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Meine Lebensversicherung, wenn ich die über die letzen Jahre, Jahrzehnte betrachte, ist von dem was mir vor 20 Jahren versprochen worden ist, als ich sie abgeschlossen hab, ist eigentlich das Ziel jetzt im Augenblick nicht erreicht, vielleicht erholt sich`s ja wieder, aber ich glaube nicht daran. Schräger Musikakzent Sprecher 1 Zinsen - Sprecher 2 im Keller! Sprecher 1 Aktien - Sprecher 2 gecrasht! Sprecher 1 Lehman-Zertifikate Sprecher 2 - wertlos! Sprecher 1 Kaupthing- Tagesgeld Sprecher 2 - eingefroren! Sprecher 1 IKB und HRE Sprecher 2 - abgesoffen! Sprecher 1 Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass die private Altersvorsorge vieler Menschen auf wackligen Beinen steht. Die Geldhäuser, die vom Verkauf der Altersvorsorgeprodukte leben, schlagen schon Alarm, weil Kunden die Flucht ergreifen. Michael Meyer, Vorstand der Postbank, stellte kürzlich eine Studie seines Instituts zur Altersvorsorge vor: Take Meyer Fast jeder fünfte Berufstätige und 15 Prozent aller Deutschen haben auf die Finanzkrise schon mit der Auflösung oder dem Abbau von privaten Altersvorsorgemodellen reagiert. Nie zuvor gaben so viele Berufstätige in unseren Befragungen an, ihre Altersvorsorge nicht mehr verstärken zu wollen. Von 37 Prozent im letzten Jahr springt dieser Wert auf 41 Prozent. Überdies erreicht auch die Zahl derer, die im Alter über keine private Altersvorsorge verfügen, einen Spitzenwert. Gaben dies vor vier Jahren erst 26 Prozent aller Berufstätigen an, so ist dies inzwischen mit 32 Prozent bei jedem dritten Berufstätigen in Deutschland der Fall. Sprecher 1 Doch die Geldbranche ist nicht unschuldig an der Flucht aus der privaten Altersvorsorge. Denn sie verzockte Milliarden mit waghalsigen Geschäften im globalen Finanzmarktmonopoly. Und sie drehte den Sparern massenhaft falsche und schlechte Produkte an. Merten Larisch, Leiter der Altersvorsorgeberatung der Verbraucherzentrale Bayern: Take Larisch Wir schauen uns in unseren Beratungen die bisherigen Sparbemühungen und schon entstandenen Vermögensstrukturen der Verbraucher an und müssen konstatieren, dass bestimmt 90 Prozent der Bevölkerung über zu riskante, uneffektive Geldanlagen verfügen, die natürlich durch eine eher nachlässige, in Einzelfällen auch vorsätzlich fehlerhafte Beratung entstanden sind. Sprecher 1 Doch die Geldbranche schaut nach wie vor in erster Linie auf ihren eigenen Vorteil. So bekam die Finanzberatung der Postbank im Oktober miserable Noten von der Stiftung Warentest, etwa weil sie Rentnern unsinnige Bausparverträge verkaufte. Ähnliches ist auch von anderen Instituten bekannt. Andreas Oehler, Professor für betriebliche Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg: Take Oehler Man hätte ja denken können dass, nachdem einiges an Fehlberatung durch die Finanzkrise aufgeflogen ist, dass sich das jetzt systematisch gebessert hat, denn wir kennen ja die Erscheinung der Finanzkrise nun schon einige Monate lang. Es gibt aber eine ganze Reihe Hinweise, dass die meisten Banken und Sparkassen ihre Beratung nicht viel geändert haben. Sprecher 1 Eine bessere Beratung durch die Anbieter ist aber kaum zu erwarten. Denn die private Altersvorsorge ist ein lukratives Geschäftsfeld, seit Vater Staat die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung scheibchenweise gekürzt hat: Take Oehler Der wesentliche Aspekt des gesamten deutschen Altersvorsorgesystems