DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Dresden, Februar '45 - Der Feuersturm im deutschen Rundfunk Ein Feature von Eva-Maria Götz Sprecher: Lars Schmidtke, Josef Tratnik, Franz Laake Autorin: Produktion: 1. und 2.2. 2010/ M2 ab 8.30 Uhr Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar - Sendung DLF : 5. Februar 2010, 19.15 Uhr Musik: Schostakowitsch, Streichquartett c-moll Nr 8, op.110; 1. Satz , 1`20 Emerson String Quartett Arch.Nr. 60596031 (SWR Eigenproduktion) A 01 01 Nazi-Rundfunk Meine Hörerinnen und Hörer, Langsam und allmählich erst hebt sich der Vorhang über dem furchtbaren Verbrechen, dass in der Nacht zum 14. Februar an der Stadt Dresden verübt wurde. 02 Nazi Chef Bei dem Angriff auf Dresden sind in 24 Stunden über 50.000, und zwar meist Frauen und Kinder durch die Angloamerikaner hingemordet worden. Musikzäsur 03 DDR- Feature Dresden, das Elb- Florenz schien gestorben, gestorben wie die 35.000 Kinder, Frauen, Männer und Greise, die unter den Trümmern der so jäh zerschmetterten barocken Schönheit lagen. Musikzäsur 04 BRD-Feature 70.000 Tote liegen in den Trümmern, soviel wie bei dem Atombombenabwurf über Hiroshima. Musik: Schostakowitsch Streichquartett Nr. 8 c moll Sprecher: DRESDEN, FEBRUAR `45- Der Feuersturm im deutschen Rundfunk Ein Feature von Eva-Maria Götz Autorin Keine andere Stadt in Deutschland wird so mit den alliierten Bombenangriffen des 2. Weltkrieges identifiziert wie Dresden: hier seien, so die verbreitete Meinung, die meisten Menschen ums Leben gekommen, die Zerstörungen am verheerendsten, die Angriffe am brutalsten gewesen. Doch dies sind Aussagen, die den Fakten nicht standhalten: die meisten Opfer ? im Verhältnis zur Einwohnerzahl - gab es in Pforzheim; die Zerstörung von Hamburg, Köln, Mannheim, Kassel und vieler anderer Städte war nicht weniger gründlich und nachhaltig. Und doch nimmt Dresden eine Sonderrolle ein. Denn die Bombenangriffe auf diese Stadt wurden instrumentalisiert, bevor die Flammen gelöscht, die Opfer geborgen waren. Und die Erinnerung an die Bombennächte wurde wach gehalten wie eine Wunde, die nicht verheilen darf. Musikzäsur und A04 Sprecher: Kapitel 1: Der Bombenangriff im deutschsprachigen Rundfunk bis zum Mai 1945 05 Frau: Die Leute brannten doch alle, die Kinder, die brannten, so ein kleiner dreijähriger Junge, in seinem Kieler Anzug, der schrie und brannte Onkel, Onkel, rief er immer....,. Sprecher Unbekannte Zeugin, Großdeutscher Rundfunk, 16. Februar 1945 05 Frau Es war so entsetzlich, man musste sich die Ohren zuhalten, um diese wahnsinnigen Schreie nicht zu hören. Da haben sich die Menschen aneinandergeklammert. Und dann haben wir 5 Stunden gestanden in diesem Feuermeer und die Leute wurden immer weniger.... 06 Müller Takeband Es ist einerseits, wie ich meine, der letzte Propagandasieg von Joseph Goebbels, dem es gelungen ist, unmittelbar nach dieser Katastrophe der Stadt in die internationale Öffentlichkeit hinein das Beispiel Dresden anzuprangern. Sprecher Prof. Dieter Müller, Militärhistoriker, Leiter der Kommission zur Aufarbeitung des Bombenangriffs auf Dresden. 07 Nazi -Rundfunk Der Fall des Verbrechens an Dresden stellt eine so einzigartige Häufung aller bisher schon so oft beobachteten Elemente des feindlichen Vernichtungswillens dar, dass man ihn schon anders behandeln muss, als die vielen hundert bisherigen Akte des feindlichen Luftterrors. Sprecher Hans Fritsche, Rundfunkverantwortlicher im NS-Propagandaministerium. Großdeutscher Rundfunk, 20. Februar 1945 07f Schon als die ersten Nachrichten aus Dresden kamen, da schrieben nicht nur deutsche Zeitungen wehmütige Worte über die einzigartigen Schätze der Kultur, die der Vernichtung anheim gefallen sein mussten. Mit teuflischer Absicht wurden zunächst große Mengen von Brandbomben auf Dresden herab geworfen, und zwar grade auf den dichtest besiedelten Teil der Stadt, durch den nur eine einzige dünne Verkehrslinie führt, und in welchem es so gut wie keine einzige Fabrik gab. Sondern neben öffentlichen Gebäuden, Kirchen und Museen nur Wohnungen, nichts als Wohnungen. 07b Hier spricht 1212. Der Nachtsender 1212 grüßt den Rheinländer und den Landser an der West-Front . Hier spricht 1212-Es folgen Frontberichte: Sprecher: 1212, US-amerikanischer Sender für die deutsche Bevölkerung, 15. Februar 1945 In Dresden, das nach den gestrigen anglo-amerikanischen Terrorangriffen völlig das Gepräge einer Frontstadt angenommen hat, wüten heute noch gewaltige Brände im Stadtzentrum. Durch beißenden Rauch bahnen sich Volkssturm und Feuerwehrmänner ihren Weg, um den unter den Trümmern Begrabenen Hilfe zu bringen. Weit über 1800 englische und amerikanische Bomber waren an den beiden Terrorangriffen gegen Dresden beteiligt, die offensichtlich mit dem sowjetischen Vormarsch in Zusammenhang standen. . 