DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 12.02.2008 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 - 20.00 Uhr Berichte aus Mogadischu Der unabhängige Radiosender "Horn Afrik" Von Bettina Rühl URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Intro: Collage aus O-Tönen & Auszügen aus Programm Horn Afrik O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Wir Journalisten sind im Moment besonders gefährdet - wir sind allen Kriegsparteien lästig. Wenn wir über das berichten was hier passiert, machen wir uns zu ihren Feinden. O-Ton Ahmed Abdisalam We have to take some risks, because we cannot move from where we are unless some of us take some risk. Societies don´t move from difficult situations and improve unless the first take responsibility. Sprecher 2 Wir müssen Risiken eingehen. Gesellschaften können schwierige Situationen nur überwinden, wenn irgendjemand den ersten Schritt macht und die Verantwortung übernimmt. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Mogadischu ist gefährlich, die Menschen haben Angst. In einer solchen Situation ist unsere Aufgabe klar: Wir müssen berichten - nicht mehr und nicht weniger. Wir haben den Willen und die Verantwortung, das zu tun - wir können gar nicht anders. Sprecherin Berichte aus Mogadischu. Der unabhängige Radiosender "Horn Afrik". Ein Feature von Bettina Rühl Atmo Grundstück Horn Afrik Tür knarrt beim Öffnen, dann geht Said Ahmed voraus. Der Direktor unterhält sich leise mit denen, denen er begegnet. Ganz leise und im Hintergrund: Vögel, die in den Bäumen des Geländes sitzen. Musik Erzählerin November 2007. Said Ahmed führt mich über das Gelände des Radio- und Fernsehsenders "Horn Afrik". Die Fahrt hierher führte durch verwaiste Straßen und menschenleeres Gebiet, vorbei an verfallenden und zerschossenen Häusern. Kein Leben mehr, nur Spuren des Krieges zwischen der äthiopischen Besatzungsarmee und ihren somalischen Gegnern, die aus dem Untergrund heraus einen Guerillakrieg führen: Reste von Fahrzeugen, die nach der Explosion einer ferngesteuerten Bombe ausgebrannt sind. Am Straßenrand Buschwerk und Müll; der Wind hat die bunten Fetzen tief in Blätterwerk und Dornen getrieben. In den Ruinen türmt sich der Abfall. Die meisten Bewohner sind geflohen, nur einige Ziegen sind unterwegs und suchen in dem Dreck nach Futter. Wo in den schmalen Gasen mit dicht gedrängten Häusern noch Menschen unterwegs waren, wurde unser Auto aufmerksam beobachtet. Kein Ausweg, wenn hier jemand angreift. Unsere Blicke klebten an dem Geländewagen vor uns: Said Ahmed, der stellvertretende Direktor von Radio "Horn Afrik", hatte mich und meine somalischen Begleiter an einer Kreuzung etwas außerhalb von Mogadischu abgeholt und uns auf Schleichwegen durch das womöglich verminte Gelände geleitet. "Horn Afrik" liegt in einem besonders umkämpften Gebiet: Soldaten der äthiopischen Besatzungsarmee haben sich ganz in der Nähe in einem ehemaligen Sportstadion einquartiert. In den umliegenden Häusern und Straßen sammeln sich ihre somalischen Gegner. Durch diese Gegend muss Said Ahmed jeden Tag, wenn er zur Arbeit will. Das Grundstück des Senders ist nur durch ein eisernes Tor und hohe Mauern geschützt. Am Tor keine bewaffneten Wachen. Nur ein vorsichtiger Blick durch einen schmalen Spalt, der prüft, ob der Besucher Freund oder Feind ist. Atmo Grundstück Horn Afrik Erzählerin Die meisten Gebäude auf dem Gelände sind leer, die Anlage wirkt, als sei sie für viel mehr Menschen und viel mehr Betriebsamkeit angelegt. Unter einem Baum vor dem Hauptgebäude sitzen einige Männer auf dem Boden und essen Reis aus einer Schüssel. O-Ton Said Ahmed Look here, here are the bullets, here are the bullets. Last Friday, he stood there, you know they were firing, the bullets. Sprecher 3 Gucken Sie mal, hier sind die Einschusslöcher? Die sind von dem Freitag im November. Hier standen die Soldaten, da drüben stand einer von uns, auf den haben sie geschossen. Musik Erzählerin Die Soldaten, die am 3. November 2007 auf das Grundstück des Senders gestürmt waren, gehörten zur äthiopischen Armee. Die Truppen Äthiopiens waren Ende 2006 mit US-amerikanischer Unterstützung in Somalia einmarschiert, um eine so genannte "Union der Islamischen Gerichte" von der Macht zu vertreiben. Die internationale Gemeinschaft akzeptierte den Einmarsch, denn die äthiopische Regierung beschreibt Somalia als einen Frontabschnitt im weltweiten Krieg gegen den Terror. Tatsächlich scheint es einzelne Kontakte zum Netzwerk Al Qaida zu geben - doch deren Umfang wird ins Monströse übertrieben. Nach dem Sturz der Islamisten wurde eine Übergangsregierung installiert, die bis heute auf die Unterstützung der äthiopischen Besatzer angewiesen ist. Sie wird zwar von der internationalen Gemeinschaft anerkannt, doch die somalische Bevölkerung lehnt sie ab: Zu viele Schlüsselpositionen und Kabinettsposten sind von den Kriegsfürsten besetzt, die Somalia seit 1991 unter sich aufgeteilt haben und die Bevölkerung terrorisieren. Zudem galt die Regierung von Anfang an als Marionette der Äthiopier, die den Somaliern wegen wechselseitiger Gebietsansprüche als Erzfeinde gelten. Das Verhalten der äthiopischen Besatzer scheint alle Ressentiments zu bestätigen: Als Vergeltung für Anschläge werden ganze Stadtviertel unter Beschuss genommen, zurück bleiben hunderte oder tausende Tote. Nach Attentaten werden wahllos Zivilisten festgenommen und auf der Straße exekutiert. Frauen werden vergewaltigt und erschossen, wenn sie versuchen sich zu wehren. Am jenem 3. November 2007 hatten die äthiopischen Soldaten in der Nachbarschaft von "Horn Afrik" Haus für Haus nach Waffen durchkämmt, waren von der Guerilla angegriffen worden und hatten deshalb hinter der Umfassungsmauer des Senders Deckung gesucht. O-Ton Said Ahmed Even you can listen the bullets and the firing, you know in our programme, because they were fighting outside, north and south. And we were in between, north and south. There were the insurgents, and there were was the Ethiopian government, and we were in between the two sides. They were firing, cross firing. Sprecher 3 Man konnte die Einschläge der Kugeln und den Gefechtslärm in unserem