COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Blauer Himmel über dem Ruhrgebiet - Der ständige Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen - "Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden" - der Spruch ist 50 Jahre alt, war eine politische Anregung von Willy Brandt. Es dauerte, bis sie von der breiten Öffentlichkeit unterstützt und von der Wirtschaft umgesetzt wurde. Mittlerweile ist der Himmel über dem Ruhrgebiet wieder blau, aber die Notwendigkeit industrieller Strukturveränderungen hat sich damit nicht erledigt. Welche Lehren können andere Länder aus dem Strukturwandel in NRW? Autor Tim Hannes Schauen Redaktion Stucke, Julius Sendung 11.10.11 - 13.07 Uhr M A N U S K R I P T B E I T R A G O-Ton (Roland Günter) Also seit ich das Ruhrgebiet kenne, ist das in ständiger Verwandlung. O-Ton (Uwe Schneidewind) Der Himmel ist ja sehr sehr blau geworden. O-Ton (Toni Pierenkemper) Jaaa, die Emscher, das war ja ne Kloake, also ein Abwasserfluss und die wird ja renaturiert, das ist sehr schön, die wurde ja zum Teil unter der Erde geführt und die darf auch wieder ans Licht. Das geht aufwärts. Wenn wir immer noch die alten Dinge praktizieren würden, dann säßen wir jetzt noch im Pütt und würden die Kohle mit den Händen rauskratzen und das kann's ja nicht sein. Sprecherin Essen: Der größte deutsche StahlherstellerThyssen-Krupp will seine Produktion in den kommenden Monaten leicht zurückfahren. Wie Zeitungen der WAZ-Gruppe berichten, sollen 500.000 Tonnen weniger produziert werden. Die Jahreskapazität liegt demnach bei 13,5 Millionen Tonnen. Hochöfen sollen aber nicht abgeschaltet werden. O-Ton (Franz-Josef Brüggemeier) Das Wesentliche wird sein, ob es gelingt hier einen vernünftigen Bildungsstandard zu erreichen, das ist die große Frage fürs Ruhrgebiet. O-Ton (Roland Günter) Und ich kenne das Ruhrgebiet seit meiner Kindheit, da brannten tausend Feuer. Autor Kohle und Stahl. Lärm und Dreck. Ehrliche Arbeit für gutes Geld. "Dat" und "woll". Glückauf! Diese Klischees sind eine grobe Vereinfachung, genauso, wie es das Ruhrgebiet, das Revier, den Kohlenpott erst einmal nicht gibt - und heute schon gar nicht mehr. Denn fünfeinhalb Millionen Menschen, verteilt auf knapp viereinhalbtausend Quadratkilometer, lassen sich nicht mehr so einfach unter diesen einen Helm stecken. Zu groß, zu heterogen, zu unüberschaubar ist das Areal, zu sehr in ständigem Wandel. Angefangen, sagt Toni Pierenkemper, emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, angefangen hat es typisch deutsch: im Kleinen und ländlich. O-Ton (Toni Pierenkemper) Das Ruhrgebiet, das gibt es ja eigentlich noch nicht sehr lange als eine in sich geschlossene Region. Wenn man in die Geschichte zurückgeht, dann muss man das sicherlich bis ins 17. Jahrhundert tun, mindestens bis ins 18. Jahrhundert. Und da war das Ruhrgebiet ein äußerst zerstückeltes Gebiet, wenn man das als geschlossene Region überhaupt ins Auge fassen will, denn das kann man ja eigentlich erst in der Rückschau. Autor Heute sind es elf Städte: Sprecherin Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mühlheim, Oberhausen. Autor Vier Landkreise: Sprecherin Recklinghausen, Unna, Wesel, der Ennepe-Ruhr-Kreis. Autor Zwischen vier großen Flüssen: Sprecherin Im Norden die Lippe, im Süden die Ruhr, die Emscher fließt einmal quer durch und verschwindet dann im Rhein, der im