DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 24.11.2009 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 ? 20.00 Uhr Wiederholung: Dienstag, 17.03.2015 19.15 ? 20.00 Uhr Du sollst Vater und Mutter ehren Der Eltern-Ankläger Niklas Frank Von Rosvita Krausz URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Musikakzent Sprecher 1: ?Am 9. März 1959 liegt sie schon drei Wochen in der II. Klinik der Münchener Universität. In einem Einzelzimmer. Weiß der Himmel, wie sie das wieder geschafft hat. Vermutlich ein alter Nazi in der Verwaltung. Vierundsechzig Jahre ist Brigitte Maria Frank alt. Der Befund: Herzschwäche nach Herzinfarkt, Wasser in den Beinen, zu fett. Doppelkinn. Flaumiger Damenbart. Als ich leise die Tür aufmache, sind ihre Augen geschlossen. Ihre Lippen blutrot.? Sprecherin: ?Heute kommt mein Kleiner, er hat gerade Abitur gemacht und feiert mit mir seinen zwanzigsten Geburtstag. Da muss ich mich schön machen.? Sprecher 1: Synchron mit Sprecherin ?Heute kommt mein Kleiner, er hat gerade Abitur gemacht und feiert mit mir seinen zwanzigsten Geburtstag. Da muss ich mich schön machen. Hat sie zur Schwester gesagt und sich mit viel zu viel Lippenstift geschminkt. Ein Leben lang hat sie es nicht geschafft, dezent zu sein. Sie wacht auf, sieht mich an, zieht mich mit einem listigen Lächeln zu ihrem Mund, spitzt die Lippen. Ich küsse.? Sprecherin: ?Na, mein Kleiner, war es schlimm?? Sprecher 1: ?Sie meint den Kuss, was mich giftet. Immer durchschaut sie meine Verklemmungen.? Sprecherin: ?Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag.? Sprecher 1: ?Sie fasst sich ans Herz. Ihre Brüste unter dem Nachthemd bilden einen riesigen flach gewalkten Pudding. Sie deutet mit der anderen Hand auf den Nachtkasten.? Sprecherin: ?Da sind meine Tabletten drin. Gib mir zwei Viertel.? Sprecher 1: ?Mutter nimmt mir die weißen Stückchen aus der Hand. Sie hat dickere Finger als letztes Weihnachten.? Sprecherin: ?Prof. Bodechtel sagt, ich darf höchstens eine halbe Tablette pro Tag nehmen. Die hab ich gesammelt. Weil ich jetzt, wo du da bist, ganz schnell gesund werden will.? Sprecher 1: ??Das wäre schön? sage ich, aber ich fürchte mich.? Sprecherin: ?Komm, gib mir noch eine halbe Tablette.? Sprecher 1: ?Sie tätschelt meine Wange. Auch die verschwindet schnell hinter ihren blutroten Lippen. Ich schaue in die Blechschachtel. ?Mutti, ich mach dich gleich ganz gesund?. Ich nehme zwei weitere Tabletten, bereit zum Gnadenmord.? (aus ?Meine deutsche Mutter? von Niklas Frank S. 9 C.Bertelsmann 2005) Titelansage: Du sollst Vater und Mutter ehren Der Eltern-Ankläger Niklas Frank Ein Feature von Rosvita Krausz O-Ton Niklas Frank: Sie starb nicht gleich. Sie starb 2-3 Tage später. Sprecher 2: Niklas Frank, Publizist und Sohn von Hans Frank. O-Ton Niklas Frank: Sicher hab ich mit geholfen, indem ich ihr mehr Tabletten gab, die sie sich aufgehoben hatte für meinen Besuch und sie wollte ja möglichst schnell gesund werden, weil ich das Abi hatte und zu ihr in die Wohnung ziehen würde nach München. Wir hatten aber beide einen Horror davor. // Da hab ich gesagt, Mutti willst nicht mehr nehmen! Da war schon so untergründig dabei, Manometer wäre das schön, wenn ich alleine wäre in der Wohnung und nicht mit meiner Mutter zusammen.// Und da war das schon in gewisser Weise eine E r l ö s u n g , dass sie starb// Wir 5 Kinder haben ihr eigentlich heimgezahlt, durch Eiseskälte, was sie uns durch nicht Lieben bis 1945 angetan hat. // Die hat sich überhaupt nicht für ihre Kinder interessiert. Das haben wir ihr alle heimgezahlt. Wir sind eine böse Familie gewesen. Musikakzent Atmo Hans Frank Hier sind die Sender des Generalgouvernements Krakau und Warschau sowie der Sender Weichsel auf Welle 1339 ? wir übertragen aus Warschau eine Großkundgebung der NSDAP zur feierlichen Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41 im Generalgouvernement durch Reichsleiter Generalgouverneur Dr. Frank: Der Führer hat mich beauftragt allen Deutschen des Generalgouvernements an dem Vorabend der Siegesparade von Warschau seine herzlichsten Grüße zu übermitteln. Wir stehen auf Befehl des Führers hier nunmehr im östlichsten Machtbereich des großdeutschen Lebensraumes. O-Ton Niklas Frank Das hab ich eigentlich immer gemacht, dass ich schon als Knabe von 13, 14, 15 in Wyck auf Föhr und auch in München in die Buchhandlungen gegangen bin und mir die zeitgeschichtlichen Abteilungen angeschaut hab, und wo immer ich meinte, da könnte mein Vater drin vorkommen, hab ich schnell hinten nachgeschaut im Namensverzeichnis Frank