besteht immer noch und sicher auch die nächsten Jahre ganz deutlich und dominant durch die gesetzliche Rentenversicherung. Für das Gros der Bevölkerung ist das die allerwichtigste Säule, Versorgung ungefähr zwischen 80 und 90 Prozent. Die kapital- gedeckte Vorsorge erhält dadurch mehr Auftrieb, dass die Arbeitgeber sich zu einem Teil mit Gutheißen des Staates aus der solidarischen Finanzierung zurückziehen. Das kennen sie aus 2002 mit der Einführung der Riesterrente, seitdem fördert der Staat zwar durch Zulagen die private Altersvorsorge gezielt, es besteht aber natürlich ein Erfordernis, dass wenn Sie das Versorgungsniveau erhalten wollen von ungefähr 50 Prozent vor Steuern, Sie auf jeden Fall selber vorsorgen müssen. (Stimme oben) Sprecher 1 Das Streichkonzert bei der gesetzlichen Rente hat die Politik veranstaltet, um jenen Anstieg der Lohnnebenkosten zu begrenzen, der durch Kindermangel und steigende Lebenserwartung kommen wird. Die Finanzbranche lieferte damals passgenaue Argumentationshilfe, um die gesetzliche Rente zu demontieren. So sagte zum Beispiel der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, 1997: Take Walter Wir haben von der Hand in den Mund gelebt, und das geht nur, so lange man eine vernünftige Alterpyramide in der Bevölkerung hat. Und was wir haben, ist keine Pyramide mehr. Ich sage, das Umlageverfahren ist unter den obwaltenden Umständen nicht mehr das Richtige. Deshalb schlage ich vor, dass wir klarmachen, dass künftige Altersvorsorge auf anderen Prinzipien aufgebaut sein muss. Jeder Altersring sollte dazu genutzt werden, für die Zukunft vorzusorgen, indem man spart, und indem man das Ersparte produktiv anlegt, damit man künftig eine echte Chance hat, aus dem selbst Ersparten und selbst klug angelegten auch eine vernünftige Altersrenten beziehen zu können. Sprecher 1 Gleichzeitig zogen die Geldhäuser an vielen Strippen, um die private Altersvorsorge politisch salonfähig zu machen. Diana Wehlau analysierte diese Aktivitäten in ihrer Doktorarbeit "Lobbyismus und Rentenreform": Take Wehlau Dann haben wir in den Untersuchungen deutlich gesehen, dass die personelle Verflechtung der Finanzbranche mit der Politik und mit politischen Entscheidungsträgern ganz stark ausgeprägt war. Das heißt dass Bundestagsabgeordnete neben ihrem Mandat zugleich eine Funktion in der Finanzbranche erfüllen, zum Beispiel in einem Aufsichtsrat oder in anderen Gremien, oder dass sie im Vorfeld ihrer Abgeordnetentätigkeit oder danach bei der Finanzdienstleistungsbranche beschäftigt waren. Sprecher 1 So verdienen die Väter großer Rentenreformen, Walter Riester und Bert Rürup, inzwischen viel Geld mit lukrativen Vorträgen und mit gut dotierten Posten in der Finanzbranche. Bert Rürup arbeitet für den Finanzdienstleister AWD, Walter Riester für den Fondsanbieter Union Investment: Take Riester Die Union Investment kam vor eineinhalb Jahren und fragte, ob ich bei Ihnen in den Aufsichtsrat gehen würde. Das war naheliegend, denn 1,7 Millionen Riesterverträge ist alleine von diesem Anbieter gemacht worden, mit Abstand der größte. Ich hab aber denen damals gesagt, nein, ich mach das nicht, weil ich während der Zeit, wo ich Abgeordneter bin, ein Aufsichtsratsmandat in dem Bereich nicht machen werde. Als Sie dieses Frühjahr wieder kamen, ob ich dann jetzt, wenn ich ausscheide, das mache, da hab ich gesagt: Ja! Sprecher 1 Im Vorfeld der Rentenreformen von 2001 ging die