KULTUR UND GESELLSCHAFT Organisationseinheit : 46 Reihe : LITERATUR 19.30 Kostenträger : P.6.2.30.0 Titel der Sendung: "Man hat die Freiheit, die man sich nimmt" - Enthüllungen über die Aktionsgruppe Banat Autor : Sabina Kienlechner Redaktion: : Sigried Wesener Sendetermin : 06.06. 2010 Besetzung : Sprecher : Sprecherin : 1. Zitator : 2. Zitator / o-Ton: Vsp. Regie : Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig (c) Deutschlandradio "Man hat die Freiheit, die man sich nimmt" Neue Enthüllungen über die Bespitzelung der "Aktionsgruppe Banat" Von Sabina Kienlechner Stimmen: Sprecher Sprecherin 1. Zitator (Aktenzitate) 2. Zitator 2.Zitator: Ministerium des Inneren, Kreisinspektorat Temesch, Abteilung F. Plan für den Einsatz spezieller Hilfsmittel in der Wohnung von Ortinau Gerhard. Streng geheim. 1.Zitator: Der besagte ORTINAU GERHARD gehört zu einer Gruppe junger Autoren, die bekannt sind als Verfasser einer interpretierbaren Literatur mit feindlichem Inhalt. In enger Verbindung zu ORTINAU GERHARD steht TOTOK WILLIAM, der kürzlich aus der Haft entlassen wurde [ ... ]. Zur Gruppe gehören außerdem WAGNER RICHARD [ ... ], WEITZ BALTHASAR, LIPPET JOHANN und andere. Im Rahmen des operativen Vorgangs wurde festgestellt, dass die Wohnung des besagten ORTINAU Schauplatz eines Treffens der Gruppenmitglieder war, bei welcher Gelegenheit [ ... ] es zu Aussagen mit staatsfeindlichem Charakter kam. Um über Gespräche [dieser Art] [ ... ] informiert zu sein und um eventuellen feindlichen Aktionen vorzubeugen, ist der Einsatz von operativen und technischen Hilfsmitteln in der Wohnung des besagten ORTINAU erforderlich. [ ... ] Zur Sicherung des Eindringens unter den Bedingungen vollständiger Geheimhaltung werden wir folgende Maßnahmen ergreifen. 1. Besagter ORTINAU wird unter Beobachtung gestellt, und es wird eine Funkverbindung geschaffen zwischen dem Beobachtungsteam und der technischen Einsatztruppe ... (während der letzten 2 Sätze langsam ausblenden) Sprecher: Der Einsatzplan des rumänischen Geheimdiensts stammt vom 20. August 1976. Zu diesem Zeitpunkt stand die Aktionsgruppe Banat bereits vor ihrem Ende. Sie war nicht einfach zerbrochen, sondern von der Securitate unter Einsatz massiver und perfider Mittel willkürlich zerstört worden. Sprecherin: Die jungen Schriftsteller dieser Gruppe waren keine Revolutionäre, sie verstanden sich nicht einmal als Dissidenten. Sie wollten eine moderne, innovative Literatur schreiben, in der Hoffnung, damit auch das Realitätsbewußtsein ihrer Umgebung verändern zu können. Dafür wurden sie vom totalitären rumänischen Regime verfolgt und bestraft. Ihre Geschichte spielt in Rumänien, doch ihre Werke sind in deutscher Sprache geschrieben, und auch sie selbst verstanden sich stets als Deutsche. Sprecher: Fast alle Aktionsgruppenmitglieder sahen sich gezwungen, schon Jahre vor dem Umsturz Rumänien zu verlassen und leben heute in Deutschland. Nicht alle haben die Repressalien des Regimes überlebt. Nur einige schafften es, weiterhin zu schreiben. Alle aber haben jahrzehntelang mit biographischen Unklarheiten und Widersprüchen, auch mit Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen gelebt: bis eine Forschergruppe im Bukarester Archiv der Securitate endlich auf ihre Akten stieß. Seitdem konnten viele Fragen beantwortet, viele Zweifel ausgeräumt werden; und mit den Akten ist auch etwas von der einstigen Solidarität der Gruppe wiedergekehrt. Sprecherin: Die in dieser Sendung zitierten Aktenauszüge sind aus dem Rumänischen übersetzt und werden zum ersten Mal der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist nur der allererste Anfang: noch liegen bei Weitem nicht alle Akten vor, noch sind keineswegs alle Spitzel enttarnt; die Rekonstruktion der Geschichte hat gerade erst begonnen. Sprecher: Als sie sich 1972 zusammentaten, waren sie noch keine 20 Jahre alt. Die meisten hatten soeben erst die Matura gemacht und zogen nun in die Kreisstadt Temeswar - rumänisch Timisoara -, um hier ein Universitätsstudium zu beginnen. Nahezu alle wählten das Fach Germanistik. Sie waren rumänische Staatsbürger, doch mit deutscher Muttersprache; sie gehörten zur deutschen Minderheit, die seit dem 18. Jahrhundert im Banat ansässig war. Es gab im Banat (so wie auch im angrenzenden Siebenbürgen) deutsche Pfarreien, deutsche Schulen, Grundschulen und Lyzeen, deutsche Zeitungen, deutschsprachige Rundfunk- und Fernsehsendungen, deutsche Verlage, deutsche Theater und deutsche Literaturzirkel. Sprecherin: Die Germanistik als Studienfach lag nahe für die jungen Leute, denn schon in der Schule hatten sie ihre Liebe zur Literatur entdeckt und sogar selbst zu dichten begonnen. Es waren vor allem die deutschsprachigen Zeitschriften - mit Namen wie "Neue Banater Zeitung", "Neue Literatur", "Neuer Weg" oder "Karpaten Rundschau" -, die die Schüler zum Schreiben animierten, indem sie ihnen die Möglichkeit boten, auf Schulseiten und in Beilagen ihre Gedichte und kurzen Prosatexte zu veröffentlichen; Redakteure reisten von einem Lyzeum zum anderen auf der Suche nach literarisch Begabten, Deutschlehrer veranstalteten Lesestunden, Vorträge, Schreibwettbewerbe. Eine allgemeine Troubadourstimmung machte sich breit, ja es kam zu einem regelrechten "Poetenboom". Ernest Wichner (heute Direktor des Literaturhauses Berlin) erzählt, wie er seinen Freund Gerhard Ortinau bei einem solchen literarischen Sonntagvormittag kennenlernte: Einspielung 1 Wichner Ich kam da hin, und dann kam eben ein Schüler in einem dunklen Anzug, mit weißem Hemd, Krawatte und einem roten Haarschopf und großen Augen und hat etwa eine Stunde lang auswendig über Kafka gesprochen in freier Rede und in sehr wohlabgewogenen Sätzen bis hin zu einzelnen Zitaten aus Kafkatexten, die er ohne in ein Buch zu schauen rezitiert hat. Und es hat mich getroffen wie ein Blitzschlag, ich war absolut fasziniert von diesem Mitschüler, wir sind dann anschließend auch in ein Café gegangen und haben Kaffee und Cognac getrunken, das haben wir damals angefangen, haben den ganzen restlichen Tag zusammen verbracht und waren fortan Freunde, schier unzertrennlich, haben ganz häufig zusammen die Schule geschwänzt und in Cafés rumgesessen und