Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © DeutschlandRadio Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 26. August 2014, 19.30 Uhr Blick ins Bodenlose - Wie lange ernähren uns unsere Äcker? Von Susanne Harmsen Atmo Spatenstich darauf: Take 1 (Bachmann) Luft atmet man, mit Wasser kommt man jeden Tag in Berührung, mit Boden - als Städter, als moderner Mensch - eher nicht. Deshalb ist er im allgemeinen Bewusstsein gar nicht vorhanden. (Wilke) Der Boden – wir nennen ihn immer die Haut der Erde – hat ne Filter- und Pufferfunktion. Und die bewahrt natürlich auch davor, dass Schadstoffe ins Grundwasser gehen. Und er reichert sie halt an. Wenn er zu stark belastet ist, ja dann nehmen die Pflanzen sie halt auf, und so weiter. (Kaiser) Wir verlieren in Deutschland immer noch Bodenqualität. Hauptsächlich dadurch, dass wir Fläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umwandeln. Wir verlieren aber auch Boden, dadurch dass Erosion stattfindet, durch Wind und Wasser. Und wir verlieren Bodenqualität, dadurch dass wir unsorgfältig mit der landwirtschaftlichen Nutzung umgehen. Atmo Kinder im Wald Sprecher: Berlin, Köpenick: Braunerde aus Sand im Urstromtal. Sprecherin: Ein Sommersonntag im Wald. Zum langen Tag der Stadtnatur besuchen Eltern mit ihren Kindern das Bodenhaus am Teufelssee im Südosten Berlins. Atmo weg Take 2 (Schwartz) Kinder, legt mal hier die verschiedenen Korngrößen von Feinsand bis Kies. (Geräusch Kies geschüttelt) das ist zum Beispiel der Grobkies. - Ja! - Ja, kuck mal, da hast du's schon, Mensch, super! (Geräusch) – Aber auch das ist noch Kies und das, so jetzt bist Du dran. - Und danach ich! - na klar! (Geräusch) – Ich nehm mal den. - Das ist dann kein Kies, mehr dahinten (Geräusch Sand geschüttelt). Sprecherin: Auf Atmo 2 Wald Schwartz mit Kindern Hartmut Schwartz erklärt den Kindern wie Boden entsteht. Aus einst großen Felsen wird durch Wasser, Wind und Sonne in Jahrtausenden Sand. Und durch Bodenorganismen entsteht aus dem Sand Humus, der fruchtbare Teil des Bodens. Erst Bakterien, Algen, Milben, Insekten und Regenwürmer produzieren die Nährstoffe, aus denen Pflanzen wachsen und Früchte tragen. In einer Handvoll Humusboden leben mehr Bodenorganismen, als Menschen auf der ganzen Erde. Die Arbeitsgruppe Natur macht sie für kleine und große Besucher im Bodenhaus sichtbar. Hartmut Schwartz: Atmo weg Take 3 (Schwartz) Für uns ist immer wichtig, dass die Kinder merken, dass das wo wir drauf rumtrampeln, wo unsere Häuser draufstehen, nicht nur nutzloses Zeug ist, sondern dass es eben ne wichtige Lebensgrundlage ist. Ohne Boden haben wir kein Getreide, haben wir keine Bäume, keinen Wald, also ohne Boden, kann man sagen, kein Leben. Atmo: Spatenstich Sprecher: Dessau, Sachsen-Anhalt: Vom Grundwasser beeinflusste Braunerden. Sprecherin: Im Umweltbundesamt in Dessau werden Daten über den deutschen Boden gesammelt und ausgewertet. Jens Utermann kennt sie von Grund auf: Take 4 (Utermann) Der Boden ist erst mal eine sehr effektive Senke für Schadstoffe, also alles, was wir in die Luft pusten und was nicht in den Meeren landet, muss irgendwie auf den Böden landen. Und der Boden speichert die meisten Schadstoffe über lange Zeit, sie reichern sich einfach an und erreichen irgendwann einen kritischen Level, der dann, kritisch werden kann für den Transfer in die Pflanzen, also Cadmium in Weizen, beispielsweise oder auch für den Direkttransfer, wenn also Boden von Wiederkäuern aufgenommen wird, wie wir es in einigen Auenböden festgestellt haben für dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle oder eben auch Dioxine und Furane. Sprecherin: Zum Beispiel in Niedersachsen haben auch Biobauern Probleme mit Giftstoffen in Fleisch und Milch ihrer Rinder. Dabei weiden sie ihre Tiere „auf grüner Au“. Jens Utermann: Take 5 (Utermann) Die Bauern können leider gar nicht dafür, sondern die Schadstoffe sind in diese Böden gekommen durch die Belastungen, die sich in diesen Sedimenten befinden, und die werden bei Überschwemmungen dann eben dort abgelagert. Da kann man den Landwirten nur helfen, durch entsprechende Weidemanagementmaßnahmen, verschmutzungsarme Erntetechniken. Und das machen die Länder auch, die sind zuständig dafür, und es gibt in Niedersachsen ein sehr ausgetüfteltes System der Beratung dieser Landwirte, damit sie eben Nahrungsmittel herstellen, die sie dann auch in Verkehr bringen dürfen. Sprecherin: Der Umgang mit konkreten Einzelfällen ist das eine, doch wirksamer wäre es, weitere Verschmutzungen zu verhindern. Atmo Spatenstich Sprecher: Berlin, Innenstadt: überwiegend Versiegelungsflächen über Bauschutt und Sand. Sprecherin: In Berlin treffen sich Wissenschaft und Politik auf engstem Raum. Forscher aus ganz Deutschland haben sich im Bundesverband Boden zusammengeschlossen und beraten seit Jahrzehnten Politik und Verwaltung wenn es um die Haut unserer Erde geht. Einer von ihnen lehrte an der Technischen Universität Berlin und besuchte in seinem langen Berufsleben ganz Deutschland. Berndt-Michael Wilke erinnert sich an eine Exkursion in den 1970er Jahren: Take 7 (Wilke) Nördlich von München, da ist der Müllberg und da ist auch die Kläranlage und da haben sie auch ein Gut, also Landwirtschaft und da haben sie uns erzählt: Jetzt haben wir da 10 oder 20 Tonnen Klärschlamm aufgebracht pro Hektar, der Boden ist 10 Zentimeter dicker geworden und alles wächst wunderbar, im Klärschlamm sind natürlich auch Nährstoffe drinne. Das war 1971. Und 1975, 76 war man dann in der Lage, Schwermetalle im Boden zu bestimmen. Und dann kam das böse Erwachen. Sprecherin: Jahrhundertelang funktionierte Landwirtschaft in einem Kreislauf: Tiere fressen, was auf der Wiese und dem Feld wächst. Was sie ausscheiden, gibt der Bauer dem Boden als Mist zurück. Später legten die großen Städte in ihrem Umfeld Rieselfelder an. Dort versickerte das Abwasser aus der Kanalisation, und gab zugleich der Landwirtschaft die vielen wertvollen Nährstoffe zurück, vor allem Phosphor und Stickstoff. Seit ab Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend Industrieabwässer, Medikamente und Chemikalien in die Kanalisation gehen, gelangen so aber auch Schwermetalle und andere Gifte in den Acker. Trotzdem wird bis heute Klärschlamm auf Felder gefahren, derzeit auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Berndt-Michael Wilke: Take 8 (Wilke) Man sollte also beim Boden sich alles vorher überlegen. Weil man es eben nicht so rückgängig machen kann. Man merkt es nicht gleich. Wenn die Luft schlecht ist, merken sie es beim Schnaufen oder sie sehen, wenn Smog ist. Wenn das Wasser kontaminiert ist, merkt man es auch, wenn die Fische oben tot treiben, aber beim Boden merkt man es lange Zeit nicht. Atmo Spatenstich Sprecherin: Eine Alternative zum Klärschlamm ist Kunstdünger, hergestellt aus Mineralien, die größtenteils im Tagebau gewonnen werden. Doch vor allem Phosphatdünger bringt mit den benötigten Nährstoffen auch Gifte wie Cadmium und radioaktives Uran in den Boden. Sie kommen aus den Phosphor-Vorkommen in der Erde und werden aus Kostengründen nicht entfernt. Derzeit prüft die Europäische Union die Einführung