DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hhörspiel Redaktion: Tina Klopp Feature Ein Mann, ein Berg Der Mythos Luis Trenker Von Katrin Hildebrand Produktion: DLF 2015 Sprecher Sprecherin Regie: Gerrit Booms Produktion: Mo, 07.04.2015 - Do, 10.4.2015 - M 2 - 8.40-16.20 Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, 17. April 2015, 20.10 - 21.00 Uhr 1. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker Goebbels "Na, ich freu mich so sehr, dass sie sich Zeit nehmen, Herr Reichsminister. Ich will Ihnen schon so lang von meinem Plan für einen großen historischen Film erzählen." "Ein großer historischer Film? Schön. Das regeln Sie mit den zuständigen Stellen." "Ja, aber die lehnen mir ja alles ab." "Sie werden ihre Gründe dafür haben." Sprecher: Tobias Moretti als Luis Trenker in "Der schmale Grat der Wahrheit". Ein bayerischer Fernsehfilm, gedreht im Winter 2014/15 unter der Regie von Wolfgang Murnberger. 2. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker Paul "Ich will keinen Applaus von der falschen Seite." "Paul. Wenn wir wirklich ganz nach oben wollen, dann müssen wir sie alle kriegen. Dann muss dir das wurscht sein." "Aber nicht Leute wie Hitler." 3. O-Ton Probst "Viele in der Elterngeneration werden wahrscheinlich einiges, was in dem Film vorkommt gar nicht glauben mögen". Sprecher: Peter Probst, der Drehbuchautor 4. O-Ton Probst "Dass da so viel Staffage war, dass die Figur nicht ganz so unbekümmert, naiv, naturverbunden ist, sondern auch ein sehr cleverer Geschäftsmann, ein Taktierer, ein Menschenverführer. Insofern wird das Männerbild dieses zweifelsohne attraktiven Manns dann schon einige Risse bekommen in dem Film." 5. O-Ton Kaufmann "Diese Geschichte, die erzählt man hier ja auch nur unter der Hand. Dass er die Tagebücher der Eva Braun herausgebracht hat in einer Münchner Illustrierten. Sprecher: Martin Kaufmann, Filmexperte, lebt in Trenkers Heimat in Südtirol. Fortsetzung O-Ton Kaufmann Und nach der zweiten Folge ist das eingestellt worden wie die Geschichte mit den Hitler-Tagebüchern. Es war alles erstunken und erlogen." 6. O-Ton Probst "Er hat so ne bestimmte Kernigkeit vermittelt, was Naturnahes, was Unbekümmertes. Er hat ein Männerbild produziert, an das sich sehr viele gehalten haben und das für mich mit 12 oder mit 14 auch noch sehr attraktiv war." Sprecher: Noch mal Peter Probst, der Drehbuchautor. 7. O-Ton König "Er ist eine schwierige Persönlichkeit gewesen, viel schwieriger als ihn die Öffentlichkeit wahrgenommen hat. Sprecher: Stefan König, Autor des Buchs: "Bera Luis. Das Phänomen Luis Trenker". Fortsetzung O-Ton Denn dort hat man immer nur den Strahlemann gesehen aus Südtirol. Den fantastisch aussehenden jungen Kerl und später auch noch älteren Herrn, den die Damen bewundert haben. Aber interessant war, dass der Trenker von wiederholten Schicksalsschlägen auch wirklich gebeutelt war. Aber jeder hat gemeint, der Trenker ist der Ausbund an Gesundheit, an Vitalität, an Glück. Aber mehrfach gingen seine Laufbahnen schon vor dem Dritten Reich zu Ende, kaputt." Sprecherin: Luis Trenker starb mit 97 Jahren. Ob als Bergfex, als Filmstar, als Regisseur, als Romanautor und Geschichtenerzähler im Fernsehen - Zeit seines Lebens haben die Menschen ihn bewundert. Und selbst nach seinem Tod haben sie am Bild des Strahlemanns festgehalten. 8. Filmausschnitt "Der Berg ruft" "Ich kann ihn nicht sehen. Da ist er nicht." "Schaun'S amal am Colle de Leone. Vielleicht is er da." "Ja. Da ist er auch nicht. Kein Mensch." "Ach, wenn mich die Herren einmal durchschauen ließen. Ich würd ihn sicher finden." "Bitte, Signorina." "Danke." lange Atmo - "Jetzt seh ich jemand auf dem Gletscher oben. Das is er!" Musik Ansage: Ein Mann, ein Berg Vom Mythos Luis Trenker Ein Feature von Katrin Hildebrand 9. Atmo St. Ulrich, Weg zum Friedhof Sprecherin: Im Grödnertal in Südtirol, auf 1230 Meter Höhe. Hier, mit Blick auf die Felswand des Langkofel, liegt die Gemeinde St. Ulrich. Der Heimatort von Luis Trenker. 10. Atmo Friedhof 11. O-Ton Edgar Moroder "Der Luis Trenker hätte die Möglichkeit gehabt, praktisch in den Arkaden unter den besonderen renommierten Grödnern bestattet zu werden. Sprecher: 1. Szene: Bergheimat und heilige Familie Fortsetzung O-Ton Er wollte das nicht. Er hat sich aber einen recht schönen Platz im ersten Friedhof unten ausgesucht. An der Sonne. Sprecherin: Wenn der pensionierte Lehrer Edgar Moroder - der Luis Trenker noch persönlich gekannt hat - durchs Dorf führt, stößt man überall auf Trenkers Spuren - nicht zuletzt am Friedhof. Fortsetzung O-Ton Und dann ist entstanden ein wunderschönes Kreuz über dem eigentlichen Grab und darüber sind die Namen von Luis Trenker und Hilda Trenker. Wo natürlich der Luis Trenker geboren am 4. Oktober 1892 dargestellt ist und jünger, also am 21.10.1903, die Frau, die Hilda Bleichert. Sie war eine Industrieellentochter aus Berlin. Wir wissen, dass der Vater der Hilda Bleichert, hat die ersten finanziellen Unterstützungen seinem Schwiegersohn Luis Trenker gemacht, damit er überhaupt anfangen konnte, Filme zu machen." Sprecherin Hildas Vater, ein Seilbahnfabrikant, war zunächst skeptisch, als die Tochter mit einem Schauspieler anbandelte. Erst als die beiden heirateten, war er beruhigt und nahm sich Trenkers an. Familienzusammenhalt war auch Trenker wichtig - obwohl er in seinem Leben oft nur Fassade war. 12. O-Ton König "Trenkers Ecken und Kanten haben sich, glaube ich, ganz stark im familiären Bereich breit gemacht. Sprecherin Stefan König, hat 1992 mit Trenkers Sohn Florian eine Biografie geschrieben. Fortsetzung O-Ton Also ich weiß vom Florian Trenker, der sowohl optisch seinem Vater sehr ähnlich war wie auch vom Wesen. Er wollte auch zum Film und hat auch im filmischen Bereich gearbeitet. Aber alles, was ich gehört habe und was ich nachvollziehen kann: -Der Luis war so ein Egomane. Er hat neben sich nichts und niemanden geduldet. Also wenn irgendwo ein Auftritt war, dann hat er jedem versucht, die Show zu stehlen. Er hat auch die eigene Familie, auch seinen Sohn weggedrängt. Alle sollten ihn bewundern. Und alle haben ihn bewundert. Und der Flori Trenker, leider ja längst verstorben, hat darunter als junger Mensch unheimlich gelitten, dass sein Vater ihn nicht gefördert, sondern überall nur ausgebremst hat." Sprecherin: Florian war eines von vier Kindern. Neben ihm gab es Ferdinand, Barbara und Josef. Luis und Hilda Trenker waren 60 Jahre verheiratet, bis zu Hildas Tod 1988. Vieles über Trenker, seine Familie und seinen Mythos kann man heute im Museum Gröden erfahren. 