COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Kliniksterben in Süddeutschland Die letzten Tage im Schramberger Kreiskrankenhaus Nach dem neuesten Krankenhausreport des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung werden viele Kliniken in Deutschland schließen müssen. Besonders betroffen sind nach dem Bericht Kliniken in Baden-Württemberg. In Schramberg, einem Ort im Schwarzwald, soll das Krankenhaus zum Jahresende geschlossen werden. Der Kreis hatte das nicht rentable Haus zusammen mit einer weiteren Klinik an den privaten Krankenhausträger Helios verkauft. Der hat sich nun entschieden, nur eins der beiden Krankenhäuser weiterzuführen. Seither laufen die Bürger Sturm gegen diese Entscheidung, eine Initiative kämpft für den Erhalt. Autorin Steinert, Andrea Redaktion Stucke, Julius Sendung 04.10.2011 (13 Uhr 07) MANUSKRIPT BEITRAG Die Geburtsstation des Schramberger Krankenhauses ist ein freundlicher Ort: Die Wände sind hellgelb gestrichen. Überall hängen Babyfotos. Sitzecken mit Blumen und Zeitschriften laden zum Verweilen ein. Zwei Schwestern laufen mit Medikamenten-Wagen über den Gang. Sie haben viel zu tun: Die Station ist fast voll belegt. Auf den ersten Blick: eine ganz normale Geburtsstation. Nicht ganz ins Bild passt allerdings der Aufkleber einer Bürgerinitiative, der an der Tür zur Teeküche prangt. "Pro Region Schramberg" steht dort mit gelber Schrift in einem schwarzen Rahmen. Mehrere Schwestern sitzen in der Teeküche an einem Tisch und machen Pause. Einige haben ihre Vesper ausgepackt. Sie unterhalten sich leise. Die Stimmung ist gedrückt. Vor drei Tagen haben sie erfahren, dass die Geburtsstation nun sogar vorzeitig geschlossen werden soll, bereits in den nächsten Wochen. Das gesamte Krankenhaus mit seinen 150 Betten wird zum Jahresende abgewickelt. Da vieles schon jetzt auf Sparflamme läuft, soll nicht bis zum letzten Tag entbunden werden. Eine Krankenschwester stellt fest: O-Ton (Krankenschwester) "Es ist schon recht alt hier, aber sonst. Es läuft." (andere Schwester) "Der Kreissaal ist doch nett!" "Der Kreissaal ist nett, ja. Ich denke, wenn man sich andere Häuser anguckt ... " Worum es ihnen am meisten leid tut? O-Ton (2. Krankenschwester): "Um den letzten Ort, der einfach noch irgendwo heile war. Man kriegt das ja auch von anderen Häusern mit. Irgendwo war die Welt bei uns schon noch mehr in Ordnung. Auch die Atmosphäre. Es kennt sich jeder, das ist einfach der Vorteil von einem kleinen Haus. Das wird auch von den Patienten bedauert. Die oft schon aus anderen Häusern gesagt haben, die ganze Atmosphäre ist anders. Ich habe jetzt 40-Jähriges gehabt. Ja, also ich bin schon eine Weile hier. Ich war auf allen Abteilungen. Ich habe schon einiges mitgemacht." Auf dem Flur steht eine Patientin. Mit ihrem Alter passt sie nicht so ganz in das Bild der Wöchnerinnen-Station. Aber auch sie wird hier behandelt - gezwungenermaßen: O-Ton (Patientin): "Ich war bis vorher auf der Station 2 unten und bin jetzt wegen einem Tag noch mal verlegt worden hier hoch, weil sie unten schon zumachen. Das geht alles viel schneller, wie man das eigentlich gedacht hat. Und jetzt kriegt man das als Patient mit, wie das ist, mit dem Personal und mit dem Umräumen und Ausräumen. Also schön ist es nicht." Das Schramberger Krankenhaus war einst das größte Bauprojekt der Stadt. Das Schwarzwald- Städtchen liegt in einem Tal - für das Krankenhaus hatte man einen Standort etwas oberhalb am Hang gefunden. In einem Park, umgeben von Wald. Als es 1965 feierlich eröffnet wurde, war fast