COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel 03.04.2011 Arbeitsplatz: Seitenlinie Aus dem Alltag eines Sportfotografen Von Frank Ulbricht 1. O-Ton Alex Simoes: "Jetzt geht's los. Also ich muss schon sagen, das ist schon geil. Selbst bei Real Madrid, wo ich auch schon fotografiert habe, Barcelona etc. Ich mein, da passen 100.000 Leute knapp rein. Aber das hier ist der Hammer. Da hört man schon, Klopp ist beliebt bei den Fans, ohne Ende. So jetzt geht's gleich los, gleich kommt die Hymne und wir müssen auf unsere Plätze, weil sonst werden auch die Ordner nervös." 1. Sprecher- darunter Atmo BVB-Rufe: Freitagabend im ausverkauften Dortmunder Stadion. Über 80.000 wollen das Spiel gegen den HSV sehen. An den Seitenlinien hocken im Dauerregen fast 100 Fotografen. Alex Simoes, mit Wollmütze und dicker Regenjacke ist einer von ihnen. Unter den Kollegen gilt er als Haus- und Hoffotograf von Borussia Dortmund. Ob bei Spielen, im Trainingslager oder Autogrammstunden, der 39jährige ist immer dabei. Seinen Urlaub plant er nach dem Bundesligaspielplan. Zeit für die Familie bleibt an diesem Wochenende wie immer nicht. Am Samstag fotografiert er schon wieder in Wolfsburg, Sonntag in München. Seit über 14 Jahren macht der in Deutschland geborene Portugiese das so. Aufgeregt ist er nur noch vor großen Begegnungen, beim Championsleague- Finale oder bei Weltmeisterschaften. Doch der Spaß an der Arbeit ist geblieben, auch der Ehrgeiz, ein gutes Bild zu schießen. Im Dortmunder Stadion hat Simoes dafür seinen Stammplatz. Links, wenige Meter neben der Trainerbank. 2. O-Ton Alex Simoes: "Ich sitze ganz gern neben dem Klopp. Weil ich so einfach mit sauberem, schönem Hintergrund den Klopp fotografieren kann, von dieser Position. Aus meiner Erfahrung von den Jahren her weiß man einfach, wo man sitzt, wo es ganz gut ist. Wenn ich jetzt woanders sitze, dann sehen die Bilder auch anders aus, dann ist der Stil der Fotografie auch anders. Jetzt in diesem Fall, für mich, ich denke mal, dass Klopp auch Thema ist. Weil, er ist ein Erfolgstrainer. Klopp ist einer der Trainer, die in Deutschland gern gedruckt werden von den Zeitungen. Und das muss man dann auch nutzen und auch mitnehmen. Weil, man möchte ja auch seine Bilder in der Zeitung sehen." 2. Sprecher- darunter Atmo Stadion und Kamerageräusche: Um den begehrten Platz neben Jürgen Klopp zu bekommen, muss Simoes zwei Stunden vor Anpfiff im Stadion sein. Die Konkurrenz unter den Fotografen ist groß. 50 bei einem Spiel waren in den 80er Jahren noch die Ausnahme, heute ist es der Normalfall. Seither hat sich die Arbeit der Sportfotografen verändert, schneller und hektischer ist sie jetzt. Die große Zäsur hat die Digitaltechnik Ende der 90er gesetzt. Sie macht Fotografieren einfacher, auch preiswerter. Als Simoes noch mit teuren Filmen arbeitete, musste er sparen, nicht jede Situation konnte er festhalten. Heute macht er in 90 Minuten fast 2000 Fotos. Atmo Kamera: Das sorgt natürlich für eine regelrechte Bilderflut. Nach einem Spiel von Schalke oder dem BVB erhalten etwa die Dortmunder Ruhr Nachrichten hunderte Fotos. Nur wenige können und wollen sich die Redakteure wirklich anschauen. Alex Simoes hat Glück. Die Bilder seiner Agentur defodi gehören zumeist dazu. Sascha Klaverkamp, Sport-Chef der Ruhr Nachrichten. 