Finanzbranche außerdem dazu über, die Parteienlandschaft großflächig mit Geldspritzen zu düngen. Diana Wehlau: Take Wehlau Da sehen wir einen deutlichen Anstieg der Spendenflüsse der Finanzbranche an die Bundestagsparteien, und das Interessante hier ist, dass die Spenden nicht nur in der Höhe ausgedehnt wurden, sondern auch in der Breite. Das heißt, dass eben nach dem Regierungswechsel erstmalig auch die Sozialdemokraten und die Grünen finanziell bedacht wurden von der Finanzbranche. Und wir haben zwar keinen Beleg dafür, dass diese Spenden in direktem Bezug zur Rentenpolitik stehen, weil ja sozusagen kein Verwendungszweck angegeben ist, aber es ist doch erkennbar, dass diese Finanzflüsse zugenommen haben und dass, obwohl keine Wahljahre waren - in Wahljahren ist es durchaus üblich, dass in großen Summen gespendet wird. Sprecher 1 Daneben floss und fließt auch Geld aus der Finanzbranche an Experten, die das Themenfeld mit wissenschaftlichen Untersuchungen schmücken. Professor Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum für Generationenverträge in Freiburg ist in den Medien regelmäßig präsent: Take Raffelhüschen Wir haben weniger Beitragszahler in der Zukunft, das können wir reparieren, aber die Reparatur erfordert, dass dann eben diejenigen Generationen, die weniger Kinder hatten, stärker Kapital bilden, damit die Kinder der Zukunft, die wenigen, so produktiv sind, dass das System weiterhin funktioniert. Und diese Kapitalbildung ist nichts anderes als größere Eigenvorsorge. In der Rente haben wir die Strukturen schon gelegt. Die Schraube "private Altersvorsorge" ist da, und jetzt müssen wir das so drehen, dass das passt. Sprecher 1 Der Professor aus Freiburg rechnete zum Beispiel in einer Studie vor, dass junge Beitragzahler in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Inflation Null Rendite bekämen. Doch das war nur die halbe Wahrheit. Denn die garantierte Rendite privater Lebensversicherungen liegt nach Inflation derzeit ebenfalls bei Null. Abgesehen davon sind solche Renditeberechnungen wissenschaftlich nicht haltbar. Professor Andreas Oehler: Take Oehler Es wird natürlich immer wieder versucht, und zwar sowohl von den privaten Anbietern wie von der Deutschen Rentenversicherung, Renditevergleiche zu rechnen. Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass rein methodisch die Rendite, also der interne Zinsfuß, den man dort rechnet, für einen Vergleich gar nicht geeignet ist, es ist also die falsche Methode, die man da nutzt. Die Tatsache, dass sie weiter benutzt wird, erklärt sich aus der Tatsache heraus, dass es schön ist, immer nur so eine Kennzahl, einen Prozentsatz, zu haben. Aber Sie können einfach Produkte mit unterschiedlichen Ein- und Auszahlungen, also unterschiedlichen Laufzeiten, unterschiedlicher Kapitalbindung, nicht über die Rendite vergleichen. Sprecher 1 Renditeberechnungen führen also in die Irre. Das gilt auch für viele Angaben zur vermeintlich besonders gewinnträchtigen Altersvorsorge mit Aktien: Schräger Musikakzent Take Günter F. Unser Aktienfonds ist wieder mal auf die Hälfte geschrumpft, aber das hatten wir ja schon mal bei der dot.com-Krise. Da hab ich auch schon die Hälfte vom Geld verloren. Take Walter S. Ich hatte letztes Jahr ein DAX- Zertifikat abgeschlossen, und das war während der Finanzkrise teilweise doch sehr nach unten gesackt, zum Ende als es fällig geworden ist, hat es gerade so noch aufgeholt, dass ich mit