Komma Hans und hab die Stellen gelesen, wo er vorkam. Sprecher 2: Niklas Frank war 20 Jahre lang stern-Reporter. Zuständig für Politik und Kulturelles. Seine Texte waren oft provokant, und immer sehr unterhaltsam. Eine besondere Kraft und Gründlichkeit war zu spüren, auch der Mut, Grenzen zu überschreiten. Was man las war seriös, manchmal frech, aber nie geschmacklos. Und dann kam 1987 diese stern-Serie ?Mein Vater, der Nazimörder?. Niklas Frank im Zwiegespräch mit seinem Vater, Generalgouverneur im besetzten Polen: Hans Frank. Der Sohn seziert seinen Erzeuger, verfolgt seine Gedanken bis in den letzten Winkel seines Gehirns und stellt ein vernichtendes Zeugnis aus. Für diesen Text hat er Prügel bezogen, aber auch Lob und vor allem Aufmerksamkeit. Heute ist er 70 Jahre alt und lebt beschaulich auf einem alten Bauernhof in Schleswig-Holstein. Aber in Kampfstimmung ist er immer noch. Wenn er in eine Talkrunde gerufen wird oder auf dem Kirchentag über das schwere Erbe als Sohn eines Nazi-Täters sprechen soll, sagt er gern zu. Die Lust an den alten Themen, die Lust zu provozieren, hat er behalten. Laut und deutlich und seit Jahrzehnten immer wieder sagt er, mein Vater war ein Verbrecher, den man zu recht gehängt hat. Atmo/O-Ton Hans Frank Meine lieben deutschen Volksgenossinnen und Volksgenossen, weithin flattern nun die Fahnen des Sieges von den Pyrenäen bis zum Nordkap und bis zum Bug. Die Größe des deutschen Raumes ist heute schon unvergleichlich in der deutschen Geschichte. Es wird noch vieles dazu kommen. Die Kolonien, die man uns geraubt hat, die werden zurückkehren zu Deutschland! Klatschen? O-Ton Niklas Frank: Ich hab mir vor 3,4 Jahren all seine Reden gekauft ? die sind wirklich umwerfend. Diese unglaubliche, verlogene, inhumane Einstellung, die da rüber kommt und immer hören Sie im Hintergrund, oder teilweise sogar meinen Vater übertönend, das begeisterte Schreien und Klatschen der Deutschen und Österreicher. Furchtbar. Atmo/O-Ton Hans Frank: Es ist ein Wunder, der Weg, der uns Deutsche auf diese Burg geführt hat. Es ist eine kaum vor wenigen Jahren auch nur ahnbare Vorstellung, dass Bug und San die Grenze Deutschlands sein sollte. Daher ist es gerade für uns alte Nationalsozialisten, die wir seit 1919 mit dem Führer marschieren, ein ungeheures Erlebnis immer wieder diesen Gedanken zu haben, zu welchen Höhen hat Adolf Hitler sein Volk und alles geführt, was deutsch ist. O-Ton Niklas Frank: Da denken sie, dieser gescheite Kerl, der Faust auswendig konnte und jeden Tag als Student abends ins Theater ging in München, redet so ein dummes Zeug, dann natürlich auch verbrecherisch voll Hinterlist und Mordlust eigentlich. Und so waren sie alle. Und das ist schon immer wieder bedrückend zu hören, aber gleichzeitig höre ich es auch, um mir selber klar zumachen: e r i s t t o t. Genauso wie ich das Foto bei mir trage in meiner Brieftasche, wo er als Leiche liegt, nicht wie bei Martin Bormann, dass er liebend mich umarmt, das gibt?s auch die Fotos, wo ich bei ihm auf dem Schoß sitze, aber das ist mir schon wichtig, dass ich die Sicherheit habe, er ist tot und er kommt nie wieder! Musikakzent Sprecher 1: ?Es hatte was für sich, als Sohn eines Nazi-Verbrechers in der Bundesrepublik aufzuwachsen. Vor allem beim Trampen hast Du mir unendlich geholfen. Wer fuhr denn nach dem Krieg die ersten Autos? Natürlich die alten Nazis. Die, man spürt es heute am Staat, in den Jahren nach der Kapitulation noch jung waren, so voll brauner Spannkraft wie Du warst mit Deinen 46 Jahren. Ich kam, saß ich erst mal drin, beim Trampen gediegen voran, brauchte ich doch nur nach ein paar Kilometern zu sagen: ?Wissen Sie eigentlich, dass ich der Sohn des in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten Reichsministers ohne Portefeuille und Generalgouverneurs von Polen bin?? Deine wahrlich nicht leicht auszusprechenden Titel konnte ich schon als Kleinkind, und der Erfolg damit war auch als Großkind noch beachtlich.? O-Ton Niklas Frank: Meine Vertraute unter den Erwachsenen, genauso wie Michels Vertraute war unsere Kinderschwester Hilde, Hilde Albert, eine wunderbare, bayrische, lustige, herzliche, innige Frau, die damals, würde ich sagen nicht älter war als Mitte zwanzig. Ich hatte ja einige Fetzen an Erinnerung und da bin ich dann zur Hilde gegangen, die war damals schon über 70 und hab sie gefragt: die und die Erinnerung hab ich, was war da wirklich los und diese Erinnerung konnte sie mir in fertige Szenen ausfüllen, d.h. die fertigen Szenen, nur da, wo war das, wann war das. z.B. dass ich mit meiner