DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 13.07.2010 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 ? 20.00 Uhr Crossing Lines, Crossing Lives Ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt Von Kai Adler URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - O-Ton Robi Damelin This for me is the .... done such a thing. Übersetzerin Dies ist der wohl schwierigste Brief, den ich je in meinem Leben schreiben werde. Mein Name ist Robi Damelin und ich bin die Mutter von David, jenes David, der von Ihrem Sohn getötet wurde. Ich weiß, dass er David nicht aus persönlichen Gründen umgebracht hat. Hätte er ihn gekannt, ich bin mir sicher: Er hätte so etwas nie tun können. Erzählerin Robi Damelin sitzt im Wohnzimmer ihres Apartments in Tel Aviv. Ein schlichtes Sofa, ein Bücherregal. Im Flur, auf einem Schränkchen, stehen Fotos ihrer 3 Enkel, Kinder ihres jüngsten Sohnes, Eran. An der Wand hängt ein weiteres Bild: Ein junger Mann mit Rucksack vor einer Berglandschaft im Nebel. Sein Blick ist klar und entschieden, er strahlt in die Kamera. Auf einem anderen sitzt er bei einem Konzert mit einem Flügelhorn auf den Knien zwischen anderen Musikern. O-Ton Robi David was 28 years old ... occupied territories Übersetzerin David war 28 Jahre alt, er war Student an der Universität von Tel Aviv, er machte gerade seinen Master in Philosophie. Er war in der Friedensbewegung und wollte nicht in den besetzten Gebieten dienen. Erzählerin Doch als er zum Reservedienst eingezogen wurde, folgte er dem Befehl. David wollte ein moralisch handelnder Soldat sein, ein Vorbild, wollte seine Kompanie nicht im Stich lassen. Im März 2002 wurde er an einem Checkpoint nahe der israelischen Siedlung Ofra wie sieben andere Soldaten seiner Einheit und zwei israelische Zivilisten von einem palästinensischen Scharfschützen erschossen. Noch am selben Tag, einem Samstag, hatte er mit seiner Mutter telefoniert. "Ich habe alles getan, um uns zu schützen. Aber dies ist ein schrecklicher Ort, ich fühle mich wie ein Lockvogel." Ansage Crossing Lines, Crossing Lives Ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt Ein Feature von Kai Adler O-Ton Najwa On the 25th of March 2003 ... my hands are in a pool of blood. Übersetzerin Am 25. März 2003 fuhren mein Mann George, ich und unsere zwei Töchter Marianne und Christine hier in Bethlehem die al Madbassa Straße entlang. Wir sahen zwei israelische Jeeps und Soldaten. Das ist nichts Besonderes. Wir fuhren also weiter und als wir an ihnen vorbei fuhren, hörte ich Schüsse. Meine Töchter schrien: Mein Gott, sie schießen auf uns! Ich sagte ihnen, sie sollten Ruhe bewahren, wir hätten doch nichts verbrochen. Dann schrie Christine noch einmal. "Mama, sie schießen auf uns!" George rief den Soldaten zu, sie sollten aufhören, wir seien ganz normale Zivilisten. Auf einmal hörten die Schüsse auf. Ich fragte George, Marianne, Christine, ob sie okay seien. Doch von Christine kam keine Antwort. Sie war hinter Georges Sitz zusammengesackt. Ich stand auf, um zu sehen, was passiert war. Als ich sie in die Arme nehmen wollte, fasste ich in eine einzige Blutlache. Erzählerin 4791 Palästinenser wurden vom Beginn der zweiten Intifada im Jahre 2000 bis zu deren offiziellem Ende im Dezember 2008 vom israelischen Militär getötet. 582 Israelis, darunter 237 Zivilisten, wurden während dieses Zeitraums von Palästinensern getötet, 39 von ihnen waren Kinder. 952 Kinder kamen auf palästinensischer Seite um. Die israelische Menschenrechtsorganisation Bt'selem führt akribisch Buch über die Opfer. O-Ton George We lived six months after the incident.. we couldn't ... . And we would like you to join. 1. Übersetzer Ganze sechs Monate schafften wir es nicht, nach Hause zurück zu kehren. All die Erinnerungen, ihre Kleidung, all ihre Dinge waren dort. Die Beerdigung - das war sehr hart für uns. Nur einen Monat später erhielten wir einen Telefonanruf. Die Anrufer stellten sich als Israelis, als Juden, vor. Sie wollten uns treffen. Ich war zunächst erstaunt ? was wollten diese Leute von uns? Aber dann dachten wir, warum nicht, es sind Menschen wie wir. Marianne, meine Frau und ich trafen uns mit ihnen in einem Restaurant. Jeder von ihnen hatte seine Geschichte, erzählte, was seinen Kindern zugestoßen war und wir erzählten unsere Tragödie. Und wir sagten, dass wir nicht an Rache interessiert sind. (Sie erzählten uns