Fröhlich wie selten Eine Lange Nacht über den Schriftsteller Jurek Becker Autorin: Vera Teichmann Regie: Vera Teichmann Redaktion: Dr. Monika Künzel Tongestaltung: Marian Boldt Sprecher: Luise Helm / Erzählerinin Matthias Brandt / Jurek Becker O-Töne: Jurek Becker Rieke Becker / gesch. Ehefrau Christine Becker / verw. Ehefrau Helge Braune/ Schulfreund Manfred Krug/ Jugendfreund Nicolas Becker/ Freund, jur. Berater Sendetermine: 30. Dezember 2017 Deutschlandfunk Kultur 30./31. Dezember 2017 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Musik Sprecher Jurek Becker: Ich wurde am, in, als einziges. Mein Vater war, meine Mutter. Bei Kriegsanbruch kam ich, wo ich bis zum. Nach Ende des blieb mein Vater mit mir, was ich bis heute nicht. Er hätte doch auch. Jedenfalls ging ich zur und wurde ein halbwegs normales. Das änderte sich, als ich den Beruf eines. Wenn ich auf mein bisheriges zurückblicke, dann muss ich leider sagen. Erzählerin: Diesen Lebenslauf schrieb Jurek Becker 1996 auf eine Postkarte und schickte sie seinem Freund Joachim Sartorius. Auf der Vorderseite der Karte ist die unfertige und doch unverkennbare Stahlkonstruktion des Eiffelturms während der Bauphase zu sehen. So, wie der Betrachter vor seinem inneren Auge den vollständigen Turm sehen wird, soll er gedanklich auch die Leerstellen im biografischen Gerüst auf der Rückseite ergänzen. Der Autor des Romans „Jakob der Lügner“ und der erfolgreichen Fernsehserie „Liebling Kreuzberg“ beherrschte es meisterhaft, literarische Miniaturen auf Postkarten zu schreiben. Sie seien, so hat es sein Sohn Leonhard einmal formuliert, überhaupt das Schönste, was er je geschrieben habe. „In diesen kleinen Karten, in der vorgegeben, komprimierten Form, ist der ganze Jurek Becker da. Sein Witz, sein Charme, seine Lust am Erfinden und Erzählen von Geschichten, seine Klugheit und sein ungeheures Wachsein.“, erinnert sich Joachim Satorius. Musik Erzählerin: Ob Jurek Becker ein fröhlicher Mensch war, wurde der Literaturkritiker Marcel Reich Ranicki, der ihn recht gut gekannt hat, einmal von einem interessierten Leser gefragt. Die Antwort: „Er war ein begabter, witziger, freundlicher, liebenswürdiger Mensch. Ein fröhlicher? Er war Jude, und ich bin nicht sicher, ob ein Jude, der das erleben musste, was Becker erlebt hat, fröhlich sein kann.“ Die Menschen, die mit Jurek Becker zusammen gelebt haben, beschreiben ihn als brillanten Erzählerin von Witzen, vor allem von jüdischen, wobei er bereits vor der Pointe, die er ja kannte, selbst so lachen musste, das er alle anderen angesteckte. Als leidenschaftlichen Skat- und Tavlis-Spieler, der sich bei ausgedehnten Spielrunden mit seinen Freunden am besten entspannen konnte. Als aufmerksamen Gastgeber, der Familie und Freunde vor allem mit einem perfekt gekochten Tscholent beglückte, einem Eintopf, der vornehmlich aus großen Mengen von Fleisch besteht. Als Sportfanatiker, den ausnahmslos alle Disziplinen interessierten, wenn auch manche mehr als andere. Als Musikliebhaber, vor allem von Boogie-Woogie, den er auch begnadet tanzen konnte. Entscheidend für seinen Gemütszustand war vielleicht weniger das, was Jurek Becker im Leben widerfahren ist, als vielmehr die Haltung, die er beschlossen hat, dazu einzunehmen: Was man nicht ändern kann, darüber lohnt es nicht zu grübeln, aber für das, was man in der Hand hat, lohnt es zu kämpfen. Diese Lange Nacht ist dem Gedenken an das bewegte Leben des Schriftstellers Jurek Becker gewidmet, der am 30. September 2017 seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte. Und apropos Musik – die Musik in dieser Sendung stammt von den Schallplatten und CDs aus Jurek Beckers Sammlung, die seine Ehefrau Christine Becker zur Verfügung gestellt hat. Musik Erzählerin: Jerzy Becker, genannt Jurek, kam am 30. September 1937 in Lodz zur Welt. Seine Eltern waren polnische Juden; Mieczyslaw - Mjetek - Becker arbeitete als Prokurist in der Textilfabrik eines Verwandten, seine Frau Anette war bis zu ihrer Ehe als Näherin in einer der zahlreichen Bekleidungsfabriken der Stadt beschäftigt. Die Muttersprache beider Eltern war Jiddisch, doch nach der Geburt ihres Sohnes sprachen sie polnisch miteinander. Religiösen Traditionen fühlten sich beide kaum verpflichtet, vielmehr wollten sie ihr Kind modern erziehen, damit es seinen Platz in der polnischen Gesellschaft finden konnte. „Wenn es keinen Antisemitismus gegeben hätte“, würde Mjetek Becker später zu seinem Sohn sagen, „glaubst du, ich hätte mich auch nur eine Sekunde als Jude gefühlt?“ Im Geburtsjahr von Jurek Becker lebten etwa 3 Millionen Juden in Polen; von den rund 700 000 Einwohner in Lodz war ein Drittel jüdisch. Die antisemitisch eingestellte Regierung, die zwei Jahre zuvor an die Macht gekommen war, wollten den polnischen Juden jedoch die bürgerlichen Rechte entziehen, sie vom wirtschaftlichen und kulturellen Leben ausschließen und einen Großteil der jüdischen Bevölkerung ausbürgern. Ausschreitungen und gewalttätige Übergriffe gegen Juden waren seither an der Tagesordnung. Auf dieses Klima trafen die deutschen Truppen, die am 1. September 1939 in Polen einmarschierten. In Lodz, das nun Litzmannstadt hieß, wurde ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung errichtet. Im März 1940 musste Familie Becker ihre Wohnung in einem relativ wohlhabenden Viertel der Stadt verlassen und ein Zimmer innerhalb der Ghettogrenzen beziehen. Sprecher Jurek Becker: Als ich zwei Jahre alt war, kam ich in dieses Ghetto, mit fünf verließ ich es wieder in Richtung Lager. So hat man es mir erzählt, so steht es in meinen Papieren, so war folglich meine Kindheit. Manchmal denke ich: Schade, dass dort nicht etwas anderes steht. Jedenfalls kenne ich das Ghetto nur vom dürftigen Hörensagen. Erzählerin: Im Februar 1943 wurde die Familie getrennt. Jurek und seine Mutter deportierte man in das Konzentrationslager Ravensbrück und von dort aus nach Sachsenhausen bei Berlin. Der arbeitsfähige Mieczyslaw Becker blieb zunächst noch im Ghetto, bis ihn einer der letzten Transporte von dort nach Ausschwitz brachte. Er überlebte und suchte nach Kriegsende seine Familie mit Hilfe der American Jewish Joint Distribution Organisation. Seine Frau Anette, erfuhr er, war kurz nach der Befreiung des Lagers Sachsenhausen an Unterernährung gestorben und auf dem Friedhof in Sachsenhausen beerdigt. Seinen Sohn fand er schwer krank im provisorischen Krankenhaus des Lagers. Jurek erkannte in dem ausgemergelten, weißhaarigen Mann seinen Vater nicht wieder und auch Mjetek konnte sich nur anhand der kleinen Muttermale auf Jureks Stirn über dessen Identität Gewissheit verschaffen. Die Familie Becker, mit einer ehemals weit verzweigten Verwandtschaft in Polen, hatte sich auf Vater und Sohn reduziert. O-Ton Jurek Becker, aus „Mein Judentum“, 1, 4:42 – 2, 1:07: „Nach dem Krieg blieb mein Vater mit mir in Berlin, aus Gründen, hinter die ich wieder nur mit Vermutungen kommen kann. (...) Ich denke mir, dass er im Krieg insofern die Heimat verloren hatte, als Heimat in erster Linie aus ja aus Menschen besteht und nicht aus Landschaft; aus Verwandten, Freunden, Vertrauten. Die waren nicht mehr da, die waren tot, im glücklichsten Fall spurlos verschwunden. So hat mein Vater nach den Grundsatz gehandelt, dass einer, der sich nirgendwo hingezogen fühlt, am bequemsten gerade da bleiben kann, wo er gerade ist. Nur über ein einziges seiner Motive hat er gelegentlich Andeutungen gemacht, wenn auch nicht klipp und klar, aber doch so, dass ich mir nach und nach einen Reim darauf machen konnte. Er hat gemeint, in seiner alten Umgebung, in Polen, sei der Antisemitismus ja nicht erst mit dem Auftauchen der Deutschen entstanden. Und je weniger Juden es dort gebe, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass man ihnen das Leben sauer machte. Einmal hat er gesagt: ‘Schließlich sind es ja nicht die polnischen Antisemiten, die den Krieg verloren haben.‘ Er hat gehofft, dass die Diskriminierung von Juden gerade an dem Ort, an dem sie ihre schrecklichsten Formen angenommen hatte, am gründlichsten besiegt werden würde. Und als er starb, im Jahr ’72, war er der guten Überzeugung, sich wenigstens in diesem Punkt nicht geirrt zu haben. Musik Erzählerin: Mjetek Becker fürchtete, als „Displaced Person“ nach Polen repatriiert zu werden. Bei der Registrierung als Opfer des Faschismus gab er daher Max als Vornamen und Fürth als Geburtsort an, nachdem er erfahren hatte, dass das dortige Rathaus mitsamt allen Unterlagen bei einem Bombenangriff restlos niedergebrannt war. Jurek wurde offiziell zu Georg Becker. Vater und Sohn bekamen eine Wohnung im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg zugewiesen, nach dem Krieg eine der ärmsten Gegenden im Russischen Sektor Berlins. Um seinen Sohn so gut wie möglich zu versorgen, handelte Mjetek Becker, wie viele andere, auf dem Schwarzmarkt. Er sprach mit Jurek ausschließlich Deutsch, damit dieser die Sprache schneller lernte. Mjetek selbst sprach Zeit seines Lebens mit einem deutlichen Akzent. In seiner ersten Poetik-Vorlesung an der Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe Universität im Mai 1989, schildert der Schriftsteller, wie er sich die deutsche Sprache angeeignet hat: O-Ton Jurek Becker aus „Warnung vor dem Schriftsteller. Frankfurter Vorlesungen zur Poetik“ 2, 0:23 – 2:55: 1946, mit neun Jahren, ging ich zum ersten Mal in eine Schule, einen Kopf größer als alle anderen. Für keine schulische Leistung belohnte mein Vater mich so reichlich, wie für gute Noten bei Diktat und Aufsatz. Wir entwickelten gemeinsam ein übersichtliches Lohnsystem: Für eine geschriebene Seite gab es im Idealfall eine Summe von fünfzig Pfennig, jeder Fehler brachte einen Abzug von fünf Pfennig. So lernte ich nebenbei Rechnen. In der ersten Zeit verdiente ich kaum etwas, obwohl ich in so großen Buchstaben schrieb, dass es an Betrug grenzte. Aber ich bin ehrgeizig; manche Fehler konnte ich nicht vermeiden, weil ich es nicht besser wusste, doch für die, die ich aus Vergesslichkeit oder aus Flüchtigkeit machte, hasste ich mich. Ich konnte das jeweils nächste Diktat kaum erwarten; natürlich ging es von Mal zu Mal besser. Bald wurde meinem Vater die Sache zu teuer und er handelte mich auf zehn Pfennig pro Fehler und später noch weiter nach oben. Allerdings ging es mir nicht nur ums Geldverdienen: Je weniger Fehler ich beim Schreiben und beim Sprechen machte, um so mehr stieg mein Ansehen in der Schule oder genauer gesagt: umso mehr nahm die Verachtung ab. Es war ja nicht eben prestigeträchtig, zu den gestern noch Verfolgten zu gehören, und wenn man dazu noch als einziger weit und breit nicht richtig sprechen konnte und wenn man zu allem Unglück auch noch die Klassenkameraden, richtiger müsste ich sagen: die Klassenfeinde, um ein hübsches Stück überragte, dann brauchte man nicht lange nach Problemen zu suchen. Es war für mich beinahe eine Existenzfrage, so schnell wie möglich mein Deutsch zu verbessern. Je eher ich die Fehler ausmerzte, umso seltener wurden die anderen darauf gestoßen, dass ich ein Fremder war. Und wenn die Fehler ganz und gar aufhörten, würden sie mich eines Tages, wenn auch fälschlicher Weise, für einen der ihren halten. Dass mein Vater die ganze Sache auch noch hoch subventionierte, beschleunigte den Lernprozess; schon in der dritten Klasse machte ich nur noch solche Fehler, die keinem auffielen.“ Erzählerin: Durch Schwarzmarktgeschäfte und Interzonenhandel gelangt Mjetek Becker zu einem bescheidenen Wohlstand. In der Wohnung gibt es viele Bücher und ein Klavier, auf dem sein Sohn leidlich zu spielen lernt. Jurek bekommt ein Fahrrad, ein Radio, eine Kamera mit Teleobjektiv und eine Schreibmaschine geschenkt. Sein erklärter Berufswunsch: Schriftsteller. Vater und Sohn begeistern sich für Sport – eine Leidenschaft, die Jurek Becker immer erhalten bleiben sollte. Jurek lernt Boxen und wird ein recht erfolgreicher Tischtennisspieler. Seine frühe Kindheit ist aus seinem Gedächtnis gelöscht, er hat keine Erinnerungen an die Zeit im Ghetto und im Lager - ebenso wenig an seine Mutter, von der nicht einmal ein Foto existiert. Mjetek Becker spricht nie mit seinem Sohn über die Vergangenheit. O-Ton Jurek Becker aus „Mein Judentum“, 1, 2:02 – 4:40: „Von anderen Leuten weiß ich, dass deren Kindheitserinnerungen sehr viel weiter zurück reichen als meine. Und weil ich mich nicht damit abfinden wollte, dass es bei den anderen eben so und bei mir anders ist, und schon gar nicht, dass in meinem Kopf irgendetwas nicht richtig funktioniert, habe ich viel Zeit dafür verbraucht, den Grund für diesen Unterschied zu finden. (...) Ich habe mir errechnet: Zum einen muss der eigenartig späte Beginn meiner Erinnerung natürlich etwas mit Verdrängung zu tun haben. Ein Schutzmechanismus, dessen Vorhandensein wohl ein Glück ist, könnte mich von einer schlimmen Zeit trennen und so in gewisser Weise vor ihr bewahren. Zum zweiten, denke ich mir, wird es auch kaum etwas zum Erinnern gegeben haben. Die Tage im Lager werden in grauer Ereignislosigkeit vergangen sein, begleitet von Begebenheiten, die nur für Erwachsene aufregend gewesen sein mögen – weil nur sie die Lebensbedrohung hinter allem erkannt haben -, für Kinder aber öde und ununterscheidbar. Zum dritten schließlich, so vermute ich, wird das, was ich damals geführt habe, kaum Leben genannt werden dürfen; gerade so verdiente es den Namen Existieren. Ein Zustand der Dumpfheit und Stumpfheit, in dem Lebensfunktionen auf ein Minimum reduziert waren, in dem jede Tätigkeit nur von ihrem Nutzen fürs Überleben bestimmt wurde, in dem kein Raum war für Beobachtungen und für Neugier und für intellektuelles Hin und Her. Vermutlich wird alles, was geschah, von einer Art gewesen sein, dass derjenige, der ich damals war, es nicht für wert hielt, in der Erinnerung bewahrt zu werden. Und diese drei Umstände – so lautet endlich meine Schlussfolgerung – haben die Zeit bis zur Befreiung aus meinem Gedächtnis gelöscht. Sicher nicht ganz und gar, sicher nicht so vollständig, dass man sagen könnte, da sei absolut nichts mehr. Aber doch so gründlich, dass das bisschen, was übriggeblieben ist, kaum Erinnerung genannt werden darf.