Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio Deutschlandradio Kultur Funkhaus Berlin Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin Telefon (030) 8503-0 Sendung: Aus der jüdischen Welt Wiedergutmachung Wie sieht die Praxis heute aus? von Thomas Klatt Regie: Atmo Amcha Flur (1168, 0:05-1:00 darüber Regie: Amcha-Zentrum Jerusalem, eine nüchterne Büroetage im 9. Stock eines Hochhauses. In den Fluren hängen selbst gemalte Bilder von Holocaust-Überlebenden, manche farbenfroh, andere schwarz-weiß. Großformatige Kinder- und Puppengesichter, angezogen wie aus einem Shtetl, schauen den Besucher mit großen schwarzen Augen an. Bei Amcha versuchen manche auch sich ihr Leid von der Seele zu malen. Regie: O.-Ton Auerbach (1173, 10:00 "Was wir oft sehen, dass gerade in der letzten Lebensphase im Alter von 70, 80, 90 Re-Aktivierungen von posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten." Sprecher: Der Psychiater Martin Auerbach, medizinischer Leiter von Amcha Israel. Bei Amcha werden vor allem Einzel- oder Gruppengespräche angeboten. Vor 30 Jahren wurde Amcha, hebräisch für "Dein Volk", von Holocaust-Überlebenden für Holocaust-Überlende gegründet. Es ging darum, die israelische Öffentlichkeit auf die Not dieser Menschen aufmerksam zu machen. Rund 20.000 Holocaust-Überlebende werden von Amcha in 15 ambulanten Zentren oder durch Hausbesuche versorgt. Denn Zeit heilt eben nicht die Wunden. Regie: O.-Ton Auerbach (1173, 10:30 "Und vor 30, 40 Jahren konnten oder wollten sie oder hatten das Gefühl, ja wir gehen nicht in Therapie, wir versuchen das irgendwie zu verdrängen, vielleicht geht das. Und jetzt im Alter merken sie, das geht nicht." Sprecher: In Israel war das Thema lange Zeit ein Tabu. Nach 1948 ging es vor allem darum, den jungen Staat aufzubauen, sagt Auerbach. Viele Holocaust-Überlebende mussten damals erst einmal ihr Leben organisieren, einen Beruf ergreifen, eine Familie gründen. - In Israel gebe es keinen Gesundheitsminister mehr, der diesen Bedarf nicht anerkennen würde, sagt Auerbach. Auch die Bundesregierung unterstützt diese Arbeit, indem sie über die Jewish Claims Conference Gelder zuschießt. Zitator: Juli 2016. Insgesamt will Berlin im laufenden Jahr 282 Millionen Euro, 315 Millionen für 2017 und 350 Millionen Euro im Jahr 2018 bereitstellen. Die Claims Conference geht jedoch davon aus, dass die Bedürftigkeit der Opfer nach materieller Hilfe aus Deutschland ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Sprecher: Oft stellen sich psychosomatische Leiden ein: partielle Lähmungen, Stottern, Schwindel, Taubheitsgefühle, Herzrhythmus- Störungen, permanente Angst- und Unsicherheitsgefühle. Selbst wenn seine Klienten heute schon über 80 und 90 Jahre alt sind, müssen sie noch mit der deutschen Bürokratie kämpfen. Dann, wenn sie auf Grund ihrer zunehmenden Beschwerden einen so genannten Verschlimmerungs-Antrag stellen wollen, weiß Psychiater Auerbach. Regie: O.-Ton Auerbach (1173, 32:30 "Viele hatten das Gefühl, wenn sie ihren Verschlimmerungsantrag eingereicht hatten, dass sie nachweisen mussten, dass das wirklich Folgeerscheinungen von der Nazi-Verfolgung waren, was war für viele sehr sehr belastend. Das sehr strikt Bürokratische. Es gab Fristen, die man einhalten musste und wenn man die nicht eingehalten hat und zu spät eingereicht hat, war es dann zu spät. Und ein Teil hat wirklich Angst einen Brief auf Deutsch zu bekommen." Sprecher: Vor allem geht es darum, die Holocaust-Überlebenden nicht alleine zu lassen. Eine der von Amcha Unterstützten ist Yolanda Landau. Sie ist 90 Jahre alt und wohnt heute in Jerusalem. Regie: O.