Deutschlandradio Kultur Länderreport 19? Traum- oder Fehlstart? Hundert Tage Rot-Gelb-Grün in Mainz Von Anke Petermann Am 18. Mai formierte sich die erste Ampel-Koalition in einem deutschen Flächenland. Ein Renommierprojekt sollte es werden. Doch schon zu Anfang der Hundert-Tage-Schonfrist leistete sich die rot-gelb-grüne Koalition von Malu Dreyer einen dicken Patzer. Skript Die neue Wartungshalle für große Flieger steht, das Außengelände wird noch planiert. In zwei Monaten ist Einweihungsparty am Hunsrück-Airport Hahn. Stolz präsentiert Haitec-Geschäftsführer Frank Rott der angereisten Ministerpräsidentin das expansive Unternehmen eines aserbaidschanischen Investors. Bis Ende 2017 will die Flugzeugwartungsfirma auf 500 Mitarbeiter wachsen. Doch der erste Fehl-Versuch der Ampel-Koalition, den Regionalflughafen zu verkaufen, macht das schwieriger. ?Wir haben das Problem, dass wir in Kürze eine Halle eröffnen, wo 200 Mitarbeiter gesucht werden. Wir haben sonst am Tag zehn bis zwölf Bewerbungen gehabt, und es geht momentan nahezu gegen Null. Und das ist für uns ein Problem.? Das Hahn-Debakel: potentielle Mitarbeiter verschreckt, Kunden verprellt Der gescheiterte Privatisierungsanlauf hat die quälende Ungewissheit für alle am Standort verlängert und Teile der Kundschaft verprellt - diese Wahrheit ersparen die beiden Haitec-Chefs der Regierungschefin bei deren Besuch nicht. Im Gespräch hinter verschlossenen Türen, ?wo wir wirklich frei von der Leber reden konnten, ohne dass man ein Blatt vor den Mund nehmen musste.? ?Das heißt, Sie haben Tacheles geredet über den dicken Patzer, der passiert ist.? ?Ja. Definitiv.? Rott wendet sich seinem Pressesprecher zu: ?Das durfte ich doch sagen oder?? - ?Ja, ja.? Wirklich gut sind sie bei Haitec nicht auf die Ampel-Koalition und das Vorgängerbündnis zu sprechen, daraus macht der Geschäftsführer keinen Hehl. Schon bei Rot-Grün hatte er wenig Schwung und Kommunikationsbereitschaft erkannt. Dass die Ampel chinesische Möchtegern-Investoren für seriöse Käufer des unrentablen Flughafens hielt - nicht nachvollziehbar für den Manager. Patzer beim Flughafen-Verkauf ist der Regierungschefin peinlich Malu Dreyer gibt zu: ?Es ist nicht schön. Natürlich hätten wir uns das anders gewünscht. Ich bin immer noch fest überzeugt davon, dass aufgrund dieser Tatsache, dass am Ende ein Betrüger zugange war, für das Land eine Verzögerung eingetreten ist, aber nicht ein großer Schaden. Aber natürlich ist es für den Hahn und auch für uns als Regierung nicht schön, dass eine solche Peinlichkeit passiert, und dass der Hahn damit auch mit schlechten Schlagzeilen überschattet war. Das ist auch nicht, was ich mir wünsche.? Was sich die Haitec-Chefs, die Frachtunternehmen und andere Firmen am Flughafen wünschen: mehr einbezogen zu werden in den wieder aufgenommenen Privatisierungsprozess. Frank Rott verlangt Einblick: ?Aus meiner Sicht sind es keine Betriebsgeheimnisse, was hier jemand entwickeln will und wo er seine Geschäftsfeld sieht. Denn für uns ist wichtig: die Start- und Landebahn muss da sein, wir brauchen die Flughafen-Feuerwehr und den Tower, sonst können wir unseren Job hier nicht machen. Wer auch immer es macht, muss genau die drei Sachen auch im Interesse haben. Bei dem letzten Auswahlverfahren denke ich: Hätte man vorzeitig kommuniziert, hätte man sicherlich einen Schaden von dieser Regierung auch abwenden können. Ich meine, so musste sich eine Dame einem Misstrauensvotum