Westen liegt. Autor Dazwischen waren erst einmal Wälder und Wiesen. Die Menschen in den wenigen vorhandenen Siedlungen werkelten vor sich hin, von gemeinsamer Identität war weit und breit nichts zu sehen. Vielmehr war die spätere Metropole zwischen Rhein und Ruhr noch in die Grafschaft Mark, das Herzogtum Berg, das preußische Westfalen und weitere kleinere Besitztümer zersplittert, ohne einheitliche Maße und Zölle - was den Handel erschwerte. Erst das "Allgemeine preußische Landrecht" von 1794 bricht mit vielen dieser aus dem Mittelalter stammenden Vorschriften und erleichtert somit auch den Handel. O-Ton (Pierenkemper) Zu jener Zeit war das ein zerstückeltes Gebilde mit vielen Territorien, die auch sehr unterschiedlich ökonomisch strukturiert waren, die Städte durch Handel geprägt, auf dem Hellweg liegend zum Teil, einer alten Handelsstraße mit Anbindung an den Rhein und zu den Niederlanden. Also Duisburg zum Beispiel war ein wichtiger Umschlagplatz für diese Art von Handel, und auch dann schon im 18. Jahrhundert verstärkt: Kohlenhandel. Autor Im Süden des Sektors wurden Steinkohlen - deren Verwendung schon den Römern bekannt war - oberirdisch in sogenannten Pingen oder Pütten abgeerntet. Tektonische Verwerfungen hatten sie an die Erdoberfläche geschoben, sodass die Menschen anfangs gar nicht groß nach ihnen graben mussten. Die Kohle hat sich ihnen aufgedrängt. O-Ton (Pierenkemper) Und diese Kohlen wurden in die Niederlande vor allen Dingen verbracht, und zwar im Zusammenhang mit dem Salz, das in Königsborn also im heutigen Unna gewonnen wurde, die Saline war sehr bekannt und bedeutend, und das war also ein wichtiger Teil der gewerblichen Tätigkeit. Autor Bodenschätze also brachten den Handel und somit die Region voran. O-Ton (Pierenkemper) Ein weiterer Teil war natürlich das Textilgewerbe, das überall in den ländlichen Räumen verbreitet war zu jener Zeit, also Leinen insbesondere und im südlichen Teil des Gebietes auch Eisen. Und dann kam ein erster gewaltiger Strukturumbruch, und das war eben zum Ende des 18. /zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als nun die Kohle ein gewaltiger Schatz wurde. Autor 1850 gab es schon fast 300 Zechen. Überall gruben sich die Menschen immer tiefer in die Erde und holten das schwarze Gold heraus. Das Ruhrgebiet war mit seinen üppigen Kohlevorkommen vermeintlich breit aufgestellt. Steinkohlen ersetzen Holzkohlen, die damals knapp und teuer waren. Gleichzeitig befeuerten Innovationen in der Stahlverarbeitung diesen Wirtschaftszweig. O-Ton (Pierenkemper) Das waren bestimmte Verfahren der Gewinnung von Eisen/Roheisen aus dem Erz und auch der Weiterverarbeitung zu schmiedbarem Eisen, also zu Stahl, die in England entwickelt wurden und Verbreitung auf dem Kontinent fanden und diese Wirkung auf die Ruhr hatten, auf die Steinkohlenlagerstätten an der Ruhr und dort man intensiv begann, diese auszubauen. Und es bildete sich etwas heraus, was man als ein schwerindustrielles Wachstumskonglomerat benennen könnte. Autor Synergieeffekte, so würde man es heute nennen, schoben die Region weiter an: Die Eisenindustrie hatte immensen Kohlenhunger und lieferte zugleich Produkte für den Ausbau der Schachtanlagen. Die Pläne der ersten Dampfmaschinen gelangten durch Spionage aus England nach Deutschland, Dampfmaschinen hielten das Wasser aus den Gruben, die Eisenbahn verbrauchte viel Kohle