“ Erzählerin: Bei anderer Gelegenheit hat Jurek Becker es so formuliert, dass seine frühe Kindheit fest in einem Gepäckstück verschlossen sei, das er seither mit sich herum trage, ohne es öffnen zu können. Das wolle er auch gar nicht, denn eben dieser Tatsache verdanke er den Umstand, dass er in der Lage sei, ein relativ freudvolles Leben zu führen. Musik Erzählerin: In der ersten Hälfte der 50er Jahre begegnet Jurek Becker drei Menschen, die ihn sein Leben lang begleiten werden. Einer davon ist der Schulfreund Helge Braune. Der erinnert sich an den Beginn des Jahres 1954: O-Ton Helge Braune 4:46, 6:10-7:42: Ich stamme aus Magdeburg und als ich 16 Jahre alt war, hat meine Mutter wieder geheiratet und bei der Gelegenheit sind wir nach Ostberlin gezogen. (...) Und bei der Gelegenheit musste ich natürlich auch die Schule wechseln. Und als ich in die Klasse kam, war Jurek nicht da. Der hatte in Hamburg bei irgendeinem jüdischen Verein ne Erholung gehabt. Und ich kam da in die Klasse und da war sein Platz frei und da durfte ich dann erstmal sitzen, die ersten Tage. Und dann kam er wieder und wunderte sich: wat machst du hier, das ist hier doch mein Platz! So ähnlich. Also musste ich weg und wurde umorganisiert. Da haben wir uns kennen gelernt, erstmal. Und befreundet, das hat dann noch ein Weilchen gedauert, bis wir uns befreundet haben. Jurek hat oft so Kumpels oder Mitschüler mit nach Haus genommen. Er wohnte mit seinem Vater in einer Zweizimmerwohnung in der Lippehner Strasse und hat Kumpels mit nach oben gebracht. (...) Und irgendwann war ich auch mal dran, mit Jurek mit zu gehen und da rum zu gammeln, Musik zu hören, ein bisschen zu reden und für die Schule was zu lernen. So hat das begonnen. Erzählerinin Die Freunde verbindet die Liebe zur Musik, insbesondere zum Jazz und Blues, den sie regelmäßig bei ‚Frolic At Five’ auf AFN hören und den Jurek auf dem Klavier nach zu spielen versucht. Beide sammeln Schallplatten, die sie einander ausleihen. Nach dem Abitur wird Jurek Becker, der auf Wunsch seines Vaters bereits Mitglied der FDJ ist, als Kandidat in die SED aufgenommen. Er beschließt, freiwillig zwei Jahre lang bei der Kasernierten Volkspolizei zu dienen und wird nach einer dreimonatigen Grundausbildung in Ludwigsfelde dem Wachschutz im Zentralkomitee der SED in Berlin zugeteilt. So kann er zuhause wohnen und hat während der stupiden Tätigkeit ausreichend Freiraum, um sich durch Lesen auf seinen späteren Beruf vorzubereiten. Aus dieser Zeit, erklärte Jurek Becker später, resultierte seine Abneigung gegen blinden Gehorsam und seine Freude am eigenen Denken. Helge Braune, der Bauingenieur werden wollte, jedoch keinen Studienplatz bekam, holte unterdessen das Abitur im Westen nach und schrieb sich anschließend an der TU ein. Als kurz darauf die Berliner Mauer errichtet wurde, entschloss er sich zur Flucht und kroch im August 1961 nachts durch die Kanalisation vom Prenzlauer Berg in den Westbezirk Wedding. O-Ton Helge Braune, 18:03 - 19:50: Jurek hat was geahnt. Ich hab noch zu ihm gesagt: Du meine Schallplatten kannst du mir mal irgendwann wieder geben. Und er wusste: Willst du weg oder hast du ne Möglichkeit? Ich hab’s ihm dann anvertraut. (...) Er wusste nicht wann oder wo, aber das war dann klar. Und wieder gesehen haben wir uns in den 11 Jahren bis ich wieder rüber durfte einmal. Da hatte er irgendeine Recherche zu machen für ein Buch, ich glaube das war (...) „Irreführung der Behörden“, ich weiß nicht mehr für welches Buch. Irgendwann hat er sich einen Vorwand ausgedacht und wollte da Akteneinsicht nehmen bei der jüdischen Gemeinde und da hat er eine Sondererlaubnis bekommen, mal nach Westberlin zu fahren. Da haben wir uns dann getroffen. (...) Und dann haben wir uns erst wieder gesehen, nachdem der Grundlagenvertrag in Kraft war und ich wieder rüber durfte und nicht mehr auf der Fahndungsliste stand. Erzählerin: Ab 1973 besucht Helge Braune einmal im Monat die Familie Becker in Ostberlin. Jurek, der sich mit Westsendern über das Weltgeschehen informiert, hat den Stil eines Handspatens ausgehöhlt, damit Helge ihm darin Zeitschriften mit dem Fernsehprogramm hinüberschmuggeln kann. Natürlich hat Helge auch manchmal eine Schallplatte im Gepäck: O-Ton Helge Braune, 1:58:50 – 1:59:18 Als der Vince Weber neu rauskam auf den Markt, da habe ich ihm eine Platte rüber geschmuggelt. Jurek kannte den noch gar nicht, ich auch gerade erst so, aber ich dachte, das ist Jureks Musik. 1975 war das, seine erste Platte habe ich rüber geschmuggelt, und da ist Jurek voll drauf abgefahren: I’m the Boogie Man! Musik: Vince Weber, Boogie Man Erzählerin: Anstelle von Bauingenieur ist Helge Braune Pharmareferent geworden, doch die Leidenschaft fürs Bauen ist ihm geblieben. Er sammelt Anker Steinbaukästen, die Konstruktionspläne für den Nachbau von Architekturmodellen sowie die dafür erforderlichen Sandsteine enthalten. Dieses auf die Brüder Lilienthal zurückgehende Spielzeug für Kinder und Erwachsene wurde in der DDR noch bis in die 60er Jahre hinein gefertigt; 1963 stellte der VEB Anker Steinbaukästen in Rudolstadt den Betrieb ein. Jurek Becker, der das Hobby seines Freundes kannte, revanchierte sich eines Tages mit einem überraschenden Geschenk: O-Ton Helge Braune 1:22:00 – 1:23:00: Und eines schönen Tages komm ich wieder rüber, das war 1975 irgendwann, und er sagt, „komm, wir gehen mal in den Keller.“ Da hat er in einem Raum im Keller stapelweise Steinbaukästen da gehabt: „Guck mal, was ich habe!“ Ich sage: „Jetzt fängst du auch an?!“ „Nee, die habe ich zusammengekauft für dich. Schenk’ ich dir, sollst du alle haben.“ (1:32:18 -1:32:32) Das hat der heimlich gemacht, das hat er alles peu à peu zusammengesammelt, um mir das dann alles zu zeigen – guck, mal, was ich hier habe! Das ist Jurek! Erzählerin: Die Steinbaukästen seines Freundes arbeitet Jurek Becker später in das Drehbuch zur Fernsehserie „Wir sind auch nur ein Volk“ ein – als Hobby des arbeitslosen Familienvaters Benno Grimm alias Manfred Krug. Mit ihm verband Jurek Becker ebenfalls seit Mitte der ‘50er Jahre eine enge Freundschaft, von der in der dritten Stunde dieser Langen Nacht noch ausführlich zu hören ist. Sprecher Jurek Becker: Kaum waren wir uns begegnet, zogen wir zusammen. Wären wir Mann und Frau gewesen, hätte man das Liebe auf den ersten Blick nennen können, eine heftige Sympathie von Anfang an war es aber auf jeden Fall. Da Krug viel selbständiger war als ich, der ich damals noch meinen Vater als Dauersicherung gegen alle Lebensrisiken ansah, kann ich sagen, dass er viel zu meiner Sozialisation beitrug. Von ihm lernte ich, dass Handtücher gewechselt, Mülleimer geleert und Betten bezogen werden müssen, dass man, wenn man Hunger hat, das Essen nicht nur aus der Speisekammer holt, sondern davor noch aus einem Lebensmittelladen; ich lernte Rücksichtnahme, Rücksichtslosigkeiten und eine gewisse Art von Durchsetzungsvermögen, ohne die meine Biografie bestimmt einen anderen Verlauf genommen hätte. Bis heute habe ich keine Ahnung, in welchen Disziplinen ich Krugs Lehrer gewesen bin. Es tut aber gut, wenn ich mir sage, dass etwas an mir ihn damals beeindruckt haben muss; schließlich ist er nicht mit irgendjemandem aus seiner damals schon großen Bewundererschar zusammen gezogen sondern mit mir. Die einzige Wohnung, die wir fanden, war eine stillgelegte Drogerie in Ostberlin, in der es unausrottbar nach Vanille roch. In meiner Erinnerung waren wir zwei wunderbar hoffnungsvolle und vielversprechende junge Männer. Ich fing gerade zu studieren an, Krug war soeben von der Schauspielschule geflogen. Es steht seitdem für ihn fest, dass dieser Rauswurf ein früher Hinweis auf verschiedene seiner Eigenschaften war: auf einen unabhängigen Geist, auf Offenheit, Gradlinigkeit, Forschheit, Anstand und dergleichen. Ich zögere keine Sekunde, im bei dieser Einschätzung zu folgen, zumal ich einige Zeit später selbst von der Universität geworfen wurde. Ohne Krugs Beispiel wäre das vielleicht nie geschehen, aber das ist nur eine dunkle Vermutung. Musik Erzählerin: Mjetek Becker, der nun mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Dora Großpietsch zusammen lebte, hatte zunehmend Schwierigkeiten, mit dem Leben zurecht zu kommen. Er war depressiv und trank zu viel, was sein Sohn schwer ertragen konnte, so dass er begann, den Kontakt mit seinem Vater zu meiden. Dora Großpietsch blieb jedoch bis zu Mjetek Beckers Tod an seiner Seite. Durch die Wohngemeinschaft mit Manfred Krug bestens auf die praktischen Aspekte des Zusammenlebens vorbereitet, war Jurek Becker bereit, eine Familie zu gründen. Seine spätere Ehefrau Erika Hüttig, genannt Rieke, erzählt: O-Ton Rieke Becker, 2:46 – 5:50 Wir wohnten in einem Kiez, im Prenzlauer Berg, ziemlich eng beieinander, und wir sind auch auf die gleiche Schule gegangen. Er war zwei Klassen höher – und das ist vielleicht immer so geblieben, dass er zwei Klassen höher war – wir hatten aber nichts miteinander zu tun. (...) Aber er ist mir aufgefallen, in den Hofpausen, weil er so blauschwarze Haare hatte und das fand ich eigentlich schön, aber wir haben nie miteinander geredet. Damals war es so, wenn man Milch kaufen wollte, dann musste man eine Milchkanne mitbringen und dann wurde das aus so einem Marmorbottich geschöpft. Ich wollte Milch haben, also ging ich mit einer Kanne zum Milchladen und da stand Jurek außen vor dem Schaufenster und guckte auf mich in den Laden. Und als ich rauskam mit meiner Milch sprach er mich prompt an und sagte so: Wir haben uns doch in der Schule schon gesehen und ob wir nicht zusammen mal was unternehmen wollen und ein Wort gab das andere. Jedenfalls haben wir uns damals, wie es so in gewissen Kreisen üblich war, im Pressecafé verabredet, am Bahnhof Friedrichstraße. (...) Ja, da haben wir uns verabredet – und dann haben wir uns wieder getroffen und wieder getroffen und so hat es sich ergeben. Also es war nach der Schule, die Schule war beendet und ich hatte nach der Schule eine Ausbildung für Werbung und Gestaltung begonnen. Jurek war gerade frisch von der Uni geschmissen worden, weil er für eine Westberliner Studentenzeitschrift Filmkritiken geschrieben hat. 6:49 – 7:00 Das war auch ein Grund, warum ich ihn so toll fand, weil ich ihn mutig fand! In manchen Situationen habe ich gemerkt, er ist mutig, und dann hat man ja auch das Gefühl, wenn man mit so einer Person verbunden ist, da ist man sicher und geborgen. Erzählerin: Mit der Verwaltung der Humboldt-Universität hatte Jurek Becker eine Reihe von Auseinandersetzung wegen Vorfällen, die ihm unakzeptabel erschienen, weshalb er im Juni 1960 vom Studium beurlaubt wurde. Daraufhin belegte er an der staatlichen Film- und Fernsehhochschule in Babelsberg einen Schreibkurs für angehende Drehbuchautoren. O-Ton Rieke Becker, 7:00 – 7:20 Wir waren ja nun auch noch sehr jung und ich hatte zwar schon einen Beruf aber Jurek eigentlich nicht, der hat dann für das Kabarett Die Distel Texte geschrieben und mal was fürs Fernsehen, also es ging so ganz langsam. Aber so verrückt, wie man ist, wenn man sehr jung ist: wir hatten uns in den Kopf gesetzt – von Heirat war überhaupt nicht die Rede – aber wir wollten beide zwei Kinder miteinander haben. Und auf das erste Kind haben wir dann wirklich gewartet und gewartet – und dann war es endlich so weit, aber so richtig im Leben standen wir noch nicht. Also, als mein erster Sohn geboren wurde, da besaß ich eine große Plasteschüssel und sechs Mal Besteck und einen alten, großen Schreibtisch und eine Liege – und mehr nicht. Für mein erstes Gehalt, was ich dann kriegte, habe ich einen superschicken Babywagen ergattert. Damals gab es noch diese alten, niedrigen, mit den kleinen Rädern. Aber es gab auch schon für den Export solche hohen, die sahen aus wie eine Staatskarosse mit hohen Rädern und die Mütter mussten sich auch nicht so bücken. Die Väter natürlich auch nicht, aber das stand mit den Vätern damals gar nicht zur Debatte. Und das hat mich natürlich am Anfang auch enttäuscht, dass Jurek sich natürlich wahnsinnig gefreut hat, er ist Vater geworden, aber Windeln wechseln – das war damals nicht so. (...) Immerhin hat er sich getraut, mich aus dem Krankenhaus Friedrichshain mit dem Baby abzuholen. Erzählerin: Am 15. August 1961, zwei Tage nach dem Bau der Berliner Mauer und ganz knapp vor der Geburt ihres ersten Sohnes Nikolaus, haben Rieke und Jurek Becker doch noch ordnungsgemäß geheiratet. O-Ton Rieke Becker 24:57 – 28:26 Freunde haben mir dann gesagt, ihr müsst heiraten, man wird so schlecht behandelt als ledige Mutter in der Klinik, wieso heiratet ihr denn nicht, also das kam auch mehr von außen als von uns, na gut, und dann haben wir das also ernst genommen und haben gesagt gut, wir heiraten jetzt. Und dann sind wir zum Standesamt gegangen, um das anzumelden, eine Woche vor der Entbindung. Und da haben sie uns gesagt: Sie können in zwei Monaten einen Termin kriegen oder sie kommen in zwei Stunden noch mal. Und da haben wir gesagt: wir nehmen die zwei Stunden. Irgendwie regnete es an dem Tag und Jurek hatte ein Bündel Papiere unter dem Arm, weil er noch zum Fernsehen wollte und dann Jurek noch einen Blumenstrauß, so einen riesen Chrysanthemenstrauß der irgendwie unhandlich war, unterwegs gekauft (...) naja, und dann wurde schnell geheiratet. Und so wie wir aussahen, als wir aufgerufen wurden, da sagte die Standesbeamtin, wir sollen jetzt in das Amtszimmer kommen und dann guckte sie uns so von oben bis unten an, so feucht vom Regen und da sagte sie zu mir: „Wollen Sie nicht wenigstens Ihren Blumenstrauß mitnehmen?