laufenden Programm hören. Denn wir standen genau zwischen den Fronten: Auf der einen Seite die Aufständischen, auf der anderen Seite die Äthiopier, und wir genau mitten drin. O-Ton Said Ahmed In this programme participated the vice chairman of our parliament, and the other side was our journalists, they were the people who fled the town, therefore the journalists were going there to do programmes. I called them: how is the situation of the people? and they said: they don't have water, they don't have food! Then I asked the vice chairman of the parliament: What are you doing in Baidoa? Why don't you ask the world to help them? That was a good debate, but at the same time I was afraid because I listened to the firing, and the Ethiopian troops were coming into the compound, even ones I could see their dress and their guns - I wondered what they will do. This was a very serious situation, really. That was a very serious situation. Sprecher 3 An diesem Tag hatte ich den stellvertretenden Parlamentspräsidenten im Studio. Einige unserer Reporter waren in die Flüchtlingslager am Rande der Stadt gefahren, um zu sehen, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben. Ich rief meine Kollegen vom Studio aus an und sie erzählten, dass die Flüchtlinge weder Wasser noch Lebensmittel haben. Ich fragte den stellvertretenden Parlamentspräsidenten, warum die Regierung nichts für die Vertriebenen tut, und die Hörer beteiligten sich über Telefon an unserem Gespräch. Es war eine lebendige und gute Diskussion, obwohl ich die ganze Zeit Angst hatte, denn von draußen hörte ich den Gefechtslärm. Dann kamen die Äthiopier auch noch auf unser Grundstück. Ich sah sie durch das Fenster, sah ihre Waffen und fragte mich, was sie als nächstes tun werden. Das war eine sehr ernste Situation. Erzählerin Said Ahmed unterbrach seine Sendung nicht - schließlich hätten die Soldaten ja nicht das Studio besetzt, sagt er. O-Ton Said Ahmed Because I don't have another solution, because if I am standing there, I am inside the trouble. Better to sit in a room. Even the house in front of us, the other side of the road, that was our chairman's home, and the watchman, the guard man, they took him, they killed him, slaughtered him. You can see his blood. Very serious programmes. Sprecher 3 Was hätte ich sonst tun sollen? Draußen wäre es noch viel gefährlicher gewesen, deshalb fand ich es besser, im Studio zu bleiben. Nachdem die Äthiopier unser Grundstück verlassen hatten, gingen sie zu dem Haus auf der anderen Straßenseite - es gehört unserem Direktor Ahmed, er hat früher da gewohnt. Die Äthiopier töteten Ahmeds Wachmann, sie schnitten ihm die Kehle durch - sein Blut war noch lange auf dem Boden zu sehen. Erzählerin Jener Ahmed Abdisalam hat Horn Afrik 1999 zusammen mit seinem Freund Ali Iman Sharmake gegründet. Seit einigen Monaten lebt Ahmed Abdisalam im benachbarten Kenia. Ali Iman Sharmake blieb in Mogadischu: Die beiden hatten vereinbart, dass sie immer nur abwechselnd vor Ort sein wollten, damit sich jeweils einer von ihnen für eine Weile im sicheren Ausland erholen kann. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Der Tag, der für uns alle am Tragischsten war und den wir niemals vergessen werden, ist der 11. August 2007. Um sieben Uhr morgens wurde unser Kollege Mahad Ahmed Elmi ermordet, er war für "Capital Voice" verantwortlich, unser Programm speziell für die Hauptstadt. Er wurde noch am selben Tag beerdigt, unser Direktor Ali Iman Sharmake hielt die Trauerrede. Auf dem Rückweg von der Beerdigung geriet er selbst in einen Hinterhalt und wurde ebenfalls ermordet: unter seinem Auto detonierte eine Bombe. Erzählerin Abdullahi Kulmiye, einer der Reporter von Radio Horn Afrik. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Ich war nur fünf Minuten vor Mahad Ahmed Elmi zur Arbeit gekommen. Ich hörte die Schüsse, als sie ihn vor unserem Eingangstor umbrachten. Wer die Täter waren, weiß niemand - in Mogadischu weiß man das nie. Erzählerin Unbekannte hatten in einem Auto neben Elmi angehalten und ihn regelrecht exekutiert. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Es gibt viele bewaffnete Gruppen in Mogadischu. Manche morden aus politischen Gründen, andere morden, um sich zu bereichern. Sie stehlen ihren Opfern das Handy oder die Armbanduhr. Die bewaffneten Gruppen, die unter der Herrschaft der Islamisten verschwunden waren, sind wieder allgegenwärtig. Heute durchschaut niemand mehr, wer auf welcher Seite und für welche Ziele kämpft. Wir Journalisten sind besonders gefährdet - wir sind allen Kriegsparteien lästig. Wenn wir über das berichten was hier vor sich geht, machen wir uns zu ihren Feinden. Erzählerin Die Mörder von Ali Iman Sharmake und Mahad Ahmed Elmi könnten islamistische Untergrundkämpfer sein, vielleicht aber auch Auftragnehmer der Regierung. Allein 2007 wurden acht somalische Journalisten ermordet, etliche bei Überfällen zum Teil schwer verletzt und fast fünfzig Reporter von der Regierung verhaftet. Mehrere private Radiostationen wurden angegriffen und geschlossen. "Horn Afrik" aber macht noch immer Programm. 3. Atmo morgens Horn Afrik mit Musik und Ansage von Said Erzählerin Morgens um sechs beginnt der Sender sein Programm mit dieser Erkennungsmusik. Dann folgen 18 Stunden Nachrichten, Debatten, Magazine. Zur Mittagszeit wird das Programm der britischen BBC übernommen, zum Teil in Englisch, zum Teil in somalischer Sprache. "Horn Afrik" hat ein Netz von Korrespondenten, die auf fünf Landesstudios in Somalia verteilt sind. Das Programm ist in ganz Somalia - und über das Internet sogar weltweit zu empfangen. Atmo Werbung Erzählerin Radio Horn Afrik finanziert sich über Werbung. Geworben wird für Wandfarbe und Trockenmilch, Waschmittel und Spaghetti, für Telefongesellschaften oder Fluglinien - trotz des jahrelangen Krieges sind in ganz Somalia ungezählte Unternehmen entstanden. Atmo Programmausschnitte/Sendersuche Erzählerin In jedem Haushalt gibt es mindestens ein Transistorgerät. Nachrichtensendungen und andere Programme werden gezielt und regelmäßig eingeschaltet. Atmo von BBC, Erkennungsmusik geht über in: Musik Erzählerin Oktober 2006. Das Flugzeug zieht eine