Die Freiheit des Sängers Eine Lange Nacht über Kostya Belyaev, Rudik Fuks und ihre Erben Wiederholung aus dem Jahre 2004 Autor: Uli Hufen Regie: Rita Höhne Redaktion: Dr. Monika Künzel Sprecherinnen/Sprecher Gunter Schoß Werner Bussinger Übersetzer Herlmut Gauss Übersetzer Tilmar Kuhn Übersetzer Sendetermin: 27. April 2019 Deutschlandfunk Kultur 27./28. April 2019 Deutschlandfunk _________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde MUSIK: Sergej Schnurov – Krasnyj Moskvich/Der Rote Moskwitsch Misterija Zvuka MZ 115-2 Nach ca. 1:30 min runterfahren/läuft im Hintergrund weiter AUTOR Russische Popmusik gehört nicht gerade zum Standardprogramm. Nicht beim Deutschlandradio und auch sonst kaum irgendwo in Deutschland und im Westen. Überhaupt ist ja die Vorstellung das Russen wie andere Menschen auch tanzen, singen, sich amüsieren, ein bisschen betrinken und dann womöglich noch Sex miteinander haben, gar nicht so selbstverständlich wie man denken könnte. Der sowjetische Staat hat sich 70 Jahre lang darum bemüht den Eindruck zu erwecken, dass seine Bürger vor allen Dingen hart, ernst und aseptisch am Kommunismus arbeiten. Amüsements aller Art störten da eher. Und im Westen? Im Westen war man ganz zufrieden mit diesem falschen Bild. Immerhin herrschte ja kalter Krieg und je blöder der Gegner dastand, umso besser. In letzter Zeit hat sich die Lage ein bisschen entspannt. Russische Popmusik kann man zwar noch immer nicht in deutschen Plattenläden kaufen, aber zumindest kann man sie heute hören. Mehr und mehr Bands und Musiker aller Art touren durch Deutschland, wer in Berlin wohnt oder zu Besuch ist, kann zu Wladimir Kaminers Russendisko gehen und dann, ja dann gibt es natürlich noch die Lange Nacht, zu der ich sie herzlich willkommen heiße! MUSIK: Sergej Schnurov – Krasnyj Moskwitsch Misterija Zvuka MZ 115-2 Ich habe mir für diese lange Nacht vorgenommen, ihnen das urrussische Pop-Genre der Gauner-, Trinker- und Straßenlieder näher zu bringen. Sie werden vielleicht sagen: "Drei Stunden Verbrecher- und Hooligan-Chansons, ist das nicht ein bisschen viel?" Aber ich antworte: Nein, ganz im Gegenteil! Drei Stunden werden gerade reichen, um ihnen eine Vorstellung von Geschichte und Bedeutung dieses anarchistischen Genres zu geben. Und um einige seiner Helden vorzustellen. Ich möchte Sie in den nächsten drei Stunden zu einer Reise einladen, die durch Kommunalwohnungen und Lager führt, von Moskau an die eisige Kolyma und zurück, durch konspirative Tonstudios und in einem Kühlschrank sogar bis nach Afghanistan. Wir werden dem Produzenten Rudik Fuks dabei zusehen, wie er Russlands größten Chansonnier Arkadij Severnyj erfindet. Wir werden dem inzwischen fast 70jährigen Kostya Belyaev von Odessa nach Moskau durch eine 40jährige Karriere als Sänger, Dandy und Häretiker folgen und zuhören, wie er seinem jüdischen Freund David Schenderowitsch am 30. Mai 1976 auf unerhörte Weise zum Geburtstag gratuliert. Und wir werden sehen, wie heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, eine neue Generation von Sängern das Erbe von Fuks, Belyaev und all den anderen pflegt und behutsam erneuert. Gespickt ist das Ganze natürlich mit viel Musik. Dazu kommt eine Erzählung des großen Sergej Dowlatow, die ich der Spannung halber auf die drei Stunden aufgeteilt habe. Wer Dowlatow ist, erzähl ich, wenn die Geschichte losgeht. Jetzt kann ich schon mal verraten, dass sie im Milieu der Schwarzhändler des Leningrad der 60er und 70er Jahre spielt und das 720 Paar finnische Strümpfe dabei eine Hauptrolle spielen. Doch zurück zu unseren Liedern. Einer der gerade erwähnten jungen Sänger ist der Petersburger Sergej Schnurow. Schnurow hat die Lange Nacht mit einer Hymne auf sein geliebtes Auto, einen schönen alten roten Moskwitsch eröffnet und wird in der dritten Stunde ausführlich zu Wort kommen. Dann wird er unter anderem haarklein erklären, was es mit der Mythen umrankten Gossensprache Mat auf sich hat und warum sie für das russische Chanson von heute unerlässlich ist. Zunächst aber klärt Schnurow hier für uns die Terminologie. Rock und Pop sind schließlich Begriffe des Westens, genau wie der in Russland populäre Begriff Chanson. Wie also nennt man unsere Gaunerlieder eigentlich? O-Ton Shnurov/Voice Over Sprecher 1 Ich mag das Wort Chanson nicht. Das Wort kommt ja aus Frankreich und bezeichnet im Grunde nur ein Lied, sonst nichts. Blatnjak gefällt mir besser – das Wort beschreibt diesen Stil viel besser. Blatnjak war in der Sowjetunion ja Undergroundmusik. Im Grunde war das unser Rock'n'Roll. Nicht im Sinne von Mode oder Stil sondern im Sinne eines Protestes, einer Ablehnung des 'normalen' Lebensstils. AUTOR Blatnyak also. Woher das Wort kommt ist übrigens heftig umstritten. In jedem Fall bezeichnet 'Blat' die Sprache der Diebe. Wenn man etwas 'po blatu' besorgt oder bekommt, dann heißt das soviel wie 'durch Beziehungen', also ungesetzlich. Blatnaya Musyka wiederum oder Blat-Musik ist ein anderer Begriff für den Jargon der Ganoven. Tja und Blatnyak schließlich sind die Lieder, die von all dem handeln. Von Gaunern und ihren Abenteuern, von der Zeit in Gefängnis und Lager, die kaum zu vermeiden ist, von der Sehnsucht nach der Freiheit und der Heimat. Dazu kommt eine Unzahl von Liedern, die im engen Sinne nichts mit der kriminellen Seite des Lebens zu tun haben, die aber den Gaunerliedern in ihrer anarchistischen, jede Autorität ablehnenden, ja verachtenden Grundhaltung nahe stehen. Straßenlieder, freche Scherzlieder, zotige Liebeslieder und vieles mehr. Für manche Leute bezieht sich das Wort Blatnyak nur auf die Lagerlieder im engeren Sinne, aber ich will darunter für heute Nacht all das zusammenfassen, was ich gerade aufgezählt habe. Grundsätzlich geht es, wie Sergej Schnurow gesagt hat, um eine Art Protest gegen das 'normale', das geordnete Leben. Ob dieses sozialistisch geordnet ist oder kapitalistisch, spielt dabei keine Rolle. Weder Schnurov noch seine Vorgänger aus den 60er und 70er Jahren sind Dissidenten im engeren Sinne. Die Funktion des Blat-Chansons in der russischen Kultur geht über das politische Alltagsgeschehen weit hinaus, wie der Schriftsteller Andrej Sinjawskij in einem Essay bemerkte. Sinjawskij hatte übrigens von 1965-71 mehr als genug Zeit, das russische Strafverfolgungssystem als Häftling von innen kennen zu lernen. Zitat Andrej Sinjawskij/SPRECHER "Das Blat-Lied zeichnet sich dadurch aus, dass es einen Abdruck der Seele des Volkes darstellt - und eben nicht nur der Physiognomie des Diebes! In diesem Sinne kann das Blat-Lied, in einer Vielzahl von Formen, Anspruch auf den Titel des Russischen Nationalen Liedes erheben. Es eröffnet jenes Schöne, das unseren Augen im Leben verborgen bleibt. Und mehr noch, das Blat-Lied ist in seinem Kern rein und unschuldig, wie ein kleines Kind, und durch seine tiefe spirituelle, moralische Note verneint es unabhängig vom eigenen Willen genau die Verbrechen, die es scheinbar so kenntnisreich besingt. ….. Groß und ruhmreich ist das Volk, dessen Missetäter solche Lieder singen. Aber wie verwirrt und elend muss dieses Volk andererseits sein, wenn es niemand anderes als seine Diebe und Räuber sind, die dieses gemeinsame Lied am besten und umfassendsten erschaffen. Wie hoch ist dieses Volk gestiegen! Wie tief ist es gefallen!" AUTOR Also, wie sie sehen, geht es hier um etwas mehr, als nur um ein paar Gaunerlieder! Das nationale Lied! Doch bevor wir völlig abheben - Musik: Arkadij Severnyj singt "Gop-So-Smykom" – einen der großen Hits des Blat-Repertoires. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1975 und lässt wie alle historischen Aufnahmen, die ich ihnen heute Nacht vorspielen werde, an Ton-Qualität zu wünschen übrig. Musik: ARKADIJ SEVERNYJ: Gop so smykom 4 Brata I Lopata Länge: 4:14 Track 4 AUTOR Obwohl sich der ganze Charme von Liedern wie diesem nur im fein gereimten Russischen Original erschließt, will ich versuchen zu erklären, worum es geht. Da wäre zunächst der Titel. Gop-so-smykom ist ein nahezu unübersetzbarer Slangbegriff für einen Tausendsassa von einem Gauner. Dieser singt hier in der ersten Person und schon nach zwei Zeilen ist selbst in meiner holprigen Übersetzung klar, worum es geht: Gop-So-Smykom, - heißt es zu Beginn des Liedes – der tollste Gauner also, der bin ich, Freunde hört mir zu, Klauen das ist mein Geschäft, im Knast bin ich zu Hause, und bin ich einmal lange weg, vermisst mich meine Zelle." Zwei Zeilen weiter ist dann auch die Verbindung zu den Chansons hergestellt: "Wo ich auch gesessen hab, gesungen hab ich immer, die Hände in die Taschen und dann direkt ein Lied, was bleibt denn sonst schon groß zu tun, mit Gittern rund herum?" Klauen, sitzen, singen – um diese heilige Trinität des Gauner-Lebens geht es in Gop-So-Smykom und wenn sie finden, dass ein so verbrachtes Leben eher ein vergeudetes sei, dann zeigt das nur, dass sie eine sehr andere Vorstellung von Freiheit haben, als der hier besungene Gauner, die Interpreten des Liedes und seine russischen Fans. Als Arkadij Severnyj das Lied 1975 aufnahm, war es schon über 50 Jahre alt. Leonid Utjosow hatte es in den 20er Jahren zu einem Gassenhauer gemacht, den ganz Russland sang. Leonid Utjosov: Gop-so-Smykom Länge 3:03 Track 16/Zhulik CD Autor Leonid Utjosow mit Gop-So-Smykom, einer zügellosen Hymne auf das Diebesleben, nicht auf die KP oder Lenin, wie manche arglose nicht-russische Seele vielleicht angesichts des stampfenden Rhythmus gedacht haben mag. Die Aufnahme stammt wie gesagt aus den 20er Jahren, aus einer Zeit, als die offizielle Sowjetunion noch keine unüberwindbaren Probleme mit derartigem Liedgut hatte. Obwohl auch Stalin ein Fan der Gaunerfolklore war, verschwanden Lieder wie Gop-so-Smykom ab Anfang der 30er Jahre aus dem Repertoire von Utjosow und aus den Katalogen der sowjetischen Schallplattenfirmen. Es sollte fast 60 Jahre bis zu Michail Gorbatschows Perestroika dauern, bevor sie wieder offiziell in Russland gesungen werden durften. Womit wir bei der Frage wären, was es mit Arkadij Severnyjs Aufnahme von 1975 auf sich hat, die ich ihnen vor Utjosow vorgespielt habe. Wer war dieser Mann? Unter welchen Umständen entstand die Aufnahme? Und vor allem wer steckte dahinter? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, fuhr ich im letzten Herbst nach St. Petersburg. Ich wollte dort einen Mann treffen, den man in den 60er und 70er Jahren den König des Blatnyak nannte: den Underground-Musikproduzenten Rudolf "Rudik" Fuks. Eher zufällig hatte ich erfahren, dass Fuks 2002 nach 23 Jahren amerikanischem Exil in die Heimat zurückgekehrt war. Eher zufällig kam ich dann auch an seine Telefonnummer und so machte ich mich an einem dieser feucht-dunklen Petersburger Herbsttage auf den Weg zum Stadtteil Petrograder Seite, wo Fuks heute wie vor 40 Jahren wohnt. Als ich in Fuks Wohnung komme, ist der Meister gerade in lebhafte Diskussionen mit einem anderen, ebenfalls bejahrten Sammler vertieft und ich habe Zeit, mich ein wenig umzusehen. Die räuberhöhlenartige Behausung in einem großen Block aus der Stalinzeit macht auf den ersten Blick klar, womit Fuks sein Leben verbracht hat. Die gesamte Wohnung ist über und über bedeckt mit Musikpostern, eine riesige Schallplattensammlung kriecht die Wände entlang bis unter die Decke und auf Sofas und Tischen stapeln sich Ordner mit Zeitungsartikeln, Briefen und Texten aus einer 50jährigen Melomanen-Karriere. Dazwischen: Instrumente, Aschenbecher, Flaschen, Tassen. O-Ton Rudik FUKS/SPRECHER (PLATTENSAMMLER SEIN LEBEN LANG) "Ich habe immer Platten gesammelt, seit der Schulzeit. Am Anfang waren das 78er Platten. Wir bekamen durch unsere Eltern Musik aus der Vorkriegszeit – in der Sowjetunion erschien zu dieser Zeit ja praktisch nichts. Da war ein gewisses Vakuum – es kam einfach nichts Neues raus, was dem Stand des musikalischen Lebens der Welt entsprochen hätte. Der Eiserne Vorhang – alles zu. Darum haben wir die Musik unserer Väter gehört, die Musik der Eltern. Wenn wir das Radio anmachten, Radio Luxemburg und andere Sender – das war eine Offenbarung für uns. Aber