die gesamte lokale Prominenz anwesend. In den ersten Jahren führte noch die Stadt das Haus. Später, als immer mehr Kompetenzen an die Kreisverwaltung gingen, wurde auch das Krankenhaus übertragen. Durch den Kostendruck im Gesundheitswesen geriet das Haus immer tiefer in die roten Zahlen. Allein im vergangenen Jahr belief sich der Fehlbetrag schließlich auf rund vier Millionen Euro. Im Februar diesen Jahres entschied der Kreistag, das Schramberger Krankenhaus - und ein zweites Kreiskrankenhaus, das sich in Rottweil befindet - an den privaten Klinikkonzern Helios abzugeben. Die Klinik in Rottweil soll nun für 25 Millionen Euro ausgebaut werden. Für Schramberg kommt das Aus. Daran konnten auch Demonstrationen mit mehreren Tausend aufgebrachten Teilnehmern nichts ändern. Der Helios Konzern hatte die Schließung bei den Verhandlungen zur Bedingung gemacht. Der neue Geschäftsführer Tobias Meixner zu der umstrittenen Entscheidung: O-Ton (Meixner): "Wir schließen Schramberg, weil es baulich einen unglaublichen Investitionsbedarf gäbe und gleichzeitig nicht die Chance, hinreichend Patienten dort behandeln zu können. Und das Dritte ist, dass es kaum möglich ist, dort geeignetes qualifiziertes Personal in dem Maße anzusiedeln, wie das notwendig wäre. Sie können Akutmedizin nicht als Schmalspurmedizin anbieten. Das heißt, Sie brauchen durch alle Berufsgruppen qualifiziertes Personal. Die drei Gründe sind maßgeblich für die Entscheidung, dass wir Schramberg schließen müssen." Der Helios-Konzern gehört zu den größten privaten Klinikbetreibern Deutschlands. Sein Jahresumsatz liegt bei rund 2,5 Milliarden Euro. Die Helios Kliniken GmbH, so der offizielle Name des Unternehmens, besitzt inzwischen mehr als 60 Kliniken. In diesen werden jährlich rund zwei Millionen Patienten behandelt. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei etwa 34.000. Noch in den 80er-Jahren spielten private Klinikträger bei der Versorgung der Patienten in Deutschland praktisch keine Rolle. Aber seither ist ihr Marktanteil rasant auf etwa 15 Prozent angestiegen. Viele öffentlich-rechtliche Häuser, die ins Straucheln geraten sind, wurden an die private Konkurrenz verkauft. Da die Kliniken nach dem Verkauf üblicherweise in der regulären medizinischen Versorgung verbleiben, stehen sie auch den gesetzlich Versicherten weiterhin offen. Nach einer Übergangsphase gelingt den privaten Trägern meistens, woran die öffentliche Hand gescheitert ist: Die Häuser werfen wieder Gewinne ab. Tobias Meixner sagt am Beispiel Rottweil, wie der Konzern bei Übernahmen vorgeht: O-Ton (Meixner): "Ganz konkret überprüfen wir, ob das Leistungsspektrum, das wir anbieten, angemessen ist und die Nachfrage findet, die hier vor Ort herrscht. Wir haben festgestellt, es gibt einen Mangel zum Beispiel in der Gefäßchirurgie. Und wir haben uns schnellstmöglich auf die Suche begeben, einen bestmöglichen Chefarzt für diese Position zu bekommen. Es kann auch sein, dass man in Medizintechnik investieren muss. Das können wir als großer, auch finanzstarker Konzern sehr schnell und sachorientiert tun, wenn notwendig. Darüber hinaus schauen wir uns in allen Bereichen an, ob Vertragskonstellationen mit externen Dienstleistern zum Beispiel im Bereich Reinigung oder im Bereich Küche marktgerecht sind, und zur Not werden wir da entsprechend auch korrigieren. Das Ziel ist immer, direkt um den Patienten herum, möglichst zu investieren und dort die bestmöglichen Leute zu gewinnen und zu halten, was auch nicht leicht ist. Und unsere Hausaufgaben: möglichst schlanke Strukturen und möglichst niedrige Sachkosten zu haben, dies in allen anderen Bereichen umzusetzen." Vor allem in Süddeutschland gibt es viele Krankenhäuser, die bislang nicht wirtschaftlich arbeiten. Das haben Wissenschaftler des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, kurz RWI, ermittelt. Während in Ostdeutschland nach der Wende in vielen Kliniken betriebswirtschaftliche Strukturen Einzug hielten, blieb andernorts nicht selten alles beim Alten. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, schneiden ebenfalls besser ab als Bayern und Baden-Württemberg. Das wird unter anderem damit erklärt, dass es im Rheinland besonders viele katholische Krankenhäuser gibt, die straff organisiert sind und im Schnitt besser wirtschaften als öffentlich-rechtliche. In Schramberg war es ein offenes Geheimnis, dass der "Tanker Kreiskrankenhaus" zeitweise völlig manövrierunfähig war. Viele unternehmerische Entscheidungen waren dem Aufsichtsrat vorbehalten, der sich aus Kreisräten zusammensetzte. Und diese blockierten sich aus parteipolitischen Erwägungen oft gegenseitig. Die Privatisierung führt nun dazu, dass in Schramberg 350 Arbeitsplätze verloren gehen. Tobias Meixner verteidigt die neue Profitorientierung. O-Ton (Meixner): "Weil jeder niedergelassene Arzt, zum Teil mittlerweile ja als Berufsausübungsgemeinschaften und anderen Möglichkeiten - Großpraxen mit mehreren Millionen Euro Umsatz - mussten immer darauf achten, dass sie mit ihren Erlösen letztlich auch die Beschäftigung sicherstellen konnten und ein Auskommen haben, das ihnen die ärztliche Tätigkeit ermöglicht. Das war nie anders. Und wenn ich mir konkret das Beispiel hier angucke: Hier wurden Millionen an Defizitausgleich jährlich gezahlt. Wir finden aber ein Haus vor, wo wesentliche Probleme nicht gelöst sind, wo Mitarbeiter klagen, dass Entscheidungen nicht getroffen wurden, wo nicht investiert wurde. Und da muss ich schon hinterfragen, wieso die Logik einer angemessenen Profitorientierung, die wir mitbringen, gleichzeitig mit medizinischer Qualität, ein Problem sein soll." Kann ein privates Unternehmen, das auf Gewinn ausgerichtet ist, für seine Kunden tatsächlich nur das Beste wollen - wo doch in Sachen Gesundheit das Beste gerade gut genug ist? Um diese Frage tobt seit Jahren eine erbitterte Debatte. Einen vorläufigen Höhepunkt stellte dabei im Jahr 2005 ein Interview mit dem damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, im Spiegel dar. "Statt Mildtätigkeit regiert der Kommerz", klagte Hoppe damals, und "der Mensch wird zum Verlierer." Dem Spiegel zufolge verdächtigte Hoppe sogar Helios und Co., sie würden Patienten lieber blutend auf die Straße setzen, als ihre Gewinnmarge zu gefährden. Seitdem haben die kommerziell geführten Häuser allerdings eine Menge Punktsiege im Kampf um die öffentliche Meinung erzielt. Ein geradezu sensationeller Erfolg kam mit dem aktuellen Krankenhaus Rating Report des RWI. In diesem hatten die Wissenschaftler Qualitätsdaten von Kliniken mit der Wirtschaftlichkeit der Häuser verglichen. Das Ergebnis, Zitat: "Es bleibt festzustellen, dass sich Wirtschaftlichkeit und Qualität nicht ausschließen, sondern im Gegenteil sogar gegenseitig zu begünstigen scheinen." In Schramberg stößt der neue Klinikbetreiber dennoch bei vielen Bürgern auf eisige Ablehnung. O-Ton (Frau Bühler): "Ich muss natürlich sagen, ins Rottweiler Krankenhaus werde ich sicher nicht gehen. Werde ich nicht gehen, um mein Kind zu entbinden. Das schaue ich mir gar nicht an, weil sich da einfach eine Wut aufgebaut