DEUTSCHLANDFUNK - Köln im Deutschlandradio Redaktion Hintergrund Kultur Essay & Diskurs Barbara Schäfer Essay & Diskurs Drohnen, Roboter und selbstfahrende Autos Über die gesellschaftliche Relevanz der Automatisierung-Revolution Von Christian Schiffer Sprecherin: Lisa Jopt Sprecher 1: Jonas Baeck Sprecher 2: Jean Paul Baeck Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Sonntag, 23. März 2014, 09:30 - 10:00 Uhr Atmo Sprecher 1: Unzählige Kartons, hohe Regale. Eine riesige Lagerhalle. Ein kleines Päckchen bahnt sich seinen Weg durch ein gigantisches Verteilzentrum des Internet-Versandriesen Amazon.com. Am Ende seiner Odyssee durch das labyrinthartige System aus Schleusen und Rollbändern wird es an seinen beiden Längsseiten gepackt und erhebt sich in die Lüfte. Eine Drohne steigt mit dem Päckchen in den blauen Himmel empor, fliegt damit über idyllische Felder und setzt es am Ende behutsam im Garten eines zufriedenen Amazon-Kunden ab. Sprecherin: So zeigt es ein Video für "Amazon Prime Air", das am 1. Dezember 2013 veröffentlicht wurde. Was für eine Vorstellung! Der Kunde drückt aufs Knöpfchen und schon 30 Minuten später ist die Bestellung da, oder sogar noch schneller. Kein Stau. Kein zähfließender Verkehr am Autobahndreieck Allershausen. Kein Stop-and-go. Keine roten Ampeln. Keine Zigarettenpausen von Lastwagenfahrern. Keine Sperrung der rechten Fahrspur aufgrund von Bauarbeiten. In fünf Jahren soll es soweit sein, das hat Amazon-Chef Jeff Bezos dem US-Fernsehsender CBS gesagt: Atmo Sprecher 1: Noch klingt das alles nach Science Fiction, schon bald könnte es aber Realität sein, meint der Amazon-Chef. Das größte Hindernis sei die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA, die man noch von der Sicherheit des Systems überzeugen müsse. Aber an sich: kein Problem! In vier oder fünf Jahren schwirren sie dann über unseren Köpfen, die Quadrocopter-Drohnen von Amazon. Natürlich: Bücherregale, Kugelgrille, Gewichtheberhanteln und Flachbildfernseher wird man wohl erstmal nicht mit den kleinen Drohnen transportieren können. Wenn "Amazon Prime Air" kommt, dann zunächst nur für Lieferungen bis zweieinhalb Kilogramm, und auch dann haben die Drohnen eine maximale Reichweite von nur 16 Kilometern. Sprecher 2: Was für ein Unsinn! Oder genauer: Was für ein PR-Stunt! Da verkündet Jeff Bezos einen Tag vor dem Beginn des Weihnachtsgeschäfts, dass Amazon irgendwann irgendetwas mit Drohnen ausliefern möchte, und alle stehen sie da mit offenem Mund. Kaum ein Medium, das nicht darüber berichtet hat. Die umstrittenen Arbeitsbedingungen in den Amazon-Verteilzentren? Für ein paar Tage kein Thema mehr. Dabei könnte man seinen gesunden Menschenverstand bemühen und ein paar einfache Fragen stellen. Etwa: Wie ist das mit den Kosten? Wo landet die Drohne in Mehrparteienhäusern? Was ist mit dem Wetter? Was mit dem Lärm? Was mit den Vögeln? Und was, wenn Hacker die Drohnen kapern? Und: Wenn die Drohne eine Reichweite von 16 Kilometern hat, dann darf das Amazon-Depot doch nur maximal acht Kilometer vom Kunden entfernt sein, damit die Drohne auch wieder dorthin zurückfliegen kann... oder? Das soll effizient sein?! Sprecherin: Egal ob PR-Stunt oder echte Zukunftsvision, das Beispiel "Amazon Prime Air" zeigt: Drohnen, eines der ganz großen Technologiethemen unserer Zeit, möglicherweise sind sie sogar integraler Teil der nächsten