auch, dass sie zu einer Organisation von Israelis und Palästinensern gehörten, die einen Familienangehörigen in diesem Konflikt verloren haben. Und sie luden uns ein, mit dabei zu sein.) O-Ton Yitzhak Frankenthal I was a business man until 1994 .... both nations 2. Übersetzer Bis 1994 habe ich als Geschäftsmann gearbeitet. Dann, am 7. Juli 1994, wurde mein Sohn Arik von der Hamas gekidnapped und umgebracht. Mir war klar, dass ich Arik verloren hatte, weil es keinen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern gibt. Nach den traditionellen sieben Tagen der Trauer, setzte ich mich hin und schrieb einen Brief an den damaligen Premierminister Yitzhak Rabin und an Shimon Perez, der damals Außenminister war, sowie an Ehud Barak, den damaligen Oberbefehlshaber. Ich schrieb: Der einzige Weg, diesen fürchterlichen Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen, ist, einen palästinensischen Staat an Israels Seite zu schaffen. Erzählerin Yitzhak Frankenthal stammt aus einer Familie orthodoxer Juden. Auch er ist religiös. Den Kampf um Frieden hält er für seine menschliche und für seine religiöse Pflicht. Nach der Ermordung seines Sohnes richtete er eine Stiftung zu dessen Gedenken ein und widmet sein Leben dem, was er als Ariks Vermächtnis bezeichnet: Den Dialog zwischen Palästinensern und Israelis. Auf Yitzhak Frankenthals Schreiben antwortete Ehud Barak mit einem Besuch. Kurze Zeit später war Frankenthal bei Rabin zu Gast. Er wurde zu dessen Vertrautem und Unterstützer, begleitete ihn nach Oslo, wo Rabin zusammen mit Arafat den Friedensnobelpreis erhielt ? 1994, in Ariks Todesjahr. O-Ton Yitzhak Frankenthal It happened on October 1994, there was a big demonstration ... . 2. Übersetzer Im Oktober '94 fand vor dem Sitz des Premierministers Rabin eine große Demonstration trauernder israelischer Eltern statt. Ihre Nachricht an Rabin war: "Stoppt die Verhandlungen, denn das schafft nur Terror. Seitdem wir mit den Palästinensern reden, gibt es Terror." Ich nahm den Telefonhörer und rief Rabin an, kurz darauf besuchte ich ihn in seinem Büro und sagte ihm, dass diese Menschen nicht in meinem Namen sprechen und dass er mit den Verhandlungen fortfahren muss. Ich schlug ihm vor, dass er mir all die Namen jener Eltern geben solle, die seit der Amtseinführung von Menachem Begin im Jahr 1977 ihre Kinder verloren haben und dass ich mit ihnen eine Gruppe von Eltern wie mir gründen will: Hinterbliebene, die sich für Versöhnung und Frieden einsetzen. Erzählerin Rabin glaubte nicht, dass seinem Unterstützer das Vorhaben gelingen könnte. Als die erbetene Adressenliste ausblieb, sucht Yitzhak Frankenthal selber nach Angehörigen von getöteten Zivilisten. O-Ton Yitzhak Frankenthal I found 422 families. I wrote ... . For reconiliation, tolerance and peace.. 2. Übersetzer Ich fand 422 Namen, 350 davon habe ich angeschrieben. Ich bekam zwei hässliche und 44 positive Antworten von Menschen, die mich unterstützten. Während unseres ersten Treffens schlug ich vor, auch die palästinensischen Eltern einzuladen, um zu. sehen, ob auch sie an Versöhnung interessiert sind. Die anderen waren einverstanden. So fuhr ich also nach Gaza und in die Westbank und traf viele, viele palästinensische Eltern. Und wir schafften es, gemeinsam eine Gruppe von trauernden israelischen und palästinensischen Eltern zu gründen, die sich gemeinsam für Versöhnung, Toleranz und Frieden einsetzen. Atmo/O-Ton Ali und Aaron stellen sich in Ansprache kurz vor Erzählerin Eine Veranstaltung in Tel Aviv. Der Palästinenser Ali Abu Awwad und der Israeli Aaron Barnea vom Parents Circle sprechen vor jungen Studenten und erzählen ihre Geschichte. Ali Abu Awwad, der nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Militärs zu der Veranstaltung in Israel kommen durfte, berichtet, wie er verwundet, sein Bruder erschossen und sein Neffe schwer verletzt wurde und er erzählt von dem Kampf seiner Familie während der ersten Intifada. O-Ton Ali My contact with non-violence. ... 5000 palestinians. In 1993 I realized the huge power of non-violent resistance ... .. humanity. 2. Übersetzer Meinen ersten Kontakt mit dem gewaltfreien Widerstand hatte ich 1993, im Gefängnis. Als Teil eines Gefangenen - Komitees habe ich einen Hungerstreik mit organisiert. Ich habe dabei die immense Kraft des gewaltfreien Widerstandes entdeckt: In der Gewaltfreiheit entziehst du dich jeglicher militärischer Logik. Du bist nackt bis auf dein Menschsein. Und dadurch sprichst du deinen Feind unmittelbar an, berührst ihn in seiner Menschlichkeit. O-Ton Aaron This is our fundamental mission to show ..... I believe that reaching the other side with this message is of fundamental importance. 