COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 30. März 2009, 19.30 Uhr No future? Das Leben in deutschen Großsiedlungen Von Joachim Schulte und Andreas Ulrich O-Ton Anwohner Guten Tag, ich begrüße Sie in meiner Wohnung, kommen Sie rein. Ich möchte Ihnen gerne zeigen, wie wir wohnen. Wenn Du rinkommen tust in das Treppenhaus, dann siehst Du erstmal überall vollgeschmiert und Tapete, oder wat da auch immer dran klebt, abgerissen. Dit meiste ist eigentlich immer vollgeschmiert. Es hat oft so einen dörflichen Charakter, wie in so einer kleinen Lindenstraße. ZITATORIN No Future ? - das Leben in deutschen Großsiedlungen Ein Feature von Joachim Schulte und Andreas Ulrich ATMO Auto innen (unter dem folgenden Sprechertext langsam weg) SPRECHER 1 Wir kommen aus der in den letzten Jahren aufwendig sanierten Potsdamer Innenstadt. Von der Stadtautobahn geht es in den Ortsteil Drewitz. Durch das Wohnviertel zieht sich die Konrad-Wolf-Allee - wie eine breite Schneise, gesäumt ausschließlich von fünfgeschossigen, unsanierten Plattenbauten. Eine Passantin bringt es auf den Punkt: O-Ton Passantin Da gibt es in Potsdam schönere Ecken wie Drewitz SPRECHER 2 Für einen Film, der in der DDR der 80er Jahre spielt, bietet der Ort die ideale Kulisse. Man müsste nur die Opel, Ford oder VW auf den übergroß dimensionierten Parkplätzen wieder durch Wartburg und Trabant austauschen. SPRECHER 1 6000 Menschen leben hier. Leerstehende Wohnungen gibt es kaum Und das ist eher die Ausnahme in deutschen Trabantenstädten. Der Wohnungsmarkt in Potsdam ist "angespannt", wie die Fachleute sagen. Allein seit der Jahrtausendwende ist die Einwohnerzahl um ein Viertel gestiegen. Was dazu führte, dass Potsdam im Jahr 2008 bundesweit die höchsten Mietsteigerungen zu verzeichnen hatte. SPRECHER 2 Die unmittelbare Nähe zu Berlin machte die Stadt attraktiv als Wohnort für Prominente. Friede Springer, Wolfgang Joop oder Günther Jauch haben sich hier niedergelassen. Allerdings nicht in Drewitz. Wer hier wohnt, hat in der Regel keine andere Wahl: O-Ton FELDMANN Also zum einen ziehen Leute nach Drewitz, die einfach aufgrund der Mietsituation sich Wohnraum suchen müssen, der nur ein gewisses Preisniveau hat. Ich denke, es ziehen ganz verstärkt Familien nach Drewitz mit Kindern aufgrund dessen, dass die Wohnungen relativ groß sind. SPRECHER 1 Katharina Feldmann ist beim Stadtkontor Potsdam zuständig für - ZITAT - soziale Sanierung im Stadtteil. Finanziert wird ihre Arbeit aus Mitteln des Bund-Länder- Programms "Soziale Stadt". Bundesweit über 300 Wohngebiete, alles so genannte soziale Brennpunkte, sollen aufgewertet und ihre Sozialstruktur stabilisiert werden, wie es heißt. Und da gibt es in Drewitz einiges zu tun: O-Ton Zwei Frauen Gucken Sie sich das hier an. Ich meine das Graue hier alles, das ist ja. überall Hundekacke. Die Leute, die hier wohnen, die sind ja auch nicht gerade. Die ganzen Suffis, also die Trinker. Es ist alles so grau hier. Das ist nicht schön. Die Wohnungen müssten saniert werden. Auch die Flure sehen aus, alles dreckig. Hundekacke, Zigaretten, Papier, Kippen, alles vor unserem Balkon. Alles Haufen voll, Hundekot, ja. O-Ton Mann Haufen Krach, Haufen Ärger mitunter und so. Es macht keinen großen Spaß hier zu wohnen. Aber die Miete ist relativ billig. Am liebsten würde ich weg ziehen, sagen wir mal so, ja. SPRECHER 2 Die Zustände sollen sich ändern. Zum Beispiel durch sogenannte Verbesserung des Wohnumfeldes. Mehr Grün auf den großen Innenhöfen oder mehr Spielplätze. Gerade wurde eine Kita aufwendig saniert. SPRECHER 1 Am eigentlichen Problem ändert das alles jedoch nichts. Mit rund 14 Prozent ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch, wie im Potsdamer Durchschnitt. Das Pro-Kopf- Einkommen ist das niedrigste. Kathrin Feldmann konstatiert deshalb nüchtern: O-Ton FELDMANN Hartz IV hat natürlich noch mal massiv dazu beigetragen, dass sich Leute um angemessenen - was es auch immer bedeutet - Wohnraum kümmern müssen. Angemessen in der Größe, aber