und Stahl und half zugleich beim Transport der Rohstoffe. Der Übergang von der Agrarwirtschaft zur industriellen Produktion hatte das Ruhrgebiet nicht nur erreicht, er hat es quasi erschaffen, die Regionen wuchsen zusammen. Und es wuchs ein Wald aus qualmenden Schloten. Eine ganze Stadt wurde danach benannt: Essen. Die stereotypen Ruhrgebietsbilder von Hochöfen, Fördertürmen, Waschkauen entstanden: Bergleute mit schwarzen Gesichtern und müden Augen, Oma Ernas Wäscheleine in der Zechensiedlung und Onkel Heinis Taubenschlag. Der wirtschaftliche Aufschwung änderte auch die Menschen und ihre Wohnsituation: immer mehr Arbeitskräfte und ihre Familien zogen in die Region. O-Ton (Pierenkemper) Schalke, ein Stadtteil von Gelsenkirchen war ein kleines Dörflein, in dem einige Großschachtanlagen angesiedelt und ein großes Hüttenwerk, und auf einmal wurde das zu einer Stadt, die dann weiter wuchs. Oder: Oberhausen, eine Stadt, die also gegründet wurde, in öder Heide weil sich dort zwei Eisenbahnlinien kreuzten, und dann innerhalb von 50 Jahren zu einem Dorf heranwuchs mit einer Einwohnerzahl von mehr als 100.000 Einwohnern. Autor 150 Jahre lang qualmte und dröhnte das "Revier" in schwarzgrauer Blüte. Doch nach den beiden Weltkriegen und der Kohlenkrise 1957 drehte sich das Förderrad langsamer. O-Ton (Pierenkemper) Die Krisen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts haben natürlich auch ihre Spuren hinterlassen, auch die politischen Krisen, denken Sie an die Ruhrbesetzung, den Ruhrkampf nach dem Ersten Weltkrieg, nach dem Zweiten Weltkrieg, die Probleme der Entflechtung und der Neustrukturierung der Schwerindustrie, das waren alles große Belastungen für diese Region, die sich dann aber doch zur Mitte des 20. Jahrhunderts wieder zu einer wirtschaftlichen Führungsregion entwickelt hat, dann aber sehr schnell eben vom Strukturwandel wesentlich betroffen wurde, weil nämlich nun eigentlich die Basis dieser Region, also die Steinkohlenvorkommen rapide entwertet wurden. Autor In Deutschland gab es zuviel Kohle, und aus anderen Ländern drängte billigere auf den Markt. Weil man im Ruhrgebiet sehr einseitig auf die Kohle gesetzt hatte, war man ihrem Preisverfall jetzt hilflos ausgeliefert: innerhalb eines Jahrzehntes verloren weit über 300.000 Bergleute ihren Arbeitsplatz. 1969 wurde mit der Gründung der Ruhrkohle AG die Krise als Dauerzustand akzeptiert, mit massiven Subventionen wollten Bundes- und Landesregierung den Stellenabbau "sozialverträglich" auffangen. Das ging hin bis zum "Kohlepfennig", mit dem ab 1974 die deutsche Steinkohle subventioniert wurde. 1995 kassierte ihn das Bundesverfassungsgericht schließlich wieder ein. Die Stahlindustrie hingegen war und ist international weitaus konkurrenzfähiger. Doch auch das hielt den Strukturwandel nicht auf. Ab 1968 legte die Politik das "Entwicklungsprogramm Ruhr" auf, wollte vor allem die Bildungsmöglichkeiten breiter Bevölkerungsschichten erhöhen. Denn während früher eigentlich jeder halbwegs gesunde junge Mann davon ausgehen konnte, in Zeche oder Stahlwerk einen Job zu finden, mussten Arbeiter künftig kleinteiliger, vor allem: besser qualifiziert sein. O-Ton (Roland Günter) Der Strukturwandel, der beginnt mit dem Ruhrgebiet, das ist ein einziger Strukturwandel, immerzu von vorn bis hinten. Autor Oberhausen-Eisenheim: Hier steht die älteste Arbeitersiedlung des Ruhrgebiets, 