DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 30.03.2010 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 ? 20.00 Uhr Kalamazoo Im Staub am Rande der Goldmine Von Tom Schimmeck URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo Mbira / Pops Mbira O-Ton/Atmo Pops comes to 3rd st Pops: Jaa, so this is the place I was born. This was our bedroom, my father opened up the door ... Sprecher 1 Das ist der Platz, wo ich geboren bin. Das war unser Schlafzimmer. Mein Vater hat da eine Tür reingesetzt, 1969, so hatten wir drei Zimmer. Wir waren fünf Brüder, Mutter und Vater. Die Miete betrug drei Pfund. O-Ton Pops In 1969 my father opened up here. And so we rented three rooms. That used to be the kitchen. We were five brothers, mother and father. Erzähler 22, Third Street in Actonville, Johannesburg. Ein altes, marodes Haus in einer schmalen Straße. Einstöckig, erbaut 1916, in den Frühzeiten der Goldgräber-Metropole. Mit Blechdach. Das Mauerwerk bröselt. Die Veranda hinter den abblätternden Pfeilern ist winzig. Mavis, die jetzige Bewohnerin, lebt schon ewig hier. Ein enger Gang führt auf einen Hinterhof. O-Ton Pops Do you want to step into the backyard? That is the old passage. We used to be scared to run through the passage when we were kids because we thinking, Dracula was gonna catch us ... Sprecher 1 Kommst Du mit auf den Hinterhof? Das ist der alte Durchgang. Als Kinder hatten wir Angst hier durchzugehen, weil wir dachten, Dracula würde uns schnappen. Erzähler Hier haben wir gebadet, sagt Pops. Und zeigt mir, wo die Freunde und Nachbarn wohnten. Hinter der verschrammten Holztür da hauste der verrückte Oum Ben. Dort Oum James. Die sind alle tot. Und hier Tante Willima. Es gab sogar einen kleinen Hindu-Tempel am Ende des Hofs. O-Ton Pops A Hindu temple. the woman I hope we'll find her ... there was Oum Ben I don't know where they've gone to. And then this passage goes out onto the back 4th street. Lot's of shebeens here. Sprecher 1 Und hier geht's weiter auf die 4. Straße. Hier waren jede Menge Kneipen. Atmo Pops ruft Erzähler Die schöne alte Backsteinwand, findet Musiker Pops, könnte ein schickes Cover für seine nächste CD abgeben. Ansage Kalamazoo Im Staub am Rande der GoldmineEin Feature von Tom Schimmeck Erzähler Mavis steht an der Tür. Denkt zurück an bessere Zeiten. O-Ton/Atmo Mavis: Uuuh, 1983. A long time. That time we had toilets. Now, there' no toilets. We're suffering for a toilet. Erzähler 1983 kam sie hierher. Damals gab es noch Toiletten. Jetzt nicht mehr, klagt sie. O-Ton Mavis I was working. Now I'm not working. I got twins, two boys. And a husband. This my sister Ntombi. My friend. (lacht) Erzähler Ihre Freundin Ntombi sitzt neben ihr, lächelt stumm. Mavis hat zwei Söhne, Zwillinge. Und zwei Katzen. Und einen Mann. Arbeit hat sie keine. Schon lange nicht mehr. Sie ist arm. Mavis steht, während sie spricht, vollkommen still. Wie erstarrt. Musik Spirit (Pops Mohamed / Album African Classics) O-Ton Pops Mein Name ist Pops Mohamed, ich komme aus Benoni, ich bin 55 Jahre alt und ich spiele Musik. Atmo Citysound Erzähler Zum ersten Mal traf ich Pops 1990. Im "Kohinoor" Record Shop, einem Laden in der Kort Street. Pops verkaufte dort Schallplatten. Vorwiegend Jazz. Fachsimpelte mit der Kundschaft.In dieser Ecke der Johannesburger Innenstadt war immer viel Gewusel. Leute kamen von weit her, um hier Lebenswichtiges einzukaufen ? Kleidung, Schuhe, Haushaltswaren; sogar Muti ? afrikanische Medizin: Schlangenhäute, Affenfelle und allerlei Pulver. O-Ton Pops At home it wasn't easy. We grew up not rich, not very poor, but it wasn't easy. In those days people earned very little money. So my mom used to run a shebeen, part-time. In other words: coming home from work. She used to work for white people as a maid. And used to come home from work and run this shebeen. This is how we used to grow up up. My dad was a driver. And in those days I considered him as a lucky man that he was a driver. Although we didn't come out with this money. We struggled, But it was good days. It was the raw, raw Apartheid days. But funny enough there was a lot of peace in those days, a lot of calmness, tranquility. Until the Group Areas Act came. I think this is when the trouble really started. When Apartheid really took its toll. Sprecher 1 Es war nicht einfach zuhause. Wir waren nicht reich. Auch nicht extrem arm. Damals haben Leute wie wir sehr wenig verdient. Meine Mutter betrieb bei uns zuhause ein Shebeen, so eine Wohnzimmer-Kneipe. Tagsüber arbeitete sie als Hausangestellte bei Weißen. Mein Vater war Fahrer. Damals glaubte ich, er sei ein glücklicher Mann, so einen Job zu haben. Das Geld reichte nie. Und trotzdem waren es gute Tage. Sicher, es war die Zeit der rohen Apartheid. Aber komischerweise gab es auch Ruhe, Frieden. Bis der Group Areas Act kam. Da begann der Ärger. Da schlug die Apartheid so richtig zu. Atmo Straße Erzähler Pops und ich saßen damals draußen vor dem Laden, auf dem Bordstein, in der Sonne. Im Gewühl der einkaufenden Menschen. Hinter uns trötete der Lautsprecher des Plattenladens, der Kundschaft anlocken sollte. Pops erzählte von seiner Kindheit auf dem East Rand, in den Townships von Benoni und Boksburg. Es war eine gute Zeit. Nelson Mandela war nach 27 Jahren gerade aus der Haft entlassen worden. Das Apartheid-Regime war am Ende. Freiheit lag in der Luft. Die Menschen lächeln hier ohnehin viel mehr. Aber jetzt lachten sie doppelt so breit. Und eines Tages zog Pops seine Platte aus dem Regal. Gehüllt in ein