vor allem im Preis. Und dadurch, dass Drewitz noch nicht saniert wurde, haben wir dort auch die geringsten Mieten. O-Ton HOLM Wir können da von einer fast doppelten Benachteiligung sprechen. Betroffen davon sind ja in der Regel Haushalte mit geringem Einkommen. Und das sind aber genau die, die auf soziale Netzwerke in unmittelbarer Nachbarschaftsumgebung angewiesen sind, also die brauchen die Netzwerke, wo es vielleicht mal einen Job gibt. Die brauchen den kleinen Laden, wo sie die Verkäuferin kennen und anschreiben lassen können, wenn das Geld am Ende des Monats knapp ist. Und all diese sozialen Netzwerke, Verankerungen, Überlebensstrategien, die brechen natürlich weg, wenn man zum Umzug gezwungen wird in eine Gegend, die man gar nicht kennt. SPRECHER 2 sagt Andrej Holm, Sozialwissenschaftler an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main, der zu Stadterneuerung und Wohnungspolitik forscht. SPRECHER 1 Zum Umzug gezwungen sind oftmals Familien mit Kindern. Drewitz hat denn auch den niedrigsten Altersdurchschnitt in Potsdam. Jeder Sechste, der hier lebt, ist unter 18. MUSIK DREWITZ ...Wir halten zusammen, das weiß jede Sau. Sag nichts Falsches bevor wir Dich verhauen. Und wir kriegen jede Frau, da siehst Du nur noch Grau. ... SPRECHER 2 "South Central Off" nennen sich die Rapper, die einmal in der Woche im Jugendclub "Offline" proben. Übrigens der einzige im Stadtteil. Getragen nicht etwa von der Kommune, sondern vom Sportclub Potsdam. Der stellt eigentlich Spitzensportler für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele zum Beispiel in der Leichathletik und im Rudern. SPRECHER 1 Peter Schäperkötter war - was man ihm heute noch ansieht - in den 80er Jahren Zehnkämpfer für den Verein. Er leitet den Jugendclub. Schäpper, wie er von den Jugendlichen mit liebevollem Respekt genannt wird, fungiert für viele hier als eine Art Ersatzvater: O-Ton SCHÄPERKÖTTER Also die Kinder gehen teilweise fast nur zum Schlafen nach Hause. Sie kommen nach der Schule direkt zu uns, verbringen die Freizeit mit ihren Freunden hier. Essen auch hier, wenn wir Essensangebote haben und gehen dann zu später Stunde nach Hause, die Mädchen ein bisschen eher - da achten die Eltern ein bisschen drauf - die Jungs, bei einigen ist es egal, wann sie da sind. SPRECHER 2 Seit Jahren sind die Zustände in Drewitz regelmäßiges Thema in der Lokalpresse. Mit den Schlagzeilen Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Ghetto. Peter Schäperkötter bittet uns darum, den Ort und die Einwohner durch unsere Berichterstattung nicht noch weiter zu stigmatisieren. Ein Wunsch, der uns bei unserer Reise durch die Trabantenstädte noch öfter begegnen wird. SPRECHER 1 Und auch Stefan, einer der Rapper aus dem Jugendclub möchte den Ball lieber flach halten: O-Ton STEFAN Also ich find, richtige Ghettos sind in der dritten Welt oder Bronx, New York oder Queens, Kings und viele meinen ,Hu, Ghetto und so'. Diesen Slang zum Beispiel kopieren sie sehr viel aus Amifilmen. Ich find, in Deutschland gibt es nicht wirklich ein Ghetto, vielleicht ein kleines Ghetto. SPRECHER 2 Natürlich hat Schäperkötter Recht: Es darf nicht darum gehen, die Bewohner solcher Stadtteile zu stigmatisieren. Andererseits muss alarmieren, wenn er beobachtet: O-Ton SCHÄPERKÖTTER Kinder mit blauen Flecken, Kinder ohne Essen, die ständig Hunger haben oder Kinder bis 18 Uhr in der Kindereinrichtung und es interessiert nicht mal, ob die nach Hause gehen oder nicht und wir bringen sie nach Hause. Das sind verschiedene Sachen, wo Du sagst: In normalen Familien passiert das nicht. SPRECHER 1 In Drewitz sind die Folgen der Segregation zu beobachten. SPRECHER 2 Das ist der wissenschaftliche Ausdruck für die zunehmende Spaltung der Städte in Wohnviertel mit armer und mit wohlhabender Bevölkerung. Carsten Keller, Stadtsoziologe an der Berliner Humboldt-Universität, beschäftigt sich mit den Konsequenzen solcher Entwicklungen. Er stellt fest: O-Ton KELLER .... dass die Tendenzen in den letzten Jahren