1846 gegründet. Im Zuge des Strukturwandels wären die idyllischen roten Ziegelhäuschen in den 70ern beinahe abgerissen worden. Es gab Streit, und die Politik merkte: der Strukturwandel kann nicht von oben herab betrieben werden, nicht bedingungslos über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Einer der emsigsten Mitstreiter ist Roland Günter. Der Präsident des Deutschen Werkbundes wohnt in jener Siedlung in Oberhausen- Eisenheim, als Landeskonservator hat er angefangen, beim Strukturwandel auf die Pausentaste zu drücken: viele Industriebauten - Produktionsstätten und Wohnanlagen - hat er mit gerettet. Er ist einer der Väter der"Route der Industriekultur", die sich quer durch die Region schlängelt und gleichermaßen Identität bewahrt und durch Kulturstätten neu stiftet. O-Ton (Roland Günter) Das Ruhrgebiet wird ja nur deshalb so in den Fokus genommen, weil im Ruhrgebiet die Dinge alle viel schärfer sichtbar sind, weil sie mit größeren Quantitäten auftreten und dann mit größerer Deutlichkeit, man kann jede Stadt nehmen, es gibt keinen Ort, wo es keinen Strukturwandel gibt. Das Ruhrgebiet ist ein Laboratorium, eine Werkstatt, im Ruhrgebiet wird ausprobiert. Man muss das Ganze sehen. Da gibt's natürlich auch eine Menge Wirtschaft, die so ist, wie sie ist - ich sag auch gar nichts dagegen, ich sag nur was dagegen, wenn sie sich so aufspielt, als ob sie das Ruhrgebiet wäre. Autor Günter stört, dass der Strukturwandel stets als weg von Eisen und Stahl hin zu den Dienstleistungen beschrieben werde. O-Ton (Günter) Diese Leute haben nicht begriffen, dass es schon vorher nicht nur Kohle, Stahl gab sondern dass es Anlagenbau gab, der Anlagenbau ist sozusagen das intelligente Zentrum moderner Industrieproduktion, also da gab's schon vorher eine ganze Menge mehr, und Dienstleistung - ja, das ist ein so weiter Begriff, das läuft nicht so einfach, dass die Leute jetzt alle Dienstleistung machen. Autor Den Wandel zu erneuerbaren Energien und nachhaltigen Produktionsprozessen, möchte Günter viel stärker als Chance begriffen wissen. Eine Chance, die sich die Industrie nicht entgehen lassen könne. O-Ton (Günter) Ich habe neulich mit einem Siemens-Menschen gesprochen, der sagt mir: die Großindustrie hier, die kapiert nicht, dass sich jetzt durch den Rückzug des Atoms im Grunde ein Erfindergeist und eine Arbeit im Kleinen entwickelt, die Deutschland an die Spitze der Welt bringt. Weil das, was wir hier entwickeln, anwendbar ist in unglaublich vielen Ländern, das hat eine wirkliche große Zukunft. Autor Unter den alten Produktionsstrukturen allerdings wandelte sich auch das Klima. "Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!" verkündete Willy Brandt Ende April 1961 auf dem Wahlkongress der SPD. Heute, fünfzig Jahre später, lauten die Schlagworte "Nachhaltigkeit" und "Energieeffizienz". Bei einer Podiumsdiskussion in der Essener Zeche Zollverein sprach auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der blaue Himmel über der Ruhr ist auch ihr ein persönliches Anliegen. O-Ton (Hannelore Kraft) Ja natürlich, ich bin ja davon geprägt worden, also der Himmel war eben nicht blau, sondern ich hab in Mühlheim oben auf dem Berg gewohnt und konnte einen Teil des Ruhrgebietes aus meinem Fenster beobachten mit der Dunstglocke darüber und mit der ganzen Luftverschmutzung, die wir damals hatten, und dieses Veränderungen