wir mochten die alten, verbotenen Sänger: Petr Leschtschenko, Vertinskij, Vadim Kozin. Aber das waren alles alte Sachen. …..Als Sammler dieser Musik, von Tonbandaufnahmen fühlte ich den Mangel. Es gab die offizielle Kultur, da gab es auch ein paar gute Sänger und Bands, die wir hörten. Aber trotzdem – das konnte uns nicht befriedigen. Wir hörten ja Radio, lasen in den Zeitungen. Wir wollten ungewöhnliche Sachen hören, die es in den Läden nicht gab, die keiner zu Hause hatte. Und das mussten wir einfach selbst machen!" AUTOR: Bevor wir von Rudik Fuks erfahren, wie das mit dem Selbermachen in der Praxis ausgesehen hat, kommt hier ein weiteres berühmtes Blat-Chanson. "Murka" erzählt die Geschichte eines Gaunerkönigs, der sich in Odessa in eine Agentin der Geheimpolizei verliebt. Im Grunde hätte schon ihr Name jedem wachen Gauner eine Warnung sein sollen. Zu katzenhaft verschlagen kommen da in der Mitte des Wortes die Konsonanten r und k zusammen, als das man der Dame über den Weg hätte trauen sollen. Doch da die Liebe blind macht, muss erst die Hälfe der Bande verhaftet werden, bevor unser Gauner zur Besinnung kommt. Das Drama gipfelt in einem der berühmtesten Refrains der russischen populären Kultur: Der Gangster stellt Murka in einem Restaurant, um sich von seiner großen Liebe mit einer Kugel für immer zu verabschieden. Auch hier liegt der ganze Zauber des Textes in der unübersetzbaren Kombination von Reimen und Verbrecher-Slang. Hören sie Arkadij Severnyj in einer Aufnahme aus dem Jahr 1972, die natürlich kein anderer als Rudik Fuks angefertigt hat. Arkadij Severnyj – Murka 4:10 AUTOR Als Rudik Fuks 1972 dieses Lied aufnimmt, ist er ein sowjetischer Undergroundunternehmer vor dem großen Durchbruch. Seit den 50ern Jahren kauft und verkauft Fuks Schallplatten, offizielle sowjetische und ausländische genauso wie die legendären selbst gemachten "Schallplatten auf Rippen". Unter diesem obskuren Namen zirkulierte seit 1946 in Leningrad Musik, die auf benutzten Röntgenfilm gepresst wurde. Der Röntgenfilm stammte aus den Polikliniken der Stadt und so erklärt sich, dass unter den Rillen dieser weichen Schallplatten die Rippen von Thorax-Röntgenaufnahmen durchschimmerten. Anfang der 60er Jahre endet die Ära der Röntgen-Musik nach 15 Jahren permanenter Illegalität. Doch es ist nicht der Staat, der den Röntgen-Unternehmern den Todesstoß versetzt, sondern eine neue Technologie: Ab 1961 kommen in der Sowjetunion Tonbänder auf. Fuks gehört zu den ersten Fans der neuen Technik und weitet sein Geschäft schnell aus. Doch schon bald ist Fuks die Rolle des Vervielfältigers von ausländischer, vergriffener und verbotener Musik nicht mehr genug. O-Ton Rudik Fuks Ich suchte einen Interpreten, der meinen Freunden und Bekannten gefallen könnte, der aber kein offizieller Sänger war. Manchmal konnte man solche Sänger am Strand hören, einfach talentierte Gitarristen, die irgendwelche inoffiziellen Lieder sangen. So kam ich darauf, dass man einen ganz besonderen Interpreten finden könnte, unter all diesen Leuten. Also hab ich oft das Tonband mit an den Strand genommen, Sachen aufgenommen. Ich fuhr mit einem kleinen Philips-Tonband nach Odessa, um Lieder aufzunehmen. Später hab ich diese Aufnahmen in meiner Arbeit mit Severnyj benutzt. Ich hab viele Odessaer Lieder aufgenommen, Gaunerlieder – in Odessa, am Strand, auf irgendwelchen Partys. AUTOR Und dann hat Fuks einfach Glück – und findet seinen zukünftigen Starsänger. Nicht am Strand und schon gar nicht in Odessa, sondern zu Hause, in Leningrad. Eines Tages steht Arkadij Severnyj einfach vor der Tür von Fuks Wohnung und klingelt. Severnyj ist damals ein 23jähriger Student, Fuks zwei Jahre älter und schon in der ganzen Stadt als Fartsovtschik, als Schwarzhändler und Plattensammler bekannt. O-Ton Rudik Fuks "Arkadij Severnyj wurde mir von Gott gesandt. Er war eigentlich ein ziemlich normaler Typ. In der Menge hätte man ihn nicht bemerkt. …Er interessierte sich damals für die Gedichte von Ivan Barkov. Der lebte kurz vor Puschkin und ist berühmt für seine unanständigen Verse. Severnyj hieß damals noch Arkadij Zvjozdin, er studierte an der Forstakademie. Irgendwer hatte ihm meine Telefonnummer gegeben, weil er wusste, dass ich diese Sachen hatte, als Manuskripte. Also rief er mich an und kam vorbei. Er sah die Gitarre, ich schaute ob er singen würde, dann sang er los und ich merkte, dass er eine ungewöhnliche Stimme hatte. Er sang damals mit einer hohen Stimme, später bekam er einen Tenor-Bariton, weil er viel trank, die Stimme litt darunter. Aber damals sang er mit dieser hohen Zigeunerstimme. Ich nahm das sofort auf Tonband auf, um herauszufinden, wie seine Stimme vom Band klingt. Es zeigte sich, dass seine Stimme dafür ideal geeignet war. So eine Stimme, die auf Band sogar noch besser klingt, als in echt. Verstehen sie?" MUSIK: Severnyj – kurz anspielen AUTOR Naturgemäß ist alles was Fuks tut komplett illegal. Doch scheint es in seiner Generation eine große Menge von Leuten gegeben zu haben, die für ihre Ideen und Träume nicht nur größte Hindernisse sondern sogar Strafen zu erdulden bereit waren. 1965 wird Fuks als Spekulant zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, doch die Geschichte ist auf seiner Seite. Im November 1967 kommt er dank einer Amnestie zu Ehren des 50. Jahrestages der Oktoberrevolution vorzeitig frei und nimmt seine Geschäfte sofort wieder auf. Und genau an dieser Stelle will ich seine Geschichte unterbrechen und ihnen eine Erzählung von Sergej Dowlatow vorstellen. Die Erzählung heißt "Finnische Strümpfe" und spielt in eben jenem Milieu und zu eben der Zeit, in der wir Fuks gerade verlassen haben. Die Helden sind allesamt junge Leute im Leningrad der späten 60er oder frühen 70er Jahre – ganz genau wird das nicht gesagt. Dowlatow selbst ist vier Jahre jünger als Fuks und gehörte in jener Zeit wie Fuks zur zweiten, alternativen Kultur der Stadt. Gut möglich, dass sich die beiden auf der ein oder anderen Party begegnet sind oder das Dowlatow zu Fuks Kunden gehörte. Wie dem auch sei, Dowlatows Erzählung fängt die Stimmung jener Jahre weit besser ein, als ich es in Tausend Worten könnte – mal abgesehen davon, dass meine eigene Vorstellung über diese Zeit eben gerade aus dem Werk von Autoren wie Dowlatow stammt. Bevor es jetzt gleich losgeht mit den "Finnischen Strümpfen" singt Arkadij Severnyj noch eine Hymne auf Petersburgs uraltes Untersuchungsgefängnis Kresty am Ufer der Newa, jenen Ort, an dem auch die meisten Schwarzhändler der Stadt früher oder später landeten- Arkadij Severnyj: Arsenalnaya Ulica 4 Brata i Lopata Track 16 Länge 4:48 LITERATUR/SPRECHER Sergej Dowlatow. Finnische Strümpfe Teil 1 Diese Geschichte trug sich vor 18 Jahren zu. Zu dieser Zeit war ich Student der Leningrader Universität. Die Universitätsgebäude befanden sich in der Altstadt. Die Verbindung von Wasser und Stein erzeugt hier eine besondere, majestätische Atmosphäre. Es ist schwer ein Faulpelz zu sein in einer solchen Situation, aber mir gelang es. Es gibt in der Welt genaue Wissenschaften. Das heißt, dass es auch ungenaue gibt. Den ersten Platz unter den ungenauen nimmt, wie ich glaube, die Philologie ein. Und so wurde ich Student der Philologischen Fakultät. Nach einer Woche verliebte sich ein schlankes Mädchen in Importschuhen in mich. Sie hieß Asja. Asja machte mich mit ihren Freunden bekannt. Sie waren alle älter als wir – Ingenieure, Journalisten, Kameraleute. Unter ihnen war sogar der Leiter eines Geschäfts. Diese Leute kleideten sich gut. Sie liebten Restaurants, Reisen. Einige hatten eigene Autos. Sie kamen mir damals alle rätselhaft vor, stark und fesselnd. Ich wollte mich in diesem Kreis behaupten. Später sind viele von ihnen emigriert. Jetzt sind das normale ältere Juden. Das Leben, das wir führten, verlangte beachtliche Ausgaben. Meistens fielen diese auf die Schulter von Asjas Freunden zurück. Mich verwirrte das sehr. Ich weiß noch, wie Doktor Logovinskij mir unbemerkt vier Rubel zusteckte, während Asja ein Taxi bestellte... Man kann die Menschen in zwei Kategorien einteilen. Die, die fragen. Und die, die antworten. Die, die Fragen stellen. Und die, die zur Antwort gereizt und finster dreinschauen. Asjas Freunde stellten ihr keine Fragen. Ich dagegen machte nichts anderes: - Wo warst du? Wen hast du in der Metro gegrüßt? Woher hast du französisches Parfum?... Die Mehrheit der Menschen betrachtet diejenigen Probleme als unlösbar, deren Lösung ihnen nicht gefällt. Und sie stellen unablässig Fragen, obwohl sie wahre Antworten überhaupt nicht gebrauchen können... Kurz gesagt, ich benahm mich aufdringlich und dumm. Es stellten sich Schulden ein. Sie wuchsen in geometrischer Progression. Im November waren es schon 80 Rubel – damals eine unfassbare Summe. Ich erfuhr, was ein Pfandhaus ist, mit seinen Quittungen, Schlangen, der Atmosphäre von Trauer und Armut. Solange Asja bei mir war, dachte ich nicht daran. Sobald wir uns voneinander verabschiedeten, kamen die Gedanken an die Schulden. Wie eine Wolke. Ich wachte mit dem Gefühl der Not auf. Stundenlang konnte ich mich nicht zum Anziehen zwingen. Ich plante ernsthaft einen Überfall auf ein Juweliergeschäft. Ich stellte fest, dass jeder Gedanke eines verliebten Armen verbrecherisch ist. Zu dieser Zeit sanken meine akademischen Leistungen merklich ab. Asja war schon früher zurückgeblieben. Im Dekanat sprach man über unseren moralischen Charakter. Ich bemerkte – wenn ein Mensch verliebt ist und Schulden hat, dann redet man über seinen moralischen Charakter. Kurz gesagt: es war furchtbar. Einmal wanderte ich auf der Suche nach sechs Rubel durch die Stadt. Ich musste einen Wintermantel aus dem Pfandhaus erlösen. Und ich traf Fred Kolesnikov. Fred rauchte, die Ellbogen auf das Messinggeländer des Jelisejewgeschäfts gestützt. Ich wusste, dass er ein Schwarzhändler war. Asja hatte uns einander vorgestellt. Er war ein großer Kerl von 23 Jahren mit einer ungesunden Hautfarbe. Im Gespräch strich er sich nervös über die Haare. Ohne nachzudenken ging ich auf ihn zu: - Könnte ich bei Ihnen bis morgen sechs Rubel leihen? Wenn ich versuchte Geld zu leihen, bewahrte ich immer einen etwas ungenierten Ton, um es den Leuten leichter zu machen, mich abzuweisen. - Elementar, sagte Fred und holte eine kleine quadratische Brieftasche hervor. Ich ärgerte mich, dass ich nicht um mehr gebeten hatte. - Nehmen sie mehr, sagte Fred. Aber ich protestierte wie ein Idiot. Fred schaute mich neugierig an. - Lassen sie uns zusammen Mittag essen, sagte er. Ich möchte sie einladen. Er verhielt sich einfach und natürlich. Ich habe die, denen das gelang, immer beneidet. Wir gingen drei Straßen weiter bis zum Restaurant "Möwe". Der Saal war menschenleer. Die Kellner rauchten an einem Seitentisch. Die Fenster standen weit offen. Die Vorhänge wiegten sich im Wind. Wir beschlossen, uns hinten in die Ecke zu setzen. Plötzlich wurde Fred von einem Jüngling in einer silbrigen Dakron-Jacke aufgehalten. Es entspann sich ein ziemlich rätselhaftes Gespräch: - Ich grüße Sie. - Мeine Verehrung, antwortete Fred. - Wie geht's? - Kann nicht klagen. Der Jüngling hob enttäuscht die Augenbrauen: - Wirklich alles klar? - Absolut. - Aber ich habe Sie gebeten! - Tut mir sehr leid. - Darf ich noch hoffen? - Unbedingt. - Im Verlauf der Woche wäre gut. - Ich versuch's. - Wie sieht es mit einer Garantie aus? - Garantien kann es nicht geben. Aber ich bemühe mich. - Ein Markenprodukt? - Natürlich. - Also – rufen Sie an! - Unbedingt. - Haben sie meine Nummer noch? - Leider nicht. - Notieren Sie, bitte. - Mit Vergnügen. - Obwohl - darüber spricht man nicht am Telefon. - Stimmt. - Vielleicht kommen sie direkt mit der Ware vorbei? - Gerne. - Wissen sie noch die Adresse? - Ich fürchte nein... Und so weiter. Wir gingen in die hintere Ecke. Auf der Tischdecke zeichneten sich klar Bügeleisenlinien ab. Die Tischdecke war rau. Fred sagte: - Schauen sie sich diesen Fatzke an. Vor einem Jahr hat er Delbans mit Kreuz bestellt... Ich unterbrach ihn: - Was ist das, Delbans mit Kreuz? -Uhren, antworte Fred. Unwichtig...Ich habe ihm zehn Mal die Ware gebracht – er nimmt sie nicht. Denkt sich jedes Mal neue Ausreden aus. Also, er legt sich nicht fest. Ich wundere mich – was sind das für Geschichten? Und plötzlich verstehe ich, dass er meine Delbans mit Kreuz gar nicht kaufen will. Er will sich als Businessmann fühlen, der einen Posten Markenprodukte braucht. Er will mich immer wieder fragen: "Wie sieht's mit meiner Bestellung aus?" Die Kellnerin nahm unsere Bestellung auf. Wir rauchten und ich fragte: - Dafür können Sie sitzen, oder? Fred dachte nach und antwortete ruhig: - Das ist nicht ausgeschlossen. Man wird schon von den eigenen Leuten verraten, fügt er ohne Wut hinzu. - Vielleicht wäre es besser, aufzuhören? Fred schaute finster drein: - Ich habe mal als Spediteur gearbeitet. 