Forschung und Gesellschaft, 3.4.2014 Blutkonserven retten Leben oder: Die Herausforderungen der Transfusionsmedizin Autor: Thomas Gith Die Medizin braucht Blut. Doch Blutspenden sind rar. Um lebensgefährliche Mangelsituationen zu vermeiden, müssen die Spendenkonserven daher so effizient wie möglich genutzt werden. Denn Bedarf gibt es immer: Um den Blutverlust bei einer Herzoperation auszugleichen, um Krebspatienten zu versorgen, deren Blutwerte wegen einer Chemotherapie sehr schlecht sind. Rund 4,8 Millionen Vollblutspenden gab es 2012 in Deutschland. Der Bedarf war damit knapp gedeckt. Dass das auch zukünftig noch gelingt, wird von einigen Transfusionsmedizinern allerdings bezweifelt. ---------------------------------------------------------------------- Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 1 (0:19) - mit Musikbett unterlegen Das Blut ist strömende Nahrung des Fleisches und des gesamten Körpers aller Lebewesen. Und seine rote Farbe erklärt sich dadurch, dass das Blut ,Erzeugnis des durch das Feuer erfolgten Zerteilens' der aufgenommenen Speisen ist. Platon. Musikbett (nochmal kurz freistehend, dann unter Autor 1 ausblenden) (0:03) Autor 1 - Sprecherin (Frau - Alle Autorentext von Sprecherin) (0:25) Christian Leschmann hat blutunterlaufene Augen. Der 41-jährige, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, sieht müde aus. Man sieht ihm an, dass er krank ist - oder zumindest sehr krank war. Seine Haut ist grau, seine Stimme noch schwach. Hinter ihm steht ein Ständer, an dem zwei Blutbeutel hängen, in die Vene seines linken Arms ist eine Kanüle gestochen. Tropfen für Tropfen fließt Blut in seine Adern. O-Ton 1, Leschmann, Transfusion wegen Erkrankung (0:11) "In einem Beutel sind so knapp 0,5 Liter enthalten. Und davon bekomme ich einmal pro Woche zwei Beutel. Ein Liter Blut, einmal die Woche." Autor 2 (0:13) 1 Liter rote Blutkörperchen pro Woche - das ist viel. Doch der 41-jährige verträgt die Transfusionen bisher gut, sagt er. Und vor allem: Er ist auf das frische Blut dringend angewiesen. Eine Alternative gibt es für ihn nicht. O-Ton 2, Leschmann, Blut sichert Überleben (0:29) "Ich brauche das eben auch dieses Blut, um eben auch fit zu sein, um eben auch weiter existieren zu können letztendlich. Denn man merkt es schon, dieser Blutspiegel, der durch den HB gekennzeichnet wird, je tiefer der sinkt, umso schlapper fühlt man sich ganz einfach. Und bei mir ist es eben im Moment so, dass man sagen kann, nach einer Woche ist er auf so einen Stand gesunken, dass ich auf jeden Fall wieder Nachschub benötige." Autor 3 (0:33) Christian Leschmann hat eine Knochenmarktransplantation hinter sich. Notwendig wurde die, weil er an Knochenmark-Krebs erkrankt war. Der Krebs ist besiegt - doch sein blutbildendes System ist durch die Transplantation heftig durcheinander geraten. Schließlich befinden sich im Knochenmark die blutbildenden Zellen. Und Blut wird bei ihm bisher nur eingeschränkt produziert. Sein HB-Wert sinkt daher regelmäßig - der Wert also, der den Eisengehalt angibt und der aussagt, wie gut Sauerstoff vom Blut transportiert wird. O-Ton 3, Leschmann, Knochenmarkspende senkt Blutspiegel (0:26) "Es wird ja alles neu gemischt im Körper, die Zellen. Das ist ja ein Fremdspender, von dem ich Knochenmark bekommen habe. Und das muss sich natürlich alles erst mal regenerieren das Ganze. Und bis das wieder alles auf dem richtigen Vormarsch ist, dauert das eben seine Zeit. Und dadurch fällt natürlich eben auch der Blutspiegel, also sprich der HB-Spiegel, und dazu braucht man dann eben auch mal eine Bluttransfusion." Autor 4 (0:39) Ein halbes Jahr liegt die Knochenmarktransplantation jetzt hinter ihm - und seitdem bekommt Christian Leschmann regelmäßig Blutbestandteile transfundiert, vor allem rote Blutkörperchen. Es sind Teile des Bluts, die als Ganzes so wichtig sind für den Organismus. Blut - das