COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Sendereihe: Forschung und Gesellschaft Datum: 30. August 2012 Zeit: 19:30 Uhr Titel: Aus der Garage ins All. Private Raumfahrtprojekte erobern den Weltraum Autor: Christian Grasse und Jochen Dreier Atmo / Countdown /Raketenstart/ Lift-Off "five" Robert Böhme (Part-Time Scientists): Man kann heute für weniger als 10.000 Dollar seinen eigenen Satelliten im All haben, der dort mehrere Monate rumfliegt. Man kann den selber programmieren, man kann basteln, man kann Triebwerke ranbauen. "four" Peter Platzer (ArduSat): Die meisten Leute denken Weltraum und Satelliten und Weltraumforschung ist unerreichbar und unfassbar teuer und kompliziert. Diese Annahmen sind einfach alle falsch. Jedermann kann Weltraumforschung betreiben. Space is for everyone! "three" Tim Pritlove (Raumzeit Podcast): Raumfahrt ist nun mal einfach der Ort, an dem Science Fiction in Realität umgesetzt wird. Das war ja noch nie anders. "two" John Powell (PongSat): We want to get as many people as possible be involved and change the way people think about space and science Overvoice: Wir wollen so viele Leute wie möglich mit an Board holen und ihre Vorstellung von Weltraum und Wissenschaft verändern. "one" O-Ton Kristian von Bengtson (Copenhagen Suborbitals): Even if I am gonna be 80 years old, in a wheelchair... I am gonna push that button, because we need to get ourselves into space! Overvoice: Selbst wenn ich 80 Jahre alt sein sollte und in einem Rollstuhl sitze, ich werde diesen Knopf drücken, denn wir müssen einfach ins All! "and lift off..." Raketensound / Musik Sprecher Das Weltall ist für alle da - oder - Aus der Garage ins All, wie private Raumfahrtprojekte den Weltraum erobern. Ein Feature von Jochen Dreier und Christian Grasse Raketensound (1:30) Sprecher 1903 stellte Konstantin Ziolkowski, ein russischer Mathe- und Physiklehrer aus der Provinz, die Raketengrundgleichung auf. Sie beschreibt die Gesetzmäßigkeit des Raketenantriebs und ist bis heute gültig. Die Raumfahrt begann also mit einem Amateurforscher, angeregt von den Abenteuerbüchern Jules Vernes. Ziolkowskis Leistungen wurden zwar erst zu seinem Lebensende gewürdigt, dafür wird ein ihm zugeschriebenes Zitat noch für viele Raumfahrer Inspiration sein: "Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber welches Kind bleibt schon ewig in seiner Wiege? " Raketen-Sound / Musik Sprecher Nach den Anfangsjahren waren es vor allem Kriege, die die Raketentechnik und damit die Raumfahrt voranbrachten. Erst der zweite Weltkrieg, dann der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion. Das Wettrennen um die Hoheit im All brachte in wenigen Jahrzehnten Satelliten Tiere und schließlich auch Menschen in den Weltraum. Neil Armstrong "That's one small step for a man, one giant step for mankind..." Sprecher Seit dem Ende des kalten Krieges wird international zusammengearbeitet, im Vordergrund steht die Forschung, nicht der Konflikt. Das Weltall ist vom Politikum zum Wirtschaftsraum mutiert. Plötzlich heißt das Zauberwort Privatisierung, die Grundlage für die Öffnung des Alls. Töne Ende des Space-Shuttles / Beginn SpaceX Sprecher Raumfahrt ist heute vorallem eines geworden: eine Dienstleistung. Und die wird dank zunehmender Anbieter bezahlbar und früher oder später so normal wie eine Fahrt mit der U- Bahn. Sprecher Das Weltall für jedermann zugänglich machen und die Barriere zum lebens- und technikfeindlichen Raum überwinden, daran arbeitet der Physiker Peter Platzer. Der in Kalifornien lebende Wiener hat mit Forscherkollegen einen Schuhkarton großen Satelliten entworfen. Das ArduSat getaufte Messgerät soll jedem für 500 Dollar pro Woche einen ausführlichen Blick ins All ermöglichen und dabei helfen, den Horizont der Nutzer zu erweitern. (5:00) O-Ton Peter Platzer - ArduSat Weltraumforschung für jedermann (50s) Die meisten Leute denken über Weltraum und Satelliten und Weltraumforschung als etwas das nur für Spitzenwissenschaftler, Regierungen und Militärs und ein paar Astronauten ist. Ansonsten wirkt es unerreichbar, unfassbar teuer und kompliziert. Die Tatsache ist, alle diese