schwarz-weißes Cover, auf dem er selbst vor einem Wandgemälde zu sehen war, ins Nichts blickend, die Daumen lässig in die Taschen seiner Jeans geklemmt. Darüber stand, in etwas ungelenken Buchstaben: "Kalamazoo". O-Ton Pops I retraced myself by Kalamazoo which was a popular township on the East Rand. They were about to demolish it in 1982. And I thought the best way to give back from what I've got out of Kalamazoo was to call my present project Kalamazoo, to dedicate it to this small little township where people used to live so happily, like a mixed society ... Sprecher 1 Ich bin den Weg zurück gegangen mit "Kalamazoo". Das war ein populäres Township hier auf dem East Rand. Sie wollten es 1982 niederreißen. Ich fand, der bessere Weg, etwas von dem zurück zu geben, was ich dort mitbekommen habe, wäre, mein Projekt Kalamazoo zu nennen ? gewidmet jenem kleinen Township, wo die Leute so glücklich lebten. Es ist Musik, wie ich sie aus den frühen Sechzigern erinnere. Und so fing ich an, Songs über die Gegend zu schreiben, in der ich aufwuchs. Erzähler Es war das erste Mal, dass ich von Kalamazoo hörte. Schon der Name klang wie ein Versprechen. Atmo Fahrsound Erzähler Fast 20 Jahre später fahren Pops und ich endlich auf den East Rand, wo sich wie auf einer Kette die Bergbau-Städten aufreihen: Orte wie Boksburg, Benoni, Brakpan und Springs. Dazwischen Minen, Fabriken, Lagerhallen, Autobahnen, Schienenstränge, riesige Abraumhalden. O-Ton Pops My family is mixed. My father is Portuguese-Indian, my mom is Xhosa-half Coloured. So this makes me a very mixed South African. Which is nice. Erzähler Seine Familie ? eine bunte südafrikanische Mischung: Der Vater portugiesisch-indisch, die Mutter Xhosa und halb "coloured".Unser Trip nach Kalamazoo ist eine Reise zu den Wurzeln seiner Musik. In Pops Vergangenheit. O-Ton Pops Kalamazoo is a small township on the East Rand, in Boksburg. Today I think there are only about five shacks left. And I still call it Kalamazoo, because it is my hometown. People are squatting there. It's on the mine, on the mine shaft.So there we grew up going through the township and we used to see people in shebeens playing traditional instruments like Mbiras and mouth bows, and someone playing piano, an old, fucked-up, out-of-tune piano, and a guy playing saxophone and the notes have been padded with chewing gum. And they jam. People were having fun. There were white people living there, there were Chinese, there were coloured people, there were black people, there were Indian people living there, all races, Portuguese, you just name it. And the population there must have been just over 500 people. But that's where the people used to hang out, when I grew up, they hang out in Kalamazoo. Sprecher 1 Kalamazoo ist ein kleines Township auf dem East Rand, in Boksburg. Heute sind glaube ich nur noch etwa fünf Hütten übrig. Für mich ist es immer noch Kalamazoo, meine Heimat. Sie liegt direkt auf der Mine. Menschen hausen hier in Slums. Als wir hier aufwuchsen, sahen wir die Arbeiter in den Kneipen ihre traditionellen Instrumente spielen ? Mbiras und Maultrommeln. Irgendwer spielte auch ein kaputtes, verstimmtes Klavier. Oder ein Saxophon. Die Noten hatte er irgendwo mit Kaugummi festgeklebt. Die Menschen hatten Spaß. Es lebten Weiße dort, Chinesen, "Coloureds", Schwarze, Inder, Portugiesen, einfach alle Rassen. Zusammen wohl nur etwas mehr als 500 Leute. Aber viele Leute kamen dorthin, um abzuhängen, um zu entspannen in Kalamazoo. Atmo/O-Ton Fahrt Forts Ankunft Erzähler Wir überqueren Brücken und Bahnlinien, holpern an Fabriken, Werkstätten und Lagerhäusern vorbei, meterhoch vergittert. Eine endlose Industrielandschaft. Pops zeigt auf eine Metallfirma, in der er als junger Bursche arbeitete. Erzähler Reiger Park heißt heute das angrenzende Township, vom System der Apartheid einst, Anfang der 1960er-Jahre, den "Coloureds" zugewiesen, den Mischlingen. Etwa 20 Straßen breit, 12 Straßen hoch. Kleine Häuser. Einige verkommen, andere hübsch gepflegt, mit sauber gemähtem Rasen. Dazu Sportplätze, Schulen, Kirchen und eine Moschee. In der Mitte, am Leon Ferreira Drive, ein paar ärmlich wirkende Geschäfte. Im Westen und Norden zwei Squattercamps ? wachsende Slum-Viertel, in denen eng gedrängt viele winzige Hütten stehen. Provisorische Heimat für Tausende. O-Ton Pops Pops:...so go this way. (Klicken der Gurte, Tür, Schritte) Erzähler Wir sind da. Kalamazoo ? ein graubraunes Niemandsland. Ein paar Bäume ragen aus der staubtrockenen Erde. Daneben, zusammengedrängt wie eine ängstliche Herde Schafe, einige Dutzend Hütten aus Holzresten, Pappe, Wellblech und anderen Baumaterialien. Atmo Flugzeug Erzähler Wir stehen in der Einflugschneise des Oliver Tambo International Airport, des größten Flughafen Afrikas. Vor uns das Grundstück der alten Moschee. Sie ist vor Jahren abgebrannt. Die ehemaligen Bewohner von Kalamazoo seien längst fortgezogen, erklärt Pops bedauernd, diese Elendshütten dort ziemlich neu. O-Ton Pops You see, this is where the old mosque used to be. Burnt down. More than 150 years old. This used to be the caretakers house. And then these shacks that you see here, this is not the original Kalamazoo. These are people squatting. Kalamazoo people are gone Erzähler Pops plaudert mit der Frau des Moschee-Wächters, auf Afrikaans. Das Paar lebt in einer wackligen Baracke, die auf Zementblöcken steht. Zu bewachen gibt es längst nichts mehr. Nicht einmal eine Ruine. Nur ein paar Steine lassen den Umriss der einstigen Moschee erahnen. Und