Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) DeutschlandRadio Deutschlandradio Kultur Zeitfragen 17. Dezember 2012 Die Lust am Untergang Warum die Apokalypse das Leben bereichert Ein Feature von Heiner Kiesel OT 1 Angela Merkel (trocken): Blicken wir einen Moment gemeinsam in die Zukunft. AT 1 Geräusch: Unterseeische Explosion, einstürzende Gebäude M 1 Musik: Rage of Poseidon, Apocalyptica, 7th. Symphony, OT 2 Mediencollage: Humanity won't make it. // Ich möchte Sie auf gar keinen Fall beunruhigen, aber im Dezember 2012 geht unsere schöne alte Welt unter. // Una comunidad global de personas que esperan el fin del mundo como lo conocemos. // 2012 kommt das Ende der Welt - mach das Beste daraus. // What do they think ist gonna happen? It's the end of Civilization. // Die Welt wird untergehen. // Annihayat alKaun satahullu fi 'am 2012. // Die Prophezeiung einer alten Hochkultur, auf den Tag genau vorausberechnet. Dazwischen M 2 Musik-Fragment: Am 30. Mai Ist Weltuntergang AT 2 Geräusch: Herzschlag Sprecher/in v Dienst: Die Lust am Untergang. Warum die Apokalypse das Leben bereichert von Heiner Kiesel AT 3 Gang durch den Keller Sprecher: So, da runter. Passen sie mit Kopf auf. Autor: Da unten wollen Sie den Weltuntergang überleben? Sprecher: Ich hoffe doch. Ich werd´s ja bald wissen. Es dauert ja nur noch ein paar Tage. Autor: Wirklich? Sprecher: Sie sind einer! Die Maya, Nostradamus, der Bibelcode, Weissagungen der Hopi- Indianer, der Sumerer, Sonnenstürme, der Dunkelplanet Nibiru - am 21.12 ist Schluss. AT 4 Geräusch Tür, AT 5 Geräuschmarkierung Bunker (ruhiger Keller) Sprecher: Hier, bisschen eng hier. Für mich wird's reichen. Kellerwände sind verstärkt, die Stahltür ist aus einem alten Bunker. Alles da, Akkus und Handgenerator. Wasserkanister bis zur Decke, Konserven, Trockenmilch, Vitamine. Autor: Und wie lange reicht das? Sprecher: Für mich allein... vielleicht acht Wochen. Wenn der Herr vom Keller nebenan anklopft, naja, dem würde ich was abgeben. Der nimmt die Sache auch ernst. OT 3 Ulrich Horstmann: Mein Name ist Ulrich Horstmann. Ich bin am 31. Mai geboren und damals, in den 50er Jahren gab es ein Lied, einen Schlager, "am 30. Mai ist Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang", insofern bin ich von vorneherein in eine postapokalyptische Existenz geraten. Ich kann es aber auch etwas ernsthafter machen und dann würde ich sagen, dass Apokalypse, Weltende, Untergänge so etwas sind wie mein Lebensthema. Sprecher: Aber keinen Tropfen für den anderen, den von gegenüber. Autor: Wieso? Sprecher: Der war anfangs ganz interessiert, warum ich den Keller ausbaue. Aber irgendwann hat gar mehr nicht aufgehört, rumzudiskutieren. [Schauen Sie ruhig mal rüber]. OT 4 Florian Freistetter: Hallo ich bin Florian Freistetter, Astronom und Wissenschaftsautor. Sprecherin: Der Wissenschaftler aus Jena ist einer der engagiertesten Kämpfer gegen den Apokalypse-Hype in Deutschland, oder je nach Sichtweise ein uneinsichtiger Leugner der Dinge, die da kommen sollen. OT 5 Florian Freistetter: Mittlerweile geht es mir ein bisschen auf Nerven, das kann man schon sagen, denn es sind immer wieder die gleichen Fragen, die man bekommt, immer wieder die gleichen Ängste. Und man merkt ja, dass es verdammt schwer ist, solche Aussagen zu entkräften, denn die Leute, die solche Szenarien in die Welt setzen, die haben es leicht, die können sich irgendwas ausdenken. M 3 Musik: Holst: The Planets, Op.32 - 1. Mars, The Bringer Of War Sprecherin: Enorm genervt ist der Wissenschaftler von einem Geisterplaneten, irgendwo im Sonnensystem. Nibiru, oder auch