COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Theater im Niemandsland Ein brandenburgisches Dorf und seine Masken Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Klug Regie: Jingle, Kennmusik Take 01 0'37 Matthus drinnen Wir sind hier in Xalgab ist ein kleiner walisischer Ort. Mamerow 5'24 Erst habe ich gedacht, wenn ich ganz ehrlich bin, der spinnt. Regie: Kennmusik Take 03 13 Harre Wir witzeln immer rum, man muss schon mindestens Facharzt sein, dass man hier Karten abreißen darf. Regie: Kennmusik Take 04 Untersteiner 6'13 Es war dritter Januar, es war eisekalt, das kennt man ja von Südtirol nicht. Abends um fünf wird es dunkel und wenn man durch die Dorfstraße geht, sind alle Luken hochgeklappt. Regie: Kennmusik Take 05 DVD 7/20'25 Wer bin ich? Siegfried bist du, unser Held und Drachtentöter. Und du? Krimhild. Tochter der Könige von Burgund. Regie: Kennmusik Take 06 Burghart 2 22'52 Also Krimhild mag ich schon ganz gerne mit ihrer lustigen Frisur da, mit den Bollen auf der Seite. Ich mag sie alle. Regie: Kennmusik Sp. v. D. Theater im Niemandsland Das brandenburgische Netzeband und seine Masken Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Klug Autor: Jede deutsche Stadt, die etwas auf sich hält, hat irgendetwas mit Goethe zu tun. Ja, der ist hier geboren, sagen sie in Frankfurt am Main. In Weimar geben sie mit seinem Tod an, in Leipzig sagen sie, dass er da mal gegessen hat. Durch Kleinkleckersdorf ist mal mit der Kutsche gefahren. Und irgendwo hatte er sicher auch mal was anderes zu erledigen. Hauptsache er war mal da, der Goethe. Ersatzweise wird auch gern Schiller genommen. Als ob wegen Goethe auch nur einer weniger zum Ballermann fliegen würde. Netzeband pfeift auf Goethe. Und auf Schiller. Fontane, der war zwar in der Nähe, aber auf den pfeifen sie auch. Was bleibt dann noch? Ich rufe in Netzeband an und frage. Netzeband sagt: Siegfried. Ja, sage ich, Siegfried ist immer für eine Schlagzeile gut. Netzeband, ich komme. Kaum habe ich aufgelegt, merke ich, was ich mir antue: Netzeband. Was ist das überhaupt? Und vor allem: wo. Egal, Siegfried ist es wert. Immerhin weiß ich, Netzeband liegt in Brandenburg. In Brandenburg soll es wieder Wölfe geben. Dann sind Tiger sicher auch nicht weit. Siegfried ist ja bekannt für...Der Gedanke irritiert mich kurz. Neulich war ich in New York, da ging ja auch alles gut. Über New York muss man nicht viel sagen. Und Netzeband. Naja, Netzeband fängt auch mit einem "N" an. Und in Netzeband treiben im Sommer unheimliche Gestalten ihr Unwesen. Obwohl, so ein Unwesen ist es gar nicht. Take 07 DVD 3/12'47 Mir scheint, ein wenig Sinnschwund könnte hier nicht schaden. 14'50 Trommeln Autor: Netzeband. Das ist möglicherweise erklärungsbedürftig. Was also ist Netzeband? und vor allem: wo. Zunächst: Es liegt ungefähr 80 Kilometer nördlich von Berlin. Blöder Name, sagen die einen, symbolträchtig die anderen. Die Schaffnerin sagt: Wenn Sie nach Netzeband wollen, müssen Sie in den vorderen Zugteil, der hintere wird nämlich abgetrennt. Und selbst dort ist der Hinweis zu lesen: Zug hält nur im Bedarfsfall. Ich bin ein Bedarfsfall und drücke artig den Knopf, der im Bahndeutsch Haltewunschtaste heißt. Und da ist es: Netzeband. Eine Straße. Links und rechts Häuser. Kein Schild, dass mir ein Herzlich Willkommen entgegenschreit. Kein Hinweis wie: Lieber Tourist, wir freuen uns, dass du da bist und empfehlen dir, dein Geld hier und da und vor allem dort auszugeben, bleib lange, fühl dich wohl und schau nach, ob du auch genug von dem Geld dabei hast. Nichts von alledem. Als wäre ich nicht angekommen, als hätte keiner auf mich gewartet. Als wollte keiner, dass ich komme. Ja, da fühle ich mich doch gleich wie zu Hause. Ich sehe mich um: Eine Bushaltestelle - alle zwei Stunden hält ein Bus. Eine Tafel mit amtlichen Bekanntmachungen - ein Haus wird gerade zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Kein Schild mit einem herzlichen Willkommen. Nur Straße, Häuser, Haltestelle und die Tafel. Gut, ein paar Bäume und Grashalme. Und ein Mopedfahrer fährt die Straße entlang. Siegfried wird das nicht sein. Kein Tiger, kein Roy, nicht einmal ein Wolf. Aber immerhin, das vermutet hier wohl keiner, immerhin ein Hotel. Mitten in Netzeband. Einfach so. Vielleicht liegt es daran, dass Netzeband immerhin schon im Berliner Tagesspiegel erwähnt wurde, in der Zeit und in der Neuen Zürcher Zeitung. Mehr kann man als brandenburgisches Dorf kaum erreichen. Prost. Atmo/Take 08: 9'45 Atmo Essen wird serviert Du bist Gast 13'38 Und bei uns trinkt man zum Essen immer einen Schluck Rotwein oder Weißwein. Bei euch auch? Hm, mittags nicht, aber abends gerne. Ich trinke schon gerne mittags. Autor: So muss es sein, wenn man mitten in der Wüste Wasser entdeckt. Oder einen Goldbarren im Regenwald. Oder einen einsamen Elefanten auf dem Alexanderplatz, oder .....Egal. Hier, mitten im brandenburgischen Netzeband sind zwei Frauen. Die eine aus Südtirol, die andere aus der Schweiz. Sie sitzen am Tisch, sie essen Spaghetti. Sie reden - in einem Dorf in Brandenburg. Ich sage sicherheitshalber Gruezi. Das ist schwierig, denn es wird mit einem "e" geschrieben. Ohne dieses "e", so habe ich neulich gelernt, reagieren die Schweizer sehr empfindlich. Take 09 Burghart 1 / 6'17 Also ich bin die Johanna Maria Burghart, ich bin....