industriellen Revolution. Sprecher 1: Und wie es Revolutionen an sich haben, wird auch diese unsere Gesellschaft drastisch umwälzen. Und zwar in ähnlichem Ausmaße, wie das vorher Motorisierung getan hat. Drohnen, aber auch Roboterautos, werden eine Frage beantworten, die die Menschheit schon seit ihrer Existenz beschäftigt: Wie transportiere ich etwas von A nach B? Und die Antwort wird sein: Nicht mehr durch Menschen. Und nicht nur das: Eine Menge Arbeit wird von den Menschen auf die Maschinen übergehen. In Das Kapital, Band 3, spricht Karl Marx von dem "Reich der Freiheit", das dort beginnt, wo die Arbeit aufhört. Vielleich bringt uns die Automatenrevolution diesem Reich ein großes Stück näher. Sprecherin: Kurz nach der der Vorstellung von "Amazon Prime Air" stellte die DHL ihren "Paketcopter" vor, und auch UPS beeilte sich zu versichern, dass man schon längst mit eigenen Drohnen experimentiere. Bereits seit einiger Zeit bringen "Dönercopter" in Freiburg im Rahmen eines Pilotprojektes Kebab mit einem unbemannten Fluggerät direkt zum Kunden. Auch die US-Pizzakette Domino's testet die Auslieferung per Drohne, das australische Unternehmen Zookal schickt regelmäßig Bücher mit zwei Drohnen an die Besteller raus. Drohnen haben schon Festivalbesucher in Südafrika mit Bier versorgt, sie werden eingesetzt, um Medikamente in entlegene Regionen zu fliegen oder um den Waldbestand zu überwachen. Dabei stehen zivile Drohnen noch ganz am Anfang: Die amerikanische Luftsicherheitsbehörde sieht 2015 7.500 zivile Drohnen am US-Himmel, bis 2025 sollen es bereits 30.000 sein. Schon jetzt wird an Regeln gearbeitet, Standards werden ausgebrütet für Systeme zur Kollisionsvermeidung, zur Kontrolle oder Kommunikation, aber auch zur Privatsphäre: Niemand will schließlich einen Oktocopter mit Kamera vor seinem Schlafzimmerfenster umherschwirren sehen. Sprecher 1: Schon heute kommunizieren intelligente Flugroboter miteinander, um einen Zusammenstoß mit anderen Drohnen in der Luft zu vermeiden. Sie können in Formation fliegen und sich koordinieren. Das Ausnutzen der dritten Dimension schafft viel Platz - die Gefahr, mit etwas zusammenzukrachen, ist dort oben im Himmel sehr viel geringer als am überfüllten Boden. Sprecher 2: Fakt ist aber auch: Die ach so intelligenten Drohnen werden vor allem für Deppentätigkeiten eingesetzt. Für all das, wofür wir uns zu schade sind. Unser Zeug sollen sie hin und her tragen und: unsere Kriege führen. Musik: Marilyn Monroe: River of no Return aus: The World of Marilyn Monroe, ZYX Music Sprecher 1: Drohnen wurden im schon im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, allerdings als Kanonenfutter, für das Zieltraining der Bordkanoniere. Die Radioplane OQ-2 war zweieinhalb Meter lang und hatte eine Spannweite von fast vier Metern. Tausende von diesen Drohnen wurden damals hergestellt, sie kamen aus einer Fabrik beim Van Nuys Airport in der Nähe von Los Angeles. Hier soll der Armeefotograf David Conover im Jahr 1944 Bilder von schönen Frauen machen, um die Jungs an der Heimatfront zu unterstützen. Er hat Glück, denn er trifft auf die bildhübsche Arbeiterin Norma Jeane Dougherty, die in der Montageabteilung der Rüstungsfabrik die Drohnen lackiert. Sofort erkennt er ihr Potential als Fotomodell. Norma lächelt ihr Lächeln, David knipst. Auf dem Foto sieht man, wie sie einen oberschenkelgroßen Drohnen-Propeller