DEUTSCHLANDFUNK -K”ln im DeutschlandRadio Redaktion: Hintergrund Kultur / H”rspiel Redaktion: Ulrike Bajohr / Herrmann Theiáen Dossier Bananen Shake auf Island. Wie das Boomland auf den Hund kam, die braven Menschen ausgeraubt und b”se wurden und sie nun von einem einfachen Leben in Europa tr„umen. Von Hannelore Hippe SWR/DLF URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschtzt und darf vom Empf„nger ausschlieálich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielf„ltigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die ber den in õõ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzul„ssig. ? DeutschlandRadio - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, d. 22. Mai 2009, 19.15 - 20.00 Uhr ATMO 1 die einsame Kirchglocke des isl„ndischen Parlaments schl„gt zw”lf Mal. Dann drber ATMO 2 lautes skandieren von Parolen, begleitet von Schlagen auf T”pfe und Pfannen, unbeschreiblicher L„rm. Take 1 Demonstrant: I compare it to a drug party? 1. Sprecher: Das war hier wie eine Drogenorgie. Und als das dann vorbei war, lag alles in Schutt und Asche. Und man merkt, dass man schtig war und dann muss man einen radikalen Schnitt machen. Das allein ist unsere Hoffnung. Eine neue Zukunft fr Island! ATMO 2 wie gehabt, l„uft weiter Take2: Einar: They have mortgaged the country... 2. Sprecher: Die haben unser Land verpf„ndet. Nun haben wir unsere Freiheit und Unabh„ngigkeit verloren. Das ist Hochverrat. ATMO 2 weiter Take 3 Dora: we are all kings 1. Sprecherin: Wir halten uns alle fr kleine K”nige. Wir Isl„nder sind die besten berhaupt. Als Individuen und als ganze Nation. Und nun sind wir auf unseren Thr”nchen in den Dreck gerutscht und haben komplett die Kontrolle verloren. Mit Vulkanen und Erdbeben haben wir gelernt zu leben, aber das hier? Jetzt haben wir richtig Angst bekommen. Take 4 Vilhjalmur: It is megolomania. 3. Sprecher: Ja, das war Gr”áenwahn. Nicht bei allen Isl„ndern, aber bei diesen dreiunddreiáig, die das gemacht haben. Der Rest der Nation hat weggeschaut. ATMO 2: weiter, Sprechch”re Take 5 Authunn: (auf Deutsch)?so Geschichten, dass ein ehemaliger Staatspr„sident sich zum Gouverneur der Zentralbank ernennt (er lacht) und man fhlt sich ( er lacht sehr verlegen) wie in einer Bananenrepublik. Autorin: Bananenshake auf Island. Wie das Boomland auf den Hund kam, die braven Menschen erst ausgeraubt, dann b”se wurden und nun von einem einfachen Leben in Europa tr„umen. 1. Sprecher: Feature von Hannelore Hippe ATMO 2: bricht abrupt ab und wird durch die Enten des Stadtweihers in Reykjavik ersetzt. ATMO 3: Enten (ziemlich laut schnatternd) Autorin: Der Stadtteich von Reykjavik ist im Januar fast vollst„ndig zugefroren. Nur fr die stattlichen arktischen Enten hat man ein groáes Loch ins Eis geschlagen. So kann man sie fttern und viele Bewohner der Hauptstadt tun es unermdlich. Jedes Mal, wenn ich hier vorbei laufe und das mache ich mehrmals t„glich, werden ihnen kleine Leckereien zugeworfen. Die Enten schnattern dankbar ob der Krumen. Ich wohne seit meiner Ankunft vorgestern, am 15.Januar 2009, im Zentrum der Hauptstadt Islands, die etwas ber 170.000 Einwohner hat, weniger als, sagen wir Ludwigshafen. ATMO 2a: Stadtverkehr im Zentrum von Reykjavik, ab und zu mal ein Auto. Autorin: Genauer gesagt wohne ich am Parlamentsplatz und die Enten residieren einen halbherzigen Schneeballwurf entfernt vom Althingi, wie das isl„ndische Parlament seit der Ankunft der ersten Siedler vor tausend Jahren heiát. Dies hier ist die „lteste Demokratie Europas, hatte ich irgendwo mal gelesen. Island selbst hat so viele Einwohner wie Mannheim, 320.000. Besitzt aber eine eigene W„hrung, die isl„ndische Krone. Wenn ich im Laden frage was das, was ich kaufen m”chte, in Euro kostet, ernte ich gleich zwei Reaktionen: Schulterzucken und eindeutig neidische Blicke. Das Schulterzucken begreife ich bereits nach kurzer Zeit: die Krone ist in ihrem Wert so komplett zusammen gebrochen, dass niemand mehr den šberblick hat, wie viel sie heute im Vergleich mit anderen W„hrungen berhaupt noch wert ist. Der neidische Blick: ich habe Euros. šberall ist die politische und wirtschaftliche Lage Thema. Davon bekam ich schon eine Ahnung, als ich mein erstes isl„ndisches Taxi nahm, das mich vom Flughafen ins Hotel brachte. Normalerweise sind Taxifahrer, egal wo, ein schier unersch”pflicher Quell lokalen Wissens und sagenumwobener Legenden. Heute kommt aber auch er sofort zur Sache. Take 6 Taxifahrer: 15 years ago? 1. Sprecher: Wenn man vor 15 Jahren hier einen Kredit wollte, ging man zu seiner Bank, fragte nett an, ob man 100.000 bekommen konnte. Die prften dann die Einknfte und wenn man nach einer Woche wieder kam, sagte sie einem: ?In Ordnung, wir leihen dir 50.000?. In den letzten zwei Jahren brauchte man hier gar nicht mehr pers”nlich vorzusprechen oder seine Einknfte nachweisen. Du willst nur 100.000? Warum nicht gleich 500.000? Da springt noch ein Urlaub in der Sonne fr deine Familie mit raus! Das hab ich dann genommen. Ja, ich hab dabei mitgemacht. Hier gab es nur eine Regel: gib es jetzt aus und zahl sp„ter. Und nun ist die Krone kaputt. Total kaputt. Ich h„tte jetzt gern den Euro. ATMO 4 Auszge aus Rede von Ministerpr„sident Geir Haarde vom 6. Oktober 2008. Sie endet mit ? Gott helf Island? Autorin: ? Gott helf Island.? Damit schloss der Ministerpr„sident Geir Haarde seine Rede ans isl„ndische Volk am 6. Oktober 2008. Dass die Rede kurzfristig um Mittag im staatlichen Fernsehprogramm RUV ausgestrahlt wurde, machte die Isl„nder misstrauisch. Sonst beginnt das Fernsehprogramm erst am Abend. Was wollte der Premier schon an diesem dsteren Mittag erz„hlen? Isl„nder sind an sich, so erkl„rt man mir, von Natur aus nicht misstrauisch. Take 7 H”rdur: This has been said about Icelanders.. 4. Sprecher: Von uns Isl„ndern sagt man, wir leben und lassen leben ( Musik w„hrend der Kundgebung wird allm„hlich lauter) Und es ist sehr isl„ndisch, alles zu glauben, was die Regierung einem sagt. Wir haben immer unseren Beh”rden vertraut, dass sie das richtige fr uns tun. So ist das hier. Aber nun haben wir kein Vertrauen mehr. Wir haben das Interesse an Politik und das Vertrauen in diese Politiker verloren. Wir wollen, dass sie zurcktreten. Und wir wollen einen Neuanfang fr unsere Gesellschaft. ATMO 5 : Gejohle, Pfiffe auf der Kundgebung. Autorin: Seit der Rede des Premiers vom 6. Oktober, als er seinem Volk verkndete, dass alle drei isl„ndischen Banken bankrott seien und das gesamte Land und seine Bev”lkerung ab sofort hoch verschuldet, protestieren die Isl„nder. Erst ganz z”gerlich, dann beherzter. Jeden Samstag, pnktlich um 15 Uhr. Einige Plakattr„ger sind schon da und neben mir steht H”rdjur Thorvaldson, Theaterregisseur und Initiator dieser ersten isl„ndischen Protestkundgebungen seit 60 Jahren. Ich zeige auf ein