mit den roten Blutkörperchen, den Erythrozyten, lebenswichtigen Sauerstoff transportiert, das mit den weißen Blutkörperchen, den Leukozyten, die Immunabwehr im Körper regelt, und mit den Thrombozyten Wunden heilt. Musik 2 (kurz frei, dann drunter legen bis Autor 5) (0:03) Möglich ist die oft lebensrettende Bluttransfusion dabei allein durch freiwillige Spenden. Die ganze hochprofessionelle Transfusionsmedizin steht und fällt mit dieser Freiwilligkeit. O-Ton 4, Kalus, Spendenrückgang I (0:09) "Es ist so, dass bei uns, und das gilt auch für andere Blutspendezentren, die Bereitschaft zur Blutspende aktuell nachgelassen hat." Autor 5 (0:06) Dr. Ulrich Kalus, Oberarzt am Institut für Transfusionsmedizin der Berliner Charité. O-Ton 5, Kalus, Spendenrückgang II (0:20) "Bei uns ist es so, dass wir in den letzten zwei Jahren deutlich weniger Vollblutspender, freiwillige Spender, gehabt haben. Die Ursachen dafür mögen mannigfaltig sein: Mehr Zeitdruck, weniger Freizeit ist sicherlich ein ganz wichtiges Kriterium" Autor 6 (0:22) Die Transfusionsmedizin hängt damit am Tropf der freiwilligen Blutspenden. Und versiegen darf dieser Blutfluss nicht. Er lässt sich aber auch nicht erzwingen. Nur wer regelmäßig Blut spendet, sorgt dafür, dass die Transfusionsmedizin funktioniert - und er hilft, Leben zu retten. Immer wieder aber droht der Blutfluss nachzulassen, phasenweise sogar fast zu versiegen. O-Ton 6, Kalus, Spendenrückgang III (0:38) "Natürlich gibt es Blutgruppen, das wissen die meisten Zuhörer, dass Null negativ zum Beispiel heiß begehrt ist. Und gerade in der Urlaubszeit haben wir häufig schlimme Engpässe. Und wenn Menschen dann erfahren, Patienten erfahren, dass sie am nächsten Tag nicht operiert werden können, weil einfach keine Konserven da sind, das ist schon immer auch, da hängt schon immer auch ein persönliches Schicksal hinter. Man hat einen Zeitplan gehabt, hat sich drauf eingestellt, hat auch Angst vor einer Operation, möchte, dass das vorbei ist." Autor 7 (0:21) Die Blutspendezentren versuchen daher, möglichst einen Stamm an festen Spendern zu gewinnen. Menschen, die sie bei Engpässen anrufen können - und die dann schnell zur Spende kommen. Auf diese Weise soll der Blutbedarf gedeckt werden. Denn die Anzahl der benötigten Blutkonserven ist groß - und: sie steigt. O-Ton 7, Kalus, Blutbedarf steigt (0:43) "Der Bedarf in Deutschland ist in den letzten 10 Jahren etwa um 12 Prozent gestiegen. Und das liegt einmal daran, dass heute mehr Risikopatienten operiert werden. Denken wir einfach mal an Hüfttap oder Knietap, also Prothesen, wo einfach deutlich ältere Patienten mit einem höheren Blutungsrisiko auch noch einer Operation unterzogen werden. Und es liegt einfach auch daran, dass mehr und mehr Menschen mit Herz- Kreislauferkrankungen sehr moderne Medikamente zur Blutverdünnung oder zur Gerinnungshemmung nehmen, und damit einfach auch ein erhöhtes Blutungsrisiko in sich tragen." Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 2 - mit Musikbett unterlegen (0:16) Das Lebensprinzip ist die angeborene Wärme - und dessen Träger ist das Blut. Das Herz aber ist die Quelle des Bluts - das durch dessen pulsierende Kraft verteilt wird. Aristoteles Musikbett (nochmal kurz freistehend, dann unter Autor 8 ausblenden) (0:03) Autor 8 (0:23) An das Spenderblut zu kommen, ist aufwändig. Zumal es sicher sein muss - also etwa frei von Viren, die beim Empfänger schwere Krankheiten auslösen können. Abgezapft, untersucht und weiterverarbeitet wird das Blut in Spendeeinrichtungen wie an der Berliner Charité. Atmo 1 Empfang Spendezentrum (kurz frei, dann drunter bis Autor 10) (0:02) Im Foyer des alten Backsteingebäudes drängen sich heute die Spender. Es ist eine Ausnahmesituation, sagt Transfusionsmedizinerin Yvonne Tauchmann. O-Ton 8, Tauchmann, Aufwandsentschädigung (0:09) "Also wir haben doch Ende des Monats, wo die Leute