08 Musik von Naziparteitag unter: 09 O-Ton Naumann: Meine lieben Parteigenossen Die Situation ist nun inzwischen so ernst geworden, dass der Einsatz der gesamten nationalsozialistischen Aktivität von Nöten ist. Wir müssen heute, so wie in den besten Zeiten der Kampfzeit die deutsche Bevölkerung und die Truppe mit einem ganz fanatischen Kampfgeist erfüllen. Denn allein die Erfüllung der Truppe und der Bevölkerung mit diesem Geist ist die Voraussetzung des Sieges. Sprecher: Werner Naumann, Goebbels` Staatssekretär und späterer Nachfolger auf einer Kundgebung der NS-Führerschaft Oberbayern. Großdeutscher Rundfunk, nach dem Angriff auf Dresden 09 f Ich weiß, dass es heute sehr schwer ist für einen politischen Leiter da draußen in einer Ortsgruppe, wenn er die Fragen beantworten soll, ob der Krieg denn noch einen Sinn habe. Müssen wir nicht kapitulieren? Kann man den Krieg überhaupt noch siegreich zu Ende führen usw. usw. ..... Kapitulieren niemals, das kann nicht sein, Parteigenossen, denn darüber kann ja nun heute kein Zweifel mehr bestehen, wie die Absichten des Feindes lauten und was der Feind mit uns vorhat. .... 12 Ich sah noch keine Stadt, in der sich der verbrecherische Vernichtungswille unserer Feinde so satanisch austobte wie hier in Dresden. Alles was an kulturhistorischen Bauten in Stein geformt, Schönheit und Wert dieser Stadt ausmachte, die zu den schönsten Städten im Deutschen Reich zählte, ist ein Raub der Flammen geworden. Sprecher: Reporter im Großdeutschen Rundfunk, 20. Februar 1945 12f Satanischer kann sich der Ungeist eines verrohten Vernichtungswillens nicht offenbaren, der mit Sprengbomben und Phosphor jahrhundertealte Kultur auslöscht. 05 Frau: und da haben sich die Menschenaneinander geklammert und die Funken gegenseitig ausgemacht und die brennenden Fetzen gerissen vom Leibe... 14 Das ist Mord, das ist Verbrechen, das ist teuflisch. Jetzt nicht weich werden, jetzt hart sein, immer härter, jetzt nicht nachgeben, jetzt erst recht nicht! 15 (Fritsche) Es ist deshalb auf feindlicher Seite auch schon seit geraumer Zeit ein moralischer Entlastungsfeldzug im Gange, der vorsorglich dem Ziel dient, die Augen der Welt zu schließen und das Gewissen der Menschen gegen jede Berührung zu panzern. 16 Radio Luxemburg Moskau: Die russische Staatskommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen hat als vorläufigen Bericht über die Untersuchungen des Konzentrationslagers Auschwitz in Polen veröffentlicht. Diesem Bericht zufolge übertraf das Lager alle deutschen Lager in Bezug auf Ausstattung, Größe, Organisation und die massenhafte Hinrichtung seiner unglücklichen Opfer. Sprecher: Radio Luxemburg, Mai 1945: 16 f Hier sind die Ergebnisse: über vier Millionen Russen, Polen, Franzosen, Holländer, Jugoslawen, Tschechoslowaken, Rumänen und andere sind hier seit 1939 ermordet worden. 17 Westphalen ... muss sich vor Augen führen, dass unmittelbar vor dem 13. Februar 1945 Auschwitz befreit wurde, und... Sprecher Thomas Westphalen, Leiter des sächsischen Landesamtes für Archäologie, Mitglied der Historiker- Kommission zur Aufarbeitung des Bombenangriffs auf Dresden. Westphalen wie oben 17f .... die Nazi-Propaganda einfach auch reagieren musste und das konnte man natürlich machen, indem Kriegsverbrechen konstruiert wurden. Man kann zu den Angriffen sagen was man will, aber sie auf eine Stufe mit Vernichtungslagern, mit KZs zu heben, das halte ich nicht für seriös. 18 N- Rundfunk Fritsche So wurde und wird diese Art des Kampfes gegen Frauen und Kinder, die nicht das Geringste mehr mit Krieg zu tun hat, mit den Emblemen der Bestrafung für eine Schuld umgeben. Sprecher: Hans Fritsche, NS- Rundfunkbeauftragter, 20. Februar 1945 19 Achtung, Achtung, Abteilung Eingriff ND-Ortsgruppe Dresden. Sprecher: Radiosender des Nationalkomitees Freies Deutschland, 21. April 1945 19f Wie unsere Überwachungstrupps mitteilen, hat der Bluthund Gauleiter Mutschmann sich nach seiner Flucht aus Leipzig ins Protektorat begeben, ist aber sofort wieder nach Norden gefahren, um sich in Dresden festzusetzen.... Wenn es nach ihm ging, würde in dem bereits schwer mitgenommenen Dresden kein Stein auf dem anderen bleiben und kein Dresdener würde, wenn er sein Leben retten könnte, nicht zumindest obdachlos