(Vorstellung auf Berndeutsch) Autor: Ja, gut. Das hilft vielleicht auch nicht weiter. Deshalb noch einmal auf Deutsch, also auf Hochdeutsch. Take 10 Burghart 1 / 0'20 Mein Name ist Johanna Maria Burghardt, ich bin Bühnenbildnerin aus der Schweiz und arbeite hauptsächlich bzw. fast nur am Theater, hauptsächlich als Bühnenbildnerin. Autor: Ich frage nach Siegfried. "Später", sagt Johanna Burkhart. Martina Untersteiner öffnet das Fenster und hebt ein Glas. Take 12 Untersteiner 23'46 Mein Name ist Martina Tendezcki-Untersteiner. Ich bin 48 Jahre alt, bin in Berlin geboren, bin mit 15 Jahren nach Südtirol gekommen, habe dort meine Schule besucht, meine Eltern sind ausgewandert nach Italien und nach einigen, auch anderen Wohnorten auf dieser Welt, habe ich dann 25 Jahre in Südtirol gelebt. Autor: Und Siegfried? Nein, ihr Mann heisse Johann, genannt Hans, sagt Martina Untersteiner. Ja, so sind die Mittage in Netzeband. Es gibt noch viele Fragen. Die vertage ich auf später. Ich bin verabredet. Es gibt nämlich in Netzeband doch noch etwas - die Temnitzkirche. Die wird allerdings nicht mehr bespielt, zumindest nicht auf die kirchenübliche Weise. Bis zur Kirche sind es hundert Meter. Aber hier ist alles höchstens hundert Meter entfernt. Wenn etwas weiter weg sein soll, dann ist es im Nachbarort. CD: Gerd Gundermann, Der siebte Samurai Buschfunk, LC 6312 Atmo Treppen Autor: In der Kirche soll ich einfach die Treppen steigen. Ich öffne eine Tür, steige die Treppen hoch, öffne noch eine Tür und bin umringt von Puppen. Lebensgroß oder ein bisschen größer, im Kreis aufgestellt. Ich fühle mich beobachtet. Sicherheitshalber sage ich Guten Tag und vergesse, nach Siegfried zu fragen. Vielleicht 50 Augenpaare schauen mich an - mit allen möglichen Gesichtsausdrücken: Skeptisch und erwartungsfroh, flehend, abweisend, lüstern gar. Eine Stimme erklärt mir, wo ich bin: Take 13 Matthus drinnen 0'37 Wir sind hier in Llareggub ist ein kleiner walisischer Ort. Das Stück heißt Hinter dem Milchwald von Dylan Thomas. Autor: Ich schaue auf das Navigationsmenü meines Telefons. So schnell landet man in einer anderen Welt. Mein Telefon hilft mir nicht. Aber immerhin erfahre ich, wer da zu mir spricht: Take 14 Matthus 0'21 Frank Matthus, Regisseur und Schauspieler, künstlerischer Leiter des Theatersommers Netzeband und Vereinsvorsitzender des Vereins Tremnitzkirche e.V. Autor: Es ist bewölkt. In der Kirche ist es dunkel, Frank Matthus trägt Sonnenbrille. Er hat sie in die Haare geschoben. Es muss irgendwo eine Bekleidungsvorschrift für Schauspieler und Regisseure geben, die besagt: Grundsätzlich Sonnenbrille tragen und grundsätzlich die Gläser auf die Haare schieben. Die andere Bekleidungsvorschrift für Regisseure, nämlich grundsätzlich einen Schal tragen, auch bei 30 Grad, ist inzwischen aufgehoben. Frank Matthus bringt meine Welt wieder in Ordnung: Take 15 Wir sind natürlich nicht in Llareggub , wir sind in Netzeband beim Theatersommer Netzeband und die 53 überlebensgroßen, skurrilen Puppen, die wir hier um uns rumsehen, sind die Einwohner von Xalgab. "Unter den Milchwald" ist eine Geschichte von Dylan Thomas, ein Tag und eine Nacht in dieser kleinen Provinzstadt. .....Das ist ein Spiel für Stimmen von Dylan Thomas, was eigentlich an Theatern sehr schwer aufzuführen ist, weil es sind über 72 Mitwirkende und eigentlich gleichwertige Rollen. Man kann da schwer streichen, es gibt keine Fabel, die wirklich durch die Geschichte durchführt, also haben wir gedacht, also der Bühnenbildner und Regisseur, der den Milchwald so wie er bei uns gespielt wird, erfunden hat, dass wir Figuren bauen, sehr große Figuren aus Sachen, die man hier findet. Autor: Wie sagte Frank Matthus: Theatersommer Netzeband. Sommer ist Glückssache. Theater manchmal auch. Theater - wir denken da natürlich an das Deutsche Theater in Berlin, an die Wiener Burg, an die Münchner Kammerspiele, an das Thalia-Theater in Hamburg, wenn wir gute Laune haben denken wir auch an das Schauspielhaus in Chemnitz, nette Leute dort übrigens, gute Schauspieler, gute Stücke. Wir denken jedenfalls bei Theater an die großen Häuser dieser Welt. An Netzeband weniger. Aber gut: Theater und Sommer und Netzeband. Das ist dreifaches Glück - wenn es denn eintrifft. Das Stück von Dylan Thomas wird in Netzeband seit einigen Jahren gespielt. In diesem Jahr wieder. Da gibt es auch Pinnochio. Und eben die Nibelungen, Teil 2. Und siehe da - in Netzeband interessiert man sich für das, was