dann wieder ein bisschen häufiger kommen. Wegen der Aufwandsentschädigung zum Teil auch." Autor 9 (0:21) 20 Euro Aufwandsentschädigung zahlt die Berliner Charité für eine Vollblutspende - eine medizinische Betreuung gibt es zusätzlich O-Ton 9, Tauchmann, Untersuchung Spender (0:18) "Wir müssen natürlich auch gucken, dass die Leute gesund sind. Und wir machen also eine kleine Untersuchung, hören zum Teil die Lunge ab. Ober wenn wir dann einen begründeten Verdacht haben, dass derjenige noch irgendwas anderes hat, dann untersuchen wir den Spender." Autor 10 (0:23) Alkohol- und Drogenabhängige dürfen wegen Substanzrückständen im Blut nicht spenden, genauso wie Menschen, die etwa eine Malariainfektion hatten - denn das Blut könnte infiziert sein. Atmo 2 Ärztliche Untersuchung (kurz frei, dann drunter bis Ende Autor 11) (0:02) Auch Pamela Schulz wird gründlich durchgecheckt. Die 23-jährige Berlinerin kommt regelmäßig in die Charité. Ärztin Olga Arbach nimmt ihre Daten auf, misst die Körpertemperatur. O-Ton 10, Arbach & Schulz, Auftakt medizinische Untersuchung (0:11) Arbach: "Wie ist es ihnen seit der letzten Blutspende ergangen?" Schulz: "Sehr gut, also keine Beschwerden, nichts." Arbach: "Keine Infekte, keine neuen Medikamente, sie waren nicht beim Arzt, sie haben keine Auslandsreise gemacht?" Schulz: "Nein." Arbach: "Wunderbar." Autor 11a (0:10) Einige Minuten dauert die gesamte Untersuchung, dann steht fest: Pamela Schulz wird die Blutentnahme problemlos verkraften - sie ist gesund und darf spenden. Musik 3 (kurz frei, dann unter Anfang Autor 11b legen) (0:03) Autor 11b (0:34) Wichtig ist die Untersuchung aber auch, um die Empfänger zu schützen. Vor Aids- oder Hepatitisviren etwa, die durch eine Bluttransfusion übertragen werden können. In einem Fragebogen wird daher potenzielles Risikoverhalten der Spender erfasst: Drogenkonsum, frische Tätowierungen aber auch Sexualverhalten. Wer sich demnach einer Infektionsgefahr ausgesetzt hat, darf nicht spenden. Die Blutspendedienste sind hier auf ehrliche Antworten der Spender angewiesen - denn frische Infektionen lassen sich im Blut nicht nachweisen. Dr. Ruth Offergeld vom Robert-Koch-Institut. O-Ton 11, Offergeld, Diagnostisches Fenster (0:28) "Jede Spende, die geleistet wird, wird auf die Infektionserreger HIV, Hepatitis C und B und Syphilis untersucht. Die Erreger, die viral sind, werden auch direkt nachgewiesen. Allerdings muss man immer bedenken, dass zwischen der Infektion und der Möglichkeit des Nachweises in einem solchen Test, eine bestimmt Zeit vergeht. Wir nennen das eine Fensterphase. Und in dieser Zeit ist es auch möglich, dass der Erreger unerkannt in die Blutspende übergeht." Autor 12 (0:34) Die Gefahr, sich durch eine Blutspende mit Aids oder auch Hepatitis C zu infizieren, ist allerdings gering - dank strenger Spenderauswahl und strenger Sicherheitsstandards. Das war nicht immer so: Bevor sichere Testverfahren entwickelt wurden, infizierten sich in Deutschland rund 1500 Menschen durch Bluttransfusionen mit HIV. Die Polyemerase-Kettenreaktion - kurz PCR - hat die Blutuntersuchung schließlich revolutioniert. 1999 wurde sie für Hepatitis C verpflichtend eingeführt, für HIV 2004. Ulrich Kalus von der Berliner Charité. O-Ton 12, Kalus, PCR-Revolution (0:39) "Die Polyemerase-Kettenreaktion ist eine Technik, bei der nicht die Antwort des Körpers auf ein Virus gemessen wird, also kein Antikörpersuchtest. Sondern der Virus durch eine spezielle Technik direkt nachgewiesen werden kann. Und der große, große Vorteil von dieser Polymerasen-Kettenreaktionstechnik ist, dass hiermit das Zeitfenster, bis der Virus erkannt werden kann, deutlich reduziert wird. So dass sozusagen Infektionen eines Spenders, die erst vor ganz kurzen Zeiträumen aufgetreten sind, wir reden hier von etwa 10 Tagen, dass die dann bereits nachgewiesen werden können. Auch wenn der Antikörpersuchtest