90 Rubel im Monat... Er sprang plötzlich auf und rief aus: - Das ist eine abartige Zirkusnummer! - Knast ist nicht besser. - Und was soll ich tun? Ich hab keine Talente. Ich bin nicht bereit, mich für 90 Rubel krumm zu schuften...Gut, ich esse zwei Tausend Schnitzel im Leben. Trage 25 dunkelgraue Anzüge ab, blättere 700 Ausgaben des "Ogonjok" durch. Und das soll alles sein? Und dann verrecke ich, ohne einen Kratzer auf der Erdkruste hinterlassen zu haben? Lieber lebe ich nur eine Minute, aber wie ein Mensch! Sie brachten unser Essen und Getränke. Mein neuer Freund philosophierte weiter: - Vor unserer Geburt ist ein Abgrund. Nach unserem Tod auch. Unser Leben ist nur ein Sandkörnchen im gleichgültigen Ozean der Ewigkeit. Also sollten wir versuchen, zumindest den einen Moment nicht mit Trübsal und Langeweile zu verfinstern. Lasst uns versuchen, einen Kratzer auf der Erdkruste zu hinterlassen! Die Tretmühle sollen die Mittelmäßigen treten! Die vollbringen ohnehin keine Heldentaten. Noch nicht mal ein Verbrechen... Fast hätte ich Fred angeschrieen: "Ja wenn Sie Heldentaten vollbringen würden!" Aber ich hielt mich zurück. Immerhin trank ich auf seine Kosten. Wir saßen ungefähr eine Stunde im Restaurant. Dann sagte ich: - Ich muss gehen. Das Pfandhaus schließt. Da machte mir Fred einen Vorschlag: - Wollen Sie Partner werden? Ich arbeite vorsichtig, Valuta und Gold rühre ich nicht an. Sie regeln ihre Finanzangelegenheiten und dann können sie auch wieder abspringen. Kurz gesagt, schlagen sie ein... Jetzt trinken wir einen, morgen reden wir... Ich dachte, dass mich mein Kumpel belog. Aber Fred verspätete sich nur. Wir trafen uns am abgeschalteten Brunnen vor dem Hotel Astoria. Dann schlugen wir uns in die Büsche. Fred sagte: - In einer Minute kommen zwei Finninnen mit Ware. Nehmen Sie ein Taxi und fahren Sie mit ihnen zu dieser Adresse...Wir siezen uns, wie es scheint? - 'Du' ist in Ordnung, natürlich, was sollen die Zeremonien? - Nimm ein Auto und fahr zu dieser Adresse. Fred gab mir einen Zeitungsschnipsel und fuhr fort: - Dich erwartet Rymar. Du erkennst ihn leicht. Er hat eine idiotische Fresse und einen orangen Pullover. Ich komme in zehn Minuten. Alles wird OK sein! - Ich spreche aber kein Finnisch. - Unwichtig. Hauptsache – lächeln. Ich würde selber fahren, aber man kennt mich hier... Fred ergriff meine Hand: - Da sind sie! Los! Und er verschwand hinter den Büschen. Musik AUTOR Also meine Damen und Herren, nur zur Erinnerung – wir befinden uns im Leningrad der 60er Jahre, Leonid Breschnew regiert schon und für Schwarzhandel wird man mit Gefängnis bestraft – niemand anders als Rudik Fuks musste das am eigenen Leibe erfahren. Trotzdem machen diese Auseinandersetzungen zwischen dem idiotischen Staat und einer immer zahlreicheren, aufbegehrenden Jugend klar, dass von einem straff organisierten totalitären Regime zu dieser Zeit schon keinerlei Rede mehr sein kann. Die Sowjetunion jener Jahre ist ein taumelnder, dröger Gigant, der hin und wieder noch unsinnig um sich schlägt. Ganz offensichtlich ist sein Einschüchterungspotential aber nicht mehr annähernd groß genug, um junge Leute wie Fred Kolesnikow oder Rudik Fuks davon abzuhalten, ihren illegalen Geschäften nachzugehen. Wie es weitergeht mit den Finninnen, mit Kolesnikow und mit dem idiotischen Rymar, das erfahren sie in der zweiten Stunde der langen Nacht. Hier kann ich schon mal verraten, dass es sich bei der geheimnisvollen Ware nicht um Schallplatten handelt. Doch zurück zu Rudik Fuks und Arkadij Severnyj. Bevor Fuks und Severnyj den großen Durchbruch schafften, sollten nach den ersten Aufnahmen von 1963 noch fast zehn Jahre vergehen. Von 1965 bis 67 saß Fuks wie gesagt im Gefängnis, kurz darauf wurde Severnyj zum Wehrdienst einberufen. Erst 1972 kommen die beiden wieder für Aufnahmen in Fuks Wohnung auf der Ropshinsker Straße zusammen und diesmal schlägt Arkadij Severnyj ein wie eine Bombe. Als entscheidend für seinen phänomenalen Erfolg erweist sich der Umstand, dass außer Fuks nur ganz wenige überhaupt wissen, wer Arkadij Severnyj ist. O-Ton Rudik Fuks/SPRECHER Ich hatte einige Tonbandgeräte und hab darauf Kopien gemacht, die ich meinen Freunden gegeben habe. Und die haben es genauso gemacht, so ging es durch das ganze Land, sehr schnell. In Severnyjs Stimme war ein Geheimnis, so ähnlich wie beim jungen Vyssotskij. Ich hab viel darüber nachgedacht. Vyssotskij war ja ein junger Kerl, aber wenn du ihn singen hörtest, konntest du denken, dass da irgendein sibirischer Lagerhäftling singt….Bei Severnyj war das genau so. Seine Stimme war geheimnisvoll. Auch er hatte nicht die Stimme eines jungen Mann, er klang viel älter. Er hatte eine ganz ungewöhnliche Stimme und diese Stimme hat die Legende begründet. Die Leute wunderten sich einfach: was ist das für ein Kerl, woher kommt der? Sie wussten ja nicht, dass irgendjemand all diese Lieder für ihn schreibt. Dass er meine ganze Plattensammlung singt. Das war ja eine riesige Menge von Liedern, teilweise vorrevolutionäre Lieder, oder aus der NEP-Zeit. Also: woher kommt dieser Mensch, der all diese Lieder singt? AUTOR Zwischen 1972 und seinem frühen Tod im April 1980 nahm Arkadij Severnyj für Fuks und andere Produzenten mehr als 80 Konzerte mit insgesamt beinahe 1000 Liedern auf. Gaunerchansons aus Odessa, Gulag-Lieder aus Vorkuta und von der Kolyma, Lieder der Weißgardisten und vieles mehr. MUSIK Sämtliche Aufnahmen fanden in Privatwohnungen oder in für die Öffentlichkeit unzugänglichen Sälen statt, oft vor einem Publikum von nicht mehr als 20, manchmal vielleicht 50 Freunden und Bekannten. Das Entscheidende aber waren die Petersburger Sammler, die zu den von Fuks organisierten Konzerten mit ihren Tonbandgeräten anrückten. Für eine an Fuks zu entrichtende hohe Summe erwarben sie das Recht, die Konzerte aufzunehmen, zu vervielfältigen und in beliebiger Zahl zu verkaufen. Kneipen, Restaurants und Taxifahrer waren die Knotenpunkte im Vertriebsnetzwerk der Sammler. Severnyj selbst bekam in den 70er Jahren pro Konzert fünf oder sechshundert Rubel – ein Vielfaches des durchschnittlichen Monatsgehaltes jener Jahre und deutlicher Beweis für seine enorme Popularität. Doch der wachsende Erfolg hatte im Undergroundshowgeschäft der Sowjetunion in den 70ern oft genau dieselben Folgen, wie im Westen: falsche Freunde, falscher Lebensstil, Drogen, früher Tod… O-TON Fuks/SPRECHER Voice Over Dieses Bohemeleben hat ihn fertig gemacht. Er hat seine Familie verloren, die Arbeit. Er hatte ja die Forstwirtschaftliche Akademie absolviert und arbeitete im Holzexport. Die Arbeit hat er dann verloren und er musste von dem leben, was man ihm fürs Singen gab. Er hatte keinen anderen Ausweg. Darum musste er diesen Mist singen, den sie ihm unterschoben. Ich konnte nichts machen. Ich dachte darüber nach, ihn mit ins Ausland zu nehmen. Aber dafür hätte man eine fiktive Ehe organisieren müssen. Als ich dann etwas vorbereitet hatte, verschwand er für eine Weile, betrunken. …Ich wollte ihn mitnehmen, weil ich sah, dass er stirbt. Ich sah dass er trinkt und als Freund fürchtete ich um ihn. Genauso ist es ja dann auch gekommen. AUTOR 1979 emigrierte Rudik Fuks nach Amerika, von wo er erst 23 Jahre später heimkehren sollte. Ein paar Monate später, im April 1980 starb sein Freund Arkadij Severnyj im Alter von nur 40 Jahren. Und damit geht die erste Stunde der langen Nacht zu Ende. In der zweiten machen wir einen Sprung von Leningrad nach Moskau, um dort Severnyjs Kollegen Kostya Belyaev zu besuchen. Der erfreut sich zum Glück bester Gesundheit und wird in diesem Jahr 70. Zunächst aber erzählt Rudik Fuks noch eine absurde Geschichte über Severnyj und dann singt Severnyj selbst das passende Lied dazu. In Koloda Kart – heißt es sinngemäß: Das Leben ist ein Kartenspiel und wir sind nichts als armselige Sklaven… O-Ton FUKS/SPRECHER Voice Over Als ich emigrierte, gab ich die Aufnahmen von Severnyj mit Band einem Freund aus Afghanistan. Damals war dort alles gut, er studierte hier. Nach dem Studium wollte er wieder zurück nach Afghanistan. Er hatte zehn Kühlschränke gekauft, die er mitnehmen wollte. Na ja, in Kühlschränken ist ja Platz und mir gefiel diese Idee einfach: Ich durfte ja nichts mitnehmen. Also legte ich ihm einige Aufnahmen in die Kühlschränke, um sie später bei ihm in Afghanistan abzuholen. Als ich in Amerika ankam, fing der Krieg an und seit dem hab ich keinen Kontakt mehr mit ihm. Ich habe eine Adresse – er hatte einen Verwandten in New York, aber die Adresse die er mir gab stimmte nicht. Und so sind die ganzen Originalaufnahmen mit Arkadijs Stimme nach Afghanistan gegangen und was dort aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. MUSIK Arkadij Severnyj: Koloda Kart CD RDM 7091288 a/b Track 10 Länge 6:44 2. Stunde MUSIK Kostya Belyaev bei David Schenderowitsch. 30.5.1976 Intro Länge 4:30 Nach ca. 1:45 runtergehen, Musik bleibt im Hintergrund stehen AUTOR Es ist der 30. 5. 1976 und wir befinden uns inzwischen nicht mehr in Leningrad sondern in Moskau. Der Geschäftsmann und Bohemien David Grigorjewitsch Schenderowitsch hat Geburtstag und diesen Geburtstag lässt er ausgiebig feiern. Viele Freunde haben sich in seiner Wohnung eingefunden, der Tisch biegt sich unter Flaschen, Tellern und Schüsseln, die Gläser klingen. Man isst, man trinkt, man scherzt und - man singt. David Schenderowitsch ist zu dieser Zeit nicht nur ein bekannter Bonvivant, sondern wie Rudik Fuks in Leningrad auch Musikproduzent. Inoffiziell, natürlich. Zu seinem Geburtstag hat Schenderowitsch sich gewünscht, dass Moskaus heißester Sänger bei ihm auftritt. Der heißt Kostya Belyaev, ist 41 Jahre alt und liest dem Jubilar hier zur allgemeinen Erheiterung erstmal ordentlich die Leviten. Belyaev beschimpft seinen jüdischen Freund als gewissenlosen Geschäftemacher, Belyaev behauptet, Schenderowitsch traue weder seiner Frau noch seinem Hinterteil, habe für das Geld sogar den Sex aufgegeben und überhaupt vergessen, was das Leben schön macht. MUSIK wieder hoch AUTOR Und dann singt Belyaev dem Geburtstagskind Schenderowitsch 17 Lieder, die allesamt ausschließlich von eben den Dingen handeln, die das Leben schön machen. Wie sie schon gemerkt haben ist Belyaev allerdings kein sentimentaler Lügner, der alles rosarot sieht und seinen Freunden um den Bart geht. Darum gibt es in seinen Liedern nicht nur die Liebe sondern auch ihren Verlust, nicht nur guten, sondern auch sehr viel schlechten Sex. Dazu kommen Freundschaft, Alkohol und mehr als genug Scherze. An diesem 30. Mai 1976 ist Kostya Belyaev in absoluter Hochform. Seine Stimme klirrt erbarmungslos wenn nötig, dann wieder ist sie schmelzzart und friedlich. Belyaev flucht und zischt, er haucht und quietscht und zum Glück für die Nachwelt hat einer der glücklichen Gäste dieser Party ein Tonband eingeschaltet und das Ganze aufgezeichnet. Zum Glück deshalb, weil das resultierende Album zu den Meisterwerken des sowjetischen Undergrounds der 60er und 70er Jahre gehört. "Zu Gast bei Dosya Schenderowitsch" ist eine veritable Enzyklopädie des sowjetischen Lebens jener Jahre, wie sie kein Historiker je geschrieben hat. Sie werden nichts von dem, was sich hier offenbart, in irgendeinem Buch über die Sowjetunion finden. Belyaevs Album ist eine Bibel des guten Geschmacks, ein Lehrwerk für jeden