von Cadmium-Grenzwerten für Dünger, die es in Deutschland schon gibt. Allerdings wird Dünger weltweit gehandelt. Für das radioaktive Uran, das sich in Deutschland schon im Trinkwasser wiederfand, gibt es bis heute keine Nachweispflicht oder Grenzwerte. Auf Atmo Stadt Ganz zentral in Berlin am Potsdamer Platz residiert der Nachhaltigkeitsrat als Berater der Bundesregierung. Sein Generalsekretär verlangt sofortige Entlastung für die Äcker. Atmo weg Günther Bachmann: Take 9 (Bachmann) Es ist im Grunde genommen ein Skandal, dass wir immer noch irgendwo in der Welt stark cadmiumhaltiges Phosphor, unter schrecklichen Bedingungen auch noch, abbauen, hierher bringen, dann auf die Böden tun und dann nicht wiedergewinnen. Was wir jetzt tun können und müssen, dringend, ist, dass wir das Phosphor zumindest aus dem Klärschlamm, aus dem Abwasser zurück gewinnen. Dafür gibt es mittlerweile Techniken, die kann man auch sich leisten. Man würde dann den Klärschlamm verbrennen müssen, getrennt, so kann man den Phosphor wiedergewinnen, sogar als reinen Phosphor, und kann ihn dann tendenziell im Kreislauf führen. Was die Importe dramatisch mindern würde, was die Qualität der Böden hebt und was im Grunde ein zivilisatorischer Fortschritt ist, den wir schon längst hätten machen müssen. Sprecherin: In Sichtweite von Günther Bachmanns Büro am Potsdamer Platz in Berlin, sitzt das Umweltministerium des Bundes. Auch hier gilt die Verbrennung von Klärschlamm als beste Methode, um die Schadstoffe zu reduzieren und den Phosphor zurückzugewinnen, erklärt Reinhard Kaiser, Leiter der Unterabteilung Bodenschutz: Take 10 (Kaiser) Die Schadstoffe, die wir jetzt mit aufbringen, dadurch dass wir Klärschlämme auf die Äcker verteilen, hätten wir dann sehr gut beherrschbar in diesen Verbrennungsanlagen. Und die Probleme die sich dann stellen, sind absolut, Stand der Technik, lösbar. Es ist aber, muss man klar sehen, schon eine größere Investition. Sprecherin: Schadstoffe aus dem Dünger sind dabei nicht das einzige Problem. Nach jahrzehntelanger Düngung der Felder mit Kunstdünger und zu viel Gülle aus der Intensivviehhaltung sind viele Böden überdüngt und geben ihre Last bei Regen in die Flüsse und Meere weiter. Zuerst aber finden wir sie im Trinkwasser. Deshalb hat die EU Grenzwerte festgelegt, die Deutschland bis heute nicht einhält. Der erlaubte Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Trinkwasser ist in Deutschland zwischen 2008 und 2011 an gut der Hälfte aller Messstellen überschritten worden. Eine Verringerung ist laut Europäischer Kommission nicht in Sicht. Nitrate fördern das Algenwachstum, dadurch fehlt Sauerstoff für alles andere Leben im Wasser. Reinhard Kaiser vom Bundesumweltministerium verspricht Abhilfe, vielleicht Ende dieses Jahres: Take 11 (Kaiser) Wir wollen eine Novelle zur Klärschlammverordnung machen, die den Eintrag von Phosphor begrenzt. Wo klargemacht wird, soundsoviel Phosphor kann eingetragen werden, so und so viel Stickstoff kann eingetragen werden. Das ist Umsetzung europäischen Rechts, wo wir sogar schon im Verzug sind, und wir gehen zuversichtlich davon aus, dass das noch in diesem Jahr ins Verfahren geht. Steht im Koalitionsvertrag, Federführung dafür hat das Landwirtschaftsministerium. Also da werden wir in der Düngemittelverordnung versuchen, ein Stück voranzukommen, wie bei der Düngung vorzugehen ist. Atmo Spatenstich (vorholen von nach Take 13) Sprecherin: Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern hat die Bundesrepublik seit 1999 ein Bodenschutzgesetz. Das war Begründung genug, die