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Neue Marktlücken bescherten der Tabakpflanze in den vergangenen Jahren eine Art Renaissance: als Bio-Tabak für den US-Markt und als hochwertiger Wasserpfeifentabak. Alexander Musik berichtet aus der Südpfalz. MANUSKRIPT Atmo Blattabschneiden, Stimmen, Radiomusik, Motor Sprecher Ein heißer Septembertag; der letzte Tabak wird vom Feld geholt. Beschallt von Musik aus dem Radio rupfen 15 Saisonarbeiter aus Polen und Rumänien in Handarbeit große Blätter von den gut zwei Meter hohen Stauden. Schon seit drei Monaten machen sie das. 30.000 Pflanzen stehen auf dem ein Hektar großen Feld. Mit den Arbeitern rückt der Erntewagen langsam vor.. Ein Transportband befördert die Blätter auf die Ladefläche. Dort oben stehen drei Mann, packen die Blätter am Stängel und fixieren sie kopfüber in so genannten Packrahmen. 100 Packrahmen passen auf den Erntewagen, genau so viele, wie ein Trocknungsofen fasst. Dort landen sie gleich nach der Ernte, erklärt Markus Fischer, der Besitzer des Tabakfeldes O-Ton (Fischer): ? Definitiv ist das ne anspruchsvolle Pflanze, weil, wir haben ja keinen Kopf wie beim Kohlrabi oder beim Kopfsalat, sondern wir ernten ja die Blätter, das ist die Kunst dabei, die Blätter gesund zu halten oder am Leben zu erhalten. Sie sehen ja, das ist ne fast 2 Meter große Pflanze, wo fast 25 Blätter macht, Sprecher Fischers Kleinbus holpert auf einem Wirtschaftsweg durchs weite, wellige Land der Südpfalz: riesige Ackerflächen, dazwischen ein paar verstreute Dörfer. Nach zehn Minuten Fahrt ist Fischer auf seinem Hof. Am Rande der Gemeinde Hördt liegt der schmucklose Neubau mit Ferienwohnung. Tierhaltung für den Eigenbedarf. Hin und wieder, erzählt Fischer, fahren in der Einfahrt auch Autos vor, deren arabische Besitzer mit dicken Geldbündeln wedeln und dem 38-Jährigen seine Ware gleich vor Ort abkaufen möchten. Markus Fischer lehnt aber immer ab. Denn sein Tabak - der konventionell wie der organisch angebaute ? geht ausschließlich an die zwei Unternehmen, mit denen er Verträge abgeschlossen hat; Zusatzverkäufe sind untersagt. O-Ton (Fischer): ?Wir mache in der 4. Generation Tabak, Die Kulturpflanze, die gehört einfach zu uns ins Dorf, und in die Pfalz, simma echt stolz, gerad mit den Abnehmern, die ma im Moment habbe, die Firma American spirit und CNT für die Wasserpfeife, wo da geliefert wird, zwei starke Vertragspartner zu habe, und einfach das ganze Geschäft - weil, unsere Familie lebt vom Tabak - einfach das weiterzuführe.? Sprecher Fischer und seine Frau bauen ausschließlich Tabak an, auf 50 Hektar insgesamt. Der Nichtraucher Fischer war es auch, der den Sprung ins kalte Wasser wagte und als erster auf Bio-Tabak umstieg, als 2009 die Subventionen wegfielen. Sechs bis sieben Hektar seiner Ackerflächen sind mittlerweile für den organischen Tabak-Anbau reserviert. Das bedeutet: keine Spritzmittel, kein Kunstdüngereinsatz, strikte Trennung aller Arbeitsabläufe vom konventionell angebauten. Und immer wieder Kontrollen. Eine Herausforderung, auch für einen Mann mit so viel Erfahrung wie Fischer. O-Ton (Fischer): ?Man kommt sich jedes Jahr vor, als wenn man frisch am Start ist bei der Kultur. Seit ma in den organischen Bereich eingestiegen sind, braucht ma wirklich gute Nerve.? #00:05:08-4# Sprecher Markus Fischer führt die Trocknungsöfen vor, die dafür sorgen, dass aus den grünen stoffartigen unterarmlangen