handhabte seinen Hebel, blickte aufs Klingelbrett, machte Halt da und dort im Auf- und Abgleiten, nahm Gäste auf, ließ welche aussteigen und wunderte sich über die hirnlose Ungeduld von Herrschaften, die drunten in der Halle unaufhörlich nach einem schellten, da man doch nicht sogleich aus dem vierten Stock zu ihren Diensten hinunterstürzen konnte, sondern erst dort oben und in tieferen Etagen hinauszutreten und mit artiger Verbeugung und seinem besten Lächeln abwärts Verlangende einzulassen hatte. Am folgenden Tag war sie da, vom Shopping kommend, denn sie trug mehrere, wenn auch nicht große, elegant eingeschlagene und verschnürte Pakete im Arm und in der Hand. Befriedigt nickte sie bei meinem Anblick, sah lächelnd meiner von einem ehrerbietigen »Madame« begleiteten Verbeugung zu, die etwas von einer Aufforderung zum Tanze hatte, und ließ sich mit mir in dem erleuchteten Schwebestübchen einschließen. »Deuxieme, n'est-ce pas, Madame?« »Mais oui, deuxieme. – Der neue Armand, wenn ich nicht irre?« »Zu Diensten, Madame.« »Man kann sagen, dass dieser Wechsel einen Fortschritt in der Zusammensetzung des Personals bedeutet.« »Trop aimable, Madame.« Ich unterstützte sie zart beim Hinaustreten, als ob es da irgend etwas zu unterstützen gegeben hätte, und sagte: »Erlauben Sie, dass ich Sie endlich von Ihren Lasten befreie, Madame, und sie Ihnen auf Ihr Zimmer trage!« Damit nahm ich ihr die Pakete ab und folgte ihr damit, meinen Lift einfach im Stich lassend, den Korridor entlang. Es waren nur zwanzig Schritte. Sie öffnete zur Linken No. 23 und betrat ihr Schlafzimmer, dessen Tür zum Salon offenstand. Ich legte die Pakete ab, während Madame ihr Barett abnahm und ihre Pelzjacke öffnete. »Würden Sie Ihre Aufmerksamkeit vollenden, indem Sie mir aus diesem Kleidungsstück helfen?« »Mit außerordentlichem Vergnügen«, erwiderte ich und machte mich ans Werk. Während ich aber damit beschäftigt war, ihr das erwärmte, mit Seide gefütterte Pelzwerk von den Schultern zu streifen, wandte sie den Kopf im reichen braunen Haar, worin über der Stirn eine gewellte weiße Strähne sich freimütig hervortat, zu mir herum, und indem sie die Augen zuerst kurz aufriss, sie dann jedoch zwischen den wieder verengten Lidern traumhaft verschwimmen ließ, sprach sie das Wort: »Du entkleidest mich, kühner Knecht?« Eine unglaubliche Frau und sehr ausdrucksvoll. Verblüfft, aber gefasst, ordnete ich meine Antwort wie folgt: »Wollte Gott, Madame, meine Zeit erlaubte mir, den Dingen diese Deutung zu geben und in einer so reizenden Beschäftigung nach Belieben fortzufahren!« »Du hast keine Zeit für mich?« »Unglücklicherweise nicht in diesem Augenblick, Madame. Mein Ascenseur wartet draußen. Ich würde meinen Posten verlieren, wenn ich ihn länger vernachlässigte ... « »Wann wirst du Zeit für mich haben?« fragte sie und trat dicht vor mich hin. »Um elf Uhr werde ich dienstfrei sein«, erwiderte ich gedämpft. »Ich werde dich erwarten«, sagte sie in demselben Ton. »Dies zum Pfande!« Und ehe ich mich's versah, war mein Kopf zwischen ihren Händen und ihr Mund auf dem meinen, zu einem Kuss, der recht weit ging – weit genug, um ihn zu einem ungewöhnlich bindenden Pfande zu machen. MUSIK: Learning The ropes / Filmmusik „Catch me If you Can“ Ich fand es schicklich, an der Tür von Mme. Houpflés Salon zu klopfen, erhielt aber dort keine Antwort. So öffnete ich die Außentür von 23, ihrem Schlafzimmer, und pochte mit hingeneigtem Ohr diskret an die innere Tür. Ein fragendes »Entrez?« von leise verwunderter Betonung kam zurück. Das Zimmer lag im rötlichen Halbdunkel des seidenbeschirmten Nachttischlämpchens. Die kühne Bewohnerin erblickte mein rasch die Umstände erforschendes Auge in der prächtigen Messing-Bettstatt. Meine Reisende lag dort, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, in einem batistenen Nachtgewande mit kurzen Ärmeln und einem von Spitzen umrahmten quellenden Dekolleté. Sie hatte ihren Haarknoten zur Nacht gelöst und die Flechten auf eine sehr kleidsame, lockere Art kranzförmig um den Kopf gewunden. Kaum hatte ich die Tür geschlossen, als ich hinter mir den Riegel vorfallen hörte, der vom Bette aus durch einen Zug zu dirigieren war. Sie riss die goldenen Augen auf, für einen jähen Moment nur, wie gewöhnlich; aber ihre Züge blieben in einer Art nervöser Lügenhaftigkeit leicht verzerrt. »Wie? Was ist das? Ein Hausangestellter, ein Domestik tritt bei mir ein, zu dieser Stunde, da ich bereits der Ruhe pflege?« »Sie haben den Wunsch geäußert, Madame.« »Den Wunsch? Tat ich das? Du sagst ‚den Wunsch’ und gibst vor, den Befehl zu meinen, den eine Dame einem kleinen Bedienten, einem Liftjungen erteilt, meinst aber in deiner ungeheuren Keckheit, ja Unverschämtheit ‚das Verlangen’, ‚das heiße, sehnsüchtige Begehren’, weil du jung bist und schön, so schön, so jung, so dreist ... « Leicht gekränkt, wie ich zugebe, durch ihre immer wiederholte Erwähnung und Betonung meines niedrigen Standes – was hatte und wollte sie nur damit? – neigte ich mich statt aller Antwort vollends zu ihr hinab und senkte meine Lippen auf ihre. Nicht nur aber, dass sie den Kuss noch weitgehender ausgestaltete, als den ersten vom Nachmittag, wobei es an meinem Entgegenkommen nicht fehlte, – so nahm sie auch meine Hand und führte sie in ihr Dekolleté zu ihren Brüsten, die sehr handlich waren, führte sie da am Gelenk herum auf eine Weise, dass meine Männlichkeit, wie ihr nicht entgehen konnte, in den bedrängendsten Aufstand geriet. »Ah, du junger Teufel, glatter Knabe, wie du das kannst! Die Wonne raubt mir den Atem, bricht mein Herz, ich werde sterben an deiner Liebe!« Sie biss mich in die Lippe, in den Hals. »Nenne mich du! Duze mich derb zu meiner Erniedrigung ... « Sie verging. Wir vergingen. Wie aber hätte es mich nicht verdrießen sollen, dass sie auf dem Gipfel von Erniedrigung gestammelt und mich einen dummen kleinen Sklaven genannt hatte? Wir ruhten noch verbunden, noch in enger Umarmung, doch erwiderte ich aus Missmut über dieses »qui me deshonore« nicht ihre Dankesküsse. Den Mund an meinem Körper hauchte sie wieder: »Nenne mich du, geschwind! Ich habe dies Du von dir zu mir noch nicht vernommen. Ich liege hier und mache Liebe mit einem zwar göttlichen doch ganz gemeinen Domestikenjungen. Wie mich das köstlich entehrt! Ich heiße Diane. Du aber, mit deinen Lippen, nenne mich Hure, ausdrücklich ‚du süße Hure’!« »Süße Diane!