darauf hinweisen, dass wir sehr problematische Situationen in solchen Wohngebieten haben werden und teilweise auch schon haben. Man hat eine hohe Konzentration Benachteiligter, oft in schlechten Baubeständen, die dann auch noch von privaten Eigentümern zu Spekulationszwecken genutzt werden. Und wenn sich das zum Beispiel verbindet, das ist eine sehr gefährliche Mischung. ATMO Einkaufszentrum (setzt unter dem letzten Satz des vorhergehenden O-Tons ein) SPRECHER 1 Drewitz hat natürlich auch ein Einkaufszentrum. Im Havel-Nuthe-Center sind die Angebote auf die Kaufkraft der potentiellen Kundschaft zugeschnitten. Schnäppchenmarkt, Betten-Discounter, Lebensmittel von einem der bekannten Billiganbieter und die "Blumenwiese": ATMO Blumenladen Drewitz Man sagt immer eine ist keine. Wenn, dann würde ich noch mal aufmachen und zweie höher raus. Ja ja. Ich kann Ihnen auch ein bisschen weißen Ginster drunter machen, das lockert auch immer ein bisschen auf. SPRECHER 2 Daniela Schippan betreibt ihren Blumenladen hier im Einkaufszentrum seit zehn Jahren. O-Ton Schippan Man muss ja heute schon sagen, eine Blume ist heute schon ein Stück weit Luxusgut geworden, ja. Und da merkt man natürlich schon extrem, dass die Leute darauf gucken, viel kleine Sache kaufen. Die Anzahl der Kunden ist schon irgendwo da, aber wenn früher zehn Euro für einen Strauss bezahlt wurde, wird heute was für zwei, drei Euro gekauft, ja. SPRECHER 1 Die Blumenhändlerin organisiert seit Jahren Spendenaktionen der Gewerbetreibenden, zum Beispiel für die Kinder der Drewitzer Grundschule. Ein Dorn im Auge ist ihr der trostlose große Platz unmittelbar vor dem Einkaufszentrum. Eine dieser Bausünden, wie sie wohl unvermeidbar in jeder Großsiedlung zu finden sind. O-Ton Schippan Plan der Blumenhändlerin Wir versuchen auch gemeinsame Aktivitäten zu machen, um den Platz ein bisschen zu beleben. Natürlich in der Hoffnung, dass es die Leute ein bisschen rausholt. SPRECHER 2 Die Menschen rauszuholen, sie zum Engagement im Wohnviertel zu motivieren, ist ein erklärtes Ziel des Programms "Soziale Stadt". Überall in solchen Wohngebieten versuchen sich Heerscharen von Sozialarbeitern daran und stoßen immer wieder an ihre Grenzen: O-Ton KELLER Die benachteiligte Bevölkerung ist nur zu sehr geringen Anteilen bereit, ihre sowieso problembelastete Alltagszeit dann in Engagement für den Stadtraum umzumünzen. Es sind, wie man in der Beteiligungsforschung weiß, die Mittelschichten, die ein gewisses Zeitbudget haben, um es zu investieren. SPRECHER 1 ... erklärt Stadtsoziologe Carsten Keller. ATMO Schulhof SPRECHER 2 Die Priesterweg-Grundschule. Vor zwei Jahren tauchte sie urplötzlich in den Potsdamer Schlagzeilen auf. SPRECHER 1 Rektorin Elvira Eichelbaum schlug Alarm. Die Verhaltensauffälligkeiten vieler ihrer Schülerinnen und Schüler machten einen regulären Schulbetrieb nahezu unmöglich: O-Ton EICHELBAUM Ein Junge, der sich dann aufs Treppengeländer gesetzt hat und sagt ,Ich will hier runter springen', also mit dem Ziel, ich nehme mir das Leben. Das wäre wahrscheinlich nicht passiert, weil das war nicht so hoch. Aber er hat ein Signal gesetzt, ein anderes Kind hatte gesagt ,Ich kann nicht mehr nach Hause gehen, weil da sind so viele Dinge, die ich nicht mehr aushalten kann. Wir haben Kinder dabei erwischt, die im Stern-Center gestohlen haben. SPRECHER 2 Schule mal wieder als Seismograph für die soziale Entwicklung eines Stadtbezirks. SPRECHER 1 Rektorin Eichelbaum und ihr Kollegium verabschiedeten sich vom Schuldienst nach Vorschrift: O-Ton EICHELBAUM Wir gucken, dass wir Sozialarbeit leisten, Eltern zu zuhören, was sie für Probleme haben. Eltern zu beraten in verschiedenen Lebenssituationen, zu gucken, wie ist die Mittagsversorgung, das Essen, was essen Eltern zuhause, was wird gekocht? Und so ist die Vielfalt so groß. Wir sind Veranstalter für kulturelle Begegnungen, für sportliche Aktivitäten, so dass einfach alles, was das Leben hier prägt, durch Schule und durch Lehrkräfte mitbetreut wird. SPRECHER 