1. Übersetzer Das ist unser Hauptanliegen: der anderen Seite zu zeigen, dass wir Menschen sind. Menschen mit einer Geschichte, mit Leid. Menschen, die komplex sind, die Wünsche haben, die Familien haben, Menschen, die leben wollen. Dass auf beiden Seiten Menschen stehen. Das Problem ist, wie wir diese Schwelle überwinden und die jeweils andere Seite mit dieser Botschaft erreichen können. Erzählerin Sie sprechen vor palästinensischen und israelischen Schülern, vor Besuchergruppen, in Israel, in der Westbank sowie im Ausland. Für die meisten der jungen, aber auch für viele ältere Zuhörer ist es das erste Mal, dass sie einem Palästinenser beziehungsweise einem Israeli begegnen, dass sie die Geschichte der anderen Seite, kennen lernen. Die meisten israelischen Kinder seien schon weit gereist und hätten viel von der Welt gesehen, hatte Robi Damelin, die Mutter des erschossenen Soldaten David, gesagt. Kaum ein israelisches Kind jedoch habe jemals Kontakt zu den nur wenige Kilometer entfernten palästinensischen Nachbarn gehabt. Und, so hatte sie hinzugefügt, fast jedes palästinensische Kind und fast jeder Erwachsene hätte Israelis ausschließlich als Soldaten erlebt. O-Ton Aaron I came to Israel as a convinced zionist and I am still a convinced zionist. The zionist narrative was my narrative. ( ... ) But I believe in the last years.. when I met the people. ... in Hebrew to enter into the shoes, namely the perspective of the other side. It is of extreme importance. 1. Übersetzer Ich kam als überzeugter Zionist nach Israel. Die zionistische Geschichtsschreibung war die meine. Doch in den letzten Jahren, als ich mehr und mehr den Palästinensern zugehört habe, fing ich an zu verstehen, dass es noch einen anderen Blick auf dasselbe Problem gibt. Nicht, dass ich das nicht schon früher gewusst hätte, aber es wurde mir verständlicher, als ich den Menschen auch wirklich begegnete. Das Wichtige ist, nicht nur die andere Geschichte zu kennen, sondern auch zu begreifen, welche Rolle die eigene Erzählung der eigenen Geschichte bei der Schaffung des eigenen Bewusstseins spielt. Bei der Schaffung der eigenen Ideologie. Das zu verstehen, ist ein extrem wichtiger Teil der Versöhnungsarbeit. Ich bin überzeugt, dass man nie einen wirklichen Dialog oder Verhandlungen mit irgendjemandem führen kann, ohne zu versuchen, in die Schuhe des andern zu schlüpfen, wie man im Hebräischen sagt. Das ist extrem wichtig. Erzählerin Aaron Barneas Eltern stammen aus Osteuropa und waren noch vor dem zweiten Weltkrieg und der Naziherrschaft nach Argentinien ausgewandert, von wo Aaron 1958, zwei Jahre nach dem Sinai-Feldzug, nach Israel einwanderte. Als überzeugter Zionist und Sozialist verkörperte er die frühen Ideale des jungen israelischen Staates. Er kämpfte im Sechstagekrieg, erlebte den Yom Kippur-Krieg von 1973 und verfolgte die fortwährenden Auseinandersetzungen im Libanon. Er schaute mit an, wie die PLO gegründet wurde und wie sich die Palästinenser Gehör in der Weltöffentlichkeit zu verschaffen begannen. O-Ton Aaron When the palestinian people took the historical ... .. In our lives. And it gave my zonist view a new dimension. 1. Übersetzer Als die Palästinenser 1998 die historische Entscheidung trafen, die Grenzen von 67 anzuerkennen und über einen eigenen Staat innerhalb dieser Grenzen zu verhandeln, war das eine gewaltige Veränderung. In unserem Leben. In unserem Denken. (...) Das gab meiner zionistischen Überzeugung eine neue Dimension. Erzählerin Als die National Assembly der Palästinenser 1998 aus ihrem algerischen Exil diese Entscheidung bekannt gab, diente Aarons jüngster Sohn, Noam, noch im besetzten Südlibanon. Er war Teil eines Spezialkommandos, das von der libanesischen Hizbollah gelegte Bomben entschärfte. Bereits Aarons ältere Kinder, Dana und Alon, hatten in einer Eliteeinheit der israelischen Streitkräfte gedient. O-Ton Aaron We received the news, it was on April 12th ... .. about his being killed. 