Annahmen sind einfach falsch. (Es ist weder unglaublich kompliziert, noch unglaublich teuer.) Jedermann kann Weltraumforschung betreiben. Jedermann kann dieses Medium Weltraum benutzen. Sei es für Unterhaltung, für Spiele, sei das für wissenschaftliche Projekte, sei das für Vermitteln von Lehrinhalten in einer viel näheren Art und Weise als das durch ein Lehrbuch zum Beispiel geschehen könnte oder aber auch für Kunst und Kultur. Sprecher Die Kunst und Kultur hat das All lange vor den Wissenschaftlern erobert. Fiktiv. Ob Jules Verne, der bereits 1865 Von der Erde zum Mond reiste oder Gene Roddenberry, dessen Raumschiff Enterprise seit Jahrzehnten in Galaxien vordringt, die nie ein Mensch zu vor gesehen hat. ("... die nie ein Mensch zuvor gesehen hat" Original-Zitat aus Star-Trek-Trailer als Einspieler) Sprecher Es ist an der Zeit, dass die Kunst das All nun auch in Wirklichkeit entdeckt. Das dachte sich wohl der Südkoreaner Hojun Song. Der 34-Jährige Künstler wird sein bisher bedeutenstes Werk in den Erdorbit schicken. Unter dem Namen Open Source Satellite Initiative, kurz O.S.S.I., baut er aus - wie er sagt - herkömmlichen Materialien einen Nano-Satelliten. 10 mal 10 mal 10 Zentimeter wird er groß sein und soll ganze 25 Jahre um die Erde kreisen. Einen wissenschaftlichen Zweck erfüllt der Würfel-Satellit allerdings nicht. Von der Erde aus soll jeder die vier eingebauten, superhellen LEDs ansteuern können und sich so per Knopfdruck an einer künstlichen Sternschnuppe erfreuen. O-Ton Hojun Song (O.S.S.I.) When I published this as an artwork most of the people around me where artists so they didn´t get surprised much, because they are artists, they probably understand and did´nt know how hard it is to launch a satellite. But then I met some people from MBA or like business people, their reaction were really harsh, because they thinking everything moneywise. And they were thinking that you can make no money with it, we already have an Internet or so. they didn´t see any killerapps in the satellite business. Overvoice: Die Leute, die als erstes davon erfahren haben, das waren alles Künstler, die haben das verstanden, warum ich das mache, die haben sich auch keine Gedanken über die technischen Schwierigkeiten gemacht, die haben das einfach als Kunst gesehen. Aber dann habe ich einige Leute aus der Satelliten-Industrie getroffen und die haben wirklich sehr schroff reagiert. Die denken halt immer ans Geld und mit meinem Satelliten lässt sich kein Geld verdienen. Wir haben ja auch schon ein Internet und GPS. Sie sehen einfach keine Killerapps im Satellitenbusiness. Sprecher: Der Open Source Satellit des Südkoreaners erfüllt den sogenannten CubeSat Standard und soll an Board einer russischen Sojus-Rakete mitfliegen. Solche Klein- oder Pico-Satelliten werden als Sekundärlast bei regulären Raketenstarts mitgenommen und im Orbit ausgesetzt. Der Cubesat-Standard wurde ursprünglich von der Polytechnischen Universität in Kalifornien entwickelt, um Studenten die Möglichkeit zu geben an eigenen Raumfahrtprojekten zu arbeiten. Aus der studentischen Idee ist heute eine neue Satelliten-Generation geworden, die günstiger und somit auch flexibler ist als die herkömmlichen, bis zu Schulbus-großen Forschungsstationen im Erdorbit. Genau darin sieht Peter Platzer die große Stärke der kleinen Satelliten. (8:10) O-Ton (Skype) Peter Platzer ArduSat Vergleich AppStore im All (40s) Als Beispiel dafür bringe ich oft den Apple Appstore, der sehr sehr ähnlich wie wir der globalen Gemeinde einen Mikroprozessor zur Verfügung gestellt hat, mit vier Sensoren. Einer Kamera, einem Mikrofon, einem Accelerometer und einem Gyroskop. Und was wir machen ist, wir geben der globalen Gemeinde Zugang zu einem sehr sehr flexiblen Prozessor, dem Arduino und 25 Sensoren. Und by the way, es ist im Weltraum und nicht erdgebunden. Wir glauben halt dass das eine Plattform ist, die unter Umständen eine ähnliche Explosion von Ideen, Gedanken und Applikationen erzeugen kann, wie das mit dem Appstore passiert ist. Sprecher: Ein iPhone im All. So einfach ist es dann doch nicht. Der ArduSat muss den so genannten Thermal