selbst gemaltes Schild, das jemand neben mir schwenkt. Take 8: (Autorin im Take): What does that mean? Helvetis? H”rdjur : This means fucking fuck. Autorin: So fhlen sich die Leute auf dem Platz, der sich immer mehr fllt. Eine riesige isl„ndische Fahne taucht auf. Sie gesellt dich friedlich zu einigen schwarzen Fahnen, die bereits da sind.. Take9 H”rdjur: We have been doing it for 15 weeks now. 4. Sprecher: Wir halten seit fnfzehn Wochen diese Protestkundgebungen ab. Zuerst habe ich mich nur mit ein paar anderen hier unter die Statue unseres Befreiers von den D„nen, Jon Sigurdsson, gestellt. Da standen wir dann eine Woche lang, zu fnfzehnt und dann kamen immer mehr dazu. Und nun strahlt es auf andere Landesteile aus, wo ebenfalls Kundgebungen zur selben Zeit stattfinden. Wir wollen um das ganze Land eine Kette von Protestkundgebungen aufbauen. Das haben die Isl„nder noch nie gemacht, so systematisch protestiert und so nachhaltig. Man kann wahrhaftig sagen, dies ist das erste Mal in unserer Geschichte, dass das passiert. Ich k„mpfe seit ber 40 Jahren fr Menschenrechte und dies hier ist ein Fall des Kampfes um Menschenrechte fr eine ganze Nation. Ich m”chte ein freies Land sehen mit freien Menschen! Autorin: Aber Island ist doch ein freies Land, habe ich immer gedacht. Luftiger und zugiger Teil des skandinavischen Wohlfahrtsimperiums im Norden Europas. Tapfere Wikingernachfahren, die sich an einer sehr hbschen, doch „uáerst instabilen Vulkaninsel vor tausend Jahren fest gekrallt hatten und immer noch auf ihr ausharren. Die ihre einzige schwimmende Ressource, den Fisch, gegen berm„chtige fremde Flotten erfolgreich verteidigen, die groáe Literaten und exzentrische S„ngerinnen hervorbringen und die kleine Pferde und sozial und fair handelnde Demokraten ihr eigen nennen. Take 10: ( auf Kundgebung, im Hintergrund Musik) Frau: (auf Deutsch) Die Wut wird mehr. Nach dem neuen Jahr kommen viele Sachen so richtig raus. Was gelaufen ist und was alles auf uns zukommt: Arbeitslosigkeit, Inflation. Das ist jetzt den Leuten richtig bewusst geworden. Das ist schrecklich. Take11: Einar: There is many sides to this coin. 2. Sprecher: Island hat viele Gesichter. Und was hier immer unterschwellig vorhanden war, wurde jetzt an die Oberfl„che gesplt. Autorin: Einar Mar Gudbransson ist der vielleicht erfolgreichste zeitgen”ssische Schriftsteller Islands. Seine Romane wurden in mehr als zwanzig Sprachen bersetzt. Auch er war einer der ersten wtenden Demonstranten, die ”ffentlich und laut das Wort ergriffen. Take 11a: Einar: 2. Sprecher: Wir mssen uns jetzt der Tatsache stellen, dass wir in einer sehr viel korrupteren Gesellschaft gelebt haben als wir es uns bisher vorgestellt haben. Ich glaube nicht, dass wir wirklich naiv waren. Aber was jetzt bekannt wurde, tr„gt groteske Zge. Zum Beispiel: Man kaufte sich eine Firma und dann hat man sie schnell einem Freund zu einem h”heren Preis verkauft. Der wiederum hat sie einem dann wieder zu einem noch h”heren Preis zurck verkauft und so haben sie sich intern ein Imperium aufgebaut, in dem der Wert der Gesellschaften, die sie scheinbar besaáen, immer weiter stieg, aber nur auf dem Papier. Und damit alles ruhig blieb, haben sie dann ein paar Krmel an das Volk verteilt, das dankbar alles aufpickt. Autorin: Wie die Enten am Stadtteich. ATMO 6: Juchu Rufe, Rede, Applaus Take 12 Frau (von eben auf Deutsch) Da ist so viel verloren gegangen, was die Leute einbezahlt haben fr ihre Altersvorsorge und da haben die „lteren Leute einfach Angst, dass ihre Altervorsorge nicht mehr gew„hrleistet ist. Das kann passieren ( Glocken l„uten) Unsere Regierung hat entweder geschlafen oder sie haben das hinterrcks untersttzt, was ich glaube. Autorin: Ich lasse mir von Jon Baldvin Hannibalson erkl„ren, wie es dazu kam. Hannibalson ist einer der grauen isl„ndischen Eminenzen in der Politik. Enger Freund Willy Brandts, ehemaliger Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Islands, langj„hriger Auáenminister und auch eine zeitlang isl„ndischer Finanzminister. Doch lange, sehr lange vor der Kreppa, wie die Krise hier heiát. Take 13 Jon: After the privatization of banks 5. Sprecher: Was nach der Privatisierung der Banken hier um 2002 herum passierte, war die Expansion im Banken- und Finanzsektor auáerhalb Islands. Vor der Privatisierung machte der Finanzsektor weniger als ein Drittel unseres Bruttosozialprodukts aus. Beim Zusammenbruch 2008 war er auf das zw”lffache des Bruttosozialprodukts angeschwollen. Doppelt so groá im Vergleich mit der Schweiz zum Beispiel. Nur dass die Schweizer das seit hunderten von Jahren machen im Gegensatz zu uns. Wir hatten mal gerade sechs Jahre Erfahrung. Das bedeutete, dass der Banksektor zehn, zw”lf Mal so groá wurde wie die gesamte Wirtschaft und er operierte im Ausland ohne glaubwrdige hiesige Einlagen, denn Island war viel zu klein fr solch ein Unternehmen oder umgekehrt, das war alles viele Nummern zu groá fr Island. Durch die internationale Krise wurde lediglich das Feuer entfacht, das l„ngst glom. Als Lehman Brothers in den Vereinigten Staaten zusammenbrach, besaáen sie bestimmte Vertr„ge mit isl„ndischen Banken, die eine gewisse Refinanzierung der Schulden garantieren sollten. Doch nun waren sie selbst bankrott und das setzte einen Dominoeffekt in Gang und wie Professor William Bouter, einer der renommiertesten ™konomen der Welt noch vor wenigen Tagen gesagt hat: Man hat euch gewarnt und man hat es euch frh genug gesagt. Nicht nur ich, sondern auch eure eigenen Wirtschaftsexperten. Aber all das wurde komplett ignoriert. Take 14 Vilhjalmur: I could not speak loudly 3. Sprecher: Ich konnte nicht offen reden, niemand wollte mich h”ren. Und man hat sogar behauptet, ich sei krank. Aber was ich schon vor einigen Jahren entdeckt hatte, war, dass mit unseren Aktiengesellschaften irgendwas nicht stimmte?. (L„uft weiter drunter auf Englisch ohne voice over) Autorin: Vilhjalmur Bjarnasson ist einer der zwei renommiertesten isl„ndischen ™konomen. Er stand hinter Ministerpr„sident Haarde als der Gott um Hilfe und Beistand fr Island bat. Er sei erst rot angelaufen , dann sei alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen. Take15: Vilhjalmur: I was in the studio too 3. Sprecher: Ich hatte nicht erwartet, dass das schlimmste eingetreten war. Das schlimmste was ich mir je habe vorstellen k”nnen. Es war fr mich wie wenn ein Atomkrieg ausbricht, denn ich weiá ja, dass damit die gesamte isl„ndische Infrastruktur bedroht ist. Und wir hatten es mal so gut?. Take16: Kundgebung Gruppe mit grnen OP Hten Autorin: Why are you wearing these green caps? Frau : Because they are throwing away... 1.Sprecherin: Wir tragen die OP Kappen, weil sie dabei sind, ein ganzes Krankenhaus zu schlieáen in Hadnahurdu. Dagegen protestieren wir. Im ganzen Land werden Krankenh„user