“ Dieses wenigstens fand ich großartig! (...) Naja, also die Heirat war nicht so toll, aber hat ja dann doch viele Jahre gehalten. Leider nicht bis ins Altersheim, aber das hatte nun auch viele andere Gründe. Musik O-Ton Rieke Becker, 19:27 – 24:20 Als ich Jurek kennen lernte, lebte er noch mit Krug zusammen, Schönhauser Allee, die Gegend, aber als dann klar war, dass ich schwanger war, da wollte ich dann auch für mein Kind ordentliche Verhältnisse haben. Das war da so eine halbe Kneipe, da saß immer eine Menge Volk rum und es wurde Musik gemacht und getrunken - also, es war keine Umgebung für ein Baby. Und ich bewohnte damals einen sehr geräumigen Laden mit Wohnung dran. Es gab ja im Prinzip in der DDR nichts zu kaufen in der Zeit, aber es gab viele leer stehende Geschäfte dadurch, die dann (...) einfach als Wohnraum erklärt wurden. Ich hatte also zur Straße hin eine Tür und eine große Schaufensterscheibe und nach hinten noch ein Zimmer – und immerhin eine Innentoilette, das war damals noch Luxus. Und eine kleine Küche, die zum Hof ging und ganz dunkel war. Und da zog dann Jurek ein, der von seinem Vater auch ein bisschen ausgestattet war und schon so eine Herrenzimmer-Einrichtung hatte und einen Teppich besaß und dann wurde das auch alles ein bisschen renoviert – ja, das war dann gar nicht so schlecht, das war direkt am Friedrichshain. Und später habe ich von meinen Eltern Geld geerbt, wovon wir dieses Haus kaufen konnten. Erzählerin: Die Familie Becker war mittlerweile zu viert, der zweite Sohn Leonard kam im Mai 1964 zur Welt. Kurz bevor sie in das Haus in Mahlsdorf am Berliner Stadtrand zogen, in dem Rieke Becker heute noch lebt, hatte Jurek Becker nach mehreren erfolgreich verfilmten Drehbüchern seinen ersten Roman vollendet, der 1969 erschien: „Jakob der Lügner“. Die Geschichte von Jakob Heym, der im Ghetto einer polnischen Stadt ein Radio erfindet, um seinen Mitgefangenen mit Nachrichten von der baldigen Befreiung Hoffnung zu schenken, erzählt Jurek Becker mit leisen Tönen. Seine Protagonisten lässt er weder klagen noch anklagen, das Grauen entsteht allein aus dem Kontrast zwischen dem heiteren Plauderton der Erzählung und dem geschilderten Leben und Sterben im Ghetto. Jakob selbst ist eher das Gegenteil eines Helden, er ist nicht mutig, sondern gerät fast wider Willen in die Position des Hoffnungsträgers. Konsequenterweise haben seine wortreichen Erfindungen letztendlich auch keinen Einfluss auf den tatsächlichen Verlauf des Geschehens. Bevor die Russen das Ghetto erreichen, wird es geräumt. O-Ton Rieke Becker, 1:48:27 – 1:50:00 Der Jakob ist mein Lieblingsbuch. (...) 1:49:40 Und Jurek hatte auch eine schöne Angewohnheit: was er am Tag vorher geschrieben hat, das hat er mir am nächsten Tag, wenn die Kinder in der Schule waren, meistens vorgelesen. Und ich durfte meine Meinung dazu äußern, ich weiß nicht, ob das behilflich war, vielleicht manchmal, jedenfalls, für mich ist das schon sehr gelungen, das Buch. 2:00:00 Und ich fand’s schön, dass ich von Anfang an seine Entwicklung miterleben durfte, bis zu dem Buch, mit dem er so bekannt wurde. Erzählerin: Die Lektorin Elisabeth Borchers erwarb die Rechte an ‘Jakob der Lügner’ für den westdeutschen Luchterhand Verlag, der den Roman im Herbst 1970 veröffentlichte. Daraufhin wurden weitere Auslandsrechte verkauft; bis heute ist der Roman in 24 Sprachen erschienen. Für seinen ersten Roman ehrte die Akademie der Künste in der DDR den Autor mit dem Heinrich-Mann-Preis, in der Schweiz wurde ihm der Charles-Veillon-Preis zugesprochen. Nun meldete die DEFA Interesse an der Verfilmung an und bat Becker, das Drehbuch zu schreiben. Als die Meldung von der Verfilmung durch die Medien ging, erhielt Jurek Becker ein Telegramm von Heinz Rühmann, der darum bat, die Rolle des Jakob Heym spielen zu dürfen. Dieses sehr verlockende Angebot im Hinblick auf den Erfolg des Filmes, lehnte Erich Honnecker persönlich mit der Begründung ab, dass zwei grundsätzlich verschiedene deutsche Staaten existierten und es keinen Hinweis auf eine gemeinsame Kultur geben dürfe. Die offizielle Premiere von „Jakob der Lügner“ fand im Dezember 1974 im DDR-Fernsehen statt, die Kinopremiere im April 1975. Jurek Becker und der Regisseur Frank Beyer wurden mit dem Nationalpreis zweiter Klasse ausgezeichnet. Bei den 25. Filmfestspielen in Westberlin erhielt der Film den silbernen Bären, zudem wurde er als einzige Produktion der DEFA in der Kategorie ‘Bester Ausländischer Film‘ für den Oscar nominiert. Jurek Becker war zu einem Schriftsteller geworden, dessen Renommee weit über die Landes- und Sprachgrenzen hinaus reichte. Musik Erzählerin „Irreführung der Behörden“, Beckers zweiter Roman, erschien 1972 im Rostocker Hinstorff Verlag und als Lizenzausgabe bei Suhrkamp. Für dieses Buch erhielt der Autor den mit 10.000 DM dotierten Literaturpreis der Stadt Bremen. Da die einzige andere Preisträgerin aus der DDR nach der Preisverleihung nicht wieder ins Land zurückgekehrt war, wurde Becker vom Zentralkomitee der SED dringend abgeraten, den Preis anzunehmen. Weil es ihm jedoch auch nicht ausdrücklich verboten wurde, fuhr er nach Bremen. Seine Aussagen gegenüber der westlichen Presse wurden selbstverständlich äußerst kritisch unter die Lupe genommen. „In diesem letzten, größeren veröffentlichtem Werk, wie auch in den Diskussionen während der Ereignisse 1968 in der CSSR, zeigt sich B. recht schwankend und ungefestigt in seiner ideologischen Haltung“, wird in einem Auskunftsbericht der Stasi-Verwaltung konstatiert. Direkt nach der Verleihung des Bremer Literaturpreises hielt Becker die Eröffnungsrede beim VII. Schriftstellerkongress der DDR. In seinem „Literatur und Wirklichkeit“ betitelten Vortrag postulierte er, dass es die Aufgabe von Literatur sei, Unruhe zu stiften, indem sie Fragen stelle sowie Widersprüche und Fehlentwicklungen in der Wirklichkeit aufzeige. Er sprach sich gegen das Abhängigkeitsverhältnis von Autoren zu ihren Verlagen aus, das geprägt sei durch die Fragestellung „Kriege ich das durch?“, was eine sozialistische Gartenlaubenliteratur zur Folge habe. Mit diesen Thesen entsprach der Redner mitnichten den „Auffassungen einer sozialistischen Kulturpolitik“, stellt der Autor des zuvor erwähnten Berichtes fest. Jurek Becker war berühmt und suspekt geworden. Musik Erzählerin Mjetek Becker starb 1972 und ließ seinen Sohn mit Notizbüchern voller Fragen zurück, die er seinem Vater nie hatte stellen können. Das ist die Ausgangsbasis für den Roman „Der Boxer“, in dem die autobiografischen Züge im Oeuvre von Jurek Becker am stärksten ausgeprägt sind. Das Buch handelt von dem Holocaustüberlebenden Aron Blank, der nach dem Krieg nicht mehr ins Leben zurück findet und von seinem Sohn Mark, der den Vater und Deutschland schließlich verlässt. Erzählt wird die Geschichte von einem anonymen Befrager, der Aron interviewt und dessen Antworten teils nacherzählend, teils direkt wieder gibt und sich auch selbst kommentierend einschaltet. „Der Boxer“ erschien 1976 bei Hinstorff und war das letzte Buch, das Jurek Becker in der DDR publizieren konnte. O-Ton Rieke Becker, 49:25 – 52:40 Wir waren ja nun schon viele Jahre verheiratet und es hatte sich von beiden Seiten vielleicht auch Fehlverhalten angesammelt, aber an Scheidung hab ich damals nicht gedacht. Ich hatte, als ich noch jünger war, manchmal aus Hilflosigkeit und Wut dann, wenn irgendetwas nicht funktionierte, so in den Raum geworfen: wir können uns ja auch scheiden lassen! Und wie ich später erfahren habe, das hat Jurek mir sehr übel genommen. Weil er, vielleicht durch seine Biografie auch, großen Wert auf zuverlässige Bindung gelegt hat und mit solchen Sätzen habe ich die natürlich in Frage gestellt, immer wieder mal. (...) Und dann war - Biermann, ’76. Ich durfte ihn auf eine Lesereise begleiten - da war Jurek ja auch sehr konsequent. Vorher hatte er in Bremen einen Literaturpreis bekommen und war dann eingeladen zur Preisverleihung. Und da hatte seine Parteigruppe, er war ja immer Parteimitglied, seit er 17 war, gesagt, ja, er kann reisen, aber ich nicht. Und ich war vorher auch nie im Westen. Und da hat Jurek sich bockig angestellt und hat dann gesagt: Also, ich schicke jetzt ein Telegramm an die Kommission, die diesen Preis vergibt, und sage, dass ich mich über den Preis freue und den Preis annehme und leider nicht kommen kann, weil meine Frau kein Visum kriegt. Und da haben die gesagt: „Genosse Becker, bist du verrückt geworden? Das kannst du doch nicht schreiben!“ Und da hat Jurek nur mal so kurz in die Runde geguckt, das wurde gar nicht weiter diskutiert, jedenfalls habe ich ein Visum gekriegt. Und das fand ich schon ganz schön stark, ich hatte nämlich auch Freundinnen, deren Männer bei Westreisen gar nicht auf die Idee gekommen sind, mit ihrer Frau zu fahren. Also vor diesem Biermann-Konzert waren wir auf so einer ausgedehnten Lesereise. Sprecher Jurek Becker Familie Krug Wilhelm-Wolff-Str. 15 DDR 111 Berlin Westdeutschland, 17.9.1976 Der sterbende Kapitalismus kann uns nicht täuschen, auch wenn er nur Sonntagskleider trägt. Der Zusammenbruch ist nur eine Frage der Zeit, auch meiner, die Koffer sind so schwer. Jurek und Rieke in Liebe O-Ton Rieke Becker 52:42 – 53:09 Und dann kamen wir zurück und dann war dieses Biermann-Konzert – und ich fand dieses Biermann-Konzert großartig. Auch wie sich Biermann da geschlagen hat und was er gesagt hat und ich fand, er hat auch DDR-freundlich agiert – und ich kam nicht auf die Idee, dass das diese Folgen haben würde. Musik Ende der 1. Stunde 2. Stunde Musik Erzählerin: Gegen den regimekritischen Dichter und Liedermacher Wolf Biermann, der als überzeugter Kommunist 1953 von Hamburg in die DDR übersiedelt war, war Mitte der 60er Jahre ein vollständiges Auftritts- und Publikationsverbot in der DDR verhängt worden. Biermann konnte seither nur in Westdeutschland publizieren, seine Schallplatten und Texte kursierten unter der Hand jedoch auch in der DDR. Als die IG Metall Biermann 1976 einlud, Konzerte in der Bundesrepublik zu geben, wurde ihm die Reise überraschend genehmigt. Der Auftakt der Konzerttour war ein Auftritt in der ausverkauften Kölner Sporthalle am 13. November. In dem dreistündigen Konzert sprach Biermann mit dem Publikum, kritisierte die DDR in einigen Punkten und verteidigte sie in anderen. Dieser öffentliche Auftritt, der vier Tage später in voller Länge vom Ersten Deutschen Fernsehen übertragen wurde, diente dem Politbüro der SED als Vorwand, um Wolf Biermann die Wiedereinreise in die DDR zu verweigern und ihm die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Jurek Becker, der mit Wolf Biermann seit den 50er Jahren befreundet war, gehörte zu den 12 namhaften Schriftstellern, die am 17. November in einem offenen Brief an die Führung der DDR appellierten, die gegen Biermann beschlossenen Maßnahmen zu überdenken. Um die Veröffentlichung des Schreibens sicher zu stellen, wurde es nicht nur dem Neuen Deutschland, dem Zentralorgan der SED, sondern auch der französischen Nachrichtenagentur AFP übergeben. Es ist die erste Protestaktion in der DDR, die gezielt in die internationale Öffentlichkeit getragen wird. Die DDR-Führung reagiert mit hartem Durchgreifen: Wer seine Unterschrift nicht zurückzieht, wird aus der Partei und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkommt. Im Gegensatz zu einigen anderen gibt Jurek Becker nicht nach. Sprecher Jurek Becker: Stellungnahme vor der Parteiversammlung des Schriftstellerverbandes am 7. Dezember 1976 Von der Beantwortung einiger weniger – wie auch ich erkenne grundsätzlicher – Fragen wird meine weitere Mitgliedschaft in der Partei abhängig gemacht. Ob ich bereit bin, im Nachhinein die bekannte Entschließung unserer Grundorganisation zu akzeptieren? Ich bin nicht bereit dazu. Ich kann keine Resolution unterschreiben, in der die Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR für Wolf Biermann begrüßt oder gutgeheißen wird. Die Ablehnung dieses Regierungsbeschlusses war es ja, die mich den bewussten Brief der Schriftsteller (...) mitunterzeichnen ließ, und nichts hat sich bisher zugetragen, was diese Ablehnung geschwächt hätte. Ob ich es inzwischen als falsch erkenne, die Medien des Klassenfeindes für die Publikation unseres Briefes benutzt zu haben? Nein, ich will dies nicht für einen Fehler halten. Wenn die Alternative gelautet hätte: Hier veröffentlichen oder dort veröffentlichen? – so wäre mir der gang zu einer westlichen Presseagentur absurd vorgekommen. Die Frage hieß aber: Die Meinungsverschiedenheit veröffentlichen oder intern behandeln? Meine Erfahrung lehrt mich, dass ‚intern behandeln’ bei uns gewöhnlich ein Gleichwort für ‚unter den Teppich kehren’ ist: daher verteidige ich den Schritt in die Öffentlichkeit. Und die ist nach meiner festen Überzeugung unteilbar, die Öffentlichkeit ist letzten Endes immer die Weltöffentlichkeit. (...) Der unbedingte Wunsch, Meinungen und Überzeugungen in die Öffentlichkeit zu tragen, hat mich Schriftsteller werden lassen, und ich kann mich nicht entschließen, darauf zu verzichten. Erzählerin: In der Konsequenz wird Jurek Becker gemeinsam mit fünf Kollegen aus dem Berliner Bezirksvorstand des Schriftstellerverbandes ausgeschlossen. Zahlreiche DDR-Bürger, vor allem junge Menschen, schließen sich dem Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns an, ebenso rund 100 weitere Künstler, die ihm dadurch Namen und Gesicht verleihen. O-Ton Rieke Becker, 53:10- 59:11 Und da entstand eine Situation, die, wenn unsere Ehe schon irgendwie instabil war, das befördert hat, denn da entstand eine Situation, die war für mich irgendwie – kafkaesk. Die Leute, die diesen Bittbrief unterschrieben hatten, die hatten ja keine Grundlage mehr, ihren Beruf auszuüben. Es wurden keine Drehbücher mehr abgenommen, es wurden keine Neuauflagen bei den Verlagen mehr gemacht - die waren alle arbeitslos und hatten ja auch alle Familien, die ernährt werden sollten. Und das war dann eine Situation, wo eine lange Zeit fast jeden Tag Leute herkamen, manchmal schon am Vormittag, vielleicht, weil sie Jurek für geeignet hielten als Berater in der Situation. Jedenfalls erstarrte unser häusliches Leben darin. Unten ist so ein heller Raum mit einem langen Tisch, da saßen wir alle und ich hatte die Aufgabe, Kaffee zu kochen und Schnittchen zu machen und vielleicht auch ein bisschen zu trösten, denn da saßen Schauspieler und Schriftsteller und alle wussten nicht, wie soll es weitergehen. Und alle waren auch in gewisser Weise voller Angst. Und bei Jurek kam auch noch hinzu, dass er ein Weltbild hatte, das (...), obwohl er auch viel Durchsicht