-Ton Landau (1171, 0:10 "Ich bin geboren in Rumänien (0:40 im Jahre 1926), im Jahre '40 sind die Ungarn gekommen und '44 sie uns ins Ghetto geschickt." "3:40 haben wir gewohnt mit dem gelben Stern auf dem Kleid, haben sie uns gegeben." Sprecher: Yolanda Landau kam zusammen mit ihrer Familie ins KZ. Dass sie überlebte, verdankt sie nur der Tatsache, dass das NS-Regime für die Kriegsindustrie immer mehr Arbeitskräfte brauchte. Nach der Befreiung heiratete sie in Rumänien und gebar zwei Kinder. 1958 kam die Familie nach Israel. Dann starb plötzlich ihr Mann. Ohne Mittel musste sie ihre Kinder weggeben. Regie: O.-Ton Landau (1171, 24:30 "Und ich mit zwei kleine Kinder, kein Geld, kein gesund, keine Sprache, gar nichts, und ich konnte sie nicht halten die Kinder, ich hab gehabt kein Möglichkeit, kommt der Rabbi von Beersheva und er hat genommen meine Kinder nach Jerusalem." Sprecher: Reich oder wohlhabend ist sie nie geworden, schon gar nicht auf Grund irgendwelcher Wiedergutmachungszahlungen. Nun bekommt sie über die Jewish Claims Conference eine kleine Rente von rund 300 € monatlich, sagt sie. Hinzu kommt eine kaum höhere Witwenrente. Und dann steckt ihr auch immer jemand etwas zu. Bei den hohen Lebenshaltungskosten in Israel reicht es gerade so. Regie: O.-Ton Feinzilberg (1169, 0:10 "Mein Name ist Elias Feinzilberg, hast Du geschrieben? 1:21"Ich bin in Lodz geboren, 22. Oktober 1917. Sprecher: Drei Mal in der Woche kommt auch Elias Feinzilberg zu Amcha Regie: O.-Ton Feinzilberg (1169, 0:10 "Wir waren 7 Kinder, 5 Mädchen und 2 boys. Ich war der Älteste. Sprecher: Feinzilberg war zu Kriegsbeginn ein junger Mann. Er wurde zwangsverpflichtet, arbeitete im deutschen Straßenbau, be- und entlud Schiffe zwischen Hamburg und Berlin. Regie: O.-Ton Feinzilberg (1169, 0:10 "Mein ganze Familie haben die Nazis umgebracht. Ich bin alleine übriggeblieben." Sprecher: Elias Feinzilberg kam schließlich nach Buchenwald, überlebte den Todesmarsch bis zur Befreiung. Nach dem Krieg ging er nach Guatemala. Dann 1969 nach Israel. Heute ist er 99 Jahre alt, hat drei Kinder und 16 Enkelkinder. Wer von den Holocaust-Überlebenden eine Wiedergutmachung aus Deutschland erhält oder nicht, gleicht oftmals einem Lotteriespiel. Es ist eine Frage der Herkunft, der fristgerechten Antragsstellung und dem Wohlwollen der Sachbearbeiter. Manche bekommen eine Rente von gut 300 € im Monat, wenn sie als deutsche Juden verfolgt wurden. Feinzilberg aber ist polnischer Jude. Er bekommt nur Geld aus Deutschland, weil er als Zwangsarbeiter verpflichtet wurde. Ist das für ihn Wiedergutmachung genug? Regie: O.-Ton Feinzilberg (1169, 1:16:00 "Wiedergutmachung! Zufrieden? Kannst Du nicht sein. Was war mit meiner Familie, das tut mir weh. Kinderjahre sind verspielt. Mein Vater verhungert, meine Mutter verbrannt." "1:17:50 Eine Hilfe ist das, aber zufrieden kannst Du nicht sein!" Regie: Musik-Akzent als Trenner Sprecher: Dabei gab es zu keinem Zeitpunkt "DIE WIEDER- GUTMACHUNG", sondern eine Vielzahl von Abkommen, Gesetzen und Sonderregelungen, die bis heute schwer zu überblicken sind. Regie: O.-Ton Goschler (1163, 18:00 "Die Haftentschädigung war ja das, was als erstes ausgezahlt worden ist. Und das hat für viele eine Art von Starthilfe bedeutet. Konkret bedeutete das, dass viele ehemalig Verfolgte Anfang der 50er Jahre oder Ende der 40er Jahre erst mal ein paar Tausend Mark in der Hand hatten." Sprecher: Der Bochumer Historiker Constantin Goschler. Vieles wurde schier technokratisch abgehandelt. Etwa dass Häftlinge 5 DM Ausgleich für einen Tag im KZ erhielten. Genau die Haftentschädigung, die jeder erhält, der zu Unrecht im Gefängnis saß. Regie: O.-Ton Goschler (1163, 18:20 "Viele Verfolgte sind nie wieder richtig auf die Beine gekommen, aber immerhin waren viele auch in der Lage, sich mit Hilfe dieser Leistungen sich wieder ein neues Leben aufzubauen. Es war ein Kompromiss." Sprecher: Nach 1945 mussten die West-Alliierten die Deutschen zur Wiedergutmachung geradezu drängen. Es folgten zähe und lange Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgestaat des Dritten Reiches, Israel und den jüdischen Opfern vertreten durch die Jewish Claims Conference. Die DDR hatte sich nie für zuständig erklärt. Das erste große Abkommen wurde auf neutralem Boden 1952 im niederländischen Wassenaar ausgehandelt und 1953 in Luxemburg geschlossen. Regie: O.