Kurve über dem Indischen Ozean, überfliegt den schneeweißen Sandstrand und sinkt dann immer tiefer über den Häusern von Mogadischu. Die meisten Gebäude haben keine Dächer, von oben kann man in den Ruinen deren Bewohner sehen. Hier und da hängt Wäsche auf einer Leine, Gegenstände stehen herum - vielleicht Möbel. Erst seit einigen Wochen ist der internationale Flughafen im Herzen der Stadt wieder geöffnet. Fünfzehn Jahre lang hatten konkurrierende Warlords ihre Artillerie rund um die Rollbahn in Stellung gebracht und jedes Flugzeug beschossen. Nun sind diese Kriegstreiber fort, besiegt von der "Union der Islamischen Gerichte". Meine Freunde holen mich vom Flughafen ab. Sie sind allein gekommen, ohne einen einzigen bewaffneten Begleiter. Sie strahlen, sind erleichtert und geradezu stolz: Mogadischu sei jetzt fast eine ganz normale Stadt. Atmo Mogadischu Erzählerin Am nächsten Tag machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Shingani, das alte Zentrum, ist zerstört. Im ehemaligen Verteidigungsministerium hausen Flüchtlinge aus dem Inland, sie haben die Ruine mangels anderer Zufluchtsorte besetzt. Unweit davon stand das nationale Parlament, anhand der Mauerreste ist der ovale Grundriss gerade noch zu erkennen. Der Obelisk daneben ist angeschossen. Die Nationalbank, die italienische "Banca di Roma", das Doha-Hotel mit dem größten Nachtclub der Stadt, das frühere vier-Sterne-Hotel "Europa" - zerstört. Doch in den Schutthaufen regt sich Leben; vor den zerschossenen Fassaden kauen die Männer die Blätterdroge Khat. Weil das Zentrum der Hauptstadt besonders umkämpft war, hat die Straßen hier fünfzehn Jahre lang kein Zivilist mehr betreten. Jetzt sind nicht nur wir unterwegs, um die verwaisten Viertel zu erkunden. Später sitze ich mit Ali Iman Sharmake und Ahmed Abdisalam auf dem Hof von "Horn Afrik". Wir kennen uns seit einigen Jahren, doch so gelassen wie an diesem Tag hatte ich sie nie erlebt. O-Ton Ahmed Abdisalam For the first time in a long time that Mogadishu is relatively peaceful, that you can drive your car without the usual security guards, that you can do many things that you couldn't do before, that the port is open, that the city is peaceful - that is a very hopeful sign. Sprecher 2 Zum ersten Mal seit langer Zeit ist Mogadischu relativ friedlich. Ich kann zum Beispiel alleine mit meinem Auto herumfahren und brauche keine Leibwächter mehr - das war jahrelang völlig undenkbar. Auch der Seehafen ist wieder offen - das alles ist Grund zur Hoffnung. O-Ton Ali Iman Sharmake There is no gunman rooming around in the city who try to earn their living with the gun. We don't have that now. What we have are more disciplined gunmen, who are working with the Islamic courts. So, we have more security than before. That does not mean that there is law and order in Mogadishu, because the introduction of law hasn't happened yet. The order that they are supposed to bring with that law didn't come yet. But what we have is: the gunman in Mogadishu is laying down for the fear of the Islamic courts. Sprecher 4 Jetzt läuft hier kein Milizionär mehr durch die Stadt und versucht, sich mit der Waffe in der Hand seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gibt zwar immer noch Milizionäre, aber die arbeiten mit der "Union der Islamischen Gerichte" zusammen und sind viel disziplinierter. Es ist also sicherer als vorher. Das bedeutet noch nicht, dass in Mogadischu Recht und Ordnung herrschen, die Islamisten haben noch keine Gesetze verabschiedet. Und ohne diese Gesetze kann es auch keine staatliche Ordnung geben. Aber die bewaffneten Kriminellen oder Banden und die Milizionäre der Warlords haben ihre Waffen aus Angst vor den Islamisten niedergelegt. Erzählerin Doch trotz aller Hoffnung sind Ali und Ahmed bei unserem Gespräch im Herbst 2006 nicht ohne Sorge: Die neuen Machthaber waren schon wenige Wochen nach ihrem Sieg über die Warlords gegen "Horn Afrik" vorgegangen und hatten das Außenstudio in der Stadt Kismayo geschlossen. Der Grund: Die Journalisten hatten über Demonstrationen gegen die Islamisten berichtet. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam It is hard. I mean, free expression is going to win in the end. No change has ever happened without some kind of prize. We are hoping the cost is going to be minimal, we have already paid a prize, a dear prize, to reach were we are. A number of our journalists have been killed, a number of our other staff have been killed in the process of lawlessness in this city for the past six years, and now, it is a matter of intimidation and of putting people in jail. Sprecher 2 Es ist ein harter Kampf, aber am Ende wird die Meinungsfreiheit siegen. Der Kampf ist gefährlich, aber wer etwas verändern will, bekommt das nicht umsonst. Wir hoffen natürlich, dass der Preis möglichst niedrig bleibt, denn wir haben schon teuer bezahlt, um dahin zu kommen, wo wir heute stehen. Einige unserer Mitarbeiter wurden in den letzten sechs Jahren getötet. Heute geht es allerdings nicht mehr um Leben und Tod, sondern nur noch darum, sich gegen Einschüchterungsversuche und Gefängnisstrafen zu wehren. Erzählerin Die Radiomacher reden, als hätten sie das Schlimmste schon hinter sich. Selbstbewusst sind sie, und voller Zuversicht - was soll sie nach dem Alptraum und den Erfahrungen der letzten Jahre noch schrecken? Dass sie 1999 ausgerechnet im kriegszerstörten Mogadischu einen Radiosender gegründet haben, war damals alles andere als selbstverständlich - jetzt endlich scheint es, als habe sich ihr Einsatz gelohnt. Musik O-Ton Ahmed Aden Abdisalam I grew up in Mogadishu, I finished national university, and that is when I left the country, went to the States first, stayed there for a couple of years, came back here, worked for the Somali government, the Somali high education ministry and then went to Britain to do a masters degree there, came back for two more years and assumed some responsibility in the government, just before the collapse, in 88/89, as a director of higher education, and then just before the collapse, I think in 1989, one year before the fall of the government, I left. Seeing that herd for trouble. So I went to Canada then, and that is where I settled. Sprecher 2 Ich bin in Mogadischu aufgewachsen und habe hier studiert. Anschließend habe ich ein paar Jahre lang in den Vereinigten Staaten gearbeitet. Dann kam ich zurück nach Somalia und bekam eine Stelle im Erziehungsministerium. Später ging ich nach Großbritannien und promovierte dort. Als ich wieder in Mogadischu war, bekam ich eine ziemlich verantwortungsvolle Position in der Regierung, ich war für die weiterführenden Schulen zuständig. Als die politischen Spannungen zunahmen, ging ich nach Kanada und ließ mich dort nieder. Erzählerin Das war 1988. In Somalia begann damals der bewaffnete Widerstand gegen den sozialistischen Militärdiktator Siad Barre. Alle Parteien, alle gesellschaftlichen und politischen Gruppen waren seit Jahrzehnten verboten. Nur die Klans, die Großfamilien, hatten Barres Terror überdauert. Sie bildeten den Kern der bewaffneten Opposition. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam Three month after I went there I got a residency, and then immediately, I found employment with the regional government in Ottawa. I worked for the last ten years, the same employer. Up to - when I left, I was a manager of one of the departments in the city. Right in 1991, I had my own Mortgage, so getting into the Canadian way of life very easily, because of the work, because of the former education, and because of the fact that I was travelling even before that. Sprecher 2 Schon drei Monate nach meiner Ankunft bekam ich eine Aufenthaltserlaubnis und sofort danach eine Stelle bei der Stadtverwaltung von Ottawa. Dort bin ich die ganzen zehn Jahre lang geblieben; am Ende war ich Abteilungsleiter. Ich hatte mir schon 1991 ein Haus gekauft - es fiel mir nicht schwer, mich an das Leben in Kanada zu gewöhnen. Meine Arbeit hat mir dabei geholfen, und auch, dass ich schon vorher gut ausgebildet und viel gereist war. Erzählerin In Kanada lernte er Ali Iman Sharmake kennen. O-Ton Ali Iman Sharmake Actually myself, I did my masters degree and joined public works of Canada, at the federal government, I was the programme evaluator. I just started a post graduate inter level salary, which was more than enough for me and my two kids and my wife, actually, and had a Mortgage, a new home, and so, it was an dear life, the one we left. Sprecher 4 Ich habe für die kanadische Regierung gearbeitet, ich war Projektentwickler im öffentlichen Bauwesen und verdiente mehr als genug für mich, meine Frau und unsere beiden Kinder. Ich hatte ein eigenes Haus und war dabei, Karriere zu machen. Es war ein angenehmes Leben, das wir aufgegeben haben. Erzählerin Während sich die beiden in Kanada etablierten und noch nicht an die Rückkehr dachten, brach das Somalia ihrer Kindheit zusammen: Im Januar 1991 wurde Siad Barre gestürzt. Als er aus Mogadischu floh, hinterließ er dem verarmten Wüstenstaat nicht mehr, als einen übervollen Fundus hochmoderner Waffen. Daraus bedienten sich die Klans, die den Diktator gemeinsam bekämpft hatten und den Krieg nun gegeneinander führten. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam Any time that you have a television news story about Somalia, it's always negative. That is hurtful and it is a problem. Then, you always feel: What can you do? you just cannot feel comfortable here, have this secure life, have your income, become safe - who else will do this, if not you? Who? What is this country waiting for? Is there going to be someone? Do you expect the Americans and the British and the Germans to go to Somalia and rescue it? What is your responsibility as a Somali, educated with the money from the Somalia people? Born there, with your family ... so, you are always asking that question. You cannot feel, unlike my friends when we go to parties, when we go to places, and we all enjoy - sometimes, you get the feeling: you cannot enjoy this! you have a task also that is not finished! There is an unfinished business! Sprecher 2 Im Fernsehen gab es dauernd schlechte Nachrichten aus Somalia. Das war schwer auszuhalten. Immer wieder habe ich mich gefragt: "Was kann ich tun?" Ich fühlte mich nicht wohl mit meinem sicheren Leben in Kanada, meinem Einkommen - denn wer wird den Menschen in Somalia helfen, wenn ich es nicht tue? Erwarte ich wirklich, dass die Amerikaner, die Briten oder die Deutschen nach Somalia gehen und das Land retten? Ist das nicht meine Verantwortung? - Schließlich verdanke ich meine Bildung auch den Steuern der somalischen Bevölkerung!" Ich konnte das Leben nicht mehr so genießen wie meine kanadischen Freunde. Wir gingen auf Parties, amüsierten uns - und plötzlich war dieses Gefühl wieder da: Du kannst nicht einfach feiern! Du hast eine Aufgabe, du musst noch etwas erledigen! Erzählerin Die Milizen massakrierten jeden, der zu einem fremden Klan gehörte, und zogen plündernd durch das Land, in dem es zudem seit einigen Jahren nicht mehr geregnet hatte. Krieg und Dürre führten zur Katastrophe. Tausende starben bei den Kämpfen, Hunderttausende verhungerten. O-Ton Ali Iman Sharmake You couldn't say: That is just an incident that happens, and it will end - it was not like that. You see an endless killing, and you see individuals, warlords, who are trying to use the rest of the society for their own end. And you just beg to educate those people and tell them the truth of what is happening rather than the myth they are operating under. Sprecher 4 Wir konnten nicht sagen: "Ach, das ist nur eine Krise, die geht vorüber". Das Morden hörte nicht auf. In jedem Fernsehbericht über Somalia sah man diese Warlords, die den Rest der Gesellschaft für ihre Zwecke missbrauchten. Irgendwann hatte ich keinen anderen Wunsch mehr, als den Somaliern die Augen zu öffnen. Ihnen die Wahrheit zu sagen und mit dieser Propaganda aufzuräumen, der sie ständig ausgesetzt waren. Erzählerin Ali Iman Sharmake und Ahmed Abdissalam setzten ihre Hoffnung auf das Radio. Ihr Ziel: Verlässliche Informationen zu verbreiten und eine Kultur der Debatte zu fördern. Das Land hatte seit dem Sturz Siad Barres keine funktionierende Regierung mehr. Wer etwas besaß oder ein Unternehmen gründen wollte, brauchte eine eigene Miliz, um