Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Umbruch im Bruderland Ausländische Vertragsarbeiter in der Wendezeit Autorin Ulrich, Adama Redaktion Stucke, Julius Sendung 14.08.2012 - 13 Uhr 07 (Wiederholung eines Länderreports vom 19.08.2010) MANUSKRIPT BEITRAG COLLAGE Damals wussten wir, dass wir ausgebildet werden sollen, um dann auch später unser Land zu unterstützen. Es ist auch großes Unrecht geschehen an diesen Menschen. Man konnte einen Vietnamesen hinsetzen ... und der hatte nach drei Tagen die Leistung gebracht, wo deutsche Arbeitnehmer im Durchschnitt vier, fünf Wochen brauchten. Die BRD versuchte loszuwerden, wen sie loswerden konnte. SPRECHERIN 1989, vor dem Fall der Mauer, arbeiteten noch mehr als 90.000 ausländische Vertragsarbeiter in der DDR. Rund 60 Prozent von ihnen wurden in den folgenden Monaten, bis zur Einheit im Oktober 1990, entlassen. Dabei hatte alles so viel versprechend angefangen. OT (Emiliano Chaimite) Ich war ja noch sehr jung als ich gekommen bin - knapp 18. Da sind wir in Magdeburg angekommen, vom Flughafen abgeholt worden. Natürlich sehr euphorisch, ist klar. Wir kamen ja aus einem Bürgerkriegsland und da war man froh, überhaupt raus zu kommen. SPRECHERIN Emiliano Chaimite ist 1986 aus Mosambik in die DDR gekommen. Eigentlich hatte er vor, ins benachbarte Südafrika zu gehen. Im Bürgerkriegsland Mosambik gab es keine Zukunft für ihn. Also machte sich Emilano auf den Weg - von seiner Heimatstadt Beira in die Hauptstadt Maputo, um von dort aus nach Südafrika zu gelangen. Doch dann kam alles anders. OT (Emiliano Chaimite) Zufällig hat mich ein Passant angesprochen: Mensch du kannst in die DDR gehen. Geh mal zum Arbeitsministerium um die Ecke, da kannst du dich einschreiben, die suchen Leute. ... Bin ich hingegangen mit ihm und habe mich eingeschrieben. Dann waren wir in so einem Camp, wo man vorbereitet wurde - so sechs Wochen. Da wurden auch medizinische Untersuchungen vorgenommen und ich habe alles bestanden. Da werdet ihr ausgebildet und arbeiten, damit ihr ausgebildet wieder nach Hause kommt. ... Mit dem Gedanken bin ich dann in die DDR eingereist und die Ausbildung hat tatsächlich stattgefunden. SPRECHERIN Die DDR benötigte dringend Arbeitskräfte. Zwischen ihrer Gründung 1949 und dem Bau der Mauer 1961 strömten 3,4 Millionen Menschen in die Bundesrepublik. In der DDR herrschte bald ein akuter Arbeitskräftemangel. Bereits Ende der 60er Jahre begann die Staats- und Parteiführung so genannte Vertragsarbeiter aus anderen sozialistischen Staaten anzuwerben. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre kamen im Rahmen der "sozialistischen Bruderhilfe" Arbeiter aus Mosambik, Angola, Kuba und Vietnam dazu. OT (Dietmar Brassat, ehem. Personaldirektor Sachsenwerk Dresden) Wir hatten Arbeitskräftemangel, gerade in dem Niedriglohnsektor. Die Maschinen liefen in der rollenden Woche, die liefen eigentlich durch. Die eine Mannschaft hat gewechselt, die andere setzte sich wieder hin. Die wurden nicht angehalten. So. Rollende Woche wollte nie einer machen. SPRECHERIN Dietmar Brassat war Personaldirektor im Sachsenwerk Dresden. Hier wurden Motoren für Industrieloks, Generatoren für den Schiffbau, Stromerzeuger in Kraftwerken, Gleich- und Drehstrommotoren für Stahlindustrie und Bergbau hergestellt - aber auch kleine Motoren für Kühlschränke der Marke FORON. Und genau dafür brauchte der Betrieb die Vietnamesen, die Mitte der 80er Jahre nach Dresden kamen. OT (Brassat) Wir brauchten Leute, die eine hohe Fingerfertigkeit voraussetzten und das hatten die Vietnamesen mitgebracht. Männer wie Frauen. Man konnte einen Vietnamesen hinsetzen ... und der hatte nach drei Tagen die Leistung gebracht, wo