in der Hand hält und in die Kamera blickt. Norma Jeane Dougherty wird tatsächlich als Modell entdeckt und später weltberühmt - und zwar unter ihrem Künstlernamen Marilyn Monroe. Doch die Geschichte der unbemannten Fluggeräte ist noch älter. Sie beginnt eigentlich am 22. August 1849. Die Österreicher versuchen, Wien mit Luftballons anzugreifen, an denen sie Sprengladungen befestigt haben. Das funktioniert nicht wie geplant - kaum ändert sich die Windrichtung, weht es die Ballons zurück. Sprecher 2: Die Unzuverlässigkeit von unbemannten Flugobjekten hat also Tradition und endet oft tödlich. Laut der unabhängigen Journalistenvereinigung Bureau of Investigative Journalism in London wurden in Pakistan seit 2004 rund 3.000 Menschen durch Drohnenangriffe getötet, darunter mindestens 470 Zivilisten. Der Drohnenkrieg: Er ist wohl längst nicht so sauber und präzise, wie er in den offiziellen Berichten wirkt. Laut der Tagesschau muss jede einzelne Tötung durch eine Drohne persönlich vom Präsidenten genehmigt werden. Doch damit könnte es bald vorbei sein: Bald sollen Drohnen autonom entscheiden können, ob sie schießen oder nicht. Und nicht nur Drohnen. Auch Kampfroboter sollen zunehmend autonom agieren. 47 Organisationen aus 22 Ländern haben sich deswegen zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Ein Verbot für Tests, Produktion, Kauf und Einsatz tödlicher autonomer Roboter. Sprecher 1: Drohnen, Roboter, das sind typische Dual Use-Anwendungen. Sie können für grauenhafte Dinge eingesetzt werden - oder für ganz wunderbare Dinge. Mit Flugzeugen kann man Medikamente transportieren - oder Bomben. Das Internet hilft Aktivisten dabei, Demokratie zu erkämpfen - und kann dazu beitragen, sie noch effizienter zu überwachen. Hans-Arthur Marsiske ist Journalist und Herausgeber des Bandes Kriegsmaschinen - Roboter im Militäreinsatz, das 2012 im Heise Verlag erschienen ist. Er sagt, Roboter sind am Ende nur so gut oder so schlecht wie wir selbst: O-Ton 1: Hans-Arthur Marsiske: "Diesem Dual Use - wie es auf Englisch heißt - entkommen wir natürlich nicht. Also mit einem Messer kann man Menschen töten oder man kann Leben retten mit einem Messer, wenn der Arzt das Skalpell benutzt. Dem entgehen wir auch bei Robotik nicht und bei der künstlichen Intelligenz. Aber was mich daran fasziniert, weswegen ich seit über zehn Jahren ja auch diese Roboterturniere wie Roboterfußball ansehe, ist, dass es letztlich ein Spiegelbild des Menschen ist. Also wenn man sieht, welche Probleme Roboter haben, sich auf dem Fußballfeld zu orientieren, ja, wird man auf sich selbst zurückgeworfen, fragt sich unwillkürlich als Zuschauer: "Ja, wie mache ich das eigentlich? Wieso fällt das den Maschinen so schwer und mir so leicht? Was für fantastische Dinge laufen da in meinem Kopf und in meinem Organismus ab?" So gesehen, gegen künstliche Intelligenz ist nichts einzuwenden. Wir können sehr viel dabei lernen, können sehr viel über uns lernen und insofern sind wir auch bei dieser Entwicklung dieser Technologie letztlich auf uns zurückgeworfen. Also. ob wir gute oder schlechte Roboter entwickeln ist, glaube ich, untrennbar damit verbunden, ob wir unsere Gesellschaften, unsere Politik zum Schlechteren oder zum Besseren entwickeln können. Also ich denke, Roboter als Spiegelbild des Menschen zu sehen, es kann eine sehr produktive Sache sein. Aber es ist tatsächlich