1. Übersetzer Wir erhielten die Nachricht am 12. April 1999. Dem Abend des Holocaust-Gedenktages. Ich erzähle den Kindern dann gewöhnlich immer unsere Geschichte. Ich kam gerade nach Hause, es war gegen acht, der Zeitpunkt, an dem in Israel immer die Eröffnungszeremonie der Holocaust-Gedenkfeier stattfindet. Der Fernseher lief, Weizmann fing gerade an, die Feier zu eröffnen, als es an der Tür klopfte. Erzählerin Fünf Tage später, am 17. April, hätte Noam aus der Armee entlassen werden sollen. Er war von Anfang an gegen den Einsatz gewesen. An seinem Todestag trug er ? gegen die Gesetze des Militärs ? einen politischen Sticker. "Lasst den Libanon in Ruhe!" "Wenn ich nicht protestieren darf, schickt mich doch nach Hause", hatte er seinem Befehlshaber erwidert, als der ihn darauf hinwies, dass Soldaten keine politischen Äußerungen auf ihren Uniformen tragen dürften. Noam blieb, trotz des Stickers. Er war der erfahrenste Kämpfer seiner Einheit. Kurz von dem Abzug seiner Truppe hatte er noch eine letzte Bombe entschärfen wollen. Er wollte den Libanesen die tödliche Saat auf ihren Feldern nicht hinterlassen. Während er an dem Sprengsatz arbeitete, wurde dieser von der Hizbollah ferngezündet. Der vermeintliche Blindgänger war eine Falle. Die Hizbollah filmte Noams Tod und stellte das Video auf ihre Website. Tage später brachte seine Einheit der Familie Noams persönliche Besitztümer zurück. Darunter den Sticker, den er auf der Brust getragen hatte, als er starb. Atmo: Autofahrt Erzählerin Die Sonne brennt sich in die karge Landschaft, weiß und klar. Wir fahren von Tel Aviv nach Jerusalem und dann weiter nach Bethlehem. Ein Checkpoint, wir müssen aussteigen, Ausweise und Taschen werden kontrolliert. Wir passieren eine weitläufige Sicherheitsanlage und sind im Westjordanland. Der Weg wird staubiger. Die Straße führt durch Bethlehem hindurch in das Dörfchen Beit Ummar, im Distrikt von Hebron. Hier wohnt Ali Abu Awwad mit seiner Familie. O-Ton Ali Originally we are coming.... my mother is from Beit Ummar. 2. Übersetzer Ursprünglich kommen wir aus einem Dorf namens al Kebeba. Ein palästinensisches Dorf, das schon vor 1948 existierte, vor der Nakba, der Vertreibung der Palästinenser. Das Dorf liegt nun in Israel, es heißt heute Lachisch. Nach ihrer Vertreibung hat meine Familie an vielen Orten gelebt. Ich selbst war damals natürlich noch nicht geboren. Meine Familie ging 1967, als Israel die Westbank besetzte, nach Jordanien. Noch immer wohnen einige meiner Geschwister dort. Ihnen ist es bis heute nicht erlaubt, hier in die Westbank zurück zu kehren. Wir sprechen von sehr engen Familienangehörigen. Als meine Mutter meinen Vater heiratete, zogen sie nach Beit Ummar. Erzählerin Alis Mutter ist vor zwei Jahren gestorben. Sie war eine politisch und sozial aktive Frau, eine der ersten weiblichen Führungskräfte der PLO, die für ihr Engagement von der Gesellschaft zutiefst geachtet wurde. Schon früh hatte sie die Kinder zu Demonstrationen und Veranstaltungen mitgenommen. O-Ton Seham My mother is like a mountain, she is a very wise woman, she refused to keep silent Übersetzerin Meine Mutter war wie ein Berg, eine sehr weise Frau, die den Mund nicht halten wollte. Erzählerin Seham, Alis ältere Schwester, schenkt starken, schwarzen Kaffee ein. Wir sitzen in ihrer Küche, die Geschwister rauchen. Auf dem Tisch liegen Fotos der Mutter. Verblichene Aufnahmen einer rundlichen kleinen Frau. "Da, dieses Kleid trug sie bei meiner Hochzeit", sagt Seham, "Drei Monate hat sie daran gestickt, im Gefängnis". O-Ton Seham She chose to fight this.... a lot of marching, a lot of strike. Übersetzerin Sie wollte die Besatzung beenden, um uns, ihre Kinder, zu schützen. Sie wollte Palästina verteidigen, sie wollte Freiheit, denn innerlich war sie immer ein freier Mensch. So fing sie mit Worten an, sie versuchte, diese verrückte Besatzung mit Worten zu bekämpfen ? und mit vielen Protestmärschen und Streiks. O-Ton Ali We are growing into this. ... . All those activities were considered by the Israeli law terrorist activity. 