schon hatte, verloren ging in dieser Situation. Er merkte eben, dass die Partei, deren Mitglied er solange war, nicht mehr seine Partei ist. Und wohl auch dieser Staat nicht mehr, aus rein pragmatischen Gründen. Er konnte hier nicht mehr arbeiten, nicht mehr verdienen und machte dann für sich auch Pläne, ins Ausland zu gehen, wo er eben arbeiten konnte. (...) Erzählerin: Seit den Querelen an der Universität, die zu seiner Relegation führten, war Jurek Becker das Objekt verdeckter Ermittlungen durch das Ministerium für Staatssicherheit. Dessen waren er und seine Familie sich immer bewusst; die gelegentlichen Augenfälligkeiten wurden jedoch eher als komisch denn als bedrohlich empfunden. Nun ändert sich das. Das Haus wird rund um die Uhr in einer Weise beobachtet, die einschüchternd wirken soll. Verlassen die Beckers das Haus, werden sie verfolgt, gelegentlich kommt es dabei zu spektakulären Autorennen. Der operative Vorgang in der causa Becker wird beim MfS unter dem Decknamen „Lügner“ geführt. Die Veröffentlichung des neuen Romans mit dem Arbeitstitel „Leben an der Luft“ wird nach anfänglicher Zusage vom Hinstorff-Verlag abgelehnt, weil das sozialistische Gesellschaftssystem, insbesondere das Sozialistische Bildungs- und Erziehungspolitik, darin angegriffen werde. Beckers Lektor bei Hinstorff berichtet als inoffizieller Mitarbeiter ans MfS und diese Berichte unterscheiden sich von seinen offiziellen Gutachten. Von Becker wird eine umfangreiche inhaltliche Überarbeitung des Manuskriptes verlangt, die er ablehnt und stattdessen seinerseits Bedingungen an den Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Höhe der Auflage knüpft. Als ihm mitgeteilt wird, dass unter diesen Voraussetzungen eine Druckgenehmigung nicht erteilt wird, überarbeitet er das Manuskript mit seiner westdeutschen Lektorin Elisabeth Borchers und schließt einen Vertrag mit dem Suhrkamp Verlag ab, wo das Buch unter dem Titel „Schlaflose Tage“ im darauffolgenden Jahr erscheinen soll. O-Tone Rieke Becker, Forts. Also, eines Tages sagte Jurek zu mir, er möchte sich scheiden lassen. Da ich in dem Moment gar nicht damit gerechnet hatte und das auch das erste Mal war, dass Jurek das sagte (...) - und auch diese ganze Situation hier im Haus, ich machte mir natürlich auch Gedanken, wie soll es weiter gehen - war ich doch sehr schockiert. Und kriegte dann natürlich auch Existenzangst: wenn ich geschieden bin, allein erziehend, mit zwei fast erwachsenen Kindern, die jedes Frühjahr neue Jeans und neue Schuhe brauchten und ein neues Fahrrad mal, und den ganzen Betrieb hier von meinem Erarbeiteten aufrecht zu erhalten,... ja, das ging aber irgendwie. Bevor ich geschieden wurde, hatte ich schon diese Arbeit beim Kunsthandel und verdiente dann auch ausreichend Geld und es ging irgendwie. O-Ton Helge Braune, 1:11:42 – 11:12:37 Die haben sich auseinander gelebt. Und ich kam ja alle vier Wochen dahin, auch als die Scheidung dann lief, das habe ich auch gewusst, nicht erst nachdem sondern schon vorher, und Jurek hatte dann noch gesagt: ‘Rieke, ich gehe ja nach dem Westen.’ Da hatte er schon den Plan und die waren sich einig: wir lassen uns scheiden. ‘Aber Rieke, wenn du mitkommen willst, dann lassen wir uns erst im Westen scheiden. Dann gehen wir, irgendwie schaffen wir das schon, zusammen rüber, und die Kinder natürlich auch.’ Die waren damals ja noch nicht volljährig. Und Rieke – Rieke ist stur: ‘Nein!’ Also Rieke hat das nicht mitgemacht. O-Ton Rieke Becker, 1:01:21- 1:01:44 Ich hab natürlich überlegt, (...) vielleicht noch durch Gespräche Versuche zu finden, dass die Familie zusammen bleibt, aber dieses Angebot der Trennung von Jurek hat mich natürlich auch gekränkt. Das ist ja eine totale Ablehnung meiner Person. 1:00:39 Außerdem hatte ich eine neue Liebe. Und das hat mir sehr über die Scheidung geholfen – 1: 01:53 und dann dachte ich, naja, dann ist es so. Sprecher Jurek Becker: An den Minister für Kultur der deutschen Demokratischen Republik Berlin, 7. November 1977 Sehr geehrter Herr Minister, Seit geraumer Zeit lebe ich in Umständen, die mir von Tag zu Tag misslicher erscheinen, unter denen ich nicht arbeiten kann und denen ich nicht länger ausgesetzt sein möchte. Ich halte es daher für eine naheliegende Lösung, die DDR zu verlassen. Ich beantrage, dass mir ein Visum erteilt wird, das mir die Möglichkeit lässt, mich bis zum Jahre 1979 außerhalb der DDR aufzuhalten. Unter anderem will ich diese Frist nutzen, um ein Buch zu schreiben. Eingebettet in diese Zeit wäre ein Aufenthalt in den USA, wohin ich eine Berufung an das Oberlin-College in Ohio erhalten habe. Unverzichtbar für mich, im Falle der Erteilung eines solchen Visums, wäre es, dass ich innerhalb dieser Zeit beliebig oft in die DDR einreisen darf. Denn ich habe zwei Kinder hier, die ich hin und wieder sehen muß. Ich möchte zum 1. Dezember 1977 ausreisen dürfen. Nach Ablauf des Visums, vielleicht auch früher, müsste es, so stelle ich mir vor, in einem Gespräch (mit wem auch immer) zu einer endgültigen Klärung darüber kommen, was weiter zu geschehen hat. Denn selbstverständlich sehe ich in einem solchen Verfahren keine endgültige Lösung; nur ein Provisorium, das dazu dienen könnte, aus einer festgefahrenen Situation herauszukommen. Hochachtungsvoll Jurek Becker Erzählerin: Am 5. Dezember 1977 reist Jurek Becker mit kleinem Gepäck aus der DDR aus. Er kommt in der Brandenburgischen Straße bei seinem Freund Helge Braune unter, der ein halbes Jahr zuvor auch die Familie Krug nach deren Ausreise für mehrere Wochen bei sich einquartiert hatte. Musik Sprecher Jurek Becker Dover, 28. März 1978 Liebe Rieke, ich fahre einen ganzen Tag herum, in Süd-Virginia, Ferien. Ich habe 20 Dollar verloren, das Auto war kaputt, ich habe mich 2-mal verfahren. Den ganzen Tag habe ich mit keinem Menschen gesprochen. Und doch war heute – irgendwie – der erste glückliche Tag für mich seit langer Zeit. Seltsam. Wollte Dir gar nichts weiter sagen. Grüße natürlich alle Dein Jurek Erzählerin: In der ersten Hälfte des Jahres 1978 hielt sich Jurek Becker als Gastprofessor am Oberlin-College in Amerika auf. Zurück in Westberlin fand er ein möbliertes Zimmer am Kurfürsten Damm, von wo aus er jeden Morgen in die Wohnung seines Freundes Helge Braune ging, um dort in Ruhe an einem Band mit Erzählungen zu arbeiten, den er bereits vor seiner Ausreise in die DDR begonnen hatte. Er widmete ihn seinen Söhnen und seiner geschiedenen Frau Rieke. Die Familie und die Freunde in Ostberlin besucht er häufig, wobei jede seiner Bewegungen von der Staatssicherheit beobachtet wird. Helge Braune bemerkt Manipulationen an seiner Wohnungstür. Rieke Becker wird an ihrem Arbeitsplatz im Kunsthandel, nachdem man sich dort nach ihr erkundigt hatte, von der Öffentlichkeitsarbeit ins Archiv verbannt. Sie kündigt und baut sich eine neue Existenz als Keramikerin auf. Jurek Becker besorgt ihr im Westen einen kleinen Brennofen, so dass sie sich im Keller des Hauses in Mahlsdorf eine Werkstatt einrichten kann. Die westdeutschen Medien zeigen großes Interesse an Jurek Becker, aber er will sich vom Westen ebenso wenig als Dissident vereinnahmen und gegen die DDR instrumentalisieren lassen, wie er sich im Osten den Mund hatte verbieten lassen wollen. Im Dezember kommt Hannah Zinn, eine Studentin, die Becker in Ohio kennen gelernt hatte, nach Berlin und bleibt. Jurek Becker findet eine Wohnung in Kreuzberg, wo sie vier Jahre lang miteinander leben. Musik Erzählerin: Nach Ablauf der selbst gestellten 2-Jahres Frist konstatierte Jurek Becker, dass die Schwierigkeiten, in der DDR zu leben, für ihn noch größer geworden waren. Schriftlich beantragte er, die DDR für lange Zeit verlassen zu dürfen und ihm wurde ein Visum erteilt, das es in dieser Form nur ein einziges Mal gegeben hat: es galt für 10 Jahre und sollte im Dezember 1989 enden. Jurek Becker war nun eine feste Größe des kulturellen Lebens in Westberlin und wurde regelmäßig zu Vorträgen und Gastvorlesungen nach Westdeutschland eingeladen. Nach der Veröffentlichung seines Romans „Schlaflose Tage“, der zuerst im Westen und im Jahr darauf auch in der DDR erschien, erhielt er den Literaturpreis „Stadtschreiber von Bergen-Enkheim“ der in ein einjähriges Wohnrecht im dortigen Stadtschreiberhäuschen beinhaltete. O-Ton Manfred Krug, CD 1, 35: Dort lernte Jurek die entscheidende unter den schönen Frauen seines Lebens kennen, und sie war obendrein außergewöhnlich klug: Christine. Erzählerin: Christine Harsch-Niemeyer absolvierte zu dieser Zeit eine Ausbildung als Verlagsbuchhändlerin in dem renommierten Wissenschaftsverlag ihres Vaters in Tübingen und besuchte blockweise die Schule des Deutschen Buchhandels in Frankfurt. Die abendlichen Autorenlesungen zu Unterhaltung der Auszubildenden schwänzte sie jedoch gern, bis ihr Politiklehrer ihr eines Tages dringend nahelegte, sich die Lesung des Schriftstellers Jurek Becker am Abend anzuhören. O-Ton Christine Becker, 3:33 – 4:34 Also habe ich mir meinen Trenchcoat angezogen und mich in die letzte Reihe gesetzt und hab mir gedacht, wenn der (...) mich in irgendeiner Weise langweilt, dann bin ich so schnell wieder draußen. Und er behauptete im Nachhinein, er hätte (...) gesehen, dass da eine Frau sitzt, die auf dem Sprung ist. Und er behauptete, dass hätte ihn angestachelt, den Abend so unterhaltsam wie möglich zu gestalten, damit die Frau nicht geht. Also, ich glaub’s ihm, dass er mich gesehen hat, das weiß ich daher, weil er danach mit ein paar Sprüngen bei mir war und mich angesprochen hat, (...) aber er war immer unterhaltsam. Also er hat jetzt bestimmt nicht an dem Abend meinetwegen besonders aufgedreht, sondern er war für sein Publikum immer der beste Unterhalter und es ging ihm bei seinen Lesungen nahezu überhaupt nicht darum etwas aus seinem Werk vorzutragen, sondern es ging ihm immer darum mit den Menschen in Kontakt zu kommen im Anschluss an die Lesung. 12:20 – 12:50 Aber eines muss ich doch sagen: (...) Als er da so stand in der Buchhändlerschule, auf der Bühne, da hat mich doch irgendwie eigentlich am meisten der Mann überzeugt, um es mal ehrlich zu sagen. Ich fand den unglaublich attraktiv! Der krempelte seine Hemdsärmel hoch und ich sah eigentlich in erster Linie den Mann, so einen richtig gestandenen, kräftigen Kerl, 15:15 -15:27 das hat mir wahnsinnig gefallen, ich dachte, jetzt kann eigentlich kommen, was will! Erzählerin: Von diesem Abend an stand fest, dass ein Paar aus ihnen werden würde. Christine Harsch-Niemeyer beendete ihre Ausbildung und zog zu Jurek Becker nach Berlin, wo sie ein Germanistikstudium begann. Sie war 23 und er 45 Jahre alt - der Altersunterschied zwischen ihnen spielte aber lediglich in einem kurzen Augenblick eine Rolle: O-Ton Christine Becker, 9:41 – 11:14 Ich erinnere mich, das war bei unserem ersten Date, wie man heute sagt, er hatte mich also gefragt, ob ich mit ihm ausgehen würde. Da fuhr ich also mit meinem uralten Citroen zum Stadtschreiberhäuschen und er öffnete mir die Tür. Und das war das einzige Mal, dass ich für einen Augenblick erschrocken war und dachte: ‘Du lässt dich jetzt doch mit einem älteren Mann ein.’ Da stand er so mit seinen grauen, fast weißen Haaren, er ist ja sehr früh schon weiß geworden, und da dachte ich einen Moment: ‚Willst du das jetzt wirklich?’ Und kaum hat er angefangen zu reden, habe ich diese Frage vergessen und sie hat sich mir nicht mehr gestellt. Zumal sich dann auch zeigte, dass dieser Mann so voller Energie steckte, dass der mich mit seinen damals 45 Jahren komplett in die Tasche gesteckt hat. Der hatte einfach so viel mehr Kraft und Unternehmungslust und Lebensfreude – da konnte ich noch viel von abbekommen. (...) Ich habe mir natürlich ausgerechnet, dass das eines Tages ein Problem sein könnte. Also gehen wir mal davon aus, er lebte noch, dann wäre er jetzt 80 und ich bin 57. Das ist nicht einfach – aber wenn man die Zeit bis dahin überstanden hat, schafft man das natürlich auch. Aber das ist uns ja dann, um ihn zu zitieren, erspart geblieben. (...) Als klar war, dass er früher sterben würde, als wir alle dachten, hat er versucht mich zu trösten, indem er sagte: ‚Siehst du, ich erspare dir den alten Mann’. Musik Erzählerin: Nach der Rückkehr von einer Israel-Reise mit seiner zukünftigen Frau beginnt Jurek Becker einen neuen Roman, der seine Auseinandersetzung mit der Shoah um eine weitere Facette ergänzen sollte. In „Jakob der Lügner“ erzählt ein namenloser Überlebender von der Vernichtung der Juden, „Der Boxer“ schildert die Anpassungsschwierigkeiten eines Überlebenden an den normalen Alltag in der DDR. „Bronsteins Kinder“ nun befasste sich mit dem Blick der Nachgeborenen auf den Holocaust. Auch in diesem Roman wird der Generationenkonflikt zwischen Vater und Sohn thematisiert. Der Überlebende Arno bleibt in der Vergangenheit mit dem Erlebten, über das er nicht reden will, gefangen, während sein Sohn Hans, dem die „Gnade der späten Geburt“ zuteil wurde, zwar ein normales Leben führen will, den Konflikt zwischen der Loyalität zu seinem Vater und seiner eigenen staatsbürgerlichen Verpflichtung jedoch nicht befriedigend lösen kann. Zeitgleich mit der Veröffentlichung von „Bronsteins Kinder“ laufen im Fernsehen die ersten Folgen der Serie „Liebling Kreuzberg“ nach den Drehbüchern von Jurek Becker. Von dieser Erfolgsgeschichte wird noch in der letzten Stunde dieser Langen Nacht die Rede sein. Musik Sprecher Jurek Becker Berlin, 4. Dezember 1985 Liebste, nicht weil Weihnachten kommt, schreibe ich Dir, denn was ist schon Weihnachten, und nicht weil die Karte so hübsch ist, denn was ist schon eine Karte, sondern weil ich Dich liebe. Nun könnte man natürlich fragen: Was ist schon meine Liebe? Darauf würde ich antworten: Mehr als mancher glaubt. Kuck doch mal rein zu Deinem Jurek Erzählerin: Dies ist die erste der insgesamt 380 Postkarten, die Jurek Becker an seine Frau Christine schrieb. Sie hat alle noch existierenden Karten, die ihr Mann je verschickt hat, gesammelt und arbeitet an einer Gesamtausgabe des Postkarten-Werks, die im Frühjahr 2018 im Suhrkamp Verlag erscheint. O-Ton Christine Becker, 1:02:50 – 