uns von Büchern erzählt. Sprecher: Sie blieben nicht lange allein, zu ihnen gesellten sich andere - Richard Wagner, William Totok, Johann Lippet, Anton Sterbling, Werner Kremm, Rolf Bossert, Albert Bohn -, die sich auf ähnliche Weise gefunden hatten und die nun alle miteinander Kaffee und Cognac tranken, über Bücher redeten und sich gegenseitig ihre Gedichte vorlasen. Einspielung 2 Wichner Ein kleiner Erdenmensch (von Ernest Wichner) Ein kleiner erdenmensch /ließ sich /zu einer gewissen zeit/ flügel wachsen /von einer gewissen größe /und erhob sich damit /an einem gewissen tag /gegen den himmel /mit einer gewissen absicht /als die sonne ihn sah /mit einer gewissen verspätung /flog sie schnellstens davon /mit einer gewissen angst Einspielung 3 Ortinau Legende vom Weisen in der Wüste (von Anton Sterbling) Winde treiben Wünsche tief in die Wüste /Der Weise verlässt sein Zelt und schreibt /In den Sand: Alle Wüstenbewohner /Sollen Fischer werden. /Kein Wüstenbewohner ist Fischer geworden. /Es ist trotzdem gut, dass /Winde Wünsche tief in die Wüste treiben. Sprecherin: Es war unvermeidbar, dass die jungen Schriftsteller von der Politik eingeholt wurden, denn eine moderne Gegenwartsliteratur zu schreiben, war im sozialistischen Rumänien an sich schon ein politisches Unterfangen. Der Moment schien günstig: denn zu jenem Zeitpunkt konnte man einen trügerischen historischen Augenblick lang glauben, Rumänien befände sich auf dem Weg zu einer dauerhaften Liberalisierung. Bis Mitte der 60er-Jahre war das Land von Gheorghe Gheorgiu-Dej regiert worden, der es mit stalinistischen Methoden geführt hatte. Seit 1965 aber war Nicolae Ceausescu an der Macht, und nun schien sich ganz entschieden etwas zu ändern; ein Tauwetter hatte eingesetzt, schreibt Gerhardt Csejka, damals Redakteur der Zeitschrift "Neue Literatur". 2.Zitator: "Der Geniestreich des jungen Ceausescu war zweifellos seine Balkonrede am 21. August 1968, als er der Welt lauthals kundtat, er verweigere den Sowjets die Gefolgschaft, Rumänien beteilige sich nicht am Einmarsch in die Tschechoslowakei, sondern stehe zum Freundschafts- und Beistandspakt, den man mit Dubcek wenige Tage zuvor unterzeichnet hatte. Ein ungewohnt klares und beeindruckendes Signal dafür, dass die bösen fünfziger Jahre der stalinistischen Epoche definitiv vorbei waren." Sprecherin: Die jungen Autoren, die in den 50er-Jahren geboren waren, glaubten, es sei geradezu ihr historischer Auftrag, in dieser vielversprechenden frühen Ceausescu-Ära die Wende durchzusetzen. Aus der Masse der dichtenden Gymnasiasten kristallisierten sich nun jene heraus, die es nicht nur ernst meinten mit dem Schreiben, sondern die ihren Texten auch ein politisches Gewicht verleihen wollten. Insbesondere einer verstand es, andere um sich zu gruppieren und in ihnen sowohl ein politisches wie ästhetisches Engagement zu wecken, der junge Mann hieß Richard Wagner. Er und auch die anderen wussten sehr gut, dass es trotz allen Tauwetters in Rumänien eigentlich undenkbar war, sich in einer Gruppe, gar einer Gruppe mit gesellschaftskritischen Ambitionen zu organisieren. Doch sie dachten nicht daran, irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen. Einspielung 4 Wagner Man hat die Freiheit, die man sich nimmt, dachten wir. Was für unsere Umgebung unerhört war, war für uns nicht einmal ein Wagnis, es war selbstverständlich. Wir traten mit einem Ton der Selbstverständlichkeit auf, der sogar den Behörden die Sprache verschlug. Für eine Weile jedenfalls. Für eine Weile in der sie uns argwöhnisch beobachteten. Wir erklärten lauthals, wir seien Marxisten, und wir hielten uns auch dafür. Was wir politisch dachten, war eine schräge Mischung aus Sozialismus mit menschlichem Antlitz, Che Guevara, Marcuse und Leninschen Merksätzen aus dem Vokabular unserer Schulzeit, die eine nicht minder erstaunliche literarische Entsprechung hatte. Wir lasen: Brecht, Bobrowski, Heißenbüttel, Volker Braun, die Wiener Gruppe, meist Autoren, die außer uns an unserem Wirkungsort Temeswar kaum einer kannte." Sprecher: Mit dieser Haltung traten sie ihrer geistigen Umgebung entgegen, die von zwei Seiten her versuchte, sie einzuengen. Auf der einen Seite waren da die kommunistischen Funktionäre, die ihnen die Welt in euphemistischer Verstümmelung vorzeichneten. Auf der anderen Seite wehrten sie sich gegen die Enge der Banater Dörfer, aus denen sie stammten: gegen die Mentalität ihrer Väter, die größtenteils bei der SS gewesen waren, die nun, nach der kommunistischen Enteignung, ohne Grund und Boden weiterhin ihre Traditionen pflegten: Kirchweihfeste, Heimatlieder, Trachten und Blasmusik. Dieselbe rückwärts gewandte Mentalität forderten sie auch von ihren Söhnen und Töchtern ein. In dieser geistig verkrüppelten und geschichtslosen Welt waren die Bücher, vor allem Bücher aus dem Westen, lebensnotwendig; denn sie waren der Anschluss an den Lebensnerv der Gegenwart, Instrumente für die Entwicklung des Denkens. Herta Müller erzählt: Einspielung 5 Herta In dem Moment, in dem wir angefangen haben zu lesen und nachzudenken und die Dinge ernst zu nehmen, die uns beschäftigt haben, da war man automatisch aus dieser Welt draußen; weil das nicht zusammen ging. Es war eine Entscheidung, die haben die Bücher für uns getroffen. Sprecher: Im Frühjahr 1972 trafen sich die Freunde zu einem Gespräch, bei dem sie ihre literaturpolitische Haltung in ein Programm zu fassen suchten; es sollte später als das Gründungsgespräch der Gruppe in die Annalen eingehen. Sie fragten sich: "Wie stellen wir uns eine marxistische Literatur vor?", sie bekannten sich zu Brecht und zu einem "neuen Realitätsbewußtsein", sie setzten sich gegen die "falschen Denkschemata" ab, sie nahmen sich vor, zu provozieren, kritisch zu sein und "auf der Grenze zu gehen". Ein Journalist gab ihnen in einer Rezension des Gesprächs den Namen "Aktionsgruppe Banat" - ein provokanter Begriff, der den Freunden eben wegen des Verwirrungspotentials, das er enthielt, gefiel. In Wahrheit verbarg sich dahinter eine solidarische Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die es wagen wollten, als Kollektiv aufzutreten, und die hofften, mit ihren Texten in der Welt etwas bewirken