werden. Das "Neue Deutschland" erkennt in Mutschmann einen der größten Volksschädlinge und erklärt ihn hiermit für vogelfrei. Jedes Mitglied der Eingriffortsgruppe Dresden und jeder Bürger der Stadt wird hiermit dazu aufgerufen, das Todesurteil an Mutschmann zu vollstrecken. Zäsur: 21a Signet Deutschlandsender und Musik von Anfang Sprecher Kapitel 2: Dresden - Frontstadt im Kalten Krieg. Der DDR-Rundfunk 20 Ansprache: 12 Jahre faschistischer Gewaltherrschaft liegen hinter uns. Die materiellen Trümmer bedürfen keiner Ausführung, wir sehen sie in Grauen erregender Form und Zahl rings um uns. ... Als wir in den letzten Monaten nach und nach erfuhren, welch unglaubliche Verbrechen in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern verübt worden sind, haben wir es kaum fassen können, das Menschen, die sich auch Deutsche nannten, solcher Untaten und Gemeinheiten fähig waren. Sprecher Rundfunk in der sowjetischen Besatzungszone, 29. September 1945 20 a Widera Am Anfang, also beim ersten Jahrestag 1946, hatte die sowjetische Militäradministration untersagt, eine antiwestliche Propaganda zu starten. Sprecher Thomas Widera, Historiker an der TU Dresden, Mitglied der Kommission zur Aufklärung des Bombenangriffs 20a f Widera Das änderte sich dann unmittelbar mit dem Beginn des Kalten Krieges. Die SED schwenkte auf die Propagandalinie des Nationalsozialisten Goebbels ein. Also sie griffen wieder auf alte Muster zurück, da er ja damals schon die Luftangriff der Alliierten als Terrorangriffe bezeichnet hatte und dieser Begriff setzte sich dann auch durch. 21 (auf Musik) Untergang und Auferstehung einer Stadt. Eine Hörfolge von Dr. Karl-Georg Egel..... 25 Hörstück/K.G. Engel: (Bombenabwurf) Das ist der 13. Februar 1945. Es ist 21. 35 Uhr. In das Elbtal eingebettet liegt die Stadt dunkel ausgebreitet. Über die südliche Hügelkette allmählich ein gleichmäßiges anschwellendes Dröhnen. Wenn du auf den Hügeln stehst, scheint die Stadt ruhig geh aber tiefer in die Straßen, dann hörst du Menschen rufen, hasten, rennen. Eilig, planlos: die Flüchtlinge aus den Massenquartieren, unkundig der Stadt suchen irgendwo Unterschlupf. Die Bewohner auf den östlichen Hügeln hören in der Ferne den Geschützdonner der Roten Armee. In einigen Tagen wird sie hier sein. Es ist 21.38 Uhr. Über der Stadt werfen Geschwader Leuchtschirme, es wird taghell. 21.40 Uhr. Die-Stadt-hält-den ?Atem-an: 25 f Hörstück/K.G. Engel "Vati, komm rein" Das verzweifelte Drängen der Flüchtlinge erstarrt. Sie drücken sich an die Wand. "Das gilt uns, lieber Gott, hilf mir. " Autorin: Im Mai 1949 sendete der Rundfunk der SBZ eine aufwendig gestaltete "Hörfolge" über den Bombenangriff und das neue Leben, das zaghaft in den Ruinen zu blühen begann. Die Angriffe werden hier erst mals als ein Schicksalsschlag beschrieben, der Dresden und seine unschuldigen Einwohner unerwartet getroffen hat. 24 Hörstück/K.G. Engel "Achtung Achtung, Flüchtlinge Ruhe bewahren"... Erika halt mich fest... Menschen auf der Flucht, Schreie, Schluchzen "Mutti!" "Der Keller ist überfüllt".... den Anweisungen der Ordner ...ist Folge zu leisten...Bomberanflug... 24a Hörstück/K.G. Engel Jenes Versunkene steht wieder in uns auf. Jeder von uns hat diesen Augenblick erlebt. Ich bin heute durch die Straßen dieser Stadt gegangen. Hier in der Abenddämmerung in den Schutthalden und Ruinen steht diese Stunde von Dresden wieder auf. (24 als Zäsur dazwischen hoch) 24a f Diese Feuernacht, die sich zusammensetzt aus Hoffnung und Panik, Angst und Verzweiflung, von 600.000 Einwohnern und 1 Million Flüchtlinge. Während wir über das Ruinenfeld blicken, versammeln sich all diese tausende Stimmen zu einer. 22 Hörstück/K.G. Egel Die letzten Schritte bis zum Altmarkt wollen wir nicht mehr gehen. Dorthin wo meterhoch übereinandergeschichtet Tag für Tag und Nacht für Nacht mit Flammenwerfern vernichtet wird, was die Hitze, der Qualm, die Panik, herab fallende Trümmer, Sauerstoffmangel noch übrig gelassen haben. Von jenen tausenden, die hier überrascht wurden. Am 13. Februar 1945. Von einer ihnen unverständlichen Aktionen, befohlen, von ihnen unbekannten Menschen, aus ihnen unbegreiflichen Gründen, ausgearbeitet weit von hier auf großen Kartentischen, gezeichnet von gepflegten Händen. Die dann später von Männern anerkennend gedrückt wurden, von Männern, deren Name und Gesicht jenen hier niemals bekannt war. . 