Planet X genannt. OT 6 Florian Freistetter: Dieser Planet kommt immer wieder hoch, je nachdem welches Katastrophenszenarium gerade ansteht, taucht dieser Planet in neuem Gewand auf. In den 80er Jahren, 1999 als die Sonnenfinsternis war. 2000 zum Jahreswechsel. Dieser Planet gehört zum Standardrepertoire der Verschwörungstheoretiker und der wird nicht so schnell verschwinden.] Sprecherin: Freistetters Vorwurf: Die Weltuntergangspropheten wollen Kasse machen, mit der Angst der Unwissenden. Es lässt sich schwer bestimmen wie hoch das Geschäftsvolumen ist, aber wahrscheinlich werden viele Millionen umgesetzt mit 2012-Büchern, Maya-Schutz-Kristalle für 89 Euro, die Firma "2012-Shelters" Schutzräume ab 40.000 Euro. AT 6 Geräusch: Zappen/Senderwechsel Zitator: Wollen Sie sich schützen für das Jahr 2012? Kontaktieren Sie uns und beantragen Sie einen persönlichen Schutzschirm! Der Schutz wird hergestellt mit Hilfe von Voodoo Ritualen und weißer Magie. AT 6 Geräusch: Zappen/Senderwechsel] Sprecherin: Die Lust am Untergang wird zur Lust am Profit. Der Astronom will die Menschen wieder auf den rechten Weg bringen. Freistetter hält unentwegt Vorträge, verfasst und verkauft aufklärerische 2012-Bücher. OT 7 Florian Freistetter: Der Mensch will fasziniert sein von der Welt und jeder Mensch möchte mehr herausfinden, die Geheimnisse der verstehen und kennenlernen. Wenn man sich von dem Weg der Wissenschaft wegbewegt, dann führt dieser Wunsch danach, diese Welt zu verstehen und der Wunsch danach zu Staunen [dazu], dass sie sich in diese pseudowissenschaftlichen Geschichten hineinsteigern, die zwar auch faszinierend sind, aber doch den Nachteil haben, dass sie nicht stimmen. AT 5 Geräuschmarkierung Bunker Autor: Es ist Ihnen schon bewusst, dass Sie zu einer Minderheit von Leuten gehören, die glauben, dass die Welt untergeht. Eine Umfrage in Deutschland kommt auf gerade mal ein Prozent. Sprecher: Wahrscheinlich hätte ich vor drei Jahren selber noch an meinem Verstand gezweifelt. Aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe... Es passt alles zusammen. Man muss es nur sehen wollen. Dass am 21. 'was passiert, das hab' ich mir nicht nur so zusammen gegoogelt. Autor: Das müssen sie mir genauer erzählen. Sprecher: Na zum Beispiel in meiner Buchhandlung. AT 7 Buchhandlung OT 8 Silvia Ladewig: Ich bin Silvia Ladewig, 46 Jahre alt, ich arbeite als Buchhändlerin. Sprecher: Ich war da immer ganz gerne. Fachgebiet Esoterik und Spiritualität. Links die Literatur zum Jahr 2012. OT 9 Silvia Ladewig: Ja, ja, da kann ich sie gerne mal hinführen. Auch das ist schon wieder etwas eingeschrumpelt, aber einige der wichtigen Werke haben wir noch da. Sprecher: Mit der Zeit wird das zur Sucht. Ich hab alles gelesen, Carl Callemans: "Der Mayakalender", Daniel Pinchbacks "Rückkehr der gefiederten Schlange" und natürlich Dieter Broers: "Revolution 2012, Warum die Menschheit vor einem Evolutionssprung steht". Aber, das wundert mich schon: Es gibt 2012-Experten, die haben jetzt schon Bücher mit 2014 oder 2038 auf dem Titel rausgebracht. OT 10 Sylvia Ladewig: Also wenn wir alle dann ganz normal auf Weihnachten zugehen (lacht) dann bleibt das Regal und dann gucken wir mal, ob dann Themen eingestampft werden oder nicht, aber vielleicht bleibt das auch als ein Relikt der Erinnerung an eine Untergangs- oder Veränderungsphilosophie. Ich habe keine Ahnung (lacht). Sprecher: Die zweifelt. Dabei steht doch alles in den Büchern, die sie verkauft. Ihr Ding. Ich sag' nix. Am Ende will sie mich auch noch überzeugen, dass am Freitag keine Katastrophe eintritt. Oder sie hält mich ich für so