Snap überstehen. Über 20 Mal am Tag wird der Satellit die Erde umkreisen und muss dabei in wenigen Sekunden riesige Temperaturschwankungen ertragen. Neben der kosmischen Strahlung die größte Herausforderung für jeden, der terrestrische Technik ins All schicken will. Trotzdem: Kleine Satelliten selbst zu bauen und sie mit regulären Raketen ins All zu schießen ist technisch machbar. Schwieriger dagegen ist es, eine Rakete selbst zu bauen, mit der Satelliten oder sogar Menschen ins All geschickt werden können. Unmöglich ist aber selbst das nicht! Den Beweis dafür will die dänische Entwicklergruppe Copenhagen Suborbitals liefern. Die Hobby-Raumfahrer und Do-It-Yourself-Raketenpioniere rund um den Architekten Kristian von Bengtson planen einen bemannten, suborbitalen Flug. Einmal Schwerelosigkeit und zurück. Ein Traum, den Von Bengtson gegen alle Widerstände und Kritik umsetzen will. O-Ton Kristian von Bengtson (Behörden anrufen) (30s) When you call somebody and say: Hi, I'm doing a home made space rocket, there is a bit of silence for while... I think the more out of proportion the project is, the more good will you actually get and we also realised that danish law basically stops 20 nauticle miles outside of land. So, instead of dealing with too many authorities, we decided to go into sea, so we built a ten ton catamaran which is the launch tower of the rocket. Overvoice: Wenn du jemanden anrufst und sagst: Hi, ich baue mir eine Rakete, um damit ins All zu fliegen, ist es erstmal für eine ganze Weile still am Apparat. Ich denke aber dass man grundsätzlich mehr Zuspruch bekommt, wenn das Projekt unmachbar erscheint. Außerdem haben wir festgestellt, dass das dänische Gesetz nicht mehr greift, wenn wir uns 20 nautische Meilen vom Land entfernt, auf offener See befinden. Deshalb haben wir einen zehn Tonnen schweren Katamaran gebaut und nutzen ihn als Abschussrampe für unsere Rakete. Sprecher: Rocket Science. Die Wissenschaft rund um Raketenbau und Raumfahrt gilt seit Jahrzehnten als das Nonplusultra im Ingenieurshandwerk, die höchste von Menschenhand entwickelte Technologie, die uns in eine andere Welt bringt. Alles Quatsch, sagt Kristian von Bengtson. Die von ihm entwickelte Raumkapsel Tycho Deep Space, kürzlich getauft auf den Namen "Beautiful Betty", besteht aus ganz herkömmlichen Materialien. Und auch die Werkzeuge, die er und seine Kopenhagener Kollegen benutzen, sind alles andere als High-Tech. O-Ton Kristian von Bengtson Arbeitsmaterialien (1:03) You need the angle, a hammer, a screwdriver, an angle grinder and a welding tool. And if you have this, you can build a space rocket. It's basically about 95 percent black smith work. You need to be able to produce this stuff here. We work with ordinary and simple materials because we don't need to optimise it in the same way like the pro guys are doing. Because that is based on profit in a certain way and a mass to weight ratio and all this stuff, you know. But we don't care about that. As long as this rocket will get us into space it's fine. It's made of stuff bought in the super market or in the local plumbing shop, just regular materials. We have a group of twenty people helping us in their spare time, but in general it's Peter and I who are full time here. We meet in the morning, we debate, we discuss and see what is the best scientific argument based on what we know of math, physics and chemistry and then we simply go out and build this stuff. You need to take steps, you need to learn from small experiments and go further up. Overvoice: Man braucht einen Winkel, ein Hammer, ein Schraubenzieher, ein Trennschleifer und ein Schweißgerät. Wenn man diese Werkzeuge hat, kann man eine Rakete bauen. Im Grunde genommen sind 95 Prozent der Arbeit klassisches Schmiedehandwerk. Man muss die Dinge einfach selbst bauen können. Wir achten nicht all zu sehr auf Optimierung - so wie etwa die Profis - egal ob's dabei um Geld, Größen- oder Gewichtsverhältnisse geht. Uns soll die Rakete einfach nur ins All bringen. Mehr nicht. Und alles was wir dafür brauchen, finden wir im Baumarkt oder im Klempnerladen um die Ecke. Beim