KULTUR UND GESELLSCHAFT Organisationseinheit : 46 Reihe : Literatur Kostentr„ger : P 62 300 Titel : Innere Haltung und Stil. Was treibt Dichterinnen und Dichter der Gegenwart an und um? AutorIn : Insa Wilke Redakteurin : J”rg Plath Sendetermin : 18.8.2015 Regie : Stefanie Lazai Besetzung : Ole Lagerpusch, Maria Hartmann, Eva Meckbach, Wolfgang Condrus, Insa Wilke Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschtzt und darf vom Empf„nger ausschlieálich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielf„ltigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die ber den in den õõ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzul„ssig ¸ Deutschlandradio Deutschlandradio Kultur Funkhaus Berlin Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin Telefon (030) 8503-0 Musik 1 Lesung 1, Zitator 1 Rundfunkdialog Gottfried Benn A.: H”ren Sie folgendes Dokument: ein elfk”pfiger Haushalt, der Vater trinkt, die Mutter erwartet die Niederkunft des zehnten Kindes, die Vierzehnj„hrige kauft sich fr einen Groschen Rinderblut beim Schl„chter, gieát es sich ber die Brust, um mit Hilfe dieses fingierten Blutsturzes aus der berfllten Wohnung in eine Lungenheilst„tte zu gelangen. Das ist doch Kummer, das sind doch Tr„nen, schuldloser Jammer, Bastardierungen des Glcks ? da sieht der Dichter zu? Autorin 1 Eine Frage von zeitloser Relevanz: Sieht der Dichter zu oder greift er ein? Anders gewendet: Welche innere Einstellung treibt ihn, welche Haltung nimmt er der Welt gegenber ein? šberraschend ist die Antwort Gottfried Benns, von dem dieser Rundfunkdialog mit einem Journalisten stammt. Lesung 2, Zitator 2 und Zitator 1 Rundfunkdialog Gottfried Benn B.: Ich z”gere nicht einen Augenblick: ja, da sieht der Dichter zu. (...) ich fordere fr den Dichter nur die Freiheit, sich abzuschlieáen gegen eine Zeitgenossenschaft, die zur H„lfte aus enterbten Kleinrentnern und Aufwertungsquerulanten, zur anderen aus lauter Hertha- und Poseidonschwimmern besteht: er will seinen eigenen Weg gehen. A.: Artistik. B.: Nein, Moral. Autorin 2 So antwortet ausgerechnet Gottfried Benn, dem Bertolt Brecht wenige Jahre sp„ter das ?empathische Bekenntnis zum Dritten Reich? vorwarf, auf eine der Urfragen der Literatur: der nach der Haltung des Dichters und seinem Verh„ltnis zur Welt. Sie scheint fr Gottfried Benn und Bertolt Brecht wesentlich n„her zu liegen als fr Knstler heute. Dabei ist sie ein Dauerbrenner. Im ?Berliner Programmgedicht 1971? von Jrgen Becker stehen zum Beispiel die Verse: Lesung 3, Zitator 2 (...) na siehst du: nun sei mal gesellschaftsbezogen und laá die Finger von der Poesie fr Niemand und Nichts (...) Autorin 3 Jrgen Becker hat sein langes ?Berliner Programmgedicht 1971? zu Beginn eines Jahrzehnts verfasst, in dem die sogenannte ?Neue Innerlichkeit? die literature engageŠ der 60er Jahre abzul”sen schien. 2014 wurde Jrgen Becker fr sein Lebenswerk mit dem Georg-Bchner-Preis geehrt. Hat er eine Haltung? O-Ton 1 Jrgen Becker Das Wort Haltung in Hinblick auf das Schreiben von Gedichten ist mir zun„chst ein sehr fremdes Wort. Wenn ich schreibe, gehe ich ja nicht von Gewissheiten aus, von einer Haltung gegenber den Dingen, sondern ich versuche eher herauszufinden, was mein Verh„ltnis zur Wirklichkeit ist. Was in dieser Wirklichkeit mir unverst„ndlich erscheint oder was mich daran irritiert oder in welchem Maáe Wirklichkeit mir Erfahrungen aufgibt, die mich zum Sprechen, zum Schreiben bringen. In welchem Maáe Wirklichkeit in mir Sprache hervorruft, eine Sprache, die ins Gedicht gehen kann. Autorin 4 Auf Seiten der Leserinnen und Leser, vor allem der professionellen in Wissenschaft und Journalismus, ist bekanntermaáen das Bedrfnis nach benennbaren und erkennbaren Ordnungen groá. Versucht man aber, die Gegenwartslyrik mithilfe der Frage nach der Haltung zu kartographieren, erf„hrt man einmal mehr, dass dichterisches Denken anders funktioniert. Fragt man n„mlich Dichterinnen und Dichter nach ihrer ?Haltung?, kommt man nicht drum herum, erst einmal das Wort zu betasten. Man findet sich dann pl”tzlich in Bedeutungsr„umen wieder, deren Unbersichtlichkeit zun„chst eher gr”áer wird. Die Korridore in diesen R„umen verbinden dabei erstaunlicherweise Schreibzimmer so unterschiedlicher Autorinnen und Autoren wie Jrgen Becker, Jahrgang 1932, und Daniela Seel, die 1974 geboren wurde. Diese Korridore fhren einen in die einsamen Seitengelasse von Uwe Kolbe und Monika Rinck und sorgen fr noch einmal andere Perspektiven, wenn man dem Ausblick der ganz Jungen folgt, wie dem von Carolin Callies, die gerade ihr erstes Gedichtbuch ver”ffentlicht hat. Monika Rinck reagiert auf die Frage nach ihrer Haltung erst einmal so: O-Ton 2 Monika Rinck Ich hab ja nun eine Skoliose und musste wegen meiner schlechten Haltung in meiner Jugend sehr viel zur Krankengymnastik. Da hieá es auch immer, ich sollte mich besser halten, und ich mache es heute nach wie vor nicht. Aus Nachl„ssigkeit. Autorin 5 Aha, zuerst also der K”rper, ganz konkret. Und der Geist? O-Ton 3 Monika Rinck Man kennt das ja von sich selbst, wenn man in schlechten Phasen, extrem verunsichert ist, dass man dann mit h„ngendem Kopf dahintrottet. Manchmal kann es dann schon helfen, die K”rperhaltung zu „ndern, um einen anderen Blick auf die Umgebung zu bekommen, und manchmal setzt sich das dann auch fort. Move your ass and your mind will follow. Autorin 6 Jetzt, Frau Rinck, driften wir aber vorzeitig in die Ratgeber-Ecke ab. Oder nicht? Oder mit voller Absicht? In den Arbeiten von Monika Rincks Kollegin Martina Hefter stehen K”rperhaltungen immer wieder im Mittelpunkt. Hefter ist Performance-Knstlerin und Autorin eines Lyrik-Bandes, der den Titel ?Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch? tr„gt, sich also rund ums Rckgrat dreht und: Haltungen archiviert. Zum Beispiel diese: Lesung 4, Zitatorin 1 stehen im berfllten U-Bahn-Wagen Mich verabschieden vom Muster ?Aufplustern herbeizaubern?. Tu ich das Menschenm”gliche? Um meine Stirn der Nebel steigt, Wandert ab zum Nebenmann, ich f„dle mich ins Wachsen, wachse zur Gestalt, normal entwickelt, falte mein Verlangen nach Dasein, verl„ngere mein Scheuen, schrumpfe Umrisse rund, fahre Achsen ein. Zwinkere aus meiner streunenden Form. So berschatte ich den Nebenmann, quetsche Zartheit in seine Taschen. Autorin 7 Auch in der U-Bahn bereit sein, das Menschenm”gliche zu tun ? wenn es in diesem Gedicht nicht um eine Lebenshaltung geht! Martina Hefter wundert sich ber diese Interpretation. Sie habe doch nur den Gedanken interessant gefunden, etwas so dynamisches wie Haltungen zu archivieren. O-Ton 4 Martina Hefter Ich hatte keine Haltung zu dem, was ich da schreibe, und habe es immer noch nicht. Eigentlich wollte ich nur S„tze schreiben ber das Gehen und ber das Stehen und wollte dann mit diesem Material spielen. Autorin 8 Martina Hefter regt also eher andere dazu an, Haltungen einzunehmen als selbst Haltung zu zeigen. Oder: Sie regt an, sich der eigenen Haltungen bewusst zu werden und nimmt damit ? offensichtlich fast unbewusst ? auch schon eine Haltung ein: n„mlich als Knstlerin ausgehend von der eigenen Neugier Impulse zu senden, ohne mit einer Wirkung zu rechnen. Ist das noch Artistik, oder ist das schon Moral? Und ist das schon alles? Woher rhrt die doch sprbare Ratlosigkeit oder sogar Abwehr, wenn man Rinck und Hefter mit dem Wort Haltung kommt? Die Verlegerin der beiden ist die Dichterin Daniela Seel. Seit 2003 ver”ffentlicht sie in ihrem ?Labor fr Poesie als Lebensform?, dem Kookbooks Verlag, einige der avanciertesten Stimmen der Lyrik. Was denkt sie ber ?Haltung?? O-Ton 5 Daniela Seel Es ist schon eher so, dass das kein Wort ist, das ich fr mich so verwenden wrde. Ich habe versucht, dahinter zu kommen, warum das so ist. M”glicherweise hat es damit zu tun, dass es einen heroischen Kern hat, der ist mir fremd und unsympathisch. O-Ton 6 Jrgen Becker Nun hat das Wort fr mich ja auch eine Geschichte. Autorin 9 Erinnert sich Jrgen Becker. O-Ton 7 Jrgen Becker In meiner Kindheit war Haltung ein sehr oft geh”rtes Wort, das auch von einem etwas forderte. Als Jungvolk-Junge hatte man zumindest immer eine stramme Haltung an den Tag zu legen. Deshalb hatte ich eben auch ein bisschen Angst vor dem Wort. Haltung ist so: aufrecht, stramm, tapfer. Alles Qualit„ten, wie sie Kindern schon abverlangt wurden. Pflichterfllung, Treue. Alles Qualit„ten, die nicht nachteilig sein mssen. Aber sie sind benutzt worden fr eine ganz bestimmte Haltung, die man als deutscher Junge an den Tag zu legen hatte. O-Ton 8 Ulf Stolterfoht Nehmen Sie Haltung ein! Autorin 10 Ulf Stolterfoht wurde 1963 geboren, in Westdeutschland. Er hat gerade einen eigenen Verlag gegrndet mit dem Slogan: Lesung 5, Zitator 1 Schwierige Lyrik zu einem sehr hohen Preis ? dann ist es Brueterich Press. Autorin 11 Auch das ist eine Haltung. Jeden Tag von 11 bis 18 Uhr kann man Ulf Stolterfoht in seinem ?Bro?, der Eckkneipe ?Jonas? in Berlin-Sch”neberg, treffen. Ein friedlicher Ort. Ulf Stolterfohts Assoziation „hnelt der Erinnerung von Jrgen Becker. O-Ton 9 Ulf Stolterfoht Haltung gibt es schon in mehrfacher Hinsicht als etwas Verordnetes: ?Seinen Kameraden l„sst man nicht im Stich.? Das hat diesen milit„rischen Beiklang, aber es hat ja auch was Richtiges. Fr meine Groámutter, die kommt aus Berlin, war so was das Allerwichtigste. Nur nicht die Haltung verlieren. Die Welt kann in Trmmer gehen, aber man bewahrt Haltung, und das ist gut und schlecht gleichzeitig. Die, die nicht Haltung bewahren, sind schw„cher. Auf die kann man eigentlich herabschauen. So hab ich meine Oma verstanden. Autorin 12 Fr den Literaturwissenschaftler Thomas Wild ist ?Haltung? anders als fr Daniela Seel, Ulf Stolterfoht und Jrgen Becker ein anziehender, vielversprechender Begriff. Thomas Wild wurde mit einer Arbeit ber die Philosophin Hannah Arendt promoviert, die davon berzeugt war, dass unter den literarischen Gattungen Gedichte dem Denken am innigsten verbunden sind. Er arbeitet inzwischen an einem Buch ber das, was mit ?Haltung? gemeint sein k”nnte, wenn man von Literatur spricht. Ihm sei aufgefallen, erkl„rt er, dass man mit diesem Wort etwas ganz Spezifisches fassen k”nne. N„mlich ein Zusammenkommen von Poetischem, Politischem und Ethischem in einem Text. Mit Dichtern wie Thomas Brasch und Uwe Kolbe hat Thomas Wild sich in diesem Zusammenhang besch„ftigt. Auf die Frage, welche Gedichte denn in diesem Sinne eine Haltung zeigen, antwortet er ausweichend: O-Ton 10 Thomas Wild Ich kann es nur so beantworten, dass es welche gibt, bei denen mir das Wort in den Sinn kommt und wo ich denke, dass man mit dem Wort beginnen k”nnte, dieses Gedicht, wenn man es als Raum versteht, zu betreten. Bei anderen wrde mir das gar nicht in den Sinn kommen. Es ist eine Kategorie, die meines Erachtens deswegen interessant ist, weil sie sich auáerhalb von wahr/falsch oder auch richtig/falsch-Kategorien bewegt. Autorin 13 Thomas Wild hat sich mit der Wortgeschichte besch„ftigt und ?Haltung? bis zu Aristoteles zurckverfolgt. In der Nikomachischen Ethik schreibt Aristoteles von ?Hexis?. O-Ton 11 Thomas Wild Hexis bezeichnet in einer Tugendphilosophie eine bestimmte Art, wie man sich gibt (...). Durch die Wiederholung eines mutigen oder feigen Verhaltens zeigt sich die Haltung einer Person. Man kann die dann wie auf einer Tugendleiter einordnen. Das Interessante ist aber schon bei Aristoteles, dass er sagt, fr Hexis gibt es im Grunde keinen Namen. Hexis ist etwas, das man beobachten kann, aber man kann es nicht festlegen, man kann nur Umrisse benennen. Autorin 14 Im 19. Jahrhundert, erkl„rt Thomas Wild, wandert der Begriff in die P„dagogik, in die Psychologie, sogar ins Milit„r. Darum drcken manche Leute sofort das Kreuz durch, wenn sie danach fragt, was Haltung fr sie bedeutet. O-Ton 11a Thomas Wild Das ist diese anerzogene, diese richtige, diese feste Haltung, der man gerade in Deutschland skeptisch gegenber steht, weil sie mit Milit„r zu tun hat. Fr Freunde, Autoren, die