1:05:32 Er hat immer schon Postkarten geschrieben. (...) Dadurch, dass ich jetzt dieses Buch herausgebe und die Aufgabe habe, alle Karten zu sichten, habe ich natürlich gemerkt, da gibt es Lücken, (...) da wurde eben ein paar Jahre gar nicht geschrieben. Und ich meine, dass die Form die er dann (...) sozusagen Empfänger-unabhängig entwickelt hat - er hat einen Stil, eine Art und Weise eine Karte zu formulieren und mit Inhalt zu bestücken, das hat er entwickelt unabhängig von der Person, der er das schrieb – und das ist meines Erachtens eine Entwicklung der 80er Jahre gewesen. Angestoßen wurde das ganze (...) durch Ottilie Krug, die ihm irgendwann mal gesagt hat: Du, ich sammle diese Dinger und du bist doch so wahnsinnig viel unterwegs, (...) suche mir doch bitte die originellen Karten, die du finden kannst (...) und er fing also erstmal an, die Freundin Ottilie Krug zu bedienen, da hat er dann natürlich den Manfred miteingeschlossen (...). Und dann fing er an, den Kreis zu erweitern. Sprecher Jurek Becker An Edith Jeka und Helge Braune Melbourne, 8.10.1990 Ihr Liebsten, wie lange bin ich in Australien? Zwei Tage. Ist das Wetter schön hier? Nein, es regnet pausenlos. Ist das Hotelzimmer wenigstens gut? Nein, es ist beschissen. Gibt es Sport im Fernsehen? Nicht die Bohne. Wozu bin ich dann überhaupt hier? Das möchte ich auch mal wissen. Euer Jurek O-Ton Christine Becker, 1:04:48 - 1:05:32 Natürlich hat er den erwachsenen Söhnen nach Ostberlin geschrieben, (...) er schrieb an die geschiedenen Frau, er schrieb an die liebsten Freunde – und insbesondere dann, wenn die das geschätzt haben. Also, ich habe jetzt beim Sammeln der Karten festgestellt: der Verteiler ist gar nicht so groß. Der Kreis der Empfänger (...) spiegelt also mitnichten seinen Freundeskreis wieder, sondern es sind ganz bestimmt Leute, die diese Karten bekommen haben und offenbar genau die, die ihm ausreichend applaudiert haben. Sprecher Jurek Becker An Rieke, Leonard und Nikolaus Becker Paris, 29.3.1991 Ihr Guten, hier nur schnell ein Gruß aus dem Land der Individualisten. Es ist hier relativ einfach, beliebt zu sein: man muss nur alles Deutsche scheußlich finden und alles Französische großartig. Teilweise fällt mir das leicht. Meine Grüße schweben über alle Grenzen hinweg zu Euch - Jurek O-Ton Christine Becker, 1:05:32 Es fing erstmal damit an, dass er von Reisen aus schrieb, später dann hat er vom heimischen Schreibtisch aus geschrieben. (...) 1:08:45 – 1:09:01 Ab 1992 wurden diese Postkarten zunächst skizziert, wurden in ein Heft geschrieben und dann (...) im Heft schon korrigiert und beim Abschreiben noch mal korrigiert. Ich habe da jetzt ein paar Mal das Original verglichen mit dem Entwurf und das wich ab, also noch bei der Reinschrift wurde verändert. 1:13:03 -1:13:19 Diese Konzepte tauchen manchmal mitten in einem Heft auf, wo er gerade an einem ernsthaften Text arbeitete. Da ist dann auf der linken Seite auf einmal so ein Postkartenentwurf, daran kann man schon ablesen, dass er sich damit zwischendurch vergnügt hat. Das ging nicht nur um die anderen, sondern das hat ihm Spaß gemacht, eindeutig! 1:07:02 – 1:08:07 Die Aufgabe dieser Postkarte war: Ich denke an dich, das musst du wissen, und ich will dich (...) möglichst sehr zum Lachen bringen. Und wenn ihm da eine schöne Geschichte eingefallen ist, dann hat er die mehrfach verwertet, (...) also das war nicht immer streng auf einen Empfänger bezogen. Manchmal aber natürlich auch doch, manchmal bekam etwas ganz besonders liebevolles oder witziges geschrieben, was nur zu einem selbst passte. Da galt natürlich vor allem für mich. Sprecher Jurek Becker Du alte Hemmschwelle, heute schon wieder etwas Getragenes: Ich habe herausgefunden, dass ich mir besser gefalle, wenn Du in der Nähe bist. Versuch doch bitte rauszukriegen, ob es Dir umgekehrt auch so geht. Wenn ja, dann würde ich nicht ausschließen, dass wir eine Liebespaar sind. Das wäre nicht auszudenken! Dein Romeo J(urek) Erzählerin: Mit derart kreativen Anreden wurde übrigens allein Christine Becker bedacht, die das gar nicht immer schätzte, und später auch der gemeinsame Sohn Johnny. In den Notizbüchern ihres Mannes hat Christine Becker neben den Konzepten für die Kartentexte auch lange Listen mit Anreden gefunden, die ihm zwischendurch eingefallen waren und die er offenbar dann einsetzte, wenn sie ihm assoziativ passend erschienen. Sprecher Jurek Becker: Bochum, 21.9.1992 Du alte Biokarotte, hier am Strand von Bochum ist allerhand los. Man stellt sich immer vor, dass der Strand im Ruhrgebiet zu grobkörnig ist und das Wasser nicht sauber – alles Quatsch. Keine Wellen, kaum Wind, der Strand nicht überlaufen, alle paar Meter ein freier Sonnenschirm. Es gibt nur ziemlich viele Quallen, aber ich will gar nicht erst anfangen zu klagen: Auch an Badeorten wie Berlin, Acapulco oder Honolulu könnte man allerhand aussetzen. Küsse J(urek) Musik Erzählerin: Am 9. November 1989, kurz bevor Jurek Beckers 10-Jahres Visum abläuft, verkündet der SED-Sekretär für Informationswesen Günter Schabowski die sofortige Öffnung der Grenzen. Jurek Beckers ältester Sohn Nikolaus, der Fotograf geworden ist, erfährt bei der Pressekonferenz unmittelbar von dieser Nachricht und rast nach Hause, um seinen Bruder und seine Mutter zu informieren. Jurek und Christine Becker waren an jenem Nachmittag bei ihr zu Besuch gewesen, inzwischen aber bereits wieder zuhause in Kreuzberg. Rieke und Leon Becker können die Nachricht nicht glauben, also fährt Nikolaus mit seiner Freundin allein los in Richtung Grenze. Gegen 4 Uhr morgens, inmitten des Menschengetümmels auf dem Ku’Damm begegnen sie Rieke und Leonard, die sich doch noch auf den Weg gemacht hatten. Sie trinken einen Kaffee, kaufen von dem Begrüßungsgeld eine riesige Tüte Brötchen und klingeln den verdutzten Jurek und seine hochschwangere Frau Christine, die die Maueröffnung verschlafen hatten, frühmorgens aus dem Bett. Sprecher Jurek Becker: Postkarte an Manfred und Ottilie Krug St. Louis, 14.4.1993 Ihr Lieben, ein Traum hat sich für mich erfüllt, der schon alt sein muss, von dem ich aber nicht wusste, dass ich ihn träumte: Rieke, Nicki und Lonni sind gekommen, und plötzlich bin ich das OBERHAUPT einer großen Familie. Ich, der kleine Jurek – könnt ihr euch das vorstellen? Verwirrt, stolz und in Liebe Euer Jurek. Erzählerin: Im Frühsommer 1990 kommt der Sohn von Christine und Jurek Becker auf die Welt: Jonathan. Kurz nach seinem zweiten Geburtstag erhält der Junge, der Johnny genannt wird, die erste Karte von seinem Vater. Die Vorderseite zeigt Babar, den Elefanten aus den französischen Kinderbuchklassikern, dessen Abenteuer Johnny liebte. Sprecher Jurek Becker: Lieber guter dicker alter Johnny, stell dir vor - ich habe hier in Brasilien Babar getroffen. Wir haben zusammen Tee getrunken und ich habe ihm von dir erzählt. Er wollte wissen, ob du dir gerne sein Buch ansiehst, und ich habe geantwortet: Na klar! Da hat er gelächelt und gesagt, ich soll dich von ihm grüßen. Und ich küsse dich mitten auf den Bau, und bald, mein Liebster, bin ich wieder zuhause. Dein Papa Erzählerin: Die zahlreichen Postkarten an Johnny nehmen eine Sonderstellung in diesem Teil von seines Vaters Oeuvre ein. Sie beziehen sich immer auf die jeweilige Lebenswirklichkeit des heranwachsenden Jungen und erhalten in Zeiten der räumlichen Trennung die Verbindung zwischen Vater und Sohn aufrecht. Als Johnny vier Jahre alt ist und beginnt, wie wild durch die Wohnung zu toben, zieht die Familie von Kreuzberg nach Steglitz. Dort fanden sie in einer ruhigen, baumbestandenen Straße eine große Wohnung zum Leben und darüber noch eine kleinere zum Arbeiten für Jurek Becker. Von nun an landen die Postkarten häufig direkt im Hausbriefkasten. Sprecher Jurek Becker: Du alter Honigkuchen, wie geht es eigentlich beim Schwimmunterricht? Lernst du es langsam? Bei mir war das ganz komisch: Ich bin immer wieder ins Wasser reingegangen und konnte nicht schwimmen. Und eines Tages bin ich wieder reingegangen und konnte es plötzlich. Weißt du, was mir da durch den Kopf gegangen ist? Wahrscheinlich, hab’ ich gedacht, konnte ich schon immer schwimmen, ich hab’s nur nicht gewusst. Und ich kann mir vorstellen, dass es bei dir genauso ist. Dein Papa Musik Erzählerin: Mit der Unruhe, die nach der Wiedervereinigung in Berlin herrschte, waren Fluchtgedanken in Jurek Becker erwacht. Es sei wie nach einem Fußballspiel, bei dem die falsche Mannschaft gewonnen habe, sagte er. Um in Ruhe schreiben und seinen Sohn freier aufwachsen lassen zu können, wollte er am liebsten ganz aufs Land ziehen. Ein Haus in der ehemaligen DDR kam für ihn nicht in Frage, ihn zog es in den äußersten Norden, nach Schleswig-Holstein. O-Ton Christine Becker 59:30 – 1:00:59 Der Filmproduzent Otto Meißener, der Produzent der Novafilm, der hat dort oben (...) über Jahre den „Landarzt“ gedreht und Jurek musste die Frankfurter Vorlesung schreiben und ich musste meine Magisterarbeit schreiben. Das heißt, wir hatten beide den Wunsch, uns irgendwohin zu flüchten. Das war noch vor dem Mauerfall. Und das bot sich an, dass wir aufs Land ziehen, wir wussten nur nicht wohin. Und der Otto Meißener sagte: Ich hab’ da ein Häuschen, da bringe ich immer meinen ganzen Drehstab unter, da wohnen immer sieben Leute, aber ihr könnt das ganze Häuschen haben, da habt ihr Arbeitszimmer und genug Platz. Das war direkt an der Schlei und das haben wir tatsächlich gemietet und haben da jeweils unsere Arbeit geschrieben und sind natürlich auch viel spazieren gegangen und haben diese Schlei entdeckt und da ist er in Liebe gefallen und hat gesagt: das ist ein Fleck Erde, der gefällt mir. Und als das Baby geboren war, im Sommer ’90, hat er das ganz vehement betrieben, diese Suche, mit einem Makler ist er da Wochen und Wochen übers Land gezogen, bis er dann das fand, was wir bezogen haben und wo er sich irrsinnig wohl gefühlt hat, er hat es geliebt. Er wäre am liebsten ganz dorthin gezogen, das habe ich verweigert, ich wollte nicht aus Berlin raus. Erzählerin: Seither verbrachte Jurek Becker etwa die Hälfte des Jahres in seinem Haus in Sieseby, direkt am südlichen Ufer des Ostseefjords Schlei. Seine Frau Christine und der Sohn Johnny waren oft, aber nicht immer dabei. Sprecher Jurek Becker Sieseby, 14.2.1994 Lieber Manfred, zurzeit sind Olympische Spiele, und wenn mich jemand fragt, ob Christine und Johnny hier in Sieseby sind oder in Berlin, dann muss ich wahrheitsgemäß antworten: Ich weiß es nicht. Aber neugierig bin ich manchmal schon. Heute früh wurde der Mülleimer geleert, das könnte was heißen, allerdings kann das auch die Nachbarin gewesen sein. Dein dich liebender Freund Jurek Erzählerin: Jurek Beckers letzter Roman „Amanda herzlos“, das Portrait einer Frau aus dem Blickwinkel ihrer drei Lebensgefährten, vor allem aber auch eine Auseinandersetzung mit den Problemen des Schreibens in der DDR, erschien 1992. Die Literaturkritiker lehnten das Buch bis auf wenige Ausnahmen ab. Becker habe darin die Grenze zur Unterhaltungsliteratur überschritten, das Bild, das er vom Unrechtsstaat DDR zeichne, sei verharmlosend. Die Leser aber liebten den Roman, der sechs Monate, länger als jedes andere von Beckers Büchern, auf den Bestsellerlisten stand. Der Autor ist vier Wochen lang auf Lesereise quer durch die Bundesrepublik. Sprecher Jurek Becker: Kiel, 24.9.1992 Du alte Fusselbürste, Kiel ist eine alte Pflaume, es hält keinem Vergleich mit Süderbrarup stand. Die bringen es fertig, daß der Kaffee angebrannt schmeckt, und es hat eine halbe Stunde gedauert, bis ich mein dämliches Hotel gefunden habe. Nur eines gefällt mir: Überall hängen Plakate – Becker liest in der Kunsthalle -, und quer über jedem ein roter Aufkleber: Ausverkauft. Macht sich wirklich hübsch. Dein Dich liebender Erfolgsautor J.(urek) Musik Erzählerin Ende 1995 begann Jurek Becker mit den Drehbüchern für die 5. und letzte Staffel von Liebling Kreuzberg. Kurz darauf wurde bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert. O-Ton Christine Becker, 1:29:23 – 1:29:55 Als die Diagnose gestellt wurde, konnten ihm die Ärzte auch gleich sagen, dass er den Krebs (...) mindestens drei oder vier Jahre (schon hatte), denn als es diagnostiziert wurde, war es ja auch schon fast zu spät. Und davon hatte er tatsächlich nichts gemerkt, (...) der Mann war voller Energie. Einen Monat bevor die Diagnose gestellt wurde, waren wir noch in Südamerika (...) und auf 2400 Metern rannte der Hügel rauf und runter, während ich Atemnot hatte und mich nicht mal einen Zentimeter weg bewegen konnte. Sprecher Jurek Becker: Postkarte an Ottilie und Manfred Krug Bogota, Kolumbien, 1995 Ihr schwerst Vermissten, auf einer fünfstündigen Bahnfahrt durch die Anden saßen zwei am Anfang geschniegelte Kellner in unserem abgeriegelten Pullman-Wagen und verkauften Getränke. Nach zwei Stunden fingen sie an, alles Bier zu trinken, das bis dahin nicht verkauft war. Bald darauf sanken sie in Schlaf und waren nicht einmal dann wach zu kriegen, als der Zug angekommen war und wir unsere Rechnung bezahlen wollten. Ja, der Inka-Schlaf ist tief. In Liebe aus der Diaspora Jurek O-Ton Christine Becker, 1:30:12 – 1:31:41 Und dieser Krebs hatte eben schon gestreut und das ist dann der Moment, wo man in diesem Fall sagen musste, das ist unheilbar. (...) Er hat gesagt, diese Auskunft kann er nicht gebrauchen, er möchte schreiben und jemand, der weiß, wie viel Zeit er noch zu schreiben hat, der kann nicht schreiben, also hat er gesagt, das will ich nicht hören. (...) Prognosen haben ihn nicht interessiert. (...) Man hatte ihm sowas gesagt wie, dass er nicht an Altersschwäche sterben würde, das war so ungefähr die Ansage. Und er hat daraus abgelesen, dass er fünf Jahre hätte – und das (...) sagte mir sein Onkologe und das wusste ich, dass fünf Jahre nicht drin sind. Also ist er von viel, viel mehr Zeit ausgegangen und das war offenbar ganz wichtig für ihn. Erzählerin: Jurek Becker wird im Berliner Virchow-Krankenhaus operiert – und schreibt auch von dort Postkarten an seine Frau: Sprecher Jurek Becker: 22.1.96 Du heilloses Durcheinander, heute haben sie mir zum