27 Hörstück/K.G. Engel ..."Captain, ist gleich soweit" "Allright" "Wir fliegen den rechten Markierungspunkt von unserem Planquadrat an" Lampenfieber, Captain?" "Bisschen.... Charakteristische Punkte, nicht zu verfehlen: 3 Türme und eine Kuppel. Da: kannst du schon sehen. Rechts: Grenzlinie: Frauenkirche, Schloss. Linke Seite: Kreuzkirche, Annenkirche." .... "Jetzt!" "Achtung Boys: fertigmachen zum Abwurf" 29 Thomas Widera Zum historischen Verständnis ist hier von großer Bedeutung die klassische Definition des Faschismus durch die kommunistische Internationale, dass das die "offene faschistische Diktatur die Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischsten Elemente des Finanzkapitals sei." In dieser Perspektive waren die bürgerlichen Demokratien des Westens und der Faschismus lediglich zwei unterschiedliche Ausprägungen des kapitalistischen Systems, das auf der gleichen ökonomischen Basis beruht. Diese Sichtweise war repräsentativ für die gesamte Zeit der DDR. 31 Hörstück/K.G. Egel, fiktives Telefonat zwischen Gauleiter Mutschmann und Propagandaminister Goebbels Telefon: "Hier Mutschmann." "Ich verbinde mit dem Minister" "Was für Nachrichten aus Dresden?" "Tolle Sache für Sie: der Zwinger zerstört und die Brühlsche Terrasse. Alle Kulturbauten im Eimer" "Na also! Übrigens: die Verbindung mit ihrem Charles Boger nicht abreißen lassen. Der Mann ist nicht mit Gold zu bezahlen." "Na immerhin war abgemacht, dass er uns drei Tage und nicht 24 Stunden vor dem endgültigen Termin benachrichtigt." "Unsinn. Für uns drängst genauso wie für die. War höchste Zeit. Jede Stunde, in der wir eher in den Flammen des Abendlandes mit Hass und den Widerstandwillen des Volkes anfachen können ist eine Chance mehr für uns. 32 Hörstück/K.G. Egel Von der Anklage zur Erkenntnis. Der Einmarsch der Roten Armee rettete die Stadt vor weiteren Bombardements. Den ersten Schritt, der den Untergang aufhielt, tat diese Armee. Sie schlug die erste Notbrücke. Sie gab die ersten Lebensmittel. Sie forderte die Bevölkerung auf, Hand anzulegen bei der Wiedererweckung des Lebens. 33 Widera So lautete auch eine der Losungen der Gedenkfeiern: Amerikaner haben Dresden zerstört. Mit Hilfe der Sowjetunion bauen wird es wieder auf! Diese Darstellung war natürlich besonders wichtig, um das schlechte Ansehen der Roten Armee vergessen zu machen. Gewalt und Sexualverbrechen haben auch in den Quellen und nicht nur in den persönlichen Erzählungen und Erinnerungen merkliche Spuren hinterlassen. 35 Hörstück/K.G. Engel Collage: Atlantik Pakt zur Sicherung des Abendlandes- Senat bewilligt Budgeterhöhung für Düsenbomber- US- Manöver in der amerikanischen Zone- 36 Hörstück/K.G. Engel Schon wieder wollen sie uns aus den Fabriken und von den Gerüsten holen, um uns gegeneinander zu hetzen, das mühsam aufgebaute wieder in Schutt zu verwandeln. Aber es hilft ihnen nicht mehr ihr Planen, denn diejenigen, die nach ihrem Plane handeln sollen, all die Millionen in all diesen Städten haben es satt: sie fordern den Frieden. Und mit der gleichen Kraft, wie sich jetzt gegen die Trümmer wenden, würden sie sich dann gegen jene wenden, die Trümmer wollen. . (Zäsur 21a) Darüber Autorin: Die Stimmung ist gesetzt, das Thema eingeführt. Die Berichterstattung über die Dresdner Bombennächte und den Wiederaufbau der Stadt variiert in den Folgejahren nur die einzelnen Motive. (Filmmusik) Sprecher: Erstens: Die Beschwörung des alten Dresden, seiner Kunstschätze und prachtvollen Bauten und die Trauer um die Verluste. 38 "Und Dresden lebt" (auf dramatischer Musik) Dresden, die Köstlichkeit an der Elbe, besungen von Dichtern, gemalt von Canaletto, Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich, Dresden, das Elbflorenz schien gestorben. Gestorben wie die 35.000 Männer, Frauen, Kinder und Greise, die unter den Trümmern der so jäh zerstörten Schönheit lagen, die in den Feuerstürmen verbrannten wie lebende Fackeln, erstickten oder zerrissen wurden. Sprecher: "Und Dresden lebt", Rundfunk der DDR, 1953 38 f 7 Tage lang wie einst das zerstörte Jerusalem oder Karthago.... 