sind phänomenal, wir sind ein gutes Beispiel für Strukturwandel, aber auch für ein ökologischeres Handeln in der Region und das wollen wir auch weiter sein. Den blauen Himmel haben wir schon, wir sind jetzt beim Wasser sehr gut dabei und wir haben natürlich neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, und da ist das wichtigste Thema im Moment die Energiewende. Es gibt einiges zu tun, die Vision ist da, aber jetzt müssen wir die Umsetzung konkretisieren. Wir haben uns in NRW beispielsweise vorgenommen ein Klimaschutzgesetz, um die Ziele auch mal zu konkretisieren, runterzubrechen. Gemeinsam mit der Wirtschaft, gemeinsam mit Gewerkschaften und Gesellschaft, um dann zu sagen: worauf einigen wir uns? Wie kommen wir eigentlich dieser Vision und diesen Zielen immer näher? Sprecherin Düsseldorf: Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat ein umfangreiches Klimaschutz-Start-Programm beschlossen. Dies teilten Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Das Klimaschutzpaket beinhaltete 22 Einzelmaßnahmen. Der finanzielle Rahmen belaufe sich auf insgesamt mehrere hundert Millionen Euro an Fördergeldern und Krediten. So sollen beispielsweise 200 Millionen Euro jährlich in die Förderung energetischer Gebäudesanierung investiert werden. Für das Impuls-Programm "Kraft-Wärme- Kopplung" werden 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Gefördert wird auch eine Stromspar-Initiative für einkommensschwache Haushalte. Autor Der Historiker Franz-Josef Brüggemeier saß gerade noch mit der Ministerpräsidentin auf dem Podium. Jetzt steht er in der sich rasch leerenden Veranstaltungshalle, in seiner Hand dampft eine Currywurst in der Pappschale. O-Ton (Franz-Josef Brüggemeier) Im Bergbau haben in den 50er Jahren fast eine Million Leute gearbeitet, nun werden nicht eine Million Leute Windkrafträder aufstellen, das ist völlig unrealistisch. Und wenn man noch die Stahlindustrie dazu nimmt, ist man in Größenordnungen ganz anderer Art, also ein Teil ist ja schon abgewandert, Dortmund hat heute nach allem was ich weiß, zwei Drittel Dienstleistungen, und wie wir wissen: Dienstleistung ist zwischen schlecht bezahlt und sehr gut bezahlt, also die Bandbreite wird überall sein, und es wird mehr Arbeitsplätze geben, aber die interessanten erfordern eben eine gute Ausbildung, und da muss die große Energie der Zukunft reingesteckt werden. Autor Was können andere Regionen, andere Länder von diesem ständigen Strukturwandel des Ruhrgebietes, diesem riesigen Laboratorium, lernen? Sie können und müssen lernen, dass die Spätfolgen des ungeheuren Wachstums und Reichtums, den Kohle und Stahl in das Ruhrgebiet gebracht haben, jetzt mit ebenso großem finanziellen Aufwand beseitigt werden müssen. Die Emscher, einstige Kloake des Ruhrgebietes, wird mit Milliardenaufwand renaturiert. Und lernen mussten die Menschen im Ruhrgebiet eine Streitkultur - und, dass man im Dialog bleiben muss. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Es sieht sich, Zitat, "besonders der anwendungsorientierten Nachhaltigkeitsforschung verpflichtet". O-Ton (Uwe Schneidewind) Was man aus dem Prozess des Blauen Himmels über der Ruhr gelernt hat: wie wichtig eine sehr weitgehende und tragfähige Vision ist, die mitnimmt, die begeistert. Und das hat sich, wenn Sie sich den Emscher-Umbau anschauen, dort ja sehr schön niedergeschlagen. Erstmal ist das nur der Abbau von Abwasserkanälen, aber durch diese Renaturierung der Emscher geht es darum, wieder Lebensqualität zu schaffen für die Menschen und eine ganz andere Identifikation zu erreichen, und gerade der Emscher-Umbau, das ist etwas aus dem man sehr viel lernen kann, weil es da ja gelungen ist, über mehrere Jahrzehnte jetzt schon seit über 20 Jahren diese sehr sehr teuren Prozesse auch, da gehen ja weit über 4 Milliarden Euro hinein, stabil zu organisieren. Autor Wichtig bei solch langwierigen und teilweise abstrakten Prozessen ist, dass alle Akteure - Wirtschaft wie Bewohner -stets eingebunden werden. O-Ton (Schneidewind) Über Legislaturperioden hinweg, durch diese ganz spezielle Konstruktion der Emscher-Genossenschaft, wo die Städte mit drin sind, die Unternehmen, und da können wir natürlich viel von lernen, wenn's jetzt darum geht unsere Energieinfrastrukturen umzubauen, unsere Gebäudesubstanz neu aufzustellen, das sind ja wieder solche Projekte, die laufen über 20, 30 Jahre. Autor 2020 soll die Emscher wieder so blau sein, wie der Himmel über ihr. Seit Kurzem werden in Bottrop, der Modellstadt sogenannten Innovation City Ruhr, eine ganze Reihe von energieeffizienten Projekte angeschoben, um die Hälfte des jetzigen CO2-Ausstosses einzusparen - innerhalb von zehn Jahren. Gebäude werden auf Null Emissionen getrimmt, neue Konzepte elektrischer Mobilität und auf Basis von Wasserstoff im Alltag erprobt. Das Motto: "blauer Himmel - grüne Stadt." Uwe Schneidewind sieht das Ruhrgebiet insgesamt auf einem guten Weg, eben auch durch den Modellcharakter. O-Ton (Schneidewind) Wenn wir uns anschauen, wo werden in Zukunft die meisten Menschen leben, dann sind das genau solche Formen, der Ballungsgebiete, wie wir sie ihm Ruhrgebiet finden. Was wir jetzt hier an Neugestaltung betreiben, das kann ein Rollenmodell werden eben nicht nur europaweit sondern gerade auch global. Und das ist die große Chance des Ruhrgebietes, das jetzt aktiv anzugehen: Das Ruhrgebiet ist der wichtigste industrielle Komplex, in dem wichtigsten globalen Industrieland, das jetzt den Umstieg auf eine völlig neue Energiepolitik macht. Autor Der Dialog aller Akteure, Wirtschaft, Politik, Bewohner, zeigt Früchte, weil sich das Denken verändert hat, und weil die Beteiligten unter dem Druck stehen, den Strukturwandel voranzutreiben. O-Ton (Schneidewind) Wie sieht eine blaue Wirtschaft aus, die nicht nur den Produktionsprozess und die Emissionen der Produktionsprozesse sich anschaut, sondern sich fragt, was für Formen des Wirtschaftens, was für Produkte, Dienstleistungen werden denn in 50 Jahren aus dem Ruhrgebiet kommen? Autor Vollständige Antworten indes wird man hier noch nicht finden, dazu ist die Umstrukturierung noch zu sehr am Anfang. O-Ton (Schneidewind) Einige der Antwortbausteine, die kriegen so erste Konturen, wir reden ja über Themen wie Klimaexpo, den Energieumbau, der fürs Ruhrgebiet eine zentrale Rolle spielen wird, eine Chemieindustrie, die heute ganz viele Lösungsbausteinen liefert für Klimaschutz und Umweltschutz, also da findet eine gewaltige Transformation des Produktspektrums statt. Autor Ein langer Weg mit ungeheuren Anstrengungen liegt hinter der Region - und vor ihr. Dieser ebenso ständige wie ominöse Strukturwandel hat einiges angerichtet: Mit dem Ruhrgebiet und mit seinen Akteuren. Gelernt haben sie alle. Sie mussten. E N D E