Diktatur-Erfahrung in der DDR haben, bei denen es immer darum ging, dass sie noch nicht die ?richtige Haltung? haben, ist das ein ganz klar negativ besetzter Begriff. Autorin 15 Einer von diesen Autoren ist Uwe Kolbe. Er weiá, was es heiát, wenn einem vom Staat eine ganz bestimmte k”rperliche und geistige Haltung aufgezwungen wird. 1957 wurde er in Ostberlin geboren und von Franz Fhmann als junger Lyriker entdeckt und gef”rdert. Uwe Kolbes erster Gedichtband hieá ?Hineingeboren?, sein jngster Band tr„gt den Titel ?Gegenreden?. Es gibt ein gedrucktes Gespr„ch zwischen ihm und Thomas Wild, in dem es auch um die Bedeutung einer Haltung fr das Schreiben geht. ?Die Haltung des Dichterischen will sich nicht festmachen lassen?, sagt Uwe Kolbe dort. Zugleich aber sei Konsequenz wichtig frs Schreiben. Und Streit. In der Wochenzeitung DIE ZEIT im Juni 2015 kritisierte Kolbe sein Metier harsch und durchaus auch selbstkritisch als ?maástablos? und ?weichgesplt?. Gedichte schreiben bedeute fr ihn, etwas ber die Welt zu sagen und etwas mit ihr zu tun zu haben. Sprache sei dafr nur ein Vehikel. Das klingt in der Tat ungewohnt in einer Lyrik-Landschaft, in der vielen das pure Sprachmaterial so wichtig geworden ist. Lesung 6, Zitator 1 Blickt man zum Beispiel noch einmal auf Diktaturen des 20. Jahrhunderts, zeigt sich die Verteidigung der Poesie als eminente Haltung gegen jegliche totalit„ren Diktaturen. Denn das Poetische, so wrde ich behaupten, hat eine gewisse subversive Potenz. Schon dadurch, dass es nicht festzumachen ist, schon dadurch, dass man es nicht verkaufen kann. Ein Gedicht ist kein Zweck. Ein Gedicht ist ein Kunstwerk, aber es hat keine Gewinnerzielungsabsicht. Es ist da, es formuliert eine Position. N„mlich Verteidigung seiner selbst als Kunstwerk. Autorin 16 Dabei seien seine Gedichte nicht besonders engagiert, sagt Uwe Kolbe. Die besten seien die, in denen er unmittelbar bei sich geblieben sei. Wie dieses, aus seinem Band ?Gegenreden?. Lesung 7, Zitator 1 Sommer Was Wunder, erf„hrt einer sp„t erst, wenn seine Sprache stockt. Und geht nahe beim Wasser, bleibt sich ein Lehrling im Staunen. Kein Geheimnis darum, es ist wieder Hamburg, die Alster, sonnig der Tag, nur wie alles begann, weiá keiner, genieát diese Rckkehr ins Licht. Was anderswo hehre Reiher, hie Graugans und Taucher, und schwarzweiáes Bl„sshuhn, sein Lied wieder gut zu verstehen. Beginn eines einfachen Tags, soll anders nicht werden, schert sich ums Wirken nicht, R„tsel nie l”send, Fragen da auf dem Gesicht hellleuchtend, wenn alle Geschwindigkeit zeigen, streifen einander, die Augen tanzen, blendendes Fleisch ber Knochen. H„lt jener an das Wasser sich, seine Spur, denn eins muss er bleiben, festhaltend am gr”áten, am R„tsel der fremdesten N„he, Liebe. Autorin 17 Einer, der aus der Dunkelheit kommt und ins helle Licht des Tages, der einfachen, verst„ndlichen Rede tritt. So inszeniert Uwe Kolbe seinen Dichter in diesem Gedicht. Einer, der an den alten, unl”sbaren Fragen festh„lt, sich aufreibt an ihnen, w„hrend andere vorberziehen, diese Fragen unachtsam bergehen. Das Sprachmaterial selbst wird nicht zum Gegenstand und auch nicht mit Skepsis betrachtet, auch wenn die Schreibkrise diesem Dichter sehr wohl bekannt ist. Kolbe verlangt von seinem Dichter, dass er Herr seiner Mittel ist und dass er fr seine Position laut eintritt. Sprache als Mittel zum Zweck, als Vehikel, wie er sagt. Artistik also im Dienste der Moral. Dichtung als Widerstand, federnd auf dem mythologischen Urgrund. Dann wieder ganz gegenw„rtig in der Situation eines Alsterspaziergangs oder als Spottlied auf die Feigheit dieser Tage: Lesung 8, Zitator 1 Kleinen Mannes Lied von der groáen Liebe Wenn die Liebe groá ist, mach sie wieder klein. Wenn sie sich ein Haus baut, reiá es wieder ein. Wenn die Liebe schwingt, qu„le ihre Seele, wenn sie ihre Liedchen singt, pack sie an der Kehle. Hat die Liebe šberschwang, hol sie auf den Boden, ist sie geil und nass und steht, pack sie bei den Hoden. Wird die Liebe richtig heilig, komm mit Scherzen, sieht die Liebe Morgenrot, musst du es anschw„rzen. Lass der Liebe niemals ihres, sonst wird sie zu gierig, geht es hoch, will sie das H”chste, halt sie niedrig. Autorin 18 Ein politisches Lied, das im Ton der literarischen Revolution„re Wladimir Majakowski und Thomas Brasch davon singt, wie Herrschaft sich auch in unserer Zeit m„chtig und die Untergebenen klein h„lt. Die Haltung dahinter: rebellisch, aufrhrerisch, gerichtet gegen den biedermeierlichen Zeitgeist des 21. Jahrhunderts. Poetisches, Politisches und Ethisches treffen pl”tzlich sichtbar aufeinander, sprt man als Leserin oder Leser der Haltung dieses Textes nach, der Haltung zur Welt. Aber noch einmal: Was genau war mit Haltung gemeint? Monika Rinck: O-Ton 12 Monika Rinck Fr mich ist Haltung, abgesehen von K”rperhaltung, ein Begriff, der einen leeren Anspruch stellt. Du brauchst eine Haltung. ? Welcher Art soll die sein? Autorin 19 Als Wort auf Wanderschaft hat Thomas Wild ?Haltung? bezeichnet, als ein Wort, das sich auf erfreuliche Weise normativen Festlegungen verweigere, wie eben schon Aristoteles wusste. Auch Monika Rinck zitiert Aristoteles und interpretiert ihn so: O-Ton 13 Monika Rinck Einerseits ist das dieses ganz einfache ?Ich halte etwas, es wird mir vielleicht schwer, aber ich halte es nach wie vor.? Und dann auf der anderen Seite die Haltung als eine Art von Grundlage. Das, worauf ich aufbaue und das was alles, was ich tue, grundiert. Autorin 20 Die Haltung als Fundament. Und als die F„higkeit, etwas auszuhalten, an etwas festzuhalten, einen Halt zu bieten. O-Ton 14 Jrgen Becker Haltung hat mit Verhalten zu tun. Autorin 21 Sagt Jrgen Becker. O-Ton 14a Jrgen Becker Und das Verhalten bestimmt das Verh„ltnis, was ich habe. Zur Literatur, zum Schreiben, zur Sprache, zur Wirklichkeit, zur Geschichte, zur Gesellschaft. Das spielt natrlich bei der Beurteilung von Literatur immer eine Rolle, was Literatur fr ein Verh„ltnis hat zur Zeit. Musik O-Ton 