39 "Die sozialistische Großstadt ... ." ....35.000 Tote, 14.000 Häuser, 80.000 Wohnungen zerstört. Alles in allem 18. Millionen m3 Trümmer. Sprecher "Die sozialistische Großstadt Dresden zwischen gestern und morgen", DDR-Rundfunk 1980 39 f Von 30 bedeutenden Gebäuden der Innenstadt, von Zwinger, Hofkirche, vom Schloss, vom Taschenbergpalais, der Galerie, sprach man nur noch in der Vergangenheit. auf dramat. Musik) Sprecher: Zweitens: die den Opfermythos bedienende Schilderung der Bombennacht 40 Und Dresden lebt. Wenige Minuten später schon heulen die Sirenen auf, voll Alarm. Und dann geschieht das Unfassbare, folgen jene drei Angriffe, die niemals mehr ausgelöscht werden können aus der Erinnerung der Dresdner. Heute , am 8. Jahrestag der Zerstörung ihrer Stadt mögen jene Stunden wieder greifbar nahe an ihnen vorüberziehen. Sprecher: Und Dresden lebt, 1953 05 Es war so entsetzlich, man musste sich die Ohren zuhalten, um diese wahnsinnigen Schreie nicht zu hören. Sprecher: Und der Zukunft zugewandt, DDR-Rundfunk 1970 42 Rundfunk der DDR 85/ O- Ton Gret Palucca Ich habe da sehr viel Grausames erlebt, aber das Schrecklichste war, dass ich eine junge Frau liegen sah, die rechts und links ein Kind in der Hand hielt, und die zu mir sagte, Hilfe, Hilfe, meine Kinder, und sie war in der Mitte durchgeschnitten, ich weiß nicht, ob von Bomben getroffen oder von den Bäumen, die umgestürzt waren, und ich stand da und wusste nicht aus noch ein. Sprecher: Die Choreographin Gret Palucca, Stimme der DDR, 1985 43 Thomas Widera: Um die Bevölkerung zur Mitarbeit zu bewegen, wurde ihnen in Aussicht gestellt, wer sich tatkräftig am Aufbau beteiligt, kann sich somit auch von seiner Schuld der vergangenen Jahre "reinwaschen" In der politischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, also mit dem Antifaschismus in der Propaganda der DDR blieben Fragen von Schuld und politischer Verantwortung unbeantwortet. Diese Geschichtserzählung folgte einem ganz bestimmten Muster natürlich. Die Betonung der Gefährlichkeit des Nationalsozialismus kehrte die Ohnmacht der Bevölkerung heraus, die Gefährdung im Bombenkrieg und der eigene Opferstatus erzeugten eine Distanz zum Nationalsozialismus und eine indirekte Nähe zu den Opfern der Nationalsozialisten. (dram. Musik) Sprecher Drittens: Die angloamerikanischen Imperialisten und ihre niedrigen Beweggründe. 44a Arbeiter im Transformatorenwerk -Fred, weißt du noch, wie wir gestern hier so beisammen saßen, da haben wir uns gefreut über unser Werk, wie es wächst und wie wir wieder schaffen können....Und als ich gestern Abend nach Hause kam, da hab ich in der Zeitung gelesen, wie der Dalles nach Wesdeutschland kommt, dieser Mensch, der der Verbrecherclique angehört, die unser Dresden vernichtet haben. Du hast Recht Rudi, gut dass du davon anfängst... Sprecher: Und Dresden lebt, 1953 44a f - -Jeder weiß doch eigentlich, dass Dresden gar nicht entscheidend war für den Ausgang des Krieges. Die Sowjetunion sollte dieses Gebiet bekommen, und da hat man jetzt Dresden kaputtgemacht, nur um den demokratischen Aufbau hier zu stören. 45 Kommentator 1965 Die tiefste Wurzel dafür, dass der vernichtende Schlag des 13.zum 14. Februar 1945 immer wieder zu neuen Erörterungen Anlass gibt, liegt darin, dass sich hier in besonders krasser Weise die Klassenlinie ausdrückte, die von den angloamerikanischen Partnern der Anti-Hitler Koalition während des Krieges verfolgt wurde. Sprecher DDR-Rundfunk 1965 In der Tat, die Stadt ist nicht nur einfach wieder gesundet.... Dresden ist Weltstadt... Zentrum der modernsten, aktuellsten Wissenschaft... Und es mag Zufall sein, dennoch: unser erster Atomreaktor steht in jener Stadt, deren Zerstörung durch die Atombombe eher zur Diskussion stand als Hiroschima... Sprecher: Radio DDR,1970 46a Widera Der kommunistische Oberbürgermeister von Dresden, Walter Weidauer, meinte, dass Dresden auf Wunsch des britischen Premiers Winston Churchill aufgespart worden sei, um zum Termin der Konferenz von Jalta im Februar 1945 Ziel einer Atombombe zu werden, um auf diese Art und Weise Stalin in den Verhandlungen über die Nachkriegsordnung Europas zu Zugeständnisse zu zwingen. Weidauer ist bei dieser Propagandalinie selbst von sowjetischen Historikern zurückgepfiffen worden, eben weil er keine Quellen dafür hatte. (dramt. Musik) Sprecher Viertens: Die Retter mit dem roten Stern 48 Unter anderem war vorgesehen, Dresden kampflos einzunehmen. Ein sowjetischer Soldat erhielt den Auftrag, ein Telefongespräch zu führen mit dem Dresdner Oberbürgermeister bzw. dem Magistrat. Infolge der weiteren Entwicklung des Vormarsches kam es dazu, dass Dresden kampflos übergeben wurde, dass nur ganz wenige Kampfhandlungen am Platz der Einheit geführt wurden. Sprecher: Der Dresdner Historiker Dr. Wehner im Deutschlandsender, 1970 48 Dieses Beispiel beweist, dass schon damals die Sowjetunion von den humanistischen Praktiken ausging, die deutschen Städte kampflos einzunehmen. 