zu können. Ihre Mittel waren friedlich, der Aktionismus dieser "Aktionsgruppe" war rein poetisch; an einen Umsturz dachte niemand. Einspielung 6 Totok Wir waren nicht regimefreundlich, das ist sofort aufgefallen, aber andererseits waren wir auch nicht darauf aus, das Regime zu stürzen. Unsere Haltung war die, von innen heraus etwas zu verändern. Und das haben wir versucht systematisch zu machen, und das ist gescheitert. Sprecher: Damals wussten sie noch nicht, dass sie zum Scheitern verurteilt waren. Sie glaubten durchaus an die Sprengkraft des Wortes und, wie Rolf Bossert, an die Macht ihres Witzes. Einspielung 7 Csejka reim dich wir werden zeitbomben legen, /verpackt in papier solln sie sein; /das ist der zweck unsres leben- /s, den menschen zu verfein- /ern, deshalb: verpackpapier /mit versen schön bestreichen /vor irgendeinem genie. r- /asch kann man was erreichen. Sprecherin: Die literarische Produktion der Gruppe erreichte quantitativ wie qualitativ erstaunlich schnell ein professionelles Niveau. Die Akteure schrieben Lyrik und kurze Prosa, witzige, vertrackte, skurrile Texte, sie verwandten die unterschiedlichsten Stile und Techniken und waren doch unverkennbar. Die Gruppe wurde rasch über die Grenzen von Temeswar hinaus bekannt, bis hin ins ferne Bukarest; denn sie war einzig in ihrer Art. Sicherlich hatte sie das Autorenkollektiv als Phänomen nicht selbst erfunden: ihr vages Vorbild war die Wiener Gruppe, die in den 50er-Jahren in Österreich mit Gemeinschaftslesungen, Textmontagen und surrealistischen Sketches die Umwelt provoziert hatte. Doch um Ähnliches im realsozialistischen Rumänien des Jahres 1972 zu veranstalten: dazu bedurfte es nicht nur des Mutes, und auch die sprichwörtliche Frechheit, die man der Gruppe nachsagt, reichte dafür nicht aus; es war, wie Richard Wagner sagt, eine gute Portion Größenwahn notwendig. Einspielung 8 Herta Ich hatte eigentlich immer Komplexe, wenn ich die sah. Das waren ja alles Männer, und das waren ziemlich forsche Typen, die waren ziemlich spöttisch und aggressiv, auch im Umgang mit einem, mit anderen, und hatten natürlich auch durch ihr Wissen einen Vorsprung, und ich meine, das macht ja vielleicht auch sicher im Verhalten. Einspielung 9 Wagner In dieser Situation hatten wir so eine Omnipotenz, die wir vor uns hertrugen. Wenn wir uns mal entschieden hatten für etwas, dann war das die Wahrheit. Diese Haltung war auch eine ganz gute Voraussetzung für das, was wir gemacht haben, bzw. eine notwendige Voraussetzung. Wenn man mal in so einer Isolation lebt, in so einer Situation, die völlig aussichtslos ist in dieser Provinz, dann muss man schon ein ziemlich umfangreiches Selbstbewusstsein zur Argumentation haben, nicht nur ein ausgeprägtes, sondern auch ein argumentativ umfangreiches, um das auszuhalten und zu meinen, man kann hier was Wichtiges leisten oder was von Bedeutung machen. Sprecher: Das argumentative Selbstbewusstsein verschafften sie sich, indem sie westliches Radio hörten und westliche Zeitungen lasen und sich auf allen denkbaren Wegen Bücher aus dem Westen beschafften. Sie bildeten so etwas wie eine "Universität für sich", sie kannten weit mehr Literatur, als die germanistische Fakultät ihnen zu bieten hatte. Einspielung 10 Herta Ich glaube, ich wurde eigentlich ausgebildet von der Aktionsgruppe, und nicht etwa an der Universität. Sprecher: Sie lasen und diskutierten, schrieben und publizierten ihre Texte in den deutschsprachigen Zeitschriften und Verlagen, meist als Gruppe, bald aber auch in Form von persönlichen Gedicht- und Prosabänden; sie hielten Lesungen in den Kulturhäusern, sie reisten durch die Lande und traten in Schulen und Gemeindehäusern auf. Und ein wenig parodierten sie immer auch sich selbst. Einspielung 11: Lippet Übungen für Gleichgültige (von Anton Sterbling) Diese Texte hier sind Lehrstücke, obwohl ihr das wahrscheinlich nicht sofort einsehen werdet, sondern vielmehr glauben werdet, es seien Einleitungen. Ihr werdet es kaum feststellen können, dass sich die Texte schon weit über ihre Einleitungen hinaus entwickelt haben. Ihr werdet Verdacht fassen und nach einer Fabel, Idee, Situation suchen. Ihr werdet Gedankenschlupfwinkel im leisesten metapherverdächtigen Wort und parabelverwandten Satz ausfindig machen wollen. Ihr werdet Anspielungen, Zweideutigkeiten, eine innere Problematik suchen. Ihr werdet durchschaubare Wirklichkeit vermuten. Ihr werdet glauben, dass ihr euch irrt oder dass sich die Autoren geirrt haben. Ihr werdet zweifeln ... ... Ihr werdet unzufrieden sein, dass die Autoren euch viele kritische Gedanken vorweggenommen haben. Ihr werdet die Texte ablehnen, ihr werdet darüber lächeln, ihr werdet sie loben, ihr werdet nichts darüber sagen können. Sprecherin: Ceausescu´s Behörden ließen die Gruppe der jungen Dichter gewähren - so zumindest schien es. Die Omnipräsenz der Securitate war ihnen selbstverständlich bekannt, und sie rechneten mit ihr. Gleichwohl haben sie Macht und Methode dieser Staatsorgane gründlich verkannt - solange bis sie sie leibhaftig zu spüren bekamen. Sprecher: Zunächst aber befand sich die Securitate in der misslichen Lage, dass ihre Offiziere Rumänen waren und kein Deutsch sprachen; sie konnten die Texte der Aktionsgruppe schlicht nicht verstehen. Man suchte daher im Umfeld der Aktionsgruppe konspirative Mitarbeiter anzuwerben, die zweisprachig waren und so viel von Literatur verstanden, dass sie mit den oft akrobatisch trickreichen Texten der Aktionsgruppe etwas anzufangen wußten. Sprecherin: Die Securitate ging gründlich vor, sie begann ganz am Anfang, nämlich bei den Gedichten, die die Aktionsgruppenmitglieder noch als Schüler geschrieben hatten und die 1972 in einer Anthologie mit dem Titel "Wortmeldungen" erschienen waren. Im Jahr darauf, am 8.3.73, verfasste ein Informant namens "Walter" einen Bericht über diese frühesten poetischen Erzeugnisse. 1.Zitator: "Die Gruppe hat es zu ihrem Anliegen gemacht, eine ausschließlich sozial-kritische Lyrik zu schreiben.