eine Schlüsselfrage, ob wir künstliche Intelligenz bewaffnen wollen. Es ist vielleicht ganz hilfreich, auch sich zu überlegen, Roboter ein bisschen analog zu unseren Kindern zu betrachten. Auch bei Robotik wird man mehr und mehr nicht mehr sagen "wir programmieren die Roboter", sondern "wir lehren etwas, wir erziehen sie". Und [bei] unseren Kindern überlegen wir auch, ob wir ihnen Spielzeugwaffen in die Hand geben, von realen Waffen gar nicht zu reden. Ich denke, bei Robotern sollten wir das mit einer ähnlichen Sensibilität angehen, diese Frage." Sprecher 2: Schlecht erzogene Roboter, die der Menschheit nicht als Ärger bereiten - in der Popkultur gibt es so einige davon. Zum Beispiel bei Blade Runner, bei Terminator oder bei I, Robot Sprecher 1: Hans-Arthur Marsiske: O-Ton 2: Hans-Arthur Marsiske: "Meine ethische Maxime dabei, die ich verfolge oder die ich auch propagiere, ist die, dass wir, solange wir nicht einen schlüssigen Beweis des Gegenteils haben, davon ausgehen müssen, dass wir mit künstlicher Intelligenz, mit Robotik, einen weiteren Schritt in der Evolution des Lebens in Gang setzen. Dass wir Geschöpfe ins Leben rufen, die möglicherweise sich irgendwann zu bewussten Wesen, zu leidensfähigen Wesen entwickeln können. Und auch eine eigenständige Entwicklung irgendwann eingehen, dem Menschen womöglich überlegen sind, in mehrfacher Hinsicht. Das lässt sich heute, denke ich, nicht ausschließen,es ist, es wird von vielen als Fantasterei abgetan, aber es lässt sich eben auch nicht beweisen, dass es nicht möglich ist. Und von daher, denke ich, sollten wir davon ausgehen, dass Roboter tatsächlich diese Eigenständigkeit eines Tages entwickeln können, und wenn es so ist, dann legen wir heute die Grundlagen für deren Charaktere, für deren Persönlichkeiten, für deren Art von Intelligenz." Sprecher 1: "1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen (wissentlich) Schaden zugefügt wird. 2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen - es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. 3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert." Sprecherin: So lauten die ursprünglichen Robotergesetze, die von dem russisch-amerikanischen Schriftsteller Isaac Asimov erstmals 1942 in seiner Kurzgeschichte Runaround beschrieben und später auch von dem Film I, Robot aufgegriffen wurden. Doch die Gesetze schließen sich nicht aus, Roboter müssten möglicherweise zwischen ihnen abwägen. Menschen können das, Roboter tun sich schwer damit. Sprecher 2: Also gut. Keine Waffen für Roboter, egal ob am Boden oder in der Luft. Was wir brauchen, sind umgebungsadaptive, intelligent handelnde Maschinen und Algorithmen, die das Leben leichter machen, es nicht auslöschen. Atmo Sprecher 1: 2010 hat der Internetgigant Google bekanntgegeben, an selbstfahrenden Autos zu arbeiten. Ende März 2012 veröffentlichte das Unternehmen dann einen Clip, der zeigt, wie Steve Mahan mit einem Toyota Prius zu einem Taco-Bell-Imbiss fährt. Oder besser gesagt: gefahren wird. Denn das Fahrzeug wird gesteuert wie von Geisterhand. Steve Mahan muss gar nicht den Lenker berühren, was auch wenig Sinn machen würde, denn der amerikanische Rentner ist zu 95 % blind. Sprecherin: Im August 2012 hatte das selbstfahrende Auto mit Google-Technologie schon 500.000 Kilometer zurückgelegt, und zwar unfallfrei. Im Dezember 2013 haben dann die