-Ton Goschler (1163, 38:10 "Damals hatten wir noch einen Bundeshaushalt Anfang der 50er Jahre von 20 Milliarden DM. Da war dann ein Abkommen in Höhe von knapp 3,5 Milliarden DM dann schon eine ordentliche Summe." Sprecher: Zwar bekam Israel kurzfristig viel Geld und Waren. Bis heute aber muss Israel dadurch die Mehrzahl der nun im Land lebenden Holocaust- Opfer selbst unterstützen. Für Deutschland aus heutiger Sicht ein - so makaber es klingt - "gutes Geschäft". Regie: O.-Ton Goschler (1163, 36:30 "Dass das in überhaupt keinem Verhältnis stand zu dem, was das jüdische Volk an Verlusten hatte und es stand auch in keinem Verhältnis zu dem, was die israelische Gesellschaft langfristig dann zur Unterstützung von überlebenden Holocaust-Opfern ausgegeben hat." Sprecher: Mitte der 1960er Jahre dann folgte das Bundesentschädigungsgesetz BEG. Damit sollte nach dem Willen der deutschen Politik ein Schlussstrich unter die Nachkriegszeit gezogen werden. Dabei galt das BEG allein für deutsche Juden oder eben Juden aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum. Die Mehrheit der Opfer aus Osteuropa wurde gar nicht berücksichtigt, zumal Geldtransfers in den Ostblock zu Zeiten des Kalten Krieges als politisch unmöglich galten. Regie: O.-Ton Goschler (1163, 34:00 "Das heißt aber, dass der Großteil der, die verfolgt worden sind, und vor allem der verfolgten Juden, überhaupt nicht unter dieses Gesetz gefallen sind. Wenn Sie verfolgter Jude in Warschau gewesen wären oder in Minsk oder in Budapest. Von den verfolgten Juden war ja nur die Minderzahl deutsche Juden. Der größte Anteil überhaupt das waren polnische Juden." Sprecher: Aber selbst die nach BEG Antragsberechtigten mussten ihr Deutschtum erst nachweisen. Dadurch entstanden etwa auch in Israel skurrile Antrags- und Prüfverfahren. Regie: O.-Ton Goschler (1163, 48:20 "Da sitzen dann Holocaust- Überlebende und müssen Aufsätze schreiben und müssen begründen, weshalb sie immer ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgegeben haben, wo dann irgendeiner in seiner Prüfung in seinem Aufsatz mitten drin schreibt: Was tu ich denn hier? Ich sitze nun hier, meine Familie ist ermordet worden, und ich schreibe einen Aufsatz, in dem ich erkläre, dass ich mich immer zum deutschen Volkstum bekannt habe. Bin ich denn verrückt?" Sprecher: Bis heute gilt das Bundesentschädigungsgesetz als endgültig. Alles was folgte waren Nachbesserungen, Härte- und Einzelfallregelungen. Ein bis heute kaum zu überblickender Flickenteppich in Sachen Wiedergutmachung. Hinzu kamen seit den 1980er Jahren die Entschädigungen für die so genannten "vergessenen Opfer", zum Beispiel Sinti und Roma, Euthanasie-Verfolgte, Ghettoinsassen, Zwangs-Arbeiter, Homosexuelle, Kriegsdienstverweigerer und Deserteure. Dabei vergingen schon für die jüdischen Opfer zwischen Antrag und Genehmigung oft Jahre, manchmal auch Jahrzehnte. Nicht wenige Holocaust-Opfer sind darüber verstorben, ohne jemals einen Ausgleich aus Deutschland erhalten zu haben. Regie: Musik-Akzent Sprecher: Bis heute gibt es weltweit noch rund 500.000 Holocaust- Überlebende, rund 190.000 von ihnen in Israel. Schätzungsweise ein Viertel von ihnen, etwa 45.000, leben in Israel an oder sogar unter der Armutsgrenze. Colette Avital von der Zentralen Organisation der Holocaust- Überlebenden in Israel kann erklären, woran das liegt. Regie: O.