3. O-Ton Sascha Klaverkamp: "Wir haben mittlerweile natürlich einen festen Stamm von Agenturen, von denen wir wissen, dass deren Fotos unsere Art der Berichterstattung häufig treffen. Von denen wir wissen, es kommt eine gute Qualität dabei heraus. So dass ich nicht 400 Fotos von Herrn Klopp durchschauen muss, sondern weiß, dass ich eine relativ hohe Trefferzahl erreiche von möglichen Bildern, wenn ich mir defodi und die Kollegen der DPA vornehme und noch ein, zwei weitere Agenturen. Dann weiß ich schon, ich hab da eine Auswahl von fünfen, sechsen, aus denen ich mir dann das passende raussuche. Da wir eine Tageszeitung machen und keinen Kalender, haben wir nicht so viel Zeit, uns eine Stunde mit jedem Foto zu befassen." 4. Sprecher darunter Atmo Stadion: Auch wenn Simoes heute das Geld für Filme einspart, um konkurrenzfähige Bilder abzuliefern, muss er kräftig in seine Ausrüstung investieren. Alle zwei Jahre kauft er eine neue Kamera. Die Technik in seinem 30 Kilo schweren Rollkoffer, den er zu jedem Spiel mitschleppt, hat den Wert eines Mitteklassewagens. Allein sein gewaltiges 400 mm Objektiv kostet 10.000 Euro. Damit kann er ohne Probleme von einem zum anderen Strafraum scharfe Bilder schießen. Zur ständigen Ausstattung gehören außerdem noch zwei kleinere Kameras für Portraitaufnahmen. Im Dortmunder Dauerregen baut der Fotograf jetzt auch seinen Laptop auf, stellt ihn in ein Minizelt. Der Computer gehört seit 2001 zu seiner Ausrüstung. Damit schickt Simoes via Internet seine Fotos direkt von der Seitenlinie an die Zeitungen. Die wichtigen Bilder möglichst schnell. Sascha Klaverkamp. 4. O-Ton Sascha Klaverkamp: "Wir bereiten während des Spiels schon Fotostrecken vor, die wir auf unseren Onlineplattformen veröffentlichen. Schon mögliche Auswahl für Fotos, die es in die Printausgabe schaffen. Weil wir einfach auch nach dem Schlusspfiff nicht mehr groß Muße und Zeit haben, uns dann über eine Auswahl Gedanken zu machen. Über eine Auswahl von 15, 20 Bildern. Sondern weil es da auf wenige Minuten ankommt. Wenn man beispielsweise den Freitag Abend nimmt, mit dem Spätspiel des BVB, dann ist zwischen Abpfiff und Abmelden der Seite, heißt dem Schicken der Seite zur Druckerei, vielleicht eine Zeitspannen von 10, 12 Minuten. Der Fotograf, der erst 10 Minuten nach Spielschluss schickt, wird keine Chance haben, bei uns in der Ausgabe zu landen. Selbst wenn das Foto qualitativ deutlich besser wäre als das, was der Kollege 5 Minuten vor Spielende geschickt hat." 5. Sprecher: Atmo Pfiffe zunächst frei stehen lassen- dann Sprecher Beim Spiel der Dortmunder gegen den HSV passiert bis zur 40. Minute wenig. Mit seiner Fotoausbeute ist Simoes bisher unzufrieden. Durch den Regen sind viele Bilder unscharf, ständig muss er seine Kamera mit einem Ledertuch trocken wischen. Weil Torraumszenen fehlen, richtet der Portugiese sein Objektiv fast nur noch auf den Dortmunder Trainer. Plötzlich geraten Jürgen Klopp und der 4. Schiedsrichter aneinander. 5. O-Ton Alex Simoes: "Ein Riesenfoto, geil, geil, geil. Das sind die Momente. Wenn man nur den Bruchteil einer Sekunde pennt oder woanders drauf hält, weil man meint, das ist wichtiger, dann hat man es nicht. Das ist total geil das Bild. Nase an Nase, ich meine, wann kommt das vor, dass ein Trainer dem vierten Offiziellen so dermaßen in die Nase schreit oder reinbeißt fast. Das sind die Kleinigkeiten am Spielfeldrand, die einen dann glücklich machen. Nicht der Zweikampf oder so was, das ist langweilig, das ist Emotion pur, das ist Fußball." 6. Sprecher- Atmo Stadion: Seit der Szene mit Jürgen Klopp ist Simoes in bester Stimmung, lacht übers ganze Gesicht. Nach dem Halbzeitpfiff reißt er die Speicherkarte aus seiner Kamera, steckt sie in den Laptop. Zehn Fotos will er bearbeiten und schnell an die Zeitungen schicken. Das Bild mit Klopp soll unbedingt dabei sein. Zwar sind Zweikämpfe als Motiv noch immer gefragt, doch der Fotograf weiß genau: Bilder mit großen Gesten kommen gut an und verkaufen sich besser. Das bestätigten auch Untersuchungen der Sporthochschule Köln. 6 (a). -Ton Thomas Schierl "Es gibt so ein paar Grundthemen, die man immer wieder findet, und eines davon sind Emotionen." 