DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 11.05.2010 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 ? 20.00 Uhr Batterien aus Bolivien Der Kampf ums Lithium Co-Produktion SWR/DLF Von Gaby Weber URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Musik: Wara Altiplano Ansage: Batterien aus Bolivien. Der Kampf ums Lithium Von Gaby Weber Collage: Absatzkrise, Elektroautos, Sprecherin Erzählerin: Internationale Automobilausstellung in Frankfurt. Die Branche befindet sich in der Krise. Große benzinfressende Modelle mit hohem CO 2 Ausstoß lassen sich nur noch schlecht an den Mann bringen. Und das ökologisch korrekte Fahrzeug lässt auf sich warten! Collage: " ... Elektroautos. Die hat die Kanzlerin an so ziemlich jedem Stand zu sehen bekommen, so auch bei Audi." Erzählerin: Elektroautos gehört die Zukunft. Collage: "Das weiß auch die Kanzlerin." O-Ton Merkel:"Wir rechnen damit, dass wir 2020 vielleicht eine Million - vielleicht sinds auch ein bisschen mehr - Elektromobile haben. Wir haben insgesamt 40 Millionen Autos. Man sieht also daran, dass das noch ne lange Strecke ist". Erzählerin: Um die "Strecke" zu verkürzen, tat die Bundesregierung allerdings bislang wenig. Fünf Milliarden Euro gab sie für die Abwrackprämie aus, für den Kauf von Autos mit einer meist veralteten Technologie also. Das war fast 15 mal so viel wie die Steuerersparnis, die der umweltbewusste Käufer eines Elektromobils erhält. Doch die Prämie brachte Wählerstimmen. Und das zählte für die Kanzlerin. Außerdem, schloss sie sich den Argumenten der Automobilindustrie an, sei das Elektroauto noch nicht ausgereift. O-Ton: "Ein wichtiger Punkt ist, dass man in Deutschland meinte erkannt zu haben, dass die Batterien aufgrund ihrer begrenzten Reichweite, dass die möglicherweise nur eine Zwischentechnologie sein könnten, und dass man gleich auf die Endtechnologie setzt, und da war wohl damals die Brennstoffzelle klar favorisiert". Erzählerin: Professor Martin Winter vom Institut für physikalische Chemie der Universität Münster gilt als der maßgebliche Batterienforscher in Deutschland. O-Ton: "Wir sind uns bewusst, das ganzheitliche Denken, also die gesamte Wertschöpfungskette, vom Material bis zur Anwendung, bis zum Automobil, bis zum Laptop, bis zur stationären Energieversorgung, dass das ne große Rolle spielt. Und da gehört eben dazu, dass das Rohmaterial, also der Rohstoff, aus dem nachdem dann die Chemikalien und die Materialien hergestellt werden, die Batterien ihren Einsatz finden, dass die auch damit einbezogen werden. Eigentlich ist es so, dass wir uns nicht nur über die Technologien, die möglichst auch national aufgestellt sind, dass wir dort eigene Zugänge haben, sondern auch über die Rohstoffsituation, da sollten wir uns Gedanken machen". Erzählerin: Was Professor Winter damit sagen will ist, dass es nichts nützt, eine leistungsfähige Batterie zu entwickeln, wenn letztendlich die Rohstoffe dazu entweder schlecht zu bekommen, oder überhaupt nur knapp vorhanden sind. In diesem Fall ist es das chemische Element mit der Ordnungszahl 3 mit dem Symbol Li. Lithium. O-Ton: "Die Lithium-Ionen-Batterie hat unter allen wiederaufladbaren Batterien ? die sog. Akkumulatoren ? die höchste Energiedichte, und die Energiedichte geht mit der Reichweite. Also auch die größte Reichweite. Wenn Sie 1000 km weit fahren wollen, dann müssen Sie mit einem Bleiakku sechs Tonnen vorlegen und mit einer Lithium-Ionen-Batterie weniger als eine Tonne." O-Ton: "Langfristig ist das große Ziel, dass Autos rein als Elektrofahrzeug 400 bis 500 oder sogar 600 km fahren können. Letztendlich wird sich diese Entwicklung aber an der Entwicklung der Batterien entscheiden." Erzählerin: Für die Lieferung des Rohstoffs, Lithium, ist Steffen Haber von der Frankfurter Firma Chemetall zuständig. Die hat eine längere Geschichte und Erfahrung: Take: "Die Aktivitäten des Lithiumgeschäftes gehen zurück auf das Jahr 1923, in dem zum ersten Mal im Harz, hier in Deutschland, Lithiummetall hergestellt wurde für das sog. Bahnmetall, eine Lithium-Blei-Legierung, die eingesetzt wurde für die Achs-Lager in Zügen". Erzählerin: Chemetall gehört zur amerikanischen Rockwood Corporation, die auch an Dynamit Nobel, der Metallgesellschaft und der Degussa beteiligt ist. Der Bedarf steige rapide, so Haber. Lithium wird nicht nur für Batterien benötigt, sondern auch für die Behandlung Manisch-Depressiver und als Futterbeimischung in den Fischfarmen, um Lachsfleisch rot zu färben. Man braucht es für Emaille, Keramik, Aluminium und in der Atom- und Waffenindustrie. Aber es ist ein eher