auf dem Dachboden der Kirche passiert: Take 16: Oelke 46'11 Mein Name ist Steffi Ohm, geboren ist mein Mädchenname Stege, ich stamme ursprünglich aus Netzeband, war für mehrere Jahre, habe ich in Neuruppin mit meiner Familie gelebt und bin seit 5 Jahren sind wir wieder zurückgezogen hierher. Autor: Zurückziehen. Dörfer im Osten kennen es, dass Leute wegziehen. Ein bisschen ist es wie wegziehen von der Kindheit. Aber viel mehr ist es ein Wegziehen in die große weite Welt. Und ein Wegziehen dorthin, wo es Arbeitsplätze gibt. Netzeband kennt dieses Wegziehen: Take 17: Ohm Oelke 48'15 Das Dorf vor der Wende war wirklich sehr runtergekommen, die Kirche war wirklich kurz vorm Verfall, sie sollte ursprünglich abgerissen werden und dann als sich ein Investor dafür interessiert hat und beschlossen hat, das Dorf so zu entwickeln, wie es heute eigentlich ist, hätte ich mir damals nicht vorstellen können. Ich glaube, ich wäre auch zu der Zeit nicht wieder zurückgekommen. Das Dorf war wirklich nicht sehr attraktiv, die jungen Leute sind weggezogen, es waren immer mehr Ältere da. Autor: Ein Dorf im Sterben. Ein Dorf, ganz ohne Vision. Und dann das Theater. Ein kühner Gedanke. Der einzig mögliche Gedanke. Er erschreckt. Und er setzt sich fest. Take 18 Ohm Oelke 46'35 1996 war hier ein Aufruf, hier werden Leute gesucht, die Interesse haben am Basteln, am Werkeln, das fand ich eine interessante Sache. Da bin ich das erste Mal darauf gestoßen, mich überhaupt mit dem Theater auseinanderzusetzen und habe dort eigentlich meine Lust fürs Theaterspielen auch gefunden und bis jetzt auch bin ich dabeigeblieben. Autor: Und Steffi Ohm findet sich auf einer Bühne wieder. Und sie bastelt. Tagsüber ist sie auf der Kinderstation in einer Neuruppiner Klinik. Abends ist sie am Basteln. Die Figuren für den Milchwald wollen Gesichter und Körper. Steffi Ohm gibt sie ihnen: Take 19 Ohm Oelke 52'39 Die erste Figur, die eigentlich entstanden ist und die den Anreiz auch so gab ist Opi Milchmann, das ist die älteste Figur. Dann sehen wir Mr. Mock Edwards, Waldo.....Hier vorne ist auch eine sehr wichtige Figur, die Rosi Propert. Dann können wir noch mal weitergehen. Und unser Kapitän natürlich, ist auch eine große Figur, eine stattliche Figur. Autor: Die Figuren sind tatsächlich aus Abfall. 53'35 Wir haben viel Abfallmaterialien verwendet. Hier sieht man z.B. Verpackungsmaterial, wo man halt irgendwelches Glas verpacken kann. Dann haben wir Luftballons, das ist ja nun kein Abfallprodukt, aber die haben wir wirklich beklebt. Wir haben z.B. Obstnezte verwandt, sieht man dort oben ganz schön, als Haare. Dann haben wir Deko-Schmuck, sieht man hier z.B. bei der Miss Proppert die hat hier diese Blüten, das ist reines Dekomaterial. Als Brustwarze? Ja, sehr interessant. Dann unser Häubchen, was die Lilly Smalls hat, das ist auch so ein Abfallprodukt von einem Blumenstrauß, was ein blumenstraußumrandeter Kranz halt war. Tennisbälle wurden verwendet, einfache Schnüre, die dann Haare signalisieren. Hier sieht man noch mal, das ist ein ganz alter Sack, der auseinander gerubbelt wurde, dass der halt so aussieht. Da wurde viel Arbeit, viel Zeit und auch viel Herz investiert in die Figuren. Autor: Als hätte sich Netzeband ein paar fehlende Einwohner selbst geschaffen. Die Figuren stehen auf dem Kirchenboden und warten auf ihren Einsatz. Wie jedes Jahr. Take 20 Matthus 8'+++ Das Prinzip dabei, das haben wir beim Milchwald eigentlich erstmalig gemacht, dass wir die Stücktexte komplett auf Tonband aufgenommen haben mit sehr renommierten, sehr guten Schauspielern. Dann wird dieses Tonband wie eine Text- Klang- Installation in den Park gesetzt, man kann dort ein Flüstern so produzieren, dass man im Nachbardorf eine Gänsehaut bekommt und dass sich dadurch eben, wie kann man ein Gesicht vergröbern, in dem man halt Figuren baut, wie beim Milchwald geschehen, oder was wir bei den Nibelungen machen, beim Macbeth gemacht haben, Masken bauen und dann sich Darsteller, teilweise Profis, Tänzer, Schauspieler, aber auch sehr viele Laien mit diesen Masken in einer choreographischen Art zum Text verhalten. Das ist eine besondere Theaterästhetik, die wir hier, meine ich, irgendwo auch ein bisschen erfunden haben, oder zumindest sehr geprägt haben. Take 21 DVD 1/1'03 Götter! Wotan weiß, dass Angst ist in der Welt, viel Streit, viel Unzufriedenheit. Wotan hört das Unheil, Wärme und Kälte verwirren sich in falschen Zeiten. Regie: Kreuzblende von Take zu Autor Autor: Wotan hört das Unheil, Wärme und Kälte verwirren sich in falschen Zeiten. Ein alter Text. Früher waren die Nachrichten offenbar auch nicht besser. Bloß, wer ist gleich nochmal Wotan? Oder Wodan? So eine Art Tagesschausprecher und Welterklärer von früher? Das Lexikon sagt, es sei der Allvater und Menschenvater und die an der Spitze der nordischen Götterwelt thronende Gottheit. Ja, da hat man sicher gut zu tun. Dann