« »Nein, sag ‚du Hure’! Lass mich meine Erniedrigung so recht im Worte kosten ... « Ich löste mich von ihr. Wir lagen, die Herzen noch hoch klopfend, beieinander. »Nein, Diane. Ich weigere mich. Und ich muss gestehen, es ist für mich recht bitter, dass du Erniedrigung findest in meiner Liebe ... « »Nicht in deiner, in meiner! In meiner Liebe zu euch nichtigen Knaben! Ach, holder Dümmling, du verstehst das nicht! Ich bin Schriftstellerin, musst du wissen, eine Frau von Geist. Der Geist jedoch ist wonnegierig nach dem Nicht-Geistigen, verliebt ins Schöne und Göttlich-Dumme. Es berauscht ihn, von ihm erniedrigt zu werden ... « »Liebes Kind, schön hin und her, für gar so auf den Kopf gefallen solltest du mich nicht halten ... « »Ah, das ist köstlich! Ein kleiner nackter Lifttreiber liegt bei mir und nennt mich ‚liebes Kind’. Armand, Cheri, ich wollte dich nicht kränken. Ich wollte nicht sagen, dass du besonders dumm bist. Alle Schönheit ist dumm, weil sie ganz Gegenstand der Verherrlichung durch den Geist ist. Wir Weiber mögen von Glück sagen, dass unsere runden Siebensachen euch so gefallen. Aber das Göttliche, das Meisterstück der Schöpfung, Standbild der Schönheit, das seid ihr, ihr jungen, ganz jungen Männer mit den Hermesbeinen. Weißt du, wer Hermes ist?« »Ich muss gestehen, im Augenblick -« »Er ist der geschmeidige Gott der Diebe.« Ich stutzte und wurde rot. »Treibe es wüst mit mir! Ich bin ganz dein, bin deine Sklavin! Geh mit mir um wie mit der letzten Dirne! Ich verdiene es nicht anders. Hör, Armand. Wenn du mich etwas schlügest? Derb schlügest, meine ich? Ich würde es dir danken. Da liegen deine Hosenträger, nimm sie, Liebster, drehe mich um und züchtige mich aufs Blut!« »Ich denke nicht daran Was mutest du mir zu? Ich bin solch ein Liebhaber nicht.« »Ach, wie schade! Du hast zu viel Respekt vor der feinen Dame.« »Ich will dir etwas beichten, was dich vielleicht in seiner Art entschädigen kann für das, was ich dir aus Gründen des Geschmackes abschlagen muss. Sage mir doch: als du nach deiner Ankunft hier deinen Koffer, den großen, auspacktest oder auspacken ließest, hast du da vielleicht nicht etwas vermisst?« »Vermisst? Nein. Aber ja! Ein Kästchen, ja! Mit Schmuck.« »Ich habe es genommen.« »Du hast es gestohlen? Du bist ein Dieb? Ich liege im Bett mit einem Diebe! C' est une humiliation merveilleuse, tout a fait excitante!« »Ich konnte nicht vorhersehen, dass wir uns lieben würden. Sonst hätte ich dir den Kummer und Schreck nicht angetan, deinen wunderschönen Topasschmuck, die Brillanten und all das andere entbehren zu müssen.« »Entbehren? Liebster, ich habe mich keine zwei Augenblicke um den Plunder gekümmert. Du hast ihn gestohlen, Süßer – so ist er dein. Behalt ihn! Mein Mann ist ja so reich! Er macht Klosettschüsseln, musst du wissen. Die braucht jeder, wie du dir denken kannst. Straßburger Klosettschüsseln von Houpflé, die sind sehr gefragt, die gehen nach allen Enden der Welt. Er wird mich mit dreimal schöneren Dingen behängen, als die du mir gestohlen. Ach, wie viel kostbarer ist mir der Dieb als das Gestohlene! Hermes! – Armand? Ich habe eine wundervolle Idee. Du sollst bei mir stehlen. Ich schließe meine Augen und tue vor uns beiden, als ob ich schliefe. Aber verstohlen will ich dich stehlen sehen. Steh auf, wie du da bist, diebischer Gott, und stiehl! In meiner Kommode findest du allerlei. Auch Bargeld ist da.« »Unter deinen Augen ... « »Ich will nur deinen Atem hören beim Stehlen, und wie sacht in deinen Händen das Diebesgut klirrt. Es ist mein Liebeswunsch ... « So war ich ihr denn zu Willen. Behutsam hob ich mich fort von ihr und nahm im Zimmer, was sich da bot – Ringe, Gehänge, Reifen, Spangen, einige bedeutend große Geldscheine. Dies alles brachte ich ihr anstandshalber ans Bett, als hätte ich es für sie eingesammelt. »Närrchen, was willst du? Es ist ja dein Liebes-Diebesgut. Stopf es in deine Kleider, zieh sie an und mach dich aus dem Staube, wie sich's gehört! Mach schnell und flieh! Wie weit bist du? Hast du deine Livree wieder an mit allem, was an Liebes- und Diebesgut darin? Adieu, Armand! Leb wohl, mein Abgott! Vergiss nicht deine Diane. Adieu, adieu, Cheri ... « MUSIK: The Airport Scene / Filmmusik „Catch Me If You Can“ + „Catch Me if You Can“ / Hauptthema Filmmusik „Catch Me If You Can“ 3. Stunde MUSIK: Louis Leaves / Filmmusik “Lee Daniels' The Butler (Original Score) SPRECHERIN NICOLE ENGELN Die Subalternen, meist blieben sie selbst ohne eigene Familie und ohne Eigenleben. Je länger sie im Dienst einer Herrschaft standen, desto ausgeprägter wurden gewisse Eigenarten, die die Diener von ihren Herrschaften übernahmen. Die Kammerdiener Ludwig XIV. sollen über eigene Unpässlichkeiten geklagt haben, sobald der König kränkelte. Qualis dominus, talis et servus - wie der Herr so sein Gescherr. Ähnliches wurde im Hause Goethe beobachtet. Der Dichterfürst gebietet in Weimar selbst über einen kleinen Hofstaat an Bediensteten, zeitweise beschäftigt er drei Hausdiener gleichzeitig – neben den stundenweise tätigen Wasch-, Bügel- und Nähfrauen, der Köchin und den Hausbesorgerinnen. Philipp Seidel ist der Familie Goethe bereits am Frankfurter Frauenplan ergeben und begleitet den jungen Goethe dann nach Weimar. Nach Jahren in seinen Diensten beherrscht er dessen Handschrift so täuschend, dass er heute selbst Goethe-Spezialisten vor Probleme stellt. Und wenn Seidel in späteren Jahren über den Frauenplan spaziert, wird er gar für Goethe selbst gehalten. So täuschend ähnlich sind Kopfhaltung, Gang, ja sogar die Art zu sprechen, dass er als Goethes Kopie gilt. Für den Kammerdiener gibt es keine Helden, heißt ein Sprichwort, denn der Kammerdiener hat den Herrn auch in Unterhosen gesehen. Ganz so nah ist Céleste Albaret ihrem Herrn allerdings nie gekommen, doch sie hat sich Jahre lang auch um die Unterhosen des Dichters Marcel Proust gekümmert. Celeste arbeitete für ihn von 1914 bis zu seinem Tode 1922. Erst im Alter von 81 Jahren schreibt sie ihre Erinnerungen an den Dichter auf. MUSIK: Life goes on / “Gosford Park” / Original Motion Picture Soundtrack Céleste Albaret: Monsieur Proust Celeste: Barbara Stoll Marcel Proust: Volker Risch SPRECHERIN BARBARA STOLL Ganz zu Anfang, kurz nachdem ich am Boulevard Haussmann eingezogen war, da heißt, vor Ende 1914, ist es bisweilen vorgekommen, dass die Tür seines Zimmers und die Tür des Ankleidezimmers zum Flur offen blieben und ich einige Einzelheiten seiner Toilette bemerkte. Aber das ging nur so weit, dass ich auf diese Weise erfuhr, dass sein Zähneputzen schier kein Ende nehmen wollte und er keine Toilettenseife benutzte, um sich zu waschen – er tupfte sich lediglich das Gesicht wegen der außerordentlichen Zartheit seiner Haut gründlich mit feuchten Handtüchern ab, wie er mir später erklärte. Seine Haut hätte weder das Frottieren noch das Soda der Toilettenseife vertragen. Aber