stellen, was vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre.? Das Misstrauensvotum gegen die ?Dame? Dreyer kam rekordverdächtig früh ? weit vor Ablauf der Hundert-Tage-Schonfrist. Beantragt hatte es die CDU-Oppositionschefin. Vorführen wollte Julia Klöckner vor allem die Ministerpräsidentin, die noch auf die Chinesen hoffte, als sich die Hinweise auf deren mangelnde Seriosität längst verdichteten. ?Sie hat die Haupt-Verantwortung für das Debakel.? Doch die Sozialdemokratin überstand das Misstrauensvotum, brachte rechnerisch alle 52 Abgeordnete der Koalitionsfraktionen in geheimer Abstimmung hinter sich. Trotz Imageproblems: Dreyer als Führungsfigur unangefochten Das rot-gelb-grüne Bündnis erlitt laut einer Umfrage im Auftrag des SWR einen Imageschaden. Den Unmut trifft hauptsächlich die SPD und den zuständigen Infrastrukturminister. FDP Und Grüne legen sogar leicht zu Malu Dreyer wird geschont. ?Da sind Fehler gemacht worden, sie steht dazu ? das ist einfach ein cooler Charakter auch.? ?Frau Dreyer ist als Führungsfigur dieser Regierung ? glaube ich ? unangefochten.? ?Ach, es passieren doch immer Patzer, das ist doch in der Politik ganz normal, und wer in der Öffentlichkeit kegelt, muss damit rechnen, dass die Figuren nachgezählt werden.? Lachen. Sie sagt leise ?sorry? Derzeit zieht die Regierungschefin mit einem leisen ?sorry? durch die Lande. Auch ihr zweistündiger Besuch bei der aufstrebenden Wartungsfirma Haitec am Hahn hat etwas vom Gang nach Canossa. Am Ende aber streckt der Firmenchef die Hand zum versöhnlichen Abschied aus. ?Ganz vielen Dank. Es war sehr imposant, auch dass Sie sich so viel Zeit genommen haben, das hätte ich nicht gedacht.? ?Sehr gerne. Für mich war es auch imposant, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich wünsch Ihnen alles, alles Gute.? Eine 39 Meter hohe Halle auf 17.000 Quadratmetern Fläche bekommt auch eine Regierungschefin nicht täglich zu sehen. ?Den Flughafen #Hahn trotz Rückschlägen in eine gute Zukunft führen? wird sie später twittern. Die Ampel bringt zusammen, was nicht zusammen wollte Erstmals in einer Landtagswahl als Regierungschefin bestätigt, sieht die SPD-Politikerin eine Zukunft für ihr Ampel-Bündnis sogar über 2021 hinaus. Dabei hegten Sozialdemokraten und Grüne vor der Wahl null Sympathie für die FDP und umgekehrt. Doch Dreyer brach in zügigen Koalitionsverhandlungen Fronten auf, stellte Vertrauen her. Zusammenführen, was nicht unbedingt zusammen will, ist ihre Stärke. Als sie Mitte Mai das Bündnis geschmiedet hatte, proklamierte die Polit-Moderatorin einen hohen gemeinsamen Anspruch der neuen, ziemlich besten Freunde. ?Wir wollen auch nicht nur in Rheinland-Pfalz gestalten und strahlen, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus. Das zumindest ist der Anspruch von uns allen dreien.? Aufsteigen in höhere politische Hemisphären - Sozialdemokraten, Liberale und Grüne in Rheinland-Pfalz haben sich viel vorgenommen. Das Projekt: soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und Ökologie Vom Start weg sollte die Ampel-Koalition ein ?Projekt? sein: soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und ökologische Nachhaltigkeit zu versöhnen, nannte Malu Dreyer als Ziel. Und vergaß nicht, den Akzent zu setzen, der ihr Markenzeichen sein soll. ?Vor allem, dass die Menschen wissen, dass wir einen großen Zusammenhalt pflegen in diesem Land. Keiner wird vergessen, und das macht Rheinland-Pfalz aus - auch in