Bau helfen uns mittlerweile über 20 Leute hier vor Ort. Allerdings sind nur Peter Madsen und ich den ganzen Tag hier. Wir treffen uns jeden morgen und diskutieren die beste wissenschaftliche Lösung für unser Problem und dann gehen wir raus und legen einfach los. Man muss kleine Schritte machen und von kleinen Experimenten lernen und einfach immer weiter gehen. (11:30) Atmo Sprecher: Die erfolgreichen Tests geben den dänischen Raketenpionieren Recht. Fast monatlich wird bei Youtube ein neues Video hochgeladen, das die Fortschritte bei den Bremsfallschirmen, der Steuerung der Rakete oder dem Antrieb zeigen. Ton-Ausschnitt aus Test-Video der Copenhagen Suborbitals Am 3. Juni 2011 schoss die mit einem Dummy besetzte HEAT 1X Rakete in den Himmel über der dänischen Ostsee. Im Juli dieses Jahres folgte die Smaragd 1, ein kleineres Testmodell der Suborbitalrakete. Markus Landgraf, Missionsanalyst bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, ist begeistert von der professionellen Arbeit der Raumfahrtamateure. O-Ton ESA "Ich finde das toll. Ich teste was ich baue, ich fliege was ich teste - Ansatz" ... sagt Landgraf, Missionanalyst der ESA Also ich finds erstmal sehr toll, was da gemacht wird, weil ich finde dieses "Can do", das ist zwar sehr amerikanisch, aber wir brauchen in Europa auch mehr dieses "Ja, wir können das machen." Und wir machen es einfach, wir sind verantwortlich für das was wir machen, in dem wir einfach Schritt für Schritt vorangehen, wie ein Ingenieur halt vorangeht. Wir testen das und wenn wir wissen, dass es funktioniert, dann können wir es auch benutzen. Also da ist wirklich dieser Ansatz, das ist so eine Maxime, die gilt schon seit den sechziger Jahren, der Werner von Braun war auch ein großer Fan davon, "testen was man baut, und bauen, was man testet." Also ich baue ein System und teste das erstmal, aber dann sollte man auch später wenn jemand mitfliegt auch diese Komponenten verwenden, die man getestet hat, die sollte man da einbauen. Und das machen die Kollegen in Kopenhagen genau richtig, finde ich. Sprecher: Dass die Copenhagen Suborbitals nach der Von Braunschen Maxime arbeiten, ist allerdings nicht nur ihrem Do-It-Yourself-Ansatz geschuldet. In den meisten Fällen sind sie dazu gezwungen, eigene Lösungen zu entwickeln. Denn viele potenzielle Industriepartner sind skeptisch, wenn es darum geht, mit privaten, nichtkommerziellen Amateur-Raumfahrtprojekten zu kooperieren. Sie fürchten sich zu sehr vor Fehlschlägen, erklärt Kristian Von Bengtson, der das Vorhaben seiner Copenhagen Suborbitals akkribisch in einer Kolumne des Technologie- Magazins Wired dokumentiert und das Projekt auch schon im Rahmen der internationalen Ideen-Plattform TEDx präsentierte. O-Ton Kristian von Bengtson CS Fallschirme / Arbeitsweise (1:20) I tried to get hold of parachutes for a long time. I talked to a lot of companies and they were always like: Can we talk to your parachute recovery department? And I was like: Well, you got him on the phone. And they told me: Can you guarantee that our parachutes will not show up in a picture with fire in it, doing a crash? And I was like, no, absolutely not. You see, this is about testing and trying out. Nobody wanted to sell us parachutes. So, we had to make them our selves. Then I got in contact with a guy called Sören and he is very good at sewing stuff, working with fabrics. And I said: We need parachutes in two month. And he was like: Well, I have no idea how to make parachutes. And I said, great, neither do I, but let's find out. And that's kind of the approach to it. I would rather work every day with some guy telling me: You know, I have no idea how to do this but lets find out, instead of the usual answer of a parachute guy:: I know all about parachutes and I tell you it can't be done. Overvoice: Ich habe wirklich sehr lange gebraucht um an Fallschirme zu kommen. Zuerst habe ich Hersteller und Firmen angerufen aber die wollten immer eine Garantie, dass ihr Fallschirm nicht brennend auf irgendeinem Foto zu sehen ist. Und ich hab dann immer gesagt: Nein, das kann ich absolut nicht garantieren. Es geht doch