2 In Potsdam-Drewitz erfindet sich Schule neu. Mit Angeboten für Eltern und Kinder und das immer öfter auch am Wochenende. So wird die Schule eine Bildungs- und Freizeitstätte, die demnächst wohl sieben Tage in der Woche geöffnet ist. Beispielhaftes Engagement, das aber nichts an den Folgen der Segregation ändern kann. Kathrin Feldmann vom Stadtkontor Potsdam klingt fast ein bisschen resigniert: O-Ton FELDMANN Es ist einfach ein gesellschaftspolitisches Gesetz. Solange ein Staat nicht für alle Bürger gleich sorgen kann oder möchte, egal wo auf der Welt, wird es solche Situationen geben. Also ist das letztendlich eine Frage, wie geht's politisch in der Bundesrepublik weiter. ATMO Regen SPRECHER 1 Es regnet, als wir Drewitz an einem Spätnachmittag verlassen. In der trostlosen Konrad-Wolf-Allee müssen wir an die Fragen denken, die uns die Schulrektorin zum Abschied stellte: O-Ton EICHELBAUM Warum sichert man in einem Stadtteil nicht eine Mischung aus Sozialisationen, wie es auch mal angefangen hat? Für mich ist auch auffällig gewesen, warum wird in einem Stadtteil, der der jüngste von Potsdam ist, nichts weiter angeboten? Warum gibt es alle Angebote einfach nur im Zentrum der Stadt Potsdam? Hängt es damit zusammen, dass dort viel mehr einkommensstarke Menschen leben, die auch das Geld haben, die abends gern mal flanieren gehen? Das möchten die Drewitzer sicherlich auch. ATMO OLFE (Atmo beginnt hart nach dem O-Ton) SPRECHER 2 Berlin, Kottbusser Tor, auch "Kotti" genannt. 20 Kilometer Luftlinie von Drewitz entfernt. Abendliche Freizeitangebote sind hier reichlich vorhanden. Wir sind im "Neuen Zentrum Kreuzberg", wie dieser langgestreckte Beton-Klotz aus den frühen 70er Jahren getauft wurde. Genauer gesagt im "Möbel-Olfe", einem ehemaligen Laden im Erdgeschoss. Es ist kurz nach Mitternacht. SPRECHER 1 Staunende Backpacker-Touristen trinken ihr Bier neben Kiezbewohnern. Zwei junge Lesben erholen sich von der Vernissage in der benachbarten Fotogalerie. Ein Punk um die 20 diskutiert mit dem in Ehren ergrauten kurdischen Inhaber des Tabakladens um die Ecke die Folgen der Finanzkrise Einem Spanier wird freundlich erklärt, dass man hier nicht mit Mastercard bezahlen kann. Und ein Schlagzeuger aus London, der nach einem Konzert in New York hier Zwischenstopp macht, erklärt mit leuchtenden Augen ,So einen Ort gibt es nirgendwo auf der Welt noch einmal'. SPRECHER 2 Wir können ihn verstehen: Wenn jetzt ein Alien mit iPod um den Hals hereinkäme, würde er vermutlich, wie alle anderen Gäste auch, nur gefragt werden, was er trinken möchte. Wer hier hinterm Tresen steht, verfügt in der Regel über ein gewisses Maß an sozialer Intelligenz und ist wohl nur noch durch wenig aus der Ruhe zu bringen. Und Touristen, egal woher sie kommen, gehören definitiv nicht dazu: O-Ton STEIN Gerade im letzten Sommer hat man sich manchmal überlegt, ob man jetzt auf dem Tims Square nachts ist jetzt am Kotti, weil irgendwie Easyjet die halbe Welt hier ausgespuckt hat und wirklich alle möglichen Leute gekommen sind, um sich das Kotti anzugucken. SPRECHER 1 Richard Stein, einer der beiden Betreiber der Bar. Natürlich wohnen in dieser Betonburg auch Menschen. Über 1000 in 300 Wohnungen. Drei Viertel von ihnen sind nichtdeutscher Herkunft. O-Ton RYAN Von außen betrachtet denkt man ,Okay, das ist der türkische Bezirk'. Aber wenn man hier erstmal ein paar Mal gewesen ist, merkt man, das ist ja gar nicht so einfach. Unter den Türken gibt es verschiedene Gruppierungen. Und dann gibt es - abgesehen davon die Araber, und die Deutschen und dann, was weiß ich, die Grauen Wölfe und die Anarchisten, die Linke und, was weiß ich, alles dazwischen. Da trifft sich ganz viel hier aufeinander. SPRECHER 2 Zur "nichtdeutschen" Bevölkerung im Haus gehört auch ein Texaner. Ryan Harti jobbt bei einem großen deutschen Elektronikkonzern. Wir besuchen ihn in seiner Wohnung im 9.Stock. Von der bleibt uns später vor allem der großartige Blick auf das Berliner Stadtzentrum in Erinnerung. Der 