7. Sprecher: Professor Thomas Schierl, Leiter des Instituts für Kommunikations- und Medienforschung an der Sporthochschule Köln. 6 (b). -Ton Thomas Schierl "Also, das konnten wir zeigen, wir haben das auch mal für den Behindertensport mal gemacht. Wir haben da mal die Bilder ausgewertet bei den Paralympics. Wir haben Befragungen gemacht, die bei den Sportjournalisten, den Rezipienten und den Sportlern selber am besten ankamen. Und da zeigte sich eine hohe Übereinstimmung, also selbst im Behindertensport, dass immer dieses emotionale, also Freude zeigen, das ist, was alle so schön finden." 8. Sprecher Auch die Zeitungen verlangen heute verstärkt nach emotionsgeladenen Bildern. Den normalen Spielbericht mit Fotos von Zweikämpfen kann der Leser bereits wenige Minuten nach Abpfiff im Internet finden, die Tore auf diversen Kanälen sehen. Wer also nach dem Wochenende den Sportteil liest, erwartet mehr als die Schilderung der Torraumszenen. Sascha Klaverkamp, Sport-Chef der Ruhr Nachrichten 7. O- Ton Sascha Klaverkamp "Wenn ich von einem Samstagspiel die Berichterstattung zu einem Montag mache, war das vor 10,15 Jahren das aktuellste, was die Menschen bekommen haben. Heute, wenn ich heute einen normalen Spielbericht zwei Tage nach einem Spiel und einen normalen Zweikampf nach einem Spiel servieren würde, wären wir im heutigen Maßstab keine aktuelle Tageszeitung mehr. Da muss ich natürlich als Printmedium sehen, dass ich was Neues liefere, dass ich Hintergründe und Analysen habe. Und dazu die passenden Bilder. Da passt dann manchmal nicht der klassische Zweikampf von früher als Foto, dann trifft es dann eher der einsame Kicker, der auf einem riesigen grünen Feld steht und damit ausdrückt, ich bin hier ganz alleine und alles ist schlimm und trist. Und es trifft die Situation viel besser als der Zweikampf aus dem Spiel." 9.Sprecher: darunter Atmo vom Spiel Im ausverkauften Dortmunder Stadion hat die zweite Spielhälfte bereits begonnen. Fluchend hockt Alex Simoes vor seinem Laptop. Zehn Fotos bearbeiten und an die Zeitungen schicken, das schafft er normalerweise in der Halbzeitpause. Doch heute sind die Internet-Leitungen völlig überlastet. Zeitgleich versuchen fast 100 Fotografen ihre Bilder zu versenden. Auf das Spiel kann sich Simoes daher kaum konzentrieren. 8. O-Ton Alex Simoes: "Wenn da jetzt was passiert, muss ich halt schnell sein, reagieren, Kamera hochreißen, fotografieren. Cool bleiben, das ist die Devise. Wenn was passiert, so wie jetzt, dann wird man halt nervös, man reißt die Kamera hoch, man muss halt gucken. Jetzt halte ich die Kamera mit einer Hand fest und mit der anderen bediene ich das Laptop. Ich mach jetzt die Ausschnitte, dann korrigiere ich noch ein bisschen die Farbe oder die Dichte, sprich hell oder dunkel. Weil nicht immer ist das alles optimal. Also im Prinzip mach ich Laborarbeit." 10.Sprecher: Laborarbeit und Fotos versenden, noch in den 90er Jahren war das die Hauptarbeit nach Spielschluss. Stundenlang nahm die Auswahl und Entwicklung der schwarz-weiß Filme in Anspruch. Die fertigen Bilder wurden dann meist mit der Bahn an die Zeitungen verschickt. Fotoagenturen mieteten daher gern Büroräume in Bahnhofsnähe. Kurze Wege bedeuteten mehr Zeit für die Bildentwicklung. An diese Jahre kann sich Ralph Schröder noch gut erinnern. Seit 1977 arbeitet er als Sportfotograf bei der Firma Horstmüller in Düsseldorf, eine der ältesten deutschen Fotoagenturen. 