deutsche Arbeitnehmer im Durchschnitt vier, fünf Wochen brauchten. SPRECHERIN Und die Vietnamesen haben ohne zu murren in der rollenden Woche, also im 4-Schicht-System gearbeitet, was kein deutscher Arbeiter gerne übernehmen wollte. OT (Brassat) Die Vietnamesen sind ja, wenn sie im Wohnheim gewohnt haben, ungebunden. Die haben also die rollende Woche besetzt. OT (Pham Hong Phong) Ich bin mit 50 anderen Leuten geflogen, um im Sachsenwerk zu arbeiten. SPRECHERIN Pham Hong Phong, der heute Geschäftsführer eines großen Nagelstudios ist, hat 1974 in Stralsund und Berlin eine dreijährige Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter absolviert. 1977 ist er zurück nach Vietnam gegangen, um dort zu studieren. 1987 kam er wieder in die DDR, um als Gruppenleiter im Dresdner Sachsenwerk zu arbeiten. Zusammen mit Personaldirektor Brassat hat er sich um die privaten und beruflichen Belange der etwa 300 vietnamesischen Vertragsarbeiter gekümmert. OT (Pham Hong Phong) Arbeitsschutzerklärung, Urlaub, wenn man krank ist oder Frauenprobleme, da hatten wir immer zu tun. OT (Brassat) Es musste ein Wohnheim da sein, die Leute mussten eingekleidet werden, sie mussten eine Sprachausbildung erhalten, die mussten kulturell betreut werden und dergleichen. Das war für uns ein völlig neues Gebiet. Wir hatten noch keine Ausländer, jedenfalls nicht in dem Umfang. Da haben wir in kürzester Zeit ein Wohnheim eingerichtet, dann haben wir Sachen gekauft oder sind mit ihnen Sachen kaufen gegangen. Da gab es auch Probleme mit unserer Bevölkerung, weil die Vietnamesen sehr klein sind. Die haben in den Kindergeschäften eingekauft. Das hat nicht für Freude gesorgt, weil es Anoraks für Kinder nur sehr schlecht gab. Die wurden in Größenordnungen dann abgekauft. Die haben es nicht nur für sich gekauft, sondern haben es dann auch nach Hause geschickt. Das war nicht ganz einfach. SPRECHERIN Da musste die DDR-Bevölkerung durch - auch wenn die "Fidjis", wie sie von einigen gehässig genannt wurden, ihnen die rare Kinderbekleidung weg gekauft haben. Im Sachsenwerk konnte man nicht ohne sie. Mit ihnen und ihrer Fingerfertigkeit stand oder fiel die gesamt Kleinmotorenproduktion. OT (Brassat) Das sind ganz kleine Drähte, die sind nicht mal 1 mm im Durchmesser, das muss alles schnell gehen, die Maschine gibt einen Takt vor ... das haben unsere Leute einfach nicht geschafft. Wir haben das mal probiert. Wir sind mit deutschen Arbeitern rein gegangen: Die Qualität hat nicht gestimmt und die Stückzahl. Wir waren sehr froh, dass wir die Vietnamesen als Arbeitskräfte bekommen haben. SPRECHERIN Dann fiel die Mauer und die DDR-Wirtschaft brach zusammen. Das Sachsenwerk produzierte 15% für das kapitalistische Ausland. Das bedeutete, dass 75% in die sozialistischen "Bruderländer" exportiert wurden. Die jedoch konnten nicht mit harter Währung zahlen, was zu einem enormen Rückgang des Exports und damit der Produktion führte. Der Betrieb war dem bundesdeutschen Konkurrenten Siemens nicht gewachsen. Arbeitsstellen mussten abgebaut werden. Personaldirektor Brassat war in einer prekären Situation. OT (Brassat) Wir haben ja noch produziert für Foron. Wir hatten das Problem, wenn die Vietnamesen rausgehen, die mit deutschen Arbeitern zu ersetzen. Weil die einfach die Leistung nicht gebracht haben und auch die Stückzahl nicht und die rollende Woche nicht gefahren haben. Wir haben die guten Leute natürlich behalten. Es sind auch Deutsche entlassen worden, bevor Vietnamesen entlassen wurden. OT (Fernseh-Kommentatorin) Einen freundlichen Guten Morgen, meine Damen und Herren, aus der Volkskammer, die heute hier in ihre 12. Tagung gehen wird. Heute steht auf der Tagesordnung eine