Mittag das Essen M 2 gebracht, obwohl ich ausdrücklich M 3 bestellt hatte. Als ich darauf hinwies, kam das der Schwester wohl ein wenig beckmesserisch vor. Da musste ich ihr erklären, dass der Unterschied zwischen 2 und 3 eine der Säulen ist, auf denen die Welt ruht. Als sie aus dem Zimmer ging, hatte ich allerdings nicht den Eindruck, dass sie es eingesehen hatte. Aber ich will es mal einfacher sagen: Wenn der Unterschied zwischen Möhreneintopf und Putenschnitzel nicht mehr zählt, woran soll man sich denn da noch halten? Dein J(urek) Erzählerin: Der anschließenden Chemotherapie kann er sich ambulant unterziehen. Während der langen Behandlungsdauer darf ihm außer Christine nur Helge Braune Gesellschaft leisten. Der kommt oft und spielt stundenlang Karten und Tavlis mit seinem Freund Jurek. Im November 1996 besucht Rieke Becker ihren früheren Ehemann zum letzten Mal zuhause. O-Ton Rieke Becker, 1: 39:27 - 1:42:29 Er rief mich ein Jahr zuvor zwischen Weihnachten und Neujahr an und teilte mir diese Diagnose mit. Naja, vom Namen her ist solche Diagnose für jeden erstmal ein großer Schock und damals gab es auch noch nicht so viele Heilungschancen wie heute, denke ich. Also, es war furchtbar. Aber Jurek wollte mich und auch seine Kinder in seine Krankheit nicht gerne einbeziehen, er wollte auch, wenn er mal in der Klinik sein musste, nicht, dass man ihn besuchte, oder auch zuhause besuchte. Das wurde dann auch seltener. Aber ich fand das auch in Ordnung, natürlich, wenn man krank ist, möchte man sich am liebsten zurückziehen. (...) Jedenfalls, das letzte Mal habe ich ihn dann nach einem großen Zwischenraum im November gesehen und weil da so ein Zwischenraum war, hatte er sich sehr verändert. Und ich hatte zu tun, mir das nicht anmerken zu lassen, er war so dünn und grau geworden, im Gesicht auch. Und – was furchtbar war, er wollte so gute Stimmung machen, wie früher. Und das machte die ganze Sache nur noch schrecklicher, ich sah ja dieses Bemühen, aber der Kontrast zu dem, was er sagte und machte und wie er aussah, der war riesig. Das war das letzte Mal, das ich ihn gesehen habe. O-Ton Christine Becker, 1:32:11 - 1:33:25 Er hat von mir erbeten, dass ich ihn beschwindle. Das ging sogar so weit, dass, wenn ich vom Arztbesuch zurück kam und neu instruiert worden war, was als nächstes geschieht, er gesagt hat: ich lese in deinem Gesicht zu viel. Du musst dir in Zukunft was einfallen lassen, wenn du vom Arzt kommst, dass du mich anders anguckst. (...) Also, geweint wurde nicht! (...) Ich habe mich zusammen gerissen, weil ich dachte, es geht um ihn. Schon des Kindes wegen musste ich mich auch zusammen reißen, (...) dass das alles bald zu Ende geht, das sollte der Kleine auch nicht erfahren – was vielleicht ein Fehler war. Sprecher Jurek Becker: 11. 12.96 Du gesegnete Mahlzeit, kürzlich ist mir meine gute Fee erschienen und hat um ein paar Tage Urlaub gebeten. Ich habe das abgelehnt, ich brauchte sie gerade jetzt recht nötig, habe ich gesagt. Aber sie war so uneinsichtig und störrisch, dass ich sie gefeuert habe (bei Lichte besehen war sie doch, alles in allem, eine ziemliche Niete). Danach rief ich bei einem Vermittlungsbüro wegen einer neuen guten Fee an. Ich erwartete, auf eine lange Warteliste gesetzt zu werden, aber es bewarben sich sofort sieben Feen bei mir. Man glaubt gar nicht, wie leicht es heutzutage ist, eine gute Fee zu finden. Hoffentlich können die Mädels auch was. Dein J(urek) Erzählerin: Ende 1996 erfuhr Christine Becker vom behandelnden Onkologen ihres Mannes, dass jede weitere Therapie mehr schaden als nützen würde. O-Ton Christine Becker, 1:34:08 – 1:34:37 Und ich habe gesagt, dann werden wir ihm das jetzt sagen müssen. Und der Arzt hat gesagt, das ist genau das, was wir nicht tun werden, weil ihr Mann das nicht möchte. Er möchte diese Information nicht, denn ihn nicht weiter zu therapieren heißt, es geht zu Ende und das will er nicht, das müssen wir respektieren. Es war also sogar eine Auseinandersetzung mit dem Arzt, der vollkommen verstanden hatte, worum es Jurek ging. Und wir haben uns dann darauf geeinigt, dass wir sagen würden, es sei eine Therapiepause. Sprecher Jurek Becker 15.1.1997 Du alter Wackelpudding, hast du eigentlich gewusst, dass es die Eisenbahn schon viel länger gibt als das Auto? Und das Auto länger als das Flugzeug? Und das Flugzeug länger als die Weltraumrakete? Länger als alle Autos aber gibt es Schuhe. Mit denen kommt man einfach überall hin, Hauptsache man hat genug Zeit. Dein Papi Erzählerin: Dies ist die letzte der 127 Postkarten, die Jonathan Becker von seinem Vater bekam. Nach eingehender Beratung mit den Ärzten beschloss Christine Becker, Jonathan aus der Schule zu nehmen und mit ihm und ihrem Mann nach Sieseby zu fahren. O-Ton Christine Becker, 1:35:20 – 1:38:05 Er wusste nicht, dass er aufs Land fahren würde, um dort zu sterben (...), er hat gedacht, wir fahren nur für einige Zeit dorthin. (...) Der Hintergrund war eigentlich, dass ich gehofft hatte, vermeiden zu können, dass er im letzten Moment doch noch ins Krankenhaus eingeliefert wird. (...) Ich musste dann schon einen Arzt hinzu ziehen, einen Landarzt, aber am Telefon habe ich meine Freundin die Bedingung aushandeln lassen, dass er nur zu uns ins Haus kommen darf, wenn er verspricht, dass es keine Einweisung geben wird. Also, das war doch richtig. Erzählerin Jurek Becker starb am 14. März 1997 friedlich in seinem Haus in Sieseby und wie er es sich gewünscht hatte, wurde er auf dem dortigen Friedhof beerdigt. Um sein Grab kümmert sich die ehemalige Nachbarin – und hin und wieder kommt jemand vorbei, der ihn gemocht hat, und legt ein Steinchen auf den Grabstein. O-Ton Christine Becker, 55:02 – 55:20: Er liebte diesen Friedhof. Er ist mit dem kleinen Jungen da spazieren gegangen, hat dort auf einer Bank gesessen, er hat diese Allee geliebt, es ist wirklich ein wunderschöner, uralter Friedhof – und der Wunsch dort begraben zu sein, der tauchte sofort auf, kaum hatten wir das Haus, also 1990. 56:40 – 57:25 Als es dann sozusagen ernst wurde, habe ich ihn gefragt: sag mal, das musst du mir aber jetzt doch noch sagen: wirst du neben deinem Vater liegen wollen? (...) Ich wollte das jetzt wirklich unbedingt noch mal wissen, ob er das ernst meint und dass es nicht der Jüdische Friedhof in Weißensee sein würde. Und da wurde er richtig böse und sagte: was habe ich denn da verloren? Nein, das war eindeutig: Sieseby sollte es sein. Da gab es sogar noch den Zusatz: begrab mich auf dem Siesebyer Friedhof mit Blick aufs Wasser! Musik O-Ton Helge Braune 29:47- 30:10: Es ist so ungerecht, dass so einer, der als Kind so leiden musste und so eine schwere Kindheit hatte, und dann ist die Mutter ja auch gleich gestorben, kurz nach Kriegsende (...), und dass der nun nur 59 Jahre alt wird – ist das ungerecht? Ja! Musik Ende der zweiten Stunde 3. STUNDE Musik: Klaus Doldinger, Titelmusik von Liebling Kreuzberg Sprecher Jurek Becker: Vorbemerkung: Das zentrale Thema dieser Serie ist nicht die Abhandlung und Aufdeckung von Kriminalfällen. Natürlich kommen Kriminalfälle darin vor, sie gehören nun einmal zur Existenz dieses Kreuzberger Anwalts, um den es geht; aber nur so weit, wie er sich darauf einlässt. Und nur soweit, wie es für das Erzählen dieser Geschichte notwendig ist, die immer von diesem Anwalt handelt, nie allein den jeweiligen Fall schildert. Die Hauptfigur heißt Robert Liebling. Liebling ist 48 Jahre alt, seit 20 Jahren Anwalt, also gewiss kein Neuling. Er ist nicht reich. Er lebt zwar nicht gerade ärmlich, mit den ganz großen Fällen, die Anwälte berühmt und sehr oft wohlhabend machen, hat er nie zu tun gehabt. Dass liegt nicht allein daran, dass er in Kreuzberg praktiziert, wo die spektakulären Fälle selten sind, sondern auch an seinen Neigungen. Er mag das kleine Leben, mit dem er zu tun hat, er fühlt sich von ihm angezogen. Auch, wenn man ihn oft laut oder bissig oder ausfallend erlebt, so ist er doch niemals arrogant; zumindest nicht den sogenannten kleinen Leuten gegenüber. Liebling ist seit ein paar Jahren geschieden, von einer Frau Rieke, die inzwischen wieder verheiratet ist. Er hat eine Tochter, Sarah, 15 Jahre alt, die manchmal bei ihm übernachtet. Er liebt sie. Er isst gerne und viel, er raucht und trinkt. Er ist ein Hypochonder, schluckt also Pillen. Seine Gesundheit und das Altwerden sind Themen, die er gern erörtert. Er kommt nur so selten dazu. Auf den ersten Blick wirkt er müde. Lebendig wird er aber dann, wenn ihn etwas interessiert – ein Fall, eine Person, ein Gedanke. Die Serie will unterhaltend sein, mit einem komödienhaften Grundton. Dies betrachtet der Autor als ihr einziges Genre. Erzählerin: Der große Erfolg der Fernsehserie Liebling Kreuzberg beruht auf dem kongenialen Team Jurek Becker und Manfred Krug. Jurek Becker stellte sich vor, wie Manfred Krug sich verhalten, was er sagen und wie er sprechen würde, wenn er ein Anwalt wäre. Das fiel ihm leicht, denn er kannte ihn so gut wie wohl kaum jemand anders: O-Ton Manfred Krug CD1, 6, 0:00 – 0:57: Wir beide hatten uns 1956 in einer Bar in der Klosterstraße, die sich Club Junger Künstler nannte, kennen gelernt. Wir waren noch keine 20. Es war quasi Liebe. Ich begleitete ihn am Abend unserer ersten Begegnung quer durch Ostberlin bis zu seiner Straßenecke, wo wir noch lange redeten und redeten. Ich hatte einen Bleistiftstummel, aber beide konnten wir keinen Fetzen Papier in unseren Taschen finden. So schrieb ich seine Adresse an die Wand einer Eck-Ruine. Am nächsten Tag fuhr ich dorthin, um sie mir aufzuschreiben. Jurek hatte sich meine Adresse gemerkt. Bald darauf besuchte er mich in meiner möblierten Bude. Von da an konnte man sagen, dass wir unzertrennlich waren. Erzählerin: Wenn sie sich doch trennen mussten, schrieben sie einander Briefe und Postkarten. Weil er sie für das Schönste hielt, das sein Freund je geschrieben hat, hat Manfred Krug sie nach Jurek Beckers Tod in einem Buch veröffentlicht. O-Ton Manfred Krug CD 1, 2 Irgendwann schickte ich an den neuen Freund Jurek eine erste Postkarte und jung und albern und arm, wie ich war, malte ich ein kleines Portrait von ihm oben rechts an den Platz, für den ich keine Briefmarke hatte. Jurek war damals leicht zu karikieren, denn er sah aus, wie der schönste Igel der Welt. Nachts musste er ein Netz tragen, um seiner Haare Herr zu werden. Sprecher Jurek Becker: 19.1.1957 An den (in jeder Hinsicht) UNTERMIETER Manfred (Edelkomparse) Krug Berlin NO 55 Prenzlauer Allee 45 VERANTWORTLICH: Jurek Becker, Berlin, NO 55 Braunsberger Str. 16 Urkomischer! Als ich auf der Karte mein Portrait sah, darauf den Poststempel PLANE MIT, ARBEITE MIT, REGIERE MIT, da wurde das bei mir zur Gewissheit, wovon ich schon vorher nahezu überzeugt war: Du hast ‘ne Meise. Der Briefträger sagte (er konnte sich nicht verkneifen, die Karte persönlich abzugeben): „Beim nächsten Mal kann sich ihr Bekannter die Anschrift sparen. Das Bild genügt!“ Wie merkwürdig die Menschen sind. Auf dich hat er ‘ne Wut, auf meine Kosten lässt er sie aus.... Bruder Jurek O-Ton Manfred Krug: CD 1, 10 Jurek und ich gaben uns ein paar Jahre lang als Brüder aus. Solange mich volles Haupthaar schmückte, wurde das ringsum geglaubt, sogar von meiner späteren Ottilie. Jurek behielt sein Haar, meins wurde dünner. Jurek wurde schlanker, ich dicker. Nachdem wir uns unähnlich geworden waren, räumten wir ein, verschiedene Väter zu haben. CD 1, 3 Gleich im ersten Jahr müssen wir, wie noch oft im Leben, einen typischen Streit gehabt haben, es muss um die Grundfrage gegangen sein: wer hat recht. Und weil auch ich als witzig gelten wollte, vor ihm besonders, muss ich wohl geschrieben haben, die Wiederannäherung solle gefälligst er bewerkstelligen und damit nicht so zaghaft sein. Sprecher Jurek Becker: 1957 Du Affe! Wir bei wissen, und vor allem du weißt, dass ich recht habe (ist das etwa zaghaft). Aber großmütig, wie ich bin, will ich davon absehen. Was natürlich nicht heißen soll, dass du Recht hast. Eigentlich habe ich vergessen, worüber wir uns gezankt haben (1. Kompromiss). Eigentlich habe ich vergessen, ob wir uns überhaupt gezankt haben (2. Kompromiss). Da wir beide dermaßen beschaffen sind, dass es nicht viele gibt, die unserer Freundschaft würdig wären, müssen wir schon gezwungener Maßen miteinander vorlieb nehmen (innerer Zwang). Also? Jurek Erzählerin: 1959 bezogen die beiden Freunde gemeinsam einen ehemaligen Gewürzladen im Bezirk Prenzlauer Berg, der zu nächst gründlich renoviert werden musste. Sprecher Jurek Becker: Berlin, 1959 Mein Lieber! DIE WOHNUNG! Eine optimistische Tragödie. Mit dem Maler hast du einen Fang gemacht, zu dem ich dich leider nicht beglückwünschen kann. Er arbeitet so beschissen, dass die Wände weinen. Ich vermute, dass er außer an seiner chronischen Faulheit an einer viel schlimmeren Krankheit leidet – er muss farbenblind sein. Dein Zimmer z.B. stellte er mir als weiß nebst dunkelgrau vor. Ich sah aber nur weiß. Er sagte: „Sonst wäre der Kontrast zu stark gewesen.