-Ton Avital (1174, 5:40 "The point is that number one not everybody has been recognized as a holocaust survivor especially those who came after 53. Because of the law. And also many people who came to Israel came without a profession. When they became older they did not have a pension. And the third thing is that finally at beginning of the 70ies and later on 92 many jews came out of the sowjet union, many of them are old, many of them without a pension ans many of them were again not recognized as holocaust survivors because they have not been in camps or in ghettos. They were considered flight cases who flew away from the invading german army. So most of this people don't have enough money and live in poverty." Übersetzung: Zuerst liegt es daran, dass viele Überlebende, die nach 1953, also nach dem Luxemburger Abkommen nach Israel kamen, gar nicht als Opfer anerkannt wurden. Viele kamen ohne irgendeine Berufsausbildung und erhalten jetzt im Rentenalter nur eine geringe Pension. Und schließlich kamen seit den 1970er und vor allem seit Anfang der 90er Jahre viele Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Viele von ihnen sind alt, ohne eine ausreichende Pension und viele von ihnen sind auch nicht als Holocaust- Überlebende anerkannt, weil sie zum Beispiel nicht in Konzentrationslagern oder Ghettos gelebt hatten, sondern schlicht vor der Wehrmacht geflohen waren. So haben viele von ihnen heute in Israel zu wenig Geld und leben in Armut. Autor: Vor gut 30 Jahren habe sich der israelische Staat noch geweigert, sich überhaupt finanziell um diese Menschen zu kümmern. Ein Grund, weshalb ihre Organisation in den 80er Jahren gegründet wurde. Regie: O.-Ton Avital (1174, 33:30 "It has taken a long time for the Israeli governments to also change there attitudes. Because for many years they reacted in a way that they were not responsible. And since than the israeli governement understood that there is difference between guilt and responsibility." Übersetzung: Es hat lange gedauert, bis die Israelische Regierung ihre Ansichten änderte und sich verantwortlich fühlte, dass Israel etwas tun muss, dass es einen Unterschied gibt zwischen Schuld und Verantwortung. Sprecher: Immerhin gebe der israelische Staat heute jährlich rund 5 Milliarden Schekel, also mehr als 1 Milliarde Euro, für Holocaust-Überlebende aus, sagt Avital. Die ehemals im Vergleich zu den deutschen Zahlungen sogar noch niedrigeren israelischen Renten wurden angeglichen. Aber immer noch fallen Zehntausende durch das soziale Netz. Regie: Musik-Akzent Sprecher: Bis heute hat Deutschland Wieder-Gutmachungs-Leistungen in Höhe von umgerechnet 73 Milliarden Euro erbracht. Weltweit. Ein Bruchteil davon ging nach Israel. Das hört sich in der Gesamtsumme viel an. Über die Jahrzehnte haben die deutschen Zahlungen für die Opfer des NS-Regimes aber nie mehr als 1 % des deutschen Bruttosozialproduktes ausgemacht. Regie: O.-Ton Beck (1148, 12:10 "Die zuständigen Leute in den Finanzministerien waren vor allem mit der Abwehr von Forderungen beschäftigt und nicht so sehr mit dem tatsächlich nicht so einfachen Unterfangen, Leid in Geld abzubilden. Ich hab immer wieder nach verhandelt bei den unterschiedlichen Härtefonds und da wurden einem einfach Zahlen entgegengehalten, was das alles kosten würde, wenn man hier und da eine Verbesserung anbringt, und das waren immer Zahlen, die das maximal teuer gerechnet haben. Wenn wir es dennoch gemacht haben, ist das Szenario der zuständigen Mitarbeiter nie eingetreten, weil die Leute halt auch zwischendrin starben." Sprecher: Der Grüne Volker Beck, Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. Nur ein Bruchteil des ehemals jüdischen Vermögens wurde persönlich zurückerstattet. Dort, wo es keine Erben mehr gab, wurde es in der Regel der Jewish Claims Conference zugeschlagen, die für weitere Wiedergutmachungs-Zahlungen zuständig war. Regie: O.