aktuelle Stunde am Anfang. Diesmal zum Thema "Zur Situation der Ausländer in der DDR". SPRECHERIN Die 12. Tagung der Volkskammer fand am 08. Juni 1990 statt. Beantragt hatten die "Aktuelle Stunde zur Situation der Ausländer" Bündnis90/Die Grünen. Erster Redner war ihr Angeordneter Gerd Poppe. Er beklagte, dass viele Betriebe die Vertragsarbeiter einfach vorzeitig zurück in ihre Heimatländer schicken würden, um damit Problemen, die mit Entlassungen auftreten könnten, aus dem Weg zu gehen. OT (Poppe) Es ist dringend erforderlich, dass diese ausländischen Arbeiter einen ausreichenden Rechtsschutz erhalten. Notwendig ist, dass diejenigen eine angemessene Abfindung bekommen, die in ihre Heimat zurück wollen. Und diejenigen, die arbeitslos werden oder hier bleiben wollen, müssen rechtlich den einheimischen Arbeitern gleichgestellt werden. Sie müssen Arbeitslosenunterstützung, Wohnraum und Umschulungsmöglichkeiten erhalten. SPRECHERIN Im Dezember 1990 - gut ein Jahr nach dem Mauerfall - waren von 59.000 Vietnamesen nur noch 21.000 beschäftigt, von 15.100 Mosambikanern nur noch 2800 und von 8300 Kubanern gerade mal 60. OT (Marita Schieferdecker-Adolph) Sie sollten einen Aufenthaltsstatus kriegen, der immer nur vorübergehend war. Wir haben gesagt, nein, die müssen einen festen Aufenthaltsstatus kriegen, weil die Arbeit dran hängt usw. Das ging ewig nicht. Man hat gesagt, die sind hier her gekommen mit der Option, dass sie wieder zurückgehen. Wir haben dann gesagt: Das war bei den westlichen Gastarbeitern genauso. SPRECHERIN Marita Schieferdecker-Adolph war 1990 Ausländerbeauftragte in Dresden. Sie hat alles Mögliche - und auch Unmögliche - unternommen, um den ausländischen Vertragsarbeitern zu helfen. OT (Schieferdecker-Adolph) Die Leute sind völlig überrollt worden. Es ging nach Hause und es gab Betrug. Es gab diejenigen, die hier blieben. Die sind nach Arbeit gelaufen. Und ich erinnere mich, ich habe Sachen organisiert - da kann man gar nicht drüber reden. Was wir versucht haben, dass die Leute eine deutsche Frau kriegen. Solche Dinge haben wir auch versucht. SPRECHERIN Vor allem von staatlicher Seite hätte sich die Ausländerbeauftrage viel mehr Unterstützung gewünscht. OT (Schieferdecker-Adolph) Man hätte versuchen müssen, für diese Leute Arbeit zu finden, mehr Programme - der Pfarrer Webers hat so ein Programm gemacht. Ich denke da hätten auch andere Leute Ideen gehabt. ... Das sind so wenig Menschen gewesen, die das betraf, da hätte man einfach viel wacher, aufmerksamer denken müssen, Überlegungen anstellen müssen. SPRECHERIN Pfarrer Christoph Webers hat zu DDR-Zeiten viele Jahre das Landeskirchliche Werk der Äußeren Mission in Dresden geleitet. Im Juni 1991 ist unter der Schirmherrschaft der evangelischen Kirche der "Beirat zur Förderung ausländischer Arbeitnehmer" gegründet worden, den Pfarrer Webers leitete. Er hatte sich schon vorher um die Belange von Ausländern in Dresden gekümmert. OT (Webers) Ich habe Studentenarbeit mit Tansaniern gemacht. Dann habe ich auch Tansania besucht. Dann habe ich eine japanische Schwiegertochter. Das alles hat mir natürlich eine andere Sicht der Dinge gegeben als der normale DDR-Spießbürger in der Zeit hatte. SPRECHERIN An die guten Gründe, warum die DDR-Regierung ausländische Arbeiter ins Land geholt hat - Solidarität, Völkerfreundschaft, Bruderhilfe - an die hat Pfarrer Webers nie so richtig geglaubt. OT (Webers) Unter Solidaritätsanstrich wurden ja die Mosambikaner vor allem auch ans Fließband gestellt. Es wurde nicht das gehalten, was man ihnen versprochen hatte. Es gab allerdings auch Ausbildung. Das war die andere Seite. Es hat immer wieder auch beides gegeben. SPRECHERIN Nicht nur die