30-Jährige lebt hier seit einem halben Jahr. Ihm ist natürlich nicht entgangen, dass es hier mehr gibt als das Nachtleben: O-Ton RYAN Ist auch sichtbar die Drogendealer, die ganze Arbeitslosigkeit und Alkoholiker und so diese Perspektivlosigkeit ist hier konzentrierter als sonst irgendwo. Hier ist das alles sichtbar und ich glaube, das ist das Problem, was viele Leute mit dem Kottbusser Tor haben, dass diese Probleme, diese soziale Probleme hier so sichtbar sind, es wird manchmal brenzlig. SPRECHER 1 Seit fast 30 Jahren steht der Betonklotz mit seinem Vorplatz für eine offene Junkieszene. Anwohner und Junkies lebten lange in friedlicher Koexistenz. SPRECHER 2 Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Von anderen Orten in Berlin vertrieben, landeten hier immer mehr Heroin-Anhängige. Und der Umgangston ist rauer geworden, erzählt Ercan Yasaroglu. Der türkische Sozialarbeiter kümmert sich um die Jugendlichen im Haus: O-Ton ERCAN Dealer haben einen Kodex gehabt. Wenn jemand Koks verkauft hat, hat er kein Heroin verkauft. Oder wenn jemand Hasch verkauft hat, hat er kein Heroin oder Kokain verkauft. Aber heutige Dealer laufen mit 18 Sorten Drogen in Kreuzberg herum und fragen kleine Jungs oder Mädchen. SPRECHER 1 Die Hausbewohner fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Sie vermuten, dass die Junkies am Kottbusser Tor sozusagen endgelagert werden, weil hier keine Wahlen zu gewinnen sind. Von den vielen Ausländern hier darf ja kaum einer wählen. SPRECHER 2 In der Tat ist es schwer vorstellbar, dass mitten in einem Berliner Villenviertel Junkies geduldet würden - und das dreißig Jahre lang. Am Kottbusser Tor ist man auch weiter zur Duldung bereit. Wenn wenigstens ein Minimum an Infrastruktur bereitgestellt wird. Nötig ist: O-Ton ERCAN ...ein Drogenkonsumenten-Zentrum, dass es Freizeitmöglichkeiten gibt, Hygiene und Hygieneräume. Und die müssen aus der Nässe und Kälte, wie Tiere werden sie manchmal behandelt, werden manchmal bespuckt, beschimpft, getreten. SPRECHER 1 Eines kann den Junkies nicht angelastet werden: Der herunter gekommene Zustand des Hauses. SPRECHER 2 Abblätternde Farbe an der Fassade und in den Treppenhäusern, undichte Fenster. Der private Vermieter hat hier seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert. Dabei war das Haus mal die reinste Goldgrube, weiß Richard Stein vom Möbel-Olfe: O-Ton STEIN Hier an dem Gebäude haben damals irgendwie alle ihr Geld verdient. Die Zahnärzte aus Westdeutschland, die 200 Prozent Steuerabschreibung hatten. Oder halt die Bauunternehmen usw. Und dieser Bau ist einmal sehr schlecht gebaut und es ist einfach seit den 70er Jahren nichts mehr investiert worden. Es fahren immer noch die alten Fahrstühle, es ist immer noch die alte Heizungsanlage aus den 70ern, wo jedes Jahr die Angst hier im Hause umgeht: Schafft die diesen Winter noch oder fällt die halt aus? Und so ist das mit der gesamten Infrastruktur, wo keinerlei Mittel von der Eigentümergesellschaft hier rein gesteckt wurden, um das Haus von Grund auf zu sanieren. O-Ton Atrache-Younes Solange man die Miete bezahlen kann, gehe ich mal davon aus, dass einige Familien das erdulden. Viele haben Probleme. Also wenn es die Araber sind, dann sind es Aufenthaltsprobleme. Bei vielen Türkischsprachigen ist es so, dass keine Arbeit da ist, man lebt von wenig Geld. Man hat sehr, sehr viele Kinder. Jetzt haben sie diesen Kreis um sich, da wohnt die Schwester, da wohnt die Mutter, da die Schwiegermutter. Den braucht man, um hier überleben zu können. Und deswegen: So lange sie die Mieten bezahlen können, bleiben sie hier. SPRECHER 1 Laila Atrache-Younes ist Leiterin des Quartiermanagements, das hier am Kottbusser Tor mit den Mitteln aus dem Programm "Soziale Stadt" die Sozialstruktur stabilisieren soll. Sofern man von EINER Struktur am Kottbusser Tor überhaupt reden kann. Hier treffen Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Werten zusammen. Davor haben auch viele Angst. O-Ton STEIN Alle haben gesagt ,Hier am