gibt es noch die anderen: Krimhild, Gunter und Giselher, Brunhild oder Brünhild. Es war die Zeit, als die Nachrichten noch nicht von Angela und Frank-Walter, Horst und Guido und Franz und Oskar bestimmt wurden. Es war also die gute alte Zeit. Naja. Siegfried und Krimhild sind sind in die Sagenwelt eingegangen. Angela und Frank-Walter sitzen in Talkshows. Da kann man jetzt auch nicht sagen, was besser ist. In Netzeband haben sie sich für Siegfried entschieden. Siegfried und die Seinen prägen jedenfalls den Theatersommer Netzeband. Take 22 Matthus drinnen 16'20 Wir sind ja auch kein Theaterhaus, wir sind ja ein spezieller Theaterraum, da kann man auch mal von der Seite in den Busch gucken, da nimmt man das ganz anders war, da guckt man gegen die Kirche oder man hört sich das einfach mal von weiter weg an. 16'34 Bei Macbeth hatten wir so einen Moment, wenn das englische Heer vom Wald gegen Schottland zieht, da hatten wir natürlich Menschen, 20, 30 Menschen, die dort vorkamen. Und dann gibt es einen Sporttreckerverein in Rechlin, die kamen mit vier Treckern von hinten mit aufgeblendeten Scheinwerfern angefahren. Wir hatten so Trommeln, Trommler der Bronx, hatten einen lauten Trommelsound drunter und dazu kam dann dieser Treckersound....Kamen die mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegengefahren. Das war ein irrer Moment, der hatte was von Stalingrad. Und da oben Macbeth mit nacktem Oberkörper mit seinem Schwert. Und immer wenn diese Trecker von da unten hochkommen, da stand das halbe Dorf hier um die Kirche rum, bei fast jeder Vorstellung, diesen Moment wollten sie erleben. CD: Michael Jackson, The Girl is mine Epic, 00199 Autor: Netzeband. Ein Dorf und ein Theater. Man kann die Nase rümpfen. Man kann es aber auch lassen. In Großstädten kann man manchmal so einen Blick erleben, so voller Skepsis und Ignoranz gleichzeitig. So ein Blick, der Welt mal eben erstarren lässt. Aber was sie in den Großstädten können, das können sie auf den Dörfern schon lange. So einen Blick kriegen die hin. Aber auch so eine Energie, wie man sie fürs Theater braucht. Wenn man diesen Blick mal ausgehalten hat, dann kann das Theater losgehen. Take 23 Mamerow 0'27 Mein Name ist Marko Mamerow, komme aus Rägelin, bin 35 Jahre alt, gelernter Maurer, arbeite jetzt aber in der Automobilbranche, schon seit sechs Jahren, bin viel im Ausland unterwegs, in Polen, auch hier in Deutschland, sehr viel unterwegs. Autor: Die Wege zum Theater bestehen manchmal nur aus Umwegen. Aus Steinen, die weggerollt werden müssen. Und die Wege führen manchmal über Baugerüste. Take 24 Mamerow 1'46 Es war sehr komisch, als gelernter Maurer habe ich hier in Netzeband auf der Rüstung gestanden und eben meine Maurerarbeiten gemacht und dabei immer vor mir hin gesungen, gepfiffen. Und da kam der Herr Frank Matthus, hat da eine ganze Weile gestanden, hat mir beobachtet und hat mich dann angesprochen, ob ich mal vorbeikommen würde als Laiendarsteller mitmachen würde, ob ich mir sowas vorstellen könnte. Ja, die erste Frage war natürlich, verdient man da was. Da bin ich dann einfach mal hin, ihn hat dann meine tiefe Stimme gefallen. Und dadurch kam es dann, dass ich auch Text gelernt habe und dann vor zehn Jahren ca. gleich bei Ronja Räubertochter als der blöde Räuber gleich voll mit eingestiegen bin und seitdem eigentlich jedes Jahr mitgemacht habe. Autor: Das klingt nun etwas einfacher als gesagt. Schließlich steht man als Maurer höchstens auf einem Gerüst, als Schauspieler auf einer Bühne. Texte lernen muss man als Maurer auch nicht. Und als Maurer wird einem kein Mensch fragen: Eh, warum machste das eigentlich. Maurer ist ein Beruf, bei dem man sich nicht rechtfertigen muss. Schauspieler ist etwas anderes: Take 25 Mamerow 9'40 Na, die aus meinem Dorf, die meisten Kerle da, die haben gedacht, ich bin schwul oder wie kann man Theater spielen! Und das hat sich dann nach zwei, drei Jahren dann so umgedreht, dass die jetzt eigentlich richtig stolz sind, dass ich hier mitmache und freuen sich auch für mir. Also, die sind jetzt alle irgendwie positiv überrascht. Autor: Das mit dem Überraschen hat etwas gedauert. Aber was lange währt, naja... Take 26 Mamerow 10'10 Ich mache das ja wegen mir und nicht wegen die Leute. Aber das ist eben auf dem Dorf so, erstmal kennen sie sowas nicht und dann gibt es so ein Sprichwort: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. So sind z.B. die Leute, die waren noch nicht mal hier bei einer Vorstellung, aber haben sich schon im Vorfeld ihre Meinung gebildet. Kraft hat das gekostet, diese Meinung umzuändern, dass man denn positiv darüber denken. Es gibt noch immer einige, die das für Quatsch halten, aber zu 90 Prozent finden das jetzt alle toll. Und ich glaube, da will auch keiner mehr, dass das hier irgendwann zu Ende ist. Also jeder freut sich, dass es jetzt den Theatersommer beständig gibt. Ja, das ist eben