[ ... ] Sie behandeln in ihren Gedichten lediglich die negativen Aspekte der Gesellschaft (oder was sie dafür halten). [ ... Sie] praktizieren eine Art des Schreibens, bei der sie in sehr allgemeinen Begriffen über konkrete Dinge sprechen. Dadurch wird ihre Lyrik interpretierbar." Sprecherin: Mit dem Urteil "interpretierbar" traf IM "Walter" ins Schwarze; denn eben diese "Interpretierbarkeit" war das, was die Securitate interessierte. Im Sinne von Ceausescus Kulturpolitik sollte die Dichtung nicht "interpretierbar" sein, sondern die offizielle Ideologie propagieren. Jede Mehrdeutigkeit legte den Verdacht nahe, den Sozialismus zu kritisieren oder das Staatsoberhaupt zu verhöhnen oder das Bild Rumäniens zu verunglimpfen. Die "interpretierbare" Mehrdeutigkeit konnte gesteigert werden zu "aluziv" (anspielungsreich) "tendentios" (tendeziös), "ostil" (feindselig) bis hin zur "staatsfeindlichen Propaganda". Sprecher: Informant "Walter" macht im ersten und all seinen weiteren Berichten deutlich, wie "Interpretierbarkeit" funktioniert. Er zitiert ein Gedicht von Richard Wagner mit dem Titel "Dialektik", übersetzt es ins Rumänische und behauptet, die Dialektik erhalte hier eine "Tendenz zum Negativen". Dasselbe macht er anschließend mit einem Gedicht von Gerhard Ortinau und beendet seine Analyse mit einer Bemerkung, die den Straftatbestand der Verbreitung feindseligen Materials zumindest nahe legt: 1.Zitator: "Die Gefahr, die von der Art des Schreibens dieser jungen Autoren ausgeht, besteht in dem enormen Einfluß, den sie auf die Jugendlichen in ihrer Umgebung ausüben, die, vom Erfolg des Neuen geblendet, ihrem Stil total erlegen sind." Einspielung 12 Wagner Dialektik wir haben die verhältnisse erkannt /wir haben beschlosssen sie zu verändern /wir haben sie verändert /dann kamen andere /die haben die veränderten verhältnisse /erkannt und haben beschlossen /sie zu verändern /sie haben die veränderten verhältnisse /verändert. /dann kamen andere /die haben die veränderten veränderten /verhältnisse erkannt und haben /beschlossen sie zu verändern /sie haben die veränderten veränderten /verhältnisse verändert / dann kamen andere Sprecher: Im selben Bericht erklärt IM "Walter", die Gedichte seien ihm in seiner Eigenschaft als Redakteur der Studentenzeitschrift "Echinox" zur Veröffentlichung zugesandt worden. Damit nun war klar, dass dieser Informant niemand anderer sein konnte als Werner Söllner, damals ein Freund der Gruppe. Söllner lebt heute in Deutschland und ist ein hochgeschätzter Lyriker. Er hat seine IM-Tätigkeit öffentlich zugegeben, freilich ohne ihr wahres Ausmaß darzustellen. Söllner bezeichnet seine IM-Tätigkeit als "unverzeihliche Schwäche", die er "sich selbst bis heute nicht nachsehen" könne. Er begründet sie damit, dass er damals, als Zwanzigjähriger, nicht fähig war, sich gegen die Securitate "ausreichend zur Wehr zu setzen". Sprecherin: Informant "Walter" blieb nicht allein, im Gegenteil; nach und nach kam eine beachtliche Schar von informellen Mitarbeitern zusammen: Schriftsteller, Hochschullehrer, Kulturjournalisten, Literaturredakteure, die ihre Kenntnisse und philologischen Fähigkeiten allesamt in den Dienst der Securitate stellten. Auffällig ist dabei die Bereitwilligkeit, mit der diese Fachleute den Verdächtigungen des Geheimdienstes entgegenkommen, oftmals wider besseres Wissen. Ein Informant mit dem Decknamen "Puiu" schreibt: 1.Zitator: Einige dieser literarischen Erzeugnisse beinhalten so etwas wie Protest, dieser richtete sich aber in den meisten Fällen gegen Engstirnigkeit, Unverständnis, usw. Man könnte diesem Protest auch eine politische Absicht unterstellen ... Sprecherin: ... und eben diese unterstellte politische Absicht beginnt er nun sehr entgegenkommend zu explizieren, indem er zum Beispiel die Gedichte Johann Lippets "interpretiert". Einspielung 13 Lippet Wenn ich abends spazieren gehe /gehen wir immer zu dritt: /Mein heller Schatten / mein dunkler Schatten /und Ich. /Wenn ich gehe /sind wir immer zu dritt. /Mein heller Schatten voran /mein dunkler Schatten danach /und Ich. Sprecher: Auch Informant "Kessler" ist der Meinung, dass die Gedichte der Aktionsgruppe durchaus eine tendenziöse Interpretation zuließen, wenn diese auch nicht zwingend sei. Er war offensichtlich speziell auf das Gruppenmitglied Rolf Bossert angesetzt und zerpflückt dessen poetische Gebilde mit perfider Wendigkeit. Rolf Bossert nahm sich 1986 das Leben, er kann seine Gedichte nicht mehr selbst lesen. Herta Müller liest sie für ihn. Einspielung 14 Herta Fest-Stellung die tinte sitzt /ihnen schon längst im nacken /diesen unbeschriebenen blättern /sie sprechen aber noch /mit großen anfangsbuchstaben /ein dossier bleibt /ihr paradies Sprecher: IM "Kessler´s" Auslegung des Gedichts: 1.Zitator: Wenn man eine tendenziöse Interpretation versuchen wollte, könnte man sagen, dieses Gedicht sei ein Angriff auf den Kader oder auch auf alle politisch-bürokratischen Organe. Die doppelte Ironie [ ... ] verschärft den Angriff umso mehr. Einspielung 15: Herta Vier Gedichte zuerst haben sie mir /(ihre, meine) worte /vorgeworfen /ich schnupperte daran /ging aber weiter /ohne darüber zu stolpern /jetzt werfen sie mir /(ihre, meine) worte nach 1.Zitator: Ein Angriff, aber worauf? Man könnte es (ich wiederhole: wenn man es tendenziös sehen will) interpretieren in Richtung einer Veränderung der politischen Orientierung [ ... ] Die Bedeutung von "ihre - meine" läßt eine - sagen wir - gesellschaftskritische Interpretation zu ... Einspielung 16: Herta Sprichwörtliches der schwab ist klein /allein /der zug ist groß Sprecherin: Die Securitate läßt jeden kleinsten Vers von den sogenannten Experten sezieren, beriechen und zerreiben, als handle es sich um Gift. Damals, sagt Gerhard Ortinau, hätten sie immer ein groteskes Missverhältnis gesehen zwischen ihrer tatsächlichen Bedeutung in der Gesellschaft und dem Aufwand, den die Securitate mit ihnen betrieb. Einspielung 17 Ortinau Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die Securitate in mancher Hinsicht weiter gedacht hat, als wir das taten. Eine politische Gruppe wie die unsere konnte man durchaus als die Keimzelle einer sozialen Bewegung oder sogar Partei sehen, wie sie dann in der Wendezeit ja entstanden sind. Und wenn es möglich gewesen wäre, wären wir zu so etwas ja auch bereit gewesen. Sprecher: Im April des Jahres 1974 erschien in der Zeitschrift "Neue Literatur" eine umfangreiche Zusammenstellung von Texten der Aktionsgruppe. Zu verdanken ist diese Veröffentlichung dem Redakteur Gerhardt Csejka, der die jungen Dichter von Anfang an begleitet hatte und längst eng mit ihnen befreundet war. Mit List und Überredungskunst war es ihm gelungen, die brisante Textmontage durch die Zensur zu schleusen. Sie war überschrieben mit "Aktionsgruppe Banat" und darunter - in Anlehnung an ein Gedicht der Wiener Gruppe - "Wire Wegbereiter". Mehr denn je traten die Banater hier als Gruppe, ja geradezu als Kollektiv-Autor auf. Der Securitate wurde unverzüglich Bericht erstattet. 