dicht gemacht. Ich weiá nicht, was dann mit uns, mit mir passieren wird. Ich arbeite im Labor. Ich geh”re zum medizinischen Personal. Sie teilen die Krankenh„user auf, legen sie zusammen. Dagegen protestieren wir hier und wir geben nicht auf! ATMO 7: Reden von der Bhne. Dazwischen Applaus Take 17 Autorin: Hier werden viele Erinnerungsphotos gemacht. Sie fotografieren sich mit ihren schwarzen, roten und isl„ndischen Fahnen. Es sind ungef„hr 10000 Menschen hier. Autorin: Obwohl die Stimmung gedrckt sein msste, strahlen alle auf dem Platz nicht nur Wut, sondern gleichzeitig Optimismus und eine fr mich zu dem Zeitpunkt nur schwer einzuordnende Freude aus. Viele Familien sind da, mit Kindern, Groáeltern und zahlreichen Hunden, die wie die Menschen, erstaunlich aufmerksam den Reden zu lauschen scheinen und nicht im Traum dran denken dazwischen zu bellen. Ein diszipliniertes aber „uáerst fr”hliches Volk. Und dies ist ein gesellschaftliches Ereignis. An meinem Mikrophon erkannt man, woher ich komme und, wie der Sender heiát, fr den ich arbeite und ich bin baff erstaunt, wie immer wieder Isl„nder auf mich zukommen und mich darauf ansprechen. Und mir, nein, allen Deutschen wollen sie erz„hlen, was ihnen furchtbares passiert ist. Take 18: Mann: There were 50 who own everything, who control.... 1. Sprecher: Es gibt hier ungef„hr fnfzig Leute, denen alles geh”rt und die alles kontrollieren. Die auf niemanden geh”rt haben. Einige von ihnen leben nun woanders und haben das Land verlassen?. Autorin: Eine Zahl. Immer wieder wird mir eine Zahl genannt. Die Zahl derer, die das hier angeblich alles zu verantworten haben. Take 19 Einar: Some say it was 33. 2. Sprecher: Man h”rt meistens die Zahl dreiunddreiáig (er lacht) Aber um die herum gab es natrlich noch viele andere, Wirtschaftsleute, Banker, Anw„lte und Journalisten. Take 20 Jon: What about the oligarchs? 5. Sprecher: Was mit diesen Oligarchen ist? Die das ganze Verm”gen angeh„uft haben? Wo ist das ganze Geld, das sie gerafft haben? Nun stellt man fest, dass die Sicherheiten, die sie hinterlegten - und ihnen geh”rten ja unsere Banken -, dass die nichts wert sind. Ihre Immobilien im Ausland, an die man vielleicht kommen k”nnte, sind aufgrund der Rezession an Wert dramatisch gefallen und den Rest haben sie auf den Kaymann Inseln gebunkert. Dort und auf Jersey, Zypern, Liechtenstein, vielleicht liegt sogar ein wenig in Luxemburg. Alles durch das Bankgeheimnis geschtzt. Diese Isl„nder sind jetzt alle weg. Einige leben in London. Take21 Vilhjalmur: I noticed some 2,3 yrs ago 3. Sprecher: Vor ungef„hr zwei, drei Jahren stellte ich fest, dass der Profit der isl„ndischen Banken nicht aus dem normalen Bankgesch„ft stammte. Nicht aus Einlagen und Krediten, was ein gesundes Bankgebaren bedeutet h„tte. Autorin: Schlieálich leitete Vilhjalmur selbst jahrzehntelang mehrere gesunde isl„ndische Banken und weiá, wovon er redet. Take 21a 3. Sprecher: Es stammte vielmehr aus Investment und Desinvestment, dem Kauf und Verkauf von Firmen auf dem Papier. Ich bin sicher, dass das unseren Kontrollgremien und der Zentralbank ebenfalls aufgefallen war. Autorin: Die Zentralbank, so heiát die isl„ndische Staatsbank, wurde jedoch vom ehemaligen Ministerpr„sidenten David Oddson geleitet, der als Staatschef die Privatisierung der Banken 2002 eingefhrt hatte und unter dessen Žgide, man will nicht sagen Herrschaft, der Finanzsektor und seine windigen Wikingergesellen die isl„ndische Wirtschaft zum Boom gefhrt hatte. Take 22 Vilhjalmur: It is really dangerous 3. Sprecher: So etwas ist wirklich gef„hrlich im Bankwesen und ich habe gestern in einem Fernsehinterview darauf hingewiesen, dass das einem gigantischen Bankraub nicht von auáen, sondern von innen gleichkommt. Die Privatisierung der Banken damals war gar nicht der Fehler, wie ich meine, sondern dass weder die Banker noch die Aktion„re irgendeine Fachkompetenz besaáen. Autorin: David Oddson, Chef der isl„ndischen Zentralbank und ehemaliger langj„hriger Ministerpr„sident begann seine berufliche Laufbahn in Island als Rundfunkkomiker. Sehr erfolgreich brigens. Island ist voll ungeahnter M”glichkeiten und Wunder. Take 23 Vilhjalmur: 3. Sprecher: Sie liehen Geld an Firmen, die keinen Cashflow produzierten. Sie wollten cleverer sein als alle anderen. Banking ist in Deutschland und anderen L„ndern kein neues Gesch„ft. Aber es ist es hier auf Island. Gesunde Firmen weltweit waren ja bereits seit Generationen bankm„áig in guten H„nden und da blieben fr die Neulinge aus Island eben nicht die vertrauenswrdigsten Kunden brig. Take 24: Kundgebung: šber Rede Autorin; Why are you here? Frau: Because of my daughter 1. Sprecherin:Wegen meiner Tochter, die ist sieben und auf dem Sch¡ld, das sie tr„gt steht ? ich will eure Schulden nicht bezahlen!?. Ich protestiere dagegen. Ich verliere alles. Mein Haus und wahrscheinlich meine Arbeit. Wegen was denn? Ich habe doch nichts getan? Und nach hundert Tagen wissen wir immer noch nicht, was genau passiert ist, wie viel Schulden wir alle haben und wie man das l”sen will. Die M„nner, die das getan haben, die leben immer noch in Saus und Braus. Diese dreiáig. Und nun sind sie abgehauen auf die Kaymanns und wir fhlen uns verraten. Wir wollen doch nur unser Leben leben, aber wie ohne Job und Wohnung? Die k”nnen wir nicht mehr bezahlen. Ich arbeite bei einem Sportverein im Bro. ATMO 8: Laute Rede, Beifallsrufe Take 25 Frau: I have a mortgage 1. Sprecherin:Eine meiner Hypotheken ist wie bei vielen in Euro und Dollar und die ist um das doppelte gestiegen. Ich hatte zwei verschiedene und die, die ich in isl„ndischer W„hrung habe, ist noch schlimmer, weil unsere W„hrung eingebrochen ist. Die Hypothek steigt nur noch und wird in den n„chsten fnf Jahren nicht fallen, so hat man mir gesagt. Nur dass ich bis dahin meine Wohnung l„ngst nicht mehr bezahlen kann. Jeder, der eine Wohnung gekauft hat, ist in dieser Lage. Wenn ich es hier nicht mehr schaffe, wandere ich aus. Daran denken viele. ATMO 9: Rede, dann laut ISLAND! Autorin: Island - seine 320.000 Einwohner lieben ihre strmische Heimat heftig. Bis vor kurzem war es auch noch ein blhender Wohlfahrtstaat mit dieser besonderen Form skandinavisch-protestantischer Gleichheit, die auch hier tief verankert war. Take 26 Einar: The welfare state has 2. Sprecher: Der Wohlfahrtstaat hat ja viele positive Elemente, wie Gleichheit, ein gutes Gesundheitssystem, ein hervorragendes Schulsystem und so war es auch auf Island. Noch vor zehn Jahren existierte hier kaum eine Klassengesellschaft, kaum wahrnehmbare gesellschaftliche Unterschiede. Dann ging es los und es begann mit der Privatisierung der Fischerei- Banken. Das war der Startschuss, sagen viele Experten, der Startschuss zur Korruption auf Island. 