da kommt auch der Wächter. O-Ton/Atmo GesprächPops: So he lived here. There were one streets this side and one street this side. And there was a Chinese shop down there, Atong. Where they used to play the Fafi. Sprecher 1 Er lebt hier schon lange. Er sagt: Eine Straße war auf dieser Seite und eine auf jener. Und da unten war der chinesische Laden Atong. Wo man Fafi spielen konnte. Erzähler Fafi ist eine Art Bingo. Neben dem Laden die Squatter. Die Ärmsten Südafrikas. Dazu Flüchtlinge von überall her. Sie kriechen hier unter. Wir laufen durch die Ruinen von Kalamazoo, an den Hütten dieser Squatter vorbei, stapfen durch Pfützen, Schutt und Dreck. O-Ton Pops So all these, this is all new. There were a few squatters. But this! This was one street, and this was the other street, the main street. See this is one of the original Kalamazoo shops. Sprecher 1 Das alles ist neu. Es gab früher nur ein paar Squatter. Da war dies ein Weg, und hier die Hauptstraße. Und guck, hier steht einer der alten Kalamazoo-Läden. Erzähler Die Regierung baut neue Siedlungen, lässt dafür Elendsquartiere niederreißen. O-Ton Pops Begrüßung von Squattern: Hello, Kunjani, Yapila. Sharp, men. Erzähler Doch überall schießen neue Hüttensiedlungen aus dem Boden. Manchmal über Nacht. O-Ton Pops It's a shame that this shop came down. Because this is where it all was happening. This corner, this Fafi game and the Chinese shop Atong. I think this came down only a few months ago, maybe a year ago. We can go through here. Erzähler Es quält Pops sichtlich, dass der Ort seiner Kindheit in Trümmern liegt. O-Ton Pops Were we are walking now, this was the main street. This was the main street. But this until recently was a very vibrant place, you know, from the days of old Kalamazoo. Sprecher 1 Hier war noch vor kurzem viel los, fast wie in den alten Tagen. O-Ton Pops This is where I got to learn traditional music. The miners and the guys from the hostels down there used too come with traditional instruments and playing in the shebeens and stuff like that. Sprecher 1 Hier habe ich traditionelle Musik gelernt. Hier kamen die Minenarbeiter, die Jungs aus den Hostels da unten, mit ihren traditionellen Instrumenten und spielten in den Kneipen. Atmo Zug O-Ton Harry No, it wasn't that big, it as just about 1, 2, 3, say three streets. Erzähler Nein, sagt der alte Harry, Kalamazoo war nicht groß. Aber ein Magnet. Ganz nah an der Mine und am Bahnhof Eastrand. Mit viel Laufkundschaft, die zum Einkaufen, Trinken, Tanzen und Spielen kam. O-Ton Harry Well, the poor miners coming from Maputo and all these different countries, from Malawi and all that used to live in the compounds. The compound wasn't far away from us. They used to come and have a drink up there in the township, in Kalamazoo, And when the police raided the place they must get out of it. Otherwise they'll be arrested for trespassing, the Africans. Sprecher 2 Die armen Minenarbeiter aus Maputo und Malawi und überall lebten im Compound. Ganz nah. Sie kamen auf einen Drink nach Kalamazoo. Wenn die Polizei eine Razzia machte, mussten sie schnell weg. Sonst wären die Afrikaner sofort verhaftet worden. Erzähler Und manchmal rückte die Polizei zweimal am Tag zur Razzia an. O-Ton Harry Oh, sometimes twice a day... twice a day. To raid the place. Erzähler Harrys Eltern lebten davon, Drinks an müde, verschwitzte Minenarbeiter zu verkaufen. O-Ton Harry I am Harry Henry DuPlessis. But that's not my only name. I've got two surnames. I am Harry Moonsammy as well. But due to the Apartheid era, I had to keep to my coloured surname DuPlessis. Sprecher 2 Ich bin Harry Henry DuPlessis. Aber das ist nicht mein einziger Name. Ich heiße auch Harry Moonsammy. In der Apartheid-Zeit musste ich meinen Coloured-Namen behalten. O-Ton Harry I was born in 1933. In Johannesburg. Corner of Market and Nugget Street. Erzähler Harry ist Jahrgang 1933. Er hat Elan. Schwungvoll schaufelt er sich Unmengen von Zucker in seinen Tee. O-Ton Harry I eat sugar. Anything sweet, bring it to me. With the Indian name I couldn't enter Bloemfontein. If I go to Durbs, I must have a permit. So why should I? Sprecher 2 Mit dem indischen Namen durfte ich nicht nach Bloemfontein. Und ich brauchte ein Erlaubnis für Durban. Warum sollte ich den tragen? Erzähler Aber auch mit dem Etikett "coloured" war das Leben in Kalamazoo kein Zuckerschlecken. O-Ton Harry I went to work on the mines, you see. ERPM. And I worked there for 20 years, on ERPM. So I used to work on the railways, on the locomotives. I was a fireman. Sprecher 2 Ich ging ins Bergwerk, zu ERPM. 20 Jahre habe ich dort gearbeitet. Ich habe mich lange um die Lokomotiven gekümmert. Ich war Heizer. Erzähler Als dann die Dieselloks kamen, fuhr er Krankenwagen. O-Ton Harry There were plenty accidents, of course. We all had to go down to the shaft wherever the accident occurred. But then with me I couldn't take when the doctor comes and find the guy is already dead. And then: 'Harry, take him to the morgue.' And I couldn't take that any longer. No I couldn't take that. Sprecher 2 Es gab jede Menge Unfälle. Wir mussten tief runter in die Stollen, wo immer es auch passiert war. Ich konnte es kaum ertragen, wenn der Doktor kam und sagte: Der ist tot. Dann hieß es: "Harry, bring ihn ins Leichenhaus." Nein, ich konnte das nicht mehr. Klang KAMUS1 Mbira1 Atmo ERPM Surface Op Laster Erzähler Südlich von Reiger Park ragen rechtwinkelige Berge auf ? der Abraum der Goldminen. Man würde sie noch aus dem Weltall erkennen. Noch 2008 arbeiteten auf ERPM ? den East Rand Proprietary Mines ? 