Arbeits- auch die Lebensumstände der Vertragsarbeiter waren reglementiert. Sie wurden in Internaten untergebracht, die meist etwas Abseits lagen, rund um die Uhr bewacht. Jeder Besucher wurde registriert und musste das Heim spätestens um 17.00 Uhr verlassen. Emiliano Chaimite, der im Heizkesselwerk Schönebeck bei Magdeburg, Gießerei-Facharbeiter gelernt und dort auch in der Produktion gearbeitet hat, erinnert sich an diese Zeit. OT (Emiliano Chaimite) Zunächst hat uns das nicht gestört. Man hat neue Eindrücke, man ist beschäftigt, die Ausbildung gefällt uns, die Sprache hat mir gefallen und ich habe sofort losgelegt. Ich war einer der besten in der Klasse. Später, im Laufe der Zeit, wie das so ist: Wir sind ja eine reine Männergruppe gewesen, da haben erwachsene Männer andere Bedürfnisse nach Nähe und Liebe. Da kamen natürlich Probleme mit der Zeit. Da kamen Besuche, Damenbesuche, die mit allen Mitteln zu verhindern versucht wurden. Wir haben andere Wege gefunden, um diese Besuche zu ermöglichen. Es war sehr, sehr schwierig, ein normales Leben zu führen. SPRECHERIN Noch viel schwieriger wurde seine Situation mit dem Zusammenbruch der DDR. OT (Emiliano Chaimite) Unser Betrieb hatte über 3000 Arbeiter und 1989 sind wir erstmal auf Kurzarbeit gesetzt worden...wir haben versucht, die Produktion zu erneuern, bestimmte Produkte, die gefragt waren, zu produzieren, innovative Sachen mit einzubringen. Aber der Betrieb hat nicht überlebt. Irgendwann haben sie die Pforten dicht gemacht. Die DDR-Regierung gab es ja nun faktisch nicht mehr. Die Einigungskommission, die den Einigungsvertrag unterschrieben haben, die haben im Prinzip die Vertragsarbeiter aus der DDR loswerden wollen. Es gab keine Vorkehrungen, die getroffen wurden, was mit ihnen geschehen soll. SPRECHERIN Die damalige Ausländerbeauftragte, Almuth Berger, hat sich auf der 12. Tagung der Volkskammer im Juni 1990 zu diesem Problem geäußert. OT (Almuth Berger) Die Fehler der Ausländerpolitik des alten Regimes, insbesondere der Arbeitskräftekooperation, gebieten es einfach, den davon betroffenen Personenkreis auch unter den Schutz der neuen Regierung zu stellen, die die Rechtsstaatlichkeit zu ihrem wichtigsten Prinzip erhoben hat. Das heißt, ein erheblicher Teil unserer ausländischen Mitbürger ist auf der Grundlage von Regierungsabkommen hier, die inzwischen in Verträgen mit den Abkommenspartnern geändert worden sind. Ich habe erst vor kurzem diese Verhandlungen geführt und im Auftrag der Regierung die Abkommen in der veränderten Form unterschrieben. Sie sind den marktwirtschaftlichen Bedingungen angepasst worden, insofern, als es ausländischen Arbeitern ermöglicht wird, wenn sie aus dem Betrieb ausscheiden müssen, eine Entschädigung zu bekommen und in geordneter Form nach Hause zurückzukehren, ohne willkürlichen, kurzfristigen Entlassungen ausgesetzt zu sein. SPRECHERIN 3000 D-Mark sollten diejenigen bekommen, die in ihre Heimatländer zurückkehren wollten. Viele haben das Angebot angenommen. Einige von ihnen wurden enttäuscht, wie Marita Schieferdecker-Adolph zu berichten weiß. OT (Schieferdecker-Adolph) Mir ist es mehrmals passiert, dass Betriebe gesagt haben, ja, ihr kriegt die 3000 DM. Wir geben die euch im Flughafen. Dann waren die Leute dort und im Transitbereich und dann war niemand da. Der Flug war gebucht. Da sind viele auch betrogen worden. SPRECHERIN Viele Vertragsarbeiter wollten in Deutschland bleiben. Damit das überhaupt infrage kam, mussten sie sich einen Arbeitsplatz und eine Wohnung besorgen. Emiliano Chaimite wollte bleiben. Obwohl sich auch die Menschen verändert hatten. OT (Emiliano Chaimite) Was prägnant war für mich in der Wendezeit war, dass die DDR Bürger