1980, als die Fischereiquoten zum Schutz unseres Bestandes eingefhrt wurden, erhielten einigen Personen diese Fangquoten kostenlos als Geschenk. Die Konzentration im profitabelsten isl„ndischen Wirtschaftszweig begann damals. Auf einmal hatten viele D”rfer an der Kste nichts mehr, was sie fischen durften und einige wenige Isl„nder wurden sehr reich. Take 27 Jon : Basically one percent of the richest 5. Sprecher: Im Grunde genommen besteht die ein Prozent der reichsten Menschen auf Island aus sieben Familien von Oligarchen, die enormen Reichtum auf dem Papier angeh„uft hatten. Das Grundkapital dafr stammte aus dem Ertrag der Fischereiquoten von 1980. Es gab damals klare Anzeichen dafr, dass das Meer berfischt wurde. Dann fhrte man die Quoten ein und die wiederum vergab man an Bootseigentmer, die mindesten drei Jahre gefischt hatten. Danach waren die Quoten bertragbar. Man konnte sie verkaufen. Durch diese bertragbaren Quoten ist nach Meinung der Experten diese Konzentration von wenigen Flotten entstanden, die wiederum immer profitabler operieren konnten. Aber das entscheidende bei der Vergabe der ursprnglichen Quoten war folgendes: eine total korrupte Verwaltung in der Fischereindustrie vergab diese Quoten umsonst. Dem Gesetz nach geh”ren alle Ressourcen Islands dem isl„ndischen Volk, wie auch die Energie. Warum wurden die Fischquoten verschenkt? Man h„tte sie versteigern mssen und den Erl”s dem isl„ndischen Volk geben mssen. Take 27a Kundgebung Mann: we have a lot of fish 1. Sprecher: Wir haben viel Fisch hier und wir haben viele Lgen. Die Regierung hat uns mit Lgen zugeschttet. Die stecken hinter allem. Man hat uns erkl„rt, wir h„tten Freiheit aber sie haben vergessen zu sagen, dass das nur fr einige wenige gilt Take 28 Jon 5. Sprecher: Und wer bekam die Fangquoten? Die, die bereits gut im Business waren. Das Vergabesystem war v”llig in sich geschlossen. Kein Auáenstehender kam hinein und hatte eine Chance, es sei denn, man bestach jemanden. Der Fisch, der Reichtum Islands, war nach 1980 nicht mehr in der Hand des Volkes, sondern geh”rte von nun an wenigen Oligarchen. Dass hatte gravierende Folgen fr unsere Gesellschaft: Alle kleinen Fischereid”rfer verloren allm„hlich ihre Einknfte. Fischereigemeinden ohne Fisch. Viele Menschen zogen in die Hauptstadt und das ver„nderte die Strukturen in den l„ndlichen Gebieten vollst„ndig. Wir waren eine Nation von Fischern und Bauern gewesen. Unsere Gleichheit war zerst”rt. Die Fischerei war nun in der Hand von wenigen und konzentrierte sich auf das Finanzzentrum Reykjavik und die Profite daraus bildeten den Grundstock zu dem, was nun folgte: es wurde geborgt als g„be es kein Morgen, berall auf der Welt. Sie kauften alles auf, was sie sahen. Besonders in Groábritannien, Holland und Skandinavien. Ganze europ„ische Firmenketten wurden ber Nacht isl„ndisch. - Auf dem Papier. Autorin: Man nennt sie die neuen Wikinger oder die Business Wikinger. Als der Kurde Tarik vor vier Jahren aus der Trkei nach Island kam um zu studieren und das Studium durch Kellnern finanzierte, traf er einige der neuen Wikinger in dem teuren Lokal, in dem er arbeitete. Take28 Tarik: When I came, people were 1. Sprecher: Als ich hier ankam, merkte ich sofort, dass die Menschen wie verrckt Geld ausgaben. Wenn sie Lust hatten, fr einen Tag in London ins Theater zu gehen, jetteten sie dahin. Einfach so. Oder mal nach D„nemark und Schweden fr ein Wochenende. Alles war so easy. Und die Autos waren absolute Luxusklasse. Das Leben hier ist so einfach, dachte ich, so einfach. Sie arbeiteten wie verrckt und soffen wie verrckt. ATMO 10: Rede von Frau, einige Buhrufe, sie brllt ins Mikro, Zustimmung. Autorin: Die Kundgebung ist vorbei, langsam leert sich der Platz vor dem Parlament. Die riesige blaurote Islandflagge wird immer noch im einsetzenden Schneesturm geschwenkt. Im nahen Caf‚ ist die Stimmung ausgelassen. Hier w„rmt der Latte Machiato die Demonstranten. Island ist ein modernes Land. Take 29 Mann We are getting better and better. 1. Sprecher: Wir werden immer besser. Am kommenden Dienstag sind wir wieder hier, um eins. Dann kehrt die Regierung aus den Weihnachtsferien zurck and dann werden wir richtig auf die Pauke hauen! Ab jetzt wird alles anders. Autorin: Obwohl das Land bankrott, der nationale Notstand allen pr„sent ist und das Volk ber nichts, was die eigene Existenz betrifft, informiert wird, hat die Regierung, wie jedes Jahr ber Weihnachten ganze vier Wochen Urlaub genommen. Jetzt, in der dritten Januarwoche kehren die Parlamentarier zurck. Um nachzuschauen, ob die Krise noch da ist. Die unterkhlten Demonstranten blasen sich W„rme und Mut in die H„nde. Darauf haben sie gewartet. ATMO 11: Am groáen Geysir. Es zischt und dann Schreie von umstehenden Touristen Autorin: Bis Dienstag sind es noch zwei Tage. Also reise ich von Reykjavik aus in einem voll besetzten Bus aufs Land. Das einzige, was auf Island zur Zeit richtig gut l„uft ist der Tourismus. Mit einer kaputten isl„ndischen W„hrung, die heute nur noch die H„lfte ihres Wertes vor einem Jahr besitzt, kann sich der neugierige ausl„ndische Gast endlich einmal leisten, sich Island anzusehen. Die Krise macht es m”glich. Deutsche, Briten und Spanier tummeln sich auf der kleinen Hauptstrasse der kleinen Hauptstadt und bewundern auf Ausflgen die atemberaubende Landschaft, die unter einer dicken Schneedecke verborgen liegt. Und natrlich f„hrt man zu den groáen Geysiren, den natrlichen Heiáwasserfont„nen, die hier berall kostenlos herumspritzen. ATMO 11: wie oben, Wasserspritzen, Schreie Autorin: ( drber) Ein Geysir funktioniert ungef„hr so: unter der Oberfl„che auf Island brodelt es. Lange sieht man es nicht, kann es sich aber denken. Manchmal kann man ein Loch entdecken, aus dem etwas Wasser blubbert. Wenn man genau hinschaut, merkt man, dass das Blubbern immer st„rker wird. Aber nichts geschieht. Irgendwann bildet sich ber dem Blubberloch eine Blase. Die wird immer gr”áer. Sie hebt und senkt sich wieder und der neugierige Betrachter denkt sich, na! Ob die wohl? Dann ist die Blase pl”tzlich wieder verschwunden. War da was? Und dann, ganz pl”tzlich, wenn niemand mehr damit rechnet, bl„ht sich die Blase ungeheuer auf, platzt und ein riesiger heiáer Wasserstrahl schleudert mit unglaublicher Kraft nach oben in die kalte Luft. So funktioniert das hier auf Island. Take 30 Gudrun: We live on a volcanic island and things can happen. 