Mutter, dass das ein Getto war, wo wir einkaufen waren, und ich diese Kinder sah mit dem Stern am Arm und die Erwachsenen und alles sah so traurig aus. Oder wo wir dann in einem KZ Außenlager waren, das hab ich über Schwester Hilde erfahren, wo man einen Esel hatte und für Michel und mich zur Gaudi KZ Häftlinge auf so einen Esel setzte und die immer runterfielen und wir fanden das unheimlich lustig, da wusste ich nur diese Szenen und konnte die nicht einordnen, wo ?da hat sie Schwester Hilde mir erzählt, wo das war, und was mich viel später ? jetzt ist sie leider schon gestorben - was ich mich gefragt hab, was hat sie mit uns in einem KZ Außenlager zu tun gehabt, das ist ja nicht ein Ort, wo man mit den Kindern des Generalgouverneurs hingeht und ich nehme an, ist meine einzige Erklärung, dass sie dort einen Geliebten hatte, dass sie aus privaten Gründen mit uns dahin gefahren ist. Ich weiß aus meinen Recherchen eh, dass auch, was die Erotik oder das Sexualleben betrifft, das heftigste Land überhaupt war, das Generalgouvernement. Es ist zu gegangen ?. Nicht umsonst hat in einem Bericht an Himmler, nannte man all die Sekretärinnen innerhalb des Generalgouvernements Generalgouvernutten, und das kommt nicht umsonst. In einem Bericht in dem Fall, in dem man Himmlers Geheimdienst glauben kann, also dem SD. Atmo/O-Ton Hans Frank Und so eingerahmt in die von der Natur gezogen bedeutungsvollen Flusseinschnitte dieses europäischen Kontinents vom atlantischen Ozean bis zum Eismeer hinab bis zum Äquator wird sich stolz der deutsche Name aufrichten. Und ihr könnt nun sagen, ihr seid berufen hier mitzuwirken. Dankt es dem Führer durch euer Opfer. O-Ton Niklas Frank: Das Generalgouvernement hatte natürlich von 39 - 45 verschiedene Vorteile. Erstens war es ein stark ländlich geprägter Raum mit einer guten Ernährung für die Besatzer. Die Polen wurden natürlich sofort auf Hungerration gesetzt, noch viel schlimmer ging es den Juden. Das war das Erste. Zum Zweiten waren alle, die mit meinem Vater mit gingen oder nachkamen oder von anderen Ministerien oder von Himmler rein geschickt worden sind, bekamen alle erstklassige Wohnungen, die natürlich den Polen und Juden geraubt worden sind, oder sehr gute Häuser, die gediegen eingerichtet waren, das war alles ganz prima für die und wie üblich, wie wir es auch gesehen haben bei der Wiedervereinigung mit der DDR, die Abenteurer und die Glücksritter, für die war das natürlich das Land! So dass auch im gleichen Bericht war der Terminus Technikus fürs Generalgouvernement war GG, das wurde bei den Deutschen ausgesprochen als volles Wort: Ganovengau. Und das stimmt. Der hochbegabte und in aller Welt zu Recht als unglaublich mutig geschätzte Schindler war ja eigentlich ein richtiger Glücksritter, der genau gewusst hat, da kann er mit arisiertem Vermögen Fabriken was aufbauen. Aber der ist für mich darum ein Beispiel, was man machen kann, was man inmitten eines mörderischen Systems doch an Menschlichkeit aktiv leben kann und meine Eltern haben da keinen Funken dafür gegeben. Atmo/O-Ton Hans Frank Wir alle können stolz und glücklich sein, darüber dass der Führer über die Leistung des deutschen Menschen hier in diesem Raume ganz gleich in welcher Uniform er steckt, ganz gleich an welcher Position er steht, ganz gleichgültig in wessen unmittelbarem Namen er hier handelt, er hat unsere gemeinschaftliche Leistung wiederholt anerkannt? O-Ton Niklas Frank: Was die Bereicherung betrifft, so hat er - ich hab das an Bankauszügen gesehen, bei Merck und Finck, da hatte er in München sein Hauptkonto, da kamen pro Monat immer 5000, 8000, 9000 Reichsmark und der Vater hat sich halt mit Geschenken überhäufen lassen, die hat er wohl selber angeregt, dass man ihm das schenkt. Unter anderem, was ich nie anders verifizieren konnte als durch die letzte Sekretärin und Geliebte meines Vaters, die Helene Kraftschick. Die sagte mir, sie saß dabei, als der Vati verhaftet worden ist und der habe besessen eine goldene Pistole. Und ich hab sie noch gefragt ?ja woher kam die denn?, und dann sagte sie: ?Die Juden im Getto haben sie ihm angefertigt oder geschenkt?, und dann hab ich die Frau Kraftschick noch gefragt: ?Sagen sie mal, hat er eine Pistole gehabt, warum hat er sich denn nicht erschossen damit?? Da hat die nette Frau Kraftschick gesagt: ?Niklas dazu war ihr Vater zu feige?. Das fand ich schon toll. Atmo/O-Ton Hans Frank: Ab morgen wird die Straße Warschaus, in der der Führer die Parade abnahm, den Namen Siegesstraße tragen. O-Ton Niklas Frank: Ja, die Bereicherung die ging bei seiner