Tabakblättern gelbe werden, nicht zu trocken und nicht zu feucht. In jedem Ofen herrscht eine andere Temperatur. O-Ton (Fischer): ?Sobald der in de Trocknungsofe reinkommt, mach ja ich persönlich das Wetter! Da stell ich ne Heizung drauf, da stell ich meine Temperaturgrade ein mim Computer und alles, dann fahr ich den hoch von 30 bis auf 70 Grad innerhalb einer Woche, und mach den Tabak gut! (?) Sprecher Fischer öffnet und schließt eine Tür nach der anderen, Dampf quillt aus dem Innern und intensiver Tabakgeruch. O-Ton (Fischer) :(Atmo Öffnen Trocknungsofen) Der kam jetzt gestern rein, der ist noch grün, nur wird der jetzt so langsam bamplig, der trocknet von 30 auf 40 Grad. Der braucht jetzt seine Feuchtigkeit in sich, um von grün in gelb umzuschwinge, das macht er bei 40 Grad. (Atmo Handy) Ganz kurz, mei Frau! (Gespräch)? Sprecher Fischer prüft die Blätter in jedem Ofen und schätzt, wie lang sie noch rösten müssen. So wie der Winzer die Kellertechnik, muss Fischer die Trocknungstechnik beherrschen. Eine Technik. die ins Geld geht. O-Ton (Fischer): ?Ein Trocknungsofen, wo knapp drei Tonnen grüne Ware reinkommen, hat nach sechs bis sieben Tagen ungefähr zwischen 300 und 400 kg getrocknete Ware drin, und in der Zeit hab ich zwischen 250 und 300 Liter Öl verblasen. Pro Trocknungskammer, und ungefähr zwischen 60 und 70 ? Strom.? Sprecher Dank ?American Spirit? lohnt sich das trotzdem. Sieben Euro pro Kilo zahlen die Einkäufer der US-Firma für die Bio-Ware aus der Pfalz, fünf für konventionell angebaute. Sie zahlen für Qualität: Die Virginia ist optimal an das Pfälzer Klima angepasst, die Böden aus Lößlehm bringen optimales Wachstum. Außerdem enthält die Virginia sehr wenig Nikotin und sehr viel Zucker ? Eigenschaften, die sie begehrt machen. Atmo/Musik Im Jahre 1573 wurden in der Südpfälzer Gemeinde Hatzenbühl die ersten Tabakpflanzen gesichtet. Damals wurde Tabak vor allem als Zier- und Heilpflanze genutzt. Erst im Dreissigjährigen Krieg bekamen die Soldaten Pfälzer Tabak zum Rauchen. 39.000 Tabak-Pflanzer soll es zur Blütezeit in der Pfalz gegeben haben, das war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals wurde noch kaum etwas exportiert. Atmo Hof Anders als heute: Wasserpfeifentabak geht nach Jordanien und Ägypten, Zigarettentabak in die USA. Dort wird er zu Markus Fischers Leidwesen mit amerikanischen Tabaksorten minderer Güte verschnitten. Als Verschnitt ist die Zigarette schließlich auch wieder in Deutschland erhältlich. Atmo Schritte, Stühlerücken: ?Anne-Marie??, lachen, nehmen Sie Platz, dort hinten lassen Se mich ... das ist mein angestammter ... und überhaupt ...was trinken Se dann? #00:00:44 Während Markus Fischer ganz auf Tabak gesetzt hat, ist für Guido Hörner auf seinem Hof in Ottersheim bei Landau der Tabak nur e i n e Kulturpflanze ? neben Zuckerrübe, Kartoffeln und Mais. O-Ton (Hörner): ?Für Tabak brauch ich 500 Stunden pro Hektar, für Getreide brauch ich 15. Ich kann nicht so viel Tabak anpflanzen wie ich gerne möchte, wir haben uns ein Limit gesetzt, es kommt auch auf die Arbeitskräfte an, auf den Invescht für die Öfen, (...) es bringt aber über ein Drittel der Betriebseinnahmen, diese 10 % der Betriebsfläche, fast die Hälfte!? #00:07:43-2# Sprecher Hörner ist ein massiger, gemütlich wirkender Mann. Seit 1801 pflanzt seine Familie Tabak. Beim Gespräch in der Küche bringt seine Frau die neusten Zigarettenschachteln von ?American