seltenes Metall. Es kommt in Mineralien gebunden oder als Salz in großen Seen vor. Lithiumhaltige Steine werden in Australien, China und Kanada abgebaut, Lithiumsalze durch Verdunstung aus Salzseen in Lateinamerika gewonnen. In Europa gibt es keine wirtschaftlich rentablen Vorkommen. Etwa die Hälfte des weltweiten Lithiums wird in Bolivien vermutet ? ein Alptraum für Investoren. Nicht nur, weil der Schatz in der Salzwüste Uyuni lagert, in schwindelnder Höhe, ohne Strom, ohne Internet, ohne Straßen, ohne Häfen. Sondern auch, weil dort eine indianische Bevölkerung lebt, die bei den Verhandlungen mitreden und einen Teil des Gewinnes abhaben will. O-Ton: Que van a la toma de ... Erzählerin: Januar 2010: Das Fernsehen berichtet aus dem Parlament von La Paz über die Antrittsrede Evo Morales zum Beginn seiner zweiten Amtszeit. Im Dezember hatte er 64 Prozent aller Stimmen erhalten. Die südamerikanischen Staatschefs sind versammelt, sowie hochrangige Vertreter der arabischen Länder und der spanische Kronprinz Felipe. Ursprünglich wollte auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy kommen. Er drängt Morales schon lange, endlich seinem Freund, dem Unternehmer Vincent Bolloré, die Konzession für die Erschließung von Boliviens Lithium-Vorräten zu erteilen. Doch Morales lässt sich Zeit, pokert auch mit anderen. Deshalb schickte Sarkozy einen Mann aus der zweiten Reihe. Deutschland ist ebenfalls nur durch den Europaabgeordneten Lothar Bisky von der LINKEN vertreten. Morales schwor, mit erhobener Faust, aufs Vaterland: O-Ton: Nos decia companeros ... Übersetzer Morales:Als wir die neue Verfassung verabschiedet haben, sagten sie, wir werden evangelische und katholische Kirchen schließen! Alles mögliche haben sie an die Wand gemalt. Aber wie viele Kirchen haben wir geschlossen? Nichts von den Anschuldigungen ist eingetreten. Dafür haben wir jetzt im Kongress zwei Drittel aller Sitze. Musik: Wara Altiplano Erzählerin: Die eigentliche Zeremonie war am Vortag gefeiert worden. In den heiligen Tempel-Ruinen des Tiahuanacu-Reiches, das liegt 70 Kilometer von La Paz entfernt, am Ufer des Tititaca-Sees. Seine Kultur hatte sich zweitausend Jahre bis etwa 1200 nach Christus, vom Süden Perus bis nach Nordargentinien erstreckt. Im hellroten Gewand war er im Hubschrauber eingeflogen, eskortiert von "Ponchos Rojos", Kriegern der indigenen Andenvölker. Aymara-Priester verliehen ihm die Segnung der Erdgöttin Pachamama - ein Reinigungsritual mit Wasser und Feuer. Auf dass der Geist des Präsidenten sich erhellen und Energie seinen guten Weg begleiten möge. Morales hatte der jubelnden Menge das Ende des "neoliberalen Modells" und des "US-Imperialismus" verkündet. Musik: Wara Altiplano Erzählerin: Über Jahrhunderte wurde in Bolivien Silber und Zinn abgebaut, zuerst von der spanischen Kolonialmacht, dann von ausländischen Konzernen. Seit der bürgerlichen Revolution von 1952 versuchten nationalistische Bewegungen, den Bergbau in eigene Hände zu nehmen. Die große Mehrheit aller Bolivianer befürworteten dies ? schon lange bevor Evo Morales an die Regierung kam. Take: Litio si es la reserva mas grande ... Übersetzer Roelant:Unser Lithium ist die größte Reserve weltweit. Ob es 50 oder 80 Prozent der globalen Vorkommen sind, darüber streiten sich die Experten. Aber es hat strategische Bedeutung. Erzählerin: Im Bergbauministerium in La Paz laufen bei Guillermo Roelant, einem gebürtigen Belgier, alle Informationen zusammen. Er kennt die Berechnungen der Amerikaner, dass 5,4 Millionen Tonnen Lithium hier lagern und den Bericht eines französischen Unternehmens, das eine "Lithium-Lücke" auf dem Weltmarkt prognostiziert. Die Frage ist also, wer das kostbare Metall bekommen wird. O-Ton: Se ha decidido ... Übersetzer Roelant:Das Vorhaben wird zu hundert Prozent staatlich sein. Ohne private Beteiligung. Von der Förderung im Salzsee, bis zum Verkauf und Export der Produkte Lithium, Kalium und Magnesium. Erzählerin: Viele Jahre stritten sich die Bolivianer darüber, wem ein Bodenschatz gehört. Dass der Staat besitzt, was sich in der Erde befindet ? darüber war man sich schnell einig. Aber was einmal aus der Tiefe geholt ist, darf das ein privates Unternehmen vermarkten? Als ihr Eigentum oder in Konzession? Beim Erdöl ist diese Frage entschieden. Laut Verfassung muss der Staat von der Förderung bis zum Verkauf alles in seiner Hand behalten. Evo Morales hatte deshalb vor vier Jahren die ausländischen Erdöl-Raffinerien von Soldaten besetzen lassen. Ähnlich will der Präsident nun auch beim Lithium verfahren. Er hält sich allerdings die Möglichkeit