Seite vor allem in Richtung Kunst. Er ließ ja sofort in einem heftigen Zweikampf gegen Göring die Museen plündern zur Ausstattung seiner Dienstsitze und dann hat er etwas gemacht, was ich ihm ganz besonders übel nehme, nein noch übler nehme ich ihm seine ganzen Mordtaten, seine Schreibtischmordtaten, aber danach ist er ja mit 45 am 17. Januar hat der Krakau verlassen mit Lastwagen voller Kunst und ein Teil davon ist eben dann nicht zum Schoberhof, sondern in seine ?Außenstelle Generalgouvernement?. Dort hat er einen sog. ?Andachtsraum? eingerichtet und da hingen eben Leonardo da Vincis ?Die Dame mit dem Hermelin?, zwei Rembrandts, Raffaels ?Bildnis eines jungen Mannes?, jede Menge Gewänder aus der polnischen Ritterzeit, perlenbestickt und noch jede Menge andere Gemälde. Wenn nicht soviel Leichen rumliegen würden, dann wäre es das groteske Ehepaar mit ebenso grotesken Kindern. Sprecher 1: ?Ja, kürzelte Brigitte in ihr Stenoheft ?es ist für deutsche Frauen eine Lust zu leben.? Sicher, hier und da wurde ob eines gefallenen Ehemannes, Liebhabers oder Sohnes getrauert, doch der Tod hielt Einzug in zu viele Familien. Man gewöhnte sich daran, den Krieg empfanden diese deutschen Frauen als gerecht, er brachte denen, die es zu den eroberten Töpfen drängte, Güter und viel Gutes.? (Aus Niklas Frank: ?Meine deutsche Mutter? Bertelsmannverlag 2005 S. 274) O-Ton Niklas Frank: Besucht hab ich neben einzelnen Beamten meines Vaters, die noch lebten, vor allem die Freundinnen meiner Mutter, die alle sehr lange gelebt haben ich bin jetzt ein Experte in Handschriften von Damen aus den 30er-Jahren und da hab ich eine Menge, wenn man das unter anderen Vorzeichen liest, nämlich was haben diese Frauen gedacht, wie haben die mit meiner Mutter gelebt, was waren deren Wichtigkeiten und Unwichtigkeiten, was waren deren Moral eigentlich, wie haben sie das 3. Reich gesehen?, da wurde einem richtig schwarz vor Augen, was unsere deutschen Frauen damals für ein eiskaltes Geschlecht waren. Also es ist unglaublich mit welcher Leichtigkeit die eben- meine Mutter nannte es ja das ?Wonneproppenreich?- dieses 3. Reich aufgefasst haben. Musikakzent O-Ton Niklas Frank: Von meinen Geschwistern hat niemand gewusst, dass ich drauf und dran war, ein Buch über den Vater zu schreiben und als es rauskam, war meine nächst ältere Schwester Brigitte, genannt Gitti, schon tot; Die hatte immer gesagt, sie wolle nicht älter werden als der Vati, und mein Vater wurde 46 Jahre alt, als sie ihn hängten. Und sie starb mit 46, sie hatte Krebs. Aber es hätte ihr sicher noch ein paar Jahre Leben gebracht, wenn sie dann nicht Selbstmord gemacht hätte. Die war sehr auf Seiten meines Vaters, schon allein dadurch, dass sie ja nicht älter werden wollte als er. Dann gabs das allerälteste Kind der beiden Frankeltern, die Siegrit, Jahrgang 27, die nach Südafrika ausgewandert ist mit ihrem Mann, weil sie die Apartheid sehr schätzte, dort auch gestorben ist, die fand mein Buch grauenhaft. Und dann gabs noch meinen mir liebsten Bruder, den Michael, ein unheimlich lustiger, verwegener Junge, sportlich und ein abenteuerlustiger und ein jede Mutter einwickelnden Charme, ein richtiger Pfundskerl, und der hat gleich als die Serie anfing im stern gleich einen Leserbrief geschrieben, dass sein Bruder Niklas ein krankes Hirn habe, dass alles, was er geschrieben habe, gelogen sei und dass er nach wie vor der Fremde in der Familie sei. Und der hat eigentlich am wüstesten und auch am innigsten gekämpft um die Unschuld meines Vaters. Also so ein Kampf gegen eine kilometerlange Aktenlage zieht einem die Lebenskraft raus. Ich finde wirklich, gegen die Wirklichkeit und die Wahrheit anzukämpfen, das ist zwar eine der grotesken Eigenschaften des Menschen, aber zum Überleben taugt das nicht. Er wurde später auch sehr krank, dann starb er ziemlich elend im Alter von 53 Jahren. Ich würde sagen, dass mein Bruder Michel am Vater zerbrochen ist. O-Ton Michaela Huber: ?Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren?, wird ja immer falsch verstanden. Sprecher 2: Michaela Huber, Psychologin und Traumatherapeutin. O-Ton Michaela Huber: Menschen zu ehren heißt, zu aller erst sie ernst zu nehmen. Ich glaube, dass kaum jemand den Hans Frank und seine Frau so ernst genommen hat wie der Sohn, der nicht bagatellisiert, nicht beschwichtigt, nicht sagt, die konnten nichts dafür, sie waren nur zu schwach, oder sie waren verführt, sondern der sie in ihrer Größe im Sinne von monströsen Bösartigkeit gesehen hat. Auch das finde ich, wenn wir jemandem die Ehre antun, die Aufmerksamkeit auf sie zu richten, dann heißt das für mich in aller erster Linie, sie ernst zu nehmen. Diese Generation, die im Krieg oder unmittelbar danach geboren ist, die hat schwer daran zu tragen, dass sie diese 50er-Jahre Familienidylle abstreifen musste und dahin kommen musste zu sagen: Ihr ward verantwortlich! ? Wenn wir das nicht tun, nehmen wie die Eltern nicht ernst. O-Ton Niklas Frank Er war ein gemeiner Jurist. Ich habe Akten gelesen, wo er noch in der demokratischen Zeit der Weimarer Republik sich andere Anwälte über sein Benehmen, sein Auftreten beschwert haben, und zu recht, er war ein ausgesprochen widerlicher, laut herum schreiender Verteidiger oder Anwalt innerhalb von Gerichtsprozessen. Richtig widerlich. Er war ein Mandantenbetrüger ganz deutlich, schon sein Vater war aus der Anwaltskammer ausgeschlossen, weil er Mandanten betrogen hat, also er war ein richtig mieser Kerl, ein mieser Tropf. O-Ton Michaela Huber: Was mir an Niklas Frank so imponiert hat, wie er seinen Vater und seine durchaus korrupte gebildete Schicht in ihrer ganzen Verkommenheit dargestellt hat. Dies überhaupt zu verstehen, was hat das bedeutet, dass diese Menschen so verkommen waren. Ich glaube, das war auch ein großer Teil dieses Schmerzes, den dieser Junge erlebt hat, zu sehen, wie verkommen seine Eltern waren. Wenn wir da zu freundlich mit umgehen, dann verkennen wir etwas, nämlich diese O b s z ö n i t ä t, die in dieser Art von Machtergreifung und Machterhalt lag, die wirklich buchstäblich über Leichen geht und die keinerlei Grenze im Recht mehr kannte, keinerlei Grenze in der Moral mehr kannte, die keinen Besitz anerkannte, es war ein Rausch, es war ein destruktiver Kult an der Macht. O-Ton Niklas Frank Der Vater hatte extra zwei Stenografen gehabt, die alle seine kostbaren Reden und Regierungssitzungen und Besuchsreden immer mit stenographieren mussten und ich weiß von dem Ankläger der Amis, der sagte dann zu einer Staatsanwältin, als der Nürnberger Prozess kam, sagte den schönen Satz: ?Sie bereiten mal den Frank vor für die Anklage und dieser Idiot hat seine Tagebücher uns gegeben, da brauchen Sie nur daraus zitieren.? Und da sind die furchtbarsten Sätze drin gegen Juden und Polen und Ukrainer, und was er alles beschimpft hat, und das hat er total falsch eingeschätzt. Und ich hab jetzt erst vor ein paar Monaten den Nachlass von seinem Verteidiger Dr. Alfred Seidl, und da finde ich einen Brief vom Abend der Hinrichtung meines Vaters an ihn, in dem er dem Seidl sagt, er hofft, dass eines Tages er eben in seiner ganzen Wahrheit gesehen wird, und nicht verfälscht durch diese aus dem Zusammenhang gerissenen ? damit meint er die Tagebücher, d.h. er hat nach einem Jahr Prozess, wo nochmal sämtliche Beweise, Ausschwitzfilm und alles Mögliche ihm und den anderen Angeklagten vorgelegt hat, hat eigentlich nichts bereut!! Nichts bereut und nichts kapiert eigentlich, was da war. Sprecher 1: ?Jahrelang habe ich Dich zusammengesucht, immer den gleichen Anfangssatz höflich servierend: ?Ich bin der Sohn des in Nürnberg hingerichteten Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank. Soweit ich weiß, waren Sie damals in Krakau als Leiter der?? Nicht alle waren bereit zu sprechen, einige prüften mich erst: Hatte ich die Prüfung bestanden, kam das Schlimmste: Sie fingen an, Dich und Dein Schicksal zu beklagen, mich ob meines verpfuschten Lebens zu bedauern, sich selbst auch ob der zu kurz genossenen Jahre im Dritten Reich, und ich musste mich bedaddeln lassen, ich konnte ja nicht gleich sagen, dass, soviel ich bis jetzt wüsste, Du ein rechter Arsch von einem Mann gewesen seist. Dann hätten die doch geschwiegen, vor Schreck das Hakenkreuz geschlagen.? Musikakzent Sprecher 2: ?Jedem aufmerksamen Zeitungsleser leuchtet ein, daß die Versuchung auf die Dauer unwiderstehlich war. Niklas Frank ist Kulturredakteur des stern: sein Vater, Hans Frank, war Hitlers Stellvertreter in Polen und starb 1946 am Galgen in Nürnberg. Irgendwann mußte es ja passieren.? DIE ZEIT, Juni 1987. O-Ton Niklas Frank: Das war so eine Augenblicksentscheidung an der Erika mit dem ersten Satz. Dass ich mit ihm ein Zwiegespräch mache. Was ich nie hab machen können. Der allererste Satz, der ist dann auf dringendes Bitten der gesamten stern-Chefredaktion gestrichen worden, weil der erste Satz ursprünglich von diesem Buch hieß: ?Ich kenne nur nicht die Länge Deines Schwanzes, durch den Du mich schossest, damals, als Du bei meiner Mutter lagst.? Dann geht?s weiter. Sprecher 1: ?Goldfasansamen zu Reichsfrauenei. Sie hatte keinen Orgasmus, als