1900 Menschen. Am 19. September 2008 aber starben hier zwei Arbeiter durch Kohlendioxid. Die Pumpen wurden gestoppt, die Mine geschlossen. Atmo ERPM Surface Op Foerderbander Erzähler Nun vermengen Maschinen Hunderttausende Tonnen Abraum mit Wasser. Der Schlamm wird durch Pipelines gepresst. Ein paar Kilometer weiter steht eine Fabrik, die daraus winzige Mengen Restgoldes filtert. Das scheint sich zu rentieren. Viel Arbeit aber schafft es nicht. Erzähler Ein altes Haus steht noch in Kalamazoo. Atmo/O-Ton Kalamazoo MoosaPops: Hallo, Kunjani.. Are you allright? Stimmen Erzähler Ein Schneider sitzt an seiner Nähmaschine. Strahlend. O-Ton Pops I'm just showing him around. It used to be a tailor shop, this. And I see some more tailors again, so the tradition carries on ... O-Ton Moosa Aaa, it's nice nice. Oh, I'm Moosa, I'm a tailor. Erzähler Moosa lächelt freundlich. Und näht weiter. O-Ton Pops: Moosa? Are you a Muslim?Moosa: Ja, I'm a Muslim.Pops: Salam aleikum u rahmatu... Sprecher 1 Moosa, bist Du Moslem? Erzähler Der Schneider bejaht. Woraufhin sie sich gleich noch einmal begrüßen. Moosa stammt aus Malawi. Wie auch die drei anderen im Raum. Die Squattercamps sind voll von Migranten aus den Nachbarstaaten: Aus Malawi, Simbabwe, Moçambique. Pops erzählt, dass er hier aufgewachsen ist. Wissen die überhaupt, dass hier einmal Kalamazoo war? O-Ton Moosa Kalamazoo? Yeah we know it. We know. Erzähler Wann ist Moosa hergekommen? O-Ton Moosa Aah, last year, we've come last year. Erzähler Letztes Jahr, sagt der Schneider, schickt noch ein Lächeln hinterher und beugt sich wieder über sein Nähmaschine. Atmo Nähmaschine Erzähler Es ist einer dieser warmen, zähflüssigen Sonntage, wie es sie wohl nur in Afrika gibt. Draußen, zwischen den Ruinen, wachsen Mais, Bohnen, Kürbisse. Man weiß sich zu helfen. Atmo Musik O-Ton Pops We played Soul, we did Aretha Franklin, even Frank Sinatra, we played Ballroom, anything that was on the Top 20, that's what we did. Sprecher 1 Wir spielten Soul, Aretha Franklin, sogar Sinatra. Und Ballroom, alles was in den Top 20 war. Erzähler Mit 14 bekam Pops seine erste Gitarre, imitierte die "Shadows", dann Jimi Hendrix. Er saugte Musik aus den USA und Europa auf, machte mit Schulfreunden die erste Band auf. Der Wunsch nach etwas Eigenem kam später. Dafür ging er zurück, nach Kalamazoo. Trieb sich viel in Reiger Park und in Benoni herum. Erinnerte sich an die Arbeiter und ihre alten Instrumente, an das Lebensgefühl in den Kneipen. O-Ton Pops That for me was the thing, like that's what I wanted to produce. The sound that people haven't heard, that mixture, that blending of the township guys and the foreigners playing together. So my mission started then to start looking for indigenous instruments from the different tribes, like the Zulus, the Xhosas, the Pedis and all those people. So I had to go into rural areas, which I enjoyed doing. Going and finding out, you know. Sprecher 1 Das war es, was ich wollte: den Sound, den noch keiner gehört hatte, diese Mischung aus Township-Burschen und Ausländern. Also musste ich nach einheimischen Instrumenten verschiedener Stämme gucken, der Zulus, Xhosas, Pedis. Ich musste aufs Land. Losziehen und etwas herausfinden. Atmo Daumenklavier Erzähler Er kontaktierte sogar Musikwissenschaftler wie Andrew Tracey, fuhr und flog viel herum, nistete sich in der Wildnis ein und ließ sich die Instrumente erklären. Sein Studiozimmer ist vollgestellt mit exotischen Geräten: Mbiras, Coras, Digeridoos. O-Ton Pops You see, people call it, I mean they say: Daumenklavier in German, or "thumb piano". Because on the right hand side you play the high notes, the melodies are played here. And then on the left is the bass same as ... Sprecher 1 Auf Deutsch sagen die Leute Daumenklavier dazu. Weil Du rechts die Melodien spielst und links den Bass. O-Ton Pops So here is one which is made with pure steel. this from Andrew Tracey. I like it actually. It sounds like twinkle bells. Erzähler In Simbabwe, erzählt Pops, wird die Mbira derart geehrt, dass man sie auf den größten Schrank des Hauses, stellt. Der Rauch vom Feuer zieht in sie ein. Eine Mbira auf den Boden zu legen gilt dort als rüde. Denn durch ihren Klang tritt man in Kontakt zu den Vorfahren, bittet den Himmel um Regen. Manche Musiker fallen in einen tranceartigen Zustand und spielen, mit blutigen Fingern, die ganze Nacht. Auch für Pops Mohamed war diese Musik ein Ausweg, eine Chance zur Flucht aus dem Wahnsinn der Apartheid - und ein Weg, sich eine afrikanische Identität zu schaffen in all diesem entwürdigenden Chaos. Atmo Pops singt: Mayibuye Africa ... Atmo Boksburg Wedding Erzähler Boksburg bildete einst den weißen Kern jenes Gebietes, zu dem auch Kalamazoo gehört. Vor 20 Jahren noch typisch burisch: Mit zornigen Männern in Khaki-Klamotten, mit Waffen- und Schnapsläden, darüber die pfeilspitzen Türme der Niederländisch-Reformierten Kirche. Heute, an diesem Sonntag mit sanfter Sommerbrise, spielt eine schwarze Kinderschar auf dem Rasen vor dem hässlichen Rathaus. Fein herausgeputzt. Sie sind Teil einer Hochzeitsgesellschaft. O-Ton Harry You see, Kalamazoo is actually the first metropolitan township in the whole of South Africa. There you could find any nationality and we lived in harmony and piece there. There was no problem with Kalamazoo. Sprecher 2 Kalamazoo war eigentlich die erste echte Metropole Südafrikas. Du fandest dort jede Nationalität. Wir lebten in Harmonie. Es gab kein Problem