13. O-Ton Frau Moroder: "Bon júr ...." Sprecherin: Museumsleiterin Paulina Moroder begrüßt die Besucher auf Ladinisch, einer Abwandlung des ehemaligen Volkslateins, das in der Region neben Italienisch und Deutsch gesprochen wird und das auch Luis Trenker beherrschte. Moroder zeigt die beiden Schauräume, die sich seinem Leben widmen. 14. Atmo Museum 15. O-Ton Frau Moroder "Ja, wir sind jetzt in der zweiten Etage des Museums und hier wurde 2004 ein eigener Bereich für die Präsentation des Nachlasses von Luis Trenker eingerichtet. Zu Lebzeiten hatte, gab es enge Kontakte zwischen Trenker und dem ehemaligen Präsidenten des Museums. Und er hatte zu Lebzeiten noch versprochen, einige Sachen aus seinem persönlichen Besitz dem Museum als Erinnerung zu überlassen. Hat sich auch gewünscht, dass hier eine Erinnerungsstätte eingerichtet wird. Das haben dann die Erben nach seinem Tod auch dann so gehalten und gleich eine erste Sammlung überreicht." Sprecherin: Neben Filmrequisiten, Plakaten und Dokumenten finden sich im Museum auch Möbel und Erinnerungsstücke. 16. O-Ton Frau Moroder "Hinter dem Schreibtisch hängen zwei Ölgemälde. Das sind Porträtbilder der Eltern. Zur Mutter hatte er eine sehr intime Beziehung, sehr enge Beziehung. Sie soll auch dafür eingestanden haben, dass er weiter studieren kann in Innsbruck. Dies hat ihm dann auch seine akademische Laufbahn fürs Studium der Architektur eröffnet. Und von der Mutter gibt es eine ganz nette Erinnerung. Sie sehen hier eine Geige mit dem Schutzetui "Zum Andenken von deiner Mutter" draufbestickt. Er soll in seiner Studienzeit in Wien die Stummfilme begleitet haben, um sich ein Nebengeld zu verdienen." Sprecher: "Was wäre eine Welt ohne Mutter; das wäre wohl wie ein Himmel ohne Sonne, eine Welt ohne Licht und Wärme - gar nicht auszudenken." Sprecherin: Trenker 1965 in seiner Autobiografie "Alles gut gegangen". 17. O-Ton König "Seine Mutter war die Tochter des Gemeindevorstehers in St. Ulrich, hat einen Nordtiroler geheiratet, seinen Vater. Und die sind dann auseinandergegangen. Die Mutter ist nach Bozen mit den jüngeren Kindern. Das weiß natürlich kein Mensch sonst. Das wollt er auch nicht, das hat nicht ins Heile-Welt-Bild gepasst von Familie und Berge und der Herrgott und von was er allem geschwärmt hat. Und es war für mich hochinteressant. Weil das war natürlich ein ganz entscheidender Schritt, wo wir uns heute nicht mehr viel Gedanken machen, wenn sich zwei trennen. Aber im Grödnertal, in diesem damals ja noch immer gewissermaßen abgeschiedenen und extrem konservativen Eckchen, dann eine Trennung, noch dazu von einer bekannten Frau. Die Tochter des Gemeindevorstehers. Das war was." Sprecherin: Obwohl Trenker St. Ulrich, Südtirol und seinen alten Hausberg, den Langkofel, verklärte, lebte er mit seiner Familie viele Jahre woanders. Zwischen 1927 und 1940 in Berlin, später in Rom. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die Trenkers wieder nach Bozen zurück. 1971 erhielt Luis Trenker dann die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatgemeinde St. Ulrich - und wen auch immer man heute in der Gegend auf den Ehrenbürger anspricht, jeder verbindet sofort eine Geschichte damit. 18. O-Ton Umfrage Val Gardena "Ich hatte nicht das Glück, Luis Trenker persönlich kennenzulernen. Ich kann mich aber gut noch erinnern, dass seine 90-Jahres-Geburtstagsfeier in St. Ulrich sehr großartig gefeiert wurde. Damals gab es sogar einen Weltrekord über den größten Knödel. Luis Trenker ist für uns schon sicherlich ein Begriff, wo wir ja recht abgeschieden waren, vor allem damals noch, ist er in die weite Welt hinausgegangen und hat diese Filmindustrie erkannt." 19. O-Ton Umfrage Val Gardena 2 "Ja es ist ganz interessant zu sehen, wie viele deutsche Gäste immer noch mit Luis Trenker einen sehr starken Bezug haben. In St. Ulrich gibt es ja seine Grabstätte. Und da, vor allem in den Hochsaisonen, gehen die Leute wirklich prozessionenweise dahin. Und wollen sich eben das Grab von Luis Trenker anschauen. Und möchten sich das Geburtshaus von Luis Trenker anschauen." Sprecherin : In und um Gröden gibt es Luis Trenker heute als: Sprecher: lebensgroßes Denkmal auf der Luis-Trenker-Promenade lebensgroßes Denkmal auf der Seiser Alm Bronzebüste vor dem Museum Gröden zwei Büsten im Museum Gröden überlebensgroße Holzskulptur vor der Schnitzerei Gebrüder Bergmeister Relieffigur am Fünf-Sterne-Hotel Adler 20. Atmo Filmstandorte Sprecherin: Am Grödnerjoch, auf der Raschötz, auf dem Ciampinoi, auf dem Monte Pana, an der Radauer Schwaige, am Sellajoch, auf den Seurasas-Almen, in St. Jakob, in Sankt Christina, im Gran Paluch und zu Füßen des Plattkofel - steht jeweils eine Holzbank, aus der eine Stele aufragt. Überall, wo die Bänke stehen, hat Luis Trenker einst gedreht. Wer durch ein Loch in der Stele guckt, kann genau den Bildausschnitt sehen, den Trenker für die jeweilige Filmszene wählte. 