Kotti kann man das nicht machen, das geht überhaupt nicht, das ist viel zu gefährlich. Und mit diesem Haus, hier wohnen nur Türken und Araber. Das geht gar nicht.' Und dann noch einen Laden zu machen, der auch ein lesbisch-schwules Publikum anzieht, funktioniert nicht. SPRECHER 2 Es funktioniert, seit sechs Jahren schon. Dabei gibt es nur ein paar Stockwerke über der Bar ein ganz anderes Universum: O-Ton Atrache-Younes Es gibt Frauen, die wohnen seit 20 Jahren hier, die sind noch nicht über den Kotti gegangen, noch nicht über den Kotti gegangen. SPRECHER 1 Laila Atrache-Younes, die Quartiersmanagerin, die fließend Arabisch spricht, hat deshalb ein Projekt für arabische Frauen ins Leben gerufen. Mit gemeinsamen Bibliotheksbesuchen, Beratung bei der Kindererziehung und Stadtrundfahrten. SPRECHER 2 Am Kottbusser Tor ist man pragmatisch. Trotz aller kulturellen und sozialen Unterschiede gibt es so was wie gemeinsame Interessen. Deshalb auch hatte sich Richard Stein für den Quartiersrat wählen lassen. O-Ton STEIN Wir haben uns von Anfang an Mühe gegeben, dass wir hier nicht ein Fremdkörper sind, sondern zu diesem Gebäude, zu diesen Leuten, die hier wohnen, ein Verhältnis haben und nicht wie ein Raumschiff, das hier gelandet ist, was mit keinem sonst hier was zu tun hat. SPRECHER 1 Das hat funktioniert. Die bis vor ein paar Jahren leerstehende Ladenzeile im Erdgeschoss des Hauses hat sich inzwischen zu einem kleinen Einkaufszentrum entwickelt, fast einem Basar: O-Ton STEIN Schöne Struktur Wenn der Schlüssel abgebrochen ist, geht man runter zu Ibrahim, zum Schuster. Wenn man ein Päckchen erwartet, sagt man Ali Bescheid oder trifft sich dann nachher bei Gonzalo und Maria zum Eiscafe. Und das ist eine schöne Struktur, die man hier an sich gar nicht erwartet. SPRECHER 2 Auch der Texaner aus dem 9.Stock geht pragmatisch um mit der Situation am Kottbusser Tor. Er lernt jetzt Türkisch an der Volkshochschule: O-Ton RYAN Ich hab vor einem halben Jahr damit angefangen. Ich dachte es ist viel netter, wenn man eine Sprache lernt, die man anwenden und üben kann und ich denke, das kann ich gut hier, glaube ich. MUSIK WESTSTADT (Gesang ab 0'19, vorher schon zwei Sekunden unter vorangegangenem O-Ton eingeblendet, dann unter dem Sprechertext Kreuzblende zu ATMO Auto innen) ATMO Auto innen Weststadt, wo jeder sein Geschäft macht. Weststadt, wo jeder Zweite wegen Kohle Stress hat. Weststadt, wo die Polen und die Russen wohnen. SPRECHER 1 Wir kommen von der Autobahn A 391, Abfahrt Braunschweig Weststadt. 24 000 Menschen leben hier. Immerhin jeder zehnte Braunschweiger. Der Stadtteil ist eines der größten Neubaugebiete in Westdeutschland. SPRECHER 2 Den Stress, den MC Rene da gerade im Song andeutete, können wir - auf den ersten Blick zumindest - nicht erkennen. Braunschweig-Weststadt macht den Eindruck einer zwar langweiligen, aber gepflegten Schlafstadt. Eingebettet in großzügige Grünanlagen sind die Plattenbau-Stile der vergangenen fünf Jahrzehnte zu besichtigen. SPRECHER 1 Soweit zum ersten Eindruck. Der ist offensichtlich nicht ganz vollständig. Eine Studie der Stadt Braunschweig stellt über das Leben in der Weststadt fest: ZITATORIN Ein Rückzug ins Private, meist auch aus Scham über die eigene Lage. Intoleranz und Rücksichtslosigkeit auf der einen Seite, aber auch zunehmendes Engagement auf der anderen Seite, sind charakteristisch für die Ambivalenz im Zusammenleben. SPRECHER 2 Das kennt vermutlich jeder Sozialarbeiter in so gut wie jeder deutschen Trabantenstadt. Überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit, damit verbunden materielle Armut, Isolation. O-Ton RÖMER Wir haben irgendwo versagt oder wir gehören nicht zu dieser schönen Plakatwelt, wo lauter schöne junge Menschen, gut verdienend, sich alles leisten können. Und das führt dann auch zu gewissen Rückzugserscheinungen, die dann wieder, dadurch, dass das als Schlafstadt geplant war, das natürlich unterstützen. SPRECHER 1 Pfarrer Ulrich Römer, seit 30 Jahren hier Seelsorger und