1.Sprecherin: Wir leben auf vulkanischem Boden und alles kann passieren. Autorin: Gudrun lebt seit ber sechzig Jahren auf dem schmalen Graben, wo die eurasische und amerikanische Kontinentalplatte aneinander scheuern. Der Graben ist nur drftig mit Erde bedeckt und wird, wie man weiá, Island genannt. Take30a Gudrun: 1.Sprecherin: Hier in dieser Gegend gab es ein groáes Erdbeben im Jahr 2000 und das weckte die Geysire, die vierzig Jahre nicht ausgebrochen waren. Wir leben damit und denken auch nicht, morgen k”nnte das n„chste Beben kommen. Nein. Wenn es kommt, dann kommt es und wir mssen uns dem dann stellen. Wir machen uns nicht dauernd Sorgen. Wir sind ein glckliches Volk, das sorglos in den Tag hinein lebt. Auf unserer wundersch”nen Insel. ATMO 12: Enten, diesmal aufgeregter als sonst Take31 Einar: Iceland is a small society 2. Sprecher: Island ist eine kleine, bersichtliche Gesellschaft. Jeder kennt jeden. Und deshalb sind militante Auseinandersetzungen hier sehr schwer zu fhren. Man m”chte sich doch nicht mit seinem Onkel schlagen. Deshalb waren wir hier immer sehr friedlich. Auáerdem waren wir hier auf einem hohen kulturellen Level sehr gleich. Selbst im Mittelalter gab es auf Island kein Analphabetentum. Jeder hier konnte lesen und schreiben. Deshalb ist es uns, und ich schlieáe mich da selbstverst„ndlich mit ein, nie in den Sinn gekommen, zu denken, wir lebten etwa in einem korrupten Staat. Wir waren von unserer Tradition her alle gleich und lebten in einem hoch entwickelten Wohlfahrtstaat. Wir machten uns keine Sorgen. Take 32 Halgrimur: Itïs a problem when you are a protester here 4. Sprecher: Man hat es bei uns schwer, wenn man protestiert in diesem kleinen Land. Ich gebe mal ein Beispiel. Autorin: Halgrimur Helgason ist wie Einar Mar ebenfalls ein bekannter Schriftsteller. Darber hinaus ist er Karikaturist und Musiker. Lange vor allen anderen seiner schreibenden Kollegen warnte er schon vor Jahren, auch in seinen schwarzhumorigen Romanen, vor der, in seinen Augen gef„hrlichen Entwicklung der isl„ndischen Gesellschaft. Take32a. Halgrimur: 4.Sprecher: Am Unabh„ngigkeitstag von D„nemark, das ist der 1. Dezember, hielten wir im letzten Jahr eine Protestkundgebung vor der Zentralbank ab. Es war minus sieben Grad und wir froren. Da sind wir einfach in die Bank gegangen, weil uns so kalt war und haben da gegen David Oddson, dem Chef der Bank Parolen gerufen. Daraufhin haben sie die Polizei gerufen und die standen dann da rum in ihren neuen Helmen. Auf dem Weg nach drauáen traf ich einen der Polizisten, der der beste Freund meines Schwagers ist und dann haben wir uns nett unterhalten. Er war nicht in Uniform und da ging mir auf einmal auf, dass er sozusagen undercover dort war. Und das ist das Problem: du kennst einfach jeden. Du kennst den Polizisten neben dir, der mit Schild und Helm da steht. Das ist n„mlich der Bruder des Schwagers deiner Schwester. Deshalb, genau deshalb, kann es hier nicht wirklich aggressiv und brutal werden wie in Europa. Das ist ein Vorteil. Take33 Authunn: ( auf Deutsch) Ja, das ist die St„rke unserer Gesellschaft und aber auch die Schwachheit. Autorin: Authunn Arnorsson hat in Freiburg Politik studiert und arbeitet als Journalist fr das Ressort Auáenpolitik bei einer der groáen isl„ndischen Zeitungen. Take 33a: Dass man, wenn jetzt geprft werden soll, warum ist das geschehen? Die Chefs konnten das nicht machen, weil sie einen Sohn haben, der vielleicht Pr„sident des Gesch„fts ist. Oder der Sohn vom Chef der B”rse. Wir sind doch nicht viele Leute. Das ist das Problem. Die Chefs der Fischerei haben die Mobilnummer des Ministers der Fischerei. Das war alles ganz eng zusammen. Autorin: Wer sich bisher gefragt hat, warum der ganze Schwindel, die windigen Investitionen, die virtuellen Firmen, die schmalbrstige W„hrung der gutgl„ubigen Dreihunderttausend, die isl„ndische Krone, die sich wie der Dollar, der Euro und der Yen zusammen geb„hrte, warum das keiner Kontrollinstanz unterworfen war, der mag sich nun zurcklehnen und gut zuh”ren Take 34 Jon: The rules and laws were there 5. Sprecher: Natrlich gibt es auch bei uns Gesetze und Vorschriften. Nur wandte man sie nicht an. Weil die Macht, das zu kontrollieren in den H„nden derselben Leute lag, die man kontrollieren wollte. Das haben wir zu unserem Unheil zu sp„t entdeckt. Alles was man ber Vetternwirtschaft in einer kleinen Gesellschaft behauptet, ist korrekt. Das ist ein Teil der Erkl„rung dafr, was hier passiert ist. Das sehen wir auch in unserem politischen System reflektiert. Es hat versagt. So wie alle unsere Beh”rden versagt haben. Unser Parlament hat versagt, die Zentralbank hat versagt, die Kontrollinstanzen haben versagt, alle, die unsere Banken geleitet haben, haben versagt und man berprft zur Zeit, ob man sie strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen kann. Und unsere Medien haben versagt. Autorin: Ach ja, die Medien, die gibt es ja auch noch. Zwei staatliche Fernsehsender, ein staatlicher Rundfunksender, mehrere seri”s aufgemachte Tageszeitungen. Die vierte Instanz einer funktionierenden Demokratie. Das unabh„ngige Korrektiv. Take 35 Jon: 5. Sprecher: Die haben in den guten isl„ndischen Boomtagen nach der Pfeife der Regierung getanzt. Die glorifizierten unsere Oligarchie. Genau genommen, hatten die Oligarchen sie gekauft. Die hatten die gesamte Presse gekauft. Take36: Authunn: ( auf Deutsch)Das ist eine eigene Geschichte. Wenn ich David Oddson nenne Autorin: Im Januar immer noch der Direktor der isl„ndischen Zentralbank und ehemaliger Rundfunkkomiker. Nebenbei der meist gehasste Mann Islands. Take36 Authunn: Der Ministerpr„sident war von 1991 bis 2004, also dreizehn Jahre. In dieser Zeit hat sich auch die Landschaft der Medien drastisch ver„ndert. Das Kapital der Neureichen wurde groá in die Medien investiert. So ist zum Beispiel meine Zeitung Fretadbladid gegrndet worden beziehungsweise gekauft worden von einem der groáen Wirtschaftsbosse hier. Das private Kapital ist da eingestiegen und die Presse ist aufgeteilt worden in Interessensgruppen der Wirtschaft. Die eine Zeitung ist gekauft worden von einer Interessensgruppe, die andere von der anderen. So haben die unterschiedlichen Wirtschaftsgruppen versucht, Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen. Durch den Besitz an den verschiedenen Medien. Es ist eine Farce gewesen, muss ich sagen, als einer, der die ganze Zeit versucht hat seinen Job als Journalist gut zu machen. Es ist unglaublich gewesen, von einem wirtschaftlichen Konzern Sprachrohr zu sein. Autorin: Und so kam es, dass zum sonnigsorglosen Gemt der Polarkreis Insulaner auch noch eine komplette Desinformationspolitik auf sie herabschneite. Von Zensur ganz zu schweigen. Take 37 Omagur: 1. Sprecher: Ich bin Dokumentarfilmer und habe ber die Umwelt zerst”rerische Wirtschaftspolitik in unserem Land einen Film gedreht. Aber er durfte nicht im staatlichen Fernsehen gezeigt werden. Die Regierung hat es untersagt. Die Medien haben bei uns keine Macht. Mein Volk darf so etwas nicht sehen. Trotzdem bin ich stolz darauf, Isl„nder zu sein, aber es ist traurig sagen zu mssen, dass die meisten Menschen bei uns nicht nur keine Ahnung hatten sondern bisher auch nichts wissen wollten. Nur Geld interessierte sie. Dieser Schock war notwendig. Nun