Du kamst, als ich kam. Sie hatte nie hohe Gefühle, wenn Du auf ihr lagst, feist wie Du warst, als Du mich damals zeugtest. Du wusstest das nicht, ich weiß es von Tante Margot.? Sprecherin: ?Was Männer nur daran finden.? Sprecher 1: ?Staunte Mutter, gebar zigfach und zigfach daneben ? warst immer Du der Vater? Gebar mich Dir, dem Reichsminister ohne Portefeuille, dem Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht, dem Generalgouverneur von Polen, heute blutige Fußnote der Zeitgeschichte, gehenkt Gott sei Dank, verbrannt und verschüttet im Konwentzbach zu Solln bei München; Deine Asche verpappt mit der von Göring, Streicher und Ribbentrop, von Jodl und Kaltenbrunner, von Frisch, Keitel, Seyß-Inquart, von Sauckel und Rosenberg ? wie eklig dieses Gebräu, Du wasserlöslicher Nazi-Nes.? Sprecher 2: ?Wer aber schützt den Leser einer Zeitschrift, wenn sich darin vorwarnungslos ein Journalist zum ödipalen Helden aufwirft und sein Seelengekröse mit haßverseuchtem Gefasel aller Welt kundtut?? Sprecher 3: ?Und wer bewahrt den Offenbarer davor, sich zu entseelen?? Sprecher 2: ?Es bedarf dazu lediglich eines Redakteurs, der seinem Kollegen psychosozialen Beistand leistet und der die Leserschaft nicht als geistigen Abfalleimer mißachtet.? DIE ZEIT, 12.06.1987. Sprecher 1: ?Dein Foto liegt vor mir, wie Du, noch frisch im Tod, auf der Decke ruhst mit kaputtem Genick, die Augen geschlossen, den Mund halb geöffnet, die vollen Lippen eine Idee zu blass vielleicht ? hast Du Dir auf die Lippen gebissen unter der schwarzen Haube beim freien Fall? Schön Deine Hände, die Finger so lang, man sieht ihnen Mazurken, Etüden an; und so graziös in der Haltung, als hättest Du, als die Falltür sich öffnete, beim Ober nach der Rechnung geschnippt. Dabei weiß ich, dass du beim Sterben gefesselt warst, auf dem Rücken die Hände, auch die Knöchel der Füße zusammen, der Anzug steht Dir, in dem Du Dein Leben ausgebaumelt ? oder zog man ihn Dir erst hinterher an und wusch Dir das Blut von den Lippen, weil Du beim Abwärts mit dem Kinn gegen den hölzernen Klappenrand knalltest. Schade, wenn Du dabei k.o. gegangen wärst. Ich finde auch den letzten Zentimeter Seil bis zum Ruck hast du verdient, bewusst zu erleben.? Sprecher 2: ?Ein ums andere Mal wird die übermächtige Vaterfigur gemordet, gemeuchelt und mit orgiastischer Lust hingerichtet?? Sprecher 3 ?Dafür krieg ich den Orgasmus?, so gesteht der Sohn, dass er sich an der Vorstellung seines gehenkten Vaters aufgegeilt hat. Dem Leser schwinden die Sinne. Sprecher 2: ?Kann sich denn dieser Mann tatsächlich keinen Analytiker leisten??( DIE ZEIT 1987) O-Ton Niklas Frank: Ich hatte den ?Vater? geschrieben als Buchmanuskript und dann wurde das in sieben Teilen im stern veröffentlicht. Und zur selben Zeit kam ja auch die erste Fernsehsendung. Da war unser cleverer Heribert Schwan vom WDR, der hatte auch die Himmlertochter bekommen in einem abgedunkelten Zimmer, und dann hat er mir noch hinterher erzählt, da durfte man beim WDR hinterher bei den Sendungen anrufen und vier Fünftel der Anrufer hätte verlangt, dass man den Niklas Frank sofort genauso hängen sollte wie seinen Vater, und das hat mich geschockt. Sprecher 2 ?Wer so hassen kann wie Niklas Frank, der sollte in der Stille auch einmal über seine eigenen dunklen Schatten nachdenken.? Hans Holzammer, Nürnberg Sprecher 3: Die Serie hat mir viel abverlangt. Stellenweise ist es mir schwergefallen weiterzulesen. Aber gerade diese Offenheit des Schreibers ist es, die die Serie so gut macht. Ulrich Hergenhahn, Offenbach O-Ton Niklas Frank: Die Abneigung der Leser und der Zuschauer beim WDR war wohl mit Sicherheit die Direktheit, mit der da ohne jedes Versöhnungsgetue gegen die eigenen Eltern vorgegangen wurde. Und das hat die wohl geschockt und dann kommt etwas Zweites hinzu, dass alle, die das gelesen haben oder zugeschaut haben auf Grund ihrer eigene Familie so oder so mit dem 3. Reich verstrickt oder verbandelt waren und ich glaube, die wenigsten Zuschauer waren echte Widerständler, denn es gab eh nur leider sehr wenige bei uns in Deutschland gegen das 3. Reich, so dass die sich alle persönlich beschmutzt fühlten. O-Ton Ezzelino von Wedel: Was er da macht ist ja eine Auseinandersetzung mit einem historischen Schicksal. Es geht ja im Grunde genommen um ein Kapitel Stellvertretung. Er arbeitet ja für eine ganze Generation Sprecher 2: Ezzelino von Wedel, Publizist und Theologe. O-Ton Ezzelino von Wedel: Er leistet die Arbeit einer ganzen Generation und er leistet auch stellvertretend für seinen Vater die Arbeit der Aufarbeitung