seinen Besitz zu verteidigen. Die Grenzen zwischen Geschäftsmann und Warlord wurden fließend, die Zahl der bewaffneten Verbände nahm ständig zu. Die Zivilbevölkerung war dem Terror der Kriegsherren ausgeliefert. Bei Konflikten wurde nicht diskutiert, sondern sofort geschossen. Ali Iman Sharmake entwickelte einen Geschäftsplan, um Investoren für einen Radio- und Fernsehsender in Mogadischu zu gewinnen. O-Ton Ali Iman Sharmake Actually, we added in our business-plan the possibility that we would loose the investment, the possibility that we would loose our lives, The risk that you can be killed in a road block, the risk that you can be targeted because of the clothes that you are wearing, as it has some value for someone, the risk that you will be killed for clan revenge, the possibility that you will be hit by a stray bullet - so you see endless risk. The possibility that we would never achieve to put that FM and TV on air. Sprecher 4 Wir führten alle Risiken auf, auf die wir uns einließen: Dass wir unser gesamtes Geld und sogar unser Leben verlieren könnten. Dass wir an einer Straßensperre getötet werden könnten. Es kann außerdem sein, dass man ermordet wird, weil jemand die Kleidung haben will, die man trägt. Man kann auch von einem Querschläger getroffen werden. Oder aus Rache für irgendein Vergehen des eigenen Klans ermordet werden. Und dann gab es noch die Möglichkeit, dass wir es nicht schaffen, mit unseren Programmen tatsächlich auf Sendung zu gehen. Musik Erzählerin Mogadischu, die Stadt ihrer Kindheit, erkannten sie nicht wieder, als sie 1999 in Somalia eintrafen: Die italienisch geprägten Gebäude und Straßenzüge lagen in Trümmern. Die ursprünglichen Bewohner waren geflohen, in ihren Häusern lebten nun Menschen, die aus anderen Landesteilen geflohen waren. Zwischen den Ruinen, die außerhalb des alten Stadtzentrums stehen, hatten Kriegsflüchtlinge ihre Hütten gebaut: halbrunde Kugeln aus einem Gerippe von Ästen, gedeckt mit Papiertüten, Plastikplanen und Müll. Auf den Straßen fuhren kaum noch Autos, stattdessen überall Kampfwagen: wendige Pick-Ups mit aufmontierten Geschützen. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam As we were trying to put together the towers, I remember one day, we were working outside and we were hiring people, and then, a technical came and said: We are coming back in two hours; we want you to stop everything you are doing. That was the first threat. Direct threat to us. And we called people and said: what is wrong? And then, there were some business-people who came and said: no, no-one can take this place, go ahead with your job, let us deal with them. Sprecher 2 Als wir den Sendemast aufbauten und dafür einige Arbeiter anheuerten, hielt ein Kampfwagen und die Milizionäre sagten: "Wir sind in zwei Stunden zurück. Bis dahin habt ihr alles wieder abgebaut." Das war das erste Mal, dass wir direkt bedroht wurden. Wir hatten einige Geschäftsleute auf unserer Seite, und die unterhielten eigene Milizen, um ihren Besitz zu verteidigen. Als sie von der Drohung hörten, sagten sie zu uns: "Lasst das mal unsere Sorge sein, macht einfach weiter." Erzählerin Ein paar Tage später kamen die Warlords zurück. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam Around two a.m., we just heard shots everywhere. I was here only two month by then. Shots fired - I mean, I was staying here in my room, and Ali was in the other room, but the whole premise was full of security at that time, I think we already had 50 people in the premises, and at least three s - those cars with the mounted technicals here, and also a back-up of some of the business community who were very close. We knew that if something happened, that they would come. And so, at two a.m., we heard the shots coming from every direction and our guys also started firing at them, and our technicals went outside, and it took only ... it took like half an hour, kind of exchange of ... I think that one only one person was injured from our group. Sprecher 2 Um zwei Uhr nachts waren von überall her Schüsse zu hören - ich war erst seit zwei Monaten wieder in Somalia, und Schüsse waren für mich noch etwas Neues. Ich war in meinem Zimmer, Ali in seinem. Unser ganzer Hof war voll mit Milizionären, es waren bestimmt fünfzig Leute, und drei Kampfwagen. Die Geschäftsleute hatten zur Unterstützung noch ein paar zusätzliche Kampfwagen in den Straßen rund um unser Gelände stehen. Es gab ein Gefecht, und nach einer halben Stunde war alles vorbei. Von unseren Leuten war einer verletzt. Erzählerin Am nächsten Morgen hatte fast jeder in Mogadischu von der Schlacht um Radio Horn Afrik gehört. O-Ton Ahmed Aden Abdisalam The public, people came, many business-community offered their support, and then we decided to push the anger against them, to pushed a little bit, the talk shows, into political: what are the warlords doing?, and we brought the civil society. And to me, I think that was the critical moment. Because had we just retreated and tried to reconcile with them and try to talk to them - I think we would have long been gone. Sprecher 2 Einfache Bürger und viele Geschäftsleute kamen zu uns und boten ihre Unterstützung an. Ali und ich beschlossen, die Stimmung zu nutzen und die Wut der Menschen gegen die Warlords weiter zu schüren. Wir machten bald die ersten Call- In-Sendungen und ließen unsere Hörer über politische Fragen diskutieren, zum Beispiel über das Verhalten der Warlords. Im Nachhinein halte ich das für den entscheidenden Moment: Wären wir damals vor den Kriegsfürsten zurückgewichen, gäbe es Horn Afrik schon längst nicht mehr. Musik Erzählerin Bei unserem letzten Gespräch im Oktober 2006 war auch Ali Iman Sharmake optimistisch. O-Ton Ali Iman Sharmake Actually, that is what happened in the past three years. Because when you use the gun, it will be on the reports how many people died in the consequence of that. And what we were doing lately through training for our reporter is: We don't just report how many people died, we go beyond that. We go to the families, to the victims, and they speak of the suffering, their suffering. And that created a backlash for whoever created the