einen Loser und drückt mich an ihren Flauschpulli. OT 11 Sylvia Ladewig: Ganz konkret Menschen, die bei mir vorne an der Theke stehen und sagen, sie haben unheimlich Angst. Wo ich mich dann bemühe, das wieder ein bisschen gerade zu rücken, wieder ein bisschen auf die Erde zu holen, ins Leben zu bringen. Wo ich sie - ich sag's jetzt mal ganz blöd - über den Körperkontakt reinholen und ins Spüren bringen und auch über einen ganz normalen Witz. Das isses! AT 5 Geräusch Bunker Autor: Und wenn die Welt doch nicht untergeht? Sprecher: Im schlimmsten Fall (lacht) leben wir alle weiter. Wenn der Untergang ausbleibt, dann war ich eben ein paar Tage im Keller. Aber er kommt. Muss doch, endlich. Mein ganzes Leben ist schon Apokalypse, oder fast. Ich sehe [es] noch genau vor mir, mein Schulbuch, mit der Karikatur von dem Bürger, dem fliegt vom spitzen Kopf der Hut. Karl-der-Käfer, Waldsterben, Club of Rome-Panik, Aids, Klimawandel, Bienensterben, Finanzkollaps. Unerträglich! Da ist ein fixes Datum wie der 21.12. doch die Erlösung! AT 8 Fürstenportal OT 12 Passantinnen Bamberg Fürstenportal: Ja also ich sehe da die Kette wo der Tod oder der Teufel die Verdammten zusammenhält. / und abführt in die Hölle. Jaja, das rechte ist das verdammte Grinsen, das linke ist das selige Grinsen. Wir können nur hoffen, dass wir links sind und nicht rechts. / Da!, Jesus Christus sorgt für Gerechtigkeit. AT 9 Büßergesang und Geißelung Zitator: Da sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war und ihm wurde der Schlüssel zum Schacht des Abgrunds gegeben. OT 13 Joachim Kügler: Als Bub habe ich natürlich die Offenbarung des Johannes nicht gelesen Zitator: [...] Und es stieg Rauch empor aus dem Schacht [...] und die Sonne und die Luft wurden verfinstert. - [aus der Offenbarung des Johannes 9 1,2.]] AT 8 Fürstenportal OT 14 Joachim Kügler: Ich bin sicher, wenn ich das als Kind, oder als Jugendlicher gelesen hätte, hätte mich das abgeschreckt. Weil das einfach nicht so die Welt war, die den Katholizismus geprägt hat, in dem ich aufgewachsen bin. Das war so eine ländliche schöne, nicht reiche eher ärmliche Welt, in der im Grunde alles in Ordnung war. Da hat man sich mit Apokalyptik wirklich nicht beschäftigt. Ich kann mich nicht an irgendeine Predigt erinnern, die mit Apokalyptik etwas zu tun hätte, oder apokalyptische Motive verwendet hätte. Sprecherin: Joachim Kügler lehrt Neutestamentliche Wissenschaften an der Universität Bamberg. Der Theologe steht vor dem Fürstenportal des Bamberger Doms. Darüber aus hellem Sandstein thront der Erlöser beim letzten Gericht. Sündige Könige und Bischöfe schickt er zur Hölle, ihre Gesichter zu Fratzen entstellt. Die Guten behält er bei sich. Das Weltgericht. [AT 9 Büßergesang und Geißelung OT 15 Eiferer aus Das siebente Siegel: Hört, ihr werdet alle sterben. Der [...] Tod wird euch holen. Ha, euch da drüben, die ihr dasteht mit offenem Maul und stiert wie das Vieh!] OT 16 Joachim Kügler: Da ist in bestimmten christlichen Texten so eine eigene Lust, sich vorzustellen, wenn die, die uns malträtieren und vorgeführt werden und sie dann gequält werden. Und das ist nochmal eine ganz eigene Lust, die gibt es in christlichen Texten auch. [Sadismus?] Ist auch was schönes für die menschliche Seele [lacht]. Zur Lust am Zerstörerischen gehört natürlich auch eine Spur Sadismus, klar! Sprecherin: Vor 800 Jahren, im Hochmittelalter, als die Steinmetzen das Portal für den Dom meißelten, war die Apokalypse für die Gläubigen längst in die Ferne gerückt. Im Gegensatz zur verbreiteten Vorstellung vom Mittelalter, wurde sie kaum mehr zu Lebzeiten