Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Das Feature Simpel. Transparent. Standardisiert. Oder baut sich in der EU eine neue Finanzblase auf? Autorin: Barbara Eisenmann Regie: Barbara Eisenmann Redaktion: Karin Beindorff Produktion: SWR/DLF 2017 Erstsendung: Dienstag, 23. Mai 2017, 19.15 Uhr Mitwirkende: Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) MUSIK (In memoriam Gilles Deleuze, Intermodal) O-Ton: (Parlamentsatmo - Saalatmo) MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) O-Ton: Dear colleagues, let´s move to our points 9 and 10: securitization. ÜBERSETZER Liebe Kollegen, lassen Sie uns zu Punkt 9 und 10 kommen: Verbriefung. O-Ton: So we start with the STS file. ÜBERSETZER Wir beginnen mit dem Vorgang STS. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) REPORTERIN STS - Simpel. Transparent. Standardisiert. Baut sich in der EU eine neue Finanzblase auf? Ein Feature von Barbara Eisenmann MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) O-Ton: And I give the floor to the rapporteur Paul Tang. ÜBERSETZER Ich erteile dem Berichterstatter das Wort. ERZÄHLERIN Die Reporterin ist in Brüssel, wo ein Ausschuss des Europäischen Parlaments zu einem Gesetzesvorschlag zur Neuordnung des Verbriefungssektors tagt. O-Ton: Please Paul. - Thank you Roberto, thank you chair. ERZÄHLERIN Seit Jahren beschäftigt sie sich mit Schulden und mit der Krise. O-Ton: I think what we agree on in this Parliament ... we have to learn the lessons from the financial crisis. ÜBERSETZER Ich denke, wir sind uns in diesem Parlament einig, dass wir die Lektionen aus der Finanzkrise lernen müssen. ERZÄHLERIN Eine Krise, die von Kreditverbriefungen ausgelöst worden sei. Sagt die Reporterin. O-Ton: And this house needs to answer the questions: Are the products that once were toxic detoxified? ÜBERSETZER Und dieses Haus braucht Antworten auf die Frage: Sind die Finanzprodukte, die einst toxisch waren, jetzt detoxifiziert? MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN Diese toxischen Finanzprodukte seien Kredite, die Banken nur deshalb massenhaft vergeben hätten, weil sie sie verbrieft und dann gleich weiterverkauft hätten. Sagt die Reporterin. REPORTERIN Verbriefungen sind eine fabelhafte Erfindung. Aus Zahlungsversprechen - nichts anderes sind Kredite - werden Wertpapiere fabriziert. Banken vergeben Kredite, die verkaufen sie als Wertpapiere weiter, nehmen damit Geld ein und schlagen gleich noch eine zweite Fliege mit derselben Klappe, weil sie das Risiko, dass die Kredite vielleicht nicht zurückgezahlt werden, an Dritte verkaufen. ERZÄHLERIN Wer will solche Risiken kaufen? REPORTERIN Pensionsfonds, Versicherungen usw. Die suchen händeringend nach Anlageprodukten und kaufen sich so das Recht auf Zahlungen von Schuldnern. Und die verbriefenden Banken vergeben mit dem Geld, das sie von den Verbriefungskäufern erhalten - den Pensionsfonds, Versicherungen usw. -, neue Kredite, die sie wieder verbriefen. ERZÄHLERIN Ist das nicht eine Illusion? REPORTERIN Oder Blase, die irgendwann platzt. Wie in den USA 2008. Und deshalb sind die Märkte, auf denen Verbriefungen gehandelt werden, in Europa jedenfalls, seit der Finanzkrise auch eingebrochen. Und da kommt jetzt die EU ins Spiel. Mit einem Gütesiegel für simple, transparente, standardisierte Verbriefungen. Abgekürzt: STS. ERZÄHLERIN Sie habe sich gefragt, sagt die Reporterin, wie es sein könne, dass toxische Finanzprodukte, die die Krise ausgelöst hätten, jetzt zu ihrer Lösung würden. Die Europäische Kommission argumentiere nämlich, dass diese als simpel, transparent, standardisiert gelabelten Verbriefungen die Verbriefungsmärkte wieder ankurbeln würden und dass das vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen in Europa zugutekäme. ATMO: (Brüssel Ankunft Garde du Nord; Busfahrer-Durchsage) Okay passengers good afternoon, our destination Brusells Garde du Nord, thank you for using Flixbus and hope to see you another time in Flixbus. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: Route wird gestartet. Ziel: Rue de la Loi 82 ERZÄHLERIN Ziel: Association for Financial Markets in Europe, Verband der Finanzmärkte in Europa, abgekürzt: AFME. Organisation der Finanzlobby. Tätig im Auftrag europäischer, britischer, Schweizer und US-amerikanischer Großbanken und eine der größten Lobbyorganisationen in Brüssel überhaupt. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) ERZÄHLERIN Die Reporterin trifft sich mit einem Vertreter von AFME, einem von mindestens 1.700 Finanzlobbyisten in Brüssel, und fragt, ob er wisse, dass der US-amerikanische Ökonom Hyman Minsky einst von der Schönheit von Verbriefungen gesprochen hätte. MUSIK: (Rafael Díaz, Apenas Nada) O-Ton: I don´t know if you know that Hyman Minsky, the US-American economist, once talked about the beauty of securitization. ERZÄHLERIN Aber wer ist Minsky überhaupt? / Minsky, sagt die Reporterin, sei viele Jahre mit einer Finanzkrisentheorie hausieren gegangen. REPORTERIN Niemand wollte Minsky glauben, dass das Finanzsystem im Kapitalismus von sich aus ruinös ist und das Kreditwesen ein Schneeballsystem erzeugt. ERZÄHLERIN Ein Schneeballsystem? / Ein Schneeballsystem, das entstehe, wenn Kredite an nicht kreditwürdige Schuldner vergeben würden, die weder Zinsen noch Kredit bezahlen könnten. Sagt die Reporterin. / Und das hat mit den Verbriefungen zu tun? / Verbriefungen machten so eine lockere Kreditvergabe möglich. / Und die Schönheit von Verbriefungen, was hat Minsky damit gemeint? / Er müsse das ironisch gemeint haben, sagt die Reporterin. Berühmt geworden sei Minsky übrigens erst mit dem Ausbruch der Krise 2008, da sei er aber schon längst tot gewesen. ATMO: (Börse) MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) O-Ton: So asked about the beauty of securitization what would you say? - Well ehm I I I I ERZÄHLERIN Was er antworten würde, wenn sie ihn nach der Schönheit von Verbriefungen fragte, fragt die Reporterin also den Finanzlobbyisten. O-Ton: I don´t think beauty is the word I would use. But I would say that particularly in an economy like the EU-economy where we are overly dependent on our banks and not sufficiently using our capital markets, securitization is, I wouldn´t say a beautiful product, but it is a very appropriated product, I think a very fitting product, that can provide a bridge between bank balance sheets and the capital