einem blauen Auge davongekommen bin, zeitweise hätte ich auch bestimmt 30, 40 Prozent verloren gehabt, wenn das früher fällig gewesen wäre. Schräger Musikakzent Sprecher 1 Aktien sind eine riskante Altersvorsorge, weil Verluste drohen. Auch Aktienfonds können immer wieder mal längere Zeit tief in die roten Zahlen rutschen. Die Börsenzeitung schrieb dazu am 22. April 2008: Sprecher 2 Auf Sicht von 20 Jahren haben europäische und internationale Aktienfonds tatsächlich jährliche Renditen von sieben Prozent abgeworfen. In den vergangenen zehn Jahren brachten Aktienfonds aber nur 0,7 bis 2,2 Prozent pro Jahr. Überlegen waren in diesem Zeitraum sogar die Geldmarktfonds mit durchschnittlich 2,2 Prozent Jahresrendite. Aber diesen Umstand hebt die Fondsbranche ungern hervor. Bekanntlich sind die Margen bei diesen Produkten deutlich kleiner als bei Aktien. Sprecher 1 So bleibt als wichtige Erkenntnis aus der Finanzkrise, den tollen Renditeversprechen und den klingenden Namen nicht zu trauen. Susanne Meunier, Altersvorsorgeexpertin der Zeitschrift Finanztest: Take Meunier Natürlich haben die Anbieter ein Interesse, sich zu schmücken mit Leuten, die auch einen Professorentitel haben, um dann das Anliegen, zusätzlich Altersvorsorge zu betreiben, auch besser rüber zu bringen, denn sie wollen ja das Geld einkassieren. Man sollte sich davon nicht beeinflussen lassen, genau so wenig wie von Werbung, sondern ganz nüchtern Bilanz ziehen, wie viel hab ich an Altersvorsorge, wie viel Geld habe ich denn, kann ich noch etwas zurücklegen, aber wer das kann, sollte das auf jeden Fall tun. Sprecher 1 Denn die gesetzliche Rente ist zwar besser als ihr Ruf. Aber sie bietet nach den demographisch begründeten Kürzungen nur noch eine Grundversorgung im Alter. Und sie leidet auch unter Finanz- und Wirtschaftskrisen, allerdings anders als die private Altersvorsorge. Andreas Oehler von der Universität Bamberg und Monika Queisser von der OECD: Take Oehler Die gesetzliche Rentenversicherung ist im Wesentlichen über die Lohnsumme betroffen, rücklaufende Wirtschaftsleistung, zurückgehende Lohnsumme, entweder höhere Beiträge oder geringeres Versorgungsniveau, und bei der kapital--gedeckten Vorsorge über Betriebe oder durch eigene Vorsorge, Riester- Produkte und ähnliches, sinken natürlich in der Krise die Kapitalwerte. Take Queisser Beide Systeme hängen immer an der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes. Deswegen glauben wir, dass Diversifizierung richtig ist, damit man nicht nur von einer Stellgröße abhängt, sondern dass man diese Risiken möglichst breit streut und verteilt. Sprecher 1 ... und krisenfeste Sicherheitsnetze aufspannt. So sind Betriebsrenten durch einen Pensionssicherungsverein geschützt, Riesteranbieter müssen das eingezahlte Kapital garantieren. Mit der gesetzlichen Renten und solchen Schutzmechanismen kommt die deutsche Altersvorsorge bislang relativ gut durch die Krise. Länder, die stärker auf Rendite und Risiko setzen, sehen dagegen ziemlich alt aus. Monika Queisser: Take Queisser Es gibt einige Länder, die durch die Finanzkrise stark gebeutelt worden sind, zum Beispiel USA, Kanada, Großbritannien, Irland, alle diese Länder, die relativ kleine gesetzliche Systeme haben und sich stark auf die private kapital-gedeckte Altersvorsorge verlassen. Und diese Länder haben jetzt starke Einbrüche gesehen. Das liegt aber auch daran, dass viele stark in Aktien investiert haben. Denn die