noch negativ ist." Autor 13 (0:33) Seitdem die PCR in der Transfusionsmedizin verpflichtend ist, gab es noch eine Hepatitis-C und zwei HIV Übertragungen durch Blutspenden in Deutschland, sagt Ulrich Kalus. Allein bei Hepatitis-C seien es davor rund 10 pro Jahr gewesen. Dennoch: Jede einzelne Infektion ist dramatisch - und ein Restrisiko, sich als Blutempfänger zu infizieren, bleibt. Das hat Folgen: Homosexuelle Männer etwa dürfen in Deutschland kein Blut spenden. Auch dann nicht, wenn sie Kondome benutzen - weil die nicht zwangsläufig einen vollständigen Schutz bieten. Ruth Offergeld vom am Robert-Koch-Institut angesiedelten Arbeitskreis Blut. O-Ton 13, Offergeld, Schwule dürfen darum nicht spenden (0:29) "In den Richtlinien der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts wird festgelegt, dass Personen, die ein hohes Risiko haben, eine schwere Infektionskrankheit zu erwerben, und wenn dieses Risiko über dem der Allgemeinbevölkerung liegt, nicht spenden dürfen. Und da aus epidemiologischen Daten bekannt ist, das Männer, die Sex mit Männern haben, sehr viel häufiger sich mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Infektionen infizieren, dürfen diese Personen nicht spenden." Autor 14 (0:31) Laut Robert-Koch-Institut entstehen rund zwei Drittel aller HIV-Neuinfektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben. Doch an dem kategorischen Ausschluss gibt es massive Kritik. Die Praxis wird als diskriminierend empfunden. Die starre Regelung daher zunehmend in Frage gestellt - auch in der Politik. Zumal, da sie auch dann gilt, wenn ein homosexueller Intimkontakt viele Jahre zurückliegt. Wissenschaftlich lässt sich das nicht begründen, sagt Ruth Offergeld. O-Ton 14, Offergeld, Dauerausschluss nicht begründbar (0:32) "Wenn ein solches Risiko lange genug zurückliegt, spricht eigentlich nichts dagegen, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch eine Blutspende durchgeführt werden kann. Deshalb hat sich die Bundesärztekammer und auch das Robert- Koch-Institut dafür ausgesprochen, dass Männer, die Sex mit Männern haben, dann wieder spenden dürfen, wenn ihr letzter Risikokontakt, und darunter werden aber alle Sexualkontakte unter Männern gerechnet, nicht nur die mit wechselnden Partnern, lange genug zurückliegt. Das wäre eine Möglichkeit, den bestehenden Dauerausschluss zu modifizieren." Autor 15 (0:12) Aktuell wird diskutiert, dass Männer, die Sex mit Männern hatten, ein Jahr lang nach dem letzten Intimkontakt nicht spenden dürfen. Der Zeitraum ist lang - doch der Sicherheitspuffer ist vielen Experten wichtig. Ulrich Kalus. O-Ton 15, Kalus, Schwule Plädoyer & Abwägung Sicherheit (0:28) "Bei allem Verständnis für den Wunsch, dass es keine Diskriminierung gibt, muss man an dieser Stelle aber auch eins sagen. Es gibt kein Recht auf Blutspenden. Also niemand darf verlangen, dass er als Blutspender zugelassen wird. Und natürlich haben auch die Empfänger, die Patienten, ein Recht auf möglichst gefahrloses Gut. Es muss ein guter Kompromiss gefunden werden und nicht um jeden Preis ausschließen, aber auch nicht um jeden Preis zur Blutspende zulassen." Autor 16 (0:18) Ein Jahr scheint ein sehr sicherer Zeitraum zu sein. Auch andere Länder praktizieren das ähnlich, Italien und Spanien zum Beispiel. Die Gefahr, dass sich eine noch nicht nachweisbare Infektion durch Blutkonserven verbreitet, wäre in jedem Fall gebannt. Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 3 - mit Musik unterlegen (0:26) Als der greise Papst Innozenz VIII darnieder lag, soll er der Legende zufolge das Blut von drei 10-jährigen Knaben getrunken haben - um die körperliche Kraft der Jünglinge wiederzuerlangen. Die Knaben starben. Auch der Papst erfuhr keine Verjüngung durch den Lebenssaft - er verschied kurz darauf im Jahre 1406. Musikbett (nochmal kurz freistehend) (0:03) + Kreuzblende in Atmo 3 Spendesaal (kurz frei, dann drunter bis Ende Autor 19)(0:02) Autor 17 (0:20) Pamela Schulz hat ihre Eingangsuntersuchung mittlerweile hinter sich gebracht. Mit einigen anderen Spendern ist sie in einen großen Saal gegangen, in dem rund 10 Liegen stehen. + Atmo 4 Liege beziehen & einstellen (kurz frei, dann drunter bis OT 16) (0:03) Drei Pflegerinnen laufen umher, beziehen Liegen mit neuen Papiertüchern, überwachen die Blutabnahme bei den Spendern. Pamela Schulz wird ein Platz zugewiesen. O-Ton 16, Schulze, Lege mich & Kanüle kommt (0:15) "Na ich liege jetzt auf so einer Liege. Da wird der Arm desinfiziert und dann wird die Kanüle gesetzt zum Blutspenden. Ich muss jetzt auch gleich weggucken (lacht), sonst...also ich kippe nicht um, aber es ist unangenehm, ja." Autor 18 (0:18) Eine der Schwestern nimmt die Kanüle, sticht sie der jungen Frau in die Vene. Über einen dünnen Schlauch fließt das Blut in einen von insgesamt vier Beuteln. Die sind auf einem kleinen Gerät befestigt, das die Beutel ständig hin und her bewegt. Es ist die so genannte Blutschaukel, erklärt Yvonne Tauchmann. Atmo 5 Blutschaukel (Akzent 1x freistehen lassen, dann drunter bis Autor 19) (0:04) O-Ton 17, Tauchmann, Blutschaukel (0:24) "Wir nehmen ja halt das Vollblut ab, ja, ungefähr 485 Milliliter, und in dem ersten Beutel, wo das Blut reinläuft, da ist ein Gerinnungshemmer drin, ein Zitrat, damit das Blut nicht gerinnt. Und das muss natürlich überall hinkommen, damit dass seine Wirkung entfaltet. Und deswegen muss das hin und her geschaukelt werden, damit das Zitrat sich gut durchmischt." Atmo 5 Blutschaukel (noch einmal freistehend, dann unter Autor ausblenden) (0:04) + Atmo 3 Spendesaal (unter Autor 19 noch mal deutlich hochpegeln) Autor 19 (0:18) Gerinnen darf das Blut auf keinen Fall. Dann könnten sich kleine Kügelchen bilden, die im ungünstigen Fall eine Thrombose beim Empfänger auslösen. Nach etwa fünf Minuten ist der Beutel voll. Pamela Schulz bekommt einen Druckverband, erholt sich noch einen Augenblick. Für sie fast schon Routine. O-Ton 18, Schulz, Spende Blut wegen Geld (0:16) "Ich versuche regelmäßig zu gehen, ja. Ich spende Blut erstens, weil es eine gute Tat ist finde ich und ja, man wird ja auch entlohnt dafür. Und wenn man jung ist, dann hat man halt manchmal Geldprobleme und dann ist das eigentlich eine gute Lösung, finde ich." evtl. Musik 4 (kurz frei, dann unter Autor 20 legen) (0:04) Autor 20 (0:27) Eine geringe Aufwandsentschädigung darf für die Blutspende gezahlt werden. Doch die Praxis ist heftig umstritten. Kritiker befürchten, dass einige Spender Risikoverhalten wie etwa Drogenkonsum oder Medikamenteneinnahme verschweigen könnten. Damit sie zur Spende zugelassen werden. Das Deutsche Rote Kreuz, das rund drei Viertel aller Blutkonserven in Deutschland bereitstellt, zahlt grundsätzlich nichts. Dr. Thomas Zeiler vom DRK- Blutspendendienst West. O-Ton 19, Zeiler, Geld lehnt DRK ab (0:27) "Blutspende heißt, ich gebe etwas. Und das Blut per se ist aus meiner Sicht überhaupt nicht bezahlbar. Es gibt in Deutschland auch keine Bezahlung für Blut, es gibt eine gewisse Aufwandsentschädigung. Das könnte für manche ein Anreiz sein, Blut zu spenden. Wir wollen möglichst versuchen, dass jeder nur aus eigenem Antrieb Blut spendet. Und wir wollen möglichst alle Risiken minimieren und deshalb ist das Rote Kreuz der Ansicht, das man nichts geben sollte." Autor 21 (0:29) Auch wirtschaftliche Interessen liegen hier nahe - schließlich nimmt das DRK durch Blutkonserven Geld ein. Gegen die Praxis der Aufwandsentschädigung hat der DRK-Blutspendedienst West 2011 sogar geklagt - gegen das Universitätsklinikum Mainz, einen "Blutkonkurrenten" sozusagen. Die Klage wurde allerdings gerichtlich zurückgewiesen. Aufwandsentschädigungen können auch weiterhin bezahlt werden. Die Sorge, dass deshalb Risiken verschwiegen und dadurch mehr Infektionen die Blutkonserven