2. Übersetzer Wir Kinder wuchsen da hinein. Bei den Treffen in unserem Haus waren wir dabei, dann wurde sie inhaftiert. Das war mein erster Kontakt mit Israelis, im Gefängnis. Ich konnte meine Mutter bei den Gefängnisbesuchen noch nicht einmal in die Arme nehmen. Wir Kinder wurden dann sehr aktiv während der ersten Intifada, wir gingen auf Demos, sprayten Slogans auf Wände, hängten die palästinensische Flagge auf ? alles Dinge, die nach israelischem Gesetz als terroristische Aktivitäten gelten. Erzählerin Beide Brüder wurden inhaftiert, erst für einige Monate, dann für längere Zeit. Weil sie protestieren, weil sie andere zum Protest anstifteten, politische Gruppen bildeten, Streiks organisierten, Parolen an Häuserwände sprühten. O-Ton Ali So finally we found ourselves inside the prison ... . And not having a single right of his life. 2. Übersetzer Schließlich fanden wir uns im Gefängnis wider. Youssef, meine Mutter, mein anderer Bruder, ich. Es gab fast niemanden mehr zuhause, nur meine Schwester und meinen Vater. Unsere ganze Familie genoss so viel Ansehen in der Gesellschaft! Für uns wurde es erst leichter, als Youssef entlassen wurde. Zwischen 1991 und 1994 war ich gemeinsam mit unserer Mutter inhaftiert. Youssef war damals 19, 20 Jahre alt. Er hatte die Schule mit 15 verlassen müssen, um uns zu unterstützen. Ich erinnere mich noch, wie er von Gefängnis zu Gefängnis, von Anwalt zu Anwalt lief, um uns zu helfen. Und er selbst hatte dabei kein bisschen Anspruch auf sein eigenes Leben. Erzählerin Im Jahr 2000, Ali Abu Awwad war 29 Jahre alt und längst entlassen, Youssef war 31, verheiratet und hatte zwei Kinder, wurde der jüngere Bruder auf einer Straße angeschossen. O-Ton Ali An Israeli settler... ... in my knee. 2. Übersetzer Ein israelischer Siedler fuhr auf der Straße von der Siedlung Kyriat Arba in Hebron nach Jerusalem. Diese Straße war bekannt dafür, dass dort Siedler Jagd auf Palästinenser machten, man nennt sie die Jagdstraße der Siedler. Dieser Siedler schoss aus dem Fenster seines Autos, während er vorbei fuhr. Noch nicht mal Tiere werden so erlegt. Ich wurde von einem Dum-Dum-Geschoss in mein Knie getroffen, das daraufhin explodierte. Bis heute habe ich 12 Splitter im Knie. Erzählerin Die Ärzte wollten das Bein amputieren, doch die Mutter bestand auf einer Behandlung in Saudi Arabien. Dort erhielt er einen Monat später, seine Mutter saß an seinem Bett, einen Anruf: Sein Bruder Youssef war an einem Checkpoint mit einem Schuss in den Kopf aus 17 Zentimetern Entfernung getötet worden. Er hatte angehalten, um eine Gruppe Kinder, die Steine warfen, zu stoppen. Der diensthabende Soldat hatte sich über den Einfluss, den der junge Mann auf die Kinder ausübte, gewundert und mit ihm gestritten. "Versuch nicht, den Helden zu spielen" soll er gesagt haben. Youssef erwiderte, er versuche nur, zu verhindern, dass irgendjemand verletzt werde. "Halt den Mund, sonst erschieße ich dich", soll der Soldat erwidert haben. "Du kannst mich nicht erschießen, ich habe nichts getan" sollen Youssefs letzte Worte gewesen sein. O-Ton Seham Waiting for her to Saudi Arabia.... ... she was full of tears. Übersetzerin Als ich auf die Rückkehr meiner Mutter aus Saudi Arabien wartete, war ich mir sicher, dass sie verrückt geworden sei. Doch sie war völlig ruhig. In ihr aber, das wusste ich, tobte die Hölle. Äußerlich jedoch blieb sie ruhig, sie trug Youssef zu Grabe, sie kümmerte sich um Ali. Aber wenn ich sie allein traf, wurde mir klar, dass sie zu sterben begonnen hatte. Sie sagte, ich werde nicht zulassen, dass mich das zerstört. Ich muss stark sein ? für meine Kinder. Doch wenn sie sich abends schlafen legte, weinte sie die Kissen nass. O-Ton Ali After Youssef was killed, I didn't want to speak ... . ... you put it it in one person. 2. Übersetzer Nachdem Youssef getötet worden war, wollte ich mit niemandem sprechen. Ich wollte keinen einzigen Israeli sehen. Sie waren für mich alle Soldaten, wie sie am Checkpoint am Eingang unseres Dorfes standen. Das war für mich das israelische Antlitz. Jeder Israeli war ein Mörder meines Bruders. Das ist etwas, was man durch die Versöhnung lernt: Du lernst, deinen Fall zu spezifizieren. Ihn auf eine Person zu beziehen. Bevor ich die andere Seite kennen lernte, war jeder für mich ein Verbrecher. Akustische Zäsur 1. Übersetzer Mein lieber Noam.... Erzählerin ...schreibt Aaron Barnea in einem der zahlreichen Briefe an seinen toten Sohn. 1. Übersetzer ...Sieben lange Jahre haben wir uns nun nicht mehr gesehen und auch in meinen Briefen an Dich scheinst du mir jedes Mal ein Stückchen weiter in die Ferne gerückt zu sein. Dein Geburtstag am 16. Juni war ein sehr ruhiger Tag, ohne Kuchen, ohne Ballons, ohne Geschenke. Wie üblich besuchten deine Mutter und ich dein Grab ? wirklich der letzte Ort, an dem man erwarten würde, dich zu treffen. Du