darum, zu testen und auszuprobieren! Niemand wollte uns Fallschirme verkaufen. Also mussten wir sie eben selbst bauen. Dann lernte ich einen Schneider kennen, jemand der sich gut mit Textilien auskennt. Ich habe gesagt: Ich brauche Fallschirme für unsere Rakete. In zwei Monaten. Und er dann: Aber ich habe keine Ahnung wie man Fallschirme näht. Großartig! Ich auch nicht, aber lass es uns doch herausfinden! Und genau das ist unsere Herangehenweise: Ich arbeite lieber mit Leuten, die keine Ahnung haben, aber dafür neugierig und engagiert sind als mit Typen, die behaupten alles über Fallschirme zu wissen und mir sagen, dass das einfach nicht machbar ist. Sprecher: Der Selbstbau bietet gleich mehrere Vorteile für die dänischen Raketenbastler. Sie wissen genau wo der Fehler liegt, wenn etwas schief geht und müssen nicht erst mit Industriepartnern sprechen und zweitens ist ihr Do-It-Yourself-Projekt weitaus günstiger. Für rund 19.000 Euro sollen in diesem Jahr gleich vier Raketentests und zwei Versuche mit einer Raumkapsel realisiert werden. Das Geld kommt von privaten Spendern, über 2000 Menschen unterstützen das Projekt finanziell, via Internet. Diese Form der freiwilligen Online-Finanzierung durch weltweit begeisterte Raumfahrt-Fans hat sich gleich bei mehreren Projekten durchsetzen können. Copenhagen Suborbitals, ArduSat und die Open Source Satellite Initiative; sie alle sammeln Geld im Internet, verkaufen Fan-Artikel oder starten Online-Kampagnen auf so genannten Crowdfunding-Plattformen. Zusammenschnitt aus den Kickstarter-Videos von ArduSat, Parttime Scientists, ... Die Fans dieser Projekte sind allerdings nicht nur reine Geldgeber. Sie werden auch in Entwicklungspläne und Forschungs-Fortschritte eingebunden. Ein aktuelles Beispiel dafür liefern die Mondforscher der Part-Time Scientists. Die mittlerweile 100-köpfige, internationale Gruppe entwickelt einen fahrbaren Roboter, der auf dem Mond landen soll. Mit ihrem Raumfahrtprojekt wollen sie den Google Lunar XPrize gewinnen. Ein Forschungpreis in Höhe von 20 Millionen US-Dollar, den der Suchmaschinengigant bereits im Jahr 2007 ausgelobt hat. Um die Landung und die Fortbewegung des Rovers auf dem Mond zu testen, soll eine künstliche Mondlandschaft her, zu Teilen finanziert durch Crowdfunding. Für die beiden Part- Time-Scientists Robert Böhme und Thomas Kunze geht es dabei allerdings um sehr viel mehr als nur um finanzielle Mittel. O-Ton PTS Crowdfunding (Mondlandschaft) -> Crowdsourcing (Supporter steuern Mondrover) (1:42) Robert Böhme: Zum ersten mal in der Geschichte der Luft- und Raumfahrt wollen wir ein riesengroßen Testareal aufbauen für unseren Mondrover, was komplett der Landing-Sight von Apollo 17 entspricht, wo wir zwei von unseren großen Rovern platzieren und die explizit für einen Monat lang von Leuten über das Netz fernsteuern lassen. Das heißt die haben dort exakt das gleiche was wir später haben, wenn wir dann auf dem Mond sind. Man hat dieses eingeschränkte Sichtfeld. Der Rover hat zwar zwei super schicke HD-Kameras, aber das ist es auch schon. Die haben nicht direkt das Sichtfeld, das wir haben. Das ist schon ein riesen Unterschied. Autor aus dem Hintergrund: Und warum macht ihr das? Weil wir so viel wie möglich lernen müssen. Ganz einfach, ich glaube - und jeder Mechaniker wird das bestätigen - wenn man 40000 Leute auf seine Hardware loslässt, weiß man danach was alles nicht geht. Thomas Kunze: Wir sind zwar 100 Leute aber 100 Leute können nicht Sachen testen, wie es halt 10000 können oder 20000 oder noch mehr. Robert Böhme: Und der Punkt ist, das gilt für jedes Raumfahrtprojekt. Jedes Raumfahrtprojekt hat ausführliche Testkataloge aber auch das ist nur ein kleiner Teil von dem, was passieren kann. Und wir geben den Leuten ja auch Aufgaben. Es ist ja nicht so dass wir sagen: Hier hast du nen Rover, fahr damit mal rum. Sondern die kriegen auch kleine Aufgaben. Das haben wir mit der TU Wien ausgearbeitet, mit dem Fachberech für Spieledesign, dass es auch Spaß macht. Aber der Punkt ist, uns interessiert, wie die Leute Probleme lösen. Das heißt jeder kriegt eine völlig einzigartige Situation, der