50 Rückgabe der Kunstschätze Wir befinden uns in einem der Säle des Staatlichen Puschkinmuseums der Bildenden Künste. Zum feierlichen Akt der Übergabe der Bilder der Dresdner Gemäldegalerie ist eine Regierungsdelegation der DDR eingetroffen. Zusammen mit ihnen erscheinen der stellvertretende Kulturminister der UdSSR, Kastanow, der (Nennung weiter Namen, darauf Sprechertext) Sprecher: DDR-Rundfunk am 25. August 1955 Das erste Bild, das von der Sowjetunion der DDR übergeben wird, ist das Gemälde des großen deutschen Malers, Albrecht Dürer, Bildnis eines jungen Mannes. Die Übergabe dieser größten Kunstschätze an die Regierung der DDR ist ein eindringlicher Beweis für die erstarkende Freundschaft zwischen dem deutschen Volk und dem Sowjetvolk. Ist ein Zeugnis der konsequenten Friedenspolitik der Sowjetregierung. 47 England und die USA schickten den Dresdenern im Februar 1945 als "Geschenke der Zuneigung" 2978 Tonnen Brand- und Sprengbomben. Soldaten der Sowjetarmee, die als Freunde und Befreier kamen, brachten Brot, Kartoffeln, Milch für die Jüngsten. Sprecher: Deutschlandsender, 1970 49 Die Soldaten mit den roten Stern an der Mütze halfen nicht nur mit Lebensmitteln und Medikamenten. Zusammen mit den deutschen Genossen, Kommunisten,Aktivisten und Widerstandskämpfern der ersten Stunde gingen sie daran, die geistigen und materiellen Trümmer zu beseitigen, den Weg für ein neues friedvolles Leben zu ebnen. Diese Hilfe bleibt unvergessen. (dram. Musik) Sprecher: Und Fünftens: Die neue sozialistische Stadt und der neue sozialistische Mensch. 51 Weidauer: Dresden hatte früher bei 630.000 Einwohner nur 90.000 Industriearbeiter, Jetzt, bei 510 000 Einwohnern sind es 135000. Damals hatte aber Dresden hatte die meisten Anzahl an Beamten von allen deutschen Großstädten, nämlich 25 Prozent währendem der Reichsdurchschnitt bei 12 Prozent lag. Sprecher: Walter Weidauer, Oberbürgermeister von Dresden, 1946 bis 58 51 f Weiter wir oben Es war klar, dass wir nach 1945 für die 25 Prozent Beamte keine gleichwertige Beschäftigung mehr bieten konnten und wollten. Aber diese Leute, die wollten nicht so leben, wie wir ihnen vorschlugen, nämlich in die Betriebe, auf den Bau zu gehen, aber sie konnten auch nicht mehr so weiterleben wie bisher. Bei mir ist damals gewesen die Frau eines ehemaligen Regierungsrates, er war im Krieg gefallen. Sie hatte sich nach 1945 einige Jahre versucht, sich mit Kunstgewerbe über Wasser zu halten. Sie sollte dann in unserem Betrieb "Elbflorenz" eine Arbeit aufnehmen. Sie kam zu mir und versuchte das abzuwenden, ich erklärte ihr deutlich, wenn sie so weiterlebt wie bisher, und sich weigert, gibt es für sie nur zwei Fragen: entweder Abstieg in das Leben der Asozialen oder Aufnahme einer ehrlichen Arbeit. 52 Und der Zukunft zugewandt Aus Kaffeeschrumseln und Kränzchentanten, aus arbeiterfeindlichen Beamten, willfährigen Lakaien und Nichtstuern Werktätige zu machen, ihnen einen festen Platz in der neuen Gesellschaft zu geben, Sprecher: Deutschlandsender, 1970 sie für eine aktive Mitarbeit zum Wohle und Nutzen aller zu gewinnen, dieser Umerziehungsprozess war weitaus schwieriger als die Trümmerberge vom Altmarkt abzutragen. 53 Eine Stadt ist zu sich gekommen, jenes Dresden, das vor 25 Jahren im Bombenhagel unterging, wie es schien, ist anders geworden, menschlicher geworden, und das heißt, dass sich in Dresden unter sozialistischen Bedingungen ein eigentlicher Bürgersinn entwickelt. Die Stadt ist alt und jung zugleich, und ihre Zukunft ist gesicherter als je zuvor. .. Sprecher: Radio DDR, 1970 Ja ich melde mich aus dem Foyer... und in wenigen Minuten wird der Kulturpalast an die Bevölkerung der Stadt übergeben....weithin sichtbar leuchtet die kupferne Kuppel das Daches...vor dem Palast auf der Ernst-Thälmann-Straße.... monumentales Wandbild, das den siegreichen Weg der roten Fahne belegt.... (Musikzäsur) Sprecher Kapitel 3: Dresden im bundesdeutschen Rundfunk Autorin Der Hörfunk der Bundesrepublik befasste sich bis 1989 vergleichsweise wenig mit den Bombenangriffen auf Dresden. Die Berichte waren im Ton weniger pathetisch und ideologisch, doch auch hier wird der Angriff sehr drastisch geschildert. Die Opferzahlen werden weit höher eingeschätzt als im DDR-Rundfunk - und hier tauchen erst mals Augenzeugenberichte über Tieffliegerangriffe auf Zivilisten auf. 55 135.000 Tote nennt die Statistik, fast doppelt so viele wie in Hiroshima, das Wahrzeichen der Stadt, die mächtige Kuppel der Frauenkirche sinkt in sich zusammen, doch wen kümmert das noch. Sprecher Untergang und Wiederaufbau einer Stadt, Hessischer Rundfunk 1965 55f Auf dem Altmarkt, unter dem Denkmal der Germania, errichtet man auf Eisenträgern einen Scheiterhaufen, 9000 Leichen werden mit Benzin übergossen und verbrannt. Draußen auf dem Heidefriedhof reicht eine acht Meter breite und 5 Meter tiefe Grube aus, die Asche aufzunehmen. 