damit in Kalamazoo. Erzähler Die Regierung aber hatte damit ein Riesenproblem. So startete sie ihr gigantisches Umsiedlungsprogramm. O-Ton Neville Reiger Parks people were moved originally from Benoni. A certain section there, Actonville, was declared Indian. And everybody that was not Indian was forcibly removed to Reiger Park. Reiger Park used to be a mixed community. Stirtonville, Galeview and so on. It was Africans that lived here, there were streets like Mazibuku Street and they were then moved to places like Kathlehong and Spruitview ? the areas more towards Alberton side. There was forced removals as well. And then "Coloured" people were established in Reiger Park. Sprecher 3 Die Leute in Reiger Park kamen ursprünglich aus Benoni. Das Viertel Actonville dort wurde für "indisch" erklärt. Alle, die nicht indisch waren, kamen nach Reiger Park. Vorher war Reiger Park gemischt, viele Afrikaner lebten hier. Die wurden nun zwangsweise in Gegenden wie Katlehong und Spruitview umgesiedelt, mehr Richtung Alberton. Und die "Coloureds" lebten nun in Reiger Park. Erzähler Neville Carelse, seit 1970 Bewohner Reiger Park, kam aus Downtown Johannesburg. Er machte Musik, liebte Soul und Klassik. Er liebte auch das Leben der Innenstadt. Aber er wurde hinaus gezwungen in diese verdammte Prärie. Weil er "coloured" war. Raus nach Reiger Park. O-Ton Neville Being born on the wrong side of the than regime we were disadvantaged. And the only house we could get was on the East Rand, here in Boksburg. And I got a teaching post here and lived here ever since Sprecher 3 Geboren der falschen Seite des damaligen Regimes waren wir die Benachteiligten. Wir konnten nur hier auf dem East Rand, in Boksburg, ein Haus kriegen. Ich wurde Lehrer und bin geblieben. Erzähler Er wurde sogar Schulleiter. Seit einigen Jahren ist er pensioniert. O-Ton Hashim My name is Hashim Gandji ... . Erzähler Hashim Gandji hingegen, 64 Jahre alt ... . O-Ton Hashim ...born in Kalamazoo. Many years ago. I am 64 years now. Erzähler ...wurde gezwungen zu gehen. Weil seine Familie als "indisch" klassifiziert wurde, mussten sie auf die Farm des Großvaters ziehen. O-Ton Hashim When I was twenty-something we had to leave Kalamazoo because of the Group Areas Act. And we went to stay on my grandfathers farm in Sersfontein. Erzähler "Die kamen einfach und sagten, sie reißen nun die Häuser ab", erinnert sich Hashim Gandji. Die Ecke galt ohnehin als Schandfleck. O-Ton Bonny We used to live mixed: Chinese, Coloured, Indian, Black. We used to be neighbours with those people. No discrimination whatsoever. Until Oupa Verwoerd, Ou-baas Verword came in. Sprecher 2 Wir lebten hier gemischt: chinesisch, farbig, indisch, schwarz. Wir waren Nachbarn. Bis Opa Verword an die Macht kam. Erzähler Hendrik Verwoerd, 1950 -58 "Minister für Eingeborenenfragen", dann Oberhaupt der Nationalen Partei und Ministerpräsident. Der Ideologe der Rassentrennung, der Apartheid. O-Ton Tollar You know with the Apartheid government: We used to live in an area up there which was called Witfield. My mother was a coloured lady. And my father was a Hollander. My father used to work in the mines and over time he developed phthisis, mine phthisis. He died. And because my mother was a coloured woman she couldn't live with the children in this white area. So they moved us this way, to Stirtonville, as it used to be called those days. Sprecher 3 Wir wohnten in einer Gegend namens Witfield. Meine Mutter war eine "coloured" Lady. Mein Vater war Holländer. Er arbeitete im Bergwerk, wurde schwer krank, bekam Silikose, und starb. Weil meine Mutter "coloured" war, durfte sie mit den Kindern nicht mehr dort wohnen. Also verfrachteten sie uns nach Stirtonville, wie es damals hieß. Erzähler Auch Uncle Tollar, 84 hat die Logik der Apartheid erlebt, die Zerschlagung aller gewachsenen Strukturen. Er konnte nicht lange zur Schule gehen. Er musste in die Fabrik, um Schuhe für die Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu machen. Als der Vater starb, war Tollar noch ein Kleinkind. O-Ton Tollar I was very young. I think he passed away 1927 or 1928. I was born 1925. I never knew him... Erzähler Als Knabe hatte Tollar einen Unfall, wurde von einem Wagen geschubst und brach sich das Rückgrat. Es gab kein Geld für einen Arzt, er hatte große Schmerzen. Bis er eines Tages anfing mit dem Laufen. Und bald Tennischampion wurde. O-Ton Tollar And I became strong. I played tennis. I became a tennis champion. I can show you my trophies. Erzähler Bis die Beschwerden wieder kamen. Er fing an zu saufen. Der Doktor warnte seine Mutter, das würde ihn umbringen. Stattdessen, sagt Uncle Tollar grinsend, sei wohl Doktor Morton gestorben. O-Ton Tollar At the moment I'm 84 years old. I think the doctor passed away. Erzähler Tollar hat acht Kinder ? 