9.O-Ton Ralph Schröder "Die Fotografen haben eigentlich ihre Filme selber hier entwickelt, und haben dann dem Chef, der saß genau an hier dieser Stelle wo ich jetzt sitze, mussten dann die Schwarz-Weiß- Filme vorgelegt werden. Der hat die dann mit der Lupe durchgezogen, das war dann eigentlich das Wichtigste. Der entschied dann, welche Bilder für die Zeitungen gedruckt werden. Weil man konnte von jedem Spiel natürlich höchstens drei, vier Bilder den Zeitungen vorlegen. Für mehr reichte eigentlich die Zeit nicht. Denn um zehn Uhr fuhr vom Düsseldorfer Hauptbahnhof der erste Postzug, und da mussten die fertigen Bilder mit den frankierten Umschlägen, mussten dann hingebracht werden. Eigentlich im Laufschritt, weil man wirklich hier bis zur letzten Minute die Zeit noch ausgenutzt hat, um die Fotos zu machen. Und das war schon erheblicher Stress." 11.Sprecher : erst Torjubel frei stehen lassen, dann Stadion-Atmo unter Text Die 69. Minute: im Dortmunder Stadion ist das Spiel entschieden, 2:0 für den BVB. Alex Simoes hält den Auslöser seiner Kamera jetzt dauergedrückt, das sind 10 Bilder in der Sekunde. Sein Objektiv richtet er genau auf den Torschützen Lukas Barios. Im Dauerregen reißt der seine Arme in die Höhe, lässt sich feiern. Daneben liegt ein Hamburger Spieler enttäuscht im Matsch. Ein großartiges Bild, schreit Simoes und schiebt eine neue Speicherkarte in die Kamera. Weit über 1000 Fotos hat er schon geschossen. Vor 15 Jahren, als die Fotografen noch mit Filmen arbeiteten, waren solche Bildermengen unbezahlbar. Ein Film kostete drei Mark, maximal vier hat man pro Spiel belichtet. Ralph Schröder, Sportfotograf seit 1977. 10. O-Ton Ralph Schröder Damals war es halt so, wenn zwei nebeneinander herliefen, dann hat man nicht einfach gedrückt, sondern man hat gewartet, dass die vielleicht sich auch mal am Trikot zogen oder so. Und wenn man dann merkte, das könnte jetzt ein gutes Bild werden, dann hat man gedrückt. Und man hat die Kamera dann auch nicht durchlaufen lassen. Man hat da nicht acht Bilder hintereinander gemacht von dieser einen Szene. Man hat erst einmal gewartet, wird es noch interessanter das Bild. Und dann hat man halt noch einmal ausgelöst. Nur dadurch hat man natürlich auch das eine oder andere verpasst, muss man ganz klar sagen. Aber so gute Bilder wie es heute von jedem Bundesligaspiel in Dutzendware gibt, das gab es früher halt wesentlich seltener. Da war man dann schon sehr froh, dass mal einer durch die Luft flog, und so. Also viele unverhoffte Sachen, die man nicht vorhersehen konnte, die haben eigentlich die Fotografen heute. Und früher war das eher mal so ein Glücksfall." 12. Sprecher Wenn Ralph Schröder und Alex Simoes an die Anfangsjahre ihrer Fotografenkarriere zurückdenken, dann fällt ihnen eines besonders auf: die Spieler haben sich verändert, im Verhalten wie im Aussehen. Auf den Mannschaftsfotos der 70er und 80er Jahre sehen viele noch wie Freizeitkicker aus. Heute sind die Spieler meist durchtrainierte und gestylte Typen. Diese Beobachtung bestätigt auch Professor Thomas Schierl, Leiter des Instituts für Kommunikations- und Medienforschung an der Sporthochschule Köln. Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema "Profifußball und Medien". Für Schierl ist klar: Neben dem Fernsehen hat auch die Fotografie die Spieler verändert. Die Bildermengen, die sie produzieren, beeinflussen natürlich die Profis: 11. O-Ton Thomas Schierl: "Sie machen heute als Fotojournalist dann während eines Spiels 2000 Bilder. Das heißt, die Sportler wissen natürlich, sie werden dauernd beobachtet, sie stehen unter einer extrem starken Beobachtung, jederzeit im Spiel. Und in dem Wissen, beobachtet zu werden, handeln sie natürlich anders, als wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Das heißt, die Leute agieren dann auch teilweise auch nicht mehr ganz authentisch. Und es kann natürlich auch sein, dass man, sagen wir mal aus Wut und Verzweiflung, dass man dauernd beobachtet wird, also sich auch mal zu Handlungen verleiten lässt, die nicht ganz klug sind. 13. Sprecher: Unkluge Handlungen, darunter versteht Schierl zum Beispiel verbale und körperliche Übergriffe auf Fotografen. Durch die Forschungen an seinem Institut weiß Schierl, wie sehr manche Spieler darunter leider, dass jeder Schritt von ihnen überwacht wird. 12. O-Ton Thomas Schierl: "Wir haben hier auch Untersuchungen gemacht im Hause zu Stressbelastungen von Sportlern. Diese Stressbelastung ist natürlich teilweise sehr hoch, und sie ist zu einem großen Teil auch medieninduziert. Das heißt, die Medien erzeugen bei den Sportlern Stress. Dadurch, dass sie eben andauernd beobachten und sagen wir mal eigensinnig berichten, nicht immer im Sinne des Sportlers, sondern wie sie das eben beobachtet haben. Und dass kann natürlich schon zu einem sehr, sehr starken Stress führen. Es gibt durchaus Sportler die mit diesem Stress auch nicht richtig zurechtkommen. Also die sagen, der Druck ist zu hoch." 14. Sprecher: Offiziell behaupten die meisten Spieler, sie hätten mit den Bildern, die von ihnen gemacht werden, kein Problem. Kameras gehörten zu ihrem Alltag, wie das tägliche Training. 13 (a) O-Ton Sebastian Kehl: "Also ich habe gelernt damit umzugehen. es ist einfach so, dass ich über Jahre hinweg einfach gemerkt habe, wie sich dieser Medienrummel sich um den Bereich Fußball, um die Spieler auch, immer mehr gehypt wird." 15. Sprecher: Sebastian Kehl, der Dortmunder Mannschaftskapitän. 13. (b) O-Ton Sebastian Kehl: Für mich ist es eigentlich nichts mehr Besonderes, ich weiß einfach, dass ich unter Beobachtung stehe. Gerade beim Spieltag, gerade bei den Trainingseinheiten, wo viele Kameras vor Ort sind, ist es natürlich schon so, dass jedes Augenzwinkern, jede Bewegung dann auch bewertet wird. Und das ist auf der einen Seite gefährlich, auf der anderen Seite sollte man sich nicht damit großartig beschäftigen. Weil, ich will mich nicht verstellen, ich will einfach so sein wie ich bin. Und da gehören natürlich auch mal Emotionen dazu. Und dass die am Ende manchmal negativ ausgelegt werden, hängt vielleicht auch mit der sportlichen Situation oder mit einer persönlichen Situation zusammen." 16. Sprecher: Bei den Dortmunder Spielern genießt Fotograf Alex Simoes Vertrauen. Da er den Verein fast überall hin begleite kann, lassen ihn die Profis näher an sich heran. Sie schätzen seine Arbeit. Für den 39jährigen Portugiesen machen sie vieles möglich. Abwehrspieler Patrick Owomoyela und Torwart Roman Weidenfeller. 14. O-Töne Patrick Owomoyela und Roman Weidenfeller: "Vor allem macht man auch mehr Blödeleien mit, weil man dann weiß, im Notfall kann man noch einmal unter vier Augen sprechen, dass das Foto nicht irgendwo auftaucht. Wenn du von irgendjemandem "abgeschossen" wirst, den du nicht kennst, dann hast du halt keine Chance, da irgendwie einzugreifen. Insofern ist das schon ein ganz anderes Verhältnis, als zu denen die man vielleicht einmal im Monat bei einem Spiel trifft. (Weidenfeller) Ich glaube, dass gerade er einen super Job macht. Und wir freuen uns immer, wenn wir die Bilder sehen, die sind gut geschossen. Und ich glaube, es ist auch eine gute Zusammenarbeit. Jeder profitiert auch von dem anderen. Und ich freue mich