offen, Investoren über Dienstleistungsverträge und Lieferzusagen zu beteiligen. Schließlich braucht er möglicherweise ihr Know How. Musik Erzählerin: Bisher wird Lithium nicht an den internationalen Börsen gehandelt. Über den Preis verhandeln Anbieter und Abnehmer direkt. Derzeit beherrschen zwei US-Konzerne den Markt: Rockwood und die FMC-Corporation, in der die einst führende Lithco, die Lithium Corporation, aufgegangen ist. Die Frage ist nur: Wer wird in Zukunft den Preis bestimmen? Evo Morales und die Indianer? Eine Börse, im Hochland der Anden? Oder wird sich gar ein Kartell der Lithium-produzierenden Staaten bilden, nach dem Vorbild der OPEC, mit Bolivien als "künftigem Saudi-Arabien" wie die New York Times befürchtet? O-Ton: No somos y no vamos ser ... Übersetzer Roelant:Wir sind nicht Saudi-Arabien und werden es nicht sein ... Erzählerin: Und die deutsche Chemetall beruhigt: "Business as usual" . Die bolivianischen Funde machten nicht fünfzig, sondern nur zwanzig Prozent der Weltvorkommen aus. Im Salzsee sei viel Magnesium, das das Lithium verunreinige und seine Vermarktung. Außerdem habe Bolivien bislang keine Technologie, das Problem zu lösen. Warum man nicht mit der Regierung in La Paz verhandle? Steffen Haber lacht bitter. Die Franzosen hätten es ja probiert. Aber Bolloré sollte dafür eine Batterie-Fabrik bauen. Mitten auf dem Altiplano! In einer Höhe von 4000 Metern! Haber ist empört! Mit Morales verhandele sein Unternehmen nicht. O-Ton Haber:"Wenn wir nach Bolivien gehen würden, sähen wir das als sehr starke Herausforderung an, mit den bolivianischen Behörden in Kontakt zu treten". Musik Atmo: Café Beirut La Paz Erzählerin: Ein Café in La Paz. Ich treffe Felipe Quispe, einen Führer der "Movimiento Indígena Pachakuti", der Bewegung der indigenen Völker. Die Regierung steht im eigenen Land unter Druck, den einen gehen ihre Pläne zu weit, den anderen sind sie nicht radikal genug. Atmo: Café Erzählerin: Zu letzteren gehört Felipe Quispe. Er hält es zwar für einen "Fortschritt", dass die neue Verfassung den indigenen Völkern die Kontrolle des Bergbaus einräumt. Aber seine Ziele hat er weiter gesteckt. O-Ton: Que el indio debe tomar ... Übersetzer Quispe:Die Indios müssen die Macht ergreifen und selbst regieren. Wir müssen die Ländereien unserer Vorfahren in Besitz nehmen. Erzählerin: Auf Morales ist er nicht gut zu sprechen. Er lasse sich nicht in die Karten gucken und informiere die Indianer nicht über den Verlauf seiner Verhandlungen. Dabei hatten die sich eine Beteiligung schon im Vorfeld gewünscht, und nicht erst, wenn die Verträge bereits unterschrieben sind. Atmo: Busterminal La Paz Erzählerin: Im Busbahnhof von La Paz herrscht reger Betrieb. Frauen mit bunten Röcken und Filzhüten bieten Proviant an. Von hier aus gehen die Überlandbusse ins Tiefland und nach Oruro, Sucre und Cochabamba. Die Reisenden fragen sich von Schalter zu Schalter, wann der nächste Bus fährt. Atmo: Busterminal La Paz Erzählerin: Aufbruchsstimmung herrscht im Land, seit Evo Morales, der Kokabauer mit indianischen Vorfahren, das Zepter führt. Musik Erzählerin: Vom Busbahnhof ist es nicht weit zum Bergbau-Ministerium. Das Büro von Guillermo Roelants ist zehn Quadratmeter groß, karg eingerichtet. O-Ton: Se confirman reservas que son fantasticas ... Übersetzer Roelant:Wir besitzen phantastische Reserven, einen wahren Schatz! Wir führen derzeit Tiefbohrungen durch. Sie haben nicht nur das Ausmaß der Vorkommen, sondern auch die hohe Konzentration bestätigt. Erzählerin: Das Ministerium baut am Rande des Salzsees eine Pilotanlage. Sie wird zehn Millionen Dollar kosten und soll zwei Jahre in Betrieb sein, bis die endgültige Fabrikationsstätte zur industriellen Herstellung von Lithium in Betrieb gehen wird. Gas- und Stromleitungen müssen verlegt, Straßen gebaut, Eisenbahnnetze erweitert werden. O-Ton: Existen muchas posibilidades ... Übersetzer Roelant:Ausländische Konzerne und Banken bieten uns Kredite an, die wir mit künftigen Lieferungen zurück zahlen sollen. Was die Kapitalbeschaffung angeht, haben wir also nicht das geringste Problem. Erzählerin: Haben sich die Konzerne nicht abschrecken lassen, nachdem seine Regierung die Öl-Raffinerien des brasilianischen Unternehmens Petrobras verstaatlicht hatte? Roelant lächelt. O-Ton: La cosa anda muy bien .... Roelant: Mit Brasilien läuft alles sehr gut, wir respektieren uns. Erzählerin: Die diplomatischen Beziehungen waren zunächst vereist. Petrobras ist schließlich ein halbstaatliches Unternehmen. Doch seit einem Jahr tut Brasilia so, als sei nichts gewesen. Präsident Lula da Silva verhandelt