wärest jetzt 29 Jahre alt, wenn nicht... ja, es macht mich verrückt, zu denken, was wäre, wenn nicht.... Ich trage dein Bild in mir, das Bild des lachenden Jugendlichen, lebhaft, unerschrocken und weise, ein Intellektueller, der seine Liebe für den Frieden in die Welt hinaus schreit. (...) Für mich bist zu einem Symbol, einer Flagge, in diesem nie enden wollenden Kampf um Frieden geworden. Ich schreibe über dich, ich rede über dich, ich zeichne dich. (...) und schon wieder höre ich Fanfaren, die zum Krieg rufen und von der primitiven Idee künden, dass mit Macht alle besiegt werden können. Siehst du, mein Sohn, unser gemeinsamer Kampf ist noch nicht beendet! Ich werde von Zeit zu Zeit zu Dir zurück kehren, um innere Kraft von Dir zu schöpfen. Dein dich ewig liebender Aba. O-Ton Robi Damelin I am a big fixer ... .. I looked into the eyes ... how the other felt. Übersetzerin Ich konnte die Dinge in meinem Leben immer wunderbar reparieren. Aber das hier nicht... Und als ich eingeladen wurde, die Gruppe zu besuchen, hatte ich kein besonderes Interesse, mitzumachen. Aber als ich dann in die Augen der palästinensischen Mütter schaute, wusste ich, dass wir die selben Schmerzen teilen. Das macht einen gewaltigen Unterschied und ich verstand auf einmal, wie kraftvoll dieses Werkzeug geteilten Leids ist. Das hat sofort Vertrauen zwischen uns geschaffen. Viele Barrieren, die wir nicht mehr brechen mussten, weil wir wussten, wie der andere fühlt. Erzählerin 2004, zwei Jahre nachdem er Robi Damelins Sohn David aus dem Hinterhalt erschossen hatte, wurde der palästinensische Scharfschütze Ta'er Hamad gefasst. Für die Ermordung von insgesamt zehn Menschen erhielt er elf mal lebenslänglich. Robi Damelin war damals bereits in der Gruppe trauernder Eltern aktiv. Sie überlegte in vielen schlaflosen Nächten, was sie nun tun sollte. Am Ende entschloss sie sich, ihm einen Brief zu schreiben. Es dauert, bis sie eine Antwort erhielt. 1. Übersetzer Vor kurzem habe ich von einem Brief erfahren von Robi Damelin, Mutter des Soldaten David, der in der Operation getötet wurde, für die ich zu elfmal lebenslänglich verurteilt wurde. Ich kann die Mutter des Soldaten nicht direkt anschreiben. (...) Denn meine Hand verweigert sich, in einem Ton zu schreiben, der die Rechte unseres Volkes missachtet. Ich kann nicht in Dialog treten mit jemandem, der darauf besteht, den Verbrecher und das Opfer, die Besatzer und ihre Opfer, auf eine Ebene zu stellen. Dies ist meine Antwort auf den Brief von Mrs. Robi und ich kritisiere hiermit ihren sarkastischen Stil, wenn sie glaubt, dass es möglich wäre, durch emotionale Worte diesen Jahrzehnte währenden Konflikt zu lösen. O-Ton Robi Damelin Talking about my journey with the sniper that killed David ... it has been such a test. Phoning up Eran ... this is the beginning of a dialogue Übersetzerin Etwas, das ich auf meiner inneren Reise mit dem Scharfschützen, der David erschoss, gelernt habe, ist, aufzugeben, ein Opfer der Umstände zu sein. Ich habe ihm diesen Brief geschrieben und ich meinte jedes Wort, das ich schrieb. Und da hatte ich die erste Ahnung davon, was es heißt, aufzuhören, ein Opfer zu sein. Als ich dann die Antwort von Ta'er bekam ? es hat sehr lange gebraucht, bis ich es schaffte, seinen Namen auszusprechen... es war eine solch gemeine, grausame Antwort... das war ein solcher Test. (...) Ich rief meinen Sohn Eran an und fragte ihn, was ich tun solle. Ich war sicher, dass er mir sagen würde: Mama, um Gottes willen, lass den Scheiß. Genug ist genug. Aber er sagte: Hör zu, vielleicht ist das der Beginn eines Dialogs. Erzählerin Mit ihrer Dialogbereitschaft ist die Gruppe sowohl auf israelischer wie auf palästinensischer Seite in der Minderheit. Über 500 Mitglieder zählt sie inzwischen, doch die Zahl jener Eltern, die nach Rache und militärischer Härte verlangen, sei wesentlich größer, sagt Yitzhak Frankenthal, der Gründer des Parents Circle. Die israelische Regierung behandele sie freundlich, von offizieller Seite käme keine Kritik an der Versöhnungsarbeit. Schließlich wage kaum einer, jemanden, der das eigene Kind verloren habe, einfach zu überhören. Ihre Stimme habe Gewicht. Und auch Ali Abu Awwad hatte bestätigt, dass die Hamas die Arbeit der Gruppe nicht behindere. Atmo: Khol Shalom-Radio, Begrüßung Rami und Bassam Erzählerin Ein Donnerstag Nachmittag im Studio von Khol Shalom, Peace Radio, eines