immer persönlich, wenn ich schöne Fotos auch in der Zeitung sehe." 17. Sprecher- zunächst kurz Stadion-Atmo frei stehen lassen, dann Atmo und Text: Es ist Samstag, kurz vor 16 Uhr. Alex Simoes fotografiert inzwischen im Wolfsburger Stadion, der VfL spielt gegen Schalke 04. Müde ist er. Bis zwei Uhr nachts hat er die Bilder vom 2:0 Sieg der Dortmunder am Computer bearbeitet. Von 2000 geschossenen Fotos hat er 160 für gut befunden, den Rest gelöscht. Ein paar Stunden Schlaf, dann ins Auto, vier Stunden nach Wolfsburg. Für den Aufwand will er mit guten Bildern belohnt werden, und dann das... 15. O-Ton Alex Simoes: "Djego, Eckball. Scheiße. Grafite macht die Bude und läuft in die andere Richtung. Aber zum Glück jubelt Grafite nicht so richtig, der lässt sich nur umarmen. Trotzdem, für die Fotografen, die auf der anderen Seite sitzen, ist das jetzt gut. Für mich, beschissen. Super. Hab ich wenigstens das Tor? Hoffentlich ist der Ball drauf, das ist immer das Schwierigste. Jetzt gucken wir mal schnell. Erst kommt er auf mich zu, dann dreht er ab. Mein Gott, ein bisschen mehr Gefühl könnte er auch zeigen für uns. " 18. Sprecher- Atmo Fangesänge: Wenig Schlaf, kaum ein freies Wochenende, und immer auf der Lauer, das entscheidende Bild zu schießen. Das klingt nicht gerade nach einem Traumjob. Und trotzdem, Simoes arbeitet seit über 14 Jahren als Sportfotograf. Warum macht er das? 16. O-Ton Alex Simoes: "Als ich noch bei der Tageszeitung gearbeitet habe, hat mal ein Redakteur gesagt, ihr Fotografen seit wie Torhüter und Linksaußen, ihr habt alle einen Schaden. Weil, wenn man das hier macht, jeden Samstag, an jedem verfluchten Samstag, ich mag Fußball, sonst würde ich hier nicht sitzen. Aber ich bin auch fotoverrückt. Ich brauch das. Wenn ich dann da bin und dann sitze und meine Fotos machen kann, dann freue ich mich wirklich. Bis ich dann angekommen bin, dann fluche ich schon und überlege, hättest du mal was Besseres gelernt. Aber wenn ich dann da bin und die Fans freuen sich, und man hat vielleicht noch ein paar gute Bilder dabei, auch schöne Bilder, nicht nur gute Bilder die man an die Zeitung verkauft sondern auch für sich selbst, das ist geil, das macht glücklich." 19. Sprecher darunter Atmo -Fangesänge: Und was ist mit dem Verdienst? 17. O-Ton Alex Simoes: "Das Geld ist es auf jeden Fall nicht. Weil viel, richtig viel verdienen tut man nicht." 20. Sprecher: Tatsächlich haben sich die Bildhonorare den allgemeinen Preissteigerungen nicht angepasst. Die meisten Zeitungen bezahlen die Fotografen wie vor 15 Jahren. Sie können sich das leisten. Denn nie zuvor gab es mehr Sportfotografen und vor allem Bilder auf dem Markt. Die Zeitungen profitieren vom Konkurrenzkampf. Einige Fotoagenturen bieten für einen geringen Pauschalpreis komplette Bilderserien an. Das macht Simoes nicht. Unter Wert, so sagt der 39jährige, will er sich nicht verkaufen. Erscheint eines seiner Fotos, z.B. in den Dortmunder Ruhr Nachrichten, dann sind für das Honorar vor allem drei Dinge entscheidend. Sascha Klaverkamp, Sport-Chef der Ruhr Nachrichten. 18. O-Ton Sascha Klaverkamp: "Es liegt an der Auflage der jeweiligen Zeitung und an dem Hauskurs, den die jeweilige Zeitung aufruft. Und in welchem Umfang es erscheint. Also erscheint es im ganzen Mantel, für all unsere Ausgaben, oder erscheint es nur regional oder nur lokal. Danach wird so ein Foto halt abgestuft. Ein Mantelfoto, das heißt auf der ersten Titelseite beispielsweise, wird deutlich höher honoriert als natürlich im Lokalteil. In unserem Falle zahlen wir für ein Mantelsportfoto 27 Euro." 21. Sprecher: 100 Fotografen bei einem Bundesligaspiel, das wirkt sich nicht nur auf die Bildhonorare aus. Zu dieser Einschätzung kommt Medienwissenschaftler Thomas Schierl, früher selbst als Fotograf tätig. Wenn er durch den Sportteil blättert, ist er von den meisten Aufnahmen gelangweilt. Für ihn hat sich die Sportfotografie inhaltlich nicht weiterentwickelt, im Gegenteil, sie ist immer schlechter geworden. 