und das kann, weil es sich um Dimensionen handelt, die man ja gar nicht jemals adäquat fassen kann, kann es nur auf diese vehemente Art und Weise geschehen, nämlich dass er spricht wie jemand, der irgendetwas Unbekömmliches geschluckt hat, und sein ganzer Körper, sein ganzes Wesen, wirklich mit allen Zellen seines Körpers revoltiert dagegen und wenn man in dieser Revolte ist, dann kann man auch die Sprache nur zum Zerbersten bringen, dann kann man nur eine derartig unflätige, pubertäre und durch nichts durch keinen Anstand und durch keinen Geschmack und durch kein Gefühl der Ästhetik begrenzte Sprache benutzen. Ich habe dafür vollen Respekt und ich wäre enttäuscht gewesen, wenn es anders gewesen wäre. O-Ton Niklas Frank: ? dass ich selber als kein heiliger Mensch da stehe, das war für mich sehr wichtig, weil es ist sehr leicht aus einer Demokratie heraus über den Vater her zu ziehen. Was ja auch der häufigste Satz ist, dem man begegnet bei uns: ?Du hast ja da nicht gelebt, du weißt gar nicht wie es war.? Aber ich weiß es sehr wohl wie es war. Man kann das auch über die Aktenlage kriegen. O-Ton Michaela Huber: Es gibt verschiedene Stellen im Buch, wo Niklas Frank beschreibt, wie er sich in seinen Vater hineinversetzt. Das muss ungeheuer schmerzvoll sein für jemanden, der so eine fundamental andere politische, moralische Einstellung hat, zu versuchen sich sehr intensiv in sein Gegenüber hinein zu versetzen und ich nehme auch im Nachhinein diese Masturbations-Szene so, dass er dagegen nur das intensivste Lebensgefühl, nämlich einen Orgasmus - dagegen setzen kann, gegen dieses fundamental Tödliche, was von dieser Sterbesituation ausgeht, die er ja berechtigt fand. Er fand ja zutiefst, dass der Vater zu Recht gehängt worden ist. Auch das ist mir lange nachgegangen, dass er geschrieben hat, es haben ja nicht viele Leute das Glück, dass der Vater gehängt wurde. In der Tat, dass noch Gerechtigkeit zu Lebzeiten gegen einen Täter, also eine Sühne gegen den Täter erfolgt ist, das haben nicht viele von uns Kindern von Mitläufern und Kriegsverbrechern erlebt. O-Ton Ezzelino von Wedel: Ich finde das auch vollkommen richtig zu erkennen, dass es keine menschliche Möglichkeit gibt, diesen Dimensionen, die durch den Nationalsozialismus und seine Geschichte aufgerissen wurden, etwas entgegen zu setzen, /man kann es nicht vergeben. Man kann es nicht vergeben. Man kann es letztlich nicht begreifen und jeder Versuch so zu tun, als könnte man etwas vergeben oder als könnte man es in seiner Gesamtheit begreifen, wäre meiner Meinung nach schon eine Art von Komplizenschaft, würde es dann schon wieder auf irgendeine Art und Weise gut heißen. Das heißt also man muss es letztlich einer höheren Instanz überlassen. Und wenn der Autor es in dieser Unerbittlichkeit tut mit diesen drastischen körperlichen Bildern, seine Unfähigkeit ausdrückt, es zu verstehen, es verstehen zu wollen, es in irgendeiner Weise vergeben oder seinem Vater in irgendeiner Weise vergeben zu wollen, dann finde ich ist das eine Art von Frömmigkeit, weil er damit anerkennt, dass es sich um Dimensionen handelt, die das Menschliche übersteigen und dass, wenn überhaupt, es einer höheren Instanz überlassen müssen. Musikakzent O-Ton Niklas Frank: Er hat selber mal gesagt zu dem Gilbert, dem Gefängnispsychologen, der Amis, der freien Zugang hatte zu jeder Zelle: ?Es ist als ob ich zwei Hans Franks wär.? Und da ist schon was dabei. Der eine war der wirklich gebildete, lesende, humanistische und der andere war der hündische, charakterlose, herumhetzende, miese Mensch eigentlich, ein richtig mieser Mensch war das. Das hat er nie zusammen gebracht. Dazu kam diese für meine Begriffe beinahe homoerotisch angetatschte Liebe zu Hitler, dem er natürlich auch alles zu verdanken hat, weil er war ein armer Fretter von Anwalt, bis er dann anfing in der Nazipartei hoch zu kommen, er hat dafür seine Gedankenwelt, sein Nachdenken einfach verdrängt. Er hat nicht mehr darüber nachgedacht, was er da eigentlich macht. Und die letzte Chance, die er gehabt hätte, meines Erachtens, als er persönlich die Morde an Röhm und seinen Kumpanen deckte als bayrischer Justizminister und vorher noch als er auch bayrischer Justizminister das KZ Dachau eingerichtet hat. Da hätte er beides Mal wirklich noch den Laden hinwerfen müssen. Das er hätte sagen müssen: Nicht mit mir. Das hat er alles fugenlos mitgemacht. Atmo/O-Ton Hans Frank: Wir grüßen den Führer, unseren heiß geliebten Führer Adolf Hitler. Ein dreifaches Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil? Sprecher 