Tatsache, dass eine Rente kapital-gedeckt ist allein, bedeutet ja alleine noch nicht, dass es wahnsinnig riskant ist. Es kommt darauf an, in welche Instrumente dieses Kapital investiert worden ist. Und wenn man wie in Irland, wie in USA, einen großen Teil dieser privaten Altersvorsorge in Aktien anlegt, dann kann das natürlich schnell von einem Tag auf den anderen zu starken Schwankungen kommen und man steht plötzlich mit sehr viel weniger da, als man gedacht hat. Sprecher 1 So offenbart die Finanzkrise, dass vermeintlich vorbildliche Altersvorsorgesysteme anderer Länder in stürmischen Zeiten ins Wanken geraten. Andreas Oehler: Take Oehler Von deutscher Sicht gesehen gibt es keine typischen Beispielländer, wo man sagen sollte, Deutschland muss jetzt das Beispiel aus den USA, oder das System aus Schweden oder die Schweiz wird häufig zitiert, übernehmen. Man sollte mal genauer nachschauen, ob es bei den Ländern nicht auch Probleme gibt. In Schweden zeigen sich zum Beispiel durchaus Schwierigkeiten in den kapital-gedeckten Elementen, die man dort eingeführt hat, in der Schweiz hat man manche Probleme einfach anders gelöst, aber die Schweiz ist viel kleiner und anders aufgestellt, als dass man sagen könnte: wir übernehmen das Schweizer System einfach für Deutschland. Ich warne einfach davor zu sagen: Dort hab ich was Schönes entdeckt, und das möchte ich gerne im deutschen System haben, und wenn man das immer so weiter macht, dann ist ein sehr kurzsichtiges Handeln damit verbunden. Ratloser Musikakzent Take Walter S. Ich tu eigentlich alle ein, zwei Jahre mich von meiner Bank, von Versicherungen beraten lassen, einfach nur um auf dem neuesten Stand zu sein, muss aber gestehen, dass ich das Gefühl hab, dass die immer nur ihre eigenen Anlagen verkaufen wollen. Take Günter F. Also ich glaub, dass die Berater vor allem ihr eigenes Geschäft im Auge haben. Ich möchte meine Finanzprodukte selber verwalten. Ich lass mich da nicht beraten. Ich versuch viel übers Internet, über Freunde, über Bekannte, über Experten, ich versuch mir aus einer großen Summe eine eigene Meinung zu bilden. Ratloser Musikakzent Sprecher 1 Nach den Enttäuschungen mit privaten Vorsorgeprodukten sind viele Sparer ratlos. Wem können sie noch trauen, wo finden sie gute Beratung, ist Beratung überhaupt nötig? Und: Wie groß ist eigentlich die Rentenlücke? Andreas Oehler rät: Take Oehler Was die individuelle Renten- oder Versorgungslücke betrifft, kann ich nur davor warnen, auf Faustregeln zu setzen, einfach deswegen, weil jede individuelle Situation, jede Erwerbsbiographie, die zusätzlichen Vorsorgen, die man ergriffen hat, so unterschiedlich sind, dass man wirklich eine kompetente Beratung, eine unabhängige Beratung aufsuchen sollte, um sich aufklären zu lassen. Als Vorbereitung für eine solche Beratung empfehle ich den Rentenlückenrechner, der übrigens für Beamte wie auch abhängig Beschäftigte von der Stiftung Warentest im Internet angeboten wird. Dort können Sie sich selber schon mal anschauen, wie groß eine solche Lücke sein könnte. Aber es ersetzt keine Beratung, Sie müssen auf jeden Fall zu einer seriösen Beratung gehen, zum Beispiel bei einer Verbraucherzentrale, um sich dort erklären zu lassen, was konkret fehlt. Fragender Musikakzent Take Beratung Anfang Schildern Sie doch bitte mal Ihr Anliegen. Also ich interessiere mich für eine Riesterrente, weil ich da, so weit ich das mitbekommen habe, am meisten