US-Staaten Nevada, Florida, Kalifornien und Michigan offiziell selbstfahrende Autos zugelassen. Daimler arbeitet an einem selbstfahrenden Auto, Ford ebenfalls, und auch der Elektroautohersteller Tesla schraubt an einem Roboterauto, genau wie Nissan. Das japanische Unternehmen möchte ein solches Auto bis zum Jahr 2020 herstellen, und zwar in Serie. Sprecher 2: Wenn sich selbstfahrende Autos durchsetzen, und auch Transport-Drohnen, dann wäre das nichts weniger als ein Segen für die Menschheit. Wer Bilder aus dem 19. Jahrhundert ansieht, dem wird auffallen, dass früher einmal Straßen vor allem dem beweglichen Verkehr gedient haben. Und heute? Links und rechts parken Autos, dutzende von Autos, hunderte davon, tausende. Unsere Autos fahren im Schnitt weniger als zehn Prozent ihrer Zeit, den Rest stehen sie nur herum und bilden eine erstarrte und völlig unbrauchbare Blechlawine. Die Arterien unserer Städte sind verstopft mit herumstehenden Automobilen. Experten schätzen, würde man selbstfahrende Autos mit Carsharing-Modellen kombinieren, käme man wohl mit 15 oder 20 Prozent der Autos aus, die wir heute benötigen. Sprecherin: Schätzungsweise braucht man wohl auch nur 15 oder 20 Prozent der Autoindustrie, die wir heute benötigen. Und man kann wohl prophezeien: Das wird ihr nicht gefallen, der Autoindustrie. Sprecher 2: Die Emissionen würden zurückgehen, Flächen würden plötzlich frei, alte und behinderte Menschen wären mobiler. In Parkhäusern könnten Technopartys stattfinden. Unsere Städte würden lebenswerter, wohl auch größer und effizienter. Sprecherin: Für die Allgemeinheit wäre das von Vorteil. Aber dem Einzelnen ist die Allgemeinheit egal. Der Einzelne will. Und zwar selbst. Sprecher 2: Nein. Reiche Leute stellen nicht umsonst Fahrer ein. Man spart eine Menge Zeit, wenn man nicht selbst fahren muss, kann arbeiten, schlafen, spielen oder lesen. Natürlich: Geschwindigkeit und Risiko machen das Autofahren heute auch zu einer Art Alltagsabenteuer. Das wird es wohl nicht mehr sein. Autofahren, das wird sehr langweilig werden - und sehr sicher: Maschinen werden nicht betrunken, stehen nicht unter Drogen, sie haben keine Emotionen, sie sind nicht unaufmerksam oder müde, und sie können schnell reagieren. Irgendwann werden nur noch gefährliche Freaks ihr Auto selbst steuern. Vielleicht wird das Selbststeuern aber auch gleich ganz verboten werden und nur noch in einem ganz bestimmten Rahmen erlaubt sein. Vielleicht wird es spezielle Events geben, bei denen sich die Selbstfahrer-Freaks anmelden können, um dann mit anderen Selbstfahrer-Freaks unter fachkundiger Aufsicht im Kreis zu fahren. Sprecherin: Aber was, wenn die Technik doch einmal versagt? Was, wenn Prozessoren verrückt spielen oder ein Sensor ausfällt? Was, wenn die Systeme gehackt werden? Was, wenn Menschen durch Roboter zu Schaden kommen? Wer ist schuld, wenn zwei autonome Fahrzeuge kollidieren? Der Autokonzern, der Programmierer, der Zulieferer, der Passagier? Es gibt noch lange keine Regeln für selbstfahrende Autos, und das wird auch erst einmal so bleiben. Sprecher 2: Solche Regeln müssen ausgearbeitet werden, und genau das geschieht zurzeit. Das Problem ist aber möglicherweise gar nicht so sehr der rechtliche Rahmen, sondern das Misstrauen, das autonomen Automobilen entgegenschlägt. Vielleicht hat man es sogar mit einer spezifischen Art von Rassismus zu tun. Rassismus