markets. ÜBERSETZER Ich denke, ich würde nicht das Wort "Schönheit" verwenden. Ich würde sagen, dass besonders in einer Wirtschaft wie der der EU, wo wir viel zu sehr von Banken abhängig sind und nicht in ausreichendem Maße auf unsere Kapitalmärkte zurückgreifen, Verbriefung ein nicht sehr schönes, aber doch ein sehr angemessenes, ein sehr passendes Produkt ist, das eine Brücke schlägt zwischen den Bankbilanzen und den Kapitalmärkten. O-Ton: (räuspert sich), excuse me. ERZÄHLERIN Kurze Irritation, vielleicht, habe sie gedacht. Und schon sei eins der Argumente von Finanzlobby und Europäischer Kommission platziert, sagt die Reporterin. / Was für ein Argument? REPORTERIN Finanzlobby und Kommission vermarkten die von ihnen geplante Maßnahme zur Ankurbelung des Verbriefens damit, dass Europa overbanked sei. Zu viele Banken im Kreditgeschäft, sagen sie. Und dass die Kapitalmärkte von den kleinen und mittleren kreditsuchenden Unternehmen nicht genutzt würden. O-Ton: What securitization enables you to do is to take a pool of assets that are sitting on a bank balance sheet they might be f.ex. a collection of loans to SMEs like my local dentist might need a loan from the bank to buy new equipment of it might be somebody who has taken a auto loan to buy a new car or something like that, so all those kinds of loans sitting on a bank balance sheet can then be packaged up, isolated sold to and isolated within a special purpose vehicle which then issues tradeable securities which can be funded and traded in the capital markets. So you turn a portfolio which would otherwise be illiquid assets, sitting on a bank balance sheet, into liquid tradeable securities. ÜBERSETZER Was Verbriefung möglich macht, ist, einen Pool von Vermögenswerten, die in einer Bankbilanz auftauchen - z.B. eine Ansammlung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen, ein Kredit wie ihn beispielsweise mein lokaler Zahnarzt bei seiner Bank beantragen könnte, um neues Equipment zu kaufen, oder wie jemand, der einen Autokredit aufgenommen hat, um ein Auto zu kaufen -, dass solche Kredite verpackt und verkauft werden können, und zwar mithilfe einer Zweckgesellschaft, die diese Kredite als handelbare Wertpapiere emittiert, die dann auf den Kapitalmärkten gehandelt werden können. So kann man ein Portfolio, das nicht flüssige, also illiquide Vermögenswerte enthält und in der Bankbilanz sitzt, in flüssige, liquide, in handelbare Wertpapiere verwandeln. ERZÄHLERIN Was heißt das? / Banken, sagt die Reporterin, erschlössen sich durch Verbriefungen Geld, da sie die von ihnen vergebenen Kredite in Wertpapiere verwandelten und weiterverkauften. O-Ton: It was very important to note that it was the industry that took the first step. Because back in the immediate aftermath of the financial crisis all of the European securitization we were saying to the regulators: yes look what happened in the US subprime was very wrong and a terrible result, but European securitization isn´t like this. ÜBERSETZER Es ist wichtig festzuhalten, dass die Industrie den ersten Schritt tat. Denn unmittelbar nach der Finanzkrise haben wir zu den Aufsichtsbehörden gesagt: Schaut, was in den USA mit den Subprime-Krediten passiert ist, das war eine ganz abwegige Sache mit einem schrecklichen Ergebnis, die europäischen Verbriefungen kann man damit aber nicht vergleichen. ERZÄHLERIN Ein weiteres Argument von Finanzlobby und Kommission sei platziert. Sagt die Reporterin. REPORTERIN Schlechte Verbriefungen in Amerika, gute Verbriefungen in Europa. Wobei der europäische Verbriefungsmarkt jetzt für amerikanisches Versagen büße, während der Verbriefungsmarkt in Amerika längst schon wieder boome. ERZÄHLERIN Und deshalb beschließe man jetzt staatlicherseits, sagt die Reporterin, in die Märkte einzugreifen, indem man ein gesetzlich zertifiziertes Label kreiere: STS - simpel, transparent, standardisiert. REPORTERIN Ein Gütesiegel, das den Investoren, den Verbriefungskäufern, Sicherheit suggeriert. Den Pensionsfonds, Versicherungen usw. Wobei die EU für das Label keine Verantwortung übernimmt. ERZÄHLERIN Und noch was sei wichtig, vielleicht sogar der eigentliche Zweck des Gesetzesvorschlags: REPORTERIN Für STS-Verbriefungen sollen die Eigenkapitalanforderungen gesenkt werden. ERZÄHLERIN Was bedeutet das? / Je geringer das Eigenkapital, das eine Bank für Kredite und Kreditverbriefungen zurückhalten müsse, sagt die Reporterin, desto höher die Profite der Bank, denn desto mehr Geld sei für Geschäfte frei. Desto höher aber auch die finanzielle Instabilität, denn das Eigenkapital sei für die Deckung der Risiken da. / Falls Kredite ausfallen? / Falls es zu Kreditausfällen komme. Das Eigenkapital sei so eine Art Verlustpuffer. Weshalb man es nach der Krise auch erhöht habe. Für STS-Verbriefungen werde das jetzt rückgängig gemacht. Zugunsten der Banken. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: (Straße, Schritte) ATMO: Route wird gestartet. Ziel: D´Arlon Straat 92. ERZÄHLERIN Ziel: Finance Watch: als Gegengewicht zur Macht der Finanzlobby vor einigen Jahren als NGO in Brüssel von einem Ex-Banker gegründet, um die andere Seite der Geschichte zu erzählen. Sagt die Reporterin. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) ERZÄHLERIN Die Reporterin stellt ihre Frage nach der Schönheit von Verbriefungen; diesmal dem Leiter für Politikanalyse bei Finance Watch. / Ein Mann, der selber viele Jahre in der Finanzbranche gearbeitet und vor allem Derivate entwickelt habe. Noch so ein komplexes Finanzprodukt, eine Art von Wetten auf Kreditausfallrisiken, Zinsentwicklungen, usw. Sagt die Reporterin. O-Ton: Securitization is repacking and selling loans to investors, so it is a mechanism to transfer risk, but also modify them through financial engineering. In an ironic way I would say it is like alchemy, it is transforming lead to gold. You can take a bunch of low quality mortgage loans and transform them into triple A rated securities. And you hide the risk in the model. So that is the toxic beauty of securitization. ÜBERSETZER Verbriefung ist das Neuverpacken und Verkaufen von Krediten an Investoren. Es ist ein Mechanismus, der es Kreditinstituten erlaubt, Risiken auszulagern, aber sie durch Finanztechnik auch zu modifizieren. Auf ironische Weise ist es wie Alchemie, denn Blei wird hier in Gold verwandelt. Man nimmt also einen Haufen von Hypothekendarlehen minderer Qualität