mit Morales auf Augenhöhe. Der Konzern Vale do Rio Doce mit Sitz in Rio de Janeiro hat ein Auge auf die Lithium-Vorkommen bei Uyuni geworfen. O-Ton: Con Brasil se ha firmado ... Übersetzer Roelant: Mit Brasilien haben wir eine bilaterale Absichtserklärung unterschrieben. Brasilien erkennt darin an, dass unser Lithium-Projekt hundert Prozent staatlich ist. Und wir erkennen das brasilianische Interesse an. Brasilien wird uns bei der Technologie helfen und kann auf privilegierte Art zu Marktpreisen Lithium erwerben. Erzählerin: Mit Korea habe man ein fast gleichlautendes Abkommen unterzeichnet. Einzelheiten nennt er nicht, etwa was unter "Marktpreisen auf privilegierte Art" zu verstehen ist. In der Presse hieß es, Brasilien wolle dafür die gesamte Textilproduktion Boliviens aufkaufen. Bisher ging sie in die USA, aber seit das Verhältnis zu Washington auf dem Nullpunkt gelandet ist, liegt sie darnieder. Der brasilianische Absatzmarkt mit seinen fast 200 Millionen Konsumenten würde Bolivien viele Arbeitsplätze sichern. Aber Morales hat höheres im Sinn, heißt es in seinem Bergbauministerium. O-Ton: Donde si se invita mas bien ... Übersetzer Roelant: Wir wollen, dass hier Batterien und Elektroautos gebaut werden. Alles, was man mit Lithium industriell herstellen kann. Erzählerin: Die Idee ist bestechend, gibt Fernando Molina zu, Herausgeber des oppositionellen Blattes "Pulso" und Autor des Buches "bolivianische Ideen". Seit der blutigen Eroberung durch die Spanier waren es stets Ausländer, die Metalle unverarbeitet exportierten. O-Ton: Sirvió para animar la economia ... Übersetzer Molina: Silber und Zinn belebten über Jahrhunderte hinweg die koloniale Wirtschaft. Jetzt ist es das Gas und bald das Lithium. Erzählerin: Reich geworden seien nur die anderen. Die lokalen Eliten hätten die Gewinne aus dem Rohstoff-Verkauf im Ausland angelegt. O-Ton: Encuentran los recursos ... Übersetzer Molina: Für viele sind Metalle nicht Vorkommen der Natur, sondern ein Versprechen für wirtschaftliche Unabhängigkeit und Entwicklung. Erzählerin: Deshalb wolle Morales jetzt mit Hilfe des Lithiums eine moderne Infrastruktur schaffen. Die Erze sollen nicht nur im Ausland zu hochwertigen Industrieprodukten verarbeitet werden, sondern im Land selbst. Anfangs wurde dieses Ansinnen belächelt, doch offensichtlich ist das Interesse an diesem Rohstoff so groß, dass der Französische Konzern Bolloré eine Batteriefabrik versprochen habe, die Russen gleich eine komplette Elektroauto-Produktion, und die Iraner Technologietransfer. Molina hält das für unrealistisch: O-Ton: Es una forma de ganarse el corazón .... Übersetzer Molina: Auf diese Weise wollen sie das Herz des Präsidenten gewinnen, um die Abbau-Konzession zu bekommen. Nur die ist ein Geschäft. Erzählerin: Für den Aufbau einer eigenen Lithium-verarbeitenden Industrie in Bolivien fehlten qualifizierte Arbeitskräfte und Zulieferer. Im Land könne nicht einmal Plastik produziert werden. Außerdem herrsche eine totale Rechtsunsicherheit, Polizei und Justiz erfüllten ihre Aufgaben kaum. O-Ton: Tiene muy poco capital humano ... Übersetzer Molina: Wir haben weder menschliches noch finanzielles Kapital. Unsere Geographie ist sehr kompliziert. Dreißig Prozent unseres Staatsgebietes liegt über 3000 Meter, und wir haben keinen Zugang zum Meer. Erzählerin: In der Höhe des Altiplano einen High-Tech-Tempel für die noch zu entwickelnden Autobatterien zu errichten, wäre um ein vielfaches teurer als in Südkorea oder São Paulo, sagt Molina. Damit hat er Recht. Doch Evo Morales verhandelt, und was dabei herauskommt, wird man sehen, wenn die Verträge unterzeichnet werden. Bis dahin kann viel passieren. Atmo: "Potosí, Potosí ..." Erzählerin: Uyuni liegt im Department Potosí, im Südwesten Boliviens. Von La Paz aus fährt ein Zug in die Kleinstadt, am Ufer des Salzsees. Am Rand der Gleise Lamas und Ziegen, am Horizont die schneebedeckten Anden. Uyuni ist ein staubiges Dorf mit niedrigen Lehmhäusern und sandigen Wegen. Den Bahnhof bevölkern Rucksack-Touristen. Verbeulte Busse warten mit laufendem Motor. Frauen werben in letzter Minute mit lauter Stimme um Fahrgäste. Sie tragen Jeans und Pumps, keine bunten Röcke oder Filzhüte. Was die junge Frau von dem Lithium-Boom hält? O-Ton: Para una parte si ... uyuni 1. Zitatorin: Einerseits bin ich dafür. Es wird Arbeit geben, die Leute sind sehr arm. Aber es gibt Argumente dagegen. Erzählerin: Welche das sind, verrät sie nicht. Sie will sich nicht die Zunge verbrennen. Neben ihr eine Indianerin, steinalt und beladen. O-Ton: Si, no sé, si, si ... 