Förderung vom Staat bekomme. Also erstens wollte ich überprüfen, ob dass für mich das Richtige ist. Kurze Frage, damit dass auch gut eingebettet werden kann in ihre persönlichen Verhältnisse: sie sind verheiratet? Ja. Haben Kinder? Zwei Kinder. Sie arbeiten? Teilzeit... Darüber Sprecher 1 München, Mozartstrasse 9. Im schlichten Besprechungsraum der Verbraucherzentrale liegen keine Prospekte mit Rendite- Rennern herum. Vorsorgeberater Merten Larisch braucht neben einem Laptop vor allem Stift und Papier für Notizen und Skizzen. Denn er will nichts verkaufen: Take Larisch Die Verbraucher, die zu uns kommen, zu einer Altersvorsorgeberatung, möchten oftmals auch wissen, wie sie mit der Altersvorsorge stehen, ob sie noch etwas nachlegen sollen, oder ob sie vielleicht etwas zu viel für die Altersvorsorge tun. Dort sehen wir, dass tatsächlich nur ein ganz geringer Teil der Bevölkerung ausreichend durch gesetzliche Rente, Erbe oder Beamtenpension abgesichert ist, und dass doch ein großer Teil etwas mehr für die Altersvorsorge tun sollte. Sprich: Die Rentenlücken sind tatsächlich vorhanden. Sprecher 1 90 Euro kostet eine umfassende Vorsorgeberatung über zwei Stunden, andere Beratungen sind billiger. Das Geld ist bestens investiert. Denn beim Sparen für` s Alter stehen schnell mal Tausend oder Zehntausend Euro auf dem Spiel, das übersehen leider viele Menschen: Take Larisch Es ist einfach spannender und mehr sexy, ein flottes Auto auszusuchen bei einem Händler und da Vergleiche anzustellen, als sich mit Finanz- Angelegenheiten zu beschäftigen. So kommt es, auch weil in der Schule die Lehrpläne nicht besonders gut bestückt sind mit diesem Thema, dass die Deutschen unterdurchschnittlich finanzgebildet sind und sich auch deswegen nicht gerne mit ihren eigenen Finanzen auseinander setzen. Sie vertrauen deshalb leider oftmals fälschlich den so genannten "Beratern" von Banken, Finanzvertrieben und überlassen denen die Entscheidung letztendlich für ihre eigenen Finanzen. Und das ist immer ein großer Fehler. Sprecher 1 Verbraucherzentralen und die Stiftung Warentest sind dagegen faire Ratgeber im Kampf gegen die Rentenlücke. Susanne Meunier von Finanztest: Take Meunier Als Erstes empfehlen wir immer die Riesterrente in Anspruch zu nehmen, weil man hier mit Hilfe des Staates etwas sparen kann, man bekommt ja eine Grundzulage für sich und wenn man Kinder hat, bekommt man weitere staatliche Zulagen, und kann das, was man eingesetzt hat an eigenem Geld, auch noch von der Steuer absetzen. Take Beratung Auf der anderen Seite gib es doch verschiedene Riester-Sparmöglichkeiten, und da wollte ich von Ihnen auch wissen, welche für mich die beste wäre, und dann hätte ich gerne noch eine Empfehlung von einem Anbieter, an den ich mich wenden kann, ohne dass ich zu viel Provisionen oder andere Dinge bezahlen muss und da auf dem richtigen Weg bin. Sprecher 1 Beim Riestersparen garantieren die staatlichen Zulagen eine passable Mindestrendite, gute Riester-Sparpläne bieten aber eine höhere Verzinsung. Doch die besten Riesterprodukte sind schwer zu finden, es gibt viel Spreu und wenig Weizen. Professor Andreas Oehler: Take Oehler Der Staat hat ja mit der Riesterförderung ja ursprünglich mal gedacht, die Versorgunglücke von ungefähr vier Prozentpunkten in den nächsten 20 Jahren auszugleichen, das heißt freiwillig sollte jeder dazu beitragen, sein Sicherungsniveau in Zukunft ungefähr zu halten. Die Produkte, die