erhofft oder befürchtet. Das Weltende wurde zu einer Glaubenstradition der Kirche, um die Mächtigen zu mäßigen. Für das einfache Volk wurde es zur schauerlich-wohligen Phantasie in schweren Zeiten. OT 17 Joachim Kügler: Apokalyptische Theologie ist in einem ganz breiten Sinn Unterschichtstheologie. Also das Ende der Welt wünschen sich die, die von der Welt wie sie ist, nichts haben. Deswegen hat man in der Antike und in der hellenistischen Zeit apokalyptische Theologie dort, wo Völker und religiöse Gemeinschaften unterdrückt, ausgebeutet oder entfremdet werden. M 4 Musik: Apocalyptica: Sacra, 7th. Symphony, Sprecherin: Aber jenseits von fundamental religiösen oder esoterischen Gruppen ist die Überzeugung verblasst, dass die Apokalypse von einem übergeordneten Wesen veranlasst wird. Einem, das Gerechtigkeit, Ordnung, Sinn mit der letzten Katastrophe herstellt. Eine Sehnsucht nach dem radikalen Ende besteht jedoch fort. Die einen macht sie zu Revolutionären, andere mag sie als Gedankenspiel entlasten angesichts der zähen Komplexität des Lebens. OT 18 Joachim Kügler: Dahinter kann natürlich auch noch so ein Gefühl stecken, das tatsächlich etwas mit apokalyptischer Theologie zu tun hat, vielleicht das Gefühl eines Überdrusses an der eigenen Kultur, an der eigenen Gesellschaft, an der eigenen Welt. Nochmal so eine eigene Ebene, warum wir so eine Lust am Untergang haben. [Weil das ist schon auffällig und ich glaube vielleicht steckt das wirklich dahinter, so ein Überdruss. Ich spüre den ja auch. Ich befasse mich sehr viel mit Afrika in den letzten Jahren und da ist manchmal schon das Gefühl des Überdrusses da, dass man einfach wenig Hoffnung hat.] Musik Ende AT 5 Geräuschmarkierung Bunker Autor: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist in vier Tagen Weltuntergang. Es gibt kosmische Kollision, Photonenstürme, oder eine Gravitationsüberlappung aus dem Zentrum der Milchstraße. Fühlen Sie sich hier sicher? Sprecher: Das ist ein Punkt, sicher. Vielleicht sitze ich hier genauso sinnlos, wie die süße Blonde in dieser Zweighütte bei Melancholia. Und selbst wenn es nicht ganz so schlimm kommt. Sieht nicht gut aus. Schauen Sie mal. AT 10 Geräusch Kramen in DVD-Kiste. Autor: Sie haben da ja eine ganze Kiste mit DVDs Sprecher: Zur Einstimmung [lacht]. Bin ja eine Weile hier. Deep Impact, 2012, The Road mit Viggo Mortensen, - Untergang, Chaos, Verzweiflung. Hier, ein ganz neuer Endzeitfilm mit Klimakatastrophe - aus Deutschland. "Hell" [dt. Aussprache], mit Angela Winkler und Hannah Herzsprung. AT 11 Café OT 19 Tim Fehlbaum: Mein Name ist Tim Fehlbaum und ich habe an der HFM München, Hochschule für Film Regie studiert und bin jetzt sozusagen Regisseur. Ich habe bisher erst einen Film gemacht und arbeite jetzt an meinem nächsten. Sprecherin: Fehlbaum ist 30, schlaksig mit einer Out-of-Bed Frisur. Er sitzt in einem Berliner Café. Mit einem grauen Laptop. Sein Erstling "Hell" begeisterte 2011 weltweit Kritiker. Die Deutsche Film- und Medienbewertung verlieh ihm das Prädikat "Besonders wertvoll". Ein Film voller Hitze, Verzweiflung und Menschen, die andere Menschen essen. Ein Filmgenre, das immer Konjunktur hat. OT 20 Tim Fehlbaum: Ich glaube das liegt daran, dass bei den Menschen generell so eine Lust am Untergang gibt. Und ich kann ihnen sagen, warum ich es gewählt habe, weil ich einfach dachte, es interessant zu sehen wie es ist wenn Leute wie wir, die wir hier sitzen in Extremsituationen geraten. Sprecherin: Fehlbaum blickt in die Runde der Caféhausgäste. In seinem Filmszenario wären die meisten von Ihnen gestorben. Die Überlebenden würden