1.Zitator: Csejka Gerhardt, der den Spitznamen "Botschafter der Aktionsgruppe in Bukarest" trägt, hat in der "Neuen Literatur" Nr. 4/1974 eine Aufstellung von Gedichten der [Aktionsgruppe] veröffentlicht. Die meisten dieser Texte enthalten Anspielungen auf diverse Situationen und Persönlichkeiten Rumäniens. So heißt es, dass das Gedicht "Die Moritat von den 10 Wortarten der traditionellen Grammatik" [von Gerhard Ortinau] sich auf den Genossen Präsidenten der Sozialistischen Republik Rumänien bezieht. Das zeigt sich vor allem am Ende [des Gedichtes]: "die Sprache/c´est/moi!" Unterzeichnet: "MOGA", 26. Juni 1974 Sprecher: Informant "Moga" war mit großer Wahrscheinlichkeit ein unmittelbarer Redaktionskollege von Gerhardt Csejka. Der fachkundige Hinweis, dass da in einem Gedicht Ceausescu persönlich verunglimpft wurde, musste die Securitate in höchsten Alarm versetzen und brachte den Autor Gerhard Ortinau entsprechend in Gefahr. Einspielung 18 Ortinau Die Moritat von den 10 Wortarten der traditionellen Grammatik ein pronomen ist verhaftet worden /das numerale wird beauftragt die lücke auszufüllen /das substantiv wechselt seinen besitzer /das verb wird mit sachkenntnis in die falle gelockt /das adverb wird aus der zeitung gestrichen 9: [ ... ] /die adjektive sind über die substantive hergefallen /die adverbien haben die verben erstickt [ ... ] /der artikel ist auf den strich gegangen denn /die interjektion hat /unheimlich stumm /den thron be- /stie- /gen /die sprache /c´est /moi/! Sprecherin: Tatsächlich kam es nach der gemeinsamen Publikation in der "Neuen Literatur" Nr. 4/74, zu der jedes Gruppenmitglied mehrere Texte beigesteuert hatte, zu einer wahren Explosion von IM-Berichten. Die Interpretationen erfolgten Schlag auf Schlag. 1.Zitator: Auf den ersten Blick erscheint der Text "Moritat von den 10 Wortarten" wie ein einfaches Wortspiel. Dann allmählich begreift man, dass dieses Wortspiel von Problemen handelt wie Verhaftung, Prostitution, Korruption, Denunziation, Terror und so fort. Zum Beispiel: Einspielung 19 (Ortinau): "ein pronomen ist verhaftet worden" 1.Zitator: - eine Anspielung auf Verhaftungen Einspielung 20: "das adverb wird aus der zeitung gestrichen" 1.Zitator: eine Anspielung auf die Pressezensur Einspielung 21: "präposition und konjunktion haben die anzeigen erstattet" 1.Zitator: handelt von Denunziation Einspielung 22: "der artikel ist auf den strich gegangen" 1.Zitator: handelt von Prostitution Einspielung 23: "die sprache c´est moi" Sprecher: Die Interpretationsarbeit der zahlreichen IMs tat ihre Wirkung. Als Gerhard Ortinau 1975 seinen Prosa-Band "Verteidigung des Kugelblitzes" im Klausenburger Dacia Verlag veröffentlichen wollte, nahm die Zensur etliche Eingriffe vor und nahm zwei von den 15 Erzählungen vollständig heraus. Die Securitate aber wollte es genau wissen: in einem Schreiben mit dem Vermerk "streng geheim" bat der zuständige Offizier in Temeswar seinen Kollegen in Klausenburg, ihm doch das Manuskript zukommen zu lassen, um es zu prüfen und eventuell weitere Maßnahmen gegen den Autor einzuleiten. Der Klausenburger Kollege Major Ioana übersandte ihm daraufhin die beiden verbotenen Erzählungen mit dem ebenfalls streng geheimen Vermerk: 1.Zitator: Wir bitten Sie, uns [die Blätter] so schnell wie möglich zurückzuschicken, damit wir sie in die Buchablage des Verlages zurücklegen können." Sprecher: Ganz offensichtlich hatte die Securitate die Manuskriptblätter heimlich aus dem Verlag herausgeholt und war besorgt, dass dies am Ende auffallen könnte. Sprecherin: Vorläufig gab es noch keine weiteren Maßnahmen. Die Aktionsgruppe, die ja von den Vorgängen bei der Securitate nichts wußte, war nicht sonderlich beunruhigt, sie meinte sogar, dem Geheimdienst sozusagen auf Augenhöhe begegnen zu können. Als die Securitate an sie herantrat, um innerhalb der Gruppe selbst IMs anzuwerben - es waren in diesem Fall William Totok und Gerhard Ortinau -, meinte die Gruppe, auf diesem Wege ihrerseits den Geheimdienst ausspionieren zu können. Richard Wagner erinnert sich: Einspielung 24 Wagner Wir haben das diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, wir könnten sozusagen Doppelagenten aus den beiden machen bzw. sie könnten sich als Doppelagenten betätigen, und wir würden dann Interna des Geheimdienstes, erstens, erfahren, und uns dort schlau machen, wie das funktioniert -, und zweitens würden wir (und das war ursprünglich eigentlich das Wichtigere für uns) den Geheimdienst aufklären über unsere wahren Absichten. Dass wir keine Staatsfeinde sind, da wir uns ja nicht als Staatsfeinde verstanden, sondern wir wollen ernsthaft etwas machen im Sinne des Prager Frühling. Wir könnten das denen erklären, das meinten wir. Das ist ein absolut aberwitziger Fehlschluss. Sprecherin: Dass dies ein Fehlschluss war, ahnten die beiden dilettierenden "Doppelagenten" selbst schon recht bald und entschlosssen sich, der gruppeninternen auch die öffentliche Dekonspiration folgen zu lassen. Zu diesem Zweck schickte William Totok einen Brief in die Bundesrepublik, in dem er über seine und Gerhard Ortinaus gezinkte IM-Tätigkeit berichtete, mit der Bitte, diesen Bericht nach Möglichkeit zu veröffentlichen. Der Brief gelangte auf Umwegen in die Hände des ebenfalls rumäniendeutschen Schriftstellers Dieter Schlesak, der schon vor Jahren in die BRD ausgewandert war und nun am 10. Juli 1976 in der Frankfurter Rundschau einen Artikel über die Aktionsgruppe Banat veröffentlichte; er schreibt darin: 2.Zitator: Seit Anfang 1974 [mussten] zwei der Gruppenmitglieder (Gerhard Ortinau und William Totok) regelmäßig den Staatssicherheitsdienst über die Gruppenaktivitäten auf dem laufenden halten. Sie setzten die anderen in Kenntnis von ihrer Vaterlandspflicht, und so konnte vorher gemeinsam abgesprochen werden, was diese gewichtige Kulturinstanz des Landes aus der Sphäre der Autoren-Denktätigkeit und des sozialen Gewissens der `Aktionsgruppe´ erfahren sollte und was nicht. Sprecherin: Tatsächlich erfüllten Totok und Ortinau ihre geheimdienstliche "Vaterlandspflicht" so schlecht (sogar die Berichte wurden zum Teil in der Gruppe verfasst, erzählt Richard Wagner), dass die Securitate den Bluff bald bemerkte und die beiden als unbrauchbar abschrieb. In einem Bericht über Gerhard Ortinau (Deckname "Bert") vom 30.7.1975 heißt es: 1.Zitator: Der Mitarbeiter wird aufgegeben wegen Interessemangels an der informativen Arbeit und wegen Unehrlichkeit im Umgang mit den Sicherheitsorganen." Sprecherin: Und über William Totok (Deckname "Thomas") am 20.9.75: 1.Zitator: Seit seiner Anwerbung bis heute hat der Mitarbeiter [ ... ] nur allgemein bekannte Informationen geliefert, die keinen operativen Wert besitzen, was ein Beweis für seine Unaufrichtigkeit ist. Einspielung 25 Wagner Es ist der Status von den beiden nicht vergleichbar mit einem IM-Status. In dem Moment, da wir ja davon wussten, konnten sie, selbst wenn sie wollten, nicht mehr IMs sein. Der Geheimdienst hat dann auch versucht, mit den beiden uns zu manipulieren, in der gleichen Weise, wie wir versucht haben, ihn zu manipulieren, und hat ihnen falsche Informationen gegeben. Sprecher: Die Securitate hatte zu diesem Zeitpunkt schon beschlossen, die Gruppe zu zerschlagen. Sie tat dies, indem sie die Mitglieder einzeln ins Visier nahm und deren Dasein zum Teil regelrecht zerstörte. Einer der wichtigsten Akteure im Rahmen dieser "Zersetzungsstrategie" war der Informant "Gruia". Als sie die Akten mit dessen teils handschriftlichen Spitzelberichten endlich in den Händen hielten, wurde den Gruppenmitgliedern schnell klar, dass "Gruia" kein anderer als Peter Grosz sein konnte, ein Freund und Kollege, der heute als Studienrat und Schriftsteller in der Bundesrepublik lebt. "Gruia" hatte den nachrichtendienstlichen Auftrag, sich insbesondere mit William Totok und Gerhard Ortinau zu befassen. Es scheint, als habe er die Freundschaft zu den beiden eigens zum Zweck der Bespitzelung begonnen. Nachdem er sich das Vertrauen der Freunde erschlichen hatte, was ihm besonders bei Willi Totok gut gelang, wurde seine Berichterstattung dichter und schwoll schließlich zu einem geradezu atemberaubenden Umfang an. "Gruia" berichtete über das Privatleben der Freunde und gab nebenbei auch operativ bestens verwertbare Interpretationen ihrer Texte ab. Er schreckte vor keiner Bösartigkeit zurück. Er verweist auf die Hintergründigkeit von Richard Wagners Gedichten, er betont die Aggressivität von Gerhard Ortinaus Texten, und über ein Gedicht mit dem Titel "k. und k. epochenbilder" von Willi Totok berichtet er: 1.Zitator: William Totok gibt [in seinem Gedicht] vor, eine Kollage aus Redewendungen der österreichisch-ungarischen Armee herzustellen, in Wahrheit aber handelt es sich um eine tendenziöse Zusammenstellung mit irredentistischen Anspielungen. Sprecher: "Irredentistisch" werden jene (meist von nationalen Minderheiten betriebenen) Freiheitsbewegungen genannt, die darauf aus sind, bestimmte Gebiete vom Staat abzutrennen und dem Mutterland zuzuschlagen. Um das ganze Ausmaß der Anschuldigung zu begreifen, muss man wissen, dass "Irredentismus" ein Vergehen war, für das man nach der damals in Rumänien geltenden Verfassung mit dem Tode bestraft werden konnte. Einspielung 26 (Totok) Notizen zu einem eventuellen Gedicht heuduftend liegen die felder vor uns /und atmen wind /darauf wachsen blumen /in den tag /lange zeit hinkten die beispiele nach /dann wurden wir durch das immer /täglicher werdende brot /mehr und mehr vergewaltigt /späte stimmen reisen durch /junge wunden /unsere ideen sind /pure geometrie Sprecher: Peter Grosz hat seine Tätigkeit als Informant "Gruia" nicht bestritten; aber er selbst scheint die Sache als einen verzeihbaren, nicht sonderlich schwerwiegenden Fehltritt zu betrachten. Er habe aus Not gehandelt, entschuldigte er sich, und außerdem habe er sich bemüht, nichts wirklich Wichtiges, sondern möglichst nur "Unpolitisches" und Privates an den Geheimdienst weiterzugeben. Es waren aber gerade die privaten Informationen, die es der Securitate ermöglichten, zersetzend ins Dasein der einzelnen Gruppenmitglieder einzugreifen - was Peter Grosz zweifellos bewusst war. Herta Müller meint dazu: Einspielung 27 Herta Das kann nur jemand sagen, der, ja, der sich herausreden will und damit rechnet, dass alle Leute, die das hören, keine Ahnung haben. Was heißt Privates! Kaputtgemacht wird man privat, als Person, an einem selbst; das muss an einem selbst passieren. Das heißt, es werden psychologisch Dinge ausgeklügelt, die einen am meisten zerstören. Da geht es ja um Intimität, um die schwächsten Stellen, die man hat. Sprecher: In den Jahren seiner geheimdienstlichen Tätigkeit entwickelte sich IM "Gruia", wie die Akten zeigen, zu einem Spezialisten im Erkennen solcher "schwächsten Stellen". Im Dezember 2009 schrieb Gerhard Ortinau an ihn, den er einst für einen Freund hielt: Einspielung 28 Ortinau Lieber Peter, ich glaube, Du verkennst total das Ausmaß und die Schwere dieser Geschichte. Meine Akte ist das Protokoll der systematischen Zerstörung eines Menschen. Von den ca. 20 Spitzeln, die über mich schreiben, bist Du mit Abstand der wichtigste. In vielen Anmerkungen und Einschätzungen der Offiziere wird Deine außergewöhnliche Vertrauenswürdigkeit betont. Die Securitate übernimmt viele Deiner Bewertungen wörtlich in ihre eigenen Tätigkeitsberichte. Du machst ihnen Vorschläge, wie man verfahren sollte. Du lieferst Berichte unter zwei IM-Kennzahlen ab: unter der ersten Nummer sind bisher 88 Einzelberichte nachweisbar, unter der zweiten sind es weitere 70! Das und einiges andere sind die Fakten. Mit einer radikalen Aufklärung könntest Du Dir allerdings die Anerkennung der Opfer erwerben. Und das wäre doch das einzige, was in der