16 Daniela Seel Irony is over. Ich merke, dass ein politisches Interesse wieder deutlich zugenommen hat, auch unter Autorinnen und Autoren, weil auch die Situation so schrecklich ist. Diese schreckliche Politik, die immer weiter berhand nimmt und die so fundamental gegen die europ„ische Idee und gegen so vieles ist, wofr man eigentlich einstehen m”chte. Das kann man ja nicht so stehen lassen. Autorin 24 Daniela Seels Auswahlkriterien fr ihr Verlagsprogramm klingen ganz anders als Uwe Kolbes Behauptung, das Metier der Dichtung sei heute eine ?maástablose, weichgesplte Welt?. O-Ton 17 Daniela Seel Ich finde wichtig, dass es ein Verantwortungsbewusstsein gibt, auch fr das eigene Sprechen. Und dass es nicht einfach so selbstverst„ndlich davon ausgeht, in der Welt zu sein und sprechen zu k”nnen, sondern auch zu hinterfragen, warum ist das so und was tue ich hier und auch: Wohin kann das gehen. Das hat, glaube ich, was ganz inh„rent Politisches. Gerade wenn es um Sprache geht, weil Sprache ja das Mittel der Kollektivit„t ist. Autorin 25 Diese Fragen haben Daniela Seel w„hrend der Arbeit an ihrem eigenen Gedicht-Band ?Was weiát du schon von Pr„rie? besch„ftigt und an den Rand des Scheiterns getrieben. Auf einer Reise durch Kroatien war sie Orten ihrer Kindheit begegnet: Orten, an denen Karl Mays Winnetou-Bcher verfilmt worden sind. Eine Konfrontation, die ihr die eigene, scheinbar unschuldige Position gegenber Landschaften und den mit ihnen verknpften Vorstellungen unheimlich werden lieá. Das verst„rkte sich w„hrend eines Aufenthaltsstipendiums in Kalifornien, in der Villa Aurora. O-Ton 18 Daniela Seel Je l„nger ich dort war und je l„nger ich recherchiert habe, desto unangenehmer wurde mir meine eigene Position. Dass ich immer noch so stark Tr„ger dieses Kolonialismus und eben nicht Postkolonialismus bin. Und nur indem ich selber diesen Track West antrete und so eine Art Reenactment betreibe, selbst in der Recherche, reproduziere ich das und bin so stark immer noch Teil davon und Tr„ger dessen, was ich eigentlich kritisch sehe, was ich aber nicht „ndern kann, so dass ich total ins Schwimmen gekommen bin. Eben auch mit den Texten und erstmal nicht eine Haltung dazu entwickeln konnte: wie kann ich das berhaupt thematisieren und solidarisch sein? Und was kann man damit erreichen, auáer die eigene Karriere zu bef”rdern? Musik Autorin 26 Das Fundament, auf dem die Gedichte entstehen ? ihre Haltung also ?, ist hier ein schwankender Grund. Gedichte, die sich jeder festen Kontur entziehen. Vielstimmigkeit, Kippmomente, Unwuchten ? Daniela Seel experimentiert mit syntaktischen M”glichkeiten, um auszudrcken, dass ihr Verortungen und Orientierungen zunehmend fragwrdig werden. Wenigstens im Gedicht die Fixierungen aufheben. Gedichte als Gegenst„nde denken, die sich nicht aufrechnen lassen. Wie dieses Gedicht aus dem Kapitel ?Territorien, Flimmern?: Lesung 9, Zitatorin 2 Bestellte ein Ding, das nicht repariert werden will, von mir, das passiert. Was eine Schwierigkeit bleibt der Zeit. Denn ich bewege mich ja darauf zu. Ich passiere. Es im Umgehen, Umgang, zu pflegen. Bin ich hegemonial? Ich schaue nur leicht dran vorbei. Kaum schwerer, aus der Verneinung sich Verweigerung anzueignen. Attia schreibt von endloser Reparatur. Regale, Haken, Magazine, Laden. Was wrde darin repariert? Jemands Begehren, erkannt zu sein, umstellt vor der Hand von Aufmerksamkeit? Auch ich bin hier, und ich hege Zorn. Habe Kleister, Kanister, sinistre Register, Nadel und Faden, Gesicht aus Kn”pfen und Stichen, friss mich. Verzichte. Mich einzufinden in Weite. Im Kleinen. Verzeih. Wie ich sehe, sind sie nicht mehr. Ich meine die Mustangs, ihr Schweifen. Ein Wort wie Stolz. Gehen Sie weiter, im Zweifel. Die Hand streift den Sattel, bereit zu streiten. Ein Lehrbuchsatz. Dominanzwerte, Flickwerke, Unterholz, Pfade. Ich sehe es nach. Scheue Vergleiche. Jagd. Autorin 27 Daniela Seel erkl„rt, sie schreibe so... O-Ton 19 Daniela Seel ...weil mir die herk”mmliche Vorstellung von Realismus, die so gemeinhin herrscht, so merkwrdig reduktionistisch erschien. Auch dass ein Gedicht ein Thema hat, und das soll dann durchgearbeitet werden. So ist ja das Leben nicht. Autorin 28 Daniela Seel vergleicht den Aufbau ihrer Gedichte mit Mobiles. Sie bilden ein fragiles, luftiges Gefge, das in sich beweglich bleibt. Und sie bitten ihre Leserinnen und Leser um Beteiligung. Lesung 10, Zitatorin 2 ich suchte eine form, die beweglich ist und trotzdem treffend und die denken kann. die vorstellungen freisetzt, statt durch zu viel beschreibung zu beschr„nken. die erfahrungen lieber bereitstellt, als sie mitzuteilen. (...) eine form gr”áerer gleichzeitigkeit, die dadurch auch gr”áere ?realit„t? erreicht, weil doch nie nur ein ding, ein gedanke, eine bewegung da ist. (...) so lang an den einverleibten konventionen reiben, bis sie durchl„ssig werden, ihre personalien abgeben. die lyrischen ichs verstrickt in herkunft, geschlecht, schicht, was du willst. politik. (....) tuts noch weh, wenn du suchst? now, mind the gaps. move. Autorin 29 Die Relationen sind fr Daniela Seel wichtiger als die Zentralperspektive des Ich. Beweglichkeit und vor allem das Bemhen, vermeintlich sicheres Wissen infrage zu stellen, sind Voraussetzungen fr ihr Denken und Schreiben. ? Eigentlich eine klassisch kritisch-aufkl„rerische Haltung! Daniela Seel teilt sie mit Monika Rinck, deren Essay ?Risiko und Idiotie? so beginnt: Lesung 11, Zitatorin 1 In einem Land, in dem die Freiheit des Worte weitgehend gegeben ist und das Verfassen und Verbreiten von Gedichten nicht unter Strafe steht, sondern gr”átenteils einfach ignoriert wird, ist die dichterische Entscheidung fr widerst„ndige, uneigentliche Sprachgebungen eine freiwillige. Das heiát, es ist eine „sthetische und formale, eine politische oder auch zuf„llige. Sie ist nicht in erster Linie Verschlsselung gegen den Verdacht, obwohl sie Fragen nach Lesbarkeit und Verrat wachhalten kann. Das Risiko besteht nicht in Verfolgung, sondern