56 HR Die Stadt, die in Friedenzeiten 630.000 Einwohner hatte, war bis zum Vorabend des Krieges überfüllt mit Leute aus Pommern, Schlesien und Ostpreußen, mit Berlinern, mit Gruppen evakuierter Kinder, mit Zwangsarbeitern vieler Nationalitäten, das die Bevölkerung jetzt auf 1 400000 angestiegen war. Einige Hunderttausend von ihnen hatten kein richtiges Zuhause, und konnten daher auch nicht in eigenen Luftschutzkellern Zuflucht suchen. Die Zahl der Toten war dementsprechend hoch. Sprecher 40. Jahrestag der Bombardierung, Hessischer Rundfunk, 1985 56f weiter wie oben Bis heute halten sich hartnäckig Schätzungen, die von 200.00 bis 300.000 Toten sprechen. Die richtige Zahl liegt bei etwa 70.000 Toten, genauso vielen, wie bei der ersten Atombombenexplosion in Hiroshima ums Leben kamen. 57 HR Die Überlebenden sind grade aus den Kellern geklettert, da rollt die zweite Angriffswelle an und am nächsten Mittag die 3. 1000 amerikanische Langstreckenbomber setzen zum Todesstoß auf die sterbende Stadt an. Sprecher Hessischer Rundfunk, 1999 Frau: Die Leute lagen die Elbufer lang mit ihrem bisschen Habe was sie gerettet hatten Da kamen die Bomber und schossen rein in diese Menschen also gezielt nur auf diese Menschen. Es war entsetzlich. Zäsur 58 Es klingt unglaubhaft, aber es ist Tatsache: So wie der Zwinger 1945 ein Haufen Schutt war und dennoch wieder erstanden ist, weil die Sowjets es nicht nur duldeten, sondern wünschten, so hätte auch die Altstadt wiedererstehen können Aber Weidauer, der zweite Schänder der Stadt, der später ins Irrenhaus gebracht werden muss, will es nicht. Dieser kommunistische Dresdner Oberbürgermeister lässt Sprengkommandos anrücken. Als sie die aller Eisenteile beraubte Semperoper in die Luft jagen wollen, treiben beherzte Bürger es auf die Spitze. Die Russen und Otto Grotewohl sind über Weidauers Wunsch so erstaunt, dass die darüber so erstaunt, dass die staatliche Opernruine gesichert werden darf. Sprecher: Hessischer Rundfunk, 1965 58a Aber nirgendwo ist auch nur ein einziger Stadtteil geschlossen wieder aufgebaut worden. Gewiss, den Zwinger gibt es wieder, aber er liegt zwischen Ruinen am Postplatz, der in seiner Trostlosigkeit an die Jahre vor der Währungsreform erinnert. Der Altmarkt ist nach wie vor ein Torso, zwischen Altmarkt und dem Bahnhof liegt auf dem Gebiet der Prager Strasse dehnt sich eine weite Graswüste, aus der wie ein fauler Zahn eine Hotelruine aufragt. Zäsur/Glocken Frauenkirche Sprecher: Kapitel 4 : Dresden ? Symbol bis heute 59 O-Ton DLF 1989 Hier meldet sich der Deutschlandfunk für alle angeschlossenen Sendeanstalten aus Dresden. Wir erwarten in Kürze die Ansprache von Bundeskanzler Helmut Kohl an die Menschen dieser Stadt, und es kann kein Zweifel geben, dass er zu einem wichtigen Thema sprechen wird, nämlich zur Wiedervereinigung... Sprecher Deutschlandfunk, 19. Dezember 1989 59f Der Vorplatz vor der Frauenkirche... ist gesäumt von Tausenden Menschen ... seit über einer Stunde...mit Fahnen ohne Hammer und Zirkel, skandieren: Einheit jetzt! ...Sozialistische Mangelwirtschaft, nein danke.... Wir sind ein Volk ... 61 Roman Herzog Dresden ist vor allem anderem ein Fanal gegen den Krieg. Sprecher Bundespräsident Roman Herzog am 13. Februar 1995 61 f Gewiss, der 2. Weltkrieg hat Millionen von Opfern gefordert, in allen Völkern und ganz besonders in der früheren Sowjetunion und in Polen. Dresden ist also nicht das flammendste Beispiel, wenn es darum geht die Scheußlichkeit moderner Kriege darzustellen, Und wir wollen auch nicht vergessen, dass es im Rahmen eines Krieges zerstört wurde, den eine deutsche Regierung vom Zaun gebrochen hat. A05 Kirchenglocken Frauenkirche 62 Mit Verklingen des letzten Glockentons öffnete die äußerlich komplett und im Innenraum weitestgehend fertig gestellte, aber noch durch riesige Stoffbahnen verhüllte Frauenkirche der Bevölkerung die Türen zum stillen Gedenken. Sprecher: Deutschlandfunk, 13. Februar 2005 62 f Frau: Meine Schwester ist im Bombenangriff ums Leben gekommen und war hier noch konfirmiert worden. Mann: Für mich war immer klar, dass die Frauenkirche wieder aufgebaut wird, aber dass ich das noch erleben kann, das hätte ich nie geglaubt. 