hat, sodass ich sage, nein, das mache ich auf keinen Fall. Da zieht sich einfach ein großer Graben. Und viele Schramberger sagen sogar, da sterben sie lieber auf der Strecke, und wenn sie eigenmächtig sind noch zu sagen, dann sagen sie, nein, sie wollen nicht nach Rottweil. Wenn, dann nach Villingen, wenn sie noch bei Bewusstsein sind. Oder nach Wolfach, da haben wir auch noch eine Möglichkeit. Das ist das nächste Krankenhaus, 15 Kilometer talabwärts. Aber Rottweil meidet jeder. Nach Rottweil will keiner." Christiane Bühler ist 29 Jahre alt. Im Dezember soll ihr Kind entbunden werden. Sie ist in Schramberg aufgewachsen. Ihre Familie führt hier in sechster Generation einen Baumarkt. Christiane Bühler ist Mitglied der Bürgerinitiative "Pro Region Schramberg". Die hatte sich gebildet, als sich die Schließung des Krankenhauses abzeichnete. Die Bürgerinitiative hat mehrere große Protest-Kundgebungen organisiert - ihre Aufkleber hängen inzwischen in der ganzen Stadt. O-Ton (Herr Bühler): "Man muss vor allen Dingen auch sehen, Schramberg zahlt mit die größte Kreisumlage im Landkreis Rottweil. Wir zahlen, wir zahlen, wir zahlen. Und was kriegen wir dafür zurück? Nichts." Christiane Bühlers Ehemann Hilmar. O-Ton (Herr Bühler): "Man nimmt es uns. Man nimmt uns das Krankenhaus, man nimmt uns das Vermessungsamt. Man nimmt uns das Forstamt. Alles wird weggenommen. Alles kommt nach Rottweil, alles wird zentralisiert in Rottweil. Aber wir sind diejenigen, die dafür zahlen dürfen. Und hier in Schramberg ist die größte Industrie. Und in Schramberg ist die meiste Wirtschaftskraft. Rottweil ist alles nur Beamtenstadt. Aber es ist halt leider die Neckar-Schiene, die so entschieden hat, mit Oberndorf und Rottweil." Die Entscheidung, das Krankenhaus zu schließen, hat in Schramberg auch deshalb für so viel böses Blut gesorgt, weil es eine andere Lösung gegeben hätte: Neben Helios hatte sich auch der private Klinikbetreiber Ameos um eine Übernahme beworben. Und dieser hätte das Krankenhaus weiter betrieben. In Schramberg ist man empört: O-Ton (Frau Bühler): "Die Leute waren zufrieden, sind von sehr weit hergekommen. Und waren begeistert von unserem Krankenhaus, haben gesagt, sie würden sich hier wieder operieren lassen. Dass man so etwas einfach schließt und über so etwas hinwegsieht, wobei es eine Alternative gegeben hätte, um wenigstens den Versuch zu starten, das zu erhalten für die nächsten Jahre. Das versteht hier kein Mensch, und das versteht nach wie vor niemand hier." Für die Menschen in Schramberg wird sich die medizinische Versorgung verschlechtern. Das weiß auch der Kreistag. Das Krankenhaus in Rottweil ist mehr als 25 Kilometer entfernt. Und wer in den umliegenden Tälern lebt, hat es noch weiter. Vor allem im Winter, wenn hoher Schnee liegt und viele Straßen nur mit Schneeketten befahren werden können, ist die Anreise eine echte Herausforderung. In Schramberg verbleibt lediglich ein Stützpunkt mit Notarztwagen. Betroffen sind aber nicht nur die Patienten selbst. Auch Angehörige, die einen Krankenbesuch machen möchten, müssen in Zukunft weiter fahren. Wer kein Auto hat, ist dabei auf den Bus angewiesen, und der fährt zum Beispiel sonntags nur alle zwei Stunden - vorausgesetzt man ist überhaupt mobil genug für eine solche Reise. Die Sorge um die medizinische Versorgung mischt sich mit der Wut, wieder einmal zu kurz gekommen zu sein. Als Hauptverantwortlicher gilt der Kreistag, der den Erhalt des Krankenhauses letztlich abgelehnt hat. O-Ton (Herr Bühler): "Meines Erachtens ist ein Kreispolitiker