belasten könnten, scheint unbegründet. O-Ton 20, Offergeld, Geld RKI Studie (0:32) "Wir haben vom Robert-Koch-Institut untersucht, ob die Einrichtungen, die Aufwandsentschädigungen zahlen, mehr Infektionen unter ihren Spendern haben als die Einrichtungen, die nichts zahlen. Wir konnten zeigen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen den Einrichtungen, wenn man berücksichtigt, wie die Spenderpopulationen aufgebaut sind. Also ob sie junge Spender hatten, mehr männliche Spender. Denn wir wissen, dass die Infektionen sich nicht gleichmäßig unter diesen Gruppen verteilen. Wenn man das berücksichtigt, spielte die Aufwandsentschädigung bei der Häufigkeit der Infektionen in den Einrichtungen keine Rolle mehr." Atmo 5 Blutschaukel (noch einmal freistehend als Akzent) (0:04) Autor 22 (0:31) Bei allen möglichen Risiken: Blutkonserven sind in Deutschland recht sicher. Auch die anonyme Selbstauskunft trägt dazu bei: Mit ihr kann der Spender sein abgegebenes Blut als unsicher deklarieren - auch, wenn er im Fragebogen mögliches Risikoverhalten verschwiegen hat und ohne, dass er Gründe angibt. Atmo 6 Labor Blutaufbereitung (kurz frei, dann drunter legen bis Autor 24) (0:02) Jede Blutkonserve, die transfundiert wird, lässt sich außerdem bis zum Spender zurückverfolgen. Monika Duda steht im Labor der Charité für die Blutaufbereitung, nimmt einen Beutel mit Blutplasma aus einem surrenden Tiefkühlschrank. + Atmo 7 Tiefkühlschrank öffnen (kurz frei als zusätzlicher Akzent) (0:02) O-Ton 21, Duda, Blutplasmabeutel Lagerung mit Nummer (0:23) "Hier zum Beispiel, das ist ein Plasma in der Umverpackung, man sieht hier das Herstellungsdatum, wer natürlich gespendet hat. Aber das kommt nachher nicht für die Patienten in Frage, da gibt es nur Nummern. Und nach den Nummern kann man im Rechnersystem nachgucken, welcher Spender das ist, ob er auffällig war und so weiter. So dass wir das verwerfen müssen aus irgendwelchen Gründen." Autor 23 (0:13) Im Labor wird die Vollblutspende auch in ihre Bestandteile aufgetrennt. Zunächst müssen die Leukozyten, die weißen Blutkörperchen also, aus dem Spendenbeutel gefiltert werden, erzählt Yvonne Tauchmann. O-Ton 22, Tauchmann, weiße Blutkörperchen (0:14) "Die weißen Blutkörperchen filtert man ab, weil sich manche Krankheitserreger an die weißen Blutkörperchen heften. Und außerdem, weil es weniger allergische Reaktionen gibt, deswegen werden die abgefiltert." Autor 24 (0:18) Der bereinigte Blutbeutel kommt jetzt in eine Zentrifuge: Die schweren Erythrozyten und das leichtere Blutplasma werden in ihr voneinander getrennt und anschließend in jeweils eigene Beutel abgepumpt. Denn nicht nur die Erythrozyten werden medizinisch dringend benötigt - auch Blutplasma rettet Menschenleben. O-Ton 23, Kalus, Blutplasma (0:16) "Blutplasma beinhaltet alle Gerinnungsfaktoren und das brauchen die Menschen, die eine Gerinnungsstörung haben, aus welchen Gründen auch immer: Leberversagen, intensivmedizinische Patienten, Menschen, die häufig sehr, sehr krank sind." Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 4 - mit Musik unterlegen (0:26) Der 15-jährige fiebernde Junge war wegen der vielen Aderlässe schon sehr geschwächt und so transfundierte man ihm das Blut eines jungen Lammes. Es war das Jahr 1667 - und angeblich überlebte der Patient die Prozedur, ohne Schaden zu nehmen. Musikbett (nochmal kurz freistehend) (0:03) + Kreuzblende Atmo 8 Tiefkühlschrank & Labor Blutaufbereitung (kurz frei & unter Autor 25 legen) (0:03) Autor 25 (0:28) Sobald das Blutplasma abgefüllt ist, wird es bis zu -40 Grad Celsius tiefgefroren. So ist es bis zu einem Jahr haltbar. Die roten Blutkörperchen sind empfindlicher: Sie werden zwar mit einer Nährlösung vermischt und ebenfalls kühl gelagert - halten allerdings nur rund 42 Tage. Sie altern in dieser Zeit und ihre Zellmembran kann kaputt gehen. Diese Lagerungsschäden