2. Zitatorin: Ich kann nichts sagen. Ich lebe auf dem Land, habe aber davon gehört. O-Ton: El litio primero hay que ver donde ... Erzählerin: Man müsse erst mal feststellen, wo sich das Lithium befindet, meint eine Händlerin. O-Ton 1. Zitatorin: Alle wollen dort arbeiten, aus verschiedenen Dörfern. Das ist gut, denn es bringt Arbeit. Aber wir erfahren nicht, was im Gange ist, wann es losgeht, was sie fördern wollen. Das wissen wir nicht. Erzählerin: Um den Salzsee herum leben ein paar tausend Menschen. Die Nachricht vom künftigen Lithium-Boom hat sich in den Dörfern bereits herumgesprochen ? und heftige Debatten über die Verteilung der zukünftigen Gewinne ausgelöst. Doch Details verrät die Regierung bisher nicht. Nach der neuen Verfassung dürfen die indigenen Gemeinschaften beim Bergbau in ihrem Gebiet mitreden und erhalten, ebenso wie das Department und die Provinz, einen Anteil am Gewinn. Im Department Potosí hat die "Bewegung für den Sozialismus" das Sagen, die Partei von Evo Morales. Besuch bei Francisco Quisbert, Generalsekretär des lokalen Gewerkschaftsverbands Fructas. Sein Büro ist in einer kleinen Radiostation am Rande Uyuni´s untergebracht. Es besteht aus einem Schreibtisch, einem Bücherregal und zwei Stühlen. O-Ton: Nosotros decimos es mejor ... Übersetzer Quisbert: Wir können mit Lithium besser umgehen als ein multinationales Unternehmen. In Bolivien wird doch regelmäßig die Verstaatlichung gefordert. Da können wir das Ganze gleich vor Ort in unsere Hände nehmen. Erzählerin: Sein ganzes Leben hat er davon geträumt, dass eines Tages der Reichtum Uyunis den Bauern zugute komme. Er weiß, wer in welcher Firma im Vorstand sitzt und Aktien hält. Früher war das Herrschaftswissen, heute flimmern diese Informationen über die Bildschirme im hintersten Winkel der Welt. Seine Augen strahlen. Der Salzsee birgt neben Lithium auch Kalium und Magnesium, mit dem die Bauern den kargen Boden düngen könnten. O-Ton: Quinua principalmente ... Übersetzer Quisbert: Wir haben immer Quínua angebaut. Aber unser Boden gibt nicht viel her. Wir brauchen Dünger, Strom, Landstraßen, Gasleitungen. Bislang behelfen sich die Bauern mit Spirituskochern und Kerzen. In Uyuni brechen, wenn es regnet, die Masten ab. Wir brauchen einen Entwicklungsplan für das Ganze Department. Musik O-Ton: Jeep Erzählerin: Marcelo Castro leitet vor Ort den Bau der Pilotanlage der Regierung. Im weißen Jeep brettert Marcelo, wie ihn alle nennen, jeden Morgen von Uyuni zur Baustelle.. Der Salar, der von einer gewaltigen Salzkruste bedeckte See, ist eine einzige weiße Fläche. Man muss sich auskennen, denn Markierungen fehlen gänzlich. Marcelo orientiert sich an den Bergen und am Stand der Sonne. Bei schlechter Sicht kann man vom Weg abkommen und in einen Bereich des Salars geraten, in dem die Salzkruste dünn oder feucht ist. Einmal sind Touristen, die auf eigene Faust losgezogen sind, nicht mehr zurück gekommen. Die Sonne brennt auf der Haut. In der Ferne scheint ein Zug zu fahren. Eine Eisenbahn, hier oben im Salar? Eine Lichtspiegelung, erklärt Marcelo, außer Salz und grellem Licht gibt es hier nichts. Von Uyuni bis auf die andere Seite des Salzmeeres, bis zur Baustelle, braucht man eine Stunde. Atmo: planta piloto - Baugeräusche, Gerede. Kisten, Maschinen Erzählerin: Eine Schranke versperrt den Weg. Marcelo winkt dem jungen Mann zu, der Jeep rollt ins Camp. Es untersteht direkt dem Bergbauministeirum in La Paz. Oben, auf einer steinigen Anhöhe, prangt eine Antenne, daneben wehen zwei Fahnen: die Whipala der Andenvölker mit ihren bunten Quadraten, und die offizielle Flagge des "plurinationalen Staates Bolivien" in Rot-Gelb-Grün. Unten, im Camp, ein Wassertank und die Unterkünfte. Überall wird gehämmert. Eustáquio, der Vorarbeiter, war vom ersten Tag an hier. O-Ton: No teníamos agua y hemos ... Übersetzer Estaquio: Wir bringen Trinkwasser mit Tanklastwagen her. Anfangs haben uns die Dörfer der Umgebung versorgt, aber das reicht nicht. Wir haben einen Brunnen gegraben, und was wir hochpumpen, ist trinkbar. Wir nutzen es vor allem für die Bauarbeiten. Musik Erzählerin: Im September 2008 wurden Fertigbauten für die über zweihundert Arbeiter aufgestellt, dann die Labors und Büroräume. Die meisten kommen aus der Umgebung. Das Lithium wird durch Verdunstung aus dem Wasser des Sees gewonnen und soll in den Fabriken zu Lithiumkarbonat verarbeitet werden, einem weißen Pulver, dem Grundstoff der Batterien. Es ist Mittag und der Bauleiter hat eine Versammlung einberufen. Die Sonne brennt gnadenlos, Sand wirbelt durch die dünne Luft des Altiplanos. Die meisten tragen eine Mütze, in die