angehenden Dandy, ein Dokument überbordender Lebensfreude. Ein zügelloser Humor durchzieht die Platte und paart sich aufs Wunderbarste mit den gröbsten Flüchen und Pöbeleien. Es gibt Scherzlieder von und über Juden, es gibt lyrische Liebeslieder, es gibt grobe Sexlieder und sogar ein lyrisches. Das wiederum handelt von einer Frau, die in ihrem Bett liegt und keine Leidenschaft mehr für ihren Mann aufbringen will oder kann. Umgekehrt gilt wohl dasselbe. Auf der anderen Seite der Wand erinnern leider die frisch verheirateten Nachbarn hörbar daran, wie schön es einmal war. Und dann kommt ein Refrain, den Belyaev mit fabelhaftem Schmelz in der Stimme singt, als ginge es um eine frisch aufgeblühte Blume nach dem langen Winter. Ot togo to, ot togo to – genau deswegen, wegen der Geräusche auf der anderen Seite – ismenit emu ochota – hat sie Lust ihn zu betrügen. MUSIK Belyaev – Sexualno-Liricheskaya Länge 3:40 AUTOR Der große Lacher im Publikum kommt übrigens, wenn Belyaev den Namen des deutschen Kommunisten Bebel auf Bumsen reimt, was im Russischen ganz wunderbar geht. Bebel – Jebel. Doch das nur nebenbei. Wichtig ist vor allem eines: Die Leute, die bei Schenderowitsch sitzen und Belyaev zuhören, die gehören keinem sektiererischen Zirkel von Musikspezialisten an, der sich an obskuren oder verbotenen Liedern berauscht, an Liedern, die sonst keiner kennt. Konstantin Belyaev singt an diesem Abend durchweg Stücke, die in der Sowjetunion der 70er Jahre so ziemlich jeder kennt, inklusive der Parteiführung. Nicht unbedingt jedes Lied, nicht unbedingt alle Strophen, oft ist auch unbekannt, wer der Autor ist. Aber die Lieder werden gehört und sie werden gesungen, quer durchs Land. Es handelt sich hier um etwas, was man wohl sowjetischen Folk nennen muss. Egal ob es sich um die Hymne auf den Alkohol handelt, die Belyaevs Freund Igor Erenburg geschrieben hat, um eins der vielen Odessaer Gaunerlieder oder um jenes lange Volkslied, das komplett aus Sexcouplets besteht und nahezu ausschließlich aus jenen vier Worten gemacht ist, auf denen die in der Öffentlichkeit verbotene russische Gossensprache Mat beruht. All das sind Hits in der Sowjetunion von Generalsekretär Leonid Breschnew. Anders steht es um den besten Interpreten dieser Lieder, um Kostya Belyaev. Seinen Namen kennen in Russland im Gegensatz zu Severnyjs nur wenige. Während sich um Severnyjs Person zahllose Legenden ranken, führen Belyaevs Lieder eine Existenz, die von ihrem Schöpfer weitgehend losgelöst ist. Viele seiner Lieder sind derart populär, dass man sie heute für Volkslieder hält. Zeit also zu erzählen, wer dieser Belyaev ist, der in diesem Herbst 70 wird und neben Fuks zu den letzten lebenden Dinosauriern einer ganzen Chanson-Ära gehört. Zunächst aber ein weiterer kurzer Ausschnitt aus David Schenderowitschs fröhlich-anarchistischer Geburtstagsparty. Wenn sie genau hinhören, können sie auch ohne Russischkenntnisse hören, wie Belyaev seinen Gastgeber immer wieder mit Namen anredet, als David Grigorjewitsch oder mit dem Kosenamen Dosya. Die Frage, die Belyaev seinem Freund passend zum Geburtstag stellt, lautet dabei immer gleich: Was, Dosya, was haben bloß die Weiber aus uns gemacht? MUSIK Belyaev – Do chego nas baby doveli? AUTOR Wer also ist dieser Kostya Belyaev? Nun, zunächst mal kann man sagen, dass der erste, äußere Eindruck täuscht. Der etwas korpulente, ältere Herr in Hausanzug, der mich da an der Tür seiner kleinen Neubauwohnung im Moskauer Stadtteil Kuptschino begrüßt, der sieht beim besten Willen nicht aus wie ein verwegener Undergroundchansonnier. Doch aus dem Wohnzimmer klingen schon Blat-Lieder herüber und so kann kein Zweifel bestehen. Vor mir steht Belyaev. Ein paar Tage später spielt Belyaev ein umjubeltes Konzert im Bohemeclub OGI, auf halbem Wege zwischen Kreml und Lubyanka gelegen, und wieder staune ich: Wie kann ein so freundlicher älterer Herr mit weißem Haar und großer Brille solche Lieder singen? Seine Biographie gibt Antworten. Belyaev wurde 1934 in Odessa geboren. Von dort stammt gewiss sein ätzender, in vielem jüdisch inspirierter Humor. Doch Belyaevs Jugend ist vor allem von Krieg und Armut geprägt. 1946 tritt er in ein militärisch geführtes Internat mit intensivem Englischunterricht ein. Hier werden zukünftige Diplomaten und Agenten ausgebildet, keine Dandys. Und doch lebt und lernt Belyaev hier, viele Jahre! 1955 geht er zum Studium nach Moskau, 1960 ist er ausgebildeter Dolmetscher und nimmt einen Job am Flughafen Scheremetjewo an. Kostya Belyaev ist endlich frei. O-Ton Belyaev/Voice Over Sprecher Das war Schichtarbeit – alle drei Tage eine 24 Stunden Schicht. Entsprechend hatte ich viel Zeit und begann Gitarre zu lernen. Ich wohnte damals im Wohnheim, kaufte mir eine Gitarre und begann bald Lieder zu schreiben. Von Anfang an liebte ich diese ans Gangstermilieu angelehnten Lieder, Straßenlieder, Scherzlieder. Odessaer Lieder. Ich habe nie Lieder offizieller sowjetischer Komponisten gesungen, mich zog es immer zu diesen Undergroundliedern. Man konnte damals Tonbänder kaufen, auf den Märkten. Da stand nicht drauf, wer der Autor ist oder wer singt – das war nicht wichtig. Damals war das nicht entscheidend. Wichtig war die Texte abzuschreiben, die Melodie zu lernen und die Lieder zu singen. Viele Lieder nahm ich von Arkascha Severnyj. Er war bekannt, seine Stimme war bekannt – das war …er begann ungefähr 1966/67. Ich hatte 1960 Gitarre spielen gelernt. Na ja, und vorher gab es auch schon viele Sänger auf Tonbändern, deren Lieder ich ins Repertoire nahm." AUTOR Belyaev bringt hier die Jahre ein bisschen durcheinander, aber im Prinzip stimmt die Sache mit Severnyj. Wie gut das illegale Vertriebsnetzwerk für Blat-Chansons in den 70er Jahren funktionierte, kann man daran sehen, wie schnell Stücke, die für Severnyj geschrieben wurden, im Repertoire von Belyaev auftauchten. Als nächstes singt der Odessit Belyaev hier ein gefälschtes Odessa-Chanson, das erst kurz zuvor für Severnyj geschrieben wurde. Der Autor war kein anderer als Rudik Fuks! "Vernulsya Taki v Odessu – Ich bin also nach Odessa zurückgekehrt". Odessa gilt in der russischen Kultur seit Gründung der Stadt Ende des 18. Jahrhunderts als Ort der Freiheit und Lebensfreude, in der nicht zuletzt viele berühmte Gangster lebten und arbeiteten. Klar, dass diese Stadt und ihre Bewohner in Dutzenden Chansons verherrlicht werden mussten. MUSIK: Vernulsya Taki V Odessu 2. Odessaer Konzert AUTOR Ab Mitte der 60er Jahre hat Belyaev sein Leben ideal organisiert. Offiziell arbeitet er ein paar Stunden pro Woche als Englischlehrer für diverse Universitäten. Das ist wichtig, denn Leuten ohne Anstellung droht eine Verurteilung wegen Schmarotzertums. Der spätere Nobelpreisträger Joseph Brodsky hat das 1964 erfahren müssen. Nebenher gibt Belyaev gut bezahlten Privatunterricht, mit dem sich Abiturienten auf die Aufnahmeprüfungen für die Uni vorbereiten. Und er singt. Mitte der 60er Jahre entstehen die ersten Aufnahmen und dann kommt allmählich seine ganz große Zeit: O-Ton Belyaev/Voice Over Sprecher Die 70er Jahre – das war mein Jahrzehnt, der Höhepunkt. Ich spielte ständig, wurde immerzu eingeladen. Es verging wirklich kein Wochenende, an dem ich nicht irgendwohin geholt worden wäre. Freitags, samstags, sonntags – jedes Wochenende. Allen hat es toll gefallen, aber ---- der größte Unterschied zwischen damals und heute ist ja, dass damals Geld keine Rolle spielte. …Heute ist Geld ja die Grundlage von allem, das Allerwichtigste, der Feuervogel. Alles wonach der Mensch strebt ist Geld und mehr Geld. Damals gab es das nicht. Ich weiß es noch von mir selbst und meinen vielen Freunden, die z.B. im Sommer nach Gurzuv fuhren, ans Südufer der Krim. Wir konnten immer in ein Cafe gehen und ein paar Bliny essen, mit Smetana, einen kleinen Kefir dazu, Tee. Alles. Darüber dachte man überhaupt nicht nach. Abends dann eine Flasche trockenen weißen Wein, das war billig, 2 Rubel 30 Kopeken. Im Süden trank man weißen Wein, ging tanzen, amüsierte sich. Keiner dachte an Geld, wo man noch mehr verdient. Und heute?" AUTOR Belyaev hat natürlich Recht, wenn er die sowjetischen 70er Jahre dem heutigen Russland mit seinen krassen Einkommensunterschieden und der weit verbreiteten Armut gegenüberstellt. Doch ganz so uninteressiert am lieben Geld, wie es hier klingt, waren die lieben Sowjetmenschen selbst in den friedlichen, unkommerziellen 70er Jahren nicht, am wenigsten Belyaev selber. Dafür floss wahrscheinlich einfach zu viel Odessaer Gauner- und Händlerblut in seinen Adern. Beweise für Belyaevs kommerzielle Unternehmungslust finden sich in seinen Liedern ebenso zahlreich wie in seiner Biografie. Aber eins nach dem anderen: Einer seiner größten Hits trägt den unverfänglichen Titel "Mein Freund der Student" und ist doch eine Gaunergeschichte ersten Ranges. Geschrieben hat das Stück Belyaevs Freund, der Dichter und Maler Igor Erenburg. Hören sie zunächst seine Version – danach erzähl ich, worum es in dem Lied geht und dann hören wir, was Belyaev aus dem Stück gemacht hat: Igor Erenburg Moj Prijatel Student Länge: 2:06 (nach 1:20 rausgehen) Igor Erenburg – Mein Freund der Student. Der ganze Zauber des durchgehend gereimten Textes entfaltet sich naturgemäß nur auf Russisch, aber auch eine schlichte Inhaltsangabe macht klar, welche Art von Humor Belyaev und Erenburg schätzen. Das Lied handelt von einem kleinen Ganoven, dessen Freund der Student Ausweise jener sowjetischen Behörde fälscht, die mit dem Kampf gegen Korruption und Diebstahl von Volkseigentum befasst ist. OBCHSS - Отдел борьбы с хищениями социалистической собственности. Ausgestattet mit diesem Ausweis begibt sich der lyrische Held schnurstracks zu einem der Manager des GUM. Das GUM ist das berühmteste Kaufhaus in ganz Russland und befindet sich direkt gegenüber vom Kreml. Der Manager hat furchtbare Angst vor einer Kontrolle, weil er seinen privilegierten Zugang zu seltenen Importwaren auf ungesetzliche Weise in bare Münze verwandelt und mit diesem Geld eine Datscha baut. So fällt es unserem Helden nicht schwer, einen schicken finnischen Anzug und andere modische Kleider zu erpressen. Als er dann in den feinen neuen Klamotten auf die Straße tritt, rennen die schönsten Moskauer Mädchen ihm mit offenen Mündern hinterher. MUSIK: Belyaev: Moj Prijatel Student. V Moskvu za Pokupkami Track 14 AUTOR Der Teufel liegt auch hier natürlich im Detail. Das Chanson entfaltet seine ganze anarchistische Wucht aus dem Umstand, dass sowohl der lyrische Held wie auch sein Opfer Ganoven sind. Der eine ist ein wenig charmanter als der andere, aber das sozialistische Eigentum ist beiden schnurz, genau wie der Mehrheit der sowjetischen Bevölkerung. Auf einer anderen Ebene wiederholt sich diese Doppelung und verleiht dem Lied zusätzliches Kolorit: der Manager im GUM ist genau wie der Autor des Liedes Erenburg Jude. Nicht umsonst liegt eine Wurzel der Gaunerchansons in der jüdisch dominierten Gangsterwelt des Odessa der Jahrhundertwende. Da man dort von jeher hohen Respekt vor Gaunern aller Art hatte, kommt es auch nicht überraschend, wenn das Stück mit einer Zeile endet, in der der lyrische Held dem Gaunermanager seinen Respekt zollt. Ganoven unter sich. Belyaev singt das Chanson mit größtem Vergnügen und sein Publikum ist damals wie heute begeistert. Die Sympathien von Sängern und Zuhörern liegen wie immer in Russland klar auf der Seite der Gesetzlosen, die solche Lieder schreiben, singen und inspirieren. Ein bisschen anders sah und sieht das leider mit den lieben Staatsorganen aus. O-Ton Belyaev/Voice Over Sprecher Es war ja so: jedes Jahr im Juli habe ich den Abiturienten noch Privatunterricht gegeben und im August bin ich immer in den Süden gefahren, nach Gurzuv, Koktebel – ans Südufer der Krim. Dort hab ich immer am Strand gespielt. Ich setz mich irgendwo hin, fange an zu spielen und sofort versammelt sich eine Riesenmenge von Zuhörern. Also singe ich meine berühmten Jüdischen Couplets, Vyssotskij-Lieder usw. Und für all das, für meine Lieder – hab ich dann bezahlt. Zuerst 1977 oder 78: Damals