darin ungelesen oder missverstanden zu bleiben und darber bitter zu werden, oder sprachlich zu vereinsamen, in einer nicht l„nger ansprechbaren Welt. Autorin 30 Jrgen Becker kommentiert diesen Anfang. O-Ton 20 Jrgen Becker Das geh”rt, glaube ich, zur Grunderfahrung eines Schriftstellers, dass er seine Distanz feststellt zur umgebenden Wirklichkeit. Er geh”rt ihr an, aber er stimmt mit ihr nicht berein. Ich will den Knstler nicht gleich zum Auáenseiter der Gesellschaft stilisieren, was er ja oft gewesen ist. Aber in jedem Fall bleibt ein, und das ist konstitutionell sehr notwendig, ein Unterschied zwischen einem Knstler und einem Menschen, der nicht Knstler ist. Weil ein Knstler Qualit„ten hat, die andere Leute nicht haben. Er ist sensibler, er ist kritischer, er ist verst”rbarer, er ist ver„ngstigt, er ist aufs„ssig oder was immer. (...) Das Schreiben, das Malen, das Komponieren ist oft ein sich Entfernen von der landl„ufigen Kommunikation. (...) Die Welt der Kunst ist ein eigener „sthetischer Bereich. Und wenn man den ausfllen will, muss man die Distanz zur Wirklichkeit behalten, die notorisch kritische Distanz, die ist fr mich eine notwendige. So drckt sich also zwangsl„ufig so etwas aus wie ein Unterschied in der Haltung. Autorin 31 ?Risiko und Idiotie? ist das ernste Buch eines traurigen Clowns, der bei Monika Rinck mal Dichter, mal Idiot heiát. Monika Rinck hat „hnlich wie Daniela Seel ausgerechnet bei diesem leichtfáigen Buch die eigene Haltung Schwierigkeiten bereitet, die Sprechhaltung. O-Ton 21 Monika Rinck Diese Sprechhaltung des Ich, die sich jetzt hier heraufschwingt, um zu behaupten was ist und was nicht, war mir irgendwann so unangenehm und so uninteressant, billig, autorit„r, bl”d, altklug, verlabert ? bah! Dass es wirklich half, da Idiot hinzuschreiben. Einfach, um mit dem Text weiterarbeiten zu k”nnen. Da hatte ich in der Tat das Gefhl, jetzt hat das šber-Ich bernommen und du bist verloren. Es geht nicht mehr weiter. Autorin 32 Es ging glcklicherweise weiter: Monika Rinck fand drauáen vor dem Haus und ihrem fixierten Schreibplatz einen Hula-Hoop-Reifen. Was blieb dem šber-Ich da anderes brig, als das Weite zu suchen? Aber ist der Idiot wirklich so spielerisch, wie das jetzt klingt? O-Ton 22 Monika Rinck Ich lese manchmal in Rezensionen ber meine Gedichte, das ist ja alles so spielerisch, und es geht um Sprache und sonst nichts. Man versteht es auch nicht richtig, aber es macht irgendwie Spaá, aus irgendwelchen Grnden, die wir selber nicht verstehen. Und dann denke ich: Das stimmt doch gar nicht! Lesung 12, Zitatorin 1 Freundschaft Andre Funktionen beobachten wir. Andre Rochaden. Gedacht sei ein gemeinsamer Aufmerksamkeitsraum, der nicht allein, sondern nur in Begleitung eines Freundes oder einer Freundin betretbar ist. Wenige sind so gefertigt, dass man wie wehend zu dritt l„uft darin. Viele sind strenger noch in der Zweizahl, als der Paarraum es ist. Und doch nicht. Der Freund und die Freundin wrden es nie wagen, nie wollen, den Raum zuzuzurren. Im Spiegel erkennt man das nicht. Aus Respekt vor der Freundschaft darf der Freund oder die Freundin sich auch in falsche, b”se, schwache und dumme Menschen verlieben, das wird nicht verhindert, sondern begleitet. Man teilt es. Freundschaft ist teurer als das, denn in der Freundschaft kann, anders als in der Liebe, Gleichgltigkeit niemals zum Vertrauensbeweis avancieren. Oder N„he heimlich aus schlechter Behandlung entstehen. Mimetisches Begehren wird ber Teilhabe geregelt. Das Slowenische nutzt hierfr den Dual. Autorin 33 Nein, es stimmt nicht, dass Monika Rincks Gedichte nur spielen wollen. ?Freundschaft? ist ein Gedicht aus ihrem Band ?Honigprotokolle?, fr den sie 2013 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde. Man kann ihn den Deutschen Buchpreis fr Lyrik nennen. ?Freundschaft? ist ein Beispiel fr einen Text, in dem im Sinne von Thomas Wild Poetisches, Politisches und Ethisches zusammenkommen. Rinck entwirft die utopische Idee eines sozialen und politischen Zusammenlebens. Sie ruft dafr philosophische Traditionen auf, die wohl bis zu den politischen Ideen des griechischen Philosophen Epikur zurckreichen. ?Freundschaft? ist auch eine Gegenrede zum Zeitgeist: ?Der Idiot beobachtet die Zunahme einer sehr unkomischen H„rte in vielen Bereichen?, heiát es in ?Risiko und Idiotie?. Monika Rinck ruft mit dem Aufmerksamkeitsraum, den ihre Gedichte entwerfen und in den sie uns einladen, eine weitere Facette des schillernden Wortes ?Haltung? auf. ?Holding?, erkl„rt sie, sei ein Begriff aus der psychoanalytischen Therapie. Es meint die Erfahrung, gehalten zu werden. Autorin 34 Wer gehalten wurde, wird vielleicht zu einer Haltung kommen k”nnen, die Monika Rincks Idiot als ?Das Prinzip DIVA? bezeichnet. Lesung 13, Zitatorin 1 DIVA nennt der Idiot ein Prinzip, das der geistesgegenw„rtigen Ablehnung von falschen Kooperationsangeboten zugrunde liegt. Es geht darum, dem Gegenteil von Verfhrung eine Form zu geben, das heiát, gegen die inhaltsleere Grundhysterie der Anfragen eine kluge und wom”glich sogar lustvolle Form des Entzugs zu setzen. (...) Die Idee der generellen und endlosen Verfgbarkeit, wie sie fr Inhalte im Internet bedenkenlos gefordert wird, ist Anti-DIVA. (...) Die Idee der unaufhaltsamen Beschleunigung ist Anti-DIVA, weil darin das Nacheinander zugunsten einer panischen und marktmystischen Gleichzeitigkeit aufgegeben wird. Die DIVA erinnert an die Verbindlichkeiten des Raumes und seiner Gegenwart. Autorin 35 Die DIVA verh„lt sich unangemessen. Sie kooperiert nicht. Sie ist nicht berechenbar und stimmt nicht in den Chor der Leidensmystiker ein, die auf Belohnung im Jenseits hoffen, erkl„rt Monika Rinck. Marily Monroe trank aus Champagnerflaschen immer nur den ersten Schluck, erz„hlt Rincks Idiot. So habe es in ihrer Umgebung immer Champagner fr alle gegeben. An anderer Stelle stampft Rincks Idiot mit beiden Fáen auf und bekennt, er k”nne diese ?dumpfen Debatten um Verst„ndnis und Vergtung