wenn ich ihn so gesehen habe, dann war die Toilette fast beendet: er hatte bereits die Hose, das wollene Unterhemd und sein Hemd an; das Gesicht war das letzte Stadium. Ich weiß, es wird Leute geben, die glauben, man dürfe sich nicht die Frage entgehen lassen: Wie konnte er auf diese Weise sauber sein? Ebenso wie vorschnell behauptet wurde, er sei schlampig, weil zufällig ein Stückchen Baumwolle, die er sich manchmal unter der Kleidung um Brust und Rücken wickelte, aus dem Hemdkragen hervorschaute. In Wirklichkeit war er von peinlicher Sauberkeit. Es muss daran erinnert werden, dass sein Vater nicht nur ein großer Arzt, sondern auch ein Spezialist für Hygiene war. Daher hat Monsieur Proust eine Angst vor Mikroben zurückbehalten, die allein für einen Reinlichkeitsfimmel ausgereicht hätte. Monsieur Proust brauchte warmes Wasser, sogar sehr warmes. Und wenn er auch nie irgendwelche Toilettenartikel benützte, weder Eau de Cologne noch Creme oder sonst etwas, so machte er bei allem reichlich von den Desinfektionsmittel Tercinol Gebrauch. Er spülte sich nicht nur damit den Mund aus, sondern verwendete es alle Augenblicke. Beim kleinsten Kratzen im Hals gurgelte er damit. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich auch beim Händewaschen Tercinol ins Wasser geschüttet hatte. Die ganze Toilette war natürlich ein ebenso strenger Ritus wie alles andere. Zuerst einmal das Fußbad, dann zwei Kannen heißes Wasser – alles kam aus dem Wasserschiff des großen Herdes in der Küche. Fließendes Wasser war damals noch selten; wir hatten am Boulevard Haussmann keins, abgesehen von dem Hahn in der Küche. In der ersten Zeit war ich entsetzt über die Wassertemperatur, die er verlangte: fast fünfzig Grad. Dann ist mir klargeworden, dass auch das genau kalkuliert war. Er kannte sich gut: Bis er soweit sein würde, war der größte Teil Hitze und damit auch die gewünschte Temperatur verdampft. Ebenso verhielt es sich mit der Leibwäsche. Wenn er ausging, zog er sich völlig um. Direkt auf dem Körper trug er einen Pullover und eine ebenfalls wollene, lange Unterhose, beide aus Rasurel-Wollen. Ich habe ihm einmal andere gekauft, die mir gleich gut und schön erschienen; es waren keine Rasurel; er hat sie nie gemocht. Pullover, Unterhose, Hemd durften wie das Wasser nicht kalt sein. In der Küche brannte im großen Herd Tag und Nacht ein gewaltiges Feuer, der gemauerte Backofen war immer bereit. Eingewickelt in Frottiertücher legte ich die Wäsche in die Bratröhre, und da blieb sie, damit sie schön warm war, wenn er sie verlangte. Ich legte sie dann auf einen Stuhl. Wenn er sich anschickte, sich anzukleiden, dann musste alles bereit sein: Wasser, Anzüge, Wäsche, Handtücher, alles dort hingelegt, wo es hingehörte, auf den Waschtisch, auf die Stühle, jedenfalls in Reichweite. Ich zog mich dann zurück. Die Zeremonie mit den Handtüchern muss man sich einmal ausmalen. Es waren feine Handtücher mit Gerstenkornmuster aus Leinen. Jedes mal legte ich ihm einen Stoß von zwanzig oder zweiundzwanzig Stück auf seinen Waschtisch. An den Seiten seines Waschtisches waren Haken, um sie aufzuhängen; die benutzte er aber nie. Er hätte es auch nicht gekonnt, denn fast alle Handtücher wurden gebraucht. Mit jedem tupfte er sich einmal ab, um sich entweder damit zu waschen oder abzutrocknen, dann warf er es weg. Es waren enorme Mengen von Handtüchern vorhanden, und all das ging in die Wäscherei Lavigne, bei der schon seine Mutter Kundin gewesen war, und die wollenen Pullover in die chemische Reinigung Garobi auf dem Boulevard Haussmann. Manchmal, wenn ich dieses Durcheinander sah – später, nach seinem Tode, hatte ich ein Hotel in der Rue des Cannettes in Paris mit etwa fünfzig Zimmern, und ich gab nicht mehr Wäsche in die Wäscherei als bei Monsieur Proust –, konnte ich mich nicht enthalten, zu sagen: »Monsieur, wenn ich an all das Geld denke, das Sie so verschwenden, dann bekümmert mich das.« »Aber was verschwende ich denn, Celeste?« »All die Wäsche, die so gut wie sauber ist, und die Sie da hinwerfen!« »Meine liebe Celeste, Sie verstehen eben nicht, dass meine Haut aufspringt und ich sogar Schrunden bekomme, wenn ich ein zu feuchtes Handtuch ein zweites mal gebrauche.« Auch sein Zähneputzen war eine Pracht. Er benutzte einzig und allein Zahnpulver, immer dasselbe, sehr weiß und sehr fein, das nach einem alten Rezept seines Vaters extra für ihn hergestellt wurde und das ich in der Apotheke Leclerc in großen runden Flakons kaufte. Er nahm davon eine Menge und musste offenbar bürsten und bürsten, mindestens fünfzigmal; nachher war alles vollgespritzt, der Spiegel, der Waschtisch und er auch. Daher habe ich gewusst, dass er ziemlich häufig seine Toilette mit dem Gesicht und den Zähnen beendete, wenn er schon angezogen war. Sah ich ihn dann wieder, zum Ausgehen bereit, dann sagte ich manchmal: »Oh, Monsieur, Sie haben Ihren Hemdkragen nassgemacht. Das ist schlecht für Ihren Hals, und der Kragen wird sich umbiegen.« Oder auch: »Monsieur, Sie haben sich die Krawatte bespritzt. Sie ist ganz weiß gesprenkelt.“ »Dabei hatte ich mir ein Handtuch darübergelegt.« Schließlich gestand er mir dann zu, dass ich ihm das Weiße wegwischen durfte. Das war auch ungefähr alles, was er mir zugestand. Es ist erzählt worden, ich hätte ihm die Krawatten gebunden. Niemals! Er hätte es nicht erlaubt. Und außerdem hätte ich es gar nicht gekonnt. MUSIK: Mr Parks / “Gosford Park” / Original Motion Picture Soundtrack Es gibt nicht viele Dinge, die ich bei ihm nicht verstanden oder von ihm nicht erfahren habe oder über die er mich im Unklaren ließ. Auch das gehörte zu dem Zauber, der bei allem von ihm ausging. Dadurch, dass ich ihm viel zuschaute und zuhörte, habe ich offenbar, ohne mir darüber klar zu sein, ein wenig von seinem Ahnungsvermögen und seiner Menschenkenntnis erlangt. Es hat sich ein gegenseitiges Verständnis entwickelt, dank dessen ich immer schon im Voraus wusste, was er wünschte und was er dachte. Es kam vor, dass er sich dennoch darüber verwunderte: »Liebe Celeste, woher haben Sie gewusst, dass ich Sie bitten wollte, mir einen Pullover zu reichen?