verantwortlich für den gesamten Kreis und nicht nur für seine Stadt oder für seinen Bezirk, aber leider wurde so abgestimmt. Am Abstimmungsergebnis kann man ganz genau sehen, wo kommt welcher Kreisrat her, der entsprechend abgestimmt hat: Genau eine Linie, die sich durch den Kreis zieht. Die, die 'ja' gestimmt haben, sind auf der Schramberger Seite, und die, die mit 'nein' gestimmt haben, sind Oberndorfer und Rottweiler Seite." O-Ton (Hunds): "Dann habe ich mich ganz einfach entschieden für Helios, weil ich dieses Angebot als seriöser empfand." Ruth Hunds. Sie lebt in Oberndorf, ist Mitglied des Kreistags, hat für Helios gestimmt. O-Ton (Hunds): "Und weil ich dachte, die Zusagen, die in diesem Angebot drin stehen, da ist etwas Handfestes dabei. Und da kann man auch was draus machen. Und die haben vor, das Rottweiler Krankenhaus voran zu bringen. Und Ameos: Da waren einfach Aussagen wie eine Thoraxchirurgie und solche Sachen dabei, wo jeder Fachmann gesagt hat, das ist hier in der Region überhaupt nicht machbar. Und diese 40 Prozent Fallzahlsteigerungen, die man für Schramberg gebraucht hätte, um das Haus am Leben zu erhalten, war eine reine Utopie und das war für mich deswegen kein Angebot, das man hätte annehmen können. Es war einfach keine Alternative da für mich. Aus meiner Sicht." Den Vorwurf, die Politik behandle Schramberg stiefmütterlich, will Ruth Hunds nicht gelten lassen: O-Ton (Hunds): "Es gibt eine Zentralisierung, sicherlich. Dass in die Kreisstadt Rottweil viele Behörden abgewandert sind, aber das betrifft nicht nur Schramberg. Das betrifft auch Sulz, das betrifft Oberndorf, das betrifft jede dieser Gemeinden. Dass es weh tut, dass es ein Substanzverlust für eine Stadt ist, wenn solche Ämter eben nicht mehr da sind, kann ich verstehen. Aber diese Doppelvorhalte-Strukturen, das kostet auch alles Geld. Das muss man auch sehen. Und da können Sie sich natürlich beim früheren Ministerpräsidenten bedanken, der die Verwaltungsreform in Gang gebracht hat, wo wir als Landkreis sparen, sparen, sparen müssen. 20 Prozent Effizienzrendite bringen müssen. Und das bedeutet im Prinzip Abbau und Personalabbau, das heißt die Menschen, die in einem Amt arbeiten werden nicht mehr ersetzt, wenn sie in den Ruhestand gehen. Das ist die Folge davon." Die Krankenhaus-Schließung hat nicht nur in der Bevölkerung zu großen Emotionen geführt. Auch im Kreistag hat es geknallt - mit persönlichen Konsequenzen für Frau Hunds: O-Ton (Hunds): "Mich hat es das Amt als Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag gekostet. In meiner Fraktion gab es Schramberger Kreisräte die gesagt haben, ich müsse zurücktreten. Die kamen direkt nach der Sitzung auf mich zu, wie die Tiger, kann man sagen. Ja, und dann habe ich das noch einige Wochen so hin und her versucht zu bewegen. Und dann bin ich einfach zurückgetreten. Habe gesagt, dann ist es auch okay. Bringt ja nichts. Gegen Mehrheiten ist kein Kraut gewachsen." Bei der Auseinandersetzung um das Krankenhaus wurde mit harten Bandagen gekämpft. Auf der einen Seite die Bürgerinitiative mit den Schramberger Kreisräten. Auf der anderen Seite die Helios-Befürworter. O-Ton (Hunds): "Die Beschimpfungen, die gelaufen sind über Presse haben natürlich auch dazu geführt, dass die Befürworter von Helios sich immer mehr zurückgezogen haben. Waren auch unverschämte Dinge dabei. Ich war kurz davor einen Rechtsanwalt einzuschalten. Und dann können Sie sich natürlich vorstellen, wenn diese Vorwürfe da sind. Wer soll das schaffen, die Menschen wieder zusammen zu