und verwandelt sie in als Triple A bewertete Wertpapiere, also hohe Qualität. Das Risiko wird versteckt, und das ist dann die toxische Schönheit von Verbriefung. MUSIK (Fujita & Jelinek, Schaum) O-Ton: So that´s the toxic beauty of securitization. Toxic beauty of securitization. Beauty of securitization. Securitization. ERZÄHLERIN Dieser alchemistische Vorgang, sagt die Reporterin, habe einen technischen Namen: Tranching REPORTERIN Tranching. O-Ton: One issue we have with the propsal is tat is allows for tranching and tranching is a mechanism whereby you have this pool of loans and instead of issuing one type of bond linked to the repayment of the underlying loans, you issue different types of bonds with different priorities in the repayment. ÜBERSETZER Ein Problem, das wir mit dem Gesetzesvorschlag haben, ist, dass er Tranching erlaubt. Tranching ist ein Mechanismus, der folgendermaßen funktioniert: Man hat einen Pool von Krediten, und statt nun mit einer einzigen Wertpapierklasse an die Börse zu gehen, die an die Rückzahlung der ihr zugrundeliegenden Kredite gekoppelt wäre, emittiert man verschiedene Klassen von Wertpapieren mit unterschiedlichen Prioritäten hinsichtlich der Rückzahlung. O-Ton: Now on the point whether securitization always involves tranching or not, I mean it does not. Historically securitization is just repacking and selling loans to investors, while you can just pool loans together and issue one type of securities to investors and that is securitization. You have risk transfer, you have repackaging, but you have no tranching. ÜBERSETZER Historisch gesehen haben Verbriefungen nicht immer mit Tranchen gearbeitet. Zunächst bedeutete Verbriefen einfach nur das Neuverpacken und Verkaufen von Krediten an Investoren, wobei eine Klasse von Wertpapieren emittiert wurde. Und das ist Verbriefung: Risiken werden ausgelagert, es wird neu verpackt, und das alles geschieht ohne Tranchen. O-Ton: But of course without trenching it is much more difficult to improve the rating. And so you don´t have the alchemy, which is safer in a way because you don´t create a perception that you issue super safe assets. ÜBERSETZER Aber natürlich ist es ohne Tranchen viel schwieriger, das Rating zu verbessern. Denn es fehlt ja die Alchemie, was die Sache zwar sicher macht, weil nicht die Wahrnehmung erzeugt wird, dass supersichere Wertpapiere emittiert würden. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: (Handymapstimme auf Verkehrsatmo) Route wird gestartet, Ziel Europäisches Parlament, Altiero Spinelli Gebäude, weiter Richtung Nordost, dann links abbiegen auf Kastelein Straat. ERZÄHLERIN Die Reporterin trifft sich mit einem deutschen Europaparlamentarier der Linken, einem Finanzexperten. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) O-Ton: Verbriefungen sind wie ne heiße Kartoffel, die man weiterreicht. Man verpackt faule Kredite in hübsches Geschenkpapier und hofft darauf, dass den letzten die Hunde beißen. Man will also den Schrott aus der eigenen Bilanz kehren, und dafür macht man Verbriefungen. Im Endeffekt ist es ja so, der Käufer kauft dieses Papier und muss drauf hoffen, dass die Kreditnehmer, die hinter diesen Krediten stehen, ihren Kredit zurückzahlen können. Und erst wenn die ihren Kredit bedienen können, wird dieses Papier dann auch bedient. Und das Problem ist allerdings, dass wir gleichzeitig, und das müssen wir im Hinterkopf behalten, ein wirtschaftspolitisches Umfeld haben mit Kürzungen von Löhnen, von Renten, von Staatsausgaben, wo vielen Leuten das Einkommen wegbricht. Also ein Kreditnehmer in Irland oder in Griechenland hat wahnsinnige Probleme z.B. seine Hypothek zu bedienen, und solange diese Probleme von der Politik eben noch verschärft werden, ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie am Ende diese faulen Kredite bedienen können, die in den Verbriefungen stecken, sehr gering, und d.h. dass man das Problem quasi nur verschiebt. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: vor dem EP ERZÄHLERIN Eigentlich war die Reporterin auch mit einem Europaparlamentarier der CDU verabredet, der zugleich auch Vorsitzender einer so genannten Intergroup ist: dem European Parliamentary Financial Services Forum, kurz EPFSF. REPORTERIN Ein Mann an einer relevanten Schnittstelle. Finanzindustrierepräsentant und Volksvertreter in einer Person. So eine Art Doppelgänger. ERZÄHLERIN Und das ganz legal, denn Intergroups seien nicht verboten. Sagt die Reporterin. Es handele sich um informelle Arbeitsgruppen, in denen Abgeordnete und Lobbyisten zu bestimmten Themen zusammenarbeiteten. / Der Abgeordnete und Vorsitzende des Finanzlobbyforums, in dem u. a. auch Beatrix von Storch von der AfD sitzt, lässt am Tag vor dem Treffen von seiner Pressefrau, mit der ein halbstündiges Treffen bereits Wochen zuvor vereinbart gewesen war, per Email um die Zusendung der Fragen bitten. Die Reporterin überlegt, was sie tun soll. Sie entfernt die kritischsten Fragen aus ihrer Liste und schickt sie zu. Am nächsten Tag, zweidreiviertel Stunden vor dem vereinbarten Termin, erhält sie per Email eine Absage. / Die Reporterin hätte den Mann in Doppelfunktion gerne gefragt, wie er mit dem Interessenkonflikt zwischen Finanzindustrie und Gesellschaft umgehe? REPORTERIN Was bedeutet es, wenn diejenigen, die für die Finanzkrise verantwortlich waren, an der Neuordnung des Finanzsektors nun wieder mitarbeiten, an prominenter Stelle sogar? Hat man da nicht mit einer weiteren Deregulierung zu rechnen, statt mit der versprochenen Regulierung? Und wie ist es zu verstehen, dass toxische Finanzprodukte, die die Krise verursacht haben, jetzt zu ihrer Lösung werden? Brauchen wir tatsächlich Verbriefungen, um aus der Krise herauszukommen? Braucht nicht vielmehr die Verbriefungsindustrie unsere Schulden? Sind Kredite nicht der Rohstoff von Verbriefungen? Immobilienschulden, Ausbildungsschulden, medizinische Schulden, Kreditkartenschulden? ERZÄHLERIN Und: ob er erklären könne, was mit simplen, transparenten, standardisierten Verbriefungen gemeint sei, hätte sie ihn auch gerne gefragt. MUSIK ÜBERSETZERIN Simpel, transparent, standardisiert. ... O-Ton: Könnten Sie kurz charakterisieren, was mit dem einfach transparent, standardisiert jeweils gemeint ist? - Das muss ich leider verneinen, das kann ich nicht, weil das die Kommission selber nicht kann. Es gibt also dieses STS Label, und nun können