super. Autor: Erst einmal muss ich zurück ins Hotel. Take 27 Untersteiner 0'11 Mein Name ist Johann Untersteiner, mir sind vor ungefähr acht Jahren, 2002, von Südtirol hierher gekommen. Es war eher Zufall, der uns hierher verschlagen hat und betreiben jetzt seit acht Jahren das Landhotel Märkische Höfe. Autor: Südtiroler in einem brandenburgischen Dorf. Take 28 Untersteiner 0'59 Das Problem in Südtirol ist einfach, dass es, die Alpenländer generell, sehr überlaufen sind und seit Generationen jeder Quadratmeter Land vergeben ist und wenn man nicht schon als Grundstücksbesitzer geboren ist, kaum Chancen hat, Eigentum zu erwerben. Autor: Das Dorf, die Idylle. Und das auch das richtige Leben, der Alltag. Ost und West in inniger gegenseitiger Abneigung, manch unschöne Erfahrungen und eine Menge Unsicherheit. Manchmal mag man sich einfach nicht. Das kommt vor im Leben. Take 29: Martina Untersteiner 30'52 Es sind hier 180 Einwohner, ich kenn die nicht mal. Es gibt ganz viele hier in diesem Dorf, ich meine, ich würde sie ja nur kennen, wenn sie zu mir ins Restaurant kommen. Und wenn ich durchs Dorf gehe, dann sehe ich wohl Häuser, weiß aber nicht, wer darin wohnt.... Manchmal sehe ich jemandem im Garten werkeln, aber ich kenne die Leute nicht. Autor: Und manchmal fängt man dennoch einfach etwas an, wie die Untersteiners im Jahr 2002: Take 30: Untersteiner 6'13 Es war dritter Januar, es war eisekalt, das kennt man ja von Südtirol nicht. Abends um fünf wird es dunkel und wenn man durch die Dorfstraße geht, sind alle Luken hochgeklappt und ist kein Mensch. Dann bin ich mal in die Dorfkneipe gegangen, da weht einem dann schon so ein kalte Luft entgegen von der Stimmung her. Da habe ich schon kurz gedacht, ob das die richtige Entscheidung war. Wenn man hier länger lebt, dann weicht sich das alles auf, also die Menschen, mittlerweile haben wir auch guten Kontakt zu den Einheimischen und zum Nachbarn. Neider gibt es immer, aber insgesamt sehr positiv. Take 31: Martina Untersteiner 29'10 Lass uns wieder zurückfahren habe ich nicht gesagt, weil es gibt kein zurück, das geht gar nicht. Man kann sich auch wieder entscheiden, wieder nach Südtirol gehen, aber man muss dann immer wieder neu beginnen. Man kann nicht wieder zurückgehen und dort weitermachen, wo man aufgehört hat, das geht einfach nicht. Das war mir schon klar. Ja. Dass wir häufig gesagt haben, es wird uns zuviel und es ist eigentlich so viel, wie war gar nicht bewältigen können und einfach auf die Dauer greift es einfach auch unsere Substanz an und wo wir uns auch immer wieder an die Hand nehmen müssen und sagen, aber wir dürfen uns dabei nicht verlieren, weil nur daraus entsteht das. Also, wir müssen aufpassen, dass die Ehe weiterhin Bestand hat, ansonsten funktioniert das ganze nicht. Autor: Man gewöhnt sich - nicht an alles und auch nicht schnell, aber man gewöhnt sich. Was auch sonst? Man muss dennoch miteinander, gerade auf einem Dorf, wo es nicht so viele Ausweichmöglichkeiten gibt. Und siehe da, es kann funktionieren in kleinen Schritten. Take 32 Martina Untersteiner Da war eine nette Begebenheit. Mir hamse das Telefon geklaut und dann kam die Polizistin und wollte dann genau wissen, wo das Telefon geklaut wurde. Und dann zeigte ich ihr mein damaliges Wohnzimmer. Und dann guckte sie sich um, ich sagte, hier an der Stelle wurde das Telefon gestohlen. Und sie schrieb in ihr Protokoll: Telefon gestohlen in und dreht sich so um und sagt: in Abstellkammer. Take 33 Untersteiner 2'58 Wir stehen hier nicht im Anzug rum und sind nicht besser wie alle andern. Sie merken es ja auch, dass wir von morgens bis abends arbeiten müssen. Mittlerweile hat sich das so ein bisschen geglättet, wobei ich sagen muss, dass da ganz viel der Theatersommer auch mit beigetragen hat und das Konzept von Frank Matthus insofern sehr schön ist, weil er versucht, etwas zu verbinden. Praktisch wir Wessis, wie sie uns nennen, oder Südis, weil wir aus Südtirol kommen und es ging immer um ihr oder wir. Und dadurch, dass er versucht eben, Leute von hier mit einzubinden im Theater als Laiendarsteller, wächst das zusammen, man gewinnt Vertrauen. Das ist eine ganz gute Art, zusammenzuwachsen. CD Sting: Englishman in New York LC 0485, Neil Dorfsman/Sting Autor: Irgendetwas was noch. Ja, Siegfried. Was ist nun mit Siegfried? Kommt noch. Frank Matthus vertröstet mich. Schließlich muss ja noch etwas über das Theater gesagt werden: Profis und Laien. Oder: Wie macht man aus Menschen mit ganz normalen Berufen Schauspieler? Take 34 Matthus drinnen 11'50 Der Laie unterscheidet sich vom Profi in erster Linie durch die Sprache. In dem Moment, wo wir hier die Sprache auf dem Band haben und der Darsteller eine Maske trägt und ich ihm eine Choreographie der Bewegung mitgebe und quasi antrainiere, kommen wir trotzdem auch mit einem ganz unbeleckten Menschen zu einem hochartifiziellen Ergebnis. Das ist ja wiederum