Zukunft.? Mit drei Bundesratsinitiativen will die Mainzer Ampel laut Koalitionsvertrag republikweit Signale pro Integration von Zuwanderern senden. Für ein Bundes-Einwanderungsgesetz und die Wahlberechtigung von EU-Bürgern bei Landtagswahlen. Der dritte Vorstoß zielt darauf, das sogenannte Kooperationsverbot auch im Schulbereich aufzuheben: zusätzliche Sprachförderkräfte für Flüchtlingskinder könnte der Bund dann zum Beispiel mitfinanzieren. Doch vor dem bundespolitischen Abheben steht die Bruchlandung am Hahn. Erstklassiger Fehlstart? ?Dieser erstklassige Fehlstart ? damit hat die FDP nix zu tun. Das muss die SPD auslöffeln, die haben es sich auch eingebrockt, ja.? Meint ein liberaler Kommunalpolitiker. Erstmals ist die FDP in Deutschland wieder in einer Landesregierung vertreten, seit sie bei der Wahl in Sachsen 2014 aus Parlament und Regierung geflogen war. Im Mainzer Ampelbündnis wollte der FDP-Landeschef den kühlen Rechner und Wirtschaftsweisen geben. Der Patzer beim liberalen Renommierprojekt kommt Volker Wissing als Präsidumsmitglied seiner Partei im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 äußerst ungelegen. An einem trüben Sommertag wagt sich der Mainzer Verkehrsminister mit Helm und Neonjacke ganz nah an den Abgrund - von Europas größter Brückenbaustelle. Bis ans provisorische Geländer des gigantischen Beton-Skywalks 160 Meter hoch über der Mosel. Mögen die mitregierenden Grünen den Hochmoselübergang weiter als ?Monster? kritisieren - seine FDP setzt auf Fortschritt in der rheinland-pfälzischen Infrastruktur, signalisiert Wissing. ?Eine Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst! Darauf können wir stolz sein.? Wie hydraulische Pressen die Brückendecke im Zeitlupentempo über die Mosel Richtung Eifelseite schieben, lässt sich der Ressortchef haarklein erklären. Mit Teflon bleibt nichts haften ? das fasziniert FDP-Landeschef Wissing Mit Hilfe von Spezial-Beschichtungen aus Neopren und Teflon gleitet die Betondecke sanft über die riesigen Pfeiler. Wissing fasziniert das, er rekapituliert: - ?Neopren sorgt dafür, dass es oben haftet. Das heißt, oben haben wir die Haftung durchs Neopren und unten haben wir das Nicht-Anhaften durchs Teflon.? - ?Genau.? Dass er selbst mittels Teflon-Schicht die erste große Image-Krise ohne Anhaftung übersteht ? darauf hat der zweite Mann der Regierung Dreyer wohl vertraut. Mit dem spektakulären Reinfall auf chinesische Hochstapler wurde das Ampelbündnis zum Gespött der Republik - doch im SWR-Sommerinterview bilanzierte Wissing ungerührt. Ein Traumstart? ?Die Ampel hat einen Traumstart hingelegt. Wir hatten das Problem mit diesem Flughafen.? (SWR-Moderator): ?Einen Traumstart?!? ?Die Ampel-Koalition - in den ersten Wochen ist das hier extrem reibungslos vonstatten gegangen in Rheinland-Pfalz.? ?Also ich glaube, die öffentliche Wahrnehmung ist da eine andere.? ?Ja, die öffentliche Wahrnehmung ist stark gestört durch dieses Ereignis am Flughafen Hahn.? Beurkundet wurde der Vertrag mit den Möchtegern-Investoren aus Shanghai Anfang Juni. Zwei Wochen war die Regierung da alt. Volker Wissing hätte gegenchecken können, was sein sozialdemokratischer Kabinettskollege Lewentz da vor der Wahl eingefädelt hatte. Doch der Hahn fiel nicht in Wissings Ressort. Der Ober-Liberale vertraute, statt zu kontrollieren. ?Politisch organisiert, subventioniert, ruiniert? ? das war früher Dabei hatte der Finanzexperte Rot-Grün um Dreyer und Lewentz im Wahlkampf