« Ich vermochte jeden Gesichtsausdruck bei ihm zu erraten; ich nahm im voraus jede Handbewegung von ihm wahr und spürte es, wenn er über dieses oder jenes ungeduldig war. (...) Bei mir brauchte er nicht zu bitten; oder wenn er um etwas bat, dann wusste er, dass sein Wunsch freudig erfüllt würde. Als ich damit anfing, ihn nachts zu erwarten, indem ich die Fahrstuhltür belauerte, da geschah das keineswegs aus Pflichtgefühl und noch weniger, weil er es verlangte – es war einzig und allein, weil ich mich darauf freute, ihn wiederzusehen und seine Berichte zu hören. Er dankte mir dafür, aber im Grunde war er, glaube ich, darüber gar nicht erstaunt. Er hatte mich zu genau durchschaut, um daran zu zweifeln, dass es anders sein würde. Zu Anfang, in meiner Lehrzeit, wie ich es nennen will – denn er hat mich wirklich mit kleinen Anstößen auf seine Lebensweise, seine Neigungen und Bedürfnisse gedrillt –, hat er sozusagen Streifzüge unternommen oder auf den Busch geklopft, um zu sehen, was los war. „Wenn ich fort bin, öffnen Sie die Fenster wie üblich zum Lüften, vergessen Sie es nicht.« Je nach dem Wetter und der Jahreszeit gab er an, wie lange ich lüften sollte. „Verstanden, Celeste?« Er kam nach Hause. „Ist alles erledigt, Celeste?« „Ja, Monsieur, und ich habe die Fenster so lange offen gelassen, wie Sie sagten.“ „Ich weiß. Ich bin vorbeigekommen und habe gesehen, dass sie wieder geschlossen waren.« Er war extra zurückgekommen, um sie von unten vom Wagen aus zu inspizieren. Einmal habe ich gesagt: „Monsieur, ich sehe, dass das Vertrauen zugleich mit der Kontrolle herrscht.« Er hat gelacht und nicht geantwortet. Er war schrecklich, wenn er einen kränken oder verletzen wollte. Er verwendete nicht viele Worte, aber jedes saß, wie er es von seiner Mutter erzählt hatte, und man war zerknirscht. Bei irgendetwas, das er auf der Stelle haben wollte, erinnere ich mich, ihm geantwortet zu haben: „Das ist unmöglich, Monsieur. « „Meine liebe Celeste, das Wort gibt es nicht.« „Dennoch hat man es mir beigebracht, Monsieur.« „Nun, dann hat man unrecht gehabt. In Wirklichkeit, und das werden Sie lernen müssen, ist >unmöglich< nicht französisch.« MUSIK: Rather a Pasting / “Gosford Park” / Original Motion Picture Soundtrack Am tyrannischsten und misstrauischsten war er in Bezug auf das Telefonieren. Als ich zum Boulevard Haussmann kam, hatte ich noch nie in meinem Leben telefoniert und wusste gar nicht, wie ein solcher Apparat funktioniert. In den wenigen Monaten nach meinem Antritt gab es mehrere Apparate in der Wohnung, jeder mit einem kleinen Schlüssel, mit dessen Hilfe man die Verbindung in dieses oder jenes Zimmer umstellen konnte. Vom ersten Tag an, seit ich da war, hat er mir das Telefonieren beigebracht, zuerst, um Verbindungen herzustellen, und dann, um Mitteilungen entgegenzunehmen. Eines Abends, als er aufgewacht war, hat er mich den Schlüssel am Apparat in seinem Zimmer drehen lassen und mir eine Nummer gegeben, die ich verlangen sollte, dann sagte er: »Wollen Sie bitte den Hörer nehmen und sprechen.« Ich bin nicht weit damit gekommen. Ich zitterte wie Espenlaub. Er stand hinter mir. Ich habe »Hallo?« gesagt, offenbar so ungeschickt, dass er mir den Hörer aus der Hand gerissen und selbst gesprochen hat. Als das Gespräch beendet war, hat er sich zu mir umgedreht. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Celeste. Es ist ganz einfach. Sie brauchen sich bloß vorzustellen, dass Sie mit jemandem sprechen. Haben Sie mir zugehört? Machen Sie es wie ich.« Danach hat er für mich einen ganzen Lehrgang abgehalten, um mir beizubringen, zuerst zu fragen, ob auch wirklich derjenige am Telefon sei, mit dem ich sprechen sollte, und wie ich ihn anreden müsse: »Habe ich die Ehre, mit dem Herrn Grafen von ... , mit Monsieur X oder mit Madame Y zu sprechen?« – je nachdem, ob die Leute einen Adelstitel hatten oder nicht, was er mir vorher genau angab. Allmählich habe ich mich daran gewöhnt – in Wirklichkeit aber sehr schnell, wenn ich auch zuerst noch ein wenig eingeschüchtert war. Bald hatte ich alle Namen und Telefonnummern seiner Bekannten im Kopf. Zu Anfang ließ er mich immer genau wiederholen, was ich ausrichten sollte. Bald hatte er es nicht mehr nötig. Ich war tatsächlich so sehr sein Tonbandgerät geworden, dass die Leute sich am Telefon täuschten und zu mir sagten: „Hallo? Wie, Sie sind es, Marcel? Welche Freude!“ Eine der ihm befreundeten Damen hat ihm sogar Vorhaltungen gemacht, er dürfe mir nicht erlauben, mich derart seiner Stimme zu bedienen. Natürlich war mir das gar nicht bewusst; ich übernahm gewissermaßen seine Stimme. Er selbst hat darüber wie einen guten Witz gelacht. MUSIK: Mr. Mustafa / Filmmusik „Grand Hotel Budapest“ O-TON Ersin Erbay Wie Sie sehen ist das eine sehr große Tafel. Die Tischdecke ist entsprechend groß. Die zu behandeln, ist nicht leicht. Die Tischdecke kommt auf den Tisch und die wird dann noch mal gebügelt, komplett. Bevor wir eindecken, müssen wir den kompletten Tisch erst mal berechnen. Wo kommen Teller hin. Danach fangen wir erst langsam an mit dem Eindecken. Da wird ein ganz großes Lineal dafür benutzt. Und dann wirklich Schritt für Schritt. An welche Nummer kommt der erste Gang, der zweite Gang, der dritte Gang usw. Dazu werden die Kristallgläser so platziert, dass immer das Logo zum Gast schaut, auch die Logos unter dem Teller. Wir müssen das ganze Porzellan so platzieren, dass die Gäste, wenn sie interessiert sind, sofort lesen können, um was für eine Marke es sich handelt. Natürlich auch die Dekoration, das muss alles perfekt auf den Zentimeter, auch wenn man kleine Steine für die Dekoration benutzt, muss man es wirklich perfekt abstimmen, ob Farbe, die Abstände, muss alles auf einer Linie, alles synchron sein. Das nimmt sehr, sehr viel Zeit in Anspruch. Weil es ist sehr wichtig, wenn der Gast, wenn die Gäste einen Raum betreten, dass der erste Eindruck, das lernen wir hier auch, der erste Eindruck ist wirklich extrem wichtig. Dass die merken: die Tische sind alle in einer Linie, die Teller, das Besteck, die Gläser, die Dekoration, die Blumen usw. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Alles muss stimmen, auf den Millimeter genau, der erste Eindruck entscheidet. Aber all die Mühen, die Geduld und Aufmerksamkeit, lohnt sich das wenigstens? O-Ton Robert Wennekes Ein Butler, ein Juniorbutler verdient anfangs vielleicht 40.000 Euro brutto im Jahr. Aber das geht schon sehr schnell hoch mit Jahren Arbeit. Man bezahlt ja als Arbeitgeber im Prinzip auch für die Flexibilität von jemand, für die Dedication, würde ich sagen. Es ist nicht nur ein Angestellter. Da ist jemand, der arbeitet für mich, wenn es sein muss, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Das kommt schon vor. Durchschnittlich verdient ein Butler 40.000 Euro am Anfang. Das wird schnell 60, 70, und durchschnittlich zwischen fünf und zehn Jahren Erfahrung geht das Richtung von die 100.000. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Geld spielt eine große Rolle. Allerdings ist das der Herrschaft nicht immer anzusehen. Da sollte der Butler acht darauf geben, nicht besser als der Dienstherr auszusehen. O-Ton Ersin Erbay Nicht unbedingt auffällige, bunte Farben nehmen oder extrem teure Textilien, wo man auf den ersten Blick entdeckt, oh, das ist aber extrem teuer. Und sieht dann den Arbeitgeber eventuell daneben, der dann in dem Moment vielleicht etwas Sportliches anhat. Nicht dass man den Butler und den Arbeitgeber verwechselt. Man muss auch dort achtgeben. Nicht unbedingt sehr teuren Schmuck. Also wenn ich jetzt ne Rolex trage und mein Arbeitgeber vielleicht eine Citizen, weil es sein Geschmack ist, was ja nicht heißt, dass ich mehr Geld habe als er, aber auch dort müssen wir wirklich achtgeben, wie wir uns präsentieren. SPRECHERIN NICOLE ENGELN Alles muss perfekt sein. Und vielleicht ist es eben diese Perfektion, die manchen Gast Unwohlsein bereitet. Kurt Tucholsky beschreibt den „Bangen Moment bei reichen Leuten“ SPRECHER THOMAS ANZENHOFER Wenn ich bei reichen Leuten eingeladen bin, also bei so reichen, dass es einen vor lauter Reichtum schon graust, dann ist da immer ein Augenblick, wo mir heiß wird und wo ich denke, dass mir nun gleich der Kragen platzt. Es ist alles so fein und so wunderbar herrlich: die Katzen sind noch hochmütiger als anderswo, die Hunde sind gut gezogen wie artig gebadete Kinder, das Stubenmädchen funktioniert wie der Teetisch auf Rollen, den sie auf der Bühne vor sich herschiebt, die gnädige Frau spricht leise und fast halblaut, diskret, fein – alles ist selbstverständlich und gewiss nicht snobistisch, es klappt wie geölt: und ich habe das lebhaftteste Bedürfnis, einmal in die Vorhalle zu gehen, mich in eine Ecke zu stellen und ganz laut: „Scheibenkleister!“ zu rufen, nur, damit das innere Gleichgewicht wiederhergestellt ist. So fein geht es da manchmal zu. Was ist es – ? Also es ist zuerst und zuallerunterst: der Neid. Daran darf man nicht zweifeln. Nicht Missgunst. Es ist die stille Wut, es nicht so weit im Leben gebracht zu haben wie jene – der tiefe Glaube, ohne den man sich ja selbstmorden müsste: genau so viel wert zu sein wie jene, die Ablehnung der Rangordnung, nach der diese den höheren Platz einnehmen, und ihre tiefste Verachtung. Aber es ist doch noch etwas anderes. Wenn es bei den reichen Leuten so fein zugeht, dann habe ich immer den Herzenswunsch, mir den Rock auszuziehen und zu der feinen Dame gnädigen Frau und zu dem gnädigen Herrn zu sagen: „Kinder, nun lasst das mal beiseite – nun wollen wir uns einmal erzählen, wie es im menschlichen Leben wirklich zugeht –!“ Aber das darf man doch nicht. Sie leben wattiert. Es ist da etwas Anämisches, etwas von einem luftleeren Raum. Sie sind von der Erdkruste durch eine Schicht Geld getrennt – sie sind, media in vita, lebensfremd, unserem Leben fremd. Es gibt doch gewiss alte, reiche Familien, die es schon gewohnt sind, viel Geld zu haben, es zu verwalten, es verdienen zu lassen, solche, die sich höchlich wunderten, als selbstverständliche Geste etwa nicht zur Bank zu schicken: aber auch bei denen, gerade bei denen, fühle ich schärfstens, dass ihre Natürlichkeit so oft nicht natürlich ist, dass sie einen zu engen weiten Anzug tragen, der ihnen übrigens ausgezeichnet sitzt, dass ihre Gelockertheit anerzogen ist, dass sich unter dem ganzen Gehabe von Selbstverständlichkeit etwas regt, das gar nicht reich ist. Ein Dickdarm ist nicht reich. Ein Herzmuskel ist nicht reich. Ein Oberschenkel ist nicht reich. Die Natur fühlt sich wohl im Reichtum– aber sie spielt das Spiel nicht mit; sie ist. Reich ist sie nicht. Und darum dehne und strecke ich mich auf der kühlen Straße, wenn ich von ganz reichen Leuten komme, und sage zu Paul: „Paule, wo gehen wir denn jetzt hin –?“ Und dann gehen wir noch wohin und trinken einen Topf irgendeiner nassen Sache und bereden es alles miteinander und sind heilfroh, dem Backofen des Reichtums entronnen zu sein. Und für wen bin ich ein Reicher? Wer beneidet mich? Und dennoch hab ich harter Mann es immerdar gefühlt: mir ist ganz kannibalisch wohl, wenn ich wieder draußen bin. MUSIK: Narcissus / “Die Berliner spielen Salonmusik” SPRECHERIN NICOLE ENGELN Ihr da oben, wir da unten – Welten liegen zwischen denen Upstairs und downstairs. Doch es gibt Momente, da spielt der Rangunterschied zwischen Herr und Diener plötzlich keine Rolle mehr. Mit einem solchen Moment wollen wir die „Lange Nacht der dienstbaren Geister“ beenden, mit der wunderbaren Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert aus Nachkriegsjahr 1947 – „Schischifusch oder Der Kellner meines Onkels“ Wolfgang Borchert: "Schischifusch oder Der Kellner meines Onkels" Erzähler: Volker Risch Onkel: Thomas Anzenhofer Kellner: Jonas Baeck Als sie sich kennenlernten, mein Onkel und der Kellner, war ich dabei. Ich war damals gerade so groß, dass ich die Nase auf den Tisch legen konnte. Meine Mutter war auch nicht viel älter. Etwas älter war sie wohl, aber wir waren beide noch so jung, dass wir uns ganz entsetzlich schämten, als der Onkel und der Kellner sich kennenlernten. Ja, meine Mutter und ich, wir waren dabei, als Statisten und hinterher haben wir es bitter verwünscht, dass wir dabei waren, denn wir mussten uns wirklich sehr schämen, als die Bekanntschaft der beiden begann. Es kam dabei nämlich zu allerhand erschrecklichen Szenen mit Beschimpfung, Beschwerden, Gelächter und Geschrei. Und beinahe hätte es sogar eine Schlägerei gegeben. Dass mein Onkel einen Zungenfehler hatte, wäre beinahe der Anlass zu dieser Schlägerei geworden. Aber dass er einbeinig war, hat die Schlägerei dann schließlich doch verhindert. Wir saßen also, wir drei, mein Onkel, meine Mutter und ich, an einem sonnigen Sommertag nachmittags in einem großen prächtigen bunten Gartenlokal. Um uns herum saßen noch ungefähr zwei- bis dreihundert andere Leute, die auch alle schwitzten. Es war so warm und so voll, dass die Kellner alle ganz beleidigte Gesichter hatten, als ob das alles nur stattfände aus Schikane. Endlich kam auch einer an unseren Tisch. Mein Onkel hatte, wie ich schon sagte, einen Zungenfehler. Nicht bedeutend, aber immerhin deutlich genug. Er konnte kein s sprechen. Auch kein z oder tz. Der Kellner stand also an unserem Tisch und und fragte kurzatmig und nervös: «Bitte schehr? Schie wünschen?» Mein Onkel, der keine alkoholarmen Getränke schätzte, sagte gewohnheitsmäßig: «Alscho: schwei Aschbach und für den jungen Schelter oder Brausche. Oder wasch haben Schie schonscht?» «Schehr wohl. Schwei Aschbach. Eine Brausche. Bitte schehr.» Mein Onkel sah meine Mutter mit hochgezogenen Brauen an, als ob er etwas Dringendes von ihr wollte. Aber er wollte sich nur vergewissern, ob er noch auf dieser Welt sei. Dann sagte er mit einer Stimme, die an fernen Geschützdonner erinnerte: «Schagen Schie mal, schind schie wahnschinnig? Schie? Schie machen schich über mein Lischpeln luschtig? Wasch?» Der Kellner stand da und es fing alles an an ihm zu zittern. Seine Hände zitterten, seine Augendeckel, seine Knie, vor allem aber zitterte seine Stimme. Sie zitterte vor Schmerz und Wut und Fassungslosigkeit, als er sich jetzt Mühe gab, auch etwas Geschützdonner ähnliches zu antworten. „Es ischt schamlos von Schie, schisch über mich schu amüsieren! Taktlosch isch dasch, bitteschehr.