21. Atmo Moroder/St. Ulrich, Promenade 22. O-Ton Edgar Moroder "Ja, wir stehen jetzt an der inneren Luis-Trenker-Promenade - wenn man draußen am Kirchplatz startet in Richtung St. Christina und Wolkenstein. Sprecher: Zweite Szene: Hinauf auf die Gipfel Fortsetzung O-Ton Und da sitzt auf einem schönen Dolomitblock eine herrliche Figur in Bronze gestaltet. Und wer ist das? Luis Trenker. Und er blickt unter seinem typischen Luis-Trenker-Hut und zeigt mit der linken Hand genau zum Langkofel, wo er den Namen gegeben hat: Der Langkofel ist der heilige Berg." 23. Atmo Miesbach/Küchengeklimper 24. O-Ton Kammerlander "Luis Trenker in Südtirol war immer das Bergidol. Aber für mich persönlich war das nur relativ kurz, und dann kamen andere, die meine Idole geworden sind. Natürlich ein Messner, weil ich dort die steilen Felsbilder gesehen habe. Dann habe ich mehr diesen Weg verfolgt." Sprecherin: Hans Kammerlander sitzt beim Frühstück im bayerischen Miesbach. Am Abend zuvor hat der Extrembergsteiger dort einen Vortrag über "Die Matterhörner dieser Welt" gehalten. Auf sein Konto gehen rund 50 Erstbegehungen sowie 60 Alleinbegehungen großer Alpenwände und 13 der insgesamt 14 Achttausender. Wie Trenker und Messner kommt Kammerlander aus Südtirol. 25. O-Ton Kammerlander "Ja er hat einfach das Land, vor allem die Dolomiten und seinen Hausberg den Langkofel immer erwähnt und vor der großen Masse das Land bekannt gemacht. Das war die Werbeperson für Südtirol schlechthin. und ich bewundere ihn, den Trenker, wirklich sehr, aber nicht als Bergsteiger. Da war er ja ganz ein normaler, mittelmäßiger Bergsteiger, hat ein paar Klettertouren gemacht, so mittelschwere. Hat aber das Können gehabt von diesen paar Bergtouren ein Leben lang, fast 100 Jahre lang, zu erzählen. Der hat die Geschichten immer spannend gebracht, hat die Leute mitgerissen. Mit diesen wenigen Bergerlebnissen, was er ja gehabt hat. Und das ist eben die große Kunst." Sprecherin: Luis Trenker in seiner Autobiographie: Sprecher: "Welch prächtige Typen von Bergführern gab es da in Gröden, in Fassa, in Enneberg, in Cortina und Sexten. Eine stolze Mannsgesellschaft, der zuzugehören mein ganzer Ehrgeiz war." 26. O-Ton Frau Moroder "Also zum Nachlass gehören ja auch einige Requisiten, die sich erhalten haben. Also Requisiten aus den Spielfilmen. Sprecherin: Noch mal Paulina Moroder vom Museum Gröden Fortsetzung O-Ton Das soll angeblich das gerissene Seil sein, das in dem Film "Der Kampf ums Matterhorn" bzw. dann die Zweitversion "Der Berg ruft" verwendet worden ist, wo es ja um die Geschichte, um diese tragischen Ereignisse der Erstbesteigung des Matterhorns geht." 27. O-Ton Frau Moroder "Hier daneben haben wir ein Foto, vielleicht noch etwas jünger, da ist er gerade mal als Bergsteiger abgebildet, mit seinem Jugendfreund Pescosta. 18 Jahre alt. Mit ihm hat er sehr viele Erstbesteigungen in den Dolomiten, unter anderem an der Sellawand, durchgeführt." Sprecherin: Luis Trenker in seiner Autobiografie über den Freund: Sprecher: "Mit seinen dicken Brillen, er war stark kurzsichtig, mit seiner stillen versonnenen Art sah Hans eher wie ein angehender Philosophieprofessor aus als wie ein einfacher Bauernbub und Bergführersohn." Sprecherin: Drei kleine Erstbegehungen gelangen den beiden. Ganz hoch hinaus wollte Trenker 1914 mit dem deutschen Alpinisten Hans Dülfer. Ihr Ziel: die 850 Meter hohe Furchetta-Nordwand in der Geisler-Gruppe. Von St. Ulrich aus nicht weit. 28. Atmo aus Film "Der Berg ruft", Wind Sprecherin: Doch es geht schief. 100 Meter vor dem Ziel, nach 17 Stunden Kletterei versagen die Kräfte. Ein Sturm kommt auf, Schnee. In großer Hast seilen sich die Bergsteiger ab. Über 700 Meter Steilwand liegen vor ihnen. Dort auszuharren, wäre ihr Tod. Doch das Unmögliche gelingt. Nach siebenstündigem Kampf erreichen sie eine Hütte und überleben. 29. O-Ton König "Er war mit dem berühmten Dülfer unterwegs, einem der ganz großen Kletterer seiner Zeit. Wenn die des geschafft hätten, dann wäre er vielleicht Kletterer geblieben, wäre wirklich auch in die Geschichte eingegangen. So ist ers ned, so muss man eigentlich erst nachrecherchieren. Was hat Trenker genau gemacht? Wie gut hat er's können? Und er hat's gut können, was auch der großartige Reinhold Messner bestätigt, der nun wirklich da Gewicht hat. Der kann sagen, Trenker war ein hervorragender Bergsteiger, und das hat er immer wieder betont. Und dem kann ich mich nur anschließen." Sprecherin: Über die tatsächlichen Kletterfähigkeiten Trenkers sind sein Biograf König und der Extrembergsteiger Kammerlander unterschiedlicher Meinung. 30. O-Ton Kammerlander "Mit absolutem Spitzenklettern hat das nichts zu tun. Und Furchetta, das Thema, das sie angepeilt haben, wo sie aber gescheitert sind, da war sicher Dülfer der Führende. Und er hat Trenker, damals waren nicht viele, er einfach den Trenker dabei gehabt. Aber Trenker selber hätte in der Furchetta mit Sicherheit überhaupt keine Chance gehabt." Sprecherin: Im Film allerdings kletterte Trenker das Matterhorn in Minutenschnelle rauf und wieder runter - ganz alleine und mitten im Sturm. So etwas bleibt hängen. 31. O-Ton Probst "Trenker hat wahrscheinlich eine Generation lang in Deutschland und Österreich, in Italien weniger, weil er da umstrittener war, das Bild der Menschen, die ins Gebirge gehen, mitgeprägt. Also man hat zum Beispiel das Seil immer außen an den Rucksack gebunden, obwohl das eigentlich schwachsinnig ist, sozusagen das Sicherheitsinstrument nicht innen zu schützen, sondern da außen Verletzungen preiszugeben." Atmo St. Ulrich Futterhaus 32. O-Ton Edgar Moroder "Wir sind auf der Sonnenseite von St. Ulrich und sehen jetzt rüber nach Überwasser. Und vis à vis da von uns erblickt man ein erneuertes Haus und ganz daneben ist ein großes Futterhaus. Und dort ist der Luis Trenker ab dem zweiten Lebensjahr aufgewachsen bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Sprecher: Dritte Szene: Die Berge kommen ins Kino Fortsetzung O-Ton Nach zwei Jahren Krieg war er bereits Leutnant, der an der Dolomitenfront also ganz schön mitgekämpft hat, vor allem da drüben am Blutberg Col di Lana, Sass de Stria, Marmolada bis hinunter praktisch zum Pasubio. Und das hat ihm wahrscheinlich den Schub gegeben, Bergfilme zu machen." 