19. O-Ton Thomas Schierl: "Wenn man mit der früheren normalen Belichtungstechnik, also der 60er Jahre, da musste man wirklich noch fotografieren können. Fotograf war ja auch ein Ausbildungsberuf. Das ist ja heute nicht mehr so. Mit der heutigen Digitaltechnik können sie auch als Amateur wirklich technisch gute Fotos machen. Und das ist das Problem, was wir haben. Wir haben nicht erkannt, dass technische Qualität wenig mit inhaltlicher Qualität zu tun hat. Es ist ja auch so, dass wir eben auch immer weniger Sportfotografen haben. Also immer mehr Reporter, die einen Bericht schreiben sollen, werden auch gleichzeitig mit der Kamera ausgestattet und dann wird denen gesagt, so jetzt machst du auch gleich noch die Fotos dazu. Die mögen technisch o.k. sein. Aber die haben nie gelernt, wirklich zu fotografieren und vor allem auch nicht wirklich mal für sich selber zu definieren, was ist eigentlich eine inhaltliche Qualität. 22. Sprecher: Alex Simoes hat das alle gelernt, von klein auf. Sein portugiesischer Großvater, ein ambitionierter Hobbyfotograf, erkannte früh sein Talent. Gemeinsam zogen sie los und fotografierten Sonnenaufgänge und die bizarren Felsformationen an der Algarve. Bevor Simoes als Presse- und später als Sportfotograf arbeitete, machte er eine Ausbildung zum Werbe- und Industriefotografen. Mehrere Auszeichnungen hat der 39jährige für seine Bilder bekommen. Stolz ist er vor allem auf den dritten Platz beim Sportfoto des Jahres. Angst vor der Konkurrenz hat er deshalb nicht mehr, er weiß, was er kann. (Jetzt Stadion-Atmo unter Text) In den 14 Jahren als Sportfotograf hat er viele Höhen und Tiefen erfahren. Um weiterhin erfolgreich zu sein, will er sich unbedingt zwei Dinge bewahren: seinen Optimismus und die Fähigkeit zur Selbstkritik. 20. O-Ton Alex Simoes: "Wenn man zu sehr in seine Bilder verliebt ist, und das sind die meisten Fotografen, dann hat man verloren. Und nur das wirklich gute Bild muss raus. Und nicht das oder das, oder vielleicht das auch noch, soll der Kunde entscheiden. Dem Kunden wird langweilig, vor allem wenn man dann von irgendeinem Spiel dann ein paar hundert Bildern auf dem Tisch liegen hat. Der hat keine Lust da durchzugucken und sich da Beste auszusuchen. (Torraumsituation, löst Kamera aus) Mal gucken, schade, Ball ist nicht drauf. Die Situation sieht zwar gut aus, aber kein Ball drauf. Andere würden jetzt so ein Bild trotzdem raus geben. Meine Devise ist, das Bild zu löschen. Im Weglassen liegt die Kunst, das ist wichtig." 23. Sprecher- darunter Atmo Auto: Mittlerweile ist es Sonntag geworden, 21 Uhr. Alex Simoes freut sich, das letzte Spiel ist vorbei, endlich kann er nach Hause fahren. In drei Stadien hat er an diesem Wochenende fotografiert. Erst in Dortmund, dann in Wolfsburg, zum Schluss in München; das Derby der Bayern gegen die Nürnberger. Wenn Simoes nach fünf Stunden und viel Kaffee sein Auto abstellt, wird er in drei Tagen über 2000 Kilometer gefahren sein, 100.000 sind es in einem Jahr. Wenn der Fotograf etwas an seinem Beruf nicht mag, dann ist es das stundenlange Autofahren. 