fight. So now, they try their very best to orient their militia not to fire their gun. And sometimes what we see is: When some incidents happen, we receive calls, saying: We want to say that this was an accident! We didn't want to kill anyone! so that culture of not using the gun and relying on the public opinion and respecting the public opinion is dramatically increasing. Sprecher 4 Was wir gemacht haben, hat vor allem in den ersten drei Jahren viel verändert. Wenn es zu einem Schusswechsel kam, berichteten wir darüber, wie viele Menschen gestorben waren. Dann gingen wir noch weiter: Wir organisierten eine Fortbildung für unsere Reporter und schickten sie in die Stadt, zu den Familien der Opfer. Die Angehörigen berichteten über das Leid, das die Kämpfe verursacht hatten, und so wurde aus den nackten Zahlen etwas sehr Persönliches. Die Unterstützung für den Krieg und die Warlords, die bis dahin viele Anhänger hatten, nahm deutlich ab. Es kam dann häufig vor, dass die Warlords nach einem Schusswechsel bei uns anriefen und sagten: "Das war nur ein Unfall, wir wollten niemanden töten!" Das heißt, es setzte sich immer stärker durch, die Waffe nicht zu benutzen. Stattdessen orientierten sich selbst die Warlords immer mehr an der öffentlichen Meinung. Erzählerin Und diese öffentliche Meinung wandte sich mehr und mehr gegen den Krieg und seine Fürsten: Die Bevölkerung war des Mordens und der Klankämpfe müde. Als wir im Herbst 2006 im Hof von "Horn Afrik" zusammensaßen, waren die Warlords aus Mogadischu verschwunden. Die "Union der Islamischen Gerichte", die eigene Milizen unterhielt, hatte die Kriegsfürsten in einem Blitzkrieg besiegt. Dieser fast triumphale Sieg der Islamisten war nur möglich, weil sich tausende Freiwillige begeistert an der Entscheidungsschlacht gegen die Warlords beteiligt hatten. Atmo aus Studio Presseschau, dann sagt Falastin die Station an: Horn Afrik Erzählerin Im Herbst 2006 gehörte auch Falastin Ahmed Iman zum Team von Horn Afrik, sie moderierte eine Informationssendung mit einer internationalen Presseschau und Nachrichten. Seit die Islamisten an der Macht waren, hatte die 27-Jährige kaum noch Angst, vergewaltigt zu werden, wenn sie abends von "Horn Afrik" nach Hause ging. Und sie musste auch nicht mehr fürchten, wegen der Aussage eines Hörers in einer ihrer Sendungen ermordet zu werden. Als die "Union der Islamischen Gerichte" die Macht übernahm, ging die Zahl der Morde und Vergewaltigungen dramatisch zurück, denn mögliche Täter fürchteten nun die Strafe. Dass sich die Strafen an den Regeln der islamischen Schari`a orientierten und drakonisch waren, beruhigte die Bevölkerung - sie hatte unter der entfesselten Gewalt der Warlords gelitten, nun schien keine Fessel eng genug. O-Ton Falastin Ahmed Iman We raise sometimes not only political issues, but also public issues, like you know, for the displaced people, how the people can help each other, not waiting only for the support coming from outside the country. And about the rough roads in Mogadishu, can the owners of the cars and businesses in Mogadishu, can they build back their country - because there is a lot of destruction in the country. So, are they thinking only to get a new car? But not to build a road? So, we discuss like that issues. Sprecherin 1 Heute berichten wir nicht nur über politische Themen, sondern auch über gesellschaftliche und soziale Fragen. Zum Beispiel über die Vertriebenen, die hier in Mogadischu leben. Wir zeigen, wie sich die Menschen gegenseitig helfen, statt nur auf die Hilfe des Auslands zu warten. Wir reden über den Zustand der Straßen in Mogadischu: Sie wurden bei den Kämpfen zerstört und nie repariert. Wir lassen die Hörer darüber diskutieren, ob diejenigen, die sich ein Auto leisten können, nicht dafür sorgen müssten, dass die Straßen repariert werden. Das sind unsere Themen. Erzählerin Bei den Islamisten setzten sich schon bald die Hardliner durch und verkündeten eine Reihe von Verboten: Die Menschen durften sich nicht mehr auf der Straße versammeln, um gemeinsam Fernsehen zu gucken - dabei gehörte das "public viewing" von Fußball und Filmen zu den wenigen Vergnügen in der kriegszerstörten Hauptstadt. Die Blätterdroge Khat wurde verboten - eine Entscheidung von der Tragweite, als würde in Deutschland der Alkoholkonsum untersagt. Einige Radiosender wurden vorübergehend geschlossen. Die Flitterwochen zwischen der kriegsmüden Bevölkerung und den Islamisten, die endlich Frieden gebracht hatten, waren nach einer Reihe solcher Verbote vorbei. Horn Afrik ging zum Angriff über und nutzte seine nun schon bewährte Waffe: Die Einladung zu öffentlicher Diskussion und Debatte. O-Ton Falastin Ahmed Iman I am not feeling afraid, because we meet in here, Sheikh Hassan Dahir Aweys came here several times, and even some persons in the Islamic courts, and we talk to them - they know how the media are important for them. Maybe some of them who have not any knowledge, they can think that a woman cannot work. But I know mostly, they are not opposed for the women to work. you know, here in Somalia, I think 80 percent of the women, they go Bakhara market or some different places, they use to work for the last 16 years. So, I am not feeling afraid. Sprecherin Ich habe keine Angst vor den Islamisten, denn wir haben sie hier bei uns im Radio getroffen. Sheikh Hassan Dahir Aweys ist sogar mehrfach gekommen, aber auch andere führende Köpfe waren hier. Sie wissen wie wichtig die Medien für sie sind, um die Menschen für sich zu gewinnen. Natürlich gibt es unter ihnen auch einige Ungebildete, die denken, eine Frau dürfe nicht arbeiten. Aber ich weiß, dass die meisten von ihnen nichts dagegen haben. Wenn Sie zum Beispiel auf den zentralen Bakhara-Markt gehen um einzukaufen werden sie merken, dass dort 80 Prozent der Händler Frauen sind. Ähnlich ist es in anderen Bereichen. In Somalia arbeiten die Frauen seit etwa sechzehn Jahren. Ich habe keine Angst davor, dass sich das ändert. Erzählerin Wenige Wochen später eroberten die von den USA logistisch und finanziell unterstützten äthiopischen Truppen die Hauptstadt und vertrieben die "Union Islamischer Gerichte". Falastin Ahmed Iman floh