sie selber gar nicht richtig beantworten, was sichere und transparente Verbriefungen sind. ERZÄHLERIN Sagt der Europaabgeordnete der Linken. Auch den Gegenlobbyisten hat sie gebeten zu erklären, was mit simpel, transparent, standardisiert gemeint sei. MUSIK ÜBERSETZERIN Simpel, transparent, standardisiert. ... O-Ton: Yeah, I mean simple based on what the Commission is proposing means no re-securitizations. ÜBERSETZER "Simpel" bedeutet, wenn man den Vorschlag der Kommission zugrunde legt, keine Wiederverbriefungen, also Verbriefungen von Verbriefungen. ERZÄHLERIN Es ist, als ob hinter jeder Antwort x neue Fragen lauerten, habe sie gedacht, sagt die Reporterin. O-Ton: And simple also meant originally no synthetic securitization. Synthetic securitization very simply is a securitization whose underlying is not loans, but bets on the repayments of loans. ÜBERSETZER Und ursprünglich bedeutete "simpel" auch: keine synthetischen Verbriefungen. Synthetische Verbriefungen sind ganz einfach ausgedrückt Verbriefungen, denen keine Kredite zugrunde liegen, sondern Wetten auf die Rückzahlung der Kredite. ERZÄHLERIN Das sei immerhin eine klare Aussage, habe sie gedacht. Synthetische Verbriefungen seien Wetten auf die Rückzahlung von Krediten. MUSIK ÜBERSETZERIN Simpel, transparent, standardisiert. ... O-Ton: Now transparent means that investors will have access to loan level data. That means in the past they had access to the performance of the pool of loans etc., but they did not have necessarily the detail of each loan in the pool ÜBERSETZER "Transparent" bedeutet, dass die Investoren Zugang zu den Kreditdaten haben. In der Vergangenheit hatten sie nur Zugang zur Performance eines Kreditpools, aber nicht zu den Details jedes einzelnen Kredits im Pool. O-Ton: Now the issue is / I mean it is certainly a good thing. It remains to be seen if it actually will be useful for investors because the enormous quantity of loans in the pool requires a lot of resources to dedicate to the due diligence and requires also to have internal models to be able to analyze the data etc. So there is a risk that despite of all this availability of data investors will still mostly rely on ratings. ÜBERSETZER Nun ist der Datenzugang natürlich eine gute Sache. Aber es bleibt zu sehen, ob es für die Investoren wirklich nützlich ist, denn die enorme Menge von Krediten, tausende in einem Pool, erfordert auch eine Menge Ressourcen, die aufgewendet werden müssen, um die Daten zu analysieren. D.h. das Risiko, dass die Investoren trotz dieser Verfügbarkeit der Daten auf Ratings angewiesen bleiben, besteht weiter. ERZÄHLERIN Rating Agenturen seien diesmal aber nicht vorgesehen. Zu schlecht ihr Ruf nach der Krise. Und deshalb, sagt die Reporterin, setze man nun auf das Selbstrating der Banken, die ihre Verbriefungen jetzt eigenhändig mit dem Label "sicher, transparent, standardisiert" versehen würden. Wenn irgendeine europäische Aufsichtsbehörde Wind davon bekomme, dass die Verbriefungen die Anforderungen nicht erfüllten, hätten die Banken mit Strafzahlungen zu rechnen. / Wenigstens das. / Am Ende würden es dann wohl Gerichte entscheiden. Sagt die Reporterin. MUSIK ÜBERSETZERIN Simpel, transparent, standardisiert. ... ERZÄHLERIN Was standardisiert bedeute, fragt die Reporterin. O-Ton: I don´t know, it is a good question. It is fairly loosely defined. ÜBERSETZER Gute Frage. Ich weiß es nicht. Das ist ziemlich vage definiert. ERZÄHLERIN Die Reporterin sagt, dass die Frage nach der Bestimmung der 3 Kategorien, die sie allen ihren Interviewpartnern gestellt habe, keine übereinstimmenden Ergebnisse erbracht habe. / Arbeitet das Parlament jetzt an diesen Verbriefungsvorschlägen? Fragt die Reporterin den Abgeordneten der Linken. O-Ton: Nun ja das Parlament, es gibt einen Bericht, der befasst sich mit den Anforderungen des Parlaments, aber die Details werden eben später festgelegt. D.h. wir entscheiden das nicht. Und das ist eben auch, ich sag mal, ein etwas prinzipielleres Problem. Durch die Entfesselung der Finanzmärkte sind die so komplex geworden, dass am Ende das niemand mehr versteht, und das ist ein Rieseneinfallstor für die Lobbyisten und Interessengruppen, und dann wird im Parlament etwas vorgelegt, was wir gar nicht mehr durchschauen können. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: (Handymapstimme, Verkehr, Kirchenglocken, Sirene, Schritte) ERZÄHLERIN Dem Treffen mit der Kommission sei wochenlanges Kommunizieren vorausgegangen. Sagt die Reporterin. Einmal habe die Pressefrau sie auch angerufen, um zu fragen, welchen Standpunkt sie mit ihrer Sendung einnehme. / Am Tag vor dem Treffen mit einem Kommissionsbeamten der Generaldirektion für Finanzielle Stabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion, der, das hatte man der Reporterin per Email bereits mitgeteilt, nur off the record zu treffen sei, während eine so genannte spokesperson ihr on the record zur Verfügung stünde, bittet die Pressefrau sie um Zusendung der Fragen. Die Reporterin zögert, denn die Erfahrung mit dem CDU-Parlamentarier und Finanzlobbyisten habe ihr zu denken gegeben. Sie beschließt zu schreiben, dass sie mit der spokesperson lediglich das Q&A durchgehen wolle, das die Finanzkommission zeitgleich mit der Veröffentlichung des Gesetzesvorschlags extra für die Medien erarbeitet hätte. Und für das off the record-Gespräch mit dem Beamten, könne sie leider keine Fragen schicken, mailt sie zurück, denn sie treffe sich davor mit einem Herrn der Association for Financial Markets in Europe, und von diesem Gespräch hänge ab, was sie den Beamten fragen werde. Die Pressefrau mailt zurück, dass die spokesperson allgemeine "sound bites" zur Verbriefung liefern könne - Fragezeichen. Die Reporterin beschließt, nicht mehr zu antworten und sich von den "sound bites" der spokesperson überraschen zu lassen, sagt sie. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) ATMO: (Pressefrau holt die Reporterin ab, sie gehen durch die Kontrolle) ERZÄHLERIN Am nächsten Tag auf dem Weg in das Büro, wo die Reporterin beide Interviewpartner zusammen treffen soll, wobei der Beamte nur eine halbe Stunde Zeit haben wird, erklärt die Pressefrau, die on und off the record-Gepflogenheiten der Öffentlichkeitsarbeit der Kommission. Sie sagt unter anderem, man wolle den Beamten, der anonym bleiben solle, schützen, er könne so freier sprechen, was auch ein Vorteil für die Reporterin sei. ATMO: (die Pressefrau und die Reporterin steigen aus dem Auszug aus) ERZÄHLERIN Am Ende kommt alles anders. Denn die spokesperson unterbricht das off the record-Gespäch mit dem Beamten nach einigen Minuten, weil die Reporterin, wie sie sagt, "viel, viel tiefer" gehe, als sie angenommen habe. Die meisten Journalisten, die sich mit Finanzregulierungsdingen beschäftigten, sagt sie, "tend to go very, very top message", hätten es auf einfache Botschaften abgesehen. Weil die Reporterin aus ihrer Sicht aber ein Stück Radio mache, das in die Tiefe gehe, beschließt die spokesperson, dass der Beamte, der in der Finanzkommission auch Kabinettsmitglied ist, ausnahmsweise on the record gehen soll. Wenn die Reporterin einverstanden sei, dass sie die ausgewählten O-Töne von der Presseabteilung autorisieren lasse. Sie stimmt zu. / Wochen später bei der Autorisierung der O-Töne hätte es dann Probleme gegeben, sagt die Reporterin. Nach einigem Hin und Her - Emails und Anrufe -, welche O-Töne benutzt werden dürfen, habe man ihr schließlich mitgeteilt, dass die O-Töne aus dem Gespräch nun gar nicht mehr verwendet werden dürften, weil der Beamte in der Zwischenzeit zu einer britischen Finanzbehörde gewechselt sei; die spokesperson könne die genehmigten O-Töne aber nachsprechen. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN Die Reporterin hatte in ihrem Gespräch damals nur mehr 20 Minuten Zeit mit dem Beamten. Sie hatte zunächst die heiklen Punkte angesprochen. REPORTERIN Wie kann es sein, dass die im Parlament strittig diskutierten synthetischen Verbriefungen in der Zukunft in das STS-Label einbezogen werden können? O-Ton: Okay so, synthetic securitizations are a way for investors to invest in securitizations by which you do not invest directly in the underlying loans, the mortgages or the company loans, but instead you invest in a derivative and that then connects you to the loans. ÜBERSETZERIN Synthetische Verbriefungen sind für Investoren eine Möglichkeit, in Verbriefungen zu investieren, bei denen sie nicht direkt in die zugrundeliegenden Kredite investieren, also in Hypothekendarlehen oder Unternehmenskredite. Stattdessen investieren sie in ein Derivat, das sie dann mit dem Kredit verbindet. ERZÄHLERIN Interessante Formulierung, habe sie damals gedacht, sagt die Reporterin, wo der Investor doch, wenn sie den Gegenlobbyisten richtig verstanden habe, in eine Wette auf die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen investiert. O-Ton: So we did not propose to include that in our proposal because we did not feel that it was a sufficiently standardized way. Many in the Parliament and in the Council have raised the point to us that synthetic securitizations are often a way to fund small companies and small company loans and that tends to be the practice in the market. The synthetic securitizations fund small company loans and there is a discussion now as to whether we can come up with a sufficiently standardized rule to ensure that synthetic securitizations or some synthetic securitizations could qualify for STS if they are sufficiently standardized which would be good for funding Europe´s companies. ÜBERSETZERIN Wir haben nicht vorgeschlagen, das in unseren Vorschlag einzubeziehen, denn wir hatten nicht das Gefühl, dass es ausreichend standardisiert werden kann. Viele im Parlament und im Rat haben aber den Punkt aufgeworfen und uns damit konfrontiert, dass synthetische Verbriefungen oft ein Weg sind, um kleine Unternehmenskredite zu finanzieren. Und so ist jetzt also eine Diskussion entstanden, ob wir eine ausreichend standardisierte Regel finden können, mit der sich einige synthetische Verbriefungen als STS qualifizieren ließen, was für die Finanzierung europäischer Unternehmen insgesamt eine gute Sache wäre. ERZÄHLERIN Ob man ihr denn einfach erklären könne, inwiefern synthetische Verbriefungen ein Instrument zur Finanzierung von kleinen Unternehmen seien, habe sie damals gefragt, aber keine befriedigende Antwort erhalten. Sagt die Reporterin. Doch nun sei das große Argument der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen Europas auf dem Tisch gewesen. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN Sie stellte also die Frage nach dem Nachfrageproblem. / Die Kommission und auch die Europäische Zentralbank hätten in eigenen Untersuchungen festgestellt, dass die kleinen und mittleren Unternehmen weniger ein Kreditproblem als vielmehr ein Nachfrageproblem hätten, weil sie ihre Produkte nur schwer verkaufen würden. Sagt die Reporterin. REPORTERIN Wenn die beiden Untersuchungen das Problem akkurat beschreiben, stellt sich die Frage, wem die Banken das viele durch Verbriefungen "frei gewordene" Kapital leihen werden? O-Ton: Well on the demand, I mean there is only some truth to the question whether there is sufficient demand for loans. Our feeling is that it is not the same in every country in Europe, so not all countries have the same experience. Some countries have no problems in terms of SME loans and demand, but there are countries that have lots of SMEs looking for loans and they just can´t get them. So securitization could help there. But our role as the EC is not so much to try to influence demand. ÜBERSETZERIN Die Frage, ob es denn genügend Nachfrage nach Krediten gebe, ist nur halbwahr. Unser Gefühl ist, dass das nicht in jedem Land Europas gleich ist. In manchen Ländern gibt es keine Probleme mit Krediten für kleine und mittlere Unternehmen, aber es gibt auch Länder, in denen viele dieser Unternehmen Kredite brauchen und nicht bekommen. Da könnten Verbriefungen hilfreich sein. Aber unsere Aufgabe als Europäische Kommission ist nicht so sehr, die Nachfrage zu beeinflussen. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN Das wäre auch eine ganz andere Politik, eine, die früher Parteien wie die der Sozialdemokraten gemacht hätten, als es noch linke und rechte Optionen gab. Sagt die Reporterin. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) O-Ton: We are not doing industrial policy here. ÜBERSETZERIN Wir machen hier keine Industriepolitik. MUSIKSIGNAL ERZÄHLERIN Als ob der Beamte ihren Gedanken gelesen hätte, habe sie in jenem Moment gedacht und sich dann erinnert, dass der Mann vor kurzem noch bei einer großen deutschen Bank gearbeitet habe, wo er für die Frage zuständig gewesen sei, wie Kapitalmarktregulierungen die Geschäfte der Bank global betreffen. MUSIKSIGNAL ERZÄHLERIN Die Reporterin kam in ihrem Gespräch nicht voran, sie versuchte es mit dem Zitieren von Forschungsergebnissen, die belegen, dass Banken in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich Immobilienkredite verbrieft hätten. / Weil solche Kredite sich sehr ähnlich seien, sei das Verbriefen eine ziemlich einfache Sache. Und da es auch bei Krediten einen Wettbewerb gebe, hätten die Banken bevorzugt Häuserkredite und nicht Unternehmenskredite vergeben, was für die Wirtschaft aber nicht gut gewesen sei. Sagt die Reporterin. Wenn nun aber das Hauptanliegen der Kommission die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sei, dann stelle sich doch die Frage: REPORTERIN Gibt es einen in die Anforderungen für simple, transparente, standardisierte Verbriefungen eingebauten Mechanismus, der es möglich macht, die Richtung der Kreditvergabe zu steuern? Z.B. durch höhere Eigenkapitalanforderungen für die Verbriefung von Immobiliendarlehen und niedrigere für die Verbriefung von Unternehmenskrediten. O-Ton: It is true that actually most lending, regardless of securitization or other types of lending, goes to property. I mean that is a well known fact, a well known fact, and in securitization you are right to say that it is easier to securitize mortgages because they are very homogeneous, they are very simple and it makes that a lot easier. So in our proposal we acknowledge that and we provided some special provisions for what we could call corporate securitization and we have made 2 adjustments to the proposal to ensure that corporate securitization can happen and is supported through our proposal. There is one for SME loans and then one for what we call asset backed commercial paper which is commercial loans effectively, and we have provided a special framework for those in the proposal. ÜBERSETZERIN Es stimmt, dass Kredite aktuell, und zwar unabhängig von Verbriefungen oder anderen Kreditverfahren, hauptsächlich in Immobilien fließen. Das ist eine allgemein bekannte Tatsache. Und was den Verbriefungssektor betrifft, stimmt es auch zu sagen, dass es einfacher ist, Hypothekendarlehen zu verbriefen, weil sie sehr homogen sind. Wir räumen das in unserem Vorschlag auch ein und sehen deshalb einige besondere Bestimmungen vor für etwas, das wir Unternehmensverbriefung nennen. Wir haben 2 Nachbesserungen in den Vorschlag eingefügt, um sicherzustellen, dass Unternehmensverbriefungen auch unterstützt werden. Die eine Änderung betrifft Kredite für kleine und mittlere Unternehmen. Und dann haben wir noch das so genannte "forderungsgedeckte Geldmarktpapier", das tatsächlich ein gewerblicher Kredit ist. MUSIKSIGNAL ERZÄHLERIN Dass der Beamte sie mit teuflischen Details totschlage, weil er wisse, dass sie davon keine Ahnung habe, habe sie damals gedacht, sagt die Reporterin. / Und stellte dann die Frage, was die auf die kleinen und mittleren Unternehmen sich beziehende Änderung denn enthalte. O-Ton: The SME loan part allows certain securitizations for SME loans that are done alongside public banks for synthetic securitizations. ÜBERSETZERIN Es geht da um gewisse Verbriefungen von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen, die von öffentlichen Banken vorgenommen werden und synthetische Verbriefungen sind. MUSIKSIGNAL ERZÄHLERIN Synthetische Verbriefungen seien also doch bereits Teil des Gesetzesvorschlags, habe sie gedacht, sagt die Reporterin. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN In jenem Moment schaltete sich die spokesperson ein, verwundert über die Detailgenauigkeit des Interviews. Die Reporterin hatte noch einige Fragen auf ihrem Zettel stehen, die sie gerne gestellt hätte. Sie sagte: REPORTERIN Kritiker sind besorgt, dass das Wiederankurbeln des Verbriefungsmarkts in Europa durch das STS-Label zu neuen Immobilienblasen führen wird. MUSIKSIGNAL (J.A.Riedl, Paper Music) ERZÄHLERIN Die spokesperson unterbrach erneut, sagte, sie habe den Eindruck, es liege hier ein Missverständnis vor, über die Rolle, die Verbriefungen in der Finanzkrise gespielt hätten. Das, was in Europa passiert sei, sei etwas völlig anderes gewesen als die Ereignisse in den USA. Sie bat den Beamten, das klarzustellen, was er dann auch tat. Und die Reporterin wiederholte schließlich ihre Frage, ob das STS-Label nicht zu neuen Immobilienblasen führen werde. O-Ton: So I completely accept that during the last crisis there was a lot of investment in housing and we had in many countries, mainly the US, a housing market bubble that then crashed and caused problems. However we also need to make sure we also don´t build in new mistakes by saying we don´t want to support lending to houses any more, that we want to support lending to companies and then we have a bubble in company lending that then goes bad. So the whole point of our framework is to be neutral to what is going on in the economy and make sure that the right risks are catered for and we need to be not choosing which type of sector we prefer or which type of market we want to boost. The securitization proposal will benefit both, companies and mortgages. ÜBERSETZERIN Ich akzeptiere vollständig, dass es in der letzten Krise eine Menge Kredite für den Immobiliensektor gab und wir in vielen Ländern, hauptsächlich in den USA, eine Immobilienblase hatten, die dann platzte und Probleme verursachte. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass wir jetzt nicht neue Fehler begehen, indem wir sagen, wir wollen keine Immobilienkredite, sondern nur mehr Unternehmenskredite vergeben, denn dann kriegen wir eine Unternehmenskreditblase, die aus dem Ruder läuft. Unser Anliegen mit dem Rahmenwerk ist es, uns der Wirtschaft gegenüber neutral zu verhalten, aber dafür zu sorgen, dass wir gegen Risiken abgesichert sind. Wir sollten also nicht auswählen, welchen Markt wir vorziehen. Von dem Gesetzesvorschlag werden ohnehin beide Märkte profitieren: die für Unternehmenskredite und die für Hypothekendarlehen. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: (Amsterdam Central Station Ansage) ERZÄHLERIN Die Reporterin fährt nach Amsterdam, um sich mit einem Professor für Politische Geographie zu treffen, der den Gesetzesvorschlag studiert hat und vor allem eines darin sieht: einen Anreiz für Immobilienblasen. Immobilienkredite, so der Forscher, sagt die Reporterin, und zwar vor allem solche aus Spanien, Großbritannien und den Niederlanden, seien vor dem Ausbruch der Finanzkrise der Hauptrohstoff von europäischen Verbriefungen gewesen. Und in allen 3 Ländern habe das zu Häuserblasen mit verheerenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft geführt. Ein Gütesiegel wie das STS-Label werde zu neuen Immobilienblasen führen. Interessant in diesem Zusammenhang sei, sagt er, welche Art von Hypothekendarlehen der Gesetzesvorschlag vorsieht. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) O-Ton: What is in the proposal by the EC is that the only mortgages that are allowed to be securitized under the label of STS are full recourse loans. Full recourse means that the creditor is able to get access to the collateral in case the debtor is unable to pay interest and the principal sum, but even if the collateral is being sold of and there is still a difference between the value of the collateral and the sum of the loan, the bank is legally allowed to pursue the debtor over the course of his or her lifetime. That is not the case in non-recourse systems where you only have access to the collateral and once the collateral is being sold of, even if there is a difference between the sum of the loan and the value of the collateral you have to sort of write it down because the debtor goes scot-free. So member states are kindly advised to look at their bancrupcy legislation in order to ensure that it actually is full recourse because otherwise their banks can´t do / can´t use it as basically the raw material for producing their securitization. This is quite crucial because one of the ways the EC as well as the finance industry tries to make the claim that securitization in Europe has always been safe, it has been falsely tainted by what happened in the US. In Europe default rations were very very low and then they jump from that observation to making the claim that this is due to the quality of the securitization process. And that again is basically bullshit because it has nothing to do with the quality of the securitization process, it has simply to do with the fact that in Europe most countries have a full recourse bancrupcy system which means that the incentives to default on your mortgage loan are very limited. ÜBERSETZER Die einzigen Hypothekendarlehen, die der Gesetzesvorschlag der Kommission zur Verbriefung unter dem STS-Label erlaubt, sind full recourse-Darlehen. Full recourse bedeutet, der Gläubiger hat, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die Zinsen und die Kreditsumme zu bezahlen, Zugriff auf das Pfand, also die Immobilie. Und wenn das Pfand verkauft ist und es immer noch eine Differenz zwischen dem Verkaufserlös des Pfands und der Kreditsumme gibt, hat die Bank das Recht, den Schuldner sein Leben lang zu verfolgen. Das ist im Fall von non-recourse-Systemen nicht so, wo der Gläubiger nur Zugriff auf das Pfand hat. Wenn das Pfand verkauft ist und es immer noch eine Differenz zwischen Pfand und Kreditsumme gibt, muss der Gläubiger diese Restschulden abschreiben; der Schuldner kommt hier ungeschoren davon. Den Mitgliedsstaaten wird nun freundlich geraten, ihr Insolvenzrecht zu überprüfen, um sicherzustellen, dass es full recourse ist, denn sonst können Banken Hypothekendarlehen nicht als Rohmaterial für Verbriefungen nutzen. Dieser Unterschied ist ein ganz wesentlicher, denn die Europäische Kommission und die Finanzindustrie versuchen den Anspruch geltend zu machen, dass Verbriefungen in Europa immer sicher gewesen seien und nur durch die Ereignisse in den USA ihren guten Ruf verloren hätten. In Europa, heißt es, seien die Ausfallraten sehr gering gewesen, und das hätte mit der Qualität des Verbriefungsprozesses zu tun. Das ist aber ziemlicher Quatsch, denn mit der Qualität des Verbriefungsprozesses hat das nichts zu tun, sondern schlicht und einfach mit der Tatsache, dass in Europa die meisten Länder ein full recourse-Insolvenzrecht haben, was bedeutet, dass die Anreize, ein Hypothekendarlehen nicht zu begleichen, sehr begrenzt sind. MUSIKSIGNAL ERZÄHLERIN Das Argument von Kommission und Finanzindustrie von den schlechten amerikanischen und den guten europäischen Verbriefungen erwähne das an keiner Stelle, habe sie gedacht, sagt die Reporterin. REPORTERIN Für den Forscher ist jedenfalls klar, dass das STS-Label nicht zu mehr Wirtschaftswachstum führen wird, wie die Kommission behauptet, sondern zu schneeballsystemartiger Finanzinstabilität. Weil das Verbriefen von Immobilienkrediten jetzt von Neuem angefeuert wird. Und das ist die Rückkehr ins Vorkrisenparadies der Banker. MUSIK (Fujita & Jelinek. Bird, lake, objects) ATMO: (Simmen, Rollkoffer) ERZÄHLERIN Die Reporterin ist wieder in Brüssel, sie steht vor dem Altiero Spinelli Gebäude des Europäischen Parlaments - Spinelli, ein italienischer Kommunist und Europäist der ersten Stunde - und ist mit dem Berichterstatter in Sachen Gesetzesvorhaben zur Neuordnung des Verbriefungssektors verabredet, der dafür sorgen muss, dass das Parlament sich am Ende auf einen gemeinsamen Bericht zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzestext einigt, der, einmal verabschiedet, in allen europäischen Mitgliedsländern automatisch Gesetz werden wird. ATMO: Ziel erreicht. MUSIKSIGNAL (to rococo rot. Music is a hungry ghost) ATMO: (Piepsen) ERZÄHLERIN Die Reporterin möchte wissen, wie der Berichterstatter, der der Fraktion der Sozialdemokraten angehört, die Sorge einschätze, dass der STS-Vorschlag zu neuen Häuserblasen führen werde. MUSIK (In memoriam Gilles Deleuze, Intermodal) O-Ton: Okay, I share the concern that what you have seen in the past that banks gave mortgages more easily because they were able to sell these mortgages, that´s one of the concerns that we have. And then it leads to selling more mortgages, higher house prices and then the collapse, with the collapsing house prices and so on. This has been a concern that has not been addressed by the Commission or the Council. ÜBERSETZER Ich teile diese Sorge. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Banken Immobilienkredite mit großer Leichtigkeit vergaben, weil sie in der Lage waren, diese Darlehen zu verkaufen. Das ist eine der Sorgen, die wir haben, denn das Verkaufen von immer mehr Hypothekendarlehen führt zu immer höheren Immobilienpreisen und schließlich zum Kollaps, zum Einbruch der Preise usw. Und das wird von Kommission und Rat nicht berücksichtigt. ERZÄHLERIN Den beiden anderen neben dem Parlament in das europäische Gesetzgebungsverfahren involvierten Akteuren. Sagt die Reporterin. / Sie fragt, ob wenigstens das Parlament diesen Punkt berücksichtige? O-Ton: It is, at least by the left hand side of the Parliament, not by the right hand side. But this, this we take this concern on board, we want to make sure that it is not a boom/bust-market again. This has to be taken into account. And we are looking for a way to avoid that situation. And this is the weakness of the proposal by the Commission and the Council. They have done it in so a technocratic way. ÜBERSETZER Nun die linke Seite des Parlaments beschäftigt sich damit, die rechte nicht. Aber wir haben diese Sorge an Bord genommen. Denn wir wollen sicher gehen, dass es nicht wieder ein Boom/Kollaps-Markt wird. Das ist die Schwäche des Vorschlags von Kommission und Rat, der sehr technokratisch ist. ERZÄHLERIN Die Reporterin hakt nach, sie will Konkreteres hören und fragt, warum man nicht vorschlage, die Kapitalanforderungen für die Verbriefung von Hypothekendarlehen zu erhöhen? Der Berichterstatter wendet ein, verbriefte Hypothekendarlehen könnten die Finanzinstitutionen selbst und den Finanzsektor stabiler machen. O-Ton: Securitized mortgages could make the financial institutions in itself and the financial sector more stable. ERZÄHLERIN Kuriose Aussage eines sich selbst als links bezeichnenden Politikers habe sie gedacht, sagt die Reporterin und fragt, warum? O-Ton: Because there are risks with those loans, people are not always able to pay their mortgages and if you transfer the risk away from the systemic part, from banks to other parties, the banks themselves become less risky, because the risk has trans/they don´t have the risk on the balance sheet, but also the financial sector as a whole. ÜBERSETZER Diese Darlehen sind mit Risiken behaftet, Leute können ihre Immobilienkredite nicht immer zurückbezahlen. Und wenn man das Risiko von den Banken, also den systemischen Akteuren, hin zu anderen Parteien transferiert, dann sind die Banken selber weniger risikobehaftet, denn sie haben die Risiken nicht mehr in ihren eigenen Bilanzen, und auch der Finanzsektor als Ganzer ist dann weniger risikobehaftet. ERZÄHLERIN Pensionsfonds kauften dann also die Risiken der Banken, wendet die Reporterin ein. O-Ton: There are always risks. It´s just the question who has the risks and who is able to carry that risk. Banks, if banks carry the risk and the risk downturn? what we have seen in the financial crisis is that they become very weak and there is this systemic effect, so that it becomes a shock wave in the financial sector. So what we have seen: yes risk means a loss, so that a pension fund doesn´t want to have a loss, but we are not falling apart during the financial crisis and didn´t have this shockwave effect. And that is the difference between a systemic risk and a non systemic risk. ÜBERSETZER Risiken gibt es immer. Die Frage ist nur, wer schultert sie und wer ist dazu in der Lage. Wenn Banken die Risiken tragen, dann - wir haben das in der Finanzkrise gesehen - werden sie sehr schwach und es tritt der systemische Effekt ein: im Finanzsektor entsteht eine Schockwelle. Wir haben gesehen, dass Risiko Verlust bedeutet. Pensionsfonds wollen selbstverständlich keine Verluste, aber sie sind in der Krise auch nicht kollabiert und haben nicht diese Schockwelle verursacht. Und das ist der Unterschied zwischen einem systemischen Risiko und einem nicht-systemischen Risiko. ERZÄHLERIN Das sei der Unterschied zwischen mächtigen Geldhäusern, die gerettet würden, und der Bevölkerung, die dafür bezahlen müsse, habe sie gedacht, sagt die Reporterin. Und auch dass es merkwürdig sei, dass der sozialdemokratische Berichterstatter die Fraktion der Linken gar nicht erwähne, deren Vertreter bei einer Anhörung im Parlament ihren Standpunkt ganz deutlich geäußert hätten. ATMO: (Public Hearing, ein Portugiese spricht ...) ÜBERSETZER Wir haben jetzt monatelang über dieses Thema diskutiert, und man hat uns nicht davon überzeugen können, dass Verbriefung irgendwelche Vorteile bringt. Wir konnten nicht nachvollziehen, wie es möglich sein soll, mithilfe dieses Gesetzesvorschlags die Risiken dieser Produkte einzuhegen, die die Finanzkrise ausgelöst haben. Wir sind auch nicht der Meinung, dass diese Produkte einfach und transparent sind. Man hat uns nicht überzeugt. Und deswegen sind wir der Meinung, dass die Welt bestens ohne Verbriefungsprodukte auskommen könnte. ERZÄHLERIN Am Ende werde es auf einen Konsens aller Kräfte minus der der Linken hinauslaufen, an die der Berichterstatter emphatisch als "breite Mehrheit" appelliere, sagt die Reporterin. REPORTERIN Christdemokraten, Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne ziehen alle am Strang der neoliberalen Alternativlosigkeit. O-Ton: What I try to do as a rapporteur is to unite the parties by addressing both sides of Parliament. So the right is saying: it has to be attractive. And the left is saying: it has to be safe. And I am looking for ways to make it both: attractive and safe at the same time. And that requires some creativity. ÜBERSETZER Was ich als Berichterstatter versuche, ist die Parteien zu einen, indem ich beide Seiten des Parlaments anspreche. Die Rechte sagt: Es muss attraktiv sein. Die Linke sagt: Es muss sicher sein. Und ich suche nach Wegen, die beides möglich machen. Das bedarf freilich einiger Kreativität. ERZÄHLERIN Das sei die Quadratur des Kreises, habe sie gedacht. Sagt die Reporterin. REPORTERIN Auch weil die grundsätzliche Frage nach einem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in den politischen Institutionen, die uns regieren, nicht mehr gestellt wird. ÜBERSETZERIN Simpel, transparent, standardisiert. ... MUSIK (iZotope Vinyl) REPORTERIN Simpel. Transparent. Standardisiert. Baut sich in der EU eine neue Finanzblase auf? Ein Feature von Barbara Eisenmann Mit: Ewald Engelen, Fréderic Hache, Richard Hopkin, Fabio de Masi, Vanessa Mock, Paul Tang, Miguel Viegas und einem ehemaligen Beamten der Europäischen Kommission. Abgesagt hat: Burkhard Balz. Es sprachen: Claudia Jahn, Nadine Kettler, Sebastian Mirow und Abak Safaei-Rad Ton und Technik: Daniel Senger und John Krol. Regie: Barbara Eisenmann Redaktion: Wolfram Wessels Eine Produktion des Südwestrundfunks mit dem Deutschlandfunk, 2017. 2 3