nicht mehr ertragen.? Das teilt er mit Ulf Stolterfoht, der allerdings gelassener klingt, wenn es um die ?nicht l„nger ansprechbare Welt? geht. O-Ton 24 Ulf Stolterfoht Ich bin mir nicht sicher, ob es die Haltung eines Autors oder einer Autorin ist, wenn der Text sagt: ?Du musst mich nicht verstehen?. Wenn man da von Haltung sprechen kann, dann wrde ich sagen, interessiert mich so eine Haltung sicher am meisten. Autorin 36 Was heiát das aber genau fr die Schreib- und Lebenspraxis? Wird hier aus Artistik Anarchie und also Moral? Welche innere Einstellung zeigt ein Dichter der Welt gegenber, wenn er gar nicht verstanden werden will, wenn er also der nicht ansprechbaren Welt seinerseits den Rcken zudreht? O-Ton 25 Ulf Stolterfoht Ich glaube nicht, dass man, wenn man Anarchist ist, inhaltlich anarchistische Texte schreiben muss, das w„re ja schrecklich. Ich glaube, die Anarchie zeigt sich dann in dem anarchischen Umgang mit dem, was man macht und nicht darin, dass man zum Umsturz aufruft. Wenn ich mir berlege, wie die Wiener Gruppe gearbeitet hat oder wie Oulipo arbeitet, muss man doch eigentlich sagen, die arbeiten frei von irgendeiner Haltung. Nur in der Regelhaftigkeit kommt die Haltung durch die Hintertr eben doch wieder rein. Und dann heiát die Haltung: ich habe keine Haltung. Autorin 37 Oulipo wurde 1960 von Raymond Queneau gegrndet. Georges Perec z„hlte man zu dieser Gruppe, auch Italo Calvino und Oskar Pastior standen ihr nah. Oulipo wollte die sprachlichen M”glichkeiten durch zwanghafte Regelverordnungen testen und erweitern. Georges Perecs berhmtester Roman kommt zum Beispiel ganz ohne ?e? aus. Ulf Stolterfoht lockt es, die Autor-Verantwortung an ein Verfahren abzugeben. Aber: O-Ton 26 Ulf Stolterfoht Ich glaube, man muss doch eine Mischung finden zwischen Delegieren und Verantwortung bernehmen. Mir w„re es sehr recht, wenn ich noch viel mehr Verantwortung abgeben k”nnte und weniger bernehmen msste. Ich glaube nur, das ist nicht realistisch. Man beh„lt die Verantwortung, auch wenn man sehr strenge Regeln anwendet. Autorin 38 Sein Buch ?Neu-Jerusalem? erz„hlt in streng gebauten, fast schon zahlenmystisch organisierten Strophen von pietistischen Bewegungen und adaptiert u. a. die Offenbarung des Johannes. Es gibt da Passagen, in denen Ulf Stolterfoht die Verantwortung fr seinen Text komplett abzugeben scheint: indem er seitenweise aus dem Neuen Testament zitiert zum Beispiel und nur durch einzelne eigene S„tze die Zitatmasse ins Gegenw„rtige lenkt. O-Ton 27 Ulf Stolterfoht Wenn man sich selber als mehr oder weniger haltungslos erkennt, egal ob zurecht oder zu Unrecht, ist man darauf angewiesen, Stimmen auszuprobieren, die Haltungen probeweise einnehmen. Ich habe, glaube ich, eher einen Mangel an Haltung als zu viel Haltung. Das ist fr Gedichte etwas ganz wichtiges, dass ich wirklich gefordert bin, um zu begreifen: Wer nimmt denn da jetzt gerade welche Haltung ein. Nimmt da berhaupt noch jemand eine Haltung ein? Autorin 39 Zu Beginn seines Lang-Gedichts ?Neu-Jerusalem? mimt Ulf Stolterfohts Figur einen Alleinunterhalter, der Weltuntergang und Erl”sung rappt. Lesung 14, Zitator 1 ja, leute stimmt: die welt wird bald schon untergehen, und christus wird in jerusalem sein k”nigreich errichten, und tausend jahre soll es dauern und der l”we wird sich niederlegen mit dem lamm ? habt ihr das schon mal geh”rt. na? ich frag ja nur. ich bin bloá neugierig, wer von euch das schon mal geh”rt hat. keiner? das schadet nichts. Aber w„rt ihr denn bereit dafr? ich meine: seid ihr jetzt bereit fr das lamm? fr das lamm und fr des lammes blut? ja? dann ist es gut! denn die zeit ist nah. die zeit ist scheiánah, und ihr, ihr solltet euch entscheiden. (...) Autorin 40 Einen groáen Unsinn nennt Ulf Stolterfoht ?Neu-Jerusalem?. Keine Frage, sein Buch treibt mit dem Leser bermtigen Schabernack. Aber man sollte nicht vorschnell in Ulf Stolterfohts Relativierung einstimmen. Ob er will oder nicht, sein langes Gedicht nimmt eine Haltung ein zur Zeit. Es spiegelt das apokalyptische Bewusstsein der Gegenwart und parodiert scheinbar lustig, tats„chlich aber „uáerst aggressiv die in ihren Konsequenzen brutale Lethargie des angesprochenen Publikums. ?Neu-Jerusalem? ist ein Fehde-Handschuh gegen die Haltungslosen: uns. Wir werden verspottet, provoziert, gereizt, geweckt. Eigentlich also kurios, dass Stolterfoht im Gegensatz zu Daniela Seel und Monika Rinck leugnet, sich in der Poesie aktiv um eine kritische Gegensprache zu bemhen. Jrgen Becker hat dieses kritische Sprachbewusstsein sogar zum Gegenstand seiner Dankesrede zum Bchner-Preis gemacht. Er erz„hlt von der frhen Wende in seinem Verh„ltnis zur eigenen Sprache. O-Ton 28 Jrgen Becker Es war wirklich merkwrdig, zum ersten Mal im Ausland, in Frankreich, werde ich gebeten, jetzt nicht mehr deutsch zu sprechen, im Jahre 1955. Und zehn Jahre nach dem Krieg hat damals keiner mehr an Krieg gedacht. Jedenfalls wir jungen Leute nicht, ich war damals 23 Jahre alt und das lag alles weit weg. Auf einmal werde ich mit etwas konfrontiert, was mich dann doch sehr nachdenklich gemacht hat und am Ende eben auch ver„ndert hat. Meine Sprache ist nichts Neutrales, meine Sprache kann etwas sein, was ber Leben und Tod entscheidet. (...) Das war damals eine Erfahrung, die nicht unmittelbar gewirkt hat, aber dann doch ber die Jahre und die ganzen Anf„nge dieses sogenannten experimentellen Schreibens bestimmt hat. Denn seinerzeit der destruktive Umgang mit der Sprache, das war ja keine Spielerei, das war ja die Verst”rung, die da mit enthalten war in der Benutzung von Sprache. Wobei Sprache eben nicht nur W”rter sind, sondern eben die Denkweise, die Haltung von Menschen auch. Musik Autorin 41 ?jedes Komma ein S„belhieb und jeder Punkt ein abgeschlagner Kopf?, heiát es in Georg Bchners Drama ?Dantons Tod?. Jrgen Becker zitiert den Satz in seiner Dankes-Rede, die den Titel tr„gt ?Vom Mitschreiben der Wirklichkeit?. Er erinnert sich an die Erfahrungen, die in seine frhen