am Markt angeboten werden, haben aber grundsätzliche handwerkliche Fehler, die der Staat bisher bewusst zulässt. Also sie sind bekannt, sie sind beispielsweise bei Anfragen im Bundestag auch schon diskutiert worden. Diese Fehler liegen darin, dass die Kostenforderungen der Anbieter teilweise sehr hoch sind, oder- das Hauptproblem -die Produkte so intransparent sind, dass man teilweise selber nur sehr mühsam herausbekommen kann, wie teuer die Produkte sind. Ein Verbraucher, der keine besondere Vorbildung hat, kann zum Teil die Produkte gar nicht miteinander vergleichen oder kriegt gar nicht in seiner Region alle Produkte angeboten. Sprecher 1 Deswegen ist es so lohnend, die Fachleute der Verbraucherzentralen als Führer durch den Riesterdschungel zu engagieren. Sie empfehlen häufig sogenannte Riesterbanksparpläne, und zwar solche, die bei Finanztest gut abgeschnitten haben. Denn viele andere Riesterprodukte sind mit Vorsicht zu genießen, wegen hoher Verwaltungskosten oder anderer Tücken. Susanne Meunier: Take Meunier Als nächstes stellt sich die Frage, gibt es eine Betriebsrente, kann ich da selbst Geld reinstecken, gibt der Arbeitgeber etwas dazu? Und hier kann eben durch die staatliche Hilfe und die steuerliche Förderung sogar deutlich mehr rauskommen als bei der rein privaten Altersvorsorge. Sprecher 1 Allerdings nur, wenn die betriebliche Vorsorge gut gewählt ist. Ist die Rentenlücke nun immer noch nicht gefüllt, so ist zusätzliche private Altersvorsorge mit Produkten angesagt, wiederum nur mit geeigneten Produkten. Per Saldo empfiehlt Merten Larisch: Take Larisch Die besten Sparprodukte auch für die Altersvorsorge sind diejenigen, die sehr transparent sind, die sehr kostengünstig sind, wo man schauen kann, wie überhaupt der Geldanlageprozess, also die Renditegewinnung vonstatten geht. Nicht die komplizierten Produkte sind der Renner, weil die sind oftmals auch mit Risiken bestückt, aber auch mit hohen Kosten. Daraus zeigen sich dann ein Banksparplan, ein Riesterbanksparplan, Indexfondssparpläne, zum Teil auch betriebliche Entgeltumwandlungsprodukte als die Favoriten, die am pflegeleichtesten und trotzdem mit der wahrscheinlich höheren Rendite ausgestattet sind als eben Produkte, die leider oft vom Finanzvertrieb, von Banken von so genannten Vermögensberatern, angeboten werden, wo enorme Provisionen verdient werden, die natürlich dem Verbraucher von der Rendite abgehen, und die erhebliche Verwaltungsgebühren haben, die ebenfalls kein gutes Geldanlageergebnis erwarten lassen. Fragender Musikakzent Take Beratung Daraus ergibt sich eine Frage, die ich eigentlich überhaupt nicht hatte, es würde wahrscheinlich eher Sinn machen, erst mal alles zu betrachten war wir schon machen, was mein Mann macht, was ich mache ... Sprecher 1 Und einen umfassenden Vorsorgeplan aufstellen. Das kostet - wie schon gesagt - 90 Euro. Und es macht tatsächlich Sinn. Denn nur so erkennt man seine Rentenlücke, nur so findet man die beste Vorsorgestrategie. Ratloser Musikakzent Take Günter F. Ich bin weiterhin der Meinung, dass eigentlich nur die nächste Generation die beste Altersvorsorge ist. Und die beste private Vorsorge ist sowieso, aktiv, gesund, hell und wach zu bleiben das ganze Leben. Take Walter S. Ich hab lange überlegt, ob ich was in Richtung Rürup- oder Riesterrente mache, aber da sind bei den konservativen die Renditen sehr gering, 2,5 Prozent, die gerade die Inflation abdecken, und