sind sie endlich aufgewacht. ATMO 13: Parlamentskirchglocke, zw”lf Mal, geht dann langsam in Pfeifen, Trommeln, Sprechch”re ber. Ab jetzt wird immer wieder die Atmo der ? Pfannenrevolution? eingeblendet, die ab Dienstag ausbrach. darber Take38 Gunnar: We have had 14 protest meetings in town 4.Sprecher: Wir hatten bis jetzt 14 Protestkundgebungen und alle m”glichen Proteste. Aber bisher ist niemand zurckgetreten. Kein einziger hat die Verantwortung bernommen! Wir sind so gehorsam! Autorin: Gunnar Sigursson sitzt im Borgatun Nummer 3, dem Hauptquartier der isl„ndischen Protestbewegungen und Brgerinitiativen, die hier seit Oktober wie Pilze aus dem vulkanischen Boden schieáen. Der Theaterregisseur diskutiert mit anderen Strategien und Ziele und koordiniert die neuen Aktivit„ten, die man fr den Dienstag plant. Dem Tag, an dem das Parlament, dem kein m”glicher Retter aus dem Ausland und schon gar niemand mehr in Island vertraut, seine Arbeit wieder aufnehmen will. Take 38a Gunnar: 4. Sprecher: Die Menschen hier werden immer wtender und b”ser, aber wir sind ja so friedlich. Ich weiá nicht, was wir noch tun k”nnen. Auáer zu protestieren und die Regierung darauf zu stoáen, was los ist. Wir haben keine Waffen. Wir k”nnen keine Revolution anzetteln, aber wir k”nnen versuchen, so viele Menschen wie m”glich zu mobilisieren und endlich Neuwahlen verlangen. Wir kriegen sie! ATMO 13: wie oben, ohrenbet„ubender L„rm, bergend in Schreie : ? ™skra! Take 39: Junger Mann: ™skra means scream 1.Sprecher: ™skra bedeutet Schrei. Also schreien wir Schrei! Die Parlamentarier kommen bald und deshalb schreien wir. Wir sind so wtend. Autorin: Aber nur schreien wird nichts „ndern 1.Sprecher: Ah, das ist nur der Anfang. Wir sind noch in der Aufw„rmphase. Er f„llt ins allgemeine Geschrei mit ein. Autorin: Und was bedeutet das? 1.Sprecher: Sie mssen zurcktreten! Autorin: Hier sind alle schwarz gekleidet. 1.Sprecher: Ja, das ist unsere Farbe. Schwarz ist das neue rot. ATMO 14: Pfannen, Tr”ten, Slogans Autorin: Schneeb„lle werden nun aufs Parlament geworfen und etwa zehn Polizisten stehen vor den Parlamentstren. Autorin: Hier gibt es keine Bannmeile. Jeder, der will, kann an die Tr des grauen einst”ckigen Parlamentgeb„udes klopfen, dem Althingi, dem hohen Ting, wie es auf Isl„ndisch heiát. Vermutlich kennen die meisten Demonstranten jeden der ratlos herumstehenden Polizisten, die nerv”s an ihren nagelneuen Helmen zupfen und mit dem Visier spielen. Es sind wahrscheinlich die besten Freunde des Schwagers der Lieblingscousine. Personenschutz ist fr isl„ndische Politiker ebenfalls bis zu dieser Woche etwas, was sie nur von Kollegen im Ausland kennen. Selbst die private Handynummer jedes Parlamentariers steht auf seiner Homepage. Da konnte man mal kurz anklingeln, wenn einem etwas nicht passte. Da das jedoch niemals jemand versuchte, kann man bis heute jeden Minister im einzigen isl„ndischen Telefonbuch finden, alphabetisch nach Vornamen aufgelistet. Hier redet jeder jeden nur und ausschlieálich mit dem Vornamen an. Die Nachnamen sind ja letztendlich auch nur die Vornamen der Eltern. Auf Island ist man eine groáe Familie. Take40 Herbert: We ad recently a case 2.Sprecher: Vor kurzem hatten wir den Fall, dass der Sohn von David Oddson Autorin: Der ehemaliger Rundfunkkomiker, Premier, und im Januar noch amtierender Chef der isl„ndischen Staatsbank, 2.Sprecher: Dass der Sohn zum Richter ernannt werden sollte. Dagegen regte sich Widerstand und der Justizminister zog die Ernennung zurck mit den Worten: ach, dass das illegal gewesen sei, h„tte er nicht geahnt, da msse er noch ein wenig lernen! Wenn ich den Staat bei unserem h”chsten Gericht verklagen wrde, st„nde ich ausschlieálich Freunden und Verwandten unserer Regierungsmitglieder gegenber. Das muss sich „ndern. Das ist eines unserer Ziele. Autorin Der junge Dokumentarfilmer Herbert Sveinbursson ist Mitglied einer der vielen neuen Brgerinitiativen, die sich seit Wochen im Borgatun Nummer 3 treffen. Seit die Proteste begonnen haben, treffen sie sich dort fast rund um die Uhr, diskutieren und formulieren erste Schritte und Ziele. Sie fordern den Rcktritt der jetzigen Regierung, der konservativen Regierungspartei, die sich seit kurzem in einer Koalition mit der Sozialdemokratischen Allianz befindet. Seine Gruppe ist ein lockerer Zusammenschluss von Unzufriedenen von ganz links bis brgerlichliberal. Take 41: We dont want to be 2.Sprecher: Wir wollen keine Politiker werden, wir wollen lediglich Demokratie in unserem Land.. Wir werden sie von unten angreifen, denn das ist die Wurzel des isl„ndischen Problems, dass hier einer Handvoll Menschen alles geh”rt und sie alles kontrollieren. Wirtschaft, Politik, Banken, Medien. Unsere Gruppe wird sich deshalb bei der kommenden Wahl stellen. Autorin Unter welchem Namen? 2.Sprecher: Das wissen wir noch nicht. Mir gef„llt der Name ?Bewegung fr Gerechtigkeit? oder ?Demokratische Union?. Mal sehen. Wir sind jedenfalls bereit. ATMO 15 : Trillerpfeifen zu Trommeln und Pfannen. Take 42: ( vor Parlament) Bj”rk : Its outrageous, i want them to go. 1. Sprecherin: Das ist unglaublich, ich will dass sie endlich verschwinden! Wir mssen hier eine ganz neue Gruppe grnden, die das Land in den n„chsten vier, fnf Jahren fhren wird, dann erst kann man wieder w„hlen. Wen bitte sollen wir den heute w„hlen? Die sind doch alle korrupt. Filz wohin man blickt. Am besten w„re es, wir holten uns vorbergehend unbelastete Ausl„nder ins Land. Neue Leute auf jedem einzelnen Posten. Dass wir hier auf die Strasse gehen, ist absolut unerh”rt. War noch nie vorher da. Ich glaube, die Leute da drin, im Parlament, haben es noch nicht erfasst, wie wtend wir sind! Autorin: Bj”rk ist Ende vierzig. Sie steht seit Stunden dick eingemummt mit ein paar Freunden vor dem Parlament, schreit und bearbeitet lautstark eine mit gebrachte Bratpfanne mit dem Kochl”ffel. An diesem Dienstagmittag sind mittlerweile tausende vor dem Parlament, jung und alt bunt gemischt. Ein Hauch von Leipzig 1989 h„ngt in der Schneeluft. Damals hatte die Fhrung der DDR auch lange nicht geahnt, dass das Volk sich nichts mehr bieten lassen wollte. Auch wenn die Umst„nde und Hintergrnde andere waren. Take43: Einar: What happened you can relate 2.Sprecher: Was hier gerade passiert, kann man durchaus mit dem vergleichen, was in Ostdeutschland passierte bevor das System dort kollabierte. Das politische System steckt bei uns in der Krise. Es hat all seine Glaubwrdigkeit verloren. Die Leute haben die Nase voll. Sie wollen Neuwahlen und sie wollen die Verfassung „ndern. Darber wird jetzt viel diskutiert Take 44 ( wieder Demo) Bj”rk: I sometime aks myself 1. Sprecherin Manchmal frage ich mich, was fr ein Volk sind wir eigentlich? Sind wir berhaupt eine Nation oder nur eine kleine Gemeinde, die sich einbildet, eine Nation zu sein? Wir sind so wenige und vielleicht ist das der Grund fr diesen ganzen Mist. Ich leite eine mittelst„ndische Firma. Sie geh”rt mir und es ist wirklich sehr, sehr schwer fr mich. Ich bin oft im Ausland und unsere W„hrung ist ein Alptraum. Ich bin im Computergesch„ft und verkauf viel in anderen skandinavischen L„ndern, in Italien und auch in Asien und ich sag Ihnen, es ist schwer. Island hat im Ausland vollst„ndig seine Glaubwrdigkeit verloren. 