unterrichtete ich Englisch an der Außenhandelsakademie. Leider erkannte mich am Strand der Rektor der Akademie Vaganov. Als er mich später auf dem Gang in seiner Akademie sah, fragte er: "Was macht dieser junge Mann bei uns?" – "Er unterrichtet Englisch!" – da bestellt er den Fakultätsleiter und erklärt: "Bei uns kann niemand unterrichten, der am Strand antisowjetische und antisemitische Lieder singt!" So war das. Und man bat mich, meinen Abschied zu nehmen…Eine Festanstellung hab ich danach nie mehr bekommen." MUSIK Belyaev – Jüdische Couplets Legendy Blatnoy Pesni Track 8 AUTOR Was sie gerade hören, sind die von Belyaev gerade schon erwähnten Jüdischen Couplets, die ihn seinen Job gekostet haben. Die Couplets sind wahrscheinlich Belyaevs in ganz Russland berühmtes Werk. Verstehen kann man sie nur im historischen Kontext. Als Belyaev die Couplets schrieb, rollte gerade eine riesige Emigrationswelle an. Die sowjetische Regierung erlaubte ausreisewilligen Juden das Land zu verlassen und diese nutzten die Gelegenheit in großer Zahl. Seit 1970 verließen mehr als 1 Million Juden die Sowjetunion. Da Nicht-Juden diese Möglichkeit nicht hatten, war es zum ersten Mal seit langem ein klarer Vorteil, Jude zu sein. Die logische Folge: Überall im Lande durchforsteten Leute, die seit Jahrzehnten keinen Gedanken an ihre ethnische Zugehörigkeit verschwendet hatten, ihre Stammbäume nach Spuren einer jüdischen Abstammung. Das ganze Thema war quer durch die 70er aktuell, wurde heiß diskutiert und brachte eine riesige Menge von Witzen hervor. Deren Autoren waren übrigens wie im Falle von Erenburgs Gaunerlied über den Studenten fast immer selbst Juden. Und überall war der Einfluss des selbstironischen Humors der Odessaer Schule spürbar. MUSIK Belyaev – Jüdische Couplets Legendy Blatnoy Pesni Track 8 AUTOR In dieser Situation setzte sich Kostya Belyaev hin und schrieb seine jüdischen Couplets. In weit über 50 Strophen erfindet er immer neue absurde Situationen, Fakten und Kurz-Geschichten, die allesamt in der Behauptung gipfeln: Krugom odni Evrei. Überall nur Juden! Schon die schiere Menge der Strophen und die Absurdität der meisten Behauptungen machen klar, dass Belyaev sich hier über die irre Suche nach einer jüdischen Herkunft ebenso mokiert wie über den durchaus existierenden Antisemitismus, wie ihn exemplarisch der großrussisch-chauvinistische Dissident Igor Schafarewitsch vertrat. Und sicher waren Belyaev und seine Verehrer auch ein bisschen genervt darüber, sich immer wieder mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen. Den Vorwurf, seine Lieder seien antisemitisch weist er jedenfalls weit von sich: O-Ton Belyaev/ Voice Over - Sprecher Ich bin doch kein Antisemit, ich hab einen Haufen jüdische Freunde, überall rund um mich herum sind Juden. Das sind ja meistens sehr kluge Leute, scharfsinnig, mit einem guten Humor. Die wissen doch ganz genau, dass das Scherzlieder sind, nicht böse. Und sie schätzen das. Das hat mit Antisemitismus überhaupt nichts zu tun. Ich teile die Leute nicht nach der Nationalität ein, das ist doch selbstverständlich. Es geht um den Charakter, darum wie sie sich mir gegenüber verhalten, und vieles andere. Jedenfalls spielt die Nationalität keine Rolle. Ich hab auch tatarische Freunde, na und! Tschetschenen sind allerdings nicht in meiner Umgebung. (lacht) Aber Juden – massenhaft. Na und. Die schätzen meinen Humor und keiner war je beleidigt. Das sind doch keine boshaften Lieder gegen irgendwelche Leute. AUTOR Gleichzeitig weist Belyaev auf einen wichtigen Unterschied zwischen Russland und Deutschland hin, den man bei diesem nicht eben leichtem Thema unbedingt im Auge behalten muss. O-Ton Belyaev/ Voice Over - Sprecher Sehen sie, bei uns gibt es keine solche Verneigung vor den Juden – es war immer so und es ist auch heute so, dass man über seine jüdischen Freunde auch Witze machen darf, alles mit Humor, sozusagen. Es gibt da keinerlei Bosheit. Man muss da eine Art Wand einziehen. Das Eine ist die Politik, Stalins Politik – damals, besonders in seinen letzten Jahren ging es wirklich gegen die Juden. Auch in der Breschnewzeit gab es etwas. Aber im Volk, da gibt es das nicht. Vielleicht irgendwo in kleinen Städtchen und Siedlungen. Aber in einer Megapolis wie Petersburg oder Moskau, da gibt es das nicht, dass das Volk gegen die Juden wäre. Nein. AUTOR Egal ob Belyaev es sich hier vielleicht ein bisschen zu einfach macht, eins ist jedenfalls unbestreitbar: sein begeistertes Publikum bestand, wie z.B. auf David Schenderowitschs Geburtstag, immer zu großen Teilen aus Juden. Sein Repertoire, gerade das zu jüdischen Themen, stammte zu großen Teilen von jüdischen Autoren wie Igor Erenburg oder Rudik Fuks. Und zu guter letzt: selbst wenn Belyaevs Scherze nach deutschen Standards hier und da zu weit gehen oder auf unverantwortliche Weise mit antisemitischen Klischees spielen: Es ist eben ein riesiger Unterschied, ob solche Scherze in Moskau oder in Berlin gemacht werden. Scherze über Juden und ihre wirklichen oder angeblichen Eigenheiten waren und sind in Moskau Scherze über Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen, es sind Scherze über lebende Mitmenschen, denen man tagtäglich begegnet. In Deutschland sind es immer Scherze über 6 Millionen Tote. --- So, nun aber zum unglücklichsten Kapitel in Belyaevs Biographie und damit auch zum zweiten Teil von Sergej Dowlatows Erzählung "Finnische Strümpfe". In der ersten Stunde der langen Nacht hatten wir ja unsere jungen Schwarzhändler genau in dem Moment verlassen, als ihre finnischen Lieferanten mit der Ware eintrafen. Finnische Kleider spielten auch in Belyaevs Hit "Mein Freund der Student" eine Rolle. Bevor Kostya Belyaev aber gleich von seinen eigenen Erfahrungen in der Schattenwirtschaft erzählt, hören sie jetzt, wie es seinen jungen Schwarzhändlerkollegen in Leningrad weiter erging: LITERATUR/SPRECHER Sergej Dowlatow. Finnische Strümpfe Teil 2 Fürchterlich aufgeregt ging ich auf die beiden Frauen zu. Sie sahen wie Bäuerinnen aus, mit breiten gebräunten Gesichtern. Die Frauen trugen helle Mäntel, elegante Schuhe und grelle Kopftücher. Beide hielten Einkaufstaschen, die wie Fußbälle aufgeblasen waren. Wild gestikulierend führte ich sie schließlich zum Taxistand. Es gab keine Schlange. Ich wiederholte immer wieder: "Mister Fred, Mister Fred..." und berührte eine der Frauen am Ärmel. - Wo ist dieser Typ, erzürnte sie sich plötzlich. Wo ist er hin? Was hält er uns zum Narren? - Sie sprechen Russisch? - Мutter war Russin. Ich sagte: - Мister Fred kommt etwas später. Mister Fred hat mich gebeten, sie zu ihm nach Hause zu bringen. Ein Auto fuhr vor. Ich sagte die Adresse. Dann begann ich aus dem Fenster zu schauen. Ich hatte nicht gedacht, dass unter den Passanten so viele Milizionäre waren. Die Frauen sprachen Finnisch miteinander. Es war klar, dass sie unzufrieden waren. Dann lachten sie auf und mir wurde leichter ums Herz. Auf dem Bürgersteig erwartete mich ein Mann in einem feuerroten Pullover. Zwinkernd sagte er: - Was für Visagen! - Guck dich selbst an, erboste sich Ilona, die Jüngere der beiden. – Sie sprechen Russisch, sagte ich. - Ausgezeichnet, zeigte sich Rymar unbeeindruckt, wunderbar. Das bringt uns näher. Wie gefällt ihnen Leningrad? - Ganz gut, - antwortete Marja. - Waren sie in der Ermitage? - Noch nicht. Wo ist das? - Das ist da wo die Bilder sind, Souvenirs und so weiter. Früher wohnten da die Zaren. - Müssen wir uns ansehen, - sagte Ilona. - Sie waren nicht in der Ermitage! – jammerte Rymar. Er ging sogar etwas langsamer. Als widerte ihn die Freundschaft mit derart kulturlosen Frauen an. Wir gingen in die erste Etage. Rymar stieß eine Tür auf, die nicht verschlossen war. Überall türmte sich Geschirr. An den Wänden hingen Fotos. Auf dem Sofa lagen die grellen Cover ausländischer Schallplatten. Das Bett war nicht gemacht. Rymar machte Licht und räumte schnell auf. Dann fragte er: - Was ist die Ware? - Sag lieber, wo dein Kumpel mit dem Geld ist! In diesem Moment waren Schritte zu hören und Fred Kolesnikov erschien. In der Hand eine Zeitung, die er aus dem Briefkasten geholt hatte. Er schien ruhig und sogar gleichgültig. - Terwe – sagte er zu den Finninnen, - Guten Tag. Dann wandte er sich zu Rymar. - Sie sehen finster aus! Warst Du aufdringlich? - Ich?! - erregte sich Rymar. – Wir haben über das Schöne gesprochen. Übrigens, sie sprechen Russisch. - Wunderbar, sagte Fred, - Guten Abend, Frau Lenart, wie geht es, verehrte Ilona? - Es geht, danke. - Warum haben sie nicht gesagt, dass sie Russisch sprechen? - Uns hat keiner gefragt. - Zunächst müssen wir anstoßen, - erklärte Rymar. Er holte eine Flasche kubanischen Rum aus dem Schrank. Die Finninnen tranken mit Vergnügen. Rymar schenkte nach. Als die Gäste zur Toilette gingen, sagte Rymar - Die Finnen sehen alle gleich aus. - Vor allem wenn es Schwestern sind, erklärte Fred. - Hab ich mir gedacht... Übrigens, die Physiognomie dieser Frau Lenart flößt mir kein Vertrauen ein. Fred schnauzte ihn an: - Welche flößt dir denn Vertrauen ein? Die des Staatsanwalts? Die Finninnen kamen schnell zurück. Fred gab ihnen ein frisches Handtuch. Sie hoben die Weingläser und lächelten – das zweite Mal an diesem Tag. Ihre Taschen hielten sie auf den Knien. - Hurra, - sagte Rymar, - Auf den Sieg über Deutschland! Wir tranken und die Finninnen auch. Auf dem Fußboden stand ein Plattenspieler und Fred schaltete ihn mit dem Fuß an. Die schwarze Platte eierte leicht. - Ihr Lieblingsschriftsteller? – nervte Rymar die Finninnen. Die Frauen beratschlagten. Dann sagte Ilona: - Vielleicht - Karjalainen. Rymar lächelte herablassend und gab damit zu verstehen, dass er die genannte Kandidatur gut hieß, selbst aber Höheres im Sinn hatte. - Verstehe, sagte er, - und was ist die Ware? - Strümpfe, - antwortete Marja. - Sonst nichts? - Was hättest du denn gerne gehabt? - Wieviel? – interessierte sich Fred. - 432 Rubel, - stieß die jüngere hervor, Ilona. - Mein Gott! – rief Rymar. – Das ist ja der reinste Raubtierkapitalismus! - Mich interessiert, wie viel Paare es sind, – schob Fred ihn beiseite. - 720. - Krep-Nylon? – warf Rymar fordernd ein. - Synthetik, antwortete Ilona, 60 Kopeken das Paar. Macht 432 Rubel... Hier muss ich eine kurze mathematische Berechnung anstellen. Krepp-Strümpfe waren damals in Mode. Die sowjetische Industrie stellte sie nicht her. Man konnte sie nur auf dem Schwarzmarkt kaufen. Ein Paar finnischer Strümpfe kostete 6 Rubel. Die Finninnen verkauften sie für 60 Kopeken. 900% reiner Gewinn... Fred zog sein Portemonnaie und zählte das Geld ab. - Hier, sagt er, noch 20 Rubel. Sie können die Ware direkt in den Taschen lassen. - Darauf müssen wir trinken, - warf Rymar ein, - Auf die friedliche Regelung der Suezkrise! Auf den Anschluss von Elsaß-Lothringen! Ilona nahm das Geld in die linke Hand und nahm das bis zum Rand gefüllt Glas. - Lasst uns diese Finninnen bumsen, flüsterte Rymar, im Dienste der internationalen Verständigung. Fred drehte sich zu mir: - Siehst du mit was für Leuten ich es zu tun habe? Ich war unruhig und ängstlich. Ich wollte so schnell wie möglich weg. – Ihr Lieblingskünstler? – fragte Rymar Ilona. Dabei legte er ihr die Hand auf den Rücken. - Vielleicht, Maaptere, - sagte Ilona, und rückte weg. Rymar hob vorwurfsvoll die Augenbrauen. Sein ästhetisches Empfinden war offenbar leicht verletzt. Fred sagte: - Wir müssen die Damen hinausbegleiten und dem Fahrer sieben Rubel geben. Ich würde Rymar schicken, aber er wird einen Teil des Geldes kassieren. - Ich?! – erboste sich Rymar. – Mit meiner kristallnen Ehrlichkeit?! Als ich zurückkam, lagen überall bunte Zellophanpäckchen. Rymar wirkte etwas durchgedreht. - Piaster, Kronen, Dollars, - behauptete er, - Franken, Yen,... Dann beruhigte er sich plötzlich und holte sein Notizbuch und einen Filzstift hervor. Er zählte und sagte dann: - Genau 720 Paar. Die Finnen sind ein ehrliches Volk. Das ist was man einen schwach entwickelten Staat nennt. - Mal drei, - sagte ihm Fred. - Wie – mal drei? - Wenn wir die Strümpfe en gros verkaufen, gehen sie für drei Rubel. Macht anderthalb Tausend und ein paar extra Fettaugen. Rymar hatte schnell die genaue Zahl: - 1728 Rubel. Der Irrsinn verband sich bei ihm mit Pragmatismus. - 500 und ein bisschen für jeden, ergänzte Fred. Und Rymar verbesserte erneut: - 576. MUSIK Belyaev – Mne by Volju Ja ljubil tebya is daleka Track 20 AUTOR Auch Kostya Belyaev hat sich viele Jahre lang erfolgreich in der Schattenwirtschaft betätigt. Auf Konzerten erzählt er gern Geschichten darüber, wie er gemeinsam mit Freund Erenburg nach Odessa reiste, um dort begehrte Moskauer Kleider zu verkaufen. Gleichzeitig sangen und schrieben beide wunderbare Satiren auf die Schwarzhändler und ihren schnöden Materialismus, wie das gerade gehörte "Mne by Volju", in dem es heißt: Ich will nur Freiheit und Luft zum Atmen, ich brauch kein Himmelsmanna, mir reicht 'ne Badewanne, dazu vielleicht 'ne Scheibe Brot und ein Mercedes in rot. Widersprüche machen das Leben eben einfach spannender. Seit Ende der 70er verdiente Belyaev viel Geld, in dem er seine stetig wachsende Schallplattensammlung gegen Gebühr auf Kassetten überspielte. 