die Kunst der Verfremdung, die Theater leisten kann. Insofern schaffen wir auch mit dieser Theaterästhetik diesen Spagat, dass wir mit Laien arbeiten können, aber kein Laientheater machen, also, dass das Produkt ein sehr Artifizielles ist, aber wir trotzdem auch Leute aus der Region mit einbinden können, mit dabei zu sein. Autor: Wenn Netzeband Theater macht, dann ist es eine Region, die Theater macht. Soll heißen: Wenn etwas los ist, dann merkt man das auch ein paar Kilometer weiter weg. Nicht einmal, weil es so laut ist, sondern weil viele auf den Beinen sind. Take 35 Harre 0'21 Also, ich heiße Karin Harre, bin Allgemeinärztin in Walsleben, sechs Kilometer entfernt von Netzeband und wohne jetzt hier seit 17 Jahren in der Region. Autor: Viele, die mit Theater sonst gar nicht so viel zu tun haben. Wenn sie nicht auf der Bühne stehen, dann sind sie wenigsten im Vorstand des Kulturvereins, was soviel heißt wie: Wenn Theater ist, muss man Karten abreißen oder Kaffee verkaufen. Take 36 Harre 10'22 Man fragt sich ja manchmal, wenn man dann hier so die Wochenenden verbringt, warum mach ich das eigentlich....Ja, weil es dann eben schon immer toll ist, es ist dann wie so ein Gesamtkunstwerk, man ist dann eben so draußen, dann ist das ganz besonders mit dem Park und der Beleuchtung, den Stimmen. Und dann ist es schon genial, denke ich. Und dann ist es auch schön, wenn die Leute dann mit leuchtenden Augen zur Pause kommen und sagen: Ja, gefällt uns gut. Also, wir hatten immer eine schöne Stimmung. Wir hatten noch nie, dass jemand sagt, so ein Mist, wäre ich doch zu Hause geblieben. Es war immer ein schönes Erlebnis, insofern macht es mir dann auch Spaß, auch wenn ich nicht direkt beteiligt bin. Autor: Und so kommt es, dass Maurer auf der Bühne stehen. Und Mediziner den Einlass regeln. Take 37: Harre 12'45 Ich glaube, Standesdünkel sind hier sowieso nicht so. Und wir, die wir hier da mitmachen, haben die eben sowieso nicht, sonst würden wir es ja vielleicht auch nicht machen. Wir witzeln da manchmal rum, dass man, weil der Mann der einen im Vorstand, der ist nun Chefarzt der Orthopädie hier in der Nachbarkreisstadt und der ist dann meistens Kartenabreißer und wir witzeln immer rum, man muss schon mindestens Facharzt sein, dass man hier Karten abreißen darf. Es ist eben so. Ich denke mir, die Leute, eben die akademischen Berufe interessieren sich eben für sowas. Dann macht man eben was anfällt. 13'37 Ein Mediziner ist immer da. Das teilen wir nicht extra so ein, aber das ist dann so, jaja. Autor: Beim Theatersommer Netzeband gilt also: In medizinischen Notfällen wenden Sie sich an den Kartenabreißer. Take 38 Genau. Sonst müssten wir womöglich einen Theaterarzt noch anstellen. Autor: Die Bühne ist draußen. Die Bühne ist Natur. Der Rest ist im Werden. Take 39 Atmo Treppe Jacob 5'55 Mein Name ist Hilmar Jakob und mache sozusagen, wenn der große Chef nicht da ist, sozusagen seinen Stellvertreter, also leitender Techniker, Bühnentechnik und die Arbeitseinteilung, was so gemacht wird, Vorbereitung, Planung und so. Autor: Von einer Bühne ist noch nicht viel zu sehen. Dafür weht der Wind. Und eine Kreissäge zeigt, dass hier gearbeitet wird. Take 40 Atmo Treppe Jacob 5'15 Die schneiden jetzt hier Holz auf für den Unterbau der Tribüne, hier ist da unser Arbeitstisch, unten werden die Praktikabeln draufgestellt, weil es schräg ist, wird alles ausgeglichen damit, kommen die Praktikabeln drauf, kommen die Platten drauf, wo dann nachher die Stühle sind, wo die Zuschauer dann sitzen. Autor: Ich gehe mit Hilmar Jakob in die Werkstätten. Naja, eigentlich ist es eher ein Lagerraum. Take 41 Atmo Treppe Jacob 7'50 Das ist noch, das war ja früher mal eine Kegelbahn gewesen, hier nebenan, die lange Halle. Das sollte mal so Umkleideräume werden. Da war früher zu DDR-Zeiten mal ein Schwimmbad geplant gewesen. Und danach war, war dann die Jugend, weil es leer gestanden hat, haben die sich hier getroffen, deswegen. Die Wände sind ein bisschen beschmiert. Hier steht ja noch ein bisschen was dranne. Naja. Autor: Hilmar Jacob will nicht auf die Bühne. Doch er lässt sich begeistern für das Theater. Theater, so hat er gelernt, braucht Technik. Und Freilufttheater braucht besondere Technik. So baut er im Sommer auf. Und im Winter tüftelt er. Take 42 Atmo Treppe Jacob 13'26 Wir haben z.B. hinten im Wald, da werden ja die Scheinwerfer in die Bäume gehangen. Das ist ein verstellbares V mit Spanngurt und Halterung für Scheinwerfer, das ganze Teil ist werkzeuglos zu bedienen. Wird am Stamm angelegt. Der Spanngurt wird rumgelegt hinten und mittels Ratsche festgezogen. Und setzt sich über diese Scheiben am Stamm an. Und hat dadurch eine höhere Sicherheit. So eine Konstruktion, da setze ich mich meist im Winter, wenn draußen ekliges Wetter ist ins Büro und da fange ich sowas an zu konstruieren. Autor: Hilmar Jakob hantiert mit seiner Erfindung, dreht