alles, was dann börsennotiert ist, den Gewinnen traue ich nicht. Deshalb habe ich mich jetzt entschlossen, in Sachwerte zu investieren und hab eine kleinere Wohnung, eine Immobilie gekauft. Weil ich mir denke, dass dieser Sachwert zumindest inflationsbereinigt erhalten bleibt und auch später im Falle einer Rente nicht verloren geht, sondern meinen Nachkommen erhalten bleibt. Ratloser Musikakzent Sprecher 1 Momentan liegt die Inflationsrate zwar bei Null. Aber viele erwarten bald höhere Inflationsraten - wohl mit Recht. Merten Larisch: Take Larisch Man darf bei der Planung der Altersvorsorge auf keinen Fall vergessen, dass eine bestimmte Inflation immer die Gesellschaften begleiten wird. Man sollte für seine Altersversorgung eher eine durchschnittliche Inflationsrate für seine Planung berücksichtigen, zum Beispiel 2,5 Prozent pro Jahr. Dann fährt man ungefähr richtig. In Angst zu verfallen vor einer Hyperinflation, ist auch nicht der richtige Weg. Es ist besser, vor anderen Risiken sich genauso zu schützen, indem man seine Geldanlage einfach auf verschiedene Anlageklassen verteilt, dann entgeht man im Durchschnitt diesen großen Risiken auch der Hyperinflation. Sprecher 1 Häuser und Wohnungen schützen zwar theoretisch besser vor Inflation, als Geldanlagen. Aber die Immobilienrenditen sind oft gering, der Verwaltungsaufwand ist groß, der Verkauf manchmal schwierig, und der Verkaufswert schwankt mit der Nachfrage. Andreas Oehler: Take Oehler Die Investition in eine eigene Immobilie macht auf den ersten Blick Sinn, weil man dann in einem bestimmten Zeitraum, wenn man schuldenfrei gestellt ist, relativ günstig in der eigenen Immobilie wohnen kann. Die Problematik steht an einer anderen Stelle: Sie müssen ihre gesamte Altersvorsorge ja versuchen, in einem gesamten Topf zu planen. Und die Immobilie hat dort ein sehr großes Gewicht. Also ich muss aufpassen, wenn ich eine große Investition mache in eine Immobilie, die dann viel von meiner Altersvorsorge ausmacht vom Wert her, dass ich in den anderen Altersvorsorgeprodukten gerade nicht auch wieder immobiliennah investiere. Sprecher 1 Auf eine ausgewogene Mischung achten, auch das gehört zu einem krisenfesten Vorsorgeplan. Den man aber ab und zu neu checken sollte. Susanne Meunier von Finanztest: Take Meunier Dann versucht man am Besten immer wieder mal, einen Strich zu ziehen und zu kucken: Wie viel sammelt sich denn da eigentlich an, wie viel wird in den nächsten Jahren dazu kommen, und kann ich vielleicht noch ein Erbe erwarten, habe ich ansonsten schon Vermögen angesammelt, und dann immer wieder mal einen Kassensturz zu machen, um herauszufinden, wie man so dasteht. Pfiffiger Musikakzent Take Walter S. Die Lehre war eigentlich die, dass das konservative Anlegen vielleicht doch nicht so verkehrt war, und ich muss nicht zu den großen Gewinnern dazu gehören, aber dann gehöre ich auch nicht zu den großen Verlierern dazu. Take Günter F. Ich hab einen Teil auf Risiko, das macht mir Spaß, und die große Menge natürlich auf Sicherheit für die Altersvorsorge. Wobei ich immerhin noch glaub, die einzig echte Sicherheit ist die gute Beziehung zur nächsten Generation. Pfiffiger Musikakzent Sprecher 2 Ratlos in der Rentenlücke - Private Altersvorsorge nach dem Crash Eine Sendung von Stefan Schmid Es sprachen: Michael Rotschopf und Nico Selbach Ton: Ralph Perz Regie: Stefanie Lazai Redaktion: Stephan Pape Produktion: Deutschlandradio Kultur 2009 1