privaten, von der kanadischen Hilfsorganisation Search for Common Ground aufgebauten Radiosenders, der über Äther den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern sucht. Einmal die Woche zeichnen der Palästinenser Bassam Aramin und der Israeli Rami Elhanan hier eine einstündige Radiosendung auf. Sie sprechen über den Siedlungsbau in Ostjerusalem oder den Angriff auf die Hilfsflotte vor Gaza, sie diskutieren über ein neu erschienenes Buch oder über die ideologische Färbung israelischer und palästinensischer Schulbücher. Beide wohnen in Jerusalem, der Israeli Rami im Westen, der Palästinenser Bassam im Osten. Kennen gelernt aber haben sie sich nicht als Bewohner derselben Stadt, sondern über Ramis jüngsten Sohn Elik. Der ehemalige israelische Soldat und der einstige Straßenkämpfer Bassam hatten gemeinsam die Combatants for Peace gegründet ? eine Gruppe ehemaliger israelischer und palästinensischer Kämpfer, die sich gemeinsam um Frieden bemühen. Schon damals überschattete ein Ereignis das Leben von Rami Elhanan und dessen Familie: Der Tod seiner jüngsten Tochter, Smadar. O-Ton Rami Elhanan Smadar was murdered ... my 14 years old daughter. 2. Übersetzer Smadar wurde am vierten September 1997 ermordet. Einem Donnerstag. Um drei Uhr nachmittags sprengten sich zwei palästinensische Selbstmordattentäter in der Ben Yehuda Street in Westjerusalem in die Luft. Sie töteten fünf Menschen, darunter drei kleine Mädchen. Meine Tochter war 14 Jahre alt. 1. Übersetzer (Brief Bassam an Rami) Mein lieber Rami, meine liebe Nurit, ich weiß nicht, wie ich diesen Brief beginnen soll, in dem ich hoffe, Euch als Euer Bruder meine ganze Anteilnahme ausdrücken zu können... heute, an diesem traurigen Tag, dem Todestag Eurer schönen und unschuldigen Tochter Smadar. Es gibt keine Zweifel, dass dies der traurigste Tag ist, den man sich vorstellen kann. Als wir uns vor drei Jahren das erste Mal begegneten, hatte ich nicht den Mut, Euch darauf anzusprechen. Ich wollte Euer Leid nicht verschlimmern. Und ich hoffte, dass die Zeit dazu beitragen würde, Eure Wunden zu heilen. Doch nachdem ich selbst von diesem bitteren Krug gekostet habe, als meine Tochter Abir am 16ten Januar 2007 getötet wurde, da verstand ich, dass Eltern nie auch nur eine einzige Sekunde vergessen. Wir leben unser Leben auf besondere Weise, die andere nicht kennen oder verstehen und ich hoffe, dass kein anderer Mensch, weder Israeli noch Palästinenser, dies je verstehen und erfahren muss. O-Ton Bassam Abir was one of the palestinian ... . Just like them 1. Übersetzer Abir gehörte zu den palästinensischen Kindern, die mit der Besatzung groß werden. Aber ich tat mein bestes, damit sie so wenig wie möglich von diesem Konflikt mitbekam. Ich will, dass meine Kinder ein normales Leben haben. Ich will nicht, dass sie leiden. Zweimal haben vier meiner Kinder an einem Sommerlager zusammen mit anderen israelischen und palästinensischen Kindern teilgenommen. Ich will, dass sie die andere Seite kennen lernen, dass sie sehen, dass auf der anderen Seite Kinder wie sie leben. Erzählerin Es sei, als wäre ihnen dieselbe Tragödie ein weiteres Mal widerfahren, sagt Rami Elhanan über den Tod von Bassams Tochter. Abir war zehn Jahre alt, als sie von einem israelischen Soldaten vor ihrer Schule erschossen wurde. Ihr Geburtsjahr ist das Todesjahr von Ramis Tochter Smadar. Mit ihren braunen, zum Zopf gebundenen Haaren ähneln sich die beiden Mädchen sogar. Smadar hat dieselben lachenden Augen wie ihr Vater. Dreizehn Jahre ist die Aufnahme bereits alt. O-Ton Rami I think it is indescribable ... . We need to protect them 2. Übersetzer Es ist nicht zu beschreiben. Selbst, wenn man es selbst erlebt hat, kann man es sich nicht vorstellen. Wenn ich mir meinen Vater anschaue: Er ist ein Holocaust-Überlebender, er hat seine gesamte Familie in Auschwitz verloren: seine Mutter, seinen Vater, seine Brüder und Schwestern. Er hatte einst eine große Familie in Ungarn. Als er die Nachricht von Smadars Tod bekam... es ist jenseits menschlicher Kraft. Er ist nie wieder derselbe gewesen. Andererseits gibt dir genau das die Kraft, nicht die Opferrolle anzunehmen. Wir sind stark, wir müssen nach vorne schauen, um unsere Kinder zu schützen, von beiden Seiten. Das sind die Unschuldigsten in diesem Konflikt, diejenigen, die den höchsten Preis zahlen. Wir müssen sie schützen. Erzählerin Bassam Aramin zieht vor Gericht. Er möchte erwirken, dass das israelische Militär eine Untersuchung einleitet, um herauszufinden, welche Umstände zur Erschießung der kleinen Abir an diesem sonst so ruhigen Schultag geführt haben. Rami Elhanan unterstützt und begleitet ihn dabei. O-Ton Rami This is the key word, respect. Erzählerin Der Schlüsselbegriff für unsere Beziehung ist Respekt, sagt Rami Elhanan. O-Ton Rami The ability to listen ... .. 