Textarbeiten eingegangen sind: ?Felder?, ?R„nder? und ?Umgebungen? heiáen die drei Bcher, die ihn bekannt machten. Von heute aus betrachtet, stehen sie in verblffender N„he zu Schreibweisen von Dichterinnen und Dichtern wie Steffen Popp, Daniela Seel, Uljana Wolf und Monika Rinck. In diesen Bchern steckte schon, was den basso continuo seines literarischen Werkes bildet: O-Ton 29 Jrgen Becker Es ist die Chronik der Augenblicke, die mir immer so vorschwebt. Ich sehe, dass mein Leben aus Augenblicken besteht, die alle ihre Geschichte haben. (...) Und ich lebe in diesem Netz von Gleichzeitigkeit, das aus lauter Augenblicken geknpft ist, die alle ihre Geschichte haben. All das zu vergegenw„rtigen passiert dann gelegentlich in einem Gedicht oder in einem Prosastck. Lesung 15, Zitator 2 Zwischendurch im Erzgebirge Still sitzen und sehen, wie unten der Nachmittag die D„mmerung erwartet, wie Scharfschtzen hinter einem Mauerrest verschwinden und Kinder einem weiáen gepanzerten Fahrzeug nachlaufen, wie eine Hgellinie, die eine Grenzlinie ist, das Nichts des Schnees vom Nichts des Himmels trennt, und entlang der Grenze, die eine diesseits, die andere jenseits, fliegen die beiden einzigen Kr„hen, die es in dieser baumlosen Landschaft gibt, wie das changierende Muster eines ™lteppichs entsteht mit dunkler werdenden R„ndern, wie auf der Wiese ein Baumstumpf die Form eines K”rpers annimmt mit abgeschlagenen Armen und Beinen, wie unterm Kirschbaum sich die Avantgarde zeigt, mit spitzen, grnen Lanzen die sp„ter, in den n„chsten Tagen, die Konvention der Schneegl”ckchen annimmt, wie in dunklen Fenstern Bildschirme aufleuchten und auf jedem Bildschirm zuerst eine Schrift und dann das Gesicht einer Frau erscheint, die lautlos die Lippen bewegt. Autorin 42 Gottfried Benns Bekr„ftigung klingt einem im Ohr, wenn man diesen Versen von Jrgen Becker lauscht: Ja, der Dichter sieht zu. Und das ist keine Artistik, sondern Moral. Jrgen Beckers Gedichte wirken wie Spiegelbilder zu dieser Haltung. Auch sie sind von einem Standpunkt gesprochen, der eher am Rand liegt. Aber die Stille in ihnen strahlt keine K„lte aus, sondern eine fast schon schockierende Empfindsamkeit fr das, was vom Rand zu sehen ist. Die Skrupel, mit denen Jrgen Becker Worte z”gernd, fast „ngstlich auf das Feld der weiáen Seite setzt, setzen der Skrupellosigkeit der Welt etwas entgegen. Wie k”nnte man die Haltung beschreiben, die hier lesbar wird? Sie ist der Welt zugewandt, radikal in der maximalen ™ffnung der Blende, im Anspruch an die Konsequenz der eigenen Arbeiten, und scheu im Vertrauen auf die eigenen M”glichkeiten. Die Haltung eines Emphatikers und gleichwohl Walter Benjamins Engel der Geschichte verwandt, der den Blick auf die katastrophische Vergangenheit gerichtet haltlos in die Zukunft weht. Musik Autorin 43 Jrgen Becker fragt sich trotzdem, ob eine Haltung, die der Autor gegenber der Welt hat, sich beim Schreiben unmittelbar auswirkt. Daniela Seel meint: O-Ton 30 Daniela Seel Ich glaube, es hat erstmal Einfluss auf das Verh„ltnis zum Material. Also wie ich das Material bearbeite, das Sprachmaterial. (...) Und durch diese andere Arte von Umgang mit dem Material auch ein Bewusstsein zu sch„rfen dafr: Was sind das eigentlich fr Inhalte, was sind das fr Satzformen, was sind das fr Herrschaftsdiskurse, die schon in der Sprachstruktur stecken. Autorin 44 Daniela Seel meint, hier k”nne man einen Unterschied heutiger Schreibender zu frheren Generationen ausmachen. Viele Dichterinnen und Dichter, zum Beispiel der 1960er Jahre, h„tten rhetorisch genau die šberw„ltigungsstrategien und die heroischen Attitden wiederholt, die sie kritisieren wollten. O-Ton 31 Daniela Seel Das kann man den S„tzen ansehen. Nicht sich selbst zu hinterfragen, sondern alles schon zu wissen und dann als Wissender auszubreiten, um zu missionieren. In den Sprachstrukturen heute von Autorinnen und Autoren gibt es ganz andere Sprachl„ufe, weil sich diese Kritik schon gegen bestimmte Formen von Grammatik richtet, die eben mit bestimmten Gesten verbunden sind. Deswegen ist die Kritik und Selbstkritik subtiler. Und das macht es vielleicht auch schwerer zug„nglich, weil es halt nicht mehr so ?hau drauf? ist. Autorin 45 Vermutlich steckt in diesen šberlegungen das Potential fr einen Literaturstreit. Einer, der Daniela Seel vielleicht widersprechen wrde, w„re Uwe Kolbe. Er bedauert, dass es in unserem Land zu wenig Leute gebe, die zu genauer ”ffentlicher Sprache f„hig oder bereit seien. Vermutlich stimmen Daniela Seel und Uwe Kolbe in ihrer kritisch-aufkl„rerischen Haltung sogar berein. Aber wohl nicht in ihrer Auffassung, wie ihr schreibend Ausdruck zu geben ist und was es meint, sprachlich genau zu arbeiten. Auf die Frage, ob es in der gegenw„rtigen Lyrik eine Haltung gebe, die sie eher ablehne, berlegt Daniela Seel lange. O-Ton 32 Daniela Seel Wenn, dann vielleicht dieser Konzept-Spuk. Dass man gar nicht versucht, irgendwas Eigenes zu machen, sondern Verfahren fr sich sprechen l„sst oder noch nicht einmal fr sich, sondern eigentlich ablehnt, dass man einen eigenen K”rper und eine eigene Position in der Welt hat. Das ist ja eine Haltung, die nicht so dreckig verwickelt werden m”chte. Autorin 46 In der Konzeptpoesie gebe es auch tolle Arbeiten, relativiert Daniela Seel ihre Kritik. Aber schwierig finde sie ?Cleanness?, den Versuch sich rauszuhalten. Carolin Callies, Jahrgang 1980, hat gerade ihren ersten Gedicht-Band ver”ffentlicht. Als Konzept-Kunst kann man ihn nicht bezeichnen, aber zumindest hat er ein deutliches Thema: den K”rper. Zehn Jahre hat sie an ihm gearbeitet, immer auf den Zugfahrten zur Arbeit, also zwischen zwei Orten, in bewegungsloser Bewegung oder in genau dem rasenden Stillstand, mit dem Paul Virilio unsere Epoche beschrieb. Carolin Callies Buch heiát ?Fnf Sinne und nur ein Besteckkasten?. Ein Beispiel aus dem ersten Kapitel ?wenn?s im mund also nach etwas riecht?: Lesung 16, Zitatorin 2 eintrag im handbuch der versehrten (s. r„ude, s. kr„tze) fhr