1: ?Das Knacken Deines Genicks ersparte mir ein verkorkstes Leben, wie hättest Du mir mit Deinem Gewäsch das Hirn vergiftet. Wie der schweigenden Mehrheit meiner Generation, die nicht das Glück hatte, den Vater gehenkt zu bekommen. Deshalb bin ich froh, Dein Sohn zu sein. Wie arm sind Millionen anderer Kinder dran, deren Väter das gleiche Geschwätz voll Hinterlist und Feigheit, voll Mordlust und Unmenschlichkeit von sich gaben, aber nicht so prominent waren wie Du. Bei ihnen lohnte nicht die Aufzeichnung ihrer Tiraden, ihre Tagebücher wurden nicht aufgelistet. Ich hab es gut, ich kann aus den Archiven Europas und den USA die Fleischfetzen Deines Lebens zusammenklauben, kann sie, unbehelligt vom lügenhaften familiären Geschwätz, beäugen. Wie immer ich sie auch mit Skalpell oder Hammer bearbeite, es kommt ein typisch deutsches Monster raus.? Musikakzent O-Ton Niklas Frank: Die Recherchen zu meinem Vater haben mein Gespür für Feigheit, in allen ihren Lebensformen, Ausdrucksformen ganz stark geschärft. Grade neulich war ich in einer Schule in der DDR, in der früheren, und da wurde ich vorher zum Direktorium gebeten und da sagte sie mir: ?Das ist hier so eine rechte Ecke, Herr Frank, ich möchte sie bitten, nicht diese Masturbationsszene vorzulesen, weil dann steigen mir die Eltern auf den Kopf. Das geht nicht. Ich muss hier aufpassen, hier ist der Druck von rechts sehr groß, und die sind eh schon sauer, dass ich sie eingeladen habe.? Und bei einer anderen Lesung in Stralsund, da war weder ein Plakat noch sonstwas und dann waren da 11 Zuhörer und da fragte ich hinterher die Veranstalter, haben sie das bekannt gemacht, dass ich hier lese, dann sagte sie, wo denken sie hin! Das können wir doch gar nicht machen. Wer weiß, hier sind furchtbar viele Rechte, nachher kommen die. So kann man natürlich auch in einer gewissen Art von vorauseilendem Gehorsam alles kaputt machen. Atmo/O-Ton Hans Frank Die Juden, diese krummnasigen Raubtierrassen, diese Sendboten der Vernichtung. Diese Elendswichte und Nachtgaukler ? O-Ton Niklas Frank: Wenn ich zurückschaue auf mein Leben, eigentlich stand ich überall nur staunend dabei. Staunend über das um mich herum, ganz wenig eigentlich aktiv, mich immer treiben lassend, staunend mich treiben lassend durch das Leben und daraus entnehme ich, dass ich nie -vielleicht auf Grund meines Marionettendaseins an den Fäden meines Vaters - ein vollgültiger Mensch geworden bin. Also ein richtig selbstständiger, selbstbewusster, unabhängiger, bestimmender Mensch männlichen Geschlechts. Ich hab ja nie ein wirklich freies, unabhängig von ihm dahin fließendes Leben gehabt, so wie ich ihm immer auf der Schulter saß, -zumindest war das mein Bild im Buch der Vater-, sitzt er mir natürlich viel mächtiger in meinem Genick. Atmo/O-Ton Hans Frank: ?dieses verdammte Mist und Börsengesindel, das hat doch der Führer hinaus gefegt aus Deutschland mit einem ungeheuren eisernen Besen. O-Ton Niklas Frank Ich hab sicher da ein Tabu verletzt indem ich öffentlich diese Eltern hinrichte, aber was bei mir viel stärker ist als eine Angst ein Tabu zu durchbrechen, ist tatsächlich der Schrecken der Fotos in mir, der Schrecken der Fotos von toten Kindern in meinem Alter, wo es mir glänzend ging und die einfach umgebracht wurden, nur weil sie Juden waren oder kleine Polen, das hat mich nie verlassen und das werde ich auch nie verstehen. Atmo/O-Ton Hans Frank Hier sind die Rundfunksender des Generalgouvernements Krakau und Warschau sowie der Sender Weichsel auf Welle 13 39 Meter. Wir übertrugen aus Warschau eine Großkundgebung der NSDAP zur feierlichen Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41 im Generalgouvernement. Es sprach Reichsleiter, Generalgouverneur Dr. Frank. O-Ton Niklas Frank Aber es sind ja die Bilder der Opfer, die ich in mir trage, und mit diesen eingebrannten Bildern hängt immer mein Vater zusammen, der tausend Chancen gehabt hat, dem zu entgehen. Er hätte kein Widerstandsheld sein müssen. Er hätte einfach sagen müssen: ?Mein Herz ist so krank mein Führer, ich kann nicht mehr. Ich muss jetzt zurücktreten! Mein Führer ? Heil Hitler!? Dann wär er gegangen. Der Hitler hätte ihn sicher nicht erschießen lassen. Musikakzent Absage Du sollst Vater und Mutter ehren Der Elternankläger Niklas Frank Ein Feature von Rosvita Krausz Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009. Es sprachen: Claus Dieter Clausnitzer, Ursula Michelis, Karlheinz Tafel und Walter Gontermann Ton und Technik: Ernst Hartmann und Hanna Steger Regie: Axel Scheibchen Redaktion: Hermann Theißen 21