2. Übersetzer Die Fähigkeit, einander zu zuhören. Und uns zu respektieren. Wenn ich mir die Geschichte der Nakba anhöre, muss ich das nicht mit meinem Holocaust vergleichen. Man muss nichts miteinander vergleichen. Aber die Fähigkeit zuzuhören, ist die Möglichkeit, eine Zukunft zu schaffen. Wenn man allerdings den Schmerz ignoriert, wenn du ihn unter den Teppich kehrst, wird er dich anspringen ? und zwar in dem Moment, an dem du das am wenigsten erwartest. Erzählerin Rami sagt das mit einem Lächeln. Er lacht viel, doch er wirkt zugleich müde, erschöpft. Es ist dieselbe Trauer und Melancholie, die sich auch in Bassams ernstem, zurückgenommenen Blick wiederfindet. O-Ton Rami It doesn't get easier with time ... . Brother anymore 2. Übersetzer Es wird überhaupt nicht leichter. Im Gegenteil. Zu verstehen, dass diese Leere bleibt, und dass sie nur noch düsterer wird. Jeder in meiner Familie hat seinen eigenen Weg gewählt: Mein Sohn Elik gründete die Combatants for Peace, mein mittlerer Sohn Guy macht Theaterarbeit mit palästinensischen Kindern. Mein jüngster ringt mit sich. Er ist jetzt siebzehn einhalb und beendet gerade die Schule. Er muss die schwierigste Entscheidung seines Leben treffen: ob er zum Militär geht oder nicht. Er ist in einem schrecklichen Dilemma, denn wenn er geht, wird er vielleicht Bassam an einem Checkpoint begegnen. Bassam ist wie ein Onkel für ihn. Verweigert er, wird er all seine Freunde, seine soziale Struktur, seine Kultur verlieren. Das ist äußerst schwierig für ihn. Und der Druck ist enorm. Atmo: außen, Stadt Erzählerin Es ist früher Abend geworden, die Radiosendung ist aufgezeichnet, die beiden Männer sind im benachbarten Restaurant mit Ramis Frau Nurit verabredet. Draußen scheint die Sonne trotz des hereinbrechenden Abends mit unverminderter Kraft. Jerusalem leuchtet, betört mit seiner Schönheit und wirkt zugleich hart und abweisend. Gleißend und klar wie die Sonne, die sich in seine Steine brennt. O-Ton Rami I have a deep, very deep connection... bevor i startedt this journey. 2. Übersetzer Mich verbindet ein tiefes, tiefes Gefühl mit diesem Land, mit der Gegend, mit seiner Geschichte und Bestimmung. Als Jude. Ich blicke auf 3000 Jahre Geschichte zurück. Ich muss mich und meine Liebe zu diesem Land ständig neu definieren. Ich bin nicht mehr derselbe, der ich vor 13 Jahren war, nicht mehr derselbe Jude, derselbe Israeli. Ich bin sogar nicht mehr derselbe Mensch, der ich vorher war, bevor ich mich auf diese Reise begab. O-Ton Bassam Maybe Rami told you that we have no other place .... this is our history. 1. Übersetzer Rami wird vielleicht bereits gesagt haben, dass wir kein anderes Land haben als dieses hier. Israelis und Palästinenser. Gut, man kann vielleicht irgendwo anders wohnen, in Deutschland oder sonst wo. Aber hier sind nun mal unsere Wurzeln, hier sind unsere Erinnerungen, hier ist unsere Historie. O-Ton Rami My connection to his country ... . anywhere else. Ever. 2. Übersetzer ... Es ist der Geruch, die Luft, die Geschichte, die Menschen, es sind meine Erfahrungen, meine toten Freunde in der Armee, es ist meine tote Tochter. Alles, was eine Heimat zu einer Heimat macht. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals irgendwo anders zu leben. O-Ton Bassam I really cannot imagine ... . This is paradise. 1. Übersetzer Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, zwei Wochen irgendwo zu sein, ohne Rami zu treffen. Das hier ist unsere Umgebung. Und es ist eine sehr schöne Umgebung. Wir müssen diesen Konflikt beenden und dann kann das hier das Paradies sein. Absage Crossing Lives, Crossing Lines Ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt Ein Feature von Kai Adler Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2010 Es sprachen: Sigrid Burkholder, Susanne Barth, Michael Wittenborn und Gregor Höppner Ton und Technik: Ernst Hartmann und Anne Bartel Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Hermann Theißen 2