gegenüber intelligenten Maschinen. Sprecher 1: Roboter haben es schwer in Steven Spielbergs Film A.I. Artificial Intelligence aus dem Jahr 2001. Sie werden mit Säure bespritzt, verbrannt oder durch einen Ventilator geschossen. Im Film wird der Roboterjunge David von einer menschlichen Familie ausgesetzt, weil er Dummheiten gemacht hat. Und zwar Dummheiten, wie sie auch Menschenjungen machen. Er wird anders behandelt als ein Mensch, darf sich weniger erlauben. Soweit der Film. Und wie ist es in der Realität? Sprecher 2: Nehmen wir mal an, morgen würden selbstfahrende Autos durch die Straßen brausen oder Drohnen über unseren Köpfen schwirren, und plötzlich würde es knallen: Eine Drohne kollidiert mit einem Strommast und fällt in eine Menschenmenge. Bei einem selbstfahrenden Auto stimmt etwas nicht mit der Navigation, als tödliches Geschoss rast es ungebremst in die Fußgängerzone. Wie würde die Öffentlichkeit reagieren? Viele würden wohl fragen, ob man die Technik überhaupt beherrschen kann, einige würden fordern, selbstfahrende Autos und Drohnen gleich ganz zu verbieten. An Stammtischen würde es heißen, dass ein Mensch eben doch nicht durch eine Maschine zu ersetzen ist. Es ist noch nicht einmal ausgeschlossen, dass es zu Anschlägen auf Maschinen käme, zu gezielten Sabotageaktionen. Und das alles würde passieren, obwohl statistisch gesehen selbstfahrende Autos oder Drohnen sehr viel weniger Tote produzieren würden als die 3.000 Menschen, die auf der Welt heute im Straßenverkehr ums Leben kommen - und zwar jeden Tag. Einzelfälle würden aufgebauscht werden, ganz sicher! Wir Menschen sind ungerecht. Wir verzeihen den Maschinen keine Fehler und halten uns generell für etwas Besseres. Sprecher 1: Damit Maschinen keine Fehler machen, trainieren wir sie. Atmo Sprecher 1: Ende Dezember 2013 treten in Miami 17 Roboterteams aus aller Welt an zu den Robotics Challenge Trials 2013, die als Auftaktveranstaltung für einen Finalwettbewerb gelten, der dieses Jahr stattfinden soll. Die Automaten sollen beweisen, wie gut sie zum Einsatz im Katastrophenfall taugen. Denn da gibt es noch Luft nach oben: Beim Reaktorunfall in Fukushima waren die stählernen Helfer wenig hilfreich. Türschwellen entpuppten sich als störrische Hindernisse, Dampf in Reaktor 2 behinderte ihre Sicht, der Datenaustausch funktionierte nicht, aufgrund dicker Betonwände. Die Roboter wurden abgezogen. Sprecherin: Organisiert wird das Roboter-Turnier von der DARPA, der Defense Advanced Research Projects Agency, einer Behörde des US-Verteidigungsministeriums. Vor einem begeisterten Publikum müssen die Roboter verschiedene Aufgaben erledigen: eine Leiter hochklettern zum Beispiel, Trümmer entfernen oder Hindernissen überwinden. Außerdem müssen sie einen Feuerwehrschlauch montieren, Fahrzeuge lenken, Wände durchbrechen oder Türen öffnen. 32 Punkte gibt es zu holen, überlegener Sieger wird mit 27 Punkten das japanische Team SCHAFT mit seinem humanoiden Roboter. Ein Youtube-Clip zeigt die Performance des Metallkolosses. Für das Betrachten sollte man aber Zeit mitbringen. Allein für das Besteigen einer drei Meter langen Leiter braucht der triumphale Sieger etwa acht Minuten: Atmo Sprecher 1: Die japanische Firma hinter dem Sieger des Robotics Challenge Trials 2013 gehört mittlerweile zu Google. Und der Suchmaschinengigant hat sich noch mehr Roboterfirmen einverleibt, die bekannteste heißt Boston Dynamics. Und diese Firma genießt fast schon Kultstatus, was sie vor allem ihren Youtube-Videos verdankt, die spektakuläre Roboter zeigen und millionenfach im Netz angeklickt werden. 