durch eine sonnenverbrannte ausgedörrte Landschaft irren. Moral, Werte, Zivilisation haben dort keinen Platz mehr. Das Grauen wird in verstörende und fremdartige Bildwelten gekleidet. Die Apokalypse als Faszinosum. Fehlbaums großes Vorbild: Das Hollywood-Endzeit-Epos mit dem Titel 2012. OT 21 Tim Fehlbaum: Von so einem Endzeitfilm erwartet man einen gewissen Schauwert. Also wenn man den 2012 sieht, oder das Plakat, dann will man schon so Bilder sehen, wie die Welt untergeht. Und das war bei uns auch immer die Frage, was habt ihr zu bieten?, weil ihr habt nicht das Budget so computergenerierte Bilder zu machen wie bei den Vorbildern oder Filmen aus Amerika mit denen ihr euch messen müsst. Also wie macht ihr das?, das war immer so die Frage. Sprecherin: Mit diesen Fragen konnte sich Tim Fehlbaum auch an Roland Emmerich wenden. Der Hollywoodregisseur aus Schwaben ist Koproduzent von Hell. Berüchtigt als "Master of Disaster" ist er verantwortlich für einige der opulentesten Katastrophenfilme der Filmgeschichte. Darunter eben auch "2012". Damit etablierte Emmerich den 21.12 weltweit als das Weltuntergangsdatum. Fehlbaum fragt sich, was nach der Apokalypse kommt. Emmerich zeigt, wie sie abläuft. 2012. OT 22 Tim Fehlbaum: Also ich hab jetzt die DVD in mein Laptop eingelegt, eine Kauf-DVD. OT 23 Szene Tim Fehlbaum schaut 2012: Da gibt es doch diese Szene, wo er mit der Limousine durch das Los Angeles fährt wo gerade die Erde bebt. [7" Film setzt ein - 24"] John Cusack rettet seine Familie. Und das ist hier alles Computer, was wir im Hintergrund sehen, wie die Häuser einstürzen. Das ist schon Wahnsinn. Jetzt sieht man das auch, wie die mit dem Auto über die Straße fahren, während unter dem Auto die Straße einbricht und hier ganz Los Angeles in sich zusammenstürzt. Das ist schon beeindruckend gemacht. Man sieht - das muss man sich mal überlegen - die ganze Zeit Leute sterben und nur er kommt davon. Und obwohl es nur FSK 12 ist - man sieht nie wirklich Blut, aber man weiß es ja. OT 24 Tim Fehlbaum (mit Filmatmo): Vielleicht ist es auch die Gewissheit, dass man selber im Kinosessel sitzt und zuguckt und weiß, dass man danach raus geht und weiß, man ist nicht da drin. Also doch irgendwie die Freude am Leid der Anderen ohne, dass man selbst davon betroffen ist. Schadenfreude! Wissen Sie was ich meine? Man selber sitzt im Kino und hat es gut. AT 5 Geräusch Bunker AT 10 Geräusch Rascheln in der Kiste Sprecher: Was hab' ich hier noch. The Day After, Dr. Seltsam von Kubrick, War Games. Atomkrieg, Strahlentod, der letzte Mann im ABC-Kommandozentrum. Die Filme meiner Jugend. Kalter Krieg - Jahrzehnte Angst vor der atomaren Apokalypse. Sie wissen schon, dieses unbestimmte Gefühl, es könnte irgendwann, nächsten Monat, nächstes Jahr vorbei sein. Die Bilder davon hatte ich schon, bevor es passieren konnte. M 5 Musik: Thomas Newman - Jarhead: Permission to fire OT 25 Ulrich Horstmann: Da ist etwas in den Köpfen einer schweigenden Mehrheit angekommen, das vorher in den 50er Jahren noch nicht existiert hat, nämlich eine halbwegs realistische Vorstellung dessen, was passiert wäre, wenn auch nur Teile der Arsenale geleert werden. Und das ist das Verdienst von Simulation. Sprecherin: Der Literaturwissenschaftler Ulrich Horstmann zieht eine scharfe Grenze zwischen einer Unterhaltungsapokalypse à la Hollywood und den ambitionierteren apokalyptischen Erzählungen der jüngeren Vergangenheit. Im kalten Krieg hätten sie dafür gesorgt, dass das Gleichgewicht des Schreckens nicht gekippt ist. Horstmann spricht von Abschreckungskunst. Sie hat erst erkennbar gemacht, was hinter