2 Töchter, sechs Söhne. Als er sie aufzählt, fällt mir auf, dass ein Name fehlt. Dann erzählt er. O-Ton Tollar My son was murdered in this house. My son was shot right here in this house. His mother was sitting here. The man came in. We don't know, we don't know. Until today the police didn't find the murderer. He just came in from the kitchen door there. And my son came out from the room and he shot him. Sprecher 3 Mein Sohn wurde hier im Haus erschossen, genau hier. Seine Mutter saß dort. Der Mann kam herein. Mehr wissen wir nicht. Die Polizei hat den Mörder bis heute nicht gefunden. Der kam einfach da durch die Küchentür. Und mein Sohn kam aus dem Zimmer und wurde erschossen. Klang Mbira Atmo Muezzin Atmo Auto Actonville Erzähler Auf der Fahrt nach Actonville, Benoni, wo Pops geboren wurde. Links an der Industrietraße eine eingedrückte Betonmauer. Wir halten. Dahinter, im öden Nichts, ein kleiner Friedhof. Tote Erde. Ein paar Wege, ein paar Sträucher. In der Ecke das Grab seines Vaters. O-Ton Pops I was third, I was in the middle. There was two before me and two after me. That's Sally, Osman, it's me, Abdullah and Pikka. All my brothers are late, I am the only one. People get sick. My one brother got shot in a violent incident. Robbery. Other one was cancer of the pancreas. The other one died - from what? I think he had a heart attack. And then the other brother he drank a lot. So he died from bad liver. Jaa. So we go that way now. Sprecher 1 Ich war der Dritte, in der Mitte. Zwei Brüder waren vor mir und zwei dahinter ? Sally, Osman, ich, Abdullah und Pikka. Sie sind alle tot, nur ich bin übrig. Ein Bruder starb bei einem Raubüberfall, ein anderer an Krebs. Einer hatte, glaube ich, einen Herzanfall. Und einer trank sehr viel. Er starb an einer kranken Leber. Erzähler Seine Mutter, die Hausangestellte, war tagsüber lange weg, der Vater als Fahrer sowieso. Nachbarn und Freunde kümmerten sich um die Kinder. Manchmal, sagt Pops, standen sie staunend auf dem Dach und guckten Richtung Westen, auf die wachsende Skyline von Johannesburg. Atmo Mina, Begrüßung außen, Gittergeklapper und Schlüssel - unsauber durch Wind Erzähler Tante Mina in der Carolia Street, der Witwe des Kinobetreibers Billy, erzählt Pops, wer alles gestorben ist. Und erfährt, wer alles noch lebt. Und so ziehen Pops und ich durch die Nachbarschaft. O-Ton Pulia Yes, I was born here, grew up here, got old here. I'll probably die here. Erzähler Besuchen Pulia Rojee Deva, deren Mann einst Aktivist beim Transvaal Indian Congress war. Ihr Sohn Ashwin wurde Lehrer. Auch er ist längst ein alter Herr. Er führt uns in ein Nachbarzimmer voller Papier ? Bücher, Broschüren, Zettel, Schachteln mit Erinnerungen ? zieht stolz die "Freedom Charter" des ANC heraus. O-Ton Ashwin Where's Daddy? Daddy is in jail. Why daddy is in jail? I was small. I was small. Because daddy had papers? What papers did Daddy have? I don't know... Sprecher 3 Wo ist Papa? Papa ist im Gefängnis. Warum ist Papa im Gefängnis? Ich war klein, klein. Er hatte Dokumente. Was für Dokumente hatte Papa? Ich weiß es nicht. Atmo/O-Ton Fahrt in ActonvillePops: So we'll go up, turn right and than we turn left again ... (Fahrtgeräusch, leise Musik)...This used to be, you see these houses, back in those days. this was a Black township, all this. You turn left. This was Indians, and this was the Black section... Erzähler Wir fahren an der alten Halle vorbei, in der die Jazz-Größen spielten, Dollar Brand und Kippie Moeketsi. An Pops alter Schule, der "Benoni Indian School". O-Ton Pops We used to get caned. when we came late to school. There was this teacher I remember Mr Samuels. And the school opened at five to eight. If you'd rock up there eight o'clock you get a caning. Sprecher 1 Wir bekamen Stockschläge, wenn wir zu spät waren. Da war der Lehrer Samuels. Die Schule öffnete um fünf vor acht. Wenn Du da um 8 aufkreuztest, gab es was mit dem Stock. Atmo Besuch bei den DawoodsAutotür, Gartentor, Türgitter O-Ton Wilima His mother, his father were like mother and father to us. Erzähler Pops Mutter und Vater waren auch für uns wie Mutter und Vater, sagt Tante Wilima, die für Pops wiederum wie eine Mutter war. Und dann kommen wir zu den Dawoods. O-Ton Pops Hey, Jainey - these are my best friends and family Erzähler Papa Dawood sagt, was die Alten immer sagen: Dass die Jugend keinen Respekt mehr habe. O-Ton Papa DawoodThing is, the youngsters of today have lost their respect. For the parents, for the elder, you know, there is no respect Atmo Plaudern bei den DawoodsPops (Anfang): My whole family lives here, this is also my family Erzähler Mama Dawood sitzt im schwarzen Schleier da und raucht Kette. Dann schwärmen sie gemeinsam darüber, wer in dieser Gegend alles geboren wurde: Berühmte Musiker. Und manche Größe der afrikanischen Befreiung: Samora Machel, Oliver Tambo oder Walter Sisulu. Ja, das waren die echten ANC-Leute, meint Tochter Jainey wehmütig. Sie ist selbst Mitglied der Regierungspartei. Mit ihren Eltern hat sie oft darüber gestritten. Nun sei eine ganz neue Sorte am Werk, findet Pops. Und alle reden über berühmte Korruptionsfälle und den Umgang der neuen herrschenden Klasse mit der Wahrheit. Aus dem Fernseher plaudert dazu der Kommentator eines endlosen Kricket-Spiels. Während Tochter Rabia, eine schmale Frau mit intensiv leuchtenden Augen, in der Küche das Essen bereitet. Sie hat immer Angst, das Haus zu verlassen. O-Ton Rabia Dawood The kids of today can't do it. There is too much drugs these days in Actonville., Alcohol. Most of the youngsters are into those designer drugs. So when you're walking down the road you've got to be careful because they are drugged out of their minds. It's crazy out there. I just stay at home. I'm too afraid to really face the world, I think. Sprecherin 1 Die Kinder heute schaffen es nicht. Es sind zu viele Drogen da draußen in Actonville. Sie nehmen diese Designerdrogen und drehen völlig durch. Auf der Straße musst Du aufpassen. Es ist verrückt da draußen. Ich bleib zu Hause. Ich glaube, ich hab zu viel Angst, mich der Welt zu stellen. Atmo Abschied bei den DawoodsLachen, Bewegung nach Draußen vor die Tür, Klappen der Autotür... Klang Mbira Atmo Schneller MixRadio NEWS Violence