plötzlich wie verwandelt waren. Vorher konnten wir überall hingehen. Wir wurden sehr nett begrüßt, wir gehörten dazu, egal wo wir waren. Wir sind manchmal in die tiefsten Dörfer gegangen - es war immer freundschaftlich, interessierte Menschen, die sich mit uns unterhalten haben. Plötzlich waren sie wie ausgewechselt. Jeder, auch junge Leute oder Erwachsene, wenn wir vorbei gehen, Deutschlandrufe oder ,wir sind jetzt Deutschland und ihr müsst jetzt nach Hause gehen, wir sind jetzt wer'. Oder da riefen so ein paar Jugendliche ,Auschwitz' als ich vorbei gegangen bin. SPRECHERIN Emiliano Chaimite ist damals nach Berlin gezogen, nicht nur, weil er in Schönebeck keine Arbeit finden konnte, sondern auch, weil die neue deutsche Metropole größer und weltoffener zu sein schien. OT (Emiliano Chaimite) Da habe ich dann auch Arbeit gefunden bei der Deutschen Post, Bundespost hieß sie damals. Die wollten mich dann auch zur Ausbildung schicken. Ich hatte einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Aber ich durfte nicht die Ausbildung genießen, weil die Berliner Behörde der Meinung war, dass es die DDR nicht mehr gibt und da die Verträge ausgelaufen sind, da musste ich ausreisen. Da habe ich dann gekämpft mit Anwalt und allem was dazu gehört. Es war fruchtlos geblieben. SPRECHERIN Der zuständige Berliner Ausländerbeauftragte hatte von dem Dresdner "Beirat zur Förderung ausländischer Arbeitnehmer" gehört und sich mit Pfarrer Webers in Verbindung gesetzt. OT (Emiliano Chaimite) ... Er sagte jedenfalls, hier wird es nichts in Berlin aber wir haben Kontakt nach Dresden. Da gibt es auch eine Gruppe deinesgleichen. Es ist besser, wenn du dorthin kommst. In der Gruppe ist man stärker. Da bin ich am nächsten Tag nach Dresden gefahren. Pfarrer Webers hat mich am Hauptbahnhof abgeholt. Wir waren dann im Rathaus bei Frau Schieferdecker und dann bin ich auch zum Herder-Institut gekommen. OT (Pfarrer Webers) Dann begann der Deutschkurs im Herderinstitut für 23 Mosambikaner und zwei Angolaner. Das war zugleich auch gut für das Herderinstitut. Die Leute standen da nämlich auch etwas auf der Wippe. Weil es ja inzwischen die Konkurrenz Goetheinstitut gab. SPRECHERIN Nach bestandener Deutschprüfung hat der TÜV Rheinland die Ausbildung für acht Schweißer und Elektriker sowie für neun Kraftfahrer übernommen. Die restlichen acht haben im Diakonissenhaus und im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert. Für Emiliano hat sich ein Traum erfüllt. Er wollte gerne einen Beruf erlernen, der auch in Mosambik gebraucht wird. OT (Emiliano Chaimite) Da ich schon in Berlin mit dem Gedanken gespielt hatte, eine Heilpraktikerausbildung zu machen, war für mich die Richtung vorgegeben. In meiner Familie in Mosambik gibt es auch Krankenpfleger. Das hatte ich immer bewundert, wie sie so schön in weiß, und die Leute spritzen und in der Klinik Sprechstunde machen und arbeiten. Ich habe gesagt, ok, das ist ein Beruf, den man überall ausüben kann. SPRECHERIN Bis heute arbeitet Emiliano Chaimite in dem Krankenhaus in der endoskopischen Chirurgie. Er ist auch Mitglied des Personalrats und vertritt so die Rechte der Arbeitnehmer. Nicht noch einmal soll es Menschen so ergehen wie ihm und tausenden Vertragsarbeitern nach dem Untergang der DDR. OT (Emiliano Chaimite) Wir sind eigentlich hier gewesen wie Brüder. So hat auch jeder Mosambikaner gedacht, DDR-Bürger sind Brüder und das sind friedliche Menschen, die sind fortschrittlich und Völkerfreundschaft. Bis 1995 gab es welche, die sagten: Nein, die können uns nicht irgendwo wegschieben. Das sind doch unsere Brüder. Ich habe gesagt: Hallo, du musst aufwachen. Das ist nicht mehr so, es ist vorbei. ENDE 14 11