63 Dresdner Bürger: Das ist ein einmaliger Ort der Versöhnung, man darf nicht vergessen, Dresden ist zerstört worden, aber die Ursache dafür haben wir ja vorher gelegt. Und ich denke, wenn die Dresdner, dies es miterlebt haben, verzeihen können und die anderen, die wir angegriffen haben, verzeihen, sind wir ja auf einem guten Weg. Sprecher Mitteldeutscher Rundfunk, 13. Februar 2005 64 Dass sie nicht lernen wollen, zeigten die etwa 5000 Anhänger der rechten Szene deutlich. In Hetzreden, die so gar nicht zum angemeldeten Trauermarsch passen wollten, wurden überhöhte Opferzahlen des Bombenangriffs vom 13. Februar 1945 genannt sowie Medien und demokratische Parteien beschimpft. 64a Nazi Wenn hier irgendjemand das Gedenken an den 13.Februar missbraucht, so sind es die Henker und Heuchler der Massenmedien und der etablierten Parteien. (Musik) Autorin: Bis heute ist der 13.Februar ein Tag mit Symbolkraft, und so wird auch über ihn berichtet. Aber seit einigen Jahren steht der Tag nicht mehr nur für das Erinnern, sondern auch für den Kampf gegen Neonazis, die sich des Gedenktages bemächtigen. In diesem Zusammenhang muss auch der Streit um die genauen Opferzahlen der Bombennächte gesehen werden, der so zu eskalieren drohte, dass im Jahr 2004 der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg eine Historikerkommission einsetzte, die das Geschehen der Nacht rekonstruieren sollte Der Deutschlandfunk und andere Medien berichteten im Februar 2009 ausführlich über die ersten Ergebnisse, die der Leiter der Kommission, Dieter Müller, vorstellte. 66 Müller Und wir können erstaunlicherweise feststellen, dass in diesen extremst belasteten Straßenzügen doch rund ein Drittel der dort lebenden Bewohner den Angriff offenbar überlebt haben. Also auf das Zentrum insgesamt übertragen, ergibt sich dann die Vermutung, dass eben hier nicht hunderttausende in den engen Straßen der Altstadt ums Leben gekommen sein können, da hätte man Spuren finden müssen. Autorin Rund 10.000 Tote konnten die Historiker namentlich identifizieren, weitere 8000 Opfer wurden anonym bestattet. Für eine Zahl, die über 25.000 liegt, gibt es keine Beweise. Auch die Behauptung, es hätte sich eine Million Flüchtlinge in der Stadt aufgehalten, war nicht haltbar. 68 Müller Wir reden eben über Zahlen anstatt über konkrete Opfer. Wenn Sie einzelne Bergungsberichte lesen, wie dort ein Keller geräumt wurde, 8 Personen gefunden, da ist eine alte Frau, eine Rentnerin darunter, eine Mutter mit zwei Kindern, der Umgang mit dieser Katastrophe in der Stadtgeschichte gewinnt ein anderes Gewicht und ein anderes Gesicht, wenn sich damit konkrete Schicksale verbinden. 70 Ich protestiere, dass fremde Historiker, die gar nicht in Dresden zu Hause sind, über unsere Heimatstadt und das, was vorgekommen ist, schreiben! Sprecher: Tiefflieger über Dresden, Mitteldeutscher Rundfunk, 2009 71 In einer solchen Situation, in der wir uns befunden haben, haben wir vielleicht klarer gedacht in diesem Moment. Und wir haben nicht gesponnen! 72a Interessant der Hinweis des (west)deutschen Historikers auf westdeutschen Städte, die ja teilweise viel stärker zerstört wurden. Stimmt mit dem Grundtenor der offiziellen Berichterstattung überein, der da lautet, die Dresdner sollen sich nicht so haben wegen den paar Toten... und Tiefflieger gab es natürlich auch nicht.... Sprecher Online-Reaktionen auf Medienberichte über die "Kommission zur Erforschung der genauen Opferzahlen des Bombenangriffs auf Dresden" 72 Was die Oral History angeht, so möchte ich wissen, was Herr Müller unter Widersprüchlichkeiten der Aussagen versteht. Ist Voraussetzung, dass den Aussagen geglaubt wird, dass der Betroffene Namen und Anschrift des Piloten kennt? Sprecher 2 Ein Völkerrechtsverbrechen, das bis heute ungesühnt geblieben ist. 74a .... Aber egal, Hauptsache, dass ich ja den bösen Rechtsextremen kein Wort glaube Sprecher 2 Die Gefälligkeitsgutachten, um den Kampf gegen Rechts und die allgegenwärtige braune Gefahr zu begründen, häufen sich. Autorin: Bis heute erinnert eine bronzene Tafel im Zwinger daran, dass Dresden, Zitat, "von angloamerikanischen Terrorbombern zerstört und von der Roten Armee befreit" worden ist. Der Abschlussbericht der "Kommission zur Erforschung der genauen Opferzahlen des Bombenangriffs auf Dresden" soll am 17. März 2010 veröffentlicht werden. Ende mit Musik Schostakowitsch Streichquartett, darüber Sprecher: DRESDEN, FEBRUAR `45- Der Feuersturm im deutschen Rundfunk Sie hörten ein Feature von Eva-Maria Götz Es sprachen: Lars Schmidtke, Franz Laake, Josef Tratnik und die Autorin Ton und Technik: Hanns Martin Renz und Anne Bartel Regie und Redaktion: Ulrike Bajohr Eine Produktion des Deutschlandfunks 2010 22