Rover steht bei jedem irgendwo anders und er hat eine bestimmte Aufgabe. Da gibt's viele Leute, die wahrscheinlich Lösungen finden, wo wir sagen: Wow, das konnte unser Rover? O-Ton ESA Landgraf (Crowdsourcing Operationales) ... "Du hast 1000 Leute" Wenn ich weiß, ich habe ne Gruppe von tausend Leuten und jeder hat Lust im Schnitt zwei Stunden am Tag an der Sache zu arbeiten, und bei tausend Leuten gibt es ne gute Statistik, der eine hat mal mehr Lust, der andere mal weniger, dann kriegt man das schon hin, wenn man das schlau macht, aber dann muss man das sehr sehr schlau machen. Und vor allem beim Raumflugbetrieb muss man ja Ausfallmöglichkeiten im Subpromilleberiech haben und da wirds dann schwer, wie man sowas managt. Aber für ausgeschlossen halte ich das nicht. Extern fließt naturgegeben viel ein, weil wir viel mit Industriepartnern arbeiten, die im Endeffekt die Raumfahrzeuge bauen und die natürlich auch ihr eigenes Know-How einfließen lassen. Da ist also ein offener Dialog. Was wir noch lernen müssen und was wir im Moment gar nicht nutzen, das ist so Crowdsourcing, das wir eben auch mit einer breiteren Öffentlichkeit eine Diskussion haben, weil wir von diesem Open Invention noch profitieren können. Sprecher: Wie stark Innovationen durch einen freien Zugang zu Informationen die Welt verändern können, sehen wir am Beispiel der Wikipedia. Viele Wünschen sich eine ähnliche Informationspolitik auch im Bereich der Weltraumforschung, vor allem wenn es sich um öffentlich finanzierte Projekte handelt. Der Podcaster Tim Pritlove dokumentiert mit seiner Sendung Raumzeit die Arbeit der europäischen Raumfahrtagenturen und bescheinigt einen Strategiewechsel, hin zu mehr Offenheit. O-Ton Tim Pritlove (43s) Wenn man sich anschaut, wie sich auch die Raumfahrtagenturen entwickeln, die ESA ist jetzt kurz davor, ihre neue Generation von Umweltbeobachtungssatelliten zu starten, das GMES- Projekt. Und dort gibt es bereits die Entscheidung, dass alle dort erfassten Daten vollständig, uneingeschränkt, für beliebige Nutzung, im Rohformat im Netz liegt und jeder kann sich das runterladen. Das wird eine unglaubliche Kreativität freisetzen, weil jetzt auf einmal jeder zum Wissenschaftler werden kann. Ich glaube das wird Anwendungen eröffnen, die wir uns derzeit überhaupt noch nicht vorstellen können. Sprecher: Welches Potenzial in den offenen Daten aus dem Weltall steckt, wenn Amateur- oder Hobbyastronomen per Internet darauf zugreifen, erklärt der amerikanische Philosoph und Technikforscher David Weinberger. O-Ton David Weinberger / Einordnender O-Ton zum Thema Open Knowledge / Zugriff auf Daten im All -> Demokratisierung und Innovation People can also contribute in important ways, as individuals and as large, swirling collectives, who are able to engage with data at a scale that was never ever possible before. One example is Galaxy Zoo which has data from the Sloan Digital Sky Survey which has tens of millions of images of the stars. The most interesting from the point of view what is happening to knowledge, i think, is that these strangers who are looking at these fotos by the millions discovered individually that there were some objects in these fotos that didnt look right. They were called green peas. Because they were small green dots. But is was only because this set of people were able through galaxy zoo the site to communicate with one another that they discovered that these green peas where more common that anybody thought. Then a quite interesting discussion developed among these non-scientists, which developed the idea far enough that some astronomers noticed the conversation, noticed the green peas and now we have a new object in our skies that science had not known about before. Overvoice: Man kann heute in einer sinnvollen Art und Weise mit Daten umgehen, wie nie zuvor, egal ob alleine oder in einer Gemeinschaft. Ein Beispiel dafür ist die Astronomie-Plattform Galaxy Zoo. Dort sind zig Millionen Fotos aus dem Weltall archiviert - vom Sloan Digital Sky Survey - und jeder kann sie anschauen. Ich glaube, das ändert den Umgang mit Wissen erheblich. Diejenigen, die