konnten in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend reduziert werden. O-Ton 24, Kalus, Lagerung & Haltbarkeit (0:33) "Nun ist es so, dass die aktuell verwendeten Beutelsysteme sehr, sehr modern sind und die Lagerschäden sehr, sehr überschaubar sind. Es gibt eigentlich nur eine einzige Einschränkung für Patienten wo man sagt, hier muss tatsächlich auf möglichst frisches Blut zurückgegriffen werden. Das sind neonatologische Kinder, also frühgeborene Kinder oder frischgeborene Kinder, weil die einfach ein sehr geringes Blutvolumen haben. Aber der normale Erwachsene verträgt Blutkonserven, die fünf Wochen alt sind, genauso gut wie Blutkonserven, die zwei Wochen alt sind." Autor 26 (0:24) Ein geringer Anteil beschädigter roter Blutkörperchen lässt sich also vertreten - und bis zu 6 Wochen alte Erythrozytenkonzentrate werden daher transfundiert. Zumal, da sie rar sind - und die vorhandenen Chargen so effizient wie möglich genutzt werden müssen. In den kommenden Jahren wird sich diese Blutknappheit noch verschärfen, prognostiziert Thomas Zeiler vom DRK. O-Ton 25, Zeiler, Blutsparen darum (0:18) "Die Bevölkerung wird älter. Und je älter ein Mensch ist, desto mehr Blut braucht er. Die meisten Patienten, die Blut brauchen, sind älter als 65 Jahre. Und in dem Bereich sind sie dann in einem Alter, wo sie dann schon nicht mehr Blut spenden. Das heißt, wir werden eine Entwicklung sehen, die dahin geht, dass wir nicht genug Blut haben." Autor 27 (0:19) Um eine gefährlichen Mangelsituation bei den Konserven abzuwenden, wird auch an blutsparenden Maßnahmen geforscht. Ziel ist es, die Patienten optimal zu versorgen und dabei so wenig Blut wie möglich zu verbrauchen. Durch neue Operationstechniken etwa lässt sich der Blutverlust bereits eindämmen. O-Ton 26, Zeiler, Blut sparen durch OP-Techniken (0:33) "Da wird dann nicht mehr mit einem Skalpell sondern mit einem elektrischen Gerät geschnitten, dass dann gleichzeitig dafür sorgt, dass auch kleine Blutgefäße verschlossen werden. Es wird sehr viel mittlerweile minimalinvasiv operiert. Auch das braucht weniger Blut. Es gibt auch die Möglichkeit, intraoperativ das Blut, das fließt, zu sammeln, mit einem Sauger und mit einem Gerät zu waschen. Dann kann man dem Patienten das Blut, das er selber bei einer Operation verloren hat, gleich wieder zurücktransfundieren, also sein eigenes. Das sind hervorragende Möglichkeiten." Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 5 - mit Musikbett unterlegen (0:26) Mitte des 19. Jahrhunderts: Für englische Chirurgen war die Transfusion eine der sichersten Eingriffe. Denn die Sterberate lag bei nur einem von drei Patienten. Sie war damit niedriger als nach der Behandlung von Eingeweidebrüchen und entsprach etwa der Sterberate nach Amputationen. Musikbett (nochmal kurz freistehend, dann unter Autor 28 ausblenden) (0:03) Autor 28 (0:27) Lösen könnte einen akuten oder auch zukünftigen Blutmangel ein Kunstblut: Eine Art flüssiges Gewebe also, dass ähnlich den Erythrozyten funktioniert und das den lebenswichtigen Sauerstoff transportiert. Es würde die Transfusionsmedizin unabhängig machen von Spenden - und vermutlich wäre es ein riesen Geschäft. Viel Geld wurde in entsprechende Forschung und Entwicklung gesteckt - von Pharmafirmen wie Baxter etwa. Ulrich Kalus von der Charité. O-Ton 27, Kalus, Kunstblut Forschung (0:23) "Es gab zwei verschiedene Ansätze, Kunstblut herzustellen. Das eine waren so genannten freie Hämoglobinlösungen, wo also die Substanz, die in der Lage ist, den Sauerstoff zu binden, als freie Lösung gegebene worden ist. Und es gab andere synthetische Stoffe, Perfluorcarbonstoffe, wo man auch die Chance gesehen hat, dass diese Sauerstoff binden und abgeben können." Autor 29 (0:24) Zellfreie hämoglobinbasierte Blutsubstitute gelten allerdings als unsicher: 2008 wurde in einem amerikanischen Ärzteblatt eine Studie