1983 wurde er auf Grund eines dummen Zufalls verhaftet und es stellte sich heraus, dass seine Kunden aus der gesamten Sowjetunion kamen. O-Ton Belyaev/Voice Over/Sprecher Leider fanden sie bei mir 10 oder 15 Briefumschläge mit den Adressen von meinen Kunden, denen ich Musik aufnahm: meine eigenen Sachen, aber auch Rockplatten. Also haben sie mich verhaftet und erstmal alles mitgenommen…Ich hatte ja keine eigene Wohnung sondern wohnte zur Miete. Also haben sie die Vermieterin gerufen und alles eingesackt: die Tonbänder, die Platten, die Anlage. Mich haben sie ins Gefängnis geworfen und die Untersuchung begann. Zuerst haben sie Leute zu all den Adressen geschickt, die auf den Umschlägen standen. Denen haben sie dann gedroht: wenn sie nicht gestehen, werden wir sie verhaften!" und dann haben die gesagt: "Ja, Belyaev nimmt Kassetten auf für mich, fünf Tonbänder. Der nächste sagte: 7 Tonbänder, der dritte zehn. Und so weiter." AUTOR Belyaev verbringt ein Jahr in den Moskauer Gefängnissen "Butyrka", "Matrosskaya Tishina", "Krasnoprenenskaya" und "Vologorskaya" während die Untersuchung gegen ihn läuft. Dann wird er zu vier Jahren Lager verurteilt. Nicht wegen seiner Lieder, nicht wegen staatsfeindlicher Witze, sondern wegen Spekulantentum. Und damit war seine Karriere als Sänger beendet, wie es schien. Als Belyaev 1987 nach Moskau zurückkehrt, hat die Perestroika begonnen. Jetzt ist erstmal westliche Popkultur gefragt, vor allem aber muss Geld verdient werden. Belyaev, zu dieser Zeit immerhin schon Mitte 50, arbeitet als Parkwächter und als Erzieher in einem Waisenheim, handelt eine Weile mit Kühlschränken und Videorecordern und bereitet sich wohl schon auf eine bescheidene Rentnerexistenz vor. Dann aber beginnt in den späten 90ern, wie aus dem Nichts, eine Renaissance des Russischen Chansons und der Blat-Lieder. Die Alten Helden sind plötzlich wieder gefragt, Belyaev spielt mit über 60 zum ersten Mal Konzerte in öffentlichen Clubs und Konzertsälen und eine neue Generation von Sängern und Autoren macht sich daran, dass Genre ins 21. Jahrhundert zu befördern. Von all dem handelt die dritte Stunde der langen Nacht, in der es natürlich auch die Auflösung zu den Finnischen Strümpfen gibt. Jetzt aber noch einmal Belyaev mit einer Aufnahme aus dem Jahr 2002. Der Meister singt hier einen Klassiker des Lager-Chansons, das Lied vom Schnellzug zwischen Leningrad und der Gulag-Stadt Vorkuta. An der Stelle, wo Belyaev sein Publikum zum Mitsingen auffordert, heißt es entsprechend: "Und jetzt bitte die ganze Baracke!" MUSIK Kostya Belyaev - Po Tundre –VOLKSLIED Legendy Blatnoy Pesni – (track 11) 3. Stunde Neue Chansons fürs 21. Jahrhundert Musik Sergej Schnurow – Kak Zhit' Autor Willkommen zurück zur langen Nacht! Unversehens sind wir aus den 70er Jahren des 20. ins frühe 21. Jahrhundert geraten. In der nun schon wieder letzten Stunde soll die Geschichte gerundet werden, die ich ihnen bislang erzählt habe. Wir wollen sehen, was aus den alten Helden Belyaev und Fuks geworden ist, wie es ihnen heute ergeht. Vor allem aber soll es um eine neue, junge Generation von Chansonniers gehen, die das reiche Erbe der Alten pflegt und behutsam modernisiert. Den berühmtesten dieser neuen jungen Männer haben sie gerade gehört. Sein Name: Sergej Schnurow. In seinem Stück "Kak Zhit" – "Wie man leben soll" hat Schnurov gerade auf unnachahmliche Weise gezeigt, wie das alte Blat-Chanson auch im 21. Jahrhundert glänzen kann. Worauf es ankommt, hat er mir im Interview erzählt – einige Ausschnitte daraus folgen später. Nach einer weiteren Musik soll aber erstmal aufgelöst werden, was aus unseren Leningrader Farzovchiki geworden ist, aus den verwegenen jugendlichen Schwarzhändlern und dem großen Geschäft mit den finnischen Strümpfen! Zunächst also kommt hier einer von Schnurows Kollegen, der Moskauer Liedermacher und Schausteller Psoy Korolenko mit einer Hymne auf den Newskij Prospekt, Petersburgs Prachtmeile. MUSIK: Psoy Korolenko: Newskij Prospekt AUTOR Psoy Korolenko besingt hier den Newskij so, wie es schon Gogol in seiner berühmten Erzählung getan hat: als Trugbild, als einen Ort, an dem man sich nie sicher sein kann, ob das, was man sieht, auch einen Grund hat in der wirklich Welt. Ein Ort, an dem sich nicht zuletzt die schönsten Mädchen als Prostituierte und die freundlichsten Herren als Diebe erweisen. Ein Ort, der für Korolenko klar beweist, dass die ganze Welt nichts anderes ist, als ein großes Bordell. Wie dem auch sei, in den 70er Jahren, zu Arkadijs Severnyjs und Rudik Fuks' Hochzeit, hatten auf dem Newskij so ziemlich alle Gruppen der zweiten Kultur ihre Treffpunkte. Vom Underground sprach damals in Russland noch niemand – das Wort wurde erst in den späten 80er Jahren populär. Neben den Chansonniers, die mir in dieser langen Nacht so sehr am Herzen liegen, gehörten zu dieser zweiten sowjetischen Kultur die Schwulen der Stadt ebenso wie die Künstler, Dichter und Rockmusiker, die sich im Cafe Saigon trafen. Und natürlich auch die Schwarzhändler. Erinnern sie sich noch? In der ersten Stunde nahm der finnische Strumpfhandel seinen Anfang genau hier: vor dem berühmten Jelisejew-Geschäft auf dem Newskij, nur ein paar Schritte vom Winterpalast entfernt. In der zweiten Stunde haben wir Fred Kolesnikov, den impertinenten Rymar und die beiden charmanten Finninen verlassen, kurz nach dem das Geschäft mit den Strümpfen über die Bühne gegangen ist. Hören sie nun, wie die Sache ausging! LITERATUR. SPRECHER Sergej Dowlatow: Finnische Strümpfe Teil 3 Später ging ich mit Fred in einen Grillimbiss. Das Wachstuch auf dem Tisch war klebrig. Rund um uns war ein fettiger Nebel. Die Menschen schwammen an uns vorbei, wie Fische im Aquarium. Fred sah zerstreut und finster aus. Ich sagte: - So viel Geld in 5 Minuten! Irgendwas musste ich schließlich sagen. - Ganz egal, sagte Fred, - trotzdem musst du 40 Minuten warten, bis sie dir deine Tschebureki mit Margarine bringen. Da fragte ich: - Wofür brauchst du mich? - Ich vertraue Rymar nicht. Nicht weil er vielleicht einen Kunden bestiehlt. Auch wenn das nicht ausgeschlossen ist. Auch nicht deshalb, weil Rymar einem Kunden anstelle von Geld alte Obligationen andrehen könnte. Auch nicht weil er dazu neigt, die Kunden anzufassen. Sondern weil Rymar ein Trottel ist. Und was bringt den Trottel zur Strecke? Die Leidenschaft für das Schöne. Rymar zieht es zum Schönen. Entgegen seiner historischen Bestimmung will Rymar ein japanisches Transistorradio. Rymar geht in einen Berjoska-Laden und streckt dem Verkäufer 40$ Dollar entgegen. Mit seiner Fresse! In jedem normalen Lebensmittelladen weiß die Verkäuferin, dass der Rubel gestohlen ist, den Rymar ihr hinstreckt. Aber hier – 40$! Verletzung der Valutabestimmungen. Das ist ein Paragraph im Strafgesetzbuch...Früher oder später fährt er ein. - Und was ist mit mir? – frage ich. - Du nicht. Du bekommst andere Unannehmlichkeiten. Ich habe nicht weiter gefragt welche. Als wir uns trennten sagte Fred: - Am Donnerstag bekommst du deinen Anteil. Ich fuhr in einem unklaren Zustand nach Hause. Unruhe und Eifer mischten sich in mir. Irre Summen üben wahrscheinlich irgendeine gemeine Macht aus. Asja erzählte ich nichts von meinem Abenteuer. Ich wollte sie erstaunen. Mich überraschend in einen reichen und schwungvollen Menschen verwandeln. Inzwischen lief die Sache mit ihr immer schlechter. Ich stellte ihr unablässig Fragen. Sogar wenn ich Bekannte schlecht machte, tat ich es als Frage: - Findest du nicht auch, dass Arik Schulmann einfach doof ist? Ich wollte Schulmann in Asjas Augen kompromittieren und erreichte natürlich das Gegenteil. Vorgreifend kann ich sagen, dass wir uns im Herbst trennten. Ein Mensch, der immerzu fragt muss früher oder später lernen zu antworten... Donnerstag rief Fred an: - Katastrophe! - Was ist los? Ich dachte Rymar sei verhaftet. - Schlimmer, sagte Fred. Geh in den nächsten Kurzwarenladen. - Warum? - Alle Geschäfte sind voll mit Strümpfen. Mit sowjetischen, für 80 Kopeken das Paar. Die Qualität ist nicht schlechter als bei den finnischen. Dieselbe synthetische Scheiße. - Was machen wir? - Nichts. Was soll man schon tun? Wer hätte denn eine solche Niedertracht von der sozialistischen Wirtschaft erwartet? Wem soll ich jetzt finnische Strümpfe verkaufen? Selbst für einen Rubel nimmt sie keiner. Ich kenn doch unsere beschissene Industrie. Erst rührt sich 20 Jahre nichts und dann – Zack! Und alle Geschäfte sind voll mit irgendwelchem Quatsch. Wenn sie das Zeug jetzt am Fließband produzieren, dann war's das. Eine Million Paar in der Sekunde werden sie... Am Ende teilten wir die Strümpfe. Jeder von uns nahm 240 Paar. 240 Paar identischer erbsenfarbener Strümpfe. Der einzige Trost: Die Marke "Made in Finnland". Dann passierte verschiedenes. Die Operation mit den Bologna-Mänteln. Der Verkauf von sechs deutschen Stereoanlagen. Eine Prügelei im Hotel Kosmos wegen einer Kiste amerikanischer Zigaretten. Die Flucht vor der Polizei mit einer Ladung japanischer Fotoausrüstung. Und vieles mehr. Ich bezahlte meine Schulden. Kaufte mir gute Klamotten. Wechselt auf eine andere Fakultät. Lernte ein Mädchen kennen, dass ich später heiratete. Ich fuhr für einen Monat ins Baltikum, als sie Rymar und Fred verhafteten. Erste schüchterne literarische Versuche. Ich wurde Vater. Brachte es zu einer Konfrontation mit der Macht. Verlor die Arbeit. Saß einen Monat im Kaljaewsker Gefängnis. Nur eins änderte sich nie. 20 Jahre lang stolzierte ich in erbsenfarbenen Strümpfen herum. Ich schenkte sie allen Bekannten. Bewahrte Weihnachtsgeschenke in ihnen auf. Wischte Staub mit ihnen und verstopfte Ritzen in den Fensterrahmen. Und trotzdem wurde der Mist einfach nie weniger. So bin ich dann auch emigriert – ich hinterließ in der leeren Wohnung eine Ladung finnischer Strümpfe. In den Koffer steckte ich nur drei Paar. Sie erinnerten mich an meine kriminelle Jugend, die erste Liebe und alte Freunde. Fred saß zwei Jahre und kam dann bei einem Motorradumfall auf einer CZ um. Rymar saß ein Jahr und arbeitet jetzt als Dispatcher in einem Fleischkombinat. Asja emigrierte wohlbehalten und unterrichtet Lexikologie in Stanford. Was die amerikanische Wissenschaft auf seltsame Weise charakterisiert. MUSIK Alexej Kortnew - Murka AUTOR Murka – auf Englisch! Erinnern sie sich noch, in der ersten Stunde habe ich ihnen diesen Klassiker des Gaunerchansons in einer Version von Arkadij Severnyj vorgespielt. Zwischen Severnyjs Aufnahme und dieser von Alexej Kortnew liegen 25 Jahre und ein gesellschaftliches System. Das Petersburg von Alexey Kortnew, das Petersburg des Jahres 2004 ist ein sehr anderer Ort als das Leningrad von Arkadij Severnyj, Fred Kolesnikow und Asja der zukünftigen Lexikographin. Wenn auch gewiss nicht alles gut ist in diesem neuen Petersburg, so kann man doch mit Gewissheit sagen, dass kein Mangel mehr an Strümpfen herrscht. Die Schwarzhändler vom Newskij-Prospekt sind verschwunden und für Spekulantentum wird niemand mehr hinter Gitter