“ Nun zitterte alles an ihm. Seine Jackenzipfel, seine Haarsträhnen, seine Nasenflügel. Klein, verbittert, verarbeitet, zerfahren, fahrig, farblos, verängstigt, unterdrückt: der Kellner. Ein richtiger Kellner: Verdrossen, stereotyp höflich, geruchlos, ohne Gesicht, nummeriert, verwaschen und trotzdem leicht schmuddelig. Ein kleiner Kellner. Zigarettenfingrig, servil, steril, glatt, gut gekämmt, blaurasiert, gelbgeärgert, mit leerer Hose hinten und dicken Taschen an der Seite, schiefen Absätzen und chronisch verschwitztem Kragen – der kleine Kellner. Und mein Onkel? Ach mein Onkel! Breit, braun, brummend, basskehlig, laut, lachend, lebendig, reich, riesig, ruhig, sicher, satt, saftig – mein Onkel. Der kleine Kellner und mein großer Onkel. Verschieden wie ein Karrrengaul vom Zeppelin. Aber beide kurzzungig. Beide mit demselben Fehler. Beide mit einem feuchten wässerigen weichen sch. Ringsherum sechs- bis siebenhundert Augen und Ohren, Spazierläufer, Kaffeetrinker, Kuchenschleckerer, die den Auftritt mehr genossen als Bier und Brause und Bienenstich. Ach, und mittendrin meine Mutter und ich. Rotköpfig, schamhaft, tief in die Wäsche verkrochen. Und unsere Leiden waren erst am Anfang. «Schuchen Schie schofort den Wirt, Schie aggreschiver Schpatz, Schie. Ich will Schie lehren, Gäschte schu inschultieren.» Mein Onkel sprach jetzt absichtlich so laut, dass den sechs- bis siebenhundert Ohren kein Wort entging. «Haben Schie Schand in den Gehörgängen? Schuchen Schie den Beschitscher, Schie beschoffener SchpaschvogeI. Losch, oder haben Schie die Hosche voll, Schie mischgeschtalteter Schwerg?» Da fasste der kleine Pygmäe sich ein großmütiges, gewaltiges, für uns alle und für ihn selbst überraschendes Herz. Er trat ganz nah an unsern Tisch, wedelte mit seinem Taschentuch über unsere Teller und knickte zu einer korrekten Kellnerverbeugung zusammen. Mit einer kleinen männlichen und entschlossen leisen Stimme, mit überwältigender zitternder Höflichkeit sagte er: «Bitte schehr!» und setzte sich klein, kühn und kaltblütig auf den vierten freien Stuhl an unserem Tisch. Kaltblütig natürlich nur markiert. Denn in seinem tapferen kleinen Kellnerherzen flackerte die empörte Flamme der verachteten gescheuchten missgestalteten Kreatur. Er hatte auch nicht den Mut, meinen Onkel anzusehen. Er saß, sah vor sich hin auf die kaffeeübertropfte grau-weiße Decke, zog seine dicke Brieftasche hervor und legte sie immerhin einigermaßen männlich auf den Tisch. Eine halbe Sekunde riskierte er einen kurzen Aufblick, ob er wohl zu weit gegangen sei mit dem Aufbumsen der Tasche, dann, als er sah, dass der Berg, mein Onkel nämlich, in seiner Trägheit verharrte, öffnete er die Tasche und nahm ein Stück pappartiges zusammengeknifftes Papier heraus, dessen Falten das typische Gelb eines oft benutzten Stück Papiers aufwiesen. Er klappte es wichtig auseinander, verkniff sich jeden Ausdruck von Beleidigtsein oder Rechthaberei und legte sachlich seinen kurzen abgenutzten Finger auf eine bestimmte Stelle des Stück Papiers. Dazu sagte er leise, eine Spur heiser und mit großen Atempausen: «Bitte schehr. Wenn Schie schehen wollen. Schtellen Schie höflischt schelbscht fescht. Mein Pasch. In Parisch geweschen. Barschelona. Oschnabrück, bitte schehr. Allesch ausch meinem Pasch schu erschehen. Und hier: Beschondere Kennscheichen: Schprachfehler scheit Geburt. Bitte schehr. Wie Schie schelbscht schehen!» Das Leben war zu rabenmütterlich mit ihm umgegangen, als dass er jetzt den Mut gehabt hätte, seinen Triumph auszukosten und meinen Onkel herausfordernd anzusehen. Nein, er sah still und klein vor sich auf seinen vorgestreckten Finger und den bewiesenen Geburtsfehler und wartete geduldig auf den Bass meines Onkels. Es dauerte nicht lange, bis der kam. Und als er dann kam, war es so unerwartet, was er sagte, dass ich vor Schreck einen Schluckauf bekam. Mein Onkel ergriff plötzlich mit seinen klobigen viereckigen Tatmenschenhänden die kleinen flatterigen Pfoten des Kellners und sagte mit der vitalen wütend-kräftigen Gutmütigkeit und der tierhaft warmen Weichheit, die als primärer Wesenszug aller Riesen gilt: «Armesch kleinesch Luder! Schind schie schon scheit deiner Geburt hinter dir her und hetschen?» Der Kellner schluckte. Dann nickte er. Nickte sechs-, siebenmal. Erlöst. Befriedigt. Stolz. Geborgen. Sprechen konnte er nicht. Aber sein Herz empfing diese Welle des Mitgefühls wie eine Wüste, die tausend Jahre auf einen Ozean gewartet hatte. Bis an seinen Tod hätte er seine kleinen Hände in den Pranken meines Onkels verstecken mögen! Bis in die Ewigkeit hätte er das hören können, dieses: Armesch, kleinesch Luder! Aber meinem Onkel dauerte das alles schon zu lange. Er ließ seine Stimme wie eine Artilleriesalve über das Gartenlokal hinwegdröhnen und donnerte irgendeinen erschrockenen Kellner an: «Schie, Herr Ober! Acht Aschbach! Aber losch, schag ich Ihnen! Wasch? Nicht Ihr Revier? Bringen Schie schofort acht Aschbach oder tun Schie dasch nicht, wasch?» Dann standen acht Asbach auf dem Tisch. Vier Gläser davon musste der fremde Kellner gleich wieder mitnehmen, sie waren leer, ehe er einmal geatmet hatte. «Laschen Schie dasch da nochmal volllaufen!» befahl mein Onkel und wühlte in den Innentaschen seiner Jacke. Dann pfiff er eine Parabel durch die Luft und legte nun seinerseits seine dicke Brieftasche neben die seines neuen Freundes. Er fummelte endlich eine zerknickte Karte heraus und legte seinen Mittelfinger, der die Maße eines Kinderarms hatte, auf einen bestimmten Teil der Karte. «Schiehscht du, dummesch Häschchen, hier schtehtsch: Beinamputiert und Unterkieferschusch. Kriegschverletschung. Die Öösch haben mir einfach ein Schtick von der Schungenschpitsche abgeschoschen. In Frankreich damalsch.» «Noch bösche?» Der Kellner schüttelte schnell den Kopf hin und her, als wollte er etwas ganz Unmögliches abwehren. «Isch dachte nur schuerscht, Schie wollten mich utschen.» Erschüttert über seinen Irrtum in der Menschenkenntnis wackelte er mit dem Kopf immer wieder von links nach rechts und wieder zurück. Und nun schien es mit einmal, als ob er