Spirit? an den Tisch. Über sie ist Guido Hörner nicht glücklich. Die Schockbilder mit den rauchenden Babies, die Warnhinweise? richtet Alkohol nicht viel mehr Schaden an und macht ganze Familien kaputt? Auch die Schadstoffwerte suchten Raucher jetzt vergeblich auf der Packung. Hörner kommt trotzdem nicht ins Schwärmen, wenn er am die Zeit vor 2009 denkt, die Zeit der Tabak-Subventionen. O-Ton (Hörner): ?Die Zeit der Subventionen war nicht das Ziel der Landwirte! Das ist uns ufdiktiert worde, in de 70er Jahr, von unsere EU. Wir wollten unseren Tabak am freien Markt verkaufen und nicht mit Prämien, die immer mehr gestiegen sind. (...) Bis vor 10 Jahren war zwei Drittel Prämie, ein Drittel realer Kaufpreis. Das war eine ungesunde Geschichte, das wussten auch wir Bauern, aber zugunsten unserer Südländer, Spanien, Italien, Griechenland, Billiglohnländer, haben wir die Prämiengeschichte mitgemacht, weil uns nix anderes übrig blieb #00:01:18-1# #00:01:19-6# (?)? Sprecher Dennoch war es ein Schock, als die Prämien irgendwann wirklich ausblieben, bestätigt Hörner. Auch der eigene Sohn, Florian, wollte 2010 nicht mehr; der Tabakpreis war ihm zu niedrig. Heute ist er wieder dabei, freut sich der Vater. O-Ton (Hörner): ?Wir waren nicht froh ,weil wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Dass der freie Markt sich so schnell entwickelt und unserern Tabak wieder ausreichend bezahlt, hatten wir zunächst nicht gedacht. Wir dachten damals: jetzt ist das Aus gekommen.? Sprecher Auch im rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministerium dachte man so. Und überlegte, was die Bauern stattdessen anbauen könnten: Kräuter zum Beispiel oder Stevia, das Süßungsmittel. O-Ton (Hörner): ?Dann wurde eine Studie erarbeitet vom Landwirtschafts-ministerium mit einem Professor an der Spitze, der ein großes Gutachten gemacht hat für etliche 1.000 Euro. Das Ende vom Lied war - wir waren geladen zu diesem Endgespräch - für Tabak gibt es keine Zukunft, ihr könnt aufgeben, wir machen ein Programm für Kräuter!? Sprecher Guido Hörner, der nur ab und zu zu einem Zigarillo greift, bittet seine Frau, die so genannte Pfalz-Zigarre und die Pfalz-Zigarillos zu holen. Kein Verschnitt, die Sorte enthält nur Pfalz-Tabak der Sorte ?Virginia?. Sie ist nur rund um Landau zu bekommen. Die schmucke Holzschachtel und die Rolle mit der Einzel-Zigarre darin dienen als Werbegeschenke für Politiker. Es geht darum, dem Tabak-Anbau in der Pfalz das schlechte Image zu nehmen. Schließlich habe die Pfälzer ?Virginia? nur zwei Prozent Nikotin! Die zwei rumänischen Saisonarbeiterinnen, die im Hof gerade Zigarettenpause machen, scheinen sich um das Tabak-Imageeh keine Gedanken zu machen . Sie rauchen aber auch etwas, was man am Kiosk in der Regel vergeblich sucht, sagt Guido Hörner schmunzelnd. O-Ton (Hörner): ?Die rauchen reine Virgin (?), ej jo, die schneiden sich ein paar Blätter und machen dann das Rauchprodukt, das sie selber konsumieren.? Sprecher Ein reines Naturprodukt. Auch dank des Bio-Anbaus, wird es wird es die die Tabakpflanzer in der Pfalz, wohl noch ein paar Jahre geben. Allerdings kann es auch jederzeit anders kommen , kann sich die aufgetane Marktlücke auch wieder schließen. ?American Spirit? hat gerade die Europarechte an einen japanischen Konzern verkauft. Niemand weiß derzeit, ob den neuen Managern der Tabak von Markus Fischer und seinen Kollegen nicht viel zu teuer ist.