gebracht. Jedenfalls solange man wenigstens so tut als bezahle man seine Steuern. Die Bücher von Sergej Dowlatow, von dem die Erzählung "Finnische Strümpfe" stammt, kann man heute in jeder Buchhandlung der Stadt kaufen. Dowlatow allerdings hat das nicht mehr erlebt – er starb 1990 in New York und gilt heute in Russland als moderner Klassiker. Auch im Musikgeschäft hat sich einiges getan seit den großen Tagen von Rudik Fuks, Arkadij Severnyj und Kostya Belyaev. Ab Anfang der 90er Jahre entstand in Russland eine an westlichen Vorbildern orientierte Unterhaltungsindustrie - komplett mit MTV, Boygroups und allem, was auch überall sonst auf der Welt nervt. Auf der anderen Seite steht das Ende aller Verbote und der Zensur. An deren Stelle regulierte fortan das totale Diktat des Geldes den Markt und führte zunächst zum Zusammenbruch nahezu jeder Art von anspruchsvoller Kunst vor dem Ansturm der westlichen Popkultur. Das betraf das Kino genauso wie das Theater, die bildende Kunst oder die Musik. Seit ein paar Jahren schwingt das Pendel nun wieder zurück. Das russische Kino erlebt gerade einen erstaunlichen Aufschwung, die Theater sind voll und auch in der populären Musik ist deutlich zu spüren, dass sich etwas verändert. Natürlich wird in Russland nach wie vor auch westliche Musik gehört. Doch daneben gibt es heute zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder interessante russische Popmusik. Und wie's der Teufel will haben wir es dabei nicht zuletzt mit einer veritablen Renaissance jener alten Lieder zu tun, mit denen ich sie heute Nacht schon seit über zwei Stunden traktiere. MUSIK: Georgij Osipov: Tvoya Fotografia. Track 1/Intro VOICEOVER/SPRECHER 1/Osipov Die vorliegende Aufnahme wurde am 17. März 1975 in der Slobodka gemacht und ist für die persönliche Phonothek von Sergey Vasilievich Urzhenko bestimmt. Es begrüßt sie das Ensemble der Rostower Philharmonie "Die Eltern der Jungen". MUSIK Wieder hochziehen… AUTOR Verwirrung, Staunen, Unglauben. Im Herbst 2001 tauchte eine seltsame CD an russischen Musikkiosken auf. Weder Titel noch Cover entsprachen den gängigen Stilen der postsowjetischen Popindustrie und die Musik selbst, die tat das schon gar nicht. MUSIK hochziehen AUTOR Das Cover von "Noch einmal über den Teufel" – denn genau so heißt die seltsame Scheibe, das Cover zeigt einen goldenen, vom Höllenfeuer angeleuchteten Teufel, der drauf und dran ist, einem liegenden Mann ein Getränk einzuflößen. Keine Milch, so darf man annehmen. Wer der liegende Mann ist, ist nicht zu erkennen, aber die Haarpracht erinnert an den Dichter Puschkin. Im Untertitel trägt die teuflische CD den Titel: "Das Beste der Sowjetischen Restaurantmusik 1975-76". Sah man sich auf dem Cover der CD weiter um, so lichtete sich die Verwirrung allmählich. Die auf der Rückseite abgebildeten Musiker wirkten durchaus zeitgemäß und der Künstlername des groß gewachsenen schönen Mannes in der Mitte sagte zumindest vielen Moskauer Käufern Einiges. Graf Hortiza. Das war doch der Bursche, der seit zwei, drei Jahren auf Radio 101 diese verrückte Musiksendung namens "Transsilvanien beunruhigt" veranstaltete, oder etwa nicht? MUSIK AUTOR Um wen es sich bei diesem Teufel handelte, von dem Graf Hortizas hier sang, war schwerer zu beantworten. Klar war nur, dass es um alte Chansons ging, Lieder aus den 60er und 70er Jahren vor allem, die in der Sowjetunion gesungen wurden, während Generalsekretär Breschnew das Land immer tiefer in die Stagnation führte. Lieder, die jeder kannte, ohne dass sie im Radio gespielt oder auf Schallplatten gepresst worden wären. Lieder die auch zehn Jahre nach dem Ende der Sowjetunion nicht vergessen waren. Nach wie vor liebt das Volk diese anarchischen Chansons, nach wie vor fürchtet der russische Beamte sie wie der Teufel das Weihwasser. Der Regimewechsel im Lande hat daran nur eines geändert: ihre Veröffentlichung auf CDs und Auftritte in Clubs sind derzeit nicht verboten. Aber auch das birgt Probleme, wie Graf Hortiza, der im wahren Leben Garik Osipov heißt, erzählt: VOICEOVER/SPRECHER 1/Osipov "Heute ist es eine schwierige Sache mit diesem Genre, mit diesen Chansons. Man kann damit viel Geld verdienen, aber das alles hat nichts mehr zu tun mit dem, was Severnyj, Belyaev oder auch Aleksandr Shabalovskij gemacht haben. Ich vergleiche das mit dem Unterschied zwischen dem Motown Soul der 60er – Otis Reading und Aretha Franklin - und dem Gangster-Rap von heute. Das sind völlig verschiedene Dinge. Das sind doch heute alles reiche Zombies, an denen noch mehr Gold rumhängt, als damals in den 70er an unseren Buffetdamen, die Alla Pugatchova verehrten und mit geschmuggelten Zigaretten dealten." AUTOR Die Kommerzialisierung des Chansons begann übrigens nicht erst in den 90er Jahren. Schon seit Ende der 70er Jahre stießen die Undergroundproduzenten in Leningrad und Moskau immer neue Aufnahmen in immer kürzerer Zeit aus, um die wachsende Nachfrage des Marktes zu bedienen. Die Qualität sank entsprechend und schon bald waren die Diamanten des Genres in einem Meer aus mittelmäßigem Plunder verschwunden. Talentfreie Lohnschreiber hauten die Texte nach Schema F zusammen und als die Keyboards aufkamen, ging auch die Kunst des richtigen Arrangements und der Instrumentierung verloren. In den 90ern erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt. Die Wiedergeburt des klassischen russischen Chansons, für die Graf Hortizas Platte ein herausragendes Beispiel ist, hat daher zwei Aspekte: Auf der einen Seite steht der Versuch, neue Chansons von hoher Qualität zu schreiben und zu singen, auf der anderen die Bewahrung und neuerliche Popularisierung des Werks der alten Meister. Es versteht sich daher auch von selbst, dass sich in Osipovs Repertoire Lieder finden, die seit den 60er Jahren zu Belyaevs Standards gehörten. Hören sie hier, was Osipov mit seiner Band Sapreshennye Barabanchiki aus Igor Erenburgs Klassiker über den geschickten Studenten gemacht hat, der die hilfreichen Ausweise der OBCHSS fälscht! Sie wissen schon: vergeblicher Kampf gegen Korruption und Diebstahl von Volkseigentum. MUSIK: Osipov - Moj Prijatel Student AUTOR Das Stück beginnt hier übrigens mit einer Widmung an den Autor Erenburg und einer Verbeugung vor Kostya Belyaev – dem besten Interpreten des Stückes. Garik Osipov ist derzeit wohl der umtriebigste und auch erfolgreichste Propagandist in Sachen russisches Chanson. Und das in vielerlei Form: Osipov wurde wie gesagt Ende der 90er in Moskau zunächst als Radiomoderator berühmt. Die erst kürzlich eingestellte Show "Transsilvanien beunruhigt" auf Radio 101 gehörte zum Umwerfendsten, was ich jemals im Radio gehört habe, nicht nur in Russland. Fester Bestandteil seiner Sendungen waren über Jahre hinweg die Chansons von Belyaev, Erenburg, Severnyj und vielen anderen Helden der 60er und 70er Jahre. Doch damit nicht genug. Zusätzlich propagierte Osipov das Werk der verehrten Helden in überschwänglichen Essays und Büchern. 2001 nahm er dann schließlich die schon erwähnte Platte über den Teufel auf und begann Konzerte zu spielen. Allein, aber auch zusammen mit Belyaev. Der Meister und sein wohl ergebenster Jünger lernten sich Mitte der 90er kennen und schätzen. Ort der Konzerte sind meist die Bohemeclubs OGI und PIROGI im Zentrum Moskaus. Hier versammelt sich in riesigen Kellergewölben die progressive Jugend der Stadt zum Essen, zum Trinken, zu Lesungen und zu Konzerten. Zudem verfügt jeder der stets gut gefüllten Clubs über eine hervorragend sortierte Buchhandlung. Wer nach Moskau fährt, sollte unbedingt einen Besuch in einem der Clubs einplanen. Zwischen 2001 und 2003 betrieb Osipov mit einigen Freunden auch einen eigenen Club. Dieser hieß Morrisville und sein Programm war ganz und gar der Pflege der sowjetischen Kultur gewidmet – in einer sowjetischen Einrichtung wurden sowjetische Gerichte serviert und abends traten natürlich sowjetische Sänger und Sängerinnen auf. Undergroundsänger wie Belyaev ebenso wie ausgeblichene Diven der sowjetischen Unterhaltungsindustrie. Hören sie hier Osipovs wie üblich mehr als überschwängliche Ansage zu einem Konzert Belyaevs im Morrisville am dritten Mai 2002: O-Ton OSIPOV/VOICE OVER/SPRECHER An unseren heutigen Gast, den Veteranen des Hasard-Liedes, Konstantin Nikolajewitsch Belyaev: Es ist heute nicht ganz so voll wie normalerweise auf Kostyas Konzerten, mich aber erinnert diese Atmosphäre genau an jene Zeiten, am Ende der heiß geliebten 70er und frühen 80er Jahre, als man sich auf der Suche nach einem Wunder, auf der Suche nach etwas ungewöhnlich Spannendem, plötzlich in einem kleinen, nicht besonders vollen Restaurant wieder finden konnte, an einem normalen Arbeitstag, um dort etwas völlig Unerwartetes zu hören. Sachen, die man normalerweise auf Tonbändern hörte oder in den Piratenradiosendungen am Strand auf einem Transistorradio. Diese Atmosphäre ist heute vielleicht die magischste und teuerste. Umso mehr weil Konstantin Nikolajewitsch Lieder zu vielen Texten des von uns allen heiß geliebten Dandy-Dichters, des Häretikers, des Meisters des treffenden Wortes Igor Erenburg geschrieben hat, die wie ich hoffe auch heute erklingen werden. Lasst uns versuchen, Abstand zu nehmen von den großen Stadion-Emotionen, heute geht es um einen Abend unter uns. Ich jedenfalls kann mich nicht des Gefühls erwehren ein Wunder zu erleben, wenn ich hereinkomme, mein Jacket an der Garderobe abgebe, mich hinsetze, eine Karaffe Wodka bestelle und dann beginnt auf der Bühne etwas derart Erstaunliches. Es erscheint ein wahrer Magier, ein wirkliches Monster: Kostya Belyaev. Und wir danken allen möglichen und unmöglichen Kräften dafür, dass dieser Künstler heute bei uns ist. Für mich ist das noch immer ein Wunder. Kostya – ich bitte dich… (APPLAUS) AUTOR Und was sagt das liebe, 68 Jahre alte magische Monster Belyaev? Es sagt, ganz nonchalant: O-TON Belyaev/Voice Over Sprecher Guten Abend, liebe Freunde – ich hab allen schon persönlich guten Tag gesagt heute, aber was will man machen, so ist das nach einem Feiertag. Ich möchte mich bei Garik bedanken. Er sagt wie immer so viel Süßes über mich, vielleicht entspricht das alles nicht besonders der Realität aber trotzdem: Angenehm, natürlich. Also - heute möchte ich Sie mit Liedern verschiedener Art erfreuen –es wird Scherzlieder geben und ausländische Lieder, Lieder von Igor Erenburg, zu denen er Text und Musik geschrieben hat und solche, zu denen nur der Text von ihm stammt. Kurz gesagt - von allem etwas. Autor Und dann singt Belyaev den verdutzten Gästen erst einmal ein Lied aus dem Film "Die Regenschirme von Cherbourg", auf Englisch… MUSIK: Belyaev, Die Regenschirme von Cherbourg Kurz stehenlassen AUTOR Später lässt Belyaev die versprochenen Lieder Igor Erenburgs folgen, dazu kommen an diesem Abend ein paar lyrische Liebeslieder, aber auch einige der großen Hits aus dem Odessaer Gauner-Repertoire. Wenn man ein paar seiner Konzerte gehört hat, stellt man übrigens irgendwann überrascht fest, dass sich nur wenig je wiederholt. Als ich den Meister im Herbst 2003 im Club Pirogi singen hörte, war das Programm völlig anders, als ein Jahr zuvor im Morrisville. Am Ende einer 40 Jahre langen Karriere schöpft Belyaev heute aus dem Vollen: sein Repertoire umfasst fast 400 Lieder. Und das Erstaunlichste: Was er auch singt – sein Publikum kennt den Text und singt mit. Nicht bei jedem Lied, nicht jede Zeile. Aber doch sehr sehr oft. Viele der meist jungen Leute, die heute Belyaevs Konzerte auf der Suche nach einem Wunder besuchen – wie Osipov sagen würde – haben diese Lieder ganz offensichtlich schon auf alten Bändern ihrer Eltern kennen gelernt. Aber auch die unermüdliche Propaganda des Grafen hat Früchte getragen. Es ist leicht zu sehen, dass die oft 25, 50 oder sogar fast 100 Jahre alten Lieder auch heute wieder einen Nerv beim russischen Publikum treffen, den westliche Popmusik nie erreichen wird. Einerseits liegt das daran, dass die Texte in Russisch sind, doch auch wenn ein gewisser Patriotismus eine Rolle spielen mag geht es hier doch um etwas viel wichtigeres. Wenn man