33. O-Ton Kaufmann "Er ist hier in den 20er-Jahren zurückgekommen aus Wien vom Architekturstudium. Sprecherin: Martin Kaufmann, Leiter der Bozner Filmtage Fortsetzung O-Ton Hat mit einem Architekten in Bozen und dann sogar mit Clemens Holzmeister, dem berühmten Salzburger Architekten zusammen ein Architekturstudio am Waltherplatz betrieben. Und wurde ja dann als Bergführer für die ersten Filme von Arnold Fanck eingeladen und hat bald mal die Schauspielrolle übernommen, weil der Schauspieler sich nicht auf den Felsen getraut hat." Sprecherin: Die Tatsache, dass er die Rolle beim Film damals nur deshalb bekam, weil der ursprüngliche Schauspieler Höhenangst hatte, spielte Trenker in seiner Biografie zwar herunter. Dafür beschrieb er umso ausführlicher, wie er sich erst stundenlang mit seiner Mutter beraten hätte, bevor er die Rolle annahm. Es war der Anfang einer großen Karriere. Arnold Fanck war der Pionier des Bergfilms. Trenker war nun sein Lehrbub. Zunächst. 34. O-Ton Kaufmann "Also wenn man sagt, dass er 1925 schon beim "Heiligen Berg" von Arnold Fanck gespielt hat, dann '27 "Der große Sprung" mit Leni Riefenstahl, dann '28 "Der Kampf ums Matterhorn" noch stumm - und von da weg ist seine Karriere natürlich wirklich total nach oben gegangen, im Gegensatz zu beider Lehrmeister. Riefenstahl und Trenker hatten wirklich Arnold Fanck in den ganzen 20er-Jahren: Und der ist natürlich in Vergessenheit geraten." Sprecherin: Fanck und sein Ziehsohn Trenker machten sich nicht nur um die Gunst der schönen Leni Riefenstahl Konkurrenz - und Trenker gewann den Kampf. Trenker überholte seinen ehemaligen Lehrmeister Fanck auch alsbald in seiner Bedeutung als Filmemacher. 35. O-Ton König "Sein Förderer Arnold Fanck, der ihn entdeckt hatte, war der geniale Bildgestalter, aber wenn Menschen ins Bild kamen, hat das meistens holprig gewirkt. Ich hatte einmal ein Gespräch mit dem großen deutschen Theaterschauspieler Bernhard Minetti, der beim Trenker gedreht hat einen Film und bei der Riefenstahl. Und der hat immer gesagt: Der Trenker hat kaum Szenen gebraucht. Der wusste, was er wollte. Und nach zwei, drei Takes hat er gesagt: Passt. Is guad." 36. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker Riefenstahl "Nein, das ist nicht wahr, oder? Ich kenn doch dein Grinsen." Sprecher: Leni Riefenstahl, gespielt von Brigitte Hobmeier in Murnbergers Film "Der schmale Grat der Wahrheit". Der Film behandelt auch das Verhältnis zwischen Trenker und der den Nazis nahestehenden Regisseurin. Fortsetzung Filmausschnitt "Du weißt ja, wie schwer man dem Goebbels was abschlagen kann." "Du würdest mir den Film ... du würdest mir diesen Film tatsächlich wegschnappen?" "Wir haben uns doch nie was geschenkt, Leni." 37. O-Ton Probst "Die beiden sind sich 1924 zum ersten Mal begegnet. Und man kann über die Jahrzehnte 'ne Entwicklung zwischen den beiden in der Hinsicht sehen, dass Leni Riefenstahl zuerst eine ambitionierte junge Frau war, die unbedingt zum Film, und zwar zum Bergfilm wollte. Und Trenker war so eine Art Mentor, Liebhaber und in späteren Jahren hat sie da immer mehr aufgeholt. Und hat das entwickelt, was auch er hatte: nämlich das Werk in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen. Es war nicht die Familie wichtig, es war nicht die Überzeugung wichtig. Wichtig war's, Großes für das Kino zu leisten und ein großer Regisseur bzw. eine Regisseurin zu sein." 38. O-Ton König "Als Trenker in den frühen 30er-Jahren angefangen hat, eigene Filme zu drehen, waren das Filme, die sehr stark von dem kämpferischen Element geprägt waren. "Berge in Flammen" oder später "Der Berg ruft", der großartige Bergfilm über die Erstbesteigung des Matterhorns. Als er das gemacht hat, hat sich sowohl im Bergsteigen wie zeitgleich in der Gesellschaft etwas getan gehabt. Da sind zwei Kampfideologien zusammengekommen. Die Kampfideologie des Alpinismus mit der Kampfideologie des Nationalsozialismus und des Faschismus." Sprecherin: In den 30er-Jahren erlebte der Alpinismus seine letzte Blüte. 1931 bezwangen Franz und Toni Schmid als erste die Nordwand des Matterhorns. Vier Jahre später gelang es zwei Kletterern, die Nordwand der Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Massiv zu bewältigen. Die Eiger-Nordwand fiel 1938. Damit waren sozusagen die drei letzten Probleme der Alpen gelöst. 39. O-Ton König "Trenker hat diese Themen gemocht. Er war ein kämpferischer Bergsteiger. Er hat das gemocht, dass harte Männer am harten Fels unterwegs waren, gekämpft haben, im Gewitter ausgehalten haben, im Schneegestöber ausgehalten haben." 40. O-Ton Frau Moroder "Es gibt in diesem einen Buch, den das Museum in Turin herausgegeben hat, da hat ein italienischer Autor die Plakate Luis Trenkers genauer analysiert. Er steht schon als Heldenfigur im Vordergrund. Man hat schon mit seinem starken, markanten Gesicht, mit seinem Ausdruck auch geworben. Es ist auch Ausdruck der Bildsprache der 30er-Jahre." Sprecherin: Trenkers Bildsprache funktionierte nicht nur in Deutschland, Österreich und Italien. 