millionenfach diese Bilder betrachten entdecken nämlich immer wieder überraschende Neuigkeiten oder Ungereimtheiten in den Fotos. So haben einige Nutzer zum Beispiel merkwürdig aussehende, grüne Punkte in Galaxien entdeckt. Diese rätselhafte Entdeckung wurde unter den Hobby-Forschern so stark debattiert, dass Astronomen auf die Diskussion im Netz aufmerksam wurden. Und jetzt existiert ein neues Objekt am Nachthimmel, das der Wissenschaft bisher völlig unbekannt war. Sprecher: Das Projekt PongSat hat ebenfalls einen offenen Anspruch, stellt aber nicht Daten für Jedermann bereit, sondern die Infrastruktur für eigene, kleine Raumfahrt-Experimente. Die unabhängige Organisation JP Aerospace aus den USA, die ausschließlich von Freiwilligen geführt wird, bietet jedem Menschen auf der Welt an, einen kleinen tischtennisgroßen Behälter mit einem modifizierten Wetterballon in die Stratosphäre zu fliegen. O-Ton Pongsats John Powell (56s) We carry them up to a 100.000 feet. PongSats experiency near vacuum, cosmic rays, 90 degrees below zero temperatures and on the way down zero gravity. After landing, we send to pongsats back to the experimenter along with video, data, pictures and a certifcate that they have flown. they can be as simple or as complex as they want them to be. from plant seeds to marshmallows to computers, sensors and data loggers. we have flown 6400 so far. The interest from schools, teachers and 8 year olds running their own space programs is incredible. Pongsats are flown at no cost for the participants. not a penny, zip, nada. We want to get as many people as possible to be involved and change the way people think about space and science. Right now space is the thing that people see on TV. Pongsat makes is the thing you hold in your hand. Overvoice: Wir bringen sie auf 30 KM Höhe. Dort erleben die Pongsats beinahe Vakuum, sind kosmischer Strahlung ausgesetzt, müssen um die minus 90 Grad überstehen und auf ihrem Rückweg kommt noch Schwerelosigkeit dazu. Sie können so einfach oder komplex wie möglich sein. Von Pflanzensamen oder Marshmallows bis hin zu Computern, Sensoren oder Datenspeichern. Lehrer und 8jährige Schüler sind total begeistert, wenn sie ihr eigenes Raumfahrtprogramm realisieren können. Bis jetzt haben wir schon 6400 davon in Richtung Weltall geschickt und zwar komplett kostenlos für alle Teilnehmer! Wir wollen einfach so viele Menschen wie möglich mit an Bord holen und ihre Vorstellung von Weltraum und Wissenschaft verändern. Bis jetzt ist es ja noch so, dass der Weltraum etwas ist, was wir aus dem Fernsehen kennen. Mit Pongsats hält man es in den eigenen Händen. (23:45) Sprecher: Der PongSat-Gründer John Powell will mit seiner Idee vor allem Kinder und Jugendliche für die Raumfahrt begeistern. Denn obwohl das All immer noch eines der größten Geheimnisse für den Menschen darstellt, ist die Lehre darüber oft nur theoretisch. Praktische Experimente mit einem echten Satelliten könnten Schüler und Studenten zu Weltraumforschern der Zukunft machen, sagt auch Peter Platzer vom ArduSat-Projekt. O-Ton Peter Platzer ArduSat "Vorteile der Offenen Plattform / Beispiele für Innovation in Bildung und Wissenschcaft" (54s) Wir alle haben in der Schule gelernt, dass die Erde so ein Magnetfeld hat, das uns beschützt vor den bösen Strahlen, die aus dem Weltraum kommen und wir haben ein hübsches Bild in einem Buch gesehen und der Lehrer hat gesagt, so ist es. Man könnte sagen: Warum messt ihr nicht das Magnetfeld und findet selbst heraus wie das Magnetfeld aussieht? Wenn man ein bissl was spezielles machen will - und da geht man schon fast in den Hochschulbereich hinein - dann muss man also feststellen welche Temperatur der Planet hat, wie nahe er an der Sonne ist, oder wie weit entfernt er ist. Mit unserem Satelliten kann man genau all diese Experimente durchführen, für die Erde. Und somit genau verstehen wie Wissenschaftler herangehen müssen an Planeten außerhalb unseres Sonnensystems um festzustellen ob die Leben haben können und wirklich genau zu verstehen, wie sieht die Physik und die Mathematik aus dahinter um eben genau diese Sachen zu verstehen. Sprecher: Die Öffnung von Forschungsdaten und Forschungsinfrastruktur führt zu einer Demokratisierung in der Wissenschaft. Wissenschaft ist dann nicht mehr nur denen vorbehalten, die in wohlhabenden, westlichen Ländern studieren, sondern jedem, der Zugang zum Internet hat. Und gerade wenn es darum geht, das All zu erforschen, sollte das Potenzial der gesamten Menschheit zum Tragen kommen. Denn eines steht fest: Früher oder später werden wir den Weltraum nicht nur nutzbar sondern auch bewohnbar machen. Und das geht uns schließlich alle etwas an. Wenn bald Jedem der Zugang zum All offen steht, werden die etablierten Weltraumagenturen gleich vor mehrere Herausforderungen gestellt. Markus Landgraf. O-Ton Markus Landgraf Ein Aspekt, das ist keine Gefahr, das ist ganz konkret ne Bedrohung. Es ist tatsächlich so, dass für Entscheidungsträger, die jetzt nicht unbedingt die technische Kompetenz mitbringen, oft das Bild entsteht: "Ja, da wird in den Weltraum geflogen und das kostet nur 60.000 Euro, warum braucht die ESA 300 Millionen?" Und das ist eben ungefähr so, als würde ich sagen, ich baue mir jetzt ne Seifenkiste und fahre damit den Berg runter oder ich baue einen Formel 1 Wagen. Da ist natürlich das Budget unterschiedlich, aber auch die Fähigkeiten sind unterschiedlich. Man kann halt jemanden der nicht täglich Weltraumforschung macht, unglaublich schwer erklären was eigentlich eine Sonde, die einen Kometen 500 Milliarden Kilometer von uns entfernt anfliegt, anderes können muss, als ein Nano-Satellit der um die Erde kreist. Technikern kann ich das erklären, der weiß eben da gibt es die Herausforderungen 10 Jahre im Weltraum zu bestehen, mit Strahlung, mit Energieversorgung, mit Kommunikation, hochgenaue Messgeräte müssen sehr hoch stabilisiert sein, um genaue Werte zu liefern, ein Techniker weiß das. Aber jemand der im Ministerium die Entscheidungen trifft, der muss natürlich noch mehr überzeugt werden und da haben wir tatsächlich auch das Problem. Aber ich finde es jetzt falsch von der ESA zu sagen, wir finden solche Projekte nicht gut, weil das uns bedroht, ich denke, dass wäre ein unfaires Spiel. Ich denke wir sind alle da, dass wir darüber reden können und es nimmt eben uns mehr in die Pflicht zu erklären, was wir da machen. Und das sehe ich nur positiv. Sprecher: Die Amateur-Raumfahrer beeinflussen also längst die klassischen Institutionen, zwingen sie fast schon zu mehr Transparenz und mehr Austausch. Die NASA beispielsweise veröffentlicht Bilder ihrer Weltraumteleskope von Erde, Mars und weit entfernten Sternen unter freien Lizenzen, erlaubt das Kopieren und Bearbeiten der Bilder, auch die Fotos der aktuellen Marsmission des Curiosity Rovers sind für jeden frei nutzbar. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt verfolgt zunehmend diese offene Politik. Dass öffentlich finanzierte Forschungen für jeden frei zugänglich sein sollten, klingt nicht nur plausibel, sondern wird mittlerweile auch von der Politik gefordert. Es scheint gerade so, als würde Open Access in den kommenden Jahren zum neuen Standard in der öffentlich finanzierten Raumfahrt werden. Und die Grenzen zwischen Amateur- und Profiforscher sind fließender denn je, zugunsten eines vitalen Austausches und einem regelrechten Raumfahrt-Boom, der so genannte New Space Sektor. Und genau deshalb muss bereits heute darüber gesprochen werden, wie wir den Raum außerhalb unserer Erde gestalten wollen. Ein Raum, der uns seit Jahrtausenden fasziniert und inspiriert und das auch in Zukunft weiterhin tun wird. (28:00) O-Ton-Collage zum Ende O-Ton Peter Platzer: Das herauszufinden, was wir noch nicht kennen, dort hinzugehen, wo noch niemand hingegangen ist. Das glaube ich, ist Quelle der Faszination vom Weltraum. O-Ton Landgraf: Der Weltraum hat eben immer den Reiz der Final Frontier, das ist die Grenze, die der Menschheit offen steht, die wir bis jetzt nicht überwunden haben. O-Ton Robert Böhme: Ich würde gerne den Leuten die Überzeugung mitgeben, egal wie unser Projekt ausgeht, ich möchte ihnen die Überzeugung geben, dass sie was schaffen können, was für sie unvorstellbar ist, wenn sie wollen. Musik