den zynischen Planspielen der Militärstrategen steckt. OT 26 Ulrich Horstmann: Wenn man es paradox formulieren möchte: da hat es eine immense Aufrüstung der Einbildungskraft gegeben und das war eine kollektive Anstrengung, die ohne Filmschaffende Literaten, Künstler nicht möglich gewesen wäre. Und ich finde schon, dass es unsere Pflicht ist, uns das klar zu machen und diesen Akteuren auch den Dank abzustatten, der ihnen gebührt. Sprecherin: Im Wettstreit der Untergangsszenarien ist der Atomkrieg inzwischen in den Hintergrund gerückt - obwohl das Schreckenspotential weiterhin besteht. Horstmann sieht das mit Skepsis. Aber auch die neuen Apokalypsen, von den Folgen der Klimaveränderung bis hin zur Gentechnik sind für ihn gesellschaftlich wichtige Gedankenspiele. Weit mehr als ängstliche Schwarzmalerei. Die Schilderung der maximalen Katastrophe als größtmögliche Warnung. OT 27 Ulrich Horstmann: Wir brauchen diese Problematisierung von Zukunft. Wir brauchen auch Phantasien, die uns klar zu machen versuchen, dass die Zukunft, so wie wir sie uns wünschen, wie wir sie uns hochrechnen, so wie wir sie fortschreiben vielleicht gar nicht mehr existieren könnte. Wir brauchen die Apokalypse im Interesse unseres Überlebens. AT 5 Geräusch Bunker Autor: Haben Sie ihr Leben geändert, seit Sie wissen, dass es zu Ende geht? Sprecher: Nein, eigentlich nicht. Naja, außer eben den Bunker zu bauen. Ansonsten? Hätte ich natürlich machen können, Job schmeißen, auf Reisen gehen, Träume leben. Aber wozu eigentlich? Und das aufregenste Erlebnis, das man als Mensch haben kann, das kommt ja erst! Der Weltuntergang! M 6 Geräusch Flirren (Gyorgy Ligeti: Atmospheres) OT 28 Andreas Heinz: Es ist schon so, dass man sagen kann, Bereiche die mit Angstverarbeitung zu tun haben und Bereiche, die mit Lust zu tun haben sind eng miteinander verbunden. Sprecherin: Andreas Heinz ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin. Er erforscht, was genau im Gehirn abläuft, wenn Menschen starke Gefühle haben. Angst, Panik, Ekel, oder Freude, Lust, Begeisterung - im Gehirn läuft es immer auf eines hinaus: Aufregung. Und davon ist besonders eine gut vernetzte Region im vorderen Teil des Temporallappens betroffen. OT 29 Andreas Heinz: Die Amygdala von der da immer geredet wird, der Mandelkern, der springt immer an, wenn was Aufregendes passiert und hat viel mit dem Verarbeiten, dem Lernen von Reaktionen zu tun. Also biologisch ist das unendlich überlappend. Wenn Sie in das persönliche Erleben schauen, dann ist das oft auch weniger klar trennbar, als wenn wir das mit unseren Begriffen tun, wenn wir darüber sprechen. AT 12 Geräusch Achterbahn OT 30 Andreas Heinz: Wenn sie sich anschauen, wie wir heute Gefühle einteilen, dann geht man davon aus, dass man das ganz simpel machen kann: Einerseits nach der Ebene ob es angenehm ist oder nicht. Und andererseits nach der Ebene ist es aufregend oder nicht. Der Witz an der Einteilung ist dann, dass sie praktisch zwei Achsen bekommen. Einerseits hochaufregend positiv bis hochlangweilig negativ und eine von hochaufregend negativ bis langweilig positiv. Und das spannende an dem Ansatz ist dass man sagt, es kann beides gleichzeitig bestehen. Sprecherin: Ob wir uns frisch verlieben, befördert werden, oder eine schwierige Bergtour meistern - das Hochgefühl wird fast immer begleitet von Ängsten und Anspannung. Und umgekehrt steckt wohl auch in der Angst vor dem Scheitern, der Katastrophe oft eine Spur Hoffnung. Und die Kombination der extremen Empfindungen führt zum lustvollen Kick. OT 31 Andreas Heinz: Ich glaube, der Spaß und die Lust ist dann