-Ton Beck (1148, 8:20 "Es ist sowieso ein merkwürdiger Gedanke, dass das geraubte Vermögen der jüdischen Familien, die wir offensichtlich vollständig ausgerottet haben, dazu dienen muss, um die überlebenden Opfer zu entschädigen. Denn die Entschädigung der Opfer ist die Aufgabe der deutschen Verantwortungsgemeinschaft, die dafür einstehen muss, was die Generationen vor uns angerichtet haben." Sprecher: Für Beck bis heute eine skurrile Rechtskonstruktion. Ob es aber jemals wieder eine Debatte oder gar neue Gesetze zur deutschen Wiedergutmachung geben wird, bezweifelt selbst der grüne Bundespolitiker. Regie: Atmo Amcha Flur (1168, 0:05-1:00 darüber Sprecher: Zurück bei Amcha in Jerusalem. Die eigene Geschichte zu erzählen ist den Überlebenden des Holocaustes wichtig. Sie sind die letzten Zeitzeugen. Regie: O.-Ton Hirschhorn, (1172, 0:20 "Mein Name ist Richard Hirschhorn, ich bin in Köln geboren, 24. November 1931. Ich erinnere mich nicht an die ersten Jahre meines Lebens. Von Bilder, die ich habe, weiß ich von dem Anfang der nationalsozialistische Zeit." Sprecher: Richard Hirschhorn muss in Englisch weiter reden, sein Deutsch ist nur noch blasse Erinnerung. Früh floh er mit seinem Bruder nach Frankreich, konnte über Marseille in die USA zu Verwandten fliehen. Sein Bruder blieb zurück und wurde ermordet. 1971 kam er nach Israel, arbeitete erst im Kibbuz, später dann in der IT-Branche. Als verfolgter deutscher Jude steht ihm bis heute eine Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz zu. Aber reicht ihm das? Ist damit genug wieder gut gemacht worden? Regie: O.-Ton Hirschhorn, (1172, 36:20 "No one ask me all the time to give my opinion. I personally receive some money from Germany, I think 300 € every month, also larger payments periodicly. If I did not get it personally it woudn't make any difference in my life. There were people who are much more in need, not in good health, every payment even nessecary for there welfare." "37:30 When I first heard about this term in german was Wiedergutmachung and that strikes me, I was not a german speaker anymore, but I understood sufficently wieder und gut und machen that's a crazy way my mind works. Making good again killing of someone or is abused you can't undo it. Wieder-Gutmachung to me that name is just a silly name." Übersetzung: Mich hat nie jemand nach meiner Meinung gefragt. Ich bekomme rund 300 Euro aus Deutschland und bekam auch Einmalzahlungen. Das macht in meinem Leben keinen Unterschied. Da gibt es Menschen, die Geld für ihre Gesundheitsversorgung viel nötiger hätten. Aber als ich das erste Mal diesen Ausdruck hörte - Wiedergutmachung - hat sich etwas in mir gewehrt. Ich spreche kein Deutsch mehr, aber ich verstand - Wieder-Gut-Machung. Das ist verrückt, wenn man jemanden getötet oder missbraucht hat. Wieder-Gut-Machung ist für mich ein alberner Begriff. Sprecher: Spätestens um 2040 herum werden voraussichtlich die letzten Holocaust-Überlebenden gestorben sein. Dann wird es wohl auch keine Wieder-Gutmachungs-Zahlungen mehr aus Deutschland geben. Der deutsche Jude und Holocaust-Überlebende Richard Hirschhorn zieht da seine ganz persönliche Bilanz. Regie: O.-Ton Hirschhorn, (1172, 41:00 "I can't imagine that anything that Germany would do would be enough. I don't think Germany have done enough, I don't think England have done enough, France, the United States, India, China. I don't think any do enough, to try to prevent a repitition." Übersetzung: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutschland jemals genug getan hat. Ich glaube aber auch nicht, dass England genug getan hat, Frankreich, die Vereinigten Staaten, Indien, China. Ich glaube dass alle nicht genug getan haben, um zu verhindern, dass sich so etwas jemals irgendwo auf der Welt wiederholt. Wiedergutmachung, Thomas Klatt, DLR 27.01.2017, Aus der Jüdischen Welt 2