daraufhin vor der eskalierenden Gewalt ins Ausland. Musik Atmo Ramadan Hotel, Gruppen von Männern draußen, im Hintergrund Gebetsruf Erzählerin November 2007. Die Wachen vor dem Ramadan-Hotel in Mogadischu nicken uns zu; sie kennen meine Begleiter. Ob die Wächter Waffen tragen, sieht man nicht. Wir fahren über die betonierte Zufahrt auf den Parkplatz und suchen dann Abdullahi Kulmiye. Der wartet mit einigen anderen Journalisten auf den Beginn einer Pressekonferenz; eingeladen hat einer der wichtigsten Klanführer von Mogadischu. Der Ort und die Gelegenheit seien günstig für ein Treffen, hatte Kulmiye am Telefon gesagt, so könnte ich den riskanten Weg zu Horn Afrik diesmal vermeiden. Vielleicht sei auch die Pressekonferenz selbst interessant; das Thema sei ein Plan zur Versöhnung. Die knapp zwanzig Journalisten warten im Garten des Hotels, im Schatten von Palmen, Benjamini und anderen tropischen Bäumen. Das Blätterwerk bietet etwas Sichtschutz; auch deshalb ist das Ramadan-Hotel als Treffpunkt beliebt. Ständig klingelt ein Mobiltelefon. Seit einigen Wochen reagieren die Journalisten nervös auf das vertraute Geräusch. Diesmal ist Abdullahi Kulmiye an der Reihe. Der Blick auf das Display bringt keine Entspannung - die Nummer ist unterdrückt. Der 31-Jährige nimmt das Gespräch trotzdem an. Am anderen Ende hört er nur Schweigen. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Solche Anrufe ohne Nummer kriegen wir häufig, und jedes Mal macht uns das Angst. Meistens werden wir wirklich bedroht. Der Anrufer sagt zum Beispiel: "Du hast in Deinem Bericht das und das gesagt, du stehst also auf der Seite der Regierung. Wenn Du Deine Berichte nicht änderst, wirst du dafür bezahlen!" Ich selbst habe noch keine direkte Morddrohung bekommen, im Gegenteil. Bisher hat nur hin und wieder eine der beiden Seiten angerufen und gesagt: dieser oder jener Bericht war fair. Erzählerin Nach dem Gebet, dem Mittagessen und einer Siesta ist der Klanführer endlich bereit, die Journalisten zu empfangen. Atmo Interview mit Hawiye-Führer Erzählerin Er sei wie ein Fischer, der sein Netz auswerfe und manchmal etwas fange, manchmal nicht. So habe er, Mohamoud Imam Omar, bereits sein Netz für die Versöhnung ins Wasser geworfen. Viel gefangen hat er wohl noch nicht - seine groß angekündigte Lösung bleibt vage. Der Pressetermin ist vor allem ein Zeichen: Nach dem offensichtlichen Scheitern der somalischen Regierung versuchen die Klans, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu kriegen - auch wenn sie selbst keine Lösung haben. Atmo Studio Horn Afrik Im Nachrichtenstudio, Nahrichten werden gelesen Erzählerin Im Sendestudio von Horn Afrik sitzen Nachrichtensprecher um einen Tisch und verlesen Meldungen. Themen sind die jüngsten Attentate im Irak, die Friedensbemühungen zwischen Israel und Palästina, der Wahlkampf in den USA. Ein lokaler Korrespondent berichtet von einer Überschwemmung südlich von Mogadischu. Die Menschen sind aus ihren Dörfern geflohen, der Regen hält an, es fehlen Moskitonetze, Latrinen, Wasser und Nahrung, doch bislang gibt es für die Flüchtlinge kaum Hilfe. Außerdem geht es wieder einmal um eine Eingreiftruppe der Afrikanischen Union: Eigentlich sollte die Truppe seit über einem Jahr in einer Stärke von 8000 Mann vor Ort sein, tatsächlich sind nur 1700 Soldaten in Mogadischu stationiert. Seit Monaten wird Verstärkung aus Burundi erwartet, doch das versprochene Kontingent trifft nicht ein. Die Vereinten Nationen nennen die Lage dramatisch: Die humanitäre Krise in Somalia sei die schlimmste auf dem Kontinent - schlimmer noch als die Krise in Darfur. Das Welternährungsprogramm hat seine Arbeit wieder aufgenommen und verteilt in Mogadischu Nahrungshilfe - diese Hilfeleistungen waren zwischenzeitlich eingestellt worden, weil die somalische Regierung den Leiter der Organisation im Oktober festgenommen und eine knappe Woche lang in Haft gehalten hatte - angeblich wegen eines Verbrechens, das allerdings nie benannt wurde. Dass die somalische Regierung sogar den Leiter eines UN-Büros willkürlich verhaftet, hat viele Somalier aufgeschreckt, auch Mohammed Abucar, den derzeitigen Chefredakteur von Radio Horn Afrik. O-Ton Mohammed Abucar Sprecher 5 Weil die Situation so heikel ist, beraten wir ausgiebig über alles, was wir senden. Ich bin der Hauptverantwortliche für diese Entscheidungen. Meistens beraten wir im Team, aber manchmal entscheide ich auch ganz alleine, ob wir etwas verbreiten oder nicht. Wenn zum Beispiel einer unserer Korrespondenten anruft und berichtet, was in der Stadt geschehen ist, entscheide ich darüber, ob wir seinen Bericht senden oder nicht. Erzählerin Ein falsches Wort, ein unliebsamer Bericht kann für jeden Mitarbeiter tödlich sein, denn es ist niemals ausgeschlossen, dass sich eine der Kriegsparteien rächt. Doch wofür genau ein Mensch ermordet wird, bleibt meist unklar - niemand weiß, was den Mord an Ali Iman Sharmake, Mahad Ahmed Elmi und den anderen Journalisten ausgelöst hat. Woher auch - man kennt ja noch nicht einmal die Täter. O-Ton Mohammed Abucar Sprecher 5 Gestern Abend haben uns zum Beispiel die "Aufständischen" angerufen. Sie haben gesagt: "Wir sind nicht damit einverstanden, wie ihr über unsere Aktionen berichtet. Ihr sprecht von uns als "Aufständische" - wir wollen, dass ihr uns "Freiheitskämpfer" nennt!" Wenn wir uns dem beugen und sie "Freiheitskämpfer" nennen, haben wir sofort die äthiopischen Soldaten im Sender. Wenn wir sie stattdessen "die Opposition" nennen, rufen sie wieder an, vielleicht wollen sie diesmal sogar "Aufständische" genannt werden. Das heißt, wir müssen jedes Mal jedes Wort abwägen. Weil die Untergrundkämpfer als Gruppe keinen Namen haben, sagen wir jetzt: "Diejenigen, die gegen die Regierung und die Präsenz der Äthiopischen Truppen sind". O-Ton Mohammed Abucar Sprecher 5 Vor zwei Tagen hatten wir eine besonders schwierige Situation: Einer der führenden Köpfe der Shebaab, also der besonders radikalen Kämpfer, rief uns an und sagte, dass wir ihn interviewen müssten. Wir haben das Interview mit ihm geführt, haben es aber nicht gesendet. Die anderen Radiosender, die das Interview auch führen mussten, haben es gesendet. Sie wurden von der Regierung geschlossen, die verantwortlichen Journalisten verhaftet. Der Führer der Shebaab rief uns kurz danach wieder an und warf uns vor, dass wir das Interview nicht gesendet haben. Ich sagte, das hätten wir aus Sicherheitsgründen so entschieden, wir hätten Angst gehabt vor der Strafaktion der Äthiopier. Diese Erklärung hat er akzeptiert. Musik Erzählerin Von den ehemals 22 Mitarbeitern des Senders ist rund die Hälfte ins Ausland geflohen. Seit "Horn Afrik" zum ersten Mal auf Sendung ging, wurden neun seiner Angestellten umgebracht. Zwar wurden einige Journalisten neu eingestellt, um die Lücken zu schließen, doch die Neuen sind jung und unerfahren. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Aus Sicherheitsgründen verlassen wir das Grundstück abends nicht, sondern übernachten hier. Bevor die äthiopischen Truppen einmarschiert sind und die Übergangsregierung in Mogadischu an die Macht kam, war das anders. Damals waren die Stadt und unser Viertel viel sichererer. Selbst wenn jemand bis Mitternacht Dienst hatte, war das kein Problem: Einer unser Fahrer brachte ihn mit dem Auto nach Hause. Aber seitdem die Äthiopier hier sind, sind wir gezwungen, nachts hier zu bleiben. Nach fünf Uhr nachmittags ist es zu gefährlich, sich in der Stadt zu bewegen - es sind zu Viele unterwegs, die kaltblütig morden. Sie können sich im Schutz der Dunkelheit leicht bewegen, denn die Straßenbeleuchtung ist kaputt, die ganze Infrastruktur zerstört. Nur freitags fahren wir zu unseren Familien, denn der Freitag ist unser Feiertag und wir können schon morgens fahren. Erzählerin Die Reporter teilen sich die fünf einfachen Zimmer auf dem Gelände. In einem davon hat Ali Iman Sharmake gewohnt, bis er im Sommer 2007 ermordet wurde. Auch das Zimmer von Ahmed Abdisalam steht leer, seitdem er im Ausland ist. In den übrigen haben früher Dozenten übernachtet, wenn sie nach Mogadischu kamen, um die Reporter weiterzubilden. Doch Gäste kommen seit Monaten nicht mehr. So lange sie auf dem Gelände des Senders sind, fühlen sich die Reporter halbwegs sicher. Jenseits des Tores beginnt die Gefahrenzone. Weil die Aufständischen häufig ferngesteuerte Bomben benutzen um ihre Feinde zu töten, kann jeder Meter der Straße vermint sein. Immer wieder werfen die Guerillakämpfer aus der Masse der Passanten heraus Handgranaten in die Menge. Und vor dem Tor des Senders oder an der nächsten Ecke kann jemand warten, der einen der Journalisten gezielt ermorden will. Atmo Menschen beim Essen Mogadischu Erzählerin Abdullahi Kulmiye gehört mit seinen 31 Jahren schon zu den alten Hasen. Er hat als Treffpunkt für diesen Morgen das Hotel "Nasa Hablood" vorgeschlagen, "Die weibliche Brust". Es steht an einer der größten Kreuzungen von Mogadischu, dem "K 4" oder auf Deutsch: "Kilometer 4". Das bedeutet: Vier Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Noch vor wenigen Monaten war hier vor lauter Passanten, Eselskarren, Kleinbussen, Händlern und Käufern kaum ein Durchkommen. Jetzt wirkt selbst "K 4" wie ausgestorben. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist schon jetzt mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus der Hauptstadt geflohen. Allein im November 2007 waren es 200.000 Menschen. Abdullahi Kulmiyes Frau würde sich dem Strom der Fliehenden gerne anschließen: Sie bekniet ihn täglich, mit ihr zu Verwandten ins Ausland zu fliehen - schließlich haben die beiden zwei kleine Töchter, die jüngere ist ein Jahr alt, die ältere drei. O-Ton Abdullahi Kulmiye Sprecher 1 Als ich vor zwölf Jahren Journalist wurde, machte man sich damit noch nicht automatisch zum Opfer. Heute ist das anders, und ich fühle mich wie eine Zielscheibe. Man versucht sich zu schützen, aber es gibt keine Nacht, in der man ruhig schläft. Die Anspannung ist allgegenwärtig. Aber mein Beruf ist nun einmal der Journalismus. Ich kann es mir einfach nicht leisten, Mogadischu zu verlassen Erzählerin Auch Said Ahmed hat eine Familie: fünf Kinder und eine Frau, die ihn jeden Morgen anfleht, den Beruf doch endlich aufzugeben und mit ihr ins Ausland zu gehen. O-Ton Said Ahmed It is very dangerous. But I don't want to stop it. It is my profession, it is my hope. Really, once I tried to leave, but at the same time, I and Ahmedu are meeting, we all agreed: This is our job. This is our hobby. This is our history - Horn Afrik radio. This was the first free radio FM in Mogadishu, and TV, therefore, it is not easy to carp it. It is not easy to shut its doors - what are we doing? Until the deadline, I will be here. Sprecher 3 Es ist wirklich gefährlich. Aber ich will nicht aufgeben. Der Journalismus ist mein Beruf und meine Hoffnung. Allerdings gab es durchaus mal einen Moment, in dem ich fliehen wollte. Ich setzte mich mit Ahmed zusammen - und als wir konkret darüber sprachen, merkten wir beide: Wir können das nicht. Das ist hier unser Beruf. Unsere Leidenschaft. Unsere Geschichte. Horn Afrik ist der erste private Kurzwellensender, der in Mogadischu gegründet wurde. Es ist nicht einfach, das aufzugeben und das Radio und den Fernsehsender zu schließen. Ich saß plötzlich da und dachte: Worüber denkst du da eigentlich nach? Ich werde hier bleiben bis zum Schluss. Musik Sprecherin: Berichte aus Mogadischu Der unabhängige Radiosender "Horn Afrik" Ein Feature von Bettina Rühl Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2008 Es sprachen: Daniel Berger Daniela Bette Hüseyin Michael Cirpici Walter Gontermann Gregor Höppner Claudia Mischke und Bruno Winzen Ton und Technik: Michael Morawietz und Anne Hawemann Regie: Anna Panknin Redaktion: Hermann Theißen Musik Erzählerin Februar 2008. Der neue somalische Premierminister Nur Hassan Hussein hat sein Kabinett vorgestellt. Ahmed Abdissalam gehört ihm als dritter stellvertretender Premierminister und Minister für Information, Jugend und Sport an. Die Regierung, die wegen der Sicherheitslage seit Jahren nicht in Mogadischu tagt, bekräftigte ihre Absicht, in die Hauptstadt umzusiedeln. Am gleichen Tag wurde der Mord an einem weiteren somalischen Journalisten bekannt: Der 36-jährige Hassan Kafi Hared wurde in der Hafenstadt Kismayo durch eine ferngesteuerte Bombe getötet. 27