Löcher für Augen, Nase und Mund geschnitten sind, und darüber einen Bauhelm mit einer Blende für die Augen. Die Arbeiter warten geduldig unter einem Schatten spendenden Aluminiumdach. Atmo: Arbeiter Erzählerin: Marcelo ist nicht nur für die technische Leitung der Anlage zuständig. Er geht von einem zum anderen, verteilt Flugblätter der Regierungspartei. Heute Abend findet in Uyuni ein Treffen statt, aus La Paz reist ein Kader an. Wer kann, soll kommen und Vorschläge mitbringen. Gibt es Fragen? Die Arbeiter schweigen. Die Ingenieurin Mariza Vallejos ist für das Labor zuständig, beziehungsweise für das, was einmal ein Labor werden soll. Noch schickt sie alle Proben zur Auswertung nach La Paz. O-Ton: Hemos logrado ... 1. Zitatorin: Wir haben bereits Lithium-Karbonat hergestellt. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als unser Präsident uns einen Besuch abgestattet hat. Im Prinzip beherrschen wir also das Verfahren, aber noch ist alles sehr umständlich, weil die Labors nicht fertig sind. Erzählerin: Die Ingenieurin verbreitet Optimismus, tut so, als hätten ihre Techniker alles unter Kontrolle. Seit vielen Jahren werde Karbonat in Chile und Argentinien hergestellt, auch hier werde das gelingen, meint sie. Aber weist nicht die Salzlauge in Uyuni einen hohen Anteil Magnesium auf? Sie nickt und zeigt auf ein Dutzend Plastik-Wannen. Darin schwimmen Salzkristalle. O-Ton: Estamos haciendo pruebas ... 1. Zitatorin: Wir testen die Verdunstung, hier und draußen im Salar. Wir messen in diesen Wannen die Dichte und die Temperatur der Flüssigkeit, um den Konzentrationsprozess zu beschleunigen. Die Verdunstung geschieht in drei Etappen. In der ersten flockt das Natrium aus, in der zweiten das Kalium, und in der dritten trennen wir das Magnesium. Das Endprodukt ist konzentriertes Karbonat. Im Salar verdunstet die Feuchtigkeit schneller, weil dort mehr Wind weht, es heißer ist und es mehr UV-Strahlen gibt. Erzählerin: Wird nicht doch ausländische Hilfe benötigt, etwa in Form von Patenten? Die Ingenieurin schweigt. Sie will keinen Fehler machen. Diese Frage soll Marcelo beantworten. Und für den ist technisch machbar, was die Regierung will. O-Ton: Lo que está claro ... Übersetzer Marcelo: Klar ist, dass die Pilotanlage für die Herstellung von Karbonat, hundertprozentig staatlich sein wird. Erzählerin: Gewiss. Die Pilotanlage. Aber die Herstellung im großen Stil für den Export? - Darüber werde in La Paz verhandelt. O-Ton: Bolloré, Mitsubishi ... Übersetzer Marcelo: Die französische Firma Bolloré, die japanischen Mitsubishi und Sumitomo, und LG aus Südkorea sitzen im Wissenschaftskomitee, das wir für die internationale Kooperation mit Firmen und Institutionen eingerichtet haben. Erzählerin: Was verhandelt wird, ist geheim. Ab und zu sickert etwas durch. Und je länger die Bolivianer pokern, desto höher werden die Angebote. Bolloré will nun doch eine Batterie-Fabrik errichten und sich mit dem Rohstoff bezahlen lassen. Dann kamen die Russen und stellten eine komplette Auto-Fabrik im Altiplano in Aussicht. Elektrogetriebene Niwas oder Ladas made in Bolivia? Musik O-Ton: En la época liberal ... Übersetzer Marcelo: In neoliberalen Zeiten wäre das als "Utopie" abgetan worden. Aber wir haben unsere Selbstachtung wieder erlangt. Das ist keine Utopie. Erzählerin: Die größten Chancen hat jedoch das brasilianische Unternehmen Vale do Rio Doce, der größte Stahlhersteller der Welt. Hat er vielleicht ein ganzes Industrie-Zentrum versprochen? O-Ton: Si la pregunta es personal ... Erzählerin: Ihm persönlich würde dies gefallen, sagt der Leiter der Pilotanlage. Atmo: Planta salar,Schritte Erzählerin: Nach dem Mittagessen will Marcelo die Becken zeigen. Salzkristalle knirschen unter den Schuhen. Die Kruste ist dick genug, um Menschen und Maschinen zu tragen. Musik O-Ton: Aqui estamos juntando las sales ... Übersetzer Marcelo: Die Becken werden eine Fläche von fünfzehn Hektar belegen. In einigen werden wir Kaliumchlorid isolieren, in dreizehn Becken Lithiumkarbonat. Dazu pumpen wir Millionen Liter Salzwasser hoch und warten, bis sich dank der intensiven Sonnenstrahlung und der Winde achtzig Prozent der Flüssigkeit verflüchtigt haben. Jeden Tag sinkt der Pegel um 6,2 Millimeter, es geht also recht schnell. Die Verdunstung ist das billigste Herstellungsverfahren. Erzählerin: Viele bezweifeln, dass dieses Verfahren tatsächlich funktioniert. In Bolivien regnet es von November bis Februar, in der chilenischen Atakama-Wüste regnet es nie. Und das Salzwasser Uyunis weist Mineralien auf, die die Gewinnung von Lithium erschweren. Erzählerin: Das Bergbauministerium will den Eindruck erwecken, den gesamten Prozess unter Kontrolle zu haben und keine Hilfe zu benötigen. Aus dem Ausland sowieso nicht - aber auch nicht aus dem eigenen Land. Das Thema ist Marcelo peinlich. Er weiß natürlich, dass es an bolivianischen Universitäten Fachkräfte gibt, die bei der Entwicklung einer "billigen Produktionsweise" helfen könnten. Eigentlich müsste die Regierung von Evo Morales darüber glücklich sein. Das ist sie aber nicht, denn sie hat ein politisches Problem. Die Chemiker, die zum Beispiel an der Universität von Potosí an der Lithium-Gewinnung arbeiten, stehen der "Bewegung für den Sozialismus" feindlich gegenüber und kooperieren zudem mit einer deutschen Universität, hinter dem Rücken der Regierung. Atmo: Bus nach Potosí Erzählerin: Von Uyuni nach Potosí fährt morgens und abends ein Bus. Eine Klimaanlage fehlt ebenso wie eine Heizung, tagsüber heizt sich das Innere des Busses unerträglich auf, nachts wird es sehr kalt. Potosí liegt am Fuß des legendären "Silber-Berges". Ihn schlachteten die Spanier förmlich aus und trieben Indios wie Sklaven in die Stollen. Die Edelmetalle finanzierten das spanische Kolonialreich und den Luxus der europäischen Königshäuser. Für Bolivien und für die Bolivianer hinterließ er nichts. Potosí ist bitterarm, wird nicht einmal von der nationalen Fluglinie angeflogen. Das Departement Potosi besteht aus sechzehn Provinzen, in denen mehrere indigene Völker leben, die keineswegs immer einer Meinung sind. Sie stritten sich schon um das Land, bevor die Spanier kamen. Das interessierte lange Zeit kaum jemanden. Doch nun, wo das Lithium lockt, sind die Stammesfehden wieder ausgebrochen. Milton Lérida kommt aus Llica, einem der verlorenen Dörfer auf dem Altiplano. Verwaltungsrechtlich ist Llica "Hauptstadt" der Provinz Daniel Campos. Seine Vorfahren, erzählt Milton stolz, die kämpferischen Aymara, hätten schon die Inkas in die Flucht geschlagen. Nun will er Morales in die Flucht schlagen. O-Ton: Pero en la práctica .... Übersetzer Milton: Wir sind wegen des Lithiums nicht konsultiert worden. Wir haben ganz andere Pläne als die Regierung. Erzählerin: Milton hat in der Schweiz studiert, versteht deutsch. Damals habe er die Pläne der Lithco verhindert, als "Präsident des Bürgerkomitees". Natürlich war er es nicht allein. Eine breite Bewegung hatte den Vertrag mit der Lithco abgelehnt und im Parlament zum Scheitern gebracht. Jetzt steht Milton auf Seiten der Ausländer. Dank seiner Sprachkenntnisse hat man ihn gerufen, als aus Deutschland ein Professor nach Uyuni gekommen war, um an der autonomen Universität Potosí an der Lithiumgewinnung zu arbeiten. Ohne die Erlaubnis der Regierung in La Paz. Die Forscher der Universität Freiberg sind Spitzenklasse, sie haben uns hier besucht, so der Professor für Bergbau, Jaime Claros, aus Potosí, der in den siebziger Jahren im sächsischen Freiberg studiert hat. Übersetzer Claros: Wir haben mit unseren deutschen Kollegen einen chemischen Prozess und ein Herstellungsverfahren für Lithiumkarbonat entwickelt. Musik Erzählerin: Die Bergbauakademie der Technischen Hochschule Freiberg ist führend in der Lithiumforschung. In einer "Lithium-Initiative" haben sich jüngst Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen mit Partnern aus der Industrie zusammengetan und die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Wissenschaftler auf 5 Jahre mit 8 Millionen Euro. Prof. Rizzo und sein Kollege Prof. Claros im bolivianischen Potosi haben allerdings einen schweren Stand. Studenten boykottieren ihre Vorlesungen und bezichtigen sie der "Zusammenarbeit mit dem Imperialismus". Außerdem ist der ganze Betrieb chronisch unterfinanziert, Professoren verdienen einen Hungerlohn, Stipendien sind rar. Und von den Geldern aus Deutschland weiß man nur, dass sie fließen, aber nicht wie hoch sie sind. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Studenten unterstellen das Schlimmste: Verrat der nationalen Interessen. O-Ton: La parte de la evaporación ... Übersetzer Rizzo: Wir haben zusammen mit der Universität in Freiberg ein chemisches Verfahren für die Verdunstung der Salzlake mittels Kegel entwickelt. Das Patent wurde auf den Namen der beiden Hochschulen angemeldet. Erzählerin: Vier bolivianische und sechs deutsche Forscher werden namentlich genannt, darunter Professor Wolfgang Voigt aus Freiberg, der Initiator der deutschen "Lithium-Initiative". Er gilt als Vater der Kegeltechnik, die speziell für die klimatischen Bedingungen Uyunis entwickelt wurde. Während in Chile die Verdunstung neun Monate dauert, soll