und wendet sie in alle Richtungen. Und da kommt ein Schriftzug zum Vorschein: Tüffel. Nein, es kommt nicht von Tüfftler, auch wenn das passen würde. Tüffel, das ist der Spitzname, der an ganz etwas anderes erinnert: Take 43 OT Telchow 0'20 Jacob Der Name Tüffel kommt daher, ich mochte als kleines Kind immer nicht Kartoffeln essen, das war mir nicht so der Fall gewesen. Wir hatten da eine Erzieherin gehabt, die kam aus dem Mecklenburgischen. Sie hat mich da immer gefüttert. Und im Meckenburgischen heißt die Kartoffel Tüffel. Und dann hat sie immer gesagt, komm du Tüffel, nun iss doch die Tüffeln. Und daher kam der Name Tüffel.... CD: Nighthawks Citizenwayne LC 8399 Loves End Autor: Netzeband in Brandenburg. Ein bisschen Niemandsland - und viele Menschen, die Dinge tun, von der sie nie geglaubt hätten, dass sie die einmal tun werden. Figuren bauen, auf der Bühne stehen, an Technik für ein Freilufttheater basteln. Es scheint, dass da das Theater viel mehr ist, als ein Tempel, der zum geistigen Konsum einlädt. Theater verändert vielleicht doch die Welt. Manchmal nur und auch nur ein kleines bisschen. Aber es verändert die Welt - und das sogar zum Besseren. Das wird man doch mal glauben dürfen. Take 44 Matthus drinnen15'40 Natürlich stellt sich die Frage, was haben Leute aus so einem Dorf von diesem Theater hier. Über den wirtschaftlichen Aspekt kann man ja viel spekulieren und sicherlich gibt es da Effekte von Direktvermarktung und die Pensionen sind dann voll, wenn die Leute hier sind. Natürlich passiert dann auch was. Aber ich möchte mich auf diesen wirtschaftlichen Effekt gar nicht so fokussieren. Man kann viel davon haben, wenn man hingeht, wenn man dabei ist und wenn man es miterlebt. Und wenn man zu Hause sitzen bleibt, hat man gar nichts davon. Das ist dann der Punkt, das ist aber eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Autor: Johanna Maria Burghart ist wieder da, die Bühnenbildnerin aus der Schweiz. Wie aus dem Nichts ist sie aufgetaucht zwischen den Figuren, die auf dem Dachboden der Kirche stehen. Schweizer können sowas. Ich sage Siegfried. Sie sagt, jetzt sei es soweit. Sie nimmt ein großes Tuch zur Seite. Ich sehe Masken. Sie nimmt eine und sagt: Das ist Siegfried. Siegfried guckt ein wenig angestrengt. Take 45 Burghart 2/ 3'Total. Der wird ja auch extrem missbraucht im Stück. Das ist eine Figur, der wird im ersten Teil, also in Nibelungen I wird er gemacht von den Göttern, um die alte Götterwelt zu retten. Er wird sowohl von den Menschen, als auch von der Götterwelt missbraucht für sein Dasein. Er ist ja wahnsinnig stark der Siegfried. Der hat übermenschliche Kräfte und alle wollen von dem seinen Nutzen ziehen und letztlich wird er nur missbraucht und stirbt am Schluss, d.h. ja Siegfrieds Tod, der wird ja sterben. Autor: Da liegt sie, die Sagenwelt. Siegfried, natürlich ohne Tiger. Netzeban ist ja nicht Las Vegas. Zum Siegfried gehört nicht Roy, sondern ein Drachen. Und in Netzeband gehören die Masken zum Siegfried. Die Masken, die lebendig werden, wenn die Schauspieler sie tragen. Zum Beispiel Krimhild. Die guckt manchmal wie ein, naja, Schaf: Take 46 Burghart 2 /7'+++ Ein bisschen wie das Lämmchen, ja, sie sind ja alle die Schäfchen Gottes, das ist ja auch das Thema, weil der christliche Gott übernimmt ja die alte Götterwelt oder verdrängt sie in Siegfrieds Tod, also im zweiten Teil. Sie hat ja schon etwas Unterwürfiges, weil, sie wird ja auch von der Familie dazu benutzt, diesen Siegfried heiraten zu müssen, um ihn ein bisschen in Schach zu halten, weil der hat wirklich wahnsinnige Kräfte. Sie hat jetzt die Rolle eben die Brave zu sein, muss aber in dem Stück auch eine gewisse Arroganz zeigen können, weil sie streitet sich irgendwann ganz heftig mit Brunhild. Und diese Arroganz haben Sie dann in die Maske hineingebracht? Das habe ich, wenn ich von oben runtergucke, habe ich eine ganz arrogante Haltung, also ich muss mich auch, wenn ich die Masken baue, muss ich mir überlegen, was ist eine Körperhaltung und was sagt sie auch. Also in dieser Körperhaltung, wenn ich von oben runtergucke, das ist schon mal eine Arroganz in sich. Und dann kann ich gucken, dass das Gesicht dann auch seine stärkste Variante hat in dem Moment und eben ein Blitzen in den Augen hat. Und wenn ich dann den Kopf nach unten neige, dann hat das schon etwas eher Zurückhaltendes. Und so soll das Gesicht dann auch sein. Und wenn wir der Krimhild jetzt mal auf die Stirn klopfen...Wie klingt das, es fühlt sich ein bisschen wie Plastik an... Es ist ja auch eine Art Plastik, weil ich muss ja gucken, wir hoffen ja, dass es nie regnet, aber man muss ja auch daran denken, es wird irgendwann geprobt und wenn es dann regnet, wird einfach weiter geübt, d.h., die Masken müssen das wirklich auch aushalten können. Das Material muss stabil sein, wasserdicht und das alles mittragen können....Die Maske muss abwaschbar