alle Tragik seines Schicksals damit abgeschüttelt hätte. Sein neuer Lebensabschnitt, den er an der Riesentatze meines Onkels betrat, begann mit einem kleinen aufstoßenden Lacher, einem Gelächterchen, zage, scheu, aber von einem unverkennbaren Asbachgestank begleitet. Und mein Onkel war nun so unglaublich selig, dass er endlich, endlich lachen konnte. Er lachte los, als ob er ein Riesensaurier wäre, dem diese Urweltlaute entrülpsten. Der kleine Kellner, der unter dem heißen Alkoholatem meines Onkels ein neuer Mensch geworden war, schien den ersten Teil seines neuen Lebens gleich mit einer ganzen Ziegenmeckerlachepoche beginnen zu wollen. Er mähte, bähte, gnuckte und gnickerte wie eine ganze Lämmerherde auf einmal. Und als die beiden Männer nun noch vier zusätzliche Asbachs über ihre kurzen Zungen schütteten, wurden aus den schüchternen kleinen Kellnerlämmern ganz gewaltige hölzern meckernde steinalte weißbärtige blechscheppernde blödblökende Böcke. Diese Verwandlung vom kleinen giftigen tauben verkniffenen Bitterling zum andauernd, fortdauernd meckernden blechern blökenden Ziegenbockmenschen war selbst meinem Onkel etwas ungewöhnlich. Sein Lachen vergluckerte langsam wie ein absaufender Felsen. Er glotzte auf den unter Lachstößen bebenden weißbejackten Kellnerzwerg, der sich vorgenommen hatte, fortan als ein riesenhafter boshaft bähender Bock sein Leben fortzusetzen. Es gelang ihm, so viel Luft zwischen dem Gelächter einzusparen, dass er nun Schreie in die Luft wiehern konnte. «Schischyphusch!» schrie er und patschte sich gegen die nasse Stirn. «Schischyphusch! Schiiischyyyphuuusch!» Er hielt sich mit beiden Händen an der Tischplatte fest und wieherte: «Schischyphusch!» Als er fast zwei Dutzend mal gewiehert hatte, wurde meinem Onkel das Schischyphuschen zuviel. Er zerknitterte dem unaufhörlich wiehernden Kellner mit einem einzigen Griff das gestärkte Hemd, schlug mit der anderen Faust auf den Tisch, dass zwölf leere Gläser an zu springen fingen, und donnerte ihn an: «Schlusch! Schlusch, schag ich jetscht. Wasch schoIl dasch mit dieschem blödschinnigen schaudummen Schischyphusch? Schlusch jetscht, verschtehscht du!» Der Griff und der gedonnerte Bass meines Onkels machten aus dem Schischyphusch-schreienden Ziegenbock im selben Augenblick wieder den kleinen lispelnden armseligen Kellner. Er stand auf. Er stand auf, als ob es der größte Irrtum seines Lebens gewesen wäre, dass er sich hingesetzt hatte. Er fuhr sich mit dem Serviettentuch durch das Gesicht und räumte Lachtränen, Schweißtropfen, Asbach und Gelächter wie etwas hinweg, das fluchwürdig und frevelhaft war. Er war aber so betrunken, dass er alles für einen Traum hielt, die Pöbelei am Anfang, das Mitleid und die Freundschaft meines Onkels. Und für alle Fälle machte er eine abgehackte kleine Verbeugung und flüsterte: «Verscheihung! Ja, verscheihen Schie dasch Schischyphusmgeschrei. Bitte schehr. Verscheihen der Herr, wenn ich schu laut war, aber der Aschbach, Schie wischen ja schelbscht, wenn man nichtsch gegeschen hat, auf leeren Magen. Bitte schehr darum. Schischyphusch war nämlich mein Schpitschname. Ja, in der Schule schon. Die gansche Klasche nannte mich scho. Schie wischen wohI, Schischyphusch, dasch war der Mann in der HöIle, diesche alte Schage, wischen Schie, der Mann im Hadesch, der arme Schünder, der einen groschen Felschen auf einen rieschigen Berg raufschieben schollte, eh, muschte, ja, dasch war der Schischyphusch, wischen Schie wohI. In der Schule muschte ich dasch immer schagen, immer diesch Schischyphusch. Und allesch hat dann gepuschtet vor Lachen, können Schie schich denken, werter Herr. Allesch hat dann gelacht, wischen Schie, schintemalen ich doch die schu kursche Schungenschpitze beschitsche. Scho kam esch, dasch ich schpäter überall Schischyphusch geheischen wurde und gehänschelt wurde, schehen Schie. Und dasch, verscheihen, kam mir beim Aschbach nun scho insch Gedächtnisch. Verscheihen Schie, ich bitte schehr, verscheihen Schie, wenn ich Schie beläschtigt haben schollte, bitte schehr.» Er verstummte. Seine Serviette war indessen unzählige Male von einer Hand in die andere gewandert. Dann sah er auf meinen Onkel. Jetzt war der es, der still am Tisch saß und vor sich auf die Tischdecke sah. Er wagte nicht, den Kellner anzusehen. Mein Onkel, mein bärischer bulliger riesiger Onkel wagte nicht, aufzusehen und den Blick dieses kleinen verlegenen Kellners zu erwidern. Er schob dem still abwartenden Kellner einen mächtigen Geldschein hin, winkte ungeduldig ab, als der ihm zurückgeben wollte, und stand auf, ohne jemanden anzusehen. Mein Onkel nahm seinen Stock, wir standen auf, meine Mutter stützte meinen Onkel und wir gingen langsam auf die Straße zu. Keiner von uns dreien sah auf den Kellner. Meine Mutter nicht, ich nicht, weil wir uns schämten. Mein Onkel nicht, weil er Tränen in den Augen sitzen hatte. Und plötzlich tat mir der kleine Kellner leid. Als wir am Ausgang des Gartens um die Ecke biegen wollten, sah ich mich schnell noch einmal nach ihm um. Er stand noch immer an unserem Tisch. Sein weißes Serviettentuch hing bis auf die Erde. Er schien mir noch viel viel kleiner geworden zu sein. Er tat mir so unendlich leid, dass ich meinen Onkel an die Hand tippte, aufgeregt und leise sagte: «Ich glaube, jetzt weint er.» Mein Onkel blieb' stehen. Er sah mich an und noch einmal sagte ich, ohne genau zu verstehen, warum ich es eigentlich tat: «Oh, er weint. Kuck mal, er weint.» Da ließ mein Onkel den Arm meiner Mutter los, humpelte schnell und schwer zwei Schritte zurück, riss seinen Krückstock wie ein Schwert hoch und stach damit in den Himmel und brüllte mit der ganzen großartigen Kraft seines gewaltigen Körpers und seiner Kehle: «Schischyphusch! Schischyphusch! Hörscht du? Auf Wiederschehen, alter Schischyphusch! Bisch nächschten Schonntag, dummesch Luder! Wiederschehen!» Noch einmal fegte er mit seinem Krückstock über den Himmel, als wollte er die Sonne herunterraken, und noch einmal donnerte er sein Riesenlachen über die Tische des Gartenlokals hin: «Schischyphusch, Schischyphusch!» Und Schischyphusch, der kleine graue arme Kellner, hob seine Serviette und fuhr damit auf und ab wie ein wildgewordener Fensterputzer. Er wischte die ganze graue Welt, alle Gartenlokale der Welt, alle Kellner und alle Zungenfehler der Welt mit seinem Winken endgültig und für immer weg aus seinem Leben. Und er schrie schrill und überglücklich zurück, wobei er sich auf die Zehen stellte, und ohne sein Fensterputzen zu unterbrechen: «Ich verschtehe! Bitte schehr! Am Schonntag! Ja, Wiederschehen! Am Schonntag, bitte schehr!» Dann bogen wir um die Ecke. Mein Onkel griff wieder nach dem Arm meiner Mutter und sagte leise: «Ich weisch, esch war schicher entschetschlich für euch. Aber wasch schollte ich andersch tun, schag schelbscht. Scho'n dummer Hasche. Läuft nun schein gansches Leben mit scho einem garschtigen Schungenfehler herum. Armesch Luder dasch!» MUSIK: Downton Abbey / The Suite + Love and The Hunter / “Downton Abbey” / Original Music from the TV Series Das war: Ganz wie Sie wünschen - die Lange Nacht der dienstbaren Geister von Rüdiger Heimlich es sprachen: Nicole Engeln, Barbara Stoll, Thomas Anzenhofer, Jonas Baeck und Volker Risch für den guten Ton sorgten: Hanna Steger und Michael Morawietz Musikauswahl und Regie: Claudia Mützelfeldt Redaktion: Monika Künzel Musik Musikliste 1. Stunde Titel: Lost in America Länge: 01:25 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Trevor Jones Label: Walt Disney Records Best.