es dem k”rper zu, fg es dem k”rper zu fhr es dem k”rper ein & scheide es aus. merke: es existiert kein gesicht. mir wurde, es war mal, r„udig ums maul. drum fehlt nun die anzahl an backen, um kauen zu k”nnen. doch, ach behalf ich mir mit fleisch, das hinten, das vorne & aller leib dazwischen war & muskelrelevant ich hatte, es war mal, ?nen tchtigen k”rper, eine bloáe, eine schlichte epidermis. jetzt fehlt mir der wille zur pflege der z„hne & zum gehorchen der k”rper”ffnungen & sehnenstr„nge. es sind derzeit, ach, so viele freie pl„tze in der physis. was ich fr schwefels„ure hielt, war ein graben fauler m„gen. wir boten uns die m„gen an & schlugen sie uns tchtig aus & brig blieben bloá noch die farbigen wundr„nder. ein magres Stck Kot, so war?s mal, ist am Schluss stets gnstig zu haben. Musik O-Ton 33 Carolin Callies Der Dreh- und Angelpunkt ist die Seltsamkeit, einen K”rper zu haben, und dieser K”rper steht in der Welt. (...) Der K”rper funktioniert unglaublich gut, bis er dann eben nicht mehr funktioniert. Zwischen diesen beiden Punkten bewegt sich meine Faszination fr den K”rper, dass er unglaublich beeindruckend ist und alles zusammengehen muss, damit er funktioniert, dass er aber auf der anderen Seite unglaublich fragil ist, unglaublich rasch versehrt werden kann. Autorin 47 Und hat sich aus dieser Faszination fr den fragilen Industriepalast, in dem wir wohnen, eine Haltung entwickelt beim Schreiben? O-Ton 34 Carolin Callies ?Zwischen Welt und Haut liegt H„utchen?. ? Das ist alles, was uns von der Welt trennt, und das ist auch alles, was uns vom Anderen trennt. Niklas Luhmann sagt ja zum Beispiel, Wahrheit ist nicht kommunizierbar, Liebe ist nicht kommunizierbar. Und das macht fr mich das K”rperliche aus: Egal wie sehr du aneinander bist, es sind immer zwei Objekte, die sich gegenber stehen. Das ist ein bisschen so, wie der K”rper in diesen Gedichten in der Welt steht. Musik Autorin 48 Ist das banal, den Menschen bewusst beim Werden und Vergehen zuzuschauen? Je l„nger man ber die Gedichte von Carolin Callies nachdenkt, desto mehr scheinen sie fr eine Haltung zu stehen, die auff„llt in den gegenw„rtigen Debatten um Sterbehilfe, Pr„implantationsdiagnostik und Gentechnik. Sie bietet einem Zeitgeist die Stirn, der den Tod als kontrollierbares Ereignis betrachten m”chte und unter dem Deckmantel der Ethik verschleiert, dass nicht alles kommunizierbar und l”sbar ist. Autorin 49 Mit Haltung wird die Aufmerksamkeit auf die Zwischenr„ume gelenkt, auf die Frage, wie die Dinge zusammenh„ngen, meint Thomas Wild. Und Monika Rinck erg„nzt, w„hrend sie auf einem Blatt Papier eine Mind Map zu den verschiedenen Bedeutungen des Wortes ?Haltung? aufzeichnet: O-Ton 35 Monika Rinck Haltung wird dann eben wichtig, wenn man vor einer dilemmatischen Entscheidung steht. Autorin 50 Thomas Wild weist darauf hin, dass der Begriff Haltung in Umbruchzeiten besonders relevant wird. Wir bewegen uns also doch wieder auf das šbergangsfeld zu, in dem sich Leben und Dichtung treffen. Monika Rinck zitiert am Ende unseres Gespr„chs den Literaturwissenschaftler Dirk Linck, der an gute Wissenschaftler hohe Ansprche stellt: O-Ton 36 Monika Rinck Sie mussten verbindliche Aussagen zur Scheuálichkeit der Verh„ltnisse riskieren; mussten offen sein fr die Reize der wunderbaren Dinge ohne kulturelle Dignit„t; mussten zu erkennen geben, dass sie wussten, wie die Sachen, von denen sie sprachen, sich >von innen< anfhlen; mussten dem Begehren und den Leidenschaften die Treue halten und sie voraussetzungsreich, ernsthaft und komplex diskutieren wollen; mussten auf die miesen Formen der Ironie verzichten; mussten bereit sein, noch das krudeste kulturelle Produkt auf Momente der Unverfgbarkeit hin zu untersuchen; durften keine Verlegenheit zeigen vor den asozialen Anteilen des Individuums, mussten Vertrauen haben zu uneigenntziger Subjektivit„t. Kurzum: die >guten Leute<, die fr die Richtigkeit einer Haltung standen, mussten so etwas wie ein >Leben< haben und sich ”ffentlich dafr interessieren, es zu begreifen. Autorin 51 Thomas Wild kommt noch einmal darauf zurck, was ?Haltung? im 18. Jahrhundert bedeutet hat. Damals war es ein Fachbegriff in der Malerei. O-Ton 37 Thomas Wild Das Entscheidende ist die Haltung, die ein Maler versteht diesem Bild zu geben, und das hat zu tun mit den ganz feinen Lichtverh„ltnissen, die diesem Gem„lde gegeben werden. Es gibt bestimmte Regeln von Genres, aber das, was ein Bild besonders macht, ist die Haltung, die durch ganz feine Lichtbrechungen einem Bild gegeben werden. Autorin 52 Feine Lichtbrechungen. Man kann sie h”ren in manchen Gedichten. Wie in diesem von Monika Rinck. O-Ton 38 Monika Rinck Mache eine Geste, Du, stark genug, alles zu tragen, eine Geste zum Abschied, dass es Abschied nit sei. Da die Geste st„rker als der Abschied, tr„gt das Wort, weil es ein Wort ist, besser als der Griff, nit? Es h„lt? Der Gedanke St„mmigkeit (sie mssten tanzen). Stille. Dass da ein weiáer Streif noch ist, dass Leere sttzt, was keine Leere ist, darauf kannst du balancieren. So geht das: Etwas sehr Schweres oben halten, ja. Halten, als sei es etwas Schweres und man h„lt es. Ohne Unterlass Gedankenkraft. Im Waldzimmer liege, was da auf der Bindung noch aufliegt. Auffliegt ja, ja, deckt Dich das Plumeau, weil es voller Vogelfedern ist, ganz merklich mit Gewicht. Zu leicht, danke, ist es nit. Was weggenommen wurde, waren weiá im Ausschnitt zwei einander zugewandte, drre Wiesel, tr„umtest Du. Tr„umtest, auch die Schwere wie ein Wort zu halten. Lass es doch dazwischen liegen, ein kleiner Hund ein groáer Hund und beide schwarz und beide Pudel rasen in der hellen Sonne um den Brunnen. Spielen. Nur das Entgegenkommen sehen, dabei gar nit sehen wie es in diesem Fall verk”rpert ist, ein Wort zu halten, und ein Wesen, das mich hielte, ohne Unterlass, so dass die Gedanken mir nit irre gingen, sondern etwas hielten, nit weil ich leicht bin, sondern weil es schwer, so schwer. Musik 2 Arvo P„rt: Silentium 28 1