41. O-Ton König "Er hat sehr kraftvolle Filme gemacht, die den amerikanischen Raum sehr gut abgedeckt haben. Da ist Action drin, da ist Liebe drin bei Trenker. Aber immer so a brave Liebe. Es wird nie zu viel. Und diesen Markt hat er da natürlich genau erwischt. Aber das war natürlich dann kaputt. Weil danach kamen die Nazis und danach kam der Krieg und das war dann vorbei." Sprecherin: Dreimal war Trenker in den Vereinigten Staaten. "The Doomed Battalion", seine US-Fassung von "Berge in Flammen", wurde von Universal Pictures koproduziert. Für "Der Kaiser von Kalifornien", einen Frühwestern, reiste er 1935 nach Kalifornien und rauchte mit vermeintlich echten Indianern Friedenspfeife. Einige Jahre zuvor hatte er in New York gedreht. Dort entstanden Teile des Dramas "Der verlorene Sohn" über einen in den USA gestrandeten Südtiroler. Sprecherin: Trenker in seiner Autobiografie: Sprecher "Es war unmöglich, auch nur die kleinste Szene in den Straßen aufzunehmen, weil sich schon beim Aufstellen der Kamera Hunderte von Neugierigen ansammelten. ... Ich beschloss, alles heimlich aus einer Autolimousine heraus zu drehen." Sprecherin: In Buchners Enzyklopädie des Films heißt es über "Der verlorene Sohn": Sprecher: "grausam realistische Bilder der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, wie sie der amerikanische Spielfilm konsequent vermied." Sprecherin: Luis Trenker und seinem Team gelangen diese Aufnahmen durch Zufall. Mit einer Handkamera zeichneten sie trostlose Wahrheiten aus den Straßen New Yorks auf. Das war neu. Unter Filmkennern gelten diese Szenen heute als unbeabsichtigte Vorboten des Neorealismus. Sprecher: Der italienische Neorealismus war eine marxistisch motivierte künstlerische Strömung der 40er- und 50er-Jahre.Filmemacher wollten die Wirklichkeit ungeschönt zeigen - mit schnörkellosen Bildern, Laiendarstellern, sozialer Realität. 42. O-Ton Kaufmann "Ich erinnere mich, dass die Videoedition herauskam in den 80er-, 90er-Jahren, dann DVD. Und die deutschen Kritiker, die sonst sehr streng sind, also fasziniert waren von den Bildern, von diesen kantigen Schwarz-Weiß-Szenen. Aber natürlich hat er mit Südtirol, ob das jetzt "Der verlorene Sohn war" oder die Geschichte von Sutter, "Kaiser von Kalifornien", - er hat gute Geschichten gefunden. Und hat natürlich selber immer die Hauptrollen gespielt. Das kann natürlich fast zu viel werden. Aber bei bestimmten Filmen hat es natürlich gepasst." 43. O-Ton König "Ich glaub, Trenker war ein Vorläufer von Arnold Schwarzenegger. Der Schwarzenegger kann ja auch ned schauspielern. Der Schwarzenegger konnt nur immer irgendwo er selber sein. Nichts anderes hat Trenker gemacht. Jahrzehnte davor. Und der Erfolg hat ihm recht gegeben. Die Leute haben ihn bewundert. Ich weiß noch, ich bin in München aufgewachsen, da ist der Trenker spazieren gegangen und die Leute haben ihn bewundert und zwar nicht weil er Regie gemacht hat. Das hat eh keiner verstanden. Was ist Regie? Da war ein Film und der Film war schön. Der kam in die Kinos. Da ist man hingegangen. Und der Trenker hat da gespielt. Also die Leute waren ja begeistert." Sprecherin: Die Begeisterung allerdings war an den Zeitgeist gebunden und hielt nicht ewig an. Auch kam der Zweite Weltkrieg dazwischen. 44. O-Ton Kaufmann "Und dann '45, '46 war's vorbei. Er hat in Nordtirol versucht, wieder eine Produktion in Schwung zu bringen, hat auch einzelne Filme produziert. Und dann auch einmal '55, "Flucht in die Dolomiten", erster Cinemascope-Film, jedenfalls für hier, und dann hat er halt späte 50er-Jahre noch diese Heimatfilme "Wetterleuchten um Maria" und mit Toni Sailer "Sein bester Freund". Aber das waren dann wirklich die letzten eher Heimatfilme, die dann zwar im Kino gelaufen sind, aber sein Ruf war vor dem Krieg, seine großen Filme." 45. O-Ton König "Und dann kam erst seine, ich weiß nicht wievielte große Karriere bei Hörfunk und Fernsehen als Plauderonkel, sag ich immer, der sich hingestellt hat und wie kein anderer auf der Welt eine halbe Stunde lang ohne Punkt und Komma so erzählen konnte, dass ich schon als kleiner Bua daghockt bin und gwusst hab, ich werd Bergsteiger." Sprecherin: "Luis Trenker erzählt" hießt die Sendung, die ab 1959 im Bayerischen Rundfunk lief. Später trat er außerdem als Moderator einer Berg-Dokureihe auf. Dadurch wurde er in Deutschland und Österreich auch der Nachkriegsgeneration bekannt. 46. O-Ton Probst "Also man hat ja in den 50er- und 60er-Jahren harmlose Ikonen gebraucht. Und das Trenkerbild war angenehm. Das war im Gegensatz zu diesen eingesperrten Nazi-Uniformmenschen ja ein lässiger Typ in seinem Look. Er war eher der lässige Sportsmann, der Bergfex. Das hat man deswegen nicht hinterfragt, wie er wirklich war, weil in der Gesellschaft ein Bedarf an solchen Figuren war, die konservativ waren, aber eben keine Verbrecher, keine Erfüllungsgehilfen. Die einen eigenen Charakter mitbrachten." Sprecherin: In Italien sah es etwas anders aus. 47. O-Ton Kaufmann "Italien ist er nur in Spezialistenkreisen noch bekannt. Es gibt dieses Bergfilmmuseum in Turin, wo er natürlich eine Riesenausstellung hatte - und das Bergfilmfestival in Trento. Und hier hat's immer geheißen: Ach, der Trenker. Und dann war ein Film in den Fünfzigerjahren, wo er wollte Andreas Hofer spielen. Sprecherin: Andreas Hofer gilt in Nord- und vor allem Südtirol als Volksheld. Er war 1809 der Anführer des Tiroler Aufstands gegen die französisch-bayerische Besatzung durch Napoleon. 1810 wurde er von den Besatzern geschnappt und hingerichtet. Diese Hauptrolle wollte Trenker natürlich selber spielen. Fortsetzung O-Ton Und er hatte Vittorio de Sica als Napoleon schon, angeblich. Und dann haben die Leute hier gesagt: Er soll den Raffl spielen, das ist der Verräter von Andreas Hofer. 48. Atmo St. Ulrich Pfarrkirche 49. O-Ton Edgar Moroder "Also der Luis Trenker, der ist am 6. Oktober 1892, also im Herbst bereits, in der Pfarrkirche von St. Ulrich getauft worden. Sprecher: 4. Szene: Politische Kletterpartie Fortsetzung O-Ton: Das hat er uns auch privat am Wirtschaftstisch in St. Ulrich gesagt. Und wir stehen jetzt vor einem Taufbecken mit einem herrlichen Übersatz, geschnitzt und vergoldet. Das war nicht das Taufbecken vom Luis, das ist etwas jünger, vielleicht 20 Jahre jünger. Aber fast jedes Mal, wenn ich das sehe, dann sag ich mir, ah, da ist ja der Trenker getauft worden." 