öffentlichen Diskussion Deines Falles zu Deinen Gunsten angeführt werden könnte und wozu wir auch bereit wären. Mit besten Grüßen, Gerhard. Sprecher: Auf diesen Vorschlag ging Peter Grosz nicht ein. Als die Öffentlichkeit dann tatsächlich über seinen Fall zu diskutieren begann, war er erbost und fühlte sich behandelt wie in einem "spätstalinistischen Schauprozess". Er schrieb eine lange Erklärung zu seiner Rechtfertigung: Er habe 1974/75 wegen versuchter Landesflucht 11 Monate im Gefängnis gesessen und sei nur unter der Bedingung, dass er für die Securitate arbeite, auf Bewährung freigelassen worden. Er habe dann ab Oktober 1975 bis Mitte 1976 "in unregelmäßigen Abständen" und "widerwillig" Berichte verfasst, schreibt Peter Grosz. Was er nicht schreibt, ist die aus den Akten hervorgehende Tatsache, dass er bereits seit 1971 geheimdienstlich tätig war, dass er sich für diese Tätigkeit bezahlen ließ und dass er auch die Versuche der Gruppenmitglieder, ihm während seines Gefängnisaufenthaltes Bücher und Zeitungen zuzuschanzen und ihm damit ihre Solidarität zu bekunden, an die Securitate verriet. Nach seiner Haftentlassung setzte Peter Grosz seine nachrichtendienstliche Berichterstattung bis Juni 1977 fort, und zwar buchstäblich bis zum Vortag seiner Auswanderung, an dem er noch einmal William Totok besuchte und von ihm für den Westen bestimmte Manuskripte und Briefe entgegennahm. Diese legte "Gruia" dann noch schnell vor seiner Abreise dem Geheimdienst vor. Sprecherin: Die Energie und Gründlichkeit, mit der dieser und ein paar andere Spitzel - so zum Beispiel Franz Schleich, auch er ein Freund und Kollege der Gruppe - ihren Verrat vorantrieben, macht die Gruppenmitglieder ratlos. Es gäbe keine Erklärung für das Verhalten dieser Informanten, meint Johann Lippet, außer vielleicht ihrer Charakterlosigkeit. Einspielung 29 Lippet Aber wenn man für seine Berichte Geld kriegt, wie sich das jetzt bei Grosz und Schleich herausgestellt hat, dann kann man das nur mit "charakterlos" bezeichnen, und nicht mehr diesen Versuch unternehmen zu verstehen, dass sie bedrängt worden sind oder dass sie sich in einer ausweglosen Situation befanden. Sprecher: Im Herbst 1975 hatte die Securitate genügend Material gesammelt, um zum Schlag anzusetzen. Als am 10. Oktober Gerhard Csejka, Richard Wagner, Gerhard Ortinau und William Totok in dessen Heimatort fahren wollten, der nahe bei der jugoslawischen Grenze lag, wurden sie auf offener Straße verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis Temeswar gebracht. Offizieller Verhaftungsgrund war: versuchte Landesflucht. Doch ein Schreiben des Securitate-Offiziers an die Leitung des Gefängnisses gibt den wahren Grund zu erkennen, denn dort heißt es: 1.Zitator: Zur Sicherung von Gerhard Ortinau und Gerhardt Csejka, von Beruf Student und Redakteur, Adresse: Zelle Nr.7, Telefon: keines, bitten wir Sie, die vorhandene Abhöranlage zu nutzen. Insbesondere interessieren uns folgende Themen: Gespräche über Fluchtabsichten; Gespräche über feindliche Aktivitäten im Bereich Literatur; Interpretationen eigener Texte. Gezeichnet: Chef der Securitate Temeswar. Sprecher: In den Verhören, die an den darauffolgenden Tagen stattfinden sollten, ging es nicht mehr um Fluchtabsichten, sondern nur noch um die angeblich staatszersetzende Literatur der Gruppe und um deren propagandistische Verbreitung. Gleich nach ihrer Verhaftung hatte man ihre Wohnungen durchsucht, und nun hielt man jedem einzelnen die dort gefundenen Manuskripte unter die Nase mit der Absicht, Geständnisse zu erpressen. Sprecherin: Ohne irgendetwas "gestanden" zu haben, wurden die vier Dichter nach einer Woche wieder freigelassen. Die Verhöre aber gingen weiter; es gab weitere Hausdurchsuchungen, weitere Beschlagnahmungen, und sie wurden, wie sie feststellen mussten, auf Schritt und Tritt beschattet. Das alles aber war nur der "sichtbare" Teil. Dahinter gab es eine weit größere Menge operativer Maßnahmen, von denen die Gruppe nichts ahnte. Die Akten sind voll mit Maßnahmeplänen, Berichten von heimlichen Hausdurchsuchungen und Installationen von "technischen Mitteln", sie enthalten hunderte und aberhunderte Seiten mit Abhörprotokollen. Überwacht und teilweise offen schikaniert wurden nicht nur die Gruppenmitglieder, sondern auch deren Eltern und Geschwister, und auch auf ihre Ehefrauen wurden Spitzel angesetzt. Sprecher: Einen Monat nach der einwöchigen Haft wurde William Totok erneut festgenommen. Gegen ihn war bereits vor einiger Zeit ein operativer Vorgang (rumänisch "Dossar de urmarire informativa") eröffnet worden, der nun in eine Strafakte überführt wurde. In dieser Akte wird endlich klar formuliert, welche "Schuld" Totok, letztlich aber der ganzen Aktionsgruppe eigentlich vorgeworfen wurde. 1.Zitator: Die Straftaten, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden, [ ... ] stellen in hohem Grade eine soziale Gefahr dar, insofern der Beschuldigte durch seine [bewusst vorangetriebene] Aktivität die Sicherheit des Staates aufs Spiel setzt. Die außergewöhnlich schwerwiegende soziale Gefahr der von dem Beschuldigten begangenen Taten besteht darin, dass die von ihm verfassten Gedichte mit staatsfeindlichem Inhalt in der Öffentlichkeit verbreitet worden sind; sie wurden [ ... ] vor allem jungen Studenten und Schülern bekannt gemacht, deren [ ... ] ideologische Einstellung dadurch verdorben wurde. Aus den [ ... ] Ermittlungen zum Strafverfahren geht hervor, dass der Beschuldigte unter dem Eindruck der bürgerlichen Ideologie steht und diese in seinen Gedichten vertritt; er schürt das Misstrauen gegen die Gesetze unseres Staates wie auch gegen die Staatsführung. Angesichts des beschriebenen Tatbestandes wird dem Beschuldigten William Totok gemäß Art.166, Absatz 2 des Strafgesetzbuches "Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung" zur Last gelegt. Sprecher: Das Strafverfahren wurde nach einiger Zeit eingestellt, es kam nicht zum Prozess. Dennoch saß Willi Totok 8 Monate im Gefängnis. Monatelang hielt man ihn in Einzelhaft, jegliche Lektüre war ihm verboten, die Neonröhre brannte die ganze Nacht. In der schauerlichen Ödnis begann er, im Kopf Gedichte zu schreiben und sie vor sich