stets als unfähig abgekanzelt. ?Die Projekte in Rheinland-Pfalz, die Infrastrukturprojekte wie Hahn, Nürburgring, Flughafen Zweibrücken, laufen alle nach dem Dreisatz ab: politisch organisiert, subventioniert und ruiniert ? und diesen Dreisatz zu durchbrechen, ist Aufgabe einer besseren Landespolitik.? Das war vor der Wahl. Seit Eintritt in die Regierung aber ist die FDP loyal -bis zur Selbstaufgabe, meinen Kritiker. Von ihren ?Traum-Koalitionären? schwärmt hingegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, erleichtert den Misstrauensantrag überstanden zu haben. Die FDP hängt mit drin CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner bleibt die Genugtuung, demonstriert zu haben: die Liberalen, die sich so viel auf ihre ökonomische Kompetenz zugute halten, hängen ab jetzt mit drin. ?Sich jetzt absetzen von rot-grünem Regierungshandeln, das wird für die FDP glaubwürdig so nicht mehr möglich sein.? Abzutauchen - keine Lösung für die FDP. Der rheinland-pfälzische Liberalen-Vorsitzende ist dabei, sich aus dem Neopren-Anzug zu schälen. Versichert, beim zweiten Privatisierungsanlauf werde er Lewentz auf die Finger schauen. Ein ganzes Kompetenzteam in Wissings Ressort befasst sich damit. Wächst in der Ampel der Spaltpilz des Misstrauens? Macht sich schon Misstrauen im neuen Bündnis breit? So stark, dass man Doppelstrukturen etabliert? Wissing weicht aus. ?Wir wollen zu einer eigenen Beurteilungsgrundlage kommen. Am Ende wird es ja zu einer Kabinettsentscheidung kommen, wenn ein Käufer da ist, und dann wollen wir uns eine eigene Meinung aufgrund eigener Prüfung machen. Und ich glaube, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger in der Situation auch von ihrem Wirtschaftsminister.? (Reinheimer) ?Also Misstrauen, glaub? ich, wird man in der Koalition als Wort nicht gebrauchen, sondern man wird den Begriff ?aufmerksamer? wählen?, lacht Klaus Reinheimer, grüner Fraktionschef im Kreis Mainz-Bingen. Bislang hielt sich die geschrumpfte Ökopartei vornehm zurück beim Aufarbeiten des Flughafen-Debakels. Ob Airport oder Freizeitpark an der Rennstrecke - die Grünen hatten sich immer gegen Mega-Projekte ausgesprochen. Doch ihre Alternativ-Vorschläge, den sanften Tourismus zu fördern, wurden verspottet, als sie noch Opposition waren. Und ignoriert, als sie zum Koalitionspartner der SPD aufstiegen. Gelb-grüne Skepsis gegen rote Subventionspolitik Mit den Liberalen eint die Ökos die Skepsis gegen sozialdemokratische Subventionspolitik. Und was die Ampel angeht, weicht die grüne Einschätzung gar nicht so weit ab von derjenigen, die Volker Wissing den Spottnamen ?Cheerleader? eintrug. Bei Andrea Müller-Bohn, rheinhessische Basis-Grüne, klingt es auch nicht ganz so euphorisch: ?Wenn ich den Flughafen ausnehme, funktioniert die Regierung recht gut. Sie haben sich zusammengefunden. Alle Koalitionspartner sind professionell genug, um ihre Funktionen gut zu übernehmen. Ich denke, es ist eine gute, arbeitsfähige Basis, um weiterzumachen.? Durchzustarten nach der Sommerpause, steht jetzt an. Volker Wissing hetzt von Termin zu Termin. Kippen ihm Milchbauern einen Misthaufen vor die seiner Parteizentrale, dann posiert er davor, um einen Krisenplan zu präsentieren. Wissing gibt den 100-Tage-Aktivisten der Regierung Dreyer Auf Tauchstation ? das soll dem Hundert-Tage-Aktivisten der Regierung Dreyer keiner nachsagen können. Vom Hochmoselübergang also zum Vorzeige-Winzer Markus Molitor. (Molitor) ?Zum