50. O-Ton Probst "Er war kein Nazi. Also ich habe nirgendwo Hinweise gefunden, dass er Nazi war. Er war eher ein Erzkatholik, der ein natürliches Misstrauen gegen die Nazis hatte. Er hat gern mit Juden gearbeitet, was ihm später auch vorgehalten wurde. Und ja, er setzt sich aus vielen, vielen Facetten zusammen, die ich in diesem Film zum Leuchten bringen wollte." 51. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker wehrt sich "Die nationalsozialistischen Gesetze erlauben es nicht, dass Sie so viele Ausländer beschäftigen." "Ausländer! Wir drehen da in Italien und haben einen amerikanischen Koproduzenten." Sprecherin: In einer Szene aus "Der schmale Grat der Wahrheit" kontrolliert ein Mitarbeiter des Propagandaministeriums Trenkers Dreharbeiten - der gibt sich zu diesem Zeitpunkt noch unbeugsam. Fortsetzung Filmausschnitt "Aber hier haben wir das Sagen, nicht der Jude Kohner. Sie entlassen jetzt alle Nicht-Deutschen bis auf die mit einer Ausnahmegenehmigung." "An Teufel werd ich tun. Ich entlasse gar keinen." "Mensch, Trenker. Sie sind doch auch deutschblütig." "Ich kann keinen Film nach deutschen Gesetzen machen. Dafür brauche ich meine Schauspieler, meine Kameraleute, und da nehm dich die, die mir gefallen, die ich für die besten halte, egal, was sie für Blut haben." "Sie weichen auch massiv vom genehmigten Skript ab." "Ja, wenn's gut fürn Film is!" Sprecherin: In Wolfgang Murnbergers Trenker-Film geht es nicht nur um die gefälschten Tagebücher der Eva Braun, sondern auch um das politische Lavieren des Regisseurs, - der hier im Gespräch mit Propagandaminister Goebbels schon anders klingt. 52. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker Deutschland ">Ich scheiße auf Deutschland und mache meinen "Verlorenen Sohn" in Amerika. Leute, die Bücher verbrennen, die finde ich zum Speien.<" "Des hab ich nicht so, also des habe ich nicht so gemeint." "In der Judenfrage haben Sie auch eine sehr laxe Haltung." "Na, mir is immer nur um die Qualität von meinen Filmen gegangen." "Und die können Sie mit den Deutschen nicht erreichen?" "Doch, doch. Sicher." Sprecherin: Die bekanntesten Filme Trenkers entstammen der Zeit kurz vor und während der Nazi-Diktatur. Die meisten Werke entstanden unter deutscher Produktion, einige unter italienischer und manche als amerikanische Koproduktion. Der Spagat zwischen Nazis auf der einen, Mussolinis Faschisten auf der anderen Seite und einem demokratischen Staat, in den sich viele Gegner des deutschen Terrorregimes geflüchtet hatten, gelang dem Südtiroler über Jahre hinweg. 53. O-Ton König "Bei der Politik da hat ihm der Instinkt gefehlt. Er hat sich aber auch, und das ist vielleicht gar nicht so falsch gewesen für ihn, er hat sich als das gut verkauft, was er glaubt, was angekommen ist, nämlich als Bauernbursch aus dem Grödnertal. Er konnte sich Sachen herausnehmen, die bei anderen sehr schlimm geendet wären, und bei ihm hat man gesagt: Ja, der Trenker, das ist halt so ein Bauernfünfer aus dem Grödnertal. Der weiß es ned besser, der kanns ned besser. Er kam damit besser durch, und das war meiner Ansicht nach schon eine Strategie. Also zu sagen, er hat keinen Instinkt gehabt, stimmt vielleicht nicht. Aber er war nicht instinktsicher: Wo führt die Politik hin? Wie stellt er sich selber dazu?" Sprecherin Über Trenkers Drama "Der Rebell" notierte Joseph Goebbels im Januar 1933 in sein Tagebuch: Sprecher "Eine Spitzenleistung der Filmkunst. So kann man sich den Film der Zukunft denken, revolutionär mit ganz großen Massenszenen. ... Wir sind alle bis in die Seele ergriffen." Sprecherin In dem Drama geht es um den Widerstand der Tiroler gegen die bayerische Besatzung anno 1809. Luis Trenker spielt einen Helden, der sich gegen Bayern und das damit verbündete napoleonische Frankreich auflehnt. Der historische Stoff hatte Anfang der 30er-Jahre, kurz vor Errichtung des NS-Regimes, freilich einen unangenehmen Beigeschmack. Trenker in seiner Biografie: Sprecher "Einen Freiheitsfilm gegen die Fesseln von Versailles sollte man drehen!, und schon standen die Bilder von der Rebellion der Tiroler gegen Napoleon vor mir." Sprecherin Einen ähnlich rebellischen Film drehte Trenker 1937 mit "Condottieri". Darin stürmen Aufständische die Gemächer des Papstes. 54. O-Ton Probst 10 "Als aber dann der greise Papst vor ihnen steht, sinken die auf die Knie. Und er ist auf die wirklich wahnsinnige Idee gekommen, als Komparsen die Leibstandarte Adolf Hitler anzufordern. Das heißt, die SS sinkt vor dem Papst auf die Knie. So hat das der Goebbels gesehen. Trenker sagte: Nee, das sind doch Komparsen. Das sind die Condottieri. Und Goebbels bestand darauf, die Szene rauszuschneiden. Das hat er nicht gemacht, weil die war zentral für seinen katholischen Film. Und traurig wird die Sache dann wieder aufgelöst, weil Goebbels dann seine SA- und HJ-Leute losschickt, die dann in den Kinos Eier auf die Leinwand werfen. Und auf die Weise muss dann die Szene im Nachhinein doch rausgeschnitten werden." Sprecherin/: 1940 drehte Trenker noch einen Rebellenfilm: "Der Feuerteufel". Diesmal schrieb Goebbels: Sprecher "Ein Schuft und vaterlandsloser Geselle. Hinhalten und eines Tages erledigen." Sprecherin: Goebbels Kritik bezog sich nicht wirklich auf den "Feuerteufel", sondern es ging dem Propagandaminister um Trenkers Zögern bei der sogenannten "Option". Sie richtete sich an die deutschsprachigen Südtiroler. Mussolini verlangte von ihnen, sollten sie in ihrer Heimat bleiben wollen, die Aufgabe ihrer Tiroler Kultur. Wollten sie diese aber behalten, mussten sie nach Nazi-Deutschland umsiedeln und ihre bisherige Existenz aufgeben. Trenkers Rolle bei der Option ist noch heute ein kontroverses