versucht, diesem Etwas auf die Spur zu kommen, dann kommt eine tiefe Sympathie für das Anarchische, das Ungeordnete, Staatsferne, ja Staatsfeindliche zum Vorschein. Nicht im Sinne von konkreter politischer Dissidenz gegen den Präsidenten oder ein bestimmtes ideologisches Programm. Hier geht es um das totale Desinteresse an jeder Art von ideologischen Programmen, es geht darum, ein Leben zu feiern, in dem Politik keine Rolle spielt, ganz zu schweigen von politischer Korrektheit, ein Leben, in dem stattdessen Wagemut, Schönheit und Poesie gefragt sind. Gesetze gelten da, wie immer in Russland, nur für diejenigen, die sich ihnen unterordnen, und wenn ein Diebstahl nur elegant genug begangen wird, dann gibt es daran einfach nichts auszusetzen. Erst recht nicht wenn der Staat bestohlen wird, wie im Lied vom Studenten. All dies sind natürlich mythische Überhöhungen, wieder und wieder bearbeitete, uralte Motive russischer Folklore. Trotzdem oder gerade deshalb scheinen die Lieder und ihre Schöpfer dem Staat und der versammelten Beamtenschaft heute noch genauso suspekt zu sein, wie vor 25 oder 100 Jahren, wie Sergej Schnurow erfahren musste. Schnurow ist mit seiner Band Leningrad derzeit Russlands Rockstar Nr. 1. Konzerte der Band in Moskau wurden von den Behörden abgesagt und auch diverse Provinzbonzen haben klar gemacht, dass Schnurow in ihrer Stadt unwillkommen ist. Estland verweigerte ihm die Einreise. Der Grund: die beschleunigten und elektrifizierten Lieder im Geiste der alten Meister aus den 60ern und 70ern Jahren. MUSIK Leningrad: O-Ton Schnurov/Voiceover/Sprecher (18) Die ganze Sache begann völlig intuitiv – wir hatten gewisse Vorstellungen vom Blatnjak, das kam von Vyssotskij-Liedern, die wir alle hörten. Aber wir wussten nichts von Arkadij Severnyj, Aljosha Dmitrievich oder den Zhemtchushiny-Brüdern. Später kamen dann Leute mit Tapes und sagten: hört euch das mal an, das gefällt euch ganz sicher – und das war auch so. Aber das war später, vielleicht 1998. Am Anfang war das intuitiv – das kam von Freunden, aus den Hinterhöfen – im Grunde mit der Muttermilch. ... Es war keine bewusste Stilisierung, es war nicht das Ergebnis langer Überlegungen. AUTOR Ebenso wenig überlegen musste Schnur wahrscheinlich, als er entschied, für die Texte seiner Lieder auf die russische Gossensprache Mat zurückzugreifen. Das verstand sich schon allein deshalb von selbst, weil der Mat wie selbstverständlich zur Umgangssprache junger Russen wie Schnurov gehört. Die Helden der beiden ersten Stunden trafen in dieser Hinsicht übrigens unterschiedliche Entscheidungen. Arkadij Severnyjs Lieder sind voll von Gauner- und Verbrecher-Slang, doch Mat sucht man ihn ihnen vergebens. Kostya Belyaev hingegen gilt als begnadeter Mat-Stilist. Doch was ist Mat nun überhaupt? o-Ton Schnurov/Voice Over Sprecher Mat – das ist ein verbotener Wortschatz in der russischen Sprache. In Wahrheit ist er natürlich da, überall. Aber im Fernsehen hört man das nicht. Ausländern ist das schwer zu erklären – nicht weil die Gesellschaft dort offener ist, sondern weil die Leute bei uns zum Vögeln das Licht ausmachen. Verstehst du? Es ist eine besonders expressive Sprache. Wenn du Emotionen ausdrücken willst, brauchst du diese Sprache. Es geht nicht um Geschlechtsorgane. Wenn du mit Freunden zusammen bist, mit Leuten die dir nah sind, dann kannst du den MAT benutzen. Oder umgekehrt – wenn du dich mit jemandem nicht unterhalten willst. Es ist mehr als nur eine Sprache. Es ist eine Frage des Ausdrucks. Wenn du in einer Grenzsituation zwischen Leben und Tod bist, wie du es als Künstler sein solltest, oder wenn du ein Messer am Hals hast - dann brauchst du diese Sprache. Dann sagst du nicht: ich liebe das, sondern ich ficke das, was auch immer. AUTOR Wichtig ist, was Schnurow hier gerade andeutet: der Mat ist für den Ausdruck extremer Emotionen extrem gut geeignet – und das schließt extrem positive Emotionen ein. In dem Lied "Kak Zhit'", mit dem Schnurov diese Stunde eröffnet hat, wird davon erzählt, wie jemand nachts ziemlich betrunken nach Hause kommt und im Hauseingang ein weinendes Mädchen trifft. Betrunken wie er ist neigt der Sänger zu Sentimentalitäten und fängt ein Gespräch mit dem Mädchen an, das gerade von seinem Mann verlassen wurde und nun um Rat in Sachen Liebe und Männer bittet. Schnurow antwortet darauf unsagbar grob, doch ist für den Zuhörer sofort klar, dass diese Grobheit der einzige Weg ist, Zuneigung und Verständnis auszudrücken. Stünde sie nicht zur Verfügung, müsste Schnurov an dem weinenden Mädchen vorbeigehen. Der Mat schafft raue Nähe in einer Welt, in der Nähe eigentlich nicht mehr zugelassen weil gefährlich ist. Was also ist der Mat, eine harte, radikale Sprache für eine harte, radikale Realität? O-Ton SCHNUROV/Sprecher/Voice Over Genau, eine harte, radikale Sprache für eine harte radikale Realität. Man kann auch ohne auskommen, aber dann ist man weit weg von dem, was die Leute auf der Straße erleben, man reflektiert nicht ihr Leben. Man kann über große Kunst reden und dabei die Eremitage nie verlassen. Oder man fährt mal ein paar Kilometer raus aus Leningrad und die Realität offenbart sich auf völlig andere Weise. Es gibt keinen einzigen russischen Menschen, der noch nie Mat benutzt hätte. Das ist ein Fakt – alles andere ist Heuchelei von Beamten. Aber für sie ist diese Sprache auch nicht geschaffen worden. Diese Sprache ist aktuell und nah. Wenn du diese Sprache sprichst, reißt du die Grenzen zwischen den Leuten ein, sogar wenn man jemanden 'na khuj' also 'auf den Schwanz' schickst, hattest du schon mehr Kontakt mit ihm, als wenn du sagst, "entschuldigen sie bitte, aber ich kann heute nicht". MUSIK SHNUROV SOLO: Zhopa AUTOR Nach einigen Platten mit seiner Band hat Sergej Shnurov im letzten Jahr ein Soloalbum veröffentlicht, das den vorläufigen Höhepunkt der Renaissance des Gauner-Chansons in Russland markiert. Das akustisch eingespielte Album atmet den Geist der 70er aus allen Poren. Wie viele alte und neue Chansoniers stilisiert sich auch Shnurov zu einem ewig betrunkenen Außenseiter, der von einer verhängnisvollen Beziehung in die nächste taumelt. Im Gegensatz zu den allermeisten Kollegen verfügt Shnurov über das lyrische Talent, die Stimme und die Persönlichkeit, die nötig sind, um diese Stilisierung interessant und glaubhaft zu machen. MUSIK SHNUROV SOLO: Zhopa Wieder hochziehen AUTOR Schnurows Soloalbum ist eine durch und durch gelungene Hommage an die 70er Jahre. Das beginnt schon mit dem Titel 2. Magadaner Konzert, der sich auf das Magadaner Konzert von Arkadij Severnyj bezieht. Dabei ist natürlich wichtig zu wissen, dass weder Severnyj noch Schnurow ihre Konzerte wirklich in der ostsibirischen Gulagstadt aufgenommen haben. Doch die Anspielung ist beiden wichtig und bedarf für die russischen Fans keiner weiteren Erklärungen. Schnurows Album folgt auch sonst bis ins Detail den Standards der Liveaufnahmen aus den 70er Jahren, wie sie Rudik Fuks gesetzt hat – von der Datierung des Konzertes über die gefakte Ansprache an die ohnehin nicht vorhandenen Zuhörer in Magadan bis hin zu den Widmungen bestimmter Lieder an verstorbene Freunde. Am wichtigsten aber für das Gelingen des Albums war es, dass der Petersburger Shnurov genau wie sein Moskauer Kollege Osipov verstanden hat, dass Gauner-, Trinker- und Liebeslieder dieser Art nach einer adäquaten Instrumentierung und interessanten Arrangements verlangen. SPRECHER 2/VOICEOVER SHNUR (18) Heute dominieren ja Blat-Chansons, die mit elektronischen Instrumenten eingespielt werden. Ich wollte zeigen, dass der wahre Blatnyak anders ist. Der wurde nämlich von Live-Musikern in Restaurants gespielt. Ich wollte zeigen, dass das immer noch möglich ist. Blatnyak mit elektronischen Instrumenten, das ist als wenn man Country auf Yamahakeyboards spielen würde. Das ist lächerlich und dumm und es entspricht nicht den Traditionen. AUTOR Und genau darum geht es letzten Endes bei der Renaissance der russischen Chansons: Traditionen, die Pflege des Erbes und seine behutsame Modernisierung. Nachdem der russische Markt seit der Perestroika über viele Jahre von amerikanischer Popkultur dominiert wurde, merkt man in Moskau und Petersburg heute, dass das Land über reiche eigene Traditionen verfügt. Garik Osipov, Sergey Shnurov und Mitstreiter wie Psoy Korolenko oder Alexey Kortnov haben verstanden, dass diese Traditionen relevant sind und reiche Früchte tragen können. Die CDs der genannten Sänger, die in der fabelhaften Serie "Nicht-Legenden des russischen Chansons" in den letzten Monaten erschienen sind, beweisen das. Zum Schluss hier aber noch eine Liveaufnahme von Garik Osipov. Und natürlich gibt es in der Ansage wieder eine Erinnerung an die verehrten Vorbilder aus den 70er. Na Semjonovskoj Ulice geht zurück auf die Zeit der Neuen Ökonomischen Politik in den 20er Jahren und gehörte zum Repertoire jenes Mannes, von dem ich in der ersten Stunde dieser nun zu Ende gehenden Langen Nacht so viel erzählt habe: Arkadij Severnyj. Naturgemäß lässt sich Osipov die Gelegenheit nicht entgehen, sein Publikum an den gerade vergangenen Geburtstag des wie er sagt "großen Menschen" Severnyjs zu erinnern. Bevor jetzt also noch einmal Garik Osipov das Mikrofon ergreift, will ich mich bedanken….Studio, Redaktion etc… Garik Osipov: Na Semjonovskoj Ulice Track 7 Länge: 7:39 OGI Konzert No. 5 Musikliste 1. Stunde Titel: Krasnyj Moskwitsch Länge: 04:30 Interpret und Komponist: Sergej Schnurow Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Gob so smykom Länge: 04:14 Interpret: Arkadij Sewernyi Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Gob so smykom Länge: 03:03 Interpret: Leonid Utjosow Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Murka Länge: 04:10 Interpret: Arkadij Sewernyi Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Arsenalnaya Uliza Länge: 04:48 Interpret: Arkadij Sewernyi Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Koloda Kart Länge: 06:44 Interpret: Arkadij Sewernyi Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Intro Länge: 01:35 Interpret und Komponist: Kostya Belyaev Privataufnahme des Autors Titel: Govorili mne rebyata Länge: 03:05 Interpret und Komponist: Kostya Belyaev Privataufnahme des Autors Titel: Seksualno Liricheskaya Länge: 03:40 Interpret und Komponist: Kostya Belyaev Privataufnahme des Autors Titel: Do chego nas baby doveli Länge: 01:05 Interpret: Kostya Belyaev Komponist: trad. Privataufnahme des Autors Titel: Vernulsya Taki v Odessu Länge: 06:20 Interpret: Kostya Belyaev Komponist: Rudik Fuks Privataufnahme des Autors 2. Stunde Titel: Moj Prijatel Student Länge: 01:20 Interpret und Komponist: Igor Erenburg Privataufnahme des Autors Titel: Moj Prijatel Student Länge: 01:20 Interpret: Kostya Belyaev Komponist: Igor Erenburg Privataufnahme des Autors Titel: Everejskie Kuplety Länge: 02:30 Interpret und Komponist: Kostya Belyaev Privataufnahme des Autors Titel: Mne by Volju Länge: 01:07 Interpret: Kostya Belyaev Komponist: Igor Erenburg Privataufnahme des Autors Titel: Po Tundre Länge: 05:36 Interpret: Kostya Belyaev Komponist: trad. Privataufnahme des Autors 3. Stunde Titel: Kak Zhit Länge: 03:09 Interpret und Komponist: Sergej Schnurow Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Newskij Prospekt Länge: 03:01 Interpret und Komponist: Psoy Korolenko Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Murka Länge: 03:27 Interpret: Alexey Kortnjow Komponist: trad. Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Twoja Fotografija Länge: 02:01 Interpret: Garik Osipow Komponist: trad. Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Moj Prijatel Student Länge: 02:16 Interpret: Garik Osipow Komponist: Igor Erenburg Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Kolokola Länge: 02:22 Interpret: Leningrad Komponist: Sergej Schnurow Label: OGI Records Best.-Nr: OGI 001 Titel: Zhopa Länge: 04:18 Interpret und Komponist: Sergej Schnurow Label: Misterija Zwuka Best.-Nr: MZ 115-2 Titel: Na Semjonowskoj Länge: 04:30 Interpret: Garik Osipow Komponist: trad. Privataufnahme des Autors