“ Außerdem kommen alle möglichen Flecken und Streifen an Wänden und Decken durch. Morgen (am Montag) gehe ich zu der Firma, um dort prinzipielle Fragen zu klären. Verlaß’ dich drauf, dass alles OK wird. Jurek Erzählerin: Es folgt eine längere Kartenpause, denn von nun an sahen sie einander täglich. In der Cantianstraße 22 lebten Manfred Krug und Jurek Becker zusammen, bis sie beide eine Familie gründeten. O-Ton Manfred Krug, CD 1, 20: Wenn er eine Freundin hatte, so war es immer die schönste, die man weit und breit finden konnte. Man hätte sie alle an erstklassige Model-Agenturen loswerden können, wenn es sowas gegeben hätte. Es waren Frauen, die für mich nicht in Frage kamen, vor denen ich Angst hatte, weil alle hinter ihnen her waren. Jurek war der Mann, dem sie einfach in die Arme fielen. – Freilich musste er manchmal hinsichtlich des Unterhaltungswertes seiner Geliebten Abstriche machen, aber zum Schwatzen hatte er ja mich. Vielleicht war unsere Freundschaft deshalb so haltbar, weil seine Frauen immer so schön waren. Nie hätte ich mich getraut, ihm eine weg zu nehmen, wenn ich dreist eine Chance gehabt hätte. Erzählerin: Aber er hatte eben keine Chance. Wer Jurek Beckers zurückhaltende Art mochte, der stand einem Menschen, der mit seiner Präsenz jeden Raum füllte, wahrscheinlich reserviert gegenüber. So jedenfalls erging es Jurek Beckers späterer Ehefrau Rieke: O-Ton Rieke Becker 1:16:04 – 1:17:35 Es gab ein Vorkommnis: Ein regnerischer Tag, ich wollte diagonal über dem Marx-Engels-Platz und mir entgegen kam ein sehr elegant gekleideter Herr im grauen Flanellanzug mit einer buntkarierten Weste und Stockschirm. Und als ich näher kam erkannte ich darin den damals schon bekannten Schauspieler Manfred Krug. Und als wir auf gleicher Höhe waren, sprach er mich an und fragte, ob ich bei dem schlechten Wetter mit ihm eine Tasse Kaffee trinken gehe. Und da habe ich abgelehnt. Und das war bei Manfred wahrscheinlich so spektakulär – das war er nicht gewöhnt, das klappte immer, wenn er jemand ansprach –(...) dass er mich, in der engen, langen Beziehung, die unsere Familien dann miteinander hatten, immer mit einem gewissen Respekt behandelt hat. Erzählerin: Nicht ahnend, dass so eine Begegnung stattgefunden hatte, stellte Jurek seinem Freund Manfred kurz darauf seine neue Liebe vor – Rieke. Jurek und Rieke Becker heirateten 1961, Manfred und Ottilie Krug zwei Jahre später. Familie Becker bekam zwei Söhne, Familie Krug zwei Töchter und einen Sohn. Jurek Becker wurde ein erfolgreicher Drehbuchautor, Manfred Krug ein vielbeschäftigter Schauspieler. Die beiden Familien sahen sich so häufig wie möglich und verbrachten auch die Urlaube möglichst miteinander. O-Ton Rieke Becker, 1:19:55 – 1:21:35 Wir hatten in Mecklenburg so einen kleinen See entdeckt, in den eine ganz lange Landzunge reinragte und irgendwie hatte Manfred da mal mit dem Bürgermeister Kontakt und dadurch hatten wir die Erlaubnis, auf der Spitze dieser Landzunge zu zelten. (...) Die Landzunge war gerade so breit, dass man die Zelte abspannen konnte und war noch ein Meter Platz und dann kam Wasser ringsherum, das war ein Traumurlaub eigentlich. (...) (1:21:55 – 1:22:37 Wir haben da Krebse gefangen und sind mit dem Kanu raus und da waren Kraniche, jede Menge, also ich hab mich da sehr wohl gefühlt. Aber das dauerte lange Zeit, bis ich Jurek überreden konnte, im Zelt zu übernachten! Das war für ihn das Äußerste an Horror, so einen Urlaub zu machen, aber (...) es hat ihm doch so gut gefallen, dass er das ein Jahr später noch mal (...) gemacht hat. Erzählerin So eng die Beziehung zwischen den beiden Familien auch war, sie bestand vor allem auf Wunsch und Betreiben der beiden Männer. O-Ton Rieke Becker, 1:10:25 – 1:14:03 Ich musste das irgendwie tolerieren, weil ich bemerkt habe, dass Jurek Krug auch brauchte. Jurek war ja ein eher zurückhaltender Typ und ich glaube, Jurek bewunderte Krug auch für sein Draufgängertum, für alles, was er durchsetzte, legal und illegal, die tollsten Dinge zustande brachte, das imponierte ihm – und so eine Figur brauchte er wohl auch. (...) Naja, Manfred ist ja auch ein intelligenter Mensch und er hat natürlich gespürt, dass Jurek vielleicht etwas hat, das ihm vielleicht fehlt. (...) Vielleicht kann ich es so ausdrücken: Ich habe bemerkt, dass Manfred immer gerne Schriftsteller geworden wäre und das zuletzt ja auch noch geschafft hat, weil ihm wohl imponiert hat, dass Schriftsteller Leute sind, die eventuell klüger sind als andere, oder auch mehr Ehrerbietung kriegen als zum Beispiel Schauspieler, und dass da irgendwas ist, was er nicht hat. Und außerdem war ja Jurek auch wirklich ein guter Freund und man konnte sich auf ihn verlassen, das allein hätte ja schon seinen Wert gehabt. Aber es war für Manfred, glaube ich, auch ein gewisser Anreiz dahinter zu kommen, was Jurek ausmacht. Musik Erzählerin: Ende der 70er Jahre zerbricht die Ehe zwischen Rieke und Jurek Becker. In kurzem zeitlichen Abstand verlassen Manfred Krug, mit Familie, und Jurek Becker die DDR, weil sie dort aus politischen Gründen keine Möglichkeit mehr haben, ihrem Beruf zu nach zu gehen. Obwohl sich beide in Westberlin ansiedeln, sehen sie sich seltener als zuvor. Es gelingt Manfred Krug, seine Schauspielkarriere im Westen fortzusetzen; Jurek Becker ist als renommierter Autor häufig auf Reisen, um aus seinen Büchern zu lesen, oder Gastvorlesungen und Vorträge zu halten. Also nimmt er das Postkartenschreiben an die Freunde wieder auf. Sprecher Jurek Becker: Kanada, 18.4.1980 Liebste Krugs, Kanada macht auf mich irgendwie den Eindruck, als wäre eine DDR-Firma beauftragt worden, USA Verhältnisse hier einzuführen. Das macht es mir leicht, mich gut zu fühlen. Wann fallen wir uns alle bloß wieder um den Hals? Liebste Grüße, Jurek Musik Erzählerin: Der Filmproduzent Otto Meißner, der im Jahr 2011 im Alter von 85 Jahren verstorben ist, steht mit seiner Produktionsfirma Novafilm für äußerst erfolgreiche Fernsehserien, darunter ‚Ich heirate eine Familie’, ‚Der Landarzt’, ‚Unser Lehrer Dr. Specht’, ‚Ein Bayer auf Rügen’‚ ‚Für alle Fälle Stephanie’ und ‚Der letzte Zeuge’. 1983 hatte Meißner die Idee zu einer Serie, die im Berlin der Gegenwart spielen und sich mit dem Alltag eines Rechtsanwalts, seinen Fällen und seinem nicht unkomplizierten Privatleben beschäftigen sollte. Auf einer Party erzählte er dem damaligen Intendanten des SFB davon. Lothar Loewe, selbst Journalist, der zwei Jahre lang als Korrespondent der ARD aus Ostberlin berichtet hatte, dachte spontan an Manfred Krug für die Rolle des Anwalts. Otto Meissner wollte eine Pilotsendung drehen, aber er brauchte zunächst dringend jemanden, der die Drehbücher schreiben konnte. Manfred Krug brachte seinen Freund Jurek Becker ins Spiel, den die Vorstellung, eine fortlaufende Serie für das Fernsehen zu schreiben, zunächst nicht begeisterte. Zu sehr schätzte er inzwischen den Umstand, dass er als freier Schriftsteller zunächst nur sich selbst und den eigenen Ansprüchen verpflichtet war. Eine Arbeit, auf deren Realisierung er wenig Einfluss hatte, wollte er nicht mit seinem Namen unterzeichnen und schlug als Kompromiss vor, unter Pseudonym zu schreiben, wie er es für die DEFA schon getan hatte. Doch Lothar Loewe war davon überzeugt, dass ein namhafter Schriftsteller als Autor die Einschaltquoten erhöhen würde und gemeinsam mit Manfred Krug gelang es ihm, Jurek Becker umzustimmen. Es wurde eine Staffel von sechs Folgen ins Auge gefasst. Musik Erzählerin Dass Jurek Becker das Rechtssystem der BRD, das den Hintergrund der Serie bilden würde, nicht sonderlich vertraut war, liegt auf der Hand. Aber er hatte wiederum jemanden, an den er sich wenden konnte – den Juristen Nicolas Becker, mit dem er nicht verwandt war, die Namensgleichheit ist zufällig. Der Strafverteidiger arbeitete zu dieser Zeit als junger Sozius in der Anwaltskanzlei von Otto Schily und hatte bereits einige medienwirksame Prozesse geführt. Becker war mit ihm und seiner Frau, der Schriftstellerin Irene Dische, seit Ende der 70er Jahre gut befreundet. O-Ton Nicolas Becker, 11:59 – 13:17 Wir waren später auch mit Krug befreundet, aber nie so wirklich stark, weil Krug eigentlich ein außerordentlich schwieriger Freund ist und (...) nach meinem Dafürhalten das nur Jurek so klug angestellt hat, dass die gewaltsamen Seiten von Krug ihm gegenüber nicht so zum Tragen kamen. Und umgekehrt war mein Gefühl, als Liebling Kreuzberg so entwickelt wurde, dass es ihm ein großes Vergnügen machte, für diesen Freund ständig Situationen, Liebesgeschichten, Missgeschicke, Erfolge und alles sich auszudenken, was er sozusagen selbst nicht so darstellen konnte bei sich, und auch nicht wollte, aber bei Krug irgendwie bewunderte. Erzählerin: Nicolas Becker wird nicht nur der offizielle juristische Berater der Serie ‘Liebling Kreuzberg’ über alle fünf Staffeln hinweg, sondern dient auch persönlich als Vorbild für eine der Serienfiguren: O-Ton Nicolas Becker, 14:44 – 16:39 Ich war ein junger Mann bei Schily und eigentlich ein blasser Mensch in gewisser Weise und diese Figur des Arnold, der ja auch relativ blass war, der war, glaube ich, im Verhältnis zu Schily (...) mir nachempfunden. O-Ton Liebling Kreuzberg, S1,1 32:15 – 33:04 Liebling: Bei Ihnen in der Familie werden sie alle Rechtsanwalt, bei mir heißen sie alle Liebling. Mein Vater hat mir erzählt, meine Mutter wollte ihn nur deshalb heiraten, weil sie unbedingt auch Liebling heißen wollte. Arnold: Ihr Vater ist nicht Rechtsanwalt? Liebling: Ne, Makler. Ist schon ‘ne Weile tot. Er hat mir ein bisschen was hinterlassen, nicht gerade ein Vermögen, aber mehr als gar nichts. Darunter auch seine Maklerei. Da ich aber kein Makler werden wollte, habe ich das Immobiliengeschäft an einen Freund verkauft. Und der lässt seine Kaufverträge bis zum heutigen Tag durch mich, seinen Notar ausfertigen. Kapito? Arnold: Deswegen laufen Sie auch nicht jedem Mandanten hinterher. Liebling: Richtig. Arnold: Und deswegen hat ihre Sekretärin den Auftrag, so viel wie möglich abzuwimmeln. Liebling: Richtig, wenn es mir aber gelingt, einen jungen, dynamischen Anwalt zu engagieren... Arnold: ... der Ihre Arbeit macht. Liebling: Genau. Dann kann sich das Blatt über Nacht wenden. Na, wollen Sie nicht doch einen kleinen Cognac? Arnold: Nein, Danke. Liebling: Sie wollen vor mir nur in gutem Licht dastehen. Also trinken wir eben keinen. O-Ton Nicolas Becker, Forts. Zu Anfang, das hat sich dann später etabliert, bin ich mit ihm ganz viel zu Gerichten gegangen, wir haben zusammen (...) Hauptverhandlungen angehört, sind auch zu anderen Rechtsanwälten gegangen, damit er das ganze Milieu kennenlernt. Und er hat sehr schnell gemerkt, das kann man auch durch die ganze Serie sehen, dass die deutsche Gerichtsverhandlung eigentlich stinklangweilig ist. Weil sie die ganze Dramatik, die der Parteiprozess in Amerika hat, nicht hat, sondern im Grunde ein Offizialverfahren ist und die Verteidiger so eine mittelstarke Rolle spielen. Und das zweite ist, er hat sehr schnell begriffen, dass es klug ist, nicht nur so viel, was bei uns aus standesrechtlichen Gründen im Büro stattfindet, dort auch stattfinden zu lassen, sondern er hat die Gespräche mit Mandanten etc. in deren sozialen Nahraum häufig verlegt, was die Sache sehr viel bunter gemacht hat und eine Kompensation dafür war, dass die Gerichtszenen auch bei ihm nicht das Hauptelement an Spannung gewesen ist. (...) Erzählerin: Mit diesen beiden Erkenntnissen gelingt es Becker meisterhaft, zum einen die zuweilen öde Realität des Justizalltags zu vermitteln, zum anderen aber auch die spezielle Kreuzberger Atmosphäre im ehemaligen Westberlin authentisch einzufangen. Musik O-Ton Nicolas Becker, 20:03 – 21:13: Also, es war, glaube ich, alles immer (...) juristisch sehr gut, dafür habe ich gesorgt, (...) und es waren fast durchweg reale Fälle und wir haben vor jeder Staffel uns zusammen gesetzt und ich habe für jede Staffel das vier- oder fünffache an Geschichten zusammen gestellt, aus denen er sich dann aussuchen konnte, was er haben wollte oder was er womit in irgendeiner Weise kombinieren konnte. (...) Und wenn die jeweilige Folge fertig war, dann kam er her und dann habe ich meistens so einen längeren Vermerk dazu geschrieben. Erzählerin: Dieser Vermerk konnte zum Beispiel so aussehen: Auf Seite 98 sagt Pomerenke ‚Amtsgericht Moabit’. Das ist eine unzutreffende Bezeichnung, die auch niemand je gebraucht. Entweder du sagst ‚Kriminalgericht’ oder du sagst einfach ‚Moabit’ oder du sagst ‚Amtsgericht Tiergarten’, dann kann er nur beim Amtsgericht verurteilt worden sein, also nur in kleineren Dingen. Was auch noch ginge, wäre ‚Kriminalgericht Moabit’ zu sagen. Auf Seite 119 schlägt Pelzer vor, was alles zu machen ist. Dabei benutzt er die Worte: ‚Klage wegen Untreue’, ‚Klage wegen Betrug’. Klage ist dieser zivilrechtliche Begriff, der dir immer wieder mal unterkommt. Es müsste heißen ‚Strafanzeige wegen Untreue’ und ‚Strafanzeige wegen Betrug’. O-Ton Nicolas Becker, 21:13 – 21:50 Daran hat er sich auch meistens gehalten. Er war aber dann witzigerweise äußerst scharf darauf, dass entsprechend seinem Drehbuch abgedreht wurde. Der Krug, der sich natürlich auch wiederum für den allerwitzigsten Menschen auf der Welt hielt, der hat manchmal noch eine Pointe zugesetzt, von der er fand, dass sie gut passen würde, und Jurek war damit meistens überhaupt nicht einverstanden, weil er fand, dass er schon ein bisschen das Monopol für die Witzigkeit darin haben würde. O-Ton Manfred Krug, CD 2, 62, 1:00 - 1:41: Sehr selten habe ich an Jureks Texten in „Liebling Kreuzberg“ oder in „Wir sind auch nur ein Volk“ gemäkelt. Da konnte er böse werden. Ich erinnere mich nicht, dass er jemals eine Textänderung gutgeheißen hat, höchstens mürrisch erduldet. Irgendwann kamen wir doch in Streit, so dass ich wohl gesagt haben muss: ‚Wenn das so ist, kannst du die nächste Serie für einen anderen schreiben!’ Wir waren beide die geborenen Choleriker. Natürlich war mir immer klar, dass ich keinen besseren Autor finden konnte. Sprecher Jurek Becker: Erfurt, 17.10.1993 Lieber Manfred, das Jenaer Studententheater hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein Stück für die Jungs zu schreiben. Seit ich weiß, dass ich keine Serien mehr für dich schreiben darf, fürchte ich die Leere, die nun in meine Tage einziehen wird und stehe solchen Vorschlägen daher offen gegenüber. Dein Freund Jurek O-Ton Nicolas Becker, 25:58 – 27-45: Er hatte einfach technische sehr große Fähigkeiten, alles was so eine Serie ausmacht an Personen, sehr schön zu zeichnen und auch sehr differenziert zu zeichnen, (...) so dass auch zum Beispiel die für ein Anwaltsbüro nicht unwichtigen Sekretärinnen nicht so blasse Figuren geblieben sind, sondern für damalige Verhältnisse sehr gut ausgestaltet gewesen sind. Also, ich persönlich finde ja auch (...), dass man eigentlich diese Unterscheidung zwischen U-Kunst und E-Kunst nicht so machen sollte. Sondern eigentlich ist das (...) eine große Leistung, 10 Jahre lang etwas zu machen, was die Leute angucken, was übrigens auch bei der Wiederholung, heute noch, sehr frisch wirkt, und sich in dieses Westberliner Milieu so einzufinden. Erzählerin: Dabei half auch Jurek Beckers Frau Christine. So wichtig, wie Nicolas Becker für die juristische Korrektheit, so wichtig waren ihre Einfälle für das ganze Drumherum in Lieblings Leben. O-Ton Christine Becker, 1:44:50 – 1:45:55: Ich habe ihn natürlich auch mit Geschichten versorgt. Weniger mit juristischen Fällen, aber er hat mich regelrecht darauf angesetzt, Privatfälle zu erfinden. Das war etwas, was ihn gar nicht so fasziniert hat: Was ist mit der Exfrau von Liebling? Was ist mit der Tochter von Liebling, geht da irgendwann mal was schief? Was kann die angezettelt haben, das ihn ärgert, was kann die für einen Freund haben? Das war Zeug, das habe ich mir überlegt, Privatfälle waren für mich das Größte und da habe ich auch aus meinem eigenen Leben geschöpft: was mir passiert war oder was eine Freundin passiert war, das wurde dann eingebaut. Oder: was könnte Liebling demnächst für eine Freundin haben? Es war meine Idee zu sagen, lass sie eine verheiratete Frau sein – das gibt natürlich jede Menge Stoff. Das habe ich ihm oft ein wenig vorskizziert, also ich habe niemals Szenen geschrieben, aber die Plots, was passiert mit diesen Menschen, was erleben die oder was gibt es für Konflikte. Erzählerin Nach Abschluss ihres Germanistikstudiums hatte nämlich auch sie gemeinsam mit einer Freundin begonnen, Drehbücher zu schreiben. O-Ton Christine Becker, 1:16:18 – 1:16:30 Wir waren relativ erfolgreich insofern, als dass jedes einzelne Drehbuch, es waren insgesamt vielleicht 10 Drehbücher, verkauft wurde. Wir haben also Geld verdient (...). Wir haben das teilweise im Auftrag der Novafilm gemacht, dann haben wir sogar einen Auftrag bekommen vom WDR – es wurde uns alles abgenommen, es wurde nur kein einziges Drehbuch davon realisiert. Erzählerin Ihrem Mann gefielen die Ideen darin jedoch zum Teil so gut, dass er nicht tatenlos dabei zusehen mochte, wie das wertvolle Material brach lag. O-Ton Christine Becker, 1:18:13 – 1:20:17 Jedenfalls stolperte ich über eine Szene und sagte: „Moment mal, das ist unsere Szene! Du hast mein Drehbuch gelesen und hast uns beklaut. Und da sagte er: ‚Ich wusste doch, dass ihr nicht produziert werdet, aber ich. Das wird doch eh keiner erfahren.’ Das gab Stunk! (lacht) Ich glaube, er hat noch was ganz Gemeines gesagt, er sagte: ‚Wer finanziert hier unseren Lebensunterhalt, du oder ich? Gib’ mir doch gleich alles zum Ausschlachten!’ Also, so ein richtiger Feminist war er vielleicht doch nicht. Er hatte kein Problem damit, mich ihm zuarbeiten zu lassen, das fand er eine tolle Rollenverteilung. (lacht) Wäre ich jetzt selbst eine erfolgreiche Schriftstellerin gewesen oder hätte eine andere Passion gehabt, die mich okkupiert hätte, dann hätte ich das verweigert und gesagt, ich brauche meine Energie für meinen eigenen künstlerischen Ausdruck, aber die Ambition hatte ich nicht. Ich stand zur Verfügung und hatte die Kapazität und hatte sogar den sprachlichen Hintergrund, (...) ich hatte die Zeit und das Wissen, ihm da zur Seite zu stehen, warum sollte ich das nicht tun? Das wäre absurd gewesen. Musik Erzählerin: Die erste Staffel von Liebling Kreuzberg lief so erfolgreich, dass gleich die nächste geplant wurde. Zuvor jedoch wurden Autor, Hauptdarsteller und Regisseur mit dem Grimme Preis in Gold für die Folge ‚Der Beschützer’ ausgezeichnet. Und das würde nicht der einzige Preis für die Serie bleiben. Musik Sprecher Jurek Becker: 25.3.1986 Lieber Manfred, es ist geradezu albern, wie sehr du mir fehlst. (...) Nee, im Ernst: da lebt man bloß die paar lumpigen Jahre, und du in der einen Wüste und ich in der anderen. Von ganzem Herzen wünsche ich dir ein paar Prozent mehr Luftfeuchtigkeit (oder weniger?). Zum Geschäftlichen: Liebling feiert, zu unser beider Erstaunen, Triumphe. Die Zeitungen sind voll davon, feiern dich und mich und uns, und die Einschaltquote ist irre. Gestern Abend lief die letzte Folge: die Ansagerin fraß aus einer riesigen Schüssel rote Grütze (eigentlich habe ich den Verdacht, Oetker steckt hinter dem Ganzen) und sagte, dies sei nun leider die letzte Folge, aber keine Angst, an der Fortsetzung würde schon gearbeitet, man werde sie rechtzeitig ankündigen. Das ist insofern ein starkes Stück, weil bis jetzt nicht die Spur eines Vertrages existiert und der Sender kein Wort mit mir über eine Fortsetzung geredet hat. Nur Meissner hat mit mir geredet. Er will einen Vertrag über 13 Folgen mit mir machen. Am Geld liegt’s nicht, aber ich will einiges vorher klären. Zum Beispiel die Regie-Frage. (...) Und vor allem: willst du denn überhaupt? So viel und so lange und diese Riemen von Text? (...) Ansonsten war die Hochzeit sehr schön. Ich war fröhlich wie selten, außer in den Gedenkminuten an dich, die ich verabredungsgemäß immer wieder eingelegt habe. (...) Fühl dich wohl und sei umarmt und geküßt, Jurek Erzählerin: Jurek Becker war nicht nur glücklich darüber, dass die Fortsetzung von ‚Liebling Kreuzberg’ beschlossene Sache schien, denn er befürchtete, von nun an als Serienschreiber abgestempelt und als seriöser Autor nicht mehr ernst genommen zu werden. Nicht ganz zu Unrecht, wie ein Fernsehinterview direkt vor der Ausstrahlung der zweiten Staffel zeigt: Moderator: 20 Uhr 15, das ist ein Termin heute Abend im Deutschen Fernsehen, denn nach eineinhalb Jahren ist es nun soweit: Robert Liebling kommt wieder, 13 neue Folgen Liebling Kreuzberg. (...) Zu Gast im Studio der Drehbuchautor Jurek Becker. Das minimiert eigentlich ein wenig, was Jurek Becker macht, denn er ist Schriftsteller, sicher einer der anerkannten deutschsprachigen Erzählerin der Gegenwart. (...) Ja, ich stelle nun mal, ich komme gar nicht darum herum, die Frage, die immer wieder gestellt wird: Ein Schriftsteller, der „Jakob der Lügner“ geschrieben hat, der so erfolgreich ist, wie man als Schriftsteller nur sein kann, schreibt nun Serien. Da ist doch die Gefahr, dass man nun mit der linken Hand schreibt und dann nicht mehr mit der rechten schreiben kann, das ist ja eher Currywurst als hohe Literatur! Jurek Becker: Dagegen wehre ich mich entschieden. Also erstmal: ich schreibe keine Serien – das ist die erste meines Lebens und wahrscheinlich auch die letzte. Ich gebe mir alle Mühe, nicht mit der linken Hand zu schreiben - die bisherigen Resultate lassen mich hoffen, dass das sichtbar wird. Das ist eine andere Arbeit, das ist wohl wahr. Ich habe Drehbuchschreiben gelernt und ich war eine ganze Menge von Jahren in der DDR Drehbuchautor bei der DEFA und danach erst habe ich Romane geschrieben. Ich bin also zeitweilig zu meinem ursprünglichen Beruf zurückgekehrt. Erzählerin: Dass er durchaus zu beidem in der Lage war, nämlich literarisch zu schreiben und für’s Fernsehen, stellen Beckers Romane „Bronsteins Kinder“ und „Amanda herzlos“, die beide im gleichen Zeitraum entstanden wie „Liebling Kreuzberg“, eigentlich hinlänglich unter Beweis. Aber auch die seriöse Literaturkritik konnte sich, gerade im Hinblick auf „Amanda herzlos“ selten den Hinweis darauf verkneifen, dass Becker auch oder eigentlich Unterhaltungskünstler sei. Musik O-Ton Christine Becker, 1:26:13- 1:27:17 Auch schon nach der zweiten Staffel hätte es gereicht, aber es war eben sehr erfolgreich, und Manfred wollte weitermachen, ach, alle wollten weitermachen und dann war es eben auch ein Grund, dass er sehr, sehr gut verdient hat, (...) es ihm leicht fiel, er wusste: ich kann das, ich kann es auch für lange Zeit und es wird nicht nachlassen in der Qualität. (...) Und etwas zu machen, was ihm Spaß machte (...) und wovon er wusste, dass es die Leute haben wollen – und dann auch noch viel Geld dafür zu kriegen – also, das konnte er nicht ablehnen. Und dann war er aber doch nach der dritten Staffel so etwas wie leer geschrieben, so hätte er das formuliert. Sprecher Jurek Becker: Geliebter Freund, zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei allem, was ich tue, denke ich am dich, mein Serienlord, zwei Folgen noch geht das so fort, und dann ist endlich Ruhe. Dein inniglicher Jurek Erzählerin: Mit dem Ende der Serie wollten sich die anderen Beteiligten jedoch nicht abfinden, deshalb schrieb Ulrich Plenzdorf die Drehbücher der Staffel 4. Das Gesicht, das er als Autor der Serie gab, kam beim Publikum jedoch nicht gut an. Nicolas Becker, der als juristischer Berater weiterhin dabei war, sieht die Ursache für diesen Flop darin, O-Ton Nicolas Becker, 17:03 - 17:33 ... dass (...) der Plenzdorf im Gegensatz zu Jurek in meinen Augen ziemlich humorlos war und im Grunde so eine Art von sozialistisch gefärbter Volkshochschule da betrieben hat. Und das war Jureks Sache überhaupt nicht, weil er das nur peinlich fand. Erzählerin: Also kehrt Jurek Becker nach einer jahrelangen Pause ein letztes Mal zu Liebling Kreuzberg zurück. O-Ton Christine Becker, 1:28:15 – 1:28:38 Die Umstände waren nur dann sehr widrige, denn er fing an zu schreiben und erfuhr bald darauf von der Krankheit, so dass er unter großem Druck stand. Er hat wirklich unter Druck geschrieben, denn es war alles geplant, die Dreharbeiten standen fest und es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn er diese Bücher nicht hätte liefern können. (...) irgendjemand sagte mal, wenn er arbeitet gibt es ihm womöglich auch die Energie oder die Kraft durchzuhalten. Sprecher Jurek Becker Sieseby, 4. August 1996 Du faule Ausrede, für die allerletzte Liebling-Folge habe ich eine Idee: Liebling fühlt sich nicht wohl, geht zum Arzt, und es stellt sich heraus, dass er Krebs hat. Er gerät an den berühmten Professor Poularde,... Erzählerin: Jurek Becker war in Behandlung des Onkologen Professor Dieter Huhn. Sprecher Jurek Becker ... der behandelt ihn nach seiner sensationellen Memo-Theorie, und Liebling erstarkt, ändert keine einzige seiner Gewohnheiten und überlebt sie alle. Warum soll man nicht auch mal eine Geschichte aus dem wahren Leben erzählen? Dein dich liebender Serienkönig J(urek) Erzählerin: Schließlich entschied sich Becker doch noch für ein anderes Ende: Robert Liebling kommt nach einem Herzanfall mit einem Schrecken davon, woraufhin sich der notorische Schwerenöter geläutert mit seiner aktuellen Geliebten ins Privatleben zurückzieht. Diese allerletzte Folge der Serie wird am 17. März 1997 ausgestrahlt, drei Tage nach Jurek Beckers Tod. O-Ton Liebling Kreuzberg, S,F1, 29:56 – 30:16 Liebling: Ich will Ihnen was verraten: Ich bin ein Glückspilz. Als ich geboren wurde, hat mir ein Engel über die Glatze gestrichen und mir zugeflüstert: Glück kann man nur haben, wenn man faul genug ist. Wenn man den ganzen Tag schuftet und dann zu was kommt, das ist doch kein Glück. Der hat sich alles hart erarbeitet! Man muss dem Glück auch ‘ne Chance geben. Musik Ende der 3. Stunde Literatur Jurek Becker Mein Judentum herausgegeben von I. Heidelberger-Leonard Frankfurt 1992 5´03 min Jurek Becker Warnung vor dem Schriftsteller Drei Vorlesungen in Frankfurt (edition suhrkamp) Suhrkamp 1990 2´30 min Manfred Krug liest: Jurek Beckers Neuigkeiten: An Manfred Krug & Otti Hörbuch, Tacheles/ Roof Music 2005 4´20 min Musikliste 1. Stunde Titel: Makin' whoopee Länge: 02:00 Interpret: Ray Charles Komponist: Walter Donaldson Label: BELLA MUSICA Best.-Nr: AD31.4227 Plattentitel: Ray Charles Titel: Pretty Libby Länge: 01:36 Interpret: Dr. John (voc,p) Komponist: Rebennack Label: DEMON Best.-Nr: FIEND 9 Plattentitel: The brightest smile in town Titel: Storm warning (1) Länge: 00:18 Interpret: Dr. John Komponist: Malcolm John Rebennack Label: Parlophone Best.-Nr: 345686-2 Plattentitel: Sippiana hericane Titel: Pinetop Länge: 01:47 Interpret: Dr. John Komponist: Malcolm John Rebennack Label: Clean Cuts Plattentitel: LP: Dr. John plays Mac Rebennack Titel: Mardi gras day Länge: 03:22 Interpret: Mac " Dr. John" Rebenack (voc,g,perc) Komponist: Malcolm John Rebennack Label: RHINO Best.-Nr: 271450-2 Plattentitel: The Dr. John Anthology - Mos' Scocious / CD 1 Titel: Desitively bonnaroo Länge: 02:30 Interpret: Dr.John Komponist: Malcolm 'Mac' Rebenack, Jesse Hill Label: Atlantic Best.-Nr: ATL50035 Plattentitel: Desitively Bonnaroo Titel: I think it's going to work out fine Länge: 04:43 Interpret: Ry Cooder Komponist: Rose Marie McCoy, Sylvia McKinney Label: Warner Bros. Records Best.-Nr: 256691 Plattentitel: Bop till you drop 2. Stunde Titel: Crazy 'bout an automobile (Every woman I know) Länge: 00:57 Interpret: Ry Cooder Komponist: William Robert Emerson Label: RHINO Best.-Nr: 122798919 Plattentitel: Ry Cooder anthology - The ufo has landed Titel: Available space Länge: 01:14 Interpret und Komponist: Ry Cooder Label: RHINO Best.-Nr: 122798919 Plattentitel: Ry Cooder anthology - The ufo has landed Titel: I'm the Boogie Man Länge: 02:32 Interpret und Komponist: Vince Weber Label: Polydor Best.-Nr: 529513-2 Plattentitel: The best yet Titel: Fishing blues Länge: 00:20 Interpret: Taj Mahal Trio Komponist: Taj Mahal Label: COLUMBIA Titel: Gotta see baby tonight Länge: 00:15 Interpret: Louis Prima Komponist: Louis Prima, James, Stock Label: Capitol Best.-Nr: T-1132 Plattentitel: Strictly Prima! Titel: Dark end of the street Länge: 04:55 Interpret: Ry Cooder Komponist: Chris Moman, Wallace Daniel Pennington Label: RHINO Best.-Nr: 122798919 Plattentitel: Ry Cooder anthology - The ufo has landed 3. Stunde Titel: Liebling Kreuzberg Länge: 02:31 Interpret und Komponist: Klaus Doldinger Label: WEA International Best.-Nr: 991861-2 Plattentitel: Film ab: Doldinger - TV & Filmthemen Titel: Power House Boogie Länge: 00:50 Interpret und Komponist: Axel Zwingenberger Label: VAGABOND Records Best.-Nr: VRCD8.80011 Plattentitel: Power House Boogie Titel: Funky stuff Länge: 01:54 Interpret und Komponist: Axel Zwingenberger Label: VAGABOND Records Best.-Nr: VRCD8.85005 Plattentitel: Axel Zwingenberger and the Friends of Boogie Woogie, Vol. 2: Titel: Liebling Kreuzberg Länge: 00:40 Interpret: Rolf Balschun Komponist: Hans-Martin Majewski Label und Best.-Nr: keine Plattentitel: Liebling Kreuzberg Titel: Ain't gwine to whistle Dixie (anymo') Länge: 08:37 Interpret: Taj Mahal Komponist: Taj Mahal, Jesse Ed David, Chuck Blackwell, Gary Gilmore Label: LEGACY RECORDS Best.-Nr: 674500-2 Plattentitel: The essential Taj Mahal