Township, Filmclip CNN the most brutal violence, KAM03 Jazeera Clip O-Ton Neville The very first attacks on these people they moved on to our church. We must have had about 4000 people there one night at our church that were terrified. From our homes we took food up to these people and gave them shelter for the night. They slept out in the open and it was very cold. So we were personally involved with this. And then there were threats that they move down to Reiger Park and burn the churches and burn whoever is housing these people or giving them refuge, you see. This was the threat. Sprecher 3 Nach den ersten Angriffen rannten die Leute in unsere Kirche. In einer Nacht waren da wohl 4000 Menschen, alle zu Tode erschrocken. Wir alle haben von zu Hause Essen geholt und sie irgendwie untergebracht. Viele schliefen draußen, es war sehr kalt. Dann kamen Drohungen, die Angreifer würden nach Reiger Park kommen, die Kirchen anzünden und jedes Haus niederbrennen, in dem Flüchtlinge Schutz gefunden hatten. Erzähler Bilder dieses Ausbruchs von Fremdenhass gingen um die Welt. Und die schlimmsten kamen aus Reiger Park. Aus dem Ramaphosa Squatter Camp. Nur ein paar Ecken entfernt von Nevilles hübschem Haus. O-Ton Neville They were harmless, harmless people that just wanted a better life here. Sprecher 3 Das waren ganz harmlose Menschen, die einfach ein besseres Leben suchten. O-Ton Tollar When the coloured people came from Benoni to Boksburg, the young boys, the young people, there was friction. There was killing. Actually massacres. It was terrible. On one Saturday they killed about 13 people. Yes. You know, the gangsters. Sprecher 3 Als die Coloureds aus Benoni nach Boksburg kamen, gab es Spannungen, vor allem unter den Jungs: Es gab Morde, richtige Massaker. An einem Samstag wurden wohl 13 Leute umgebracht. Von den Gangstern. Erzähler Die Gewalt sei schon lange da, sagt Uncle Tollar. Seit die Apartheid-Regierung vor einem halben Jahrhundert damit begann, Millionen Menschen auf ihrem absurden schwarzweißen Schachbrett umher zu schieben. Atmo/O-Ton FlugzeugTollar und Harry reden Erzähler Die letzte Verbrechensstatistik verzeichnet für das kleine Township Reiger Park 53 Morde, 26 Mordversuche, 48 Fälle von Raub, 108 Fälle von schwerem Raub, 199 Einbrüche. Und so weiter. Erzähler Uncle Tollar weiß auch, wohin Atong verschwunden ist, der chinesische Händler aus Kalamazoo. O-Ton Tollar He left South Africa because his wife passed away a few years ago. And he was viciously attacked. They hit him on the head with a gun, the kicked him in the ribs ? still in Kalamazoo ? and he decided he is going to go to Hong Kong. He left South Africa and he said he's not coming back again. Sprecher 3 Er hat Südafrika verlassen, weil seine Frau starb. Und er wurde übel angegriffen. Sie schlugen ihm mit einer Pistole auf den Kopf, traten ihm in die Rippen. Noch in Kalamazoo. Er beschloss, nach Hongkong zu ziehen und sagte, er würde nie wieder zurückkommen. O-Ton Harry Atmo und Statements Tollar: You know something, you forgot to say now. You say people get shot, people die of AIDS, people get cut their throat: They hang one another ... sell ropes for hanging. Erzähler Du hast etwas vergessen, sagt Tollar zu seinem Freund Harry. Sprecher 3 Sicher ? Leute werden erschossen, sie sterben an Aids, ihnen wird die Kehle aufgeschlitzt. Aber heute hängen sie sich gegenseitig auf. Erzähler Es wäre ein Geschäft, hier Stricke zu verkaufen, glaubt Tollar. Sprecher 2 Ja, das ist jetzt in. Wir hatten hier einige junge Burschen, die sich aufhängen. Atmo Flugzeug Erzähler Aus Verzweiflung, sagen beide. Vielleicht nur, weil er eine Beule in Papas Auto gefahren hat. Aber manchmal werde so auch ein Mord vertuscht. O-Ton Harry The In-thing actually. We had a few youngsters who hang themselves... Erzähler Und dennoch, sagt Neville, fühle er sich hier sicherer als anderswo. O-Ton Neville Now but it's people you know, people you sort of get used to. You know what friendly neighbours are and that sort of thing. People have moved out of Reiger Park, friends of mine, and have moved right back again. Honestly. You can't explain it. But they feel safer here. Sprecher 3 Man gewöhnt sich an Leute. Du lernst, was freundliche Nachbarn bedeuten. Einige, Freunde von mir, sind weggezogen aus Reiger Park und schnell wieder zurückgekommen. Ehrlich. Kannst Du nicht erklären. Aber sie fühlen sich sicherer hier. Erzähler Jedenfalls für den Augenblick. Bis die nächste Flut kommt. Sagt Neville Sagt auch Bonny. O-Ton Neville Today the situation still prevails. There is no change. It's a bit smothered now. But it's going to erupt one of these days again. Sprecher 3 Die Lage bleibt gespannt. Unverändert. Ein bisschen gedämpft. Aber eines Tages wird es wieder ausbrechen. O-Ton Bonny I call it a time bomb. It's coming again. Sprecher Das ist eine Zeitbombe. Das kommt wieder. Atmo Fahren mit JaineyJainey: I am looking for Tembi man. Erzähler Anderntags zog ich mit Jainey Dawood durch die Townships. Durch die Obdachlosenquartiere, wo Menschen in Erdlöchern schlafen. Durch die Squattercamps. O-Ton Jainey Erzähler Dicht an dicht: Die Ärmsten Südafrikas. Immer noch Pappe an Pappe mit Flüchtlingen aus den Nachbarländern. O-Ton Jainey This is not my country... Erzähler Sie, die alte ANC-Kämpferin, war ziemlich niedergedrückt hinterher. O-Ton Jainey To be honest I don't fell happy about what I saw today. Because - how many years is it now since 1994? By then I thought we should have seen a little bit of difference in