-Nr: 674408-2 Plattentitel: Around the world in 80 days (In 80 Tagen um die Welt) - An original Walt Disney Records soundtrack Titel: Pull yourself together Länge: 01:48 Interpret: James Shearman Komponist: Patrick Doyle Label: Decca Best.-Nr: 470387-2 Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Us and them Länge: 01:52 Interpret: Alastair King Komponist: John Lunn Label: Decca Best.-Nr: 3714465 Plattentitel: Downtown Abbey - The Essential Collection Titel: Berlin. Die Sinfonie der Großstadt. Musik zu dem gleichnamigen Stummfilm von Edmund Meisel 1. Akt, Länge: 04:30 Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Dirigent: Frank Strobel Komponist: Edmund Meisel Label: CAPRICCIO Best.-Nr: C5067 Titel: March (from Little Suite) British Light Music Classics (CD 2/4) Länge: 03:25 Orchester: The New London Orchestra Dirigent: Ronald Corp Komponist: Diverse Label: Hyperion Best.-Nr: CDS44262 Titel: Pull yourself together Länge: 01:48 Interpret: James Shearman Komponist: Patrick Doyle Label: Decca Best.-Nr: 470387-2 Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: The Wager Länge: 05:09 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Trevor Jones Label: Walt Disney Records Best.-Nr: 674408-2 Plattentitel: Around the world in 80 days - An original Walt Disney Records soundtrack Titel: Queen and country Länge: 02:39 Orchester: Orchester Komponist: Paul Pritchard Label: KPM MUSIC Best.-Nr: KPM786 Titel: Royal procession Länge: 02:53 Orchester: Orchester Komponist: Daryl Griffith Label: KPM MUSIC Best.-Nr: KPM786 Titel: Chuyen the Länge: 03:30 Interpret: Tran Quang Hai Komponist: N. N. Label: Eulenspiegel Best.-Nr: EUCD1547 Plattentitel: Music from Vietnam & Cambodia Titel: Batman theme (1989 movie) Länge: 04:53 Interpret: Waldman, Randy / O'neill, Michael Komponist: Danny Elfman Label: BFM JAZZ Plattentitel: Superheroes 2. Stunde Titel: A portrait returns/ Darlington Hall/ End credits Länge: 06:54 Interpret: Harry Rabinowitz Komponist: Richard Robbins Label: Angel Best.-Nr: 755029-2 Plattentitel: Remains of the day Titel: Good luck Länge: 01:30 Interpret: James Shearman Komponist: Patrick Doyle Label: Decca Best.-Nr: 470387-2 Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Bored to Sobs Länge: 01:31 Interpret: James Shearman Komponist: Patrick Doyle Label: Decca Best.-Nr: 470387-2 Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Gnossienne Nr. 5 Länge: 04:06 Interpret: Orchestre Nationale de France Komponist: Erik Satie Label: Decca Best.-Nr: B000VFS45M Plattentitel: Satie: The Magic of Satie Titel: Joyful and ceremonial Länge: 02:33 Interpret: Orchester Komponist: Paul Pritchard Label: KPM MUSIC Best.-Nr: KPM786 Plattentitel: England - orchestral Titel: Catch me if you can (Reprise and end credits) Länge: 05:14 Interpret und Komponist: John Williams Label: Dreamworks Best.-Nr: 450410-2 Plattentitel: Catch me if you can Titel: Learning the ropes Länge: 04:44 Interpret und Komponist: John Williams Label: Dreamworks Best.-Nr: 450410-2 Plattentitel: Catch me if you can Titel: The airport scene Länge: 02:26 Interpret und Komponist: John Williams Label: Dreamworks Best.-Nr: 450410-2 Plattentitel: Catch me if you can Titel: Catch me if you can Länge: 05:41 Interpret und Komponist: John Williams Label: Dreamworks Best.-Nr: 450410-2 Plattentitel: Catch me if you can 3. Stunde Titel: Louis leaves Länge: 01:36 Interpret und Komponist: Rodrigo Leao Label: Verve Best.-Nr: B0019255-02 Plattentitel: The Butler - Original Motion Soundtrack Titel: Life goes on Länge: 02:28 Interpret: James Shearman Komponist: Patrick Doyle Label: Decca Best.-Nr: 470387-2 Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Mr. Parks Länge: 01:48 Interpret, Komponist und Label: siehe oben Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Rather a pasting Länge: 01:34 Interpret, Komponist und Label: siehe oben Plattentitel: Gosford Park - Original motion picture soundtrack Titel: Mr. Moustafa Länge: 03:04 Interpret: Mark Graham Komponist: Alexandre Desplat Label: ABKCO/LONDON Best.-Nr: 1877181302 Plattentitel: The Grand Budapest Hotel - Original motion picture soundtrack Titel: Narcissus (Idyll) Länge: 05:15 Interpret: Helmuth Brandenburg Komponist: Ethelbert Nevin Label: RCA Records Label Best.-Nr: 155815-2 Plattentitel: Titanic - The last Good-Bye Titel: Downton Abbey - The Suite Länge: 07:09 Interpret: Chamber Orchestra Of London Komponist: John Lunn Label: Decca Best.-Nr: 3714465 Plattentitel: Downton Abbey - The Suite Titel: Love and the hunter Länge: 03:17 Interpret: Alastair King Komponist und Label: siehe oben Plattentitel: Downtown Abbey - The Essential Collection Literatur Céleste Albaret. Monsieur Proust. Aufgezeichnet von George Belmont. Aus dem Französischen übertragen von Margaret Garboux. Kindler 1974. ISBN 3463 00575 1. Seite 92 – 95, 200 – 210. Wolfgang Borchert. Schischyphus oder der Kellner meines Onkels. In: Ders., Draußen vor der Tür. Mit einem Vorwort von Heinrich Böll. Hamburg: Rowohlt 1986. 580 ISBN 349910170 x, S. 94 - 103 Paul Burrell. Im Dienste meiner Königin. Knauer 2003. S. 46 – 52; 80 - 82. ISBN 3-426-77786-X Eoin Colfer. Artemis Fowl. Roman. Band 1. S. 1-5. Übersetzung: Claudia Feldmann. List Verlag. 7. Auflage, 2001. ISBN-10: 3471772510 Kazuo Ishiguro, Was vom Tage übrig blieb. Roman. Wilhelm Heyne Verlag, München 2016. S. 36 – 56. ISBN 978 3 453 42160 8 Birgit Kienzle, Julie die Magd. Ich habe nur ein Recht gehabt, kein Recht zu haben. Rowohlt 1983. 680-ISBN 3 499 15129 4. S 43 ff. Madeleine Lamouille. Wir werden sie Marie nennen. Erinnerungen eines Zimmermädchens. Hrsg. von Luc Weibel. Aus dem Französischen von Klara Obermüller. 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