dies in den Kegeln innerhalb eines Monats zu bewerkstelligen sein. Alle Bitten der Universität Potosí um ein Gespräch in Sachen Lithium seien unbeantwortet geblieben. Dann sei aus Freiberg Professor Voigt angereist und habe alleine im Bergbau- Ministerium vorsprechen müssen. Sie, in Potosí, seien dagegen von linksradikalen Studenten angegriffen worden. Die Regierung sei stur geblieben. Vielleicht deshalb, weil sie sich nicht von Ausländern abhängig machen wolle? Professor Claros schüttelt den Kopf: O-Ton: Nosotros no pensamos ... Übersetzer Claros: Wir haben (lediglich) die Technologie. In die Vermarktung mischen wir uns nicht ein. Etwa, indem wir verlangen würden, dass (für unsere Patente) das Lithium an Deutschland geliefert werden muss. Musik: Musikakzent Erzählerin: Die Professoren in Potosí forschen weiter. Sie fahren zum Salzsee und entnehmen Bodenproben. Demnächst sollen die ersten Kegel eingeweiht werden. Eine Genehmigung der Behörden für die Bohrungen besitzen weder sie noch ihre deutschen Kollegen. Das macht sie angreifbar, wenn die Regierung gegen sie vorgehen wollte. Die hat nämlich noch nicht entschieden, welche Methode sie benutzen wird, die Verdunstungsbecken nach chilenischem Vorbild oder die patentgeschützte Kegel-Technik. Es ist nicht auszuschließen, dass sie sich einfach über geltendes Patentrecht hinweg setzen wird. Wie und vor welchem Gericht sollte das verhindert werden? Guillermo Roelant behauptet: O-Ton: No hay ningun patente ... Übersetzer Roelant: Es gibt kein Patent zur Verarbeitung der Salzlaugen Uyunis. Wir werden unsere eigene Technologie entwickeln. Erzählerin: Aber welche soll das sein? Die überwiegende Mehrheit der Bolivianer will, dass der Staat die Bodenschätze selbst ausbeutet. Und die Regierung in La Paz will das auch. Sie träumt nicht nur von einer Batterie-Fabrik. Die rohstoff-produzierenden Länder sollten sich nicht länger gegenseitig ausspielen lassen und zusammenarbeiten, meint Roelant. O-Ton: A traves de la iniciativa boliviana ... Übersetzer Roelant: Unsere Debatte über Lithium hat Chile angesteckt. Handelsabkommen wie Mercosur und der Andenpakt haben den Kontinent verändert. Nicht nur wir ordnen unsere strategischen Rohstoffe in ein nationales Projekt ein. Das ist ein Hinweis. Erzählerin: Ein "Hinweis" oder eine Drohung mit einem Kartell, nach dem Vorbild der OPEC? Roelant verneint. Aber man brauche Strategien, um die Preise, wie er sagt, "gerecht" und "stabil" zu halten. O-Ton: No existe ningun afán ... Übersetzer Roelant: Wir werden die Preise nicht künstlich in die Höhe treiben. Wir wollen der Menschheit etwas Gutes tun, indem wir ihr einen Rohstoff, der wichtig für den Umweltschutz ist, verkaufen. Zu Marktpreisen, die gerecht für Bolivien und gerecht für die Endverbraucher sind. Alles wird transparent gehandhabt werden, ohne Monopol, und auf einer gerechten Grundlage. Musik Erzählerin: Was "gerecht" ist ? darunter versteht meistens der Verkäufer etwas anderes als der Käufer. Angesichts der Armut im Land ist den Bolivianern ein "gerechter Preis" in ihrem Sinne gegönnt. Sie haben etwas, das wir brauchen. Aber werden wir es kriegen? Collage: "Der Elektroantrieb soll eine der Technologien der Zukunft seien. Bei Daimler zum Beispiel ... " "Aber wir rechnen im Jahre 2015 mit zunächst 500 000 Autos im Jahr bei einer Weltproduktion ... " "Man würde gern eine Batterie haben, die eine Speicherung von viel Masse ermöglicht. Das heißt: lange Reichweite, die das auch schnell tun kann, schnelle Lade-, Entladezeiten. Das soll dann billig sein ... " "Wir werden dort eine Reichweite mit dem Auto haben, die vielleicht bei 150 km liegt. Wir werden eine Betankungszeit haben, die deutlich über 2 Stunden liegen wird ... " "Das Problem ist die Batterie. In sie lässt sich viel weniger Energie ... " "Den Zündschlüssel umdrehen, Schalter auf Dauerbetrieb stellen, Blinker raus ... " "Das Auto ist der Deutschen beliebtestes Fortbewegungsmittel ... " "Die schöne neue Welt des Stromautos hat mit dieser IAA noch nicht begonnen ... " "Wir rechnen damit, dass wir 2020 vielleicht eine Million - vielleicht sinds auch ein bisschen mehr - Elektromobile haben. Wir haben insgesamt 40 Millionen Autos. Man sieht also daran, dass das noch ne lange Strecke ist". Absage: Batterien aus Bolivien. Der Kampf ums Lithium Von Gaby Weber Es sprachen: Elisabeth Fintheis, Nadine Kettler, Isabelle Demè, Andreas Herder und Thomas Birnstiel Ton und Technik: Dietmar Rötzel und Judith Rübenach Regie: Günter Maurer Redaktion: Wolfram Wessels Eine Produktion des Südwestrundfunks mit dem Deutschlandfunk 2010 Musik 29