über sie veröffentlicht. Die Ergebnisse der Meta-Analyse waren ernüchternd: Die Präparate erhöhten demnach die Rate von Herzinfarkten und Todesfällen. In der Klinik setzen sich die hamöglobinbasierten Blutsubstitute nicht durch. Genauso wenig wie die Perflourcarbone. O-Ton 28, Kalus, Kunstblut Gesundheitsrisiken (0:33) "In der Vergangenheit wurden häufig solche Kunstblutlösungen dann wieder vom Markt genommen oder sind gar nicht auf den Markt gekommen, weil sie zu unerwünschten Reaktionen geführt haben. Sie haben dazu geführt, dass sie sich zum Beispiel abgelagert haben in der Niere, das gilt jetzt für synthetische Stoffe, oder in der Haut. Oder freie Hämoglobinlösungen Gefäßverengungen oder toxische Wirkungen für die Niere hervorgerufen haben. Noch ist es so, dass es keine richtige Alternative zu normal gespendeten Blutkonserven gibt." Atmo 5 Blutschaukel (1 - 2 mal freistehend als Akzent) (0:04) + Musik 5 (Kreuzblende mit Blutschaukel & dezent unter Autor 30 legen) Autor 30 (0:15) Der Traum vom Kunstblut platzte immer wieder - dennoch wird er bis heute weitergeträumt. Schließlich könnten so auch Virusübertragungen vermieden werden. Thomas Zeiler bewertet die neuen Ansätze durchaus positiv. O-Ton 29, Zeiler, Kunstblut Entwicklungen (0:37) "Es gibt zwei verschiedene Wege, die momentan beschritten werden und die mir erfolgversprechend erscheinen. Das eine ist die Mikroverkapselung von Hämoglobin, da der Rückgriff auf die Nanotechnologie. Das andere ist, aus menschlichen Stammzellen Erythrozyten zu züchten. Beides ist im Versuchsstadium. Die Züchtung aus Stammzellen wurde sogar auch schon beim Menschen ausprobiert. Allerdings im minimalen Maßstab. Man hat also bewiesen es funktioniert. Aber die Mengen, die wir da brauchen in Deutschland, die wird man mit dieser Technik momentan noch nicht herstellen können." Autor 31 (0:12) Damit bleibt es dabei: Bisher ist Kunstblut ein Traum - und die Transfusionsmedizin ist auf freiwillige Blutspenden angewiesen. Daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern. Musikbett (bereits kurz freistehend) (0:03) Sprecher (Mann) - Zitat 6 - mit Musikbett unterlegen (0:29) Dem Wiener Arzt Karl Landsteiner gelang der Durchbruch: Er entdeckte die Blutgruppen A, B und 0 - und sie etablierten die moderne Transfusionsmedizin. Lebensbedrohliche immunologische Reaktion durch die Transfusion unverträglicher Blutgruppen konnten künftig ausgeschlossen werden. 1930 erhielt er für die Entdeckung den Nobelpreis. Musikbett (nochmal kurz freistehend, dann unter Autor 32 ausblenden) (0:03) Autor 32 (0:40) Neue Herausforderungen in der Transfusionsmedizin zeichnen sich unterdessen ab: Etwa der Umgang mit Erregern wie dem West-Nil-Virus oder SARS - die sich durch den Massentourismus weltweit verbreiten und die durch Bluttransfusionen übertragen werden können. Die Blutspendendienste sind sich dieser Gefahr bewusst. Die Bereitschaft eines jeden Einzelnen zur freiwilligen Blutspende können sie indes nur schlecht beeinflussen. Mit ihr steht und fällt die ganze Disziplin. Auch das Schicksal von Christian Leschmann, der nach seiner Knochenmarktransplantation so dringen auf Blutkonserven angewiesen ist, macht das deutlich. Der junge Vater verdankt den Transfusionen ungeheuer viel. O-Ton 30, Leschmann, Blut rettet Leben (0:33) "Blutspenden bedeutet Leben retten. Ich muss dazu sagen, ich habe mir dazu früher auch nicht solche großen Gedanken gemacht über dieses Blutspenden. Aber wenn man selber erst mal in dieser Situation ist und darauf angewiesen ist, dann ist das schon eine ganz, ganz, ganz, ganz wichtige Sache. Und man kann eigentlich nur den Appell eben geben, an Leute, die wirklich fit sind, die gut drauf sind, die gesund sind, Blut zu spenden für andere Menschen, für die Mitmenschen, um wirklich Leben zu retten." Musik 6 (Bereits unter OT 30 einblenden, dann Musikende freistehend) (0:04) 1