Actonville. Sprecherin 1 Ehrlich gesagt bin ich nicht glücklich darüber, was ich heute gesehen habe. Wie lange ist es her seit 1994? Ich dachte, nach dieser Zeit würde etwas man mehr Unterschiede in Actonville sehen. Erzähler Sie werde weiter den ANC wählen, es gebe kein Alternative. Ihre Eltern aber würden ihr immer lautere Vorwürfe machen. O-Ton Jainey Sometimes they used to get very angry, especially this one as well. Up to now she can still tells me: You ANC people, this is what you did to our country, look at this, look at that. Sprecherin 1 Manchmal werden sie sehr böse. Besonders die Mutter. Sie schimpft: Was habt ihr ANC-Leute mit unserem Land gemacht? Schau dir dies an, schau dir das an. Erzähler Und dann mischt sich ihre junge Nichte ein, eine Journalismus-Studentin. Die schwarze Mittelschicht müsse nicht mehr kämpfen, sagt sie. Jetzt seien es die Weißen, Inder, "Coloureds" und Chinesen. Junge Weiße fänden schwer einen Job oder Studienplatz. Das sei umgekehrte Apartheid. O-Ton Nichte The struggle is definitely not with black any more, middle-class black people. It's with people who are Whites and Indian and coloured and Chinese. Especially white young people find it hard to get jobs. Or get into university. So it's definitely Apartheid reversed. Erzähler Merkwürdig, in Reiger Park sagt es Neville ganz ähnlich. O-Ton Neville And as far as we are concerned, we so-called coloured people, we are still in the same boat we were in before anyway. Except for democracy, as we call it. We are experiencing racism in reverse. Sprecher 3 Wir sogenannten "Coloureds" hocken noch immer im selben Boot. Mal abgesehen von der Demokratie, die wir jetzt haben. Wir erleben einen umgedrehten Rassismus. Erzähler Das heißt: Früher waren sie nicht weiß genug. Und heute sind sie nicht schwarz genug? O-Ton Neville Ya, that's it, ya, that's it. Klang Mbira O-Ton Bonny Great jazz guys! Me and my brother we sometimes sit here and play and reminisce and play. Than we just start crying. Erzähler Das Beste, findet Bonny, sei ohnehin die Musik. O-Ton Bonny ...so where are those guys? Benson? Billy they all passed on. Erzähler Und Pops scheint ziemlich glücklich nach unserer kleinen Reise in seine Vergangenheit. O-Ton Bonny Where is Spike? ... take care of my dogs, my yard. O-Ton Pops Ya, it was good, you know. It's always good if you go back and you meet people you haven't seen in a long time. Sometimes you think those people are dead and you find they're still alive and that makes you feel good. That people still recognise you and they're happy to see you. That's a good feeling. It's a connection of your past, making you realise who you are, where you're coming from, your whole identity, your roots. It puts you in tact with yourself. Sprecher 1 Ach es war gut. Es ist immer gut, zurückzugehen und Leute zu treffen die man sehr lange nicht gesehen hat. Du denkst, die sind vielleicht schon tot und siehst: Die leben noch. Und fühlst Dich gut. Sie erkennen Dich noch und freuen sich, Dich zu sehen. Das ist eine Verbindung zur Vergangenheit. Das zeigt Dir, wer du bist und wo Du herkommst, deine Identität, deine Wurzeln. Das bringt Dich in Takt mit Dir selbst. Erzähler Ihm habe geholfen, dass er Moslem sei, sagt Pops. Wenn auch kein sehr strenger. O-Ton Pops I am very optimistic about my life. Every day I see it as a new challenge. I am very happy about my future. I don't have no gripes, I am not racist, I could deal with anybody. All kinds of creeds. I have lots of Afrikaans friends, Indians. Moslems, Hindus, Buddhist ? you name it. Sprecher 1 Ich bin sehr optimistisch, mein Leben ist jeden Tag eine neue Herausforderung. Ich meckere nicht, ich bin kein Rassist, ich kann mit jedem klarkommen, jedem Glaubensbekenntnis. Ich habe burische Freunde, indische, Moslems, Hindus und Buddhisten, alle. Atmo Johannesburg, Gewitter O-Ton Pops And slowly as Apartheid came to an end I started seeing my dream come true. And therefore when I speak, I can't speak with any grudges against.. you know, yes I could talk a lot. But everyone knows what Apartheid did to people. So we don't have to talk about it. There was a lot of things wrong. We don't have to go into detail. If I was a bitter man, I would have been talking to you about: They did this to me, they did that to me. They did those things but I never let it get to me. Sprecher 1 Als die Apartheid zu Ende ging, sah ich meinen Traum wahr werden. Und deswegen bin ich ohne Zorn. Klar, ich könnte eine Menge sagen. Aber jeder weiß doch, was Apartheid mit den Menschen angerichtet hat. Darüber müssen wir nicht mehr groß reden. Wäre ich ein bitterer Mann, würde ich Dir jetzt erzählen, was sie mir alles angetan haben. Aber ich habe das nie an mich herangelassen. Erzähler Abends, zurück aus Kalamazoo, geht über Johannesburg eines dieser stundenlangen Abendgewitter nieder. Es gebe nur zwei Tage, meint Pops, über die man keine Kontrolle habe: Den Tag der Geburt und den Tag des Todes. Was bleibt: Das Beste aus der Zeit zwischen diesen beiden Tagen zu machen. O-Ton Pops What happens in between those two days you have to make the best oft it. That's important. Atmo Johannesburg, Gewitter Absage KalamazooIm Staub am Rande der GoldmineEin Feature von Tom SchimmeckSie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2010Es sprachen: Volker Roos, Claus Dieter Clausnitzer, Ernst August Schepmann, Claudia Mischke und der Autor Ton und Technik: Ernst Hartmann und Angelika BrochhausRegie: Thomas WolfertzRedaktion: Karin Beindorff Kalamazoo 24