2008 etwa entwickelt sich das Video von Big Dog zum You-Tube-Hit: Ein kopfloser Vierbeiner, ein Roboter, konstruiert zum Lastentragen, durchstreift monoton summend Wald- und Schneelandschaften. Atmo Sprecherin: Über 14 Millionen Millionen Menschen haben sich das Video angesehen. 2012 kam dann Cheetah. Atmo Sprecher 2: Cheetah ist viel leiser als Big Dog, orientiert sich am Bewegungsablauf eines Gepards und stellt konsequenterweise gleich einen Geschwindigkeitsrekord für Roboter auf. Sprecherin: Ausgerechnet Google, die Datenkrake schlechthin, steigt nun also groß ein ins Robotergeschäft. Selbstfahrende Autos reichen nicht mehr, bald kommen wohl auch Drohnen dazu. Hoffentlich bleibt die Firma ihrem Motto treu, dass da lautet: Don't be evil. Sprecher 2: Doch wer, wenn nicht Google, kann der Automatisierung zu ihrem Erfolg verhelfen? Große Firmen mit entsprechendem Know-How müssen vorangehen. Innovative Firmen, die auch mal Risiken eingehen. Denn die kommende Automatisierungsrevolution könnte der Menschheit weit mehr bringen als "nur" Paketdrohnen und selbstfahrende Autos. Sprecher 1: Ein Werbevideo der japanischen Firma Panasonic zeigt einen Haarwaschroboter. Ausgeklügelte 3D-Scannertechnik tastet den Kopf ab, analysiert die Haarstruktur, anschließend wählt die Maschine das passende Haarwaschprogramm aus - außerdem kommt der User in den Genuss einer einfühlsamen Kopfmassage. Panasonic forscht noch an mehr Robotern. Vor allem Pflege- und Medizinroboter gelten als Zukunftsmarkt. Auch Toyota ist ganz vorne mit dabei, wenn es um Pflegeautomaten geht. Japan ist Vorreiter, und das verwundert nicht: Das Land ist roboterbegeistert - die Bevölkerung überaltert, Pflegekräfte fehlen überall, bis zum Jahr 2020 wird mit einer Lücke von rund 400.000 Pflegern gerechnet. Roboter sollen in Zukunft Routineaufgaben übernehmen, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Sprecherin: Solutionism nennt der Internetkritiker Evgeny Morozow die Überzeugung, dass man soziale Probleme durch Software und Hardware lösen kann. Um diese Ideologie geht es in seinem Buch Smarte neue Welt: Digitale Technik und die Freiheit des Menschen, das 2013 im Karl Blessing Verlag erschienen ist. Technische Lösungen lenken von den wahren Problemen ab, findet der weißrussische Publizist. Unter Solutionism fällt zum Beispiel die Idee, durch selbstfahrende Autos den Verkehrsinfarkt verhindern zu wollen, anstatt das Prinzip "Automobil" generell in Frage zu stellen. Und auch die Idee, Pflegeaufgaben an Roboter zu delegieren, könnte man als eine Form von Solutionism bezeichnen. Denn die dahinter liegenden Probleme sind sozialer Natur, etwa die Tatsache, dass Pflegekräfte viel zu schlecht bezahlt werden und sich deswegen kaum jemand für diesen Beruf entscheiden mag. Sprecher 2: Evgeny Morozow ist ein Eiferer. Einer, der auf über 400 Seiten immer und immer wieder dieselben Thesen raushaut, Thesen, die weder besonders neu, noch besonders originell sind. Jemand, der vor lauter Abscheu nicht anders kann, als das Wort "Internet" in seinem Buch permanent in Anführungszeichen zu setzen. Wie auch immer, in einem hat er recht, denn er findet, dass Technik