Wohl!? Beim Verkosten edelster Tropfen darf der Weinbauminister feine Sensorik, profunde Kenntnisse von Sorten und Anbaubedingungen demonstrieren. Weingeschmack und Stimmung: perfekt harmonisch. Bis der Winzer erzählt, was er vom Hochmoselübergang samt neuer Schnellstraße im Wald über den Weinbergen hält. Molitor runzelt die Stirn. ?Zeltingen, Wehlen, Graach, Bernkastel ? das ist der größte aneinander hängende Riesling-Weinberg der Welt ? von diesem Niveau. Wir haben Bedenken, dass das Wasser, das oben auf den Berg fällt und über Tage und Wochen runter in die Weinberge hineingeht, dass uns das fehlen könnte.? Sollten die internationalen Spitzen-Weinlagen wie befürchtet austrocknen, wenn die neue Schnellverbindung nach Köln und Frankfurt 2018 fertig gestellt ist, dann allerdings dürfte sich Volker Wissing wieder eine Neopren-Schicht fürs Abtauchen wünschen. Wahlweise Teflon, damit nichts haften bleibt. Für die Grünen gehörten der Bau und Weiterbau des Hochmoselübergangs zu den Kröten, die in zwei Koalitionsverträgen nacheinander zu schlucken waren. In der Ampel musste die geschwächten Ökopartei vor allem Abstriche bei der Ressortverteilung hinnehmen. Rückschlag für die Integrationspolitik: vorerst kein Vertrag mit muslimischen Verbänden Bitter zudem: Auf dem Gebiet des islamischen Religionsunterrichts sowie der Krankenhaus- und Gefängnis-Seelsorge wollte die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition mit ihrem grün geführten Integrationsministerium ein Signal setzen. Ende des Jahres sollte ein Vertrag mit den islamischen Verbänden unterzeichnet werden. Doch jetzt setzte die Mainzer Ministerpräsidentin die Gespräche aus. Der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib und sein rheinland-pfälzischer Ableger stehen im Verdacht, als verlängerter Arm des türkischen Staatspräsidenten zu agieren. Miguel Vicente, der Integrationsbeauftragte der Landesregierung, erläutert: ?Was sich verändert hat, ist die Situation in der Türkei. Wir haben ein anderes Regime, bei dem man genauer hinschauen muss, was dort passiert. Und deswegen muss Ditib seine eigenen Strukturen hinterfragen und so nachjustieren, dass er für uns als legitimer Ansprechpartner und deutsche Religionsgemeinschaft gelten kann.? Die Mainzer Koalition zieht die Notbremse (Klöckner) ?Dass hier jetzt die Landesregierung versucht, eine Notbremse zu ziehen, hat sicherlich auch etwas mit der öffentlichen Debatte zu tun?, merkt Oppositionschefin Julia Klöckner an. Die CDU-Politikerin erkennt ein Muster: Auch beim Hahn zog die Ampel-Koalition die Notbremse nur auf Druck der Opposition. Den Druck zuerst gemacht zu haben, beansprucht allerdings die AfD für sich. Rot-gelb-grüne ?Integrationsromantik? kritisiert die AfD Joachim Paul ist bildungspolitischer Sprecher der Parlaments-Neulinge: ?Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung so einer Art Integrationsromantik anhängt und hier viel zu blauäugig vorgegangen ist.? Nicht als romantisch, sondern als pragmatisch beschreibt hingegen der Integrationsbeauftragte das Handeln der Mainzer Ampel. Man müsse für das in der Verfassung garantierte Recht auf Religionsfreiheit einstehen. ?Es geht ja darum, dass wir Muslimen, die hier in Rheinland-Pfalz leben, auch ein muslimisches Leben ermöglichen können, dass islamische Seelsorge ermöglicht wird. Also, es geht um Fragen, die die einzelnen Menschen betreffen in ihrer Lebensführung - und nicht um die Interessen von