darüber hinaus Sprecher der äußerst rührigen Arbeitsgemeinschaft Weststadt, die sich um Verbesserung des Images und des Zusammenlebens im Stadtteil bemüht. ATMO Einkaufszentrum SPRECHER 2 Vor Pfarrer Römers Kirche im Einkaufszentrum Elbestraße. Neben dem unvermeidlichen Billigdiscounter finden sich hier eine Modeboutique für die Dame im reiferen Alter, dem Alter der Kundschaft wohl angemessen ein Sanitätshaus, ein gepflegtes kleines Cafe, ein Bäcker- und Konditormeister, der seine Torten noch selber macht, worauf er auch Wert legt. Die Probleme, von denen Pfarrer Römer gerade sprach, spielen hier offenbar keine Rolle: O-Ton UMFRAGE WESTSTADT-BEWOHNER Das ist ein Super-Ort hier zum Leben. Vor allem die Einkaufsmöglichkeiten sind super. Man hat hier alles, Ärzte, Apotheke, Bank, alles das, was man braucht. Das ist ein sehr guter Ort, wir fühlen uns wohl hier. Ach, ich wohne hier schon 23 Jahre. Straßenbahn, alles dabei, Banken. Ich würde sagen: Gut. SPRECHER 1 Was nicht so gut läuft, beschäftigt die Autoren der bereits zitierten Studie zur Weststadt. Da heißt es: ZITATORIN Die hohe Wohndichte in Verbindung mit dem Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Lebensstile und Kulturkreise führt zu Konflikten. Der Ausländeranteil und Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund ist sehr hoch. Unterschiedliche Lebensweisen führen nicht selten zu nachbarschaftlichen Konflikten und beeinträchtigen das Zusammenleben. SPRECHER 2 Ums harmonische Zusammenleben zwischen Alt-Bewohnern und den vielen zugezogenen Russland-Deutschen und Polen bemüht man sich im Nachbarschaftstreff Weststadt. Für viele Einwanderer - fast jeder Vierte kommt inzwischen aus Osteuropa - ist die Weststadt ein Stück Heimat in der Fremde geworden. SPRECHER 1 Und bei allen kulturellen Unterschieden, mit denen sich die Einwanderer herumschlagen müssen, eines ist denn doch wie in der alten Heimat: O-Ton Frau aus der Ukraine (spricht russisch) ZITATORIN (Übersetzung) Mich erinnerte das hier sofort an Kiew, dort, wo ich herkomme, wo ich meine Kindheit verbracht habe. Diese Bauweise hier, diese großen Häuser. Also mir hat das gleich auf Anhieb gefallen. SPRECHER 2 Erzählt eine Frau, die aus der Ukraine hierher kam. Um die zahlreichen Einwanderer besser zu erreichen, ließ die Arbeitsgemeinschaft Weststadt von Pfarrer Römer Broschüren in Russisch verteilen. Ausgerechnet damit gab es Ärger: O-Ton RÖMER ...weil die Fraktion der Alteingesessenen gesagt hat, damit unterstützen wir noch, dass sie in ihren Sprachen reden. Wir wollen, dass sie in der Öffentlichkeit Deutsch Reden. SPRECHER 1 In der Öffentlichkeit ist Deutsch zu sprechen. Wir denken an das Kottbusser Tor und an Ryan, der jetzt Türkisch lernt. SPRECHER 2 Auch Violetta Lenz, Sozialarbeiterin im Nachbarschaftstreff, beobachtet Probleme im Verhältnis zwischen Alteingesessenen und Einwanderern: O-Ton LENZ Es ist distanziert. Jetzt auch bei unseren Treffpunkten sehen wir auch, wenn die Einheimischen kommen, dann eher zu Beschwerden. Wenn es jetzt um Zuwanderer geht, die sind viel offener. O-Ton KELLER Eine Großsiedlung ist intern noch mal aufgegliedert, da grenzen sich die Bewohner auch voneinander ab, eine Folge auch des schlechten Images, weil die Bewohner ihnen dort sagen ,Ja, es ist eigentlich gut hier, aber da hinten in der Tat da wohnen ja die und die. Also das heißt das negative Image wird intern weiter gegeben und das trägt zu einer höheren Konfliktintensität bei. SPRECHER 1 Stadtsoziologe Keller spricht eines der Probleme an, mit denen fast alle Großsiedlungen zu kämpfen haben. Das schlechte Image. Für Braunschweig- Weststadt heißt das: ZITATORIN Im Verhältnis zur Gesamt-Stadt ist eine bedenkliche Abnahme der Einwohnerzahlen zu beobachten und damit einhergehend ein zunehmender Leerstand. Da der Stadtbezirk in Braunschweig ein größtenteils ungerechtfertigt schlechtes Image hat und sich durch eine negativ besetzte, karge und großdimensionierte Architektur auszeichnet, sind die Voraussetzungen, um neue