sein. Autor: Krimhild muss abwaschbar sein. Und Gunter. Und Siegfried. Ja. Alles Theater ist Illusion. Und doch eine Menge richtiges Leben. Take 47 Burghart 2 / 16'20 Sie können die Maske gerne aufsetzen, wir haben auch einen Spiegel. Dann müssen Sie das Mikrofon halten bitte. Geht sogar mit Brille. Beschreiben Sie mal, wie ich jetzt aussehe bitte. Toll. 16'52 Das Schöne an den Masken ist ja, man kann damit je nach Bewegung etwas behaupten. Am Theater sind wir ja sowieso immer nur am behaupten. Wir behaupten, als ob es so wäre. Es ist ja nie Wirklichkeit. Theater ist ja keine Wirklichkeit, es ist immer Show, eine Darstellung von etwas. Autor: Da suche ich den ganzen Tag lang Siegfried. Und was ist? Am Abend bin ich es selbst. Der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig. Ich weiß nicht, ob ich das sehen will. Ich mit Strähnchen im Haar. Ich meine, wer trägt schon noch Strähnchen! Take 48 Burghart 2 / 17'30 Der Spiegel ist da, wenn Sie bei den großen Figuren hindurch...Und? Ja, so sehr viel anders sehe ich nun auch nicht aus. Wie war das mit den roten Strähnen. Oh, ja. Und wenn Sie diese Masken machen, stehen Sie so da, wie ich soeben, wenn Sie die aufsetzen. Ja, unbedingt, auch um die Distanz... Mit dem Spiegel hat man ja die doppelte Distanz zum abchecken, ob das Wirkung hat. Und ich denke mir dann dazu und noch viel mehr Distanz. Das Gelände ist wirklich ganz ganz groß. Und ich möchte gern von Weitem wie von Nahen die Leute erkennen. Vom Nahen hat man die Details, und vom Nahen ganz sicher die starken Merkmale davon. Autor: In Netzeband spielen sie in diesem Jahr Nibelungen, Teil 2: Siegfrieds Tod. Ich setze die Maske schnell wieder ab. Sie wird ja noch gebraucht: Die Premiere der Nibelungen, Teil 2 ist am 31. Juli beim Theatersommer im brandenburgischen Netzeband. Bis dahin gibt es an den Wochenenden das Familienstück Pinocchio. Das ist der mit der Nase. Aber die Nibelungen - was ist da eigentlich los? Die Leute vom Theatersommer werden das ja in einem Satz erklären können: Regie: The Ring without words, Siegfried Berliner Philharmoniker, Lorin Mazel Take 49: Mamerow 8'55 Siegfried II Da fragen Sie mich jetzt ein bisschen viel. Meine Zeit war jetzt ein bisschen knapp.... Harre 9'27 Siegfried II Das kann ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe zwar zu Hause schon dieses Heft, worum es da ungefähr geht, ganz grob. Ich habe mir die Nibelungen auch noch mal durchgelesen, letztes Jahr in so einer schönen Fassung für Laien, für Nicht-Wagnerianer. Jedenfalls geht es jetzt mit Siegfried weiter und der ganzen Betrügerei und der Brunhild, die ihn doch eigentlich liebt und ihn dann verraten wird, also, dieses weiß man noch aus der Schule, aber was genau diesmal dran kommt, kann ich Ihnen nicht sagen. Höcker 7'18 In einem Satz die Handlung von Nibelungen II erklären? Das ist wirklich sehr schwer. Untersteiner 11'43 Dann geht es dann darum, um den Held Siegfried, um Krimhild, um die Liebe, um die Intrigen, um Freundschaft, um äh Verrat. Höcker 7'28 Muss ich einen Moment überlegen. Atmo Treppe 12'38 Nibelungen II Oh, das ist jetzt ein bisschen hart getroffen. Was war das jetzt gewesen. War das nicht der Tod von diesem Dings gewesen? Ja, der erste Teil war Fluch des Ringes, Siegfrieds Tod ist das. Ja wir hatten das mal in der Schule gehabt und das ist schon so lange her. Höcker 7'45 Die ganze Handlung kann ich nicht erklären. Ich kann versuchen, jetzt ein, hach, wie soll ich das nennen, einen Schwerpunkt mit einem Satz... Oelcke 13'57 Nibelungen 2 Das ist Siegfrieds Tod. Das ist also diese klassische Geschichte. Siegfried wird verraten und wird durch Hagen, der ja eigentlich für mich die tragische Figur ist, ermordet, um die Macht der Burgunder zu erhalten. Höcker 8'19 Also ich würde sagen, als Mittelpunkt von Nibelungen II, es ist der Eintritt, der Eintritt von Helden und göttlichen Figuren in die Menschenwelt mit all seinen Konsequenzen. Seuka 3'20 Also ich habe dieses Textbuch vom Frank ja noch nicht gelesen. Ich weiß, dass es um die Hochzeit geht zwischen Ute und Brunhild und den beiden Brüdern Gunter und Gisell und diese Racheintrigen bis hin dann zu Siegfrieds Tod. Woelck-Wurow 1'30 Da ist ja diese Hochzeitsnacht, in der Siegfried diese Braut...und da ist es bei mir schon zu Ende. Oelcke Ohm 57'28 Nibelungen II Ich habe das Drehbuch noch nicht gesehen, bin noch nicht in den Genuß gekommen. Höcker 8'55 Das wäre so das Konzentrat, das inhaltliche Konzentrat. Matthus drinnen 18'04 Mit einem Satz ist es schwierig. Das ist ein Politliebesdrama um Macht, um Liebe, Königin Ute hat da sehr stark ihre Finger im Spiel. Es ist eigentlich ein Drama von Macht und Liebe und unbewältigten Vergangenheiten. Vielleicht kann man das so sagen. Regie Kennmusik Sp. v. Dienst: Theater im Niemandsland Das brandenburgische Netzeband und seine Masken Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Klug 1