Verbänden.? Doch mit den Verbänden wird verhandelt. Oder eben nicht. Ein erstes Gutachten im Auftrag von Rot-Grün hatte zwar 2015 auch Ditib bescheinigt, ein unbedenklicher Gesprächspartner zu sein. Neues Gutachten ? aber kein Kurswechsel bei der Integration Nun aber soll ein Folge-Gutachten her. Dennoch: kein Kurswechsel, betont Ministerpräsidentin Dreyer. ?Ganz im Gegenteil, das erste Gutachten hat ja dazu gedient zu überprüfen, ob die Verbände, mit denen wir es zu tun haben, als Religionsgemeinschaften anerkannt werden können. Und da war ein Bestandteil die Frage, inwieweit tatsächlich diese Verbände staatsfern sind oder eben nicht staatsfern sind. Und dieser Bestandteil wird jetzt neu überprüft und zwar mit Blick darauf, dass die Türkei damals ein anderes Land war als zurzeit und ob diese jetzige Situation zu anderen Ergebnissen führt als damals.? Bis dahin liegen die Gespräche auf Eis. Julia Klöckner erkennt auch hier ein Muster wieder. Nach dem gescheiterten Flughafen-Verkauf stellte die Ampel-Koalition den kritisierten Wirtschaftsprüfern der KPMG einen Kontrolleur zur Seite. Prüfer prüfen Prüfer, und Gutachter begutachten Gutachten ?Prüfer prüfen Prüfer?, spottete die Christdemokratin da. Jetzt schlägt sie in dieselbe Kerbe. ?Diese Landesregierung ist bekannt für ihre Gutachten ? und dass Gutachter Gutachten begutachten - die schon mal begutachtet worden sind.? Zunächst mal, so verlangt die CDU-Oppositionschefin, müsse die Ampel ihren Anspruch auf Transparenz einlösen und das lange vorliegende Gutachten veröffentlichen. Vom rheinland-pfälzischen Ditib-Verband erwarten die Christdemokraten, dass er sich abgrenzt von der türkischen Regierung und insbesondere Menschenrechtsverletzungen klar verurteilt. Solange Ditib dazu schweige, könne mit der Organisation nicht über Islamunterricht gesprochen werden. Die AfD geht in ihrer Kritik weiter ? ganz ohne Gutachten. Joachim Paul konstatiert. ?Ditib ist eine straff geführte Funktionärs- und Kaderpartei?, die vom Verfassungsschutz beobachtet und mit einem ?Moratorium? für Moscheebau belegt werden müsse. Das Klima wird rauer - die Rechtspopulisten spalten ?Typisch? - die Rechtspopulisten holten alles raus, um zu spalten, kontert Miguel Vicente. Für den SPD-Mann muss Ditib neben dem neuen Gutachten vor allem eine Hürde nehmen, nämlich staatsnahe türkische Mitglieder von der Spitze der Landesgremien verbannen und diese ausschließlich mit rheinland-pfälzischen Muslimen besetzen. ?Und wenn wir eine Lösung finden, die das gewährleistet, denke ich, dass nichts im Wege steht, mit Ditib weiterhin als Religionsgemeinschaft zusammenzuarbeiten.? Auf Dauerfeuer der Opposition muss sich die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition dann allerdings gefasst machen. Mag das Klima im rot-gelb-grünen Bündnis so hervorragend sein, wie die Koalitionäre beschwören ? gesellschaftlich stehen die Zeichen auf Polarisierung ? auch im beschaulichen Rheinland-Pfalz. Angezählte Ministerpräsidentin verteidigt ihr Markenzeichen Für eine Regierungschefin, die nach dem Privatisierungs-Patzer angezählt ist: gar nicht so leicht, den Zusammenhalt zu wahren. ?Im Moment hört man auch sehr viele schrille Töne zu diesem Thema. Wir haben eine Verantwortung, dass das Zusammenleben, das insgesamt gut funktioniert, auch in Zukunft gut funktioniert.? So zählt Malu Dreyer ihre Gegner zur Rechten an. Vornehm verklausuliert allerdings, wie es sich für eine Parade-Moderatorin gehört. 1