wirklich stark ein Kontrasteffekt. Sie haben Angst, es geht um was und sie kommen raus. Wenn Sie Angst haben und es geht schief, dann ist die Lustkomponente nicht so stark. Ende Achterbahn OT 32 David Morrison: Hi, my name is David Morrison. ... Zitator VO: Hi ich bin David Morrison. Ich bin ein Weltraumforscher der Nasa und habe in den letzten zwei Jahren hunderte von Fragen über 2012 und einer angeblichen Bedrohung der Erde bekommen. Es gibt keine Gefahr für die Erde! Das ist eine Fake aus dem Internet. Macht euch keine Sorgen! AT 5 Bunker Autor: Sie wissen doch auch, dass es eine Menge Wissenschaftler gibt, die die ganzen Untergangstheorien widerlegt haben? Sprecher: Das machen die doch nur, damit es keine Panik gibt. NASA, Regierungen, Geheimdienste - das ist eine riesige Verschwörung! Die Maya haben richtig gerechnet. Es kommen Sonnenstürme und dieser Planet, Nibiru, der kommt aus dem Weltraum. Das ist das größte Spektakel seit die Dinosaurier ausgelöscht worden sind. Sowas passiert. Immer wieder. M 3 Holst: Planeten, Mars AT 1 Geräusch: Unterirdische Detonationen OT 33 Florian Freistetter: Im wesentlichen kann alles mit allem kollidieren und das ist natürlich, wenn wir als Menschheit auf einem dieser Dinge drauf sind für uns persönlich schlecht, aber aus kosmischer Sicht sind Kollisionen was ganz normales und Alltag im Universum und ohne diese Katastrophen, diese ganzen Weltuntergänge gäbe es die Menschen nicht, gäbe es die Erde nicht. Sprecherin: Florian Freistetter, Astronom und Wissenschaftsautor. Der 2012-Hysterie hält er ein Plädoyer für den Weltuntergang entgegen. OT 34 Florian Freistetter: Eigentlich hat es mit Staub angefangen. Ursprünglich gab es die Sonne und Staub und Gas rund herum. Und diese Staubteilchen sind miteinander zusammengestoßen und aneinander kleben geblieben und immer größer geworden - so wie auch der Staub zu Hause, wenn man nicht aufwischt immer größer wird. Im Weltall ist das immer weitergegangen, bis aus den kleinen Staubkörnern größere Asteroiden geworden sind, dann sind die größeren Asteroiden zusammengestoßen und haben sich zu größeren Objekten vereint und irgendwann sind aus diesen unzähligen Kollisionen Planeten entstanden und einer davon war die Erde. AT 5 Bunker M 1 Musik: Rage of Poseidon, Apocalyptica, 7th. Symphony Sprecher: Soll ich ganz ehrlich sein? Ich schätze die Chance, dass mir mein Privatbunker was bringt nur ganz minimal ein. Und wenn schon? Irgendwann ist für jeden ganz persönlich Apokalypse. Zwangsläufig, der Tod. Ob es dann am 21.12. passiert ist so gesehen eigentlich auch egal. Autor: Macht Ihnen das nicht Angst? Sprecher: Ja, sicher. Aber wenn es schon sein muss, Sterben, meine ich... vielleicht doch lieber so, sozusagen mit 'nem Knall, und nicht ein letztes Röcheln allein im Sterbebett, ein Scheiß-Autounfall oder der Exitus drei Wochen nach der letzten Chemotherapie. Geteiltes Leid ist halbes Leid - sagt man doch so, oder? Diesmal sind alle dabei. Sprecher/in vom Dienst: Die Lust am Untergang. Warum die Apokalypse das Leben bereichert Ein Feature von Heiner Kiesel Es sprachen: Uta-Maria Torp Udo Kroschwald Joachim Schönfeld Ton: Hermann Leppich Regie: Frank Merfort Redaktion: Martin Hartwig Nächste Woche hören Sie an dieser Stelle ... Autor über Kommandotaste: Ne ne Ankündigung geht nicht es ist Weltuntergang Sprecher Wie jetzt, das glaubst Du das wirklich? Autor: Na, irgendwas is Schluss Sprecher: Hallo Regie, jetzt sag Du auch mal was dazu! Regie: Is eh Weihnachten! Autor: (unterbricht) Was heißt denn das jetzt? Regie (autoritär) Is Weihnachten! Da gibt es keine Zeitfragen. 21