den Menschen befreien soll. Auch das steht in seinem Bestseller: Maschinen sollen den Menschen Freiheit ermöglichen. Sie befreien von all den langweiligen, stumpfsinnigen und dummen Tätigkeiten, denen sie nachgehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sprecherin: Aber von irgendwas muss er leben, der Paketbote, der Konkurrenz bekommen hat durch Amazon-Drohnen, von irgendwas leben muss auch der Taxifahrer, zu dem niemand mehr einsteigen möchte, weil sich alle nur noch in selbstfahrenden Google-Autos durch die Stadt kutschieren lassen, oder die Shampooneuse, die von einem Haarwaschroboter ersetzt wird... zugegeben, dieser Beruf ist sowieso fast ausgestorben. Der Autor, Erfinder, Futurist und Google-Technikchef Ray Kurzweil hat bereits ausgerechnet, dass alleine in den USA durch den Einsatz intelligenter Roboter 50 Millionen Menschen arbeitslos würden... Sprecher 2: ...was nur Ludditen und Maschinenstürmer schlimm finden können! Es ist doch wunderbar, dass Maschinen unsere Arbeit übernehmen - sofern wir sie neu verteilen. Vielleicht sollten wir das mal ernst nehmen mit der Überwindung der Arbeitsgesellschaft, Einkommen nicht mehr nur an Arbeit koppeln und stattdessen lieber ein bedingungsloses Grundeinkommens einführen. Sprecher 1: Weitere Berufsgruppen müssen wohl auch um ihre Zukunft fürchten: Parkwächter, Polizisten, Sicherheitsleute. Sprecherin: Eine zivile Anwendung von Drohnen und Robotern ist nämlich auch: Überwachung. Atmo Sprecher 1: Ein Fernsehbericht über die Thomas-More-Schule in Brüssel. Dort testen sie gerade die Quadrocopter-Drohne, das Fluggerät soll dazu eingesetzt werden Schüler zu überwachen, während sie ihr Examen schreiben. Sprecher 2: Das war ein Fake! Der Film war nur ein Schwindel von aufgeweckten Journalistikstudenten! Sprecherin: Aber viele haben es zunächst geglaubt. Man kann es sich einfach zu gut vorstellen... Sprecher 1: Kein Fake: Im Mai 2012 hat die Bahn angekündigt, Drohnen einzusetzen, um Graffiti-Sprayer aufzuspüren. Sprecher 2: Allerdings dürfen sie die Drohnen nur tagsüber einsetzen, wegen des Nachtflugverbots... Sprecherin: Womit die Überwachung der Sprayerszene sich erledigt haben dürfte. Sprecher 1: Doch nicht nur Drohnen könnten zur Überwachung eingesetzt werden, auch selbstfahrende Autos wissen natürlich genau, wohin wir fahren. Sprecherin: Jim Farley, seines Zeichens Marketingchef bei Ford, sagt, dass seine Firma genau wisse, wer zu schnell fahre. Klar, ist ja auch überall GPS installiert. Je mehr wir uns den Maschinen ausliefern, umso stärker kontrollieren sie unser Verhalten. Sprecher 2: Die Welt wird sicherer werden, sauberer, ruhiger... Sprecherin: ...und langweiliger, kontrollierter. Vielleicht sogar: totalitär. Wer die Menschen überwachen möchte, nutzt dazu alle technischen Ressourcen, die er zur Verfügung hat - das hat nicht zuletzt die NSA-Affäre gezeigt. Der Fortschritt wird immer auch dazu eingesetzt Menschen zu gängeln, und das wird bei der nächsten Automatisierungsrevolution wohl nicht anders sein. Sprecher 1: Vielleicht. Aber wenn wir mit der nächsten Automatenrevolution tatsächlich dem Reich der Freiheit näher kommen und die Menschheit tatsächlich von einer Menge Arbeit befreit ist, so wie Karl Marx sich das einst erträumt hat, dann werden wir eines auf jeden Fall im Überfluss haben: Genügend Zeit, um über diese und andere Probleme nachzudenken. 1