21. O-Ton Alex Simoes: "Im Auto ist unproduktiv. Man fährt hin, man kann nicht arbeiten, man fährt zurück, man kann trotzdem nicht arbeiten. So, und das gehört mit zur Arbeitszeit. Aber, das macht einen mürbe, das macht keinen Spaß. Zum Glück gibt es ja jetzt immer mehr Hörbücher, da kommt man voran. Also, man sucht schon ungekürzte Fassungen, um dadurch seine Zeit im Auto zu versüßen. Indem man sich damit über Wasser hält hier." 24. Sprecher- darunter Atmo Zeitung: Wie jeden Montagvormittag sitzt Alex Simoes in seinem Büro, blättert durch die Zeitungen der letzten beiden Tage. Das ist zum Ritual geworden. Jetzt zeigt sich, ob er die richtigen Bilder geschossen hat und vor allem, ob sich der Aufwand der letzten Tage finanziell gelohnt hat. Für dieses Wochenende kann der 39jährige zufrieden sein. Allein in drei Zeitungen findet er das Bild mit dem Dortmunder Trainer, als dieser den vierten Schiedsrichter anbrüllt. Eine Boulevardzeitung titelt: "So tobt nur Klopp." Für die Buchhaltung markiert er seine Bilder mit einem roten Edding. Das, so Simoes, sind die wirklich schönen Momente als Sportfotograf. Auch nach 14 Jahren ist er sichtlich bewegt, wenn er seine Fotos gedruckt sieht. 22. O-Ton Alex Simoes: "Es freut mich einfach. Es ist mein Produkt, das man dann wirklich sehen kann.. Und wenn es ein Titel ist oder so was, dann ist das meine Zeitung. Das ist ein schönes Gefühl." 25. Sprecher: Am Nachmittag will Simoes noch einmal zum Training von Borussia Dortmund. Gerade ist bekannt geworden, dass Jürgen Klopp für seinen Ausraster am Freitag 10.000 Euro zahlen muss. Das wird morgen in den Zeitungen ganz sicher wieder Thema sein, also will Simoes die Bilder dafür liefern. Auf dem Gelände haben sich ein paar Fans versammelt, einige Reporter sind auch dabei. Der Trainer ist schon auf dem Platz. Als die Profis dazu kommen, gibt er sich kumpelhaft, klatscht die meisten ab. Nach ein paar Laufeinheiten und kurzen Ballübungen ist die Sache nach einer Stunde vorbei. Bereitwillig geht Klopp auf die Journalisten zu. Jetzt stehen sich Alex Simoes und der BVB- Coach genau gegenüber. Klopp überragt den Fotografen gleich um zwei Köpfe. Wie findet er denn sein Bild in der Zeitung? Und vor allem, was hält er von einem Fotografen, der jede Regung von ihm festhält? 23. O-Ton Jürgen Klopp: "Ich war nicht eine Sekunde auf den Fotografen sauer, warum knipst der das. Das ist kein Problem, ehrlich gesagt. Also, ich kann meine eigenen Fehler schon auch erkennen. Weil, ich kann nicht sagen, du Arschloch hast es fotografiert? (Simoes:) Du Ochse, warum machst du es dann auch? Aber bei mir musst du dich aber bücken. (Klopp:) Bei dir, mit der Brust hätte ich dich gestoßen. Nein Quatsch, das ist kein Problem. Alles, was rund um den Job passiert, die Fotos ist völlig normal, dass die gemacht werden. Find ich absolut in Ordnung. Was blöd ist, wenn man im privaten Bereich fotografiert wird. Weil, da mach ich auch ab und zu Fotos, aber die sind einfach im privaten Bereich. Und ansonsten alles, was nach Absprache passiert, und rund ums Spiel sowieso. Und wer Glück hat und einen guten Moment erwischt, da freue ich mich dann sogar darüber, ich finde Sportfotos richtig geil. Dementsprechend, das ist unproblematisch, ich hab mich noch nie verfolgt gefühlt." 26.Sprecher: Nach dieser Reaktion ist Simoes sichtlich erleichtert. Der Trainer kann auch anders. Das weiß der Fotograf nicht erst seit Freitag. Klopp verabschiedet sich, Simoes schießt noch ein letztes Bild. Dann schaltet er die Kamera aus. Morgen will der 39jährige endlich frei haben, mal keinen Fußball und keine Fotos. Da klingelt das Telefon. Der BVB veranstaltet ein soziales Schulprojekt. Dienstag, 11 Uhr. Simoes wird dabei sein. Fehlen kann er da schließlich nicht. Schon gar nicht als Haus- und Hoffotograf von Borussia Dortmund. 1