Thema: 55. O-Ton Probst "Wenn er sich öffentlich hingestellt hätte und gesagt hätte, ihr verlangt da von uns eine Entscheidung, die kein vernünftiger Mensch, der seine Heimat liebt, Deutsch spricht, treffen kann. Ich mache das nicht. Dann hätte das unter Umständen Konsequenzen gehabt. Weil Goebbels war es sehr wichtig, dass er da vorangeht und beispielhaft für das deutsche Reich optiert. Und das hat er tatsächlich so lange herausgezögert, dass er sich wahrscheinlich irgendwann nach dem Krieg geglaubt hat, er hätte es für immer rausgezögert. Hat er aber nicht. Er hat dann ganz spät, eigentlich als die Frist schon vorbei war, sich doch darnieder zwingen lassen, weil er großen Druck bekommen hat und ist auch ganz spät noch in die Partei eingetreten. Anders als die Riefenstahl, die das angeblich ja nie gemacht hat." 56. O-Ton Probst "Ich habe einen Dialogsatz in meinem Drehbuch gehabt, da sagt Trenker, die Wahrheit ist doch auch bloß a Gschicht. Also er hat mit Sicherheit ein sehr interessantes Verhältnis zur Wahrheit gehabt. Das Geschichtenerzählen war ihm unendlich wichtig. Und er hat dieses Geschichtenerzählen sich irgendwann selbst geglaubt" Sprecherin: So schildert Luis Trenker die Vorgänge in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk anlässlich seines 90. Geburtstags: 57. O-Ton Trenker "Also ungefähr siebzig-, achtzigtausend Südtiroler sind dann ausgewandert. Die haben wir verloren. Ich habe aber gar nichts gemacht und habe die Leute aufgefordert zu bleiben. Ihr bleibt, das ist eure Heimat. Und da hat natürlich der Goebbels eine Sauwut bekommen draußen, hat gesagt, ich bin ein Verräter, ein Landesverräter, ich bin ein Schuft. Später, jetzt vor zwei, drei Jahren hat der Hochhuth, der Schriftsteller Rolf Hochhuth, die Tagebücher von Goebbels herausgegeben. Da schreibt er ... Goebbels: Dieses Schweinestück hat in Südtirol nicht für uns optiert. Hinhalten, freundlich sein, aber abservieren... Interviewerin: Zum Glück sind Sie nicht abserviert, sondern mitten unter uns, sehr aktiv und hier muss ich vielleicht einen halben Satz für unsere Hörer sagen, also die Telefone klingeln..." 58. O-Ton Kaufmann Man hat ihm das irgendwie alles verziehen. Er ist halt wirklich der Hallodri, der es geschafft hat. Er hat sicher nichts Schweres verbrochen. Ich mein, ich möchte ja auch nicht damals gelebt haben und jetzt auf einmal: War ich dabei oder war ich ein Widerständler? Das weiß man ja nicht. Und er hat sich da gut durchgemogelt, würde ich sagen. Sprecherin: Anders als seine Konkurrentin und ehemalige Geliebte Leni Riefenstahl, die mehrere Propagandafilme drehte, assoziiert man Trenker heute deutlich weniger mit den Nazis. Dabei gab es Parallelen. 59. O-Ton Probst "Der Größenwahn spielt in beiden Biographien eine große Rolle. Und auch die merkwürdige Überzeugung, wer Kunst macht ist für die anderen Dinge, für die Politik nicht verantwortlich." 60. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Gericht "Aus diesem Grund beantragen wir die Vorladung von Luis Trenker." "Frau Riefenstahl, bitte." Sprecherin: In "Der schmale Grat der Wahrheit" treten Riefenstahl und Trenker als Gegner auf. Es geht um das gefälschte Tagebuch der Eva Braun, das Trenker 1948 in Umlauf brachte. Fortsetzung Filmausschnitt "Luis Trenker, er soll hier Rede und Antwort stehen." "Wir können keinen italienischen Staatsbürger anklagen nach dem derzeitigen Recht." "Was ist das für ein Recht? Ein Verliererrecht ist das?" 61. O-Ton Probst "Es war so, dass Riefenstahl am liebsten bewiesen hätte, dass dieses Tagebuch von Luis Trenker stammte. Was klar ist: Er hat's der Presse zugespielt, er hat in der Richtung recherchiert. Er hat eine Geschichte erfunden, wie ihm Eva Braun dieses Tagebuch angeblich übergeben hat. Und den allerletzten Beweis, dass er es tatsächlich Zeile für Zeile geschrieben hat, könnte nie jemand erbringen. Er hat aber selbst gegenüber diesem Verleger aus Würzburg später in den 60er-Jahren zugegeben, dass er sich da einen Jux gemacht hätte, einen sehr lukrativen Jux wahrscheinlich." Sprecherin: Man mag es einen lukrativem Jux nennen oder einen skrupellosen Betrug - jedenfalls ist bis heute ungeklärt, ob Trenker die Tagebücher selbst geschrieben hat. Manche zweifeln sogar an seiner Fähigkeit dazu. 62. O-Ton Probst "Andere wiederum haben behauptet, es sei genau sein Tonfall gewesen - auch Familienmitglieder haben behauptet, es sei genau sein Tonfall gewesen, der aus dieser Fälschung spricht. Ich glaube sehr wohl, dass er dazu imstande war, auch wenn er bei seinem Romanen Ghostwriter hatte, hatte er doch große Passagen wahrscheinlich selbst verfasst - und auch bei den Drehbüchern. Und so anspruchsvoll ist das ja nicht, wenn die Eva Braun beschreibt, wie sie am Berghof oben ins Zimmer eingesperrt wird, während unten Leni Riefenstahl für die Nazigrößen Nackttänze aufführt. " 63. Atmo St. Ulrich Adler, auch Atmo Take 21 Promenade möglich 64. O-Ton Edgar Moroder "Der Luis Trenker hat das Mittelstück vom Hotel Adler, was man da sieht, das Mittelstück vom Hotel Adler, das ist glaube ich 1922 entstanden, das hat der Luis Trenker projektiert, gezeichnet ..." Atmo St. Ulrich Adler (siehe 63) Sprecher: Letzte Szene: Das Echo Fortsetzung O-Ton: und das ist geblieben. Alles andere ist abgerissen worden und wieder neu aufgebaut - aber das ist geblieben." Sprecherin: Edgar Moroder zeigt auf das größte Fünf-Sterne-Hotel in St. Ulrich, Trenkers Heimatort. 65. O-Ton Edgar Moroder "Er war ein besonderer Mensch. Und wie diese Typen alle sind, weil wenn nicht auch ein besonderer Mensch dahintersteckt, dann glaub ich kaum, dass er eine solche Fülle von Sachen und Dingen, von Veranstaltungen hätte realisieren können, und er hätte auch nicht die Mithelfer gefunden." 