hinzusagen, bis er sie nicht mehr vergaß. Einspielung 30: Totok Der lange Tag es kam nicht mehr der lange tag /von welchem man so oft träumt /ihn zu gewinnen /ihn zu meistern /gar nichts kam /außer dem rufen /des fischlosen wassers /welches seine brut suchte /am strand lagen blind /die blauen liebesringe /warteten auf den langen tag /der nicht mehr kommen wollte Sprecherin: Seine Freilassung verdankt William Totok einem Zufall oder einer Kette von Zufällen. Kurz vor seiner Haft hatte er, in Vorahnung des Kommenden, einen Brief geschrieben, in dem er von den Festnahmen und Verhören berichtete. Der Brief irrte monatelang umher wie eine Flaschenpost und erreichte schließlich Ernest Wichner, der kurz zuvor mit seinen Eltern in die Bundesrepublik ausgewandert war und nun zum Anwalt der Gruppe im Westen wurde. Er spielte den Brief der Presse zu. In der Frankfurter Rundschau erschien ein ausführlicher Bericht, und auch in anderen westlichen Ländern wurde die Öffentlichkeit darüber informiert, dass man in Rumänien offenbar deutsche Schriftsteller aus politischen Gründen ins Gefängnis warf. Die Rumänen befürchteten, ihr internationales Image könnte Schaden nehmen - zumal sie gerade erst die Schlussakte der KSZE-Konferenz in Helsinki mitunterzeichnet hatten. Im Sommer 1976 erteilte die Militärstaatsanwaltschaft William Totok eine Verwarnung und ließ ihn laufen. Sprecher: Für die Securitate war die Sache damit längst noch nicht zu Ende, im Gegenteil. Sie sandte umgehend ihren bewährten Informanten "Gruia" alias Peter Grosz aus mit dem Auftrag, bei den Gruppenmitgliedern eine öffentliche Gegendarstellung zu dem in der Frankfurter Rundschau erschienenen Artikel zu erwirken. Mit vorgetäuschter Besorgnis um das Wohl der Aktionsgruppe versuchte "Gruia" eindringlich, Gerhard Ortinau dazu zu überreden, musste dann jedoch seinem Führungsoffizier bedauernd berichten: 1.Zitator: Ortinau hält nichts von einer solchen Gegendarstellung [ ... ] und er ist überzeugt, dass auch Wagner sie nicht befürworten wird, da eine Gegendarstellung nichts anderes darstellen würde als einen Kniefall vor der Securitate. Sprecher: Auch gegen Ortinau wurde ein Strafverfahren vorbereitet und, wie bei Totok, wieder eingestellt. Beide wurden exmatrikuliert und von der Universität relegiert. Niemand wagte es mehr, die Texte der Aktionsgruppe zu drucken. Die Wohnungen der Gruppenmitglieder wurden, wie aus den Akten hervorgeht, gründlich verwanzt, insbesondere die des Ehepaars Ortinau, da die Staatsicherheit meinte, sie werde als konspirative Zentrale genutzt. Wirklich verheerend aber wirkte die Tatsache, dass man die Gruppenmitglieder in den Einzelverhören falsch über die Aussagen der jeweils anderen informierte - sodaß sie schließlich tatsächlich begannen, sich gegenseitig zu misstrauen. Die einstige Solidarität war zerstört; die "Aktionsgruppe Banat" brach auseinander. Sprecherin: Die literarische Landschaft des Banat war damit verarmt. Es gab nun nur noch den offiziellen "Adam Müller-Guttenbrunn"-Literaturkreis, der der staatlichen Schriftstellervereinigung unterstand. Um nicht gänzlich ohne Forum zu bleiben, traten ihm dennoch ab 1977 nach und nach auch die ehemaligen Aktionsgruppenmitglieder bei. Sie versuchten, hier ihre kritisch-literarische Arbeit fortzusetzen, was notwendig zu Reibereien führte: denn dieser Literaturkreis beherbergte auch die Heimatdichter, gegen die sie seit jeher gekämpft hatten, und Lyriker, die sozialistische Lobeshymnen verfassten. Doch die junge, "kritische" Fraktion des Müller-Guttenbrunn-Kreises gewann immerhin so viel Einfluß, dass Richard Wagner zeitweise die Leitung übernehmen konnte. Sprecher: Auch Herta Müller trat, sozusagen im Fahrwasser ihrer Freunde, in den Adam-Müller-Guttenbrunn-Kreis ein. Solange die Aktionsgruppe bestand, hatte sie selbst noch nichts veröffentlicht, aber sie hatte viel gelernt. Einspielung 31 Herta Ich habe mich bei diesen Leuten, bei dieser Gruppe von Anfang an gut gefühlt. Ich habe immer gedacht, wenn ich mit denen bin, kann ich so sein wie ich wirklich bin ... Die hatten ja alle schon mit dem Geheimdienst zu tun, lange vor mir. Und ich hab auch gesehen: im Grunde genommen werden sie für all das bestraft, was mir an ihnen so wichtig ist und mir an ihnen gefällt. Sprecher: Zwei Mitglieder der Aktionsgruppe, Rolf Bossert und Gerhard Ortinau, hielten diesen "Bestrafungen" nicht stand; sie erlitten psychische Zusammenbrüche, von denen sie in Rumänien nicht geheilt werden konnten. Gerhard Ortinau stellte einen Ausreiseantrag und zog, nachdem er vier Jahre auf die Bewilligung gewartet hatte, 1980 nach West-Berlin; nach Jahren der Depression konnte er sich dort wieder erholen. dort erholte er sich im Laufe von Jahren. Rolf Bossert stellte 1984 ebenfalls einen Ausreiseantrag; er verließ Rumänien 1986, nachdem ihm seine Arbeitsstelle gekündigt worden war und er, wie Gerhardt Csejka berichtet, seelisch und körperlich der Erschöpfung nahe war. Einspielung 32 Csejka Ich habe die Akte Bossert gelesen, die ist ja nicht dick - man liest sie wirklich wie einen Krimi -, und es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, wie sich sein Zustand bei jeder Intervention der Securitate verschlechtert hat. Sprecher: Im Dezember 1985 wurde Rolf Bossert endlich die Ausreise bewilligt, er übersiedelte nach Frankfurt. Sechs Wochen später nahm er sich durch einen Sturz aus dem Fenster das Leben. Einspielung 33 Csejka Die Securitate muss nicht dagestanden haben, um ihn aus dem Fenster zu stoßen. Er war schon fallreif gemacht worden. Sprecherin: Herta Müller trat 1981 mit ihren ersten Arbeiten an die Öffentlichkeit. Sie hatte rasch Erfolg, noch in Rumänien bekam sie ihre ersten Preise. Der Securitate aber blieben sie und die noch verbliebenen einstigen Aktionsgruppenmitglieder ein Dorn im Auge. Nach wie vor wurden sie beschattet und abgehört, weiterhin wurden sie zu Verhören vorgeladen. Als man auch ihnen die Arbeitsstellen kündigte und sie ihre Texte nicht mehr veröffentlichen konnten, verließen bis 1987 auch die letzten Rumänien und zogen in den Westen. Einspielung 34: Ortinau 1989, als es dann zum Umsturz, zur Revolution in Rumänien kam, war niemand von uns mehr vor Ort. 1