bringen?" Arkas Förstner betreut die Pressearbeit der Bürgerinitiative. Der 37-jährige Innenarchitekt und Designer wurde in Schramberg geboren - auch seine beiden kleinen Kinder sind im Schramberger Krankenhaus auf die Welt gekommen. O-Ton (Förstner): "Dass einzelne Äußerungen unter der Gürtellinie waren, ist unbestritten, ist auch nicht in Ordnung, kann ich auch nicht dahinter stehen. Jedoch muss ich auch sagen, wenn ich mich engagiere im Kreistag, wenn ich so ein Amt annehme, muss ich natürlich auch damit rechnen, dass Teile der Bevölkerung mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden sind. Dass das dann so geäußert wird, ist nicht in Ordnung. Andererseits muss man sich natürlich auch mal in die Bürger reinversetzen. Wenn ich jetzt eine werdende Mutter bin, und ich wohne in Lauterbach, und die Klinik vor meiner Nase wird zugemacht. Und ich weiß, ich muss im Winter mein Kind auf die Welt bringen und 45 Kilometer fahren, da ist ein Aufkleber irgendwo draufkleben eine milde Reaktion, muss ich ganz ehrlich sagen." Auch in der Bürgerinitiative selbst gab es heftige Diskussionen. Einige Mitglieder forderten sogar, Schramberg solle aus dem Kreis Rottweil austreten. Eine Mehrheit fand diese Position jedoch nicht. Viele Bürger bezweifelten, dass einer der angrenzenden Kreise die Interessen Schrambergs letztlich besser vertreten würde. O-Ton (Förstner): "Sicher ist der Kreis Rottweil durch diese Aktion mit der Schließung des Krankenhauses, die jetzt für den Jahreswechsel ansteht, in gewisser Weise auseinandergebrochen. Ich hoffe, dass das für andere Themenbereiche nicht so ist. Aber die Region Schramberg erwartet nun schon ein Zeichen des Kreises, wie das weitergehen soll. Bis jetzt haben wir noch nichts vernommen." In der Sache gibt es klare Kritik von der Bürgerinitiative an der Politik: O-Ton (Förstner): "Es geht um ein Gefühl, und wenn sich so ein großer Teil, so eine große Region des Kreises, verkauft fühlt, in Anführungszeichen, dann ist das nicht in Ordnung, und dann muss die Politik entweder dafür sorgen, dass sich was ändert, oder sie muss es so kommunizieren, dass man sich nicht verschaukelt fühlt. Außerdem denke ich, dass man Institutionen oder Einrichtungen wie Krankenhäuser trotz der politischen Vorgaben nicht nur unter finanziellen Aspekten sehen und betreiben darf, sondern es auch als Service am Bürger sehen muss. Und es gibt einen gewissen Fürsorgeauftrag, so wie ich Politik oder Gemeinwesen verstehe, und dem muss natürlich auch ein Kreis gerecht werden. Und dazu gehört dann vielleicht auch, so ein Krankenhaus zu halten." Die Schließung des Krankenhauses wird nicht nur die medizinische Versorgung verschlechtern. Sie hat auch das Zusammenleben im Kreis erschüttert. Das Schramberger Krankenhaus musste aufgeben, weil es der neuen Zeit nicht gewachsen war. Die Reformen im Gesundheitswesen haben dazu geführt, dass auch kleinere Kliniken immer stärker auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit achten müssen. Im Vergleich zu den privaten Klinikkonzernen haben sie dabei fast immer das Nachsehen. Mit den hochprofessionellen und sehr effizienten Strukturen der Privaten können sie kaum mithalten. Und wenn die medizinische Versorgung einigermaßen akzeptabel bleibt, nimmt der Gesetzgeber es hin, dass sie ihre Pforten schließen. Die Bürger in Schramberg sehen darin einen Verlust an Lebensqualität. Dass nebenan in Rottweil investiert wird, trifft sie umso schmerzlicher. Auch im Schwarzwald sortiert sich das Leben immer mehr nach Gewinnern und Verlierern. 11 1