75 % aller isl„ndischen Firmen sind de facto pleite. Bankrott. Die Menschen hier sind nicht nur b”se und wtend, sie haben Angst. Sie haben fast alles verloren. Jobs, Haus. ATMO 15: wie oben Autorin: Selbst die, die nichts davon verlieren k”nnen, die nicht mehr arbeiten und das Haus l„ngst abbezahlt haben, auch die trifft es. Take 45 Jon_ The old people depend 5. Sprecher: Die alten Leute sind von den Rentenfonds abh„ngig und die waren einst wie eine Bastion hier auf Island. Sie wurden ber Jahrzehnte durch die Beitr„ge der Mitglieder aufgebaut, waren gegen Inflation geschtzt und natrlich lag das Geld in unseren Banken, die jetzt pleite sind. Als unser Banksektor kollabierte, waren auch groáe Teile dieser Rentenfonds futsch. Die Arbeitslosigkeit, sonst unter zwei Prozent, wird in einem Jahr sch„tzungsweise auf ber 20 % klettern. Die alten Leute, die sich zu recht auf ihre Rente freuten, mssen sich jetzt sagen lassen, dass die Renten nicht zur Verfgung stehen. Vor uns liegen Jahre der Not. Sehr groáer Not. ATMO 16: Slogans, Sirenen, Schiffstr”ten, sehr laut. Take46 Jon: The sovereign debst 5. Sprecher: Unsere Staatschulden, fr die die Regierung verantwortlich ist, liegen bei 160 % des Bruttosozialprodukts und unsere Schuldner im Ausland erwarten, dass wir das sehr schnell zurckzahlen. Unsere Staatsverschuldung ist zur Zeit die h”chste in der Welt, soweit ich weiá. Das bedeutet, dass ein Drittel unserer Steuereinnahmen direkt ins Ausland gehen um die Zinsen zu tilgen und das wiederum bedeutet, dass wir in der nahen Zukunft nichts hier investieren k”nnen, weder in den Neuaufbau der Wirtschaft noch in anderes. Wir sitzen in einem Schuldengef„ngnis. Take47 Anne maria: I think more and more poeple are waking up to a new reality. 1.Sprecherin: Ich denke, dass hier mehr und mehr Menschen aufwachen und mit einer ganz neuen Realit„t umgehen mssen. Die Menschen verlieren jetzt ihre Arbeitstellen. Das hat vor einem Monat begonnen und bald werden immer mehr Menschen keine Einknfte mehr haben. Autorin: Anne Marie Reinoldson leitet ein Zentrum der Heilsarmee in der Innenstadt Reykjaviks. 1. Sprecherin: Wir haben gerade eine neues Zentrum er”ffnet und merken, dass viel mehr Menschen als frher dort zum essen kommen. Ursprnglich war dieses Zentrum nur fr Obdachlose gedacht, doch jetzt kommen wegen des Essens, das wir gratis verteilen, auch andere Menschen, die noch ein Dach ber dem Kopf haben. Ich weiá von anderen karitativen Einrichtungen hier bei uns, dass sich mehr und mehr Menschen um Hilfe dahin wenden. Das rote Kreuz organisiert solche Hilfe, die Staatskirche und besonders viele Familien mit Kindern nehmen Hilfe in Anspruch, meist in Form von Lebensmitteln. Take 48: ( Kundgebung Demo) Frau: They are liars! 1. Sprecherin: Das sind Lgner! Wir wissen nichts! Sie sagen uns nichts! Ich habe Angst! Was wird mit uns passieren? Ich habe eine Familie, ich habe zwei Kinder und zwei Enkel! Sollen die fr alles zahlen?! Take 49 Vilhimur: Of course the welfare state 3. Sprecher. Natrlich wird der Wohlfahrtstaat davon betroffen sein. Die Isl„nder mssen allein ihre Probleme l”sen. Die Menschen mssen sich selbst helfen. Mehr kann ich nicht sagen. Ich habe keine L”sung parat. Take 50 Dora: A lot of my friends have been laid off and are looking overseas 1. Sprecherin: Viele meiner Freunde haben ihren Job verloren und schauen sich jetzt im Ausland nach etwas um. Autorin: Was Vulkanausbrche und Erdbeben in tausend Jahren nicht schafften, die Isl„nder wieder von der geologisch instabilen Insel zu vertreiben, k”nnte im 21. Jahrhundert der ™konomie gelingen. Take51 Jon: Inflation is approaching 5. Sprecher: Die Inflation n„hert sich 20 %. Die Schulden haben sich durch den Kollaps der Krone verdoppelt, gleichzeitig verringert sich der Wert deiner Immobilie. Das trifft sowohl auf Familien, also den einzelnen, als auch auf Firmen zu. Nach den neuesten Zahlen sind ber 70 % aller Firmen technisch bankrott. Das wiederum heiát, dass sich Arbeitslosigkeit wie ein Buschfeuer verbreiten wird. Dann bis du ohne Arbeit, deine Schulden jedoch haben sich verdoppelt, der Wert deiner Wohnung ist gefallen und jeder isl„ndische Haushalt ist verschuldet. Wir haben die h”chste Pro- Kopf-Verschuldung der Welt. ATMO16 Pfiffe, Schreie, wie oben Take 52 Bj”rk: You are watching history! 1.Sprecherin: Das hier ist Geschichte! Das ist hier noch nie passiert! Und obwohl ich als Isl„nderin so tief in der Scheiáe stecke, find ich, dass das wirklich aufregend ist und irgendwie bin ich auch froh, dass es so gekommen ist. Zum ersten Mal in unserem Leben kann man hier einen Neuanfang erkennen! Vielleicht ist dies die Geburt einer Gesellschaft, die sich fr den Menschen interessiert! Das ist unsere Chance, dass wir daraus etwas machen! Autorin: ( im Take) das hier ist ein Plakat mit einem groáen Schwein in einem feinen Anzug und bersetzt steht da drauf: ?Ihr habt Schande ber unser Land gebracht? Take 53 Authunn: ( auf Deutsch) Man hat hier eine Stimmung, die beispiellos ist. Es ist ein riesiger Schock fr die ganze Gesellschaft gewesen. Aber in dieser Situation gibt es auch so eine Aufbruchstimmung. In dieser Lage gibt es auch eine Chance, vieles zu berdenken und besser zu machen, was in normalen Zeiten des Status Quo nicht m”glich ist. Deshalb gibt es jetzt sehr viele Ideen, die diskutiert werden: wie man die Verfassung „ndern sollte Autorin: Die in ihrer jetzigen Form einen Beitritt in die EU ausschlieát. Authunn: Wie man das Parteiensystem erneuern sollte. Autorin: Das kleine Gruppierungen und neue Parteien im Moment noch benachteiligt. Authunn: Wie man die ™konomie mit neuen Werten besetzen sollte. Besonders die Wertediskussion ist sehr im Blickpunkt. Die Gier in den Hintergrund treten zu lassen und andere Werte in den Vordergrund zu stellen. Autorin: Traditionelle Werte, wie Solidarit„t, gegenseitige Hilfe, Gleichheit und Freiheit. Und Transparenz. Take54: When my granfather was born Andri: 4.Sprecher: Als mein Groávater hier geboren wurde, lebte er in einer Welt, die eine totale Realit„t fr ihn darstellte. Autorin Andri Snaer Magnasson landete mit seinem Buch ? Traumland?, in dem er mit der neuen isl„ndischen Gesellschaft abrechnete, einen Bestseller in seiner Heimat. Take 54 4Sprecher: Es war eine hundertprozentige Realit„t. Er wusste der Fisch, den er fing, wrde ihn ern„hren. Die Daunenfeder