Bewohner für den Stadtteil zu interessieren, schlecht. SPRECHER 1 In der Braunschweiger Innenstadt trafen wir jedenfalls niemanden, der sich vorstellen konnte, dorthin zu ziehen: O-Ton UMFRAGE WELFENPASSAGE Das ist von den Mietern her so ein bisschen sozialer Brennpunkt. Also ich würde da nicht leben wollen. Das ist mir alles zu neu. Das ist ein Ghetto geworden. Die Weststadt ist für uns so was von unpersönlich, die mögen wir nicht. Hochhäuser, Dreck, schlechte Stimmung. Also das ist der schlechteste Stadtteil hier in Braunschweig. SPRECHER 2 Trotz schlechtem Image und Leerstand - Wie in den meisten anderen Großsiedlungen in Deutschland, gehen auch hier die Mieten keineswegs in den Keller. Das hat auch Andrej Holm von der Universität Frankfurt/Main beobachtet. Es scheint fast gesetzmäßig zu sein, ... O-Ton HOLM ...dass in den preiswertesten Beständen, die eine Stadt hat, in einer bestimmten Qualität, die Erpressbarkeit der Mieterinnen und Mieter natürlich am größten ist. Die können nicht auf noch preiswertere und schlechtere Bestände ausweichen. Und das heißt, dass die Mietsteigerungsmöglichkeit, die es in der Mietgesetzgebung gibt, auch auszuschöpfen, von vielen Eigentümern tatsächlich auch genutzt wird. Und das heißt, dass in den preiswertesten Wohnbeständen die prozentual höchsten Mietsteigerungen zu beobachten sind. SPRECHER 1 Dass die Vermieter sich in den Großsiedlungen bei den Mietobergrenzen An den Hartz IV-Richtlinien orientieren, dürfte wohl kein Zufall sein. SPRECHER 2 Immerhin - Jeder 30gste in Westdeutschland, im Osten sogar jeder Vierte wohnt in einer Großsiedlung. Seit 10 Jahren soll das Programm "Soziale Stadt" in inzwischen über 300 Städten mit viel Geld für Wohnumfeldverbesserungen und eine verbesserte Sozialstruktur sorgen. Funktioniert das? fragen wir den Stadtsoziologen Andrej Holm: O-Ton HOLM Es ist ein Programm, um auch in den in Verruf geratenen Großsiedlungen attraktive Wohnangebote für Mittelklassehaushalte zu schaffen. Das heißt dass das Ergebnis des Programms allerhöchstens in einer statistisch messbaren sozialen Mischung liegt, aber nicht in einer tatsächlichen sozialen Verbesserung für die benachteiligten Haushalte, und ist ein derart gebietsbezogenes Programm natürlich überhaupt nicht in der Lage die Ursachen, die wir ja in den steigenden sozialen Polarisierungsprozessen und in gesamtstädtischen Wohnungsmarktprozessen verorten, überhaupt angemessen aufzugreifen. Das heißt eine wirklich soziale Wohnungspolitik, die muss sich von solcher Programmkulisse, die auf einzelne Viertel konzentriert ist, trennen und muss wieder gesamtstädtisch agieren. SPRECHER 1 Andrej Holm plädiert für eine Reform des Wohngeldes und der Hartz IV-Gesetze, mit ihren viel zu niedrigen Mietobergrenzen. Nur so lässt sich eine hohe Konzentration von Benachteiligten in den Großsiedlungen vermeiden. Außerdem müssten die Kommunen in den Innenstädten für bezahlbaren Wohnraum sorgen. SPRECHER 2 Das würde von den Gemeinden und Ländern, die sich in den letzten Jahren nahezu komplett aus dem Wohnungsbau und der aktiven Wohnungspolitik verabschiedet haben, eine Rückbesinnung erfordern. Und damit, so Carsten Keller von der Humboldt Universität, ... O-Ton KELLER ...der Grundsatz der sozialen Mischung vielleicht wieder aufs Programm kommt. Das Problem ist ja auch, dass sich viele zentrale Akteure in der Politik und in den Wohnungsgesellschaften inzwischen von diesem Grundsatz verabschiedet haben. Meines Erachtens ist eine soziale Revitalisierung, wie man im Städtebau gerne sagt, dieser Siedlungen nur durch eine Wohnungspolitik, die soziale Mischung gewährleistet, möglich. Insofern ist dieser Grundsatz ein wichtiger für unsere Gesellschaft im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. ZITATORIN No future ? - Das Leben in deutschen Großsiedlungen Von Joachim Schulte und Andreas Ulrich Es sprachen: Barbara Becker und die Autoren Ton: Regine Kraus Regie: Stefanie Lazai Redaktion: Stephan Pape Produktion: Deutschlandradio Kultur 2009 1