66. Filmausschnitt "Der schmale Grat" Trenker Hollywood "Ich stehe mitten in den Verhandlungen mit Hollywood. Versteht ja niemand besser als du. Sprecher: Noch mal Trenker im Dialog mit Leni Riefenstahl. Fortsetzung Filmausschnitt Und da kommt mir dieses Gerichtsverfahren eben ganz ungelegen. Die Amerikaner wollen diesen Film, sie wollen dieses Tagebuch verfilmen, also kurzum: Was muss ich tun, damit du deine Klage zurückziehst?" "Moment! Ich soll dir helfen, deine primitive, geschmacklose Fälschung auch noch zu verfilmen?" 67. O-Ton Probst "Es gab dann wenige Versuche, in einer Dokumentation, in einer kritischen Publikation über ihn, an diesem Trenkerbild zu rütteln. Aber es hat letztlich dann in den späteren Jahren die Leute auch nicht mehr so interessiert. Wir haben heute neue Idole die gesellschaftlich nützlich sind. Und deswegen ist der Film wahrscheinlich für viele verblüffend. Also die Auseinandersetzung mit der Fälschung, mit der Lüge, mit dem Schwindel, mit dem zwiespältigen Verhältnis zur Wahrheit oder leichtfertigen Verhältnis zur Wahrheit, die ist, glaub ich, ganz ganz neu und ruft jetzt auch großes Interesse hervor." Sprecherin: Hindernisse bei den Recherchen zu Trenker wurden Peter Probst nicht in den Weg gelegt. Ebenso wenig seinem Kollegen Stefan König, als dieser vor über 20 Jahren seine Trenker-Biografie schrieb. 68. O-Ton König "Ich muss zunächst sagen, dass ja nicht nur Florian Trenker, sondern auch die anderen Geschwister beratend geholfen haben. Also das Archiv geöffnet, erzählt haben. Und was ich der Familie sehr hoch anrechne, ich hab mich ja mit allen Themen bei Trenker befasst, auch mit seinem Verhalten im Dritten Reich oder Tagebücher Eva Braun etc. Das wurde immer durchgewunken. Es wurde gesagt: Stefan, muss man das schreiben? Da hab ich gesagt: Wenn wir es nicht schreiben, ist es viel fataler, weil man genau weiß, irgendwas ist da nicht ganz rund, wenn man das weglässt. Dann schreiben wirs." Sprecherin: Die meisten kritischen Fakten über Luis Trenker sind ohnehin lange bekannt und für jedermann leicht in Erfahrung zu bringen. Über den Prozess zum Tagebuch der Eva Braun wurde schon 1948 in den Zeitungen berichtet. Der Spiegelartikel "Münchhausen der Berge" aus dem Jahr 1954 handelt davon, dass Trenker bei vier seiner Romane widerrechtlich den Namen des Co-, wenn nicht sogar alleinigen Autoren Fritz Weber verschwiegen hat. Und 1994 veröffentlichte ein Südtiroler Historiker Trenkers NS-Personalakte. Aus dieser gehe hervor, schrieb der Spiegel, dass Trenker heftig um die Gunst der Nazis geworben habe. 69. O-Ton Probst "Des ist ja interessant bei historischen Figuren, man könnte ja wissen, dass Trenker die Tagebücher der Eva Braun gefälscht oder zumindest die Fälschung verbreitet hat. Das ist bei Wikipedia zu finden. Und trotzdem ist es nicht im allgemeinen Bewusstsein. Wir blenden bestimmte Dinge aus, weil sie in unser Bild bestimmter historischer Persönlichkeiten nicht passen." 70. O-Ton Probst "Der Film versucht ihn aber nicht aus heutiger Sicht zu verurteilen, sondern genau herauszuarbeiten, was er für eine vielschichtige Persönlichkeit war. Er war ein Hallodri, keine Frage. Er war ein Womanizer. Er war ein guter Kletterer, kein überragender. Er hat einige Dinge filmisch auch entdeckt, die den Neorealismo vorweggenommen haben. Und ja, er war unglaublich wendig und in seiner Wendigkeit hat er sich wahrscheinlich dann übernommen, überschätzt, gedacht, der Hitler wird ihn schon schützen. Und in den Auseinandersetzungen mit Goebbels dann den Kürzeren gezogen und in den letzten Kriegsjahren in Deutschland faktisch Berufsverbot gehabt." 71. O-Ton König "Meine eigentliche Absicht war, dass bei vielen Fragen, die nicht einheitlich zu klären waren, wie Tagebuch Eva Braun, wo ich auch nicht schlüssig sagen konnte, wie war das, zwischen den Zeilen Luft bleibt, damit sich die Leserinnen und Leser ein Bild von diesem Trenker machen können." Sprecherin: Zu diesem Bild gehören auch die vielen Tiefschläge, von denen heute kaum noch einer weiß. 72. O-Ton König "Er hat Architektur studiert in Wien, und das wurde dann in Italien nicht anerkannt. Er musste sich einen neuen Job suchen. Später haben Kinder Kinderlähmung bekommen. Einer seiner Söhne hat die bis ins hohe Alter einfach mit sich geschleppt, War ein schwer behinderter Mann. Und immer wieder solche Schläge, wo man sich schon wieder berrappeln muss. Und das zu kompensieren, das hat Trenker irgendwie geschafft. Aber immer mit diesem symbolhaften heile Welt, alles ist rosig, wenn man in die Berge geht, wenn die Sonne scheint, wenn man an den Herrgott glaubt und wenn die Familie passt. So richtig gepasst, hat beim Trenker gar nicht allzu viel." Sprecherin: Was später ins Bild passt und was nicht, entscheidet sich zu Lebzeiten. Und da hatte Trenker meist die Fäden in der Hand - so wie bei der großen Kino-Retrospektive, die ihm der Bozner Filmclub zum 90. Geburtstag 1982 widmete: 73. O-Ton Kaufmann "Er ist dann jeden Tag gekommen, mit Familie. Und wir waren dann natürlich fasziniert, und er hat das wahrscheinlich inszeniert, wie er in den Vorführraum gekommen ist: Ja, habt ihr die richtige Maske drauf? Und das muss schärfer werden, das Bild. Im Saal, bei der Schülervorstellung, wo lärmende Schüler da waren, hat er das Mikrofon von der Frau Baumgartner weg: Hört ihr mich, auch wenn ich so spreche? Und die: Jaaa. Und von dem her wars wirklich mit großer Begeisterung. Also auch die Schüler, die den "Liebesbriefe aus dem Engadin" angeschaut haben. Der ist ja so lustig. Und Skifahren. Und zuerst sind sie gekommen und haben gesagt: Der Trenker, dem werden wir eins auswischen. Der Geschichtelehrer: Der is ja schlimmer wie Leni Riefenstahl. Und im Nachhinein hat er sie alle eingeseift, einfach mit seinem Charme." ABSAGE Ein Mann, ein Berg Vom Mythos Luis Trenker Eine Sendung von Katrin Hildebrand. Mit ... 2