aus dem Nest wrden ihn w„rmen, dieses Stck Treibholz wrde die Front seines Hauses werden. Alles war klar und transparent. Er wusste, wenn irgendetwas daran nicht funktionieren wrde, wrde er sterben. Aber das merkwrdige ist, dass die Menschen Realit„t nie besonders attraktiv finden. Sie haben die D”rfer meines Groávaters verlassen oder verlassen mssen. Nachdem wir soviel gefischt haben wie niemand auf der Welt und nachdem wir soviel Aluminium geschmolzen haben auf dieser Insel, wie niemand auf der Welt, sollten wir uns fragen, ob wir nicht ber Fisch und Aluminium hinaus einen Blick auf das werfen sollten, was wir vernachl„ssigt haben. Es gibt keine offensichtliche L”sung fr unser Problem. Das wichtigste ist, dass man sich dafr entscheidet, in Island zu bleiben. Dass wir wollen, dass unsere Kinder diese Sprache lernen, dass wir hier sein wollen wegen des guten Gesundheitswesens und des guten Erziehungswesens, dass die Menschen sich entscheiden, hier zu bleiben wegen unserer wunderbaren Natur. Aber wenn wir die Demokratie noch weiter ruinieren, wird niemand hier bleiben wollen. Wir mssen uns entscheiden, was fr eine Realit„t wir heute m”chten, wenn wir als Isl„nder weiterhin auf dieser Welt existieren wollen. ATMO 17 : Demo Spielmannzugmusik, Volksfeststimmung immer lauter Knaller, Feuerwerk, Take 55 Vilhjalmur: The first step is.. 3. Sprecher: Der erste Schritt ist, dass wir versuchen mssen, an die Verm”gen der Dreiunddreiáig zu kommen. Die sind ja auf den Kaymann Insel und auf anderen karibischen Inseln. Also das w„re der erste Schritt. Take 56 Herbert. I have a vision 2.Sprecher: Ich habe eine Vision. Island ist keine Demokratie und ich will Island als demokratische Republik sehen. Wir werden neue Gesetze beschlieáen und die Verfassung „ndern und wir werden denen, die heute noch an der Macht sind, die Macht entwenden. Take 57 Gunnar: New elections new government 4.Sprecher: Erstens Neuwahlen, dann eine neue Regierung und dann bauen wir ein neues Island auf. Wir mssen genau erfahren was hier passiert ist und die ganze Wahrheit herausfinden und ber die Medien verbreiten. Take 58: Demonstration Autorin: Es ist jetzt zehn Uhr nachts und der Platz vor dem isl„ndischen Parlament ist rappelvoll. Offensichtlich haben viele Isl„nder in den Nachrichten gesehen, was hier los ist. Die isl„ndische Fahne prangt da vorne und es ist die einzige Fahne, die ich sehen kann. Ansonsten Feuer. Eben hat eine Gruppe junger Leute an einigen Baustellen die Z„une eingerissen und das Holz abgeschleppt um die Feuer zu n„hren. Es ist eine sehr groáe Menschenmenge. So etwas haben sie noch nie gesehen. Das rhythmische Schlagen auf Pfannen und T”pfe wird st„rker. Was auff„llt ist, dass niemand Angst hat. Alle sind sehr entspannt, es hat Volksfestcharakter. Es gab heute Nachmittag einige dramatische Szenen, als die Polizei Pfefferspray eingesetzt hat, aber im Moment sind alle guter Stimmung. Take 59 Mann und Frau ( auf Deutsch) Es ist unsere zweite Revolution. Wir waren 89 in Berlin dabei und das hier finden wir groáartig! Absolut an der Zeit. Wir Isl„nder machen einen Reifeprozess durch. Es ist gut und fr uns ein hoffnungsvoller Tag. Was ich hier erlebe, ist ungew”hnlich, weil die Isl„nder protestieren nicht so gern. Sie sind ein h”fliches Volk und sitzen lieber in der Kche und beschweren sich. Autorin: Vielleicht haben sie deshalb ihre Kchenschr„nke ausger„umt um sich mit den ganzen T”pfe, Pfannen und Kochl”ffel zu beruhigen . Und die Zukunft? Frau: EU. Ich bin Europ„erin und ich habe immer das Ideal des Europ„ertums gehalten. Take 60 Jon: 5. Sprecher: Vielleicht lernen ja die Europ„er von uns, wenn es wirklich hart kommt und wir sehen ja, wie alle im Moment in eine wirtschaftliche Depression rutschen, dass sie merken, wie stark die EU ist. Jedes Land innerhalb der EU ist gest„rkt worden durch den Beitritt. Das isl„ndische Experiment mit einer eigenen W„hrung fr 300.000 ist gescheitert. Die ganze neokonservative Ideologie mit den freien, sich selbst regulierenden M„rkten ist komplett diskreditiert. Island ist das Opfer eines politischen Experiments gewesen. Schaut uns an und lernt daraus. Die EU Mitgliedschaft und der Euro ist unsere einzige Option. Take 61 Vilhjalmur: ( fast in Tr„nen) We are in a mourning process 3. Sprecher: Wir trauern, ich bin selbst zutiefst betroffen ( wird jetzt heftig ) ber das was hier geschah. Aber ich weiá auch nicht, wie wir da heraus kommen ! Ich habe keine Vision! Ich gebe es zu. Als ™konom weiá ich nicht, was wir machen sollen! Take 62: Halgrimur: My idea is we will have 4. Sprecher: Ich bin der Meinung, unsere zuknftige Regierung sollte nur aus Frauen bestehen. Ich mach keine Witze, ich meine es ernst. Nur noch Frauen. In die Banken, im gesamten Finanzsektor, Politik, Wirtschaft, Banken nur Frauen. Denn wir brauchen einen Neuanfang, wir brauchen Ver„nderung. Ein Umdenken. Diese Katastrophe ist doch von M„nnern gemacht worden. Das war doch eine m„nnlich gepr„gte Business Kultur, die das alles kaputt gemacht hat. Also. ATMO 18: Geb„udereinigung mit Turbospritze Autorin: Die Kundgebung geht die ganze Nacht ber weiter. Irgendwann gehe ich ersch”pft ins Bett und noch im Schlaf h”re ich die Trillerpfeifen und Pfannen. Am n„chsten Morgen wird mit Hochdruck das Parlamentsgeb„ude ges„ubert. Rote und gelbe Farbbeutel zieren den grauen Stein. Und immer wieder Quarkbeutel mit dem leckeren isl„ndischen Styr, den sie tapfer geworfen haben. Doch die Demonstranten sind nicht ins Bett gegangen. Sie sind weiter gezogen und belagern nun alle neuen Schlupfl”cher, wo sich die verst”rte Regierung hin flieht. Es ist ein bizarres Katz und Mausspiel geworden, wo sich die Regierungsm„use vor dem wtenden Volkskater verstecken. Aber jeder auf der Strasse scheint zu l„cheln. Auch mein Taxifahrer. Take 63 Taxifahrer: We Icelanders 1. Sprecher: Wir Isl„nder sind tapfer und halten viel aus. Auch das hier, die Krise. Wir werden berleben. Autorin: Ich glaube ihm. ENDE Autorin: Zwei Tage nach meiner Abreise, trat die isl„ndische Regierung unter Geir Haarde zurck. Zwei Wochen sp„ter bernahm eine provisorische Regierung unter der Sozialdemokratin Johanna Siggurtsdottir in Koalition mit den Grnen und Linken die Gesch„fte. Sie zwang David Oddson, den Chef der Staatsbanken, zum Rcktritt. Nun hat ein Norweger den Job bernommen. Der Weltwirtschaftsfond, den Island um Hilfe gerufen hatte, schickte drei Ausl„nder nach Island um die Vorg„nge dort zu berwachen, einen Finnen und zwei Schweden, zwei von ihnen sind Frauen. Die knallharte franz”sische Korruptionsfanderin Jolie, die vor Jahren durch die von ihr aufgedeckte Affaire mit dem Elf Konzern, die franz”sische Regierung in Bedr„ngnis brachte, wurde nach Island beordert. Die Gruppe von Herbert Sveinursson stellt sich zur Wahl. Neuwahlen sind fr den 25. April angesetzt. 1