Verabschiedung einer europäischen Bodenrahmenrichtlinie zu verhindern. Wie kann es sein, dass wir sehenden Auges unsere Äcker schädigen? Reinhard Kaiser: Take 12 (Kaiser) Das sind zum Teil große Unternehmen, die sagen: Ich mach das jetzt und was in ein paar Jahren ist, das interessiert mich weniger, ich bin ein Investor und habe dann mein Geld verdient. Da haben wir eine kleine Lücke im Ordnungsrecht, um dem sagen zu können: Das darfst Du nicht. Was wir machen wollen, steht alles wunderbar im Gesetz, unter dem Stichwort gute fachliche Praxis. Das Problem ist, diese Gesetze sind in der Rechtsprechung deklaratorisch, es sind Appelle, können aber keine Verwaltungsakte, keine Vorschriften stützen. Sprecherin: Von einer kleinen Lücke mögen Umweltschützer da nicht sprechen. Beim Naturschutzbund Deutschland sieht man Fehler im System der Landwirtschaft. Florian Schöne: Take 13 (Schöne) Unsere Bodenschutzgesetzgebung ist ein stumpfes Schwert. Es gibt keine gute fachliche Praxis, die klare Standards definiert. Wir haben immer noch sehr viele Anbaumethoden, die den Boden auslaugen, Maismonokulturen über mehrere Jahre, Raps in sehr intensiven Kulturen, das sind alles Methoden, die auf Dauer den Boden zu sehr beanspruchen, da ist scheinbar in der Politik noch nicht die Erkenntnis angekommen, dass wir wirklich eine vollzugsfähige Gesetzgebung brauchen, zum Beispiel konkrete Mindestfruchtfolgen, maximale Größen für Ackerschläge, Winterbedeckung, Pufferzonen zu Gewässern, das gehört ja alles dazu, um den Boden nicht zu ner Schadstoffquelle und zu ner Problematik auch für andere Ökosysteme werden zu lassen. Sprecher: Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Sand und Braunerde Sprecherin: Werden diese Regeln der guten fachlichen Praxis nicht befolgt, kann das sogar Menschenleben kosten. Im Jahr 2008 kollidierten auf der A19 bei Rostock 40 Fahrzeuge in einem Massenunfall. Eine aufgewirbelte Staubwolke von einem nahen Feld nahm den Fahrern plötzlich die Sicht. Zehn Tote und fast hundert Verletzte waren die furchtbare Folge. Der Bodenschutz fällt normalerweise in die Zuständigkeit der Länder, doch dieser Fall von Erosion, beschäftigte selbst das Bundesumweltministerium. Reinhard Kaiser: Take 16 (Kaiser) Als man sich den Vorgang angesehen hat, stellte man fest, diese Fläche war im Erosionskataster des Landes Mecklenburg-Vorpommern enthalten. Und war in diesem Kataster als unbedenklich eingestuft. Ein Kartoffelacker, über einen Quadratkilome ter groß, ohne Hecken, ohne Gebüsch, ohne Unterteilungen - unbedenklich! Berechtigt zu der Frage - Ist unser Verwaltungsvollzug eigentlich in sich konsistent oder sollten wir da noch mal versuchen zu überprüfen und besser zu werden? Sprecher: Sachsen, Grimma bei Leipzig: Parabraunerde aus Sandlöß. Sprecherin: Was der Wind auf trockenen flachen Äckern ohne Hecken anrichtet, besorgt Regen im Hügelland. Besonders Starkregen wie in diesem Sommer können regelrechte Schlammlawinen entfesseln, die Straßen und Dörfer im Tal überfluten. Eine besonders gefährdete Region ist das mittelsächsische Hügelland zwischen Meißen und Grimma. Die lockere, fruchtbare Lößerde dort muss besonders geschützt werden, befand die Landesregierung und holte die Bauern zu Hilfe. Martin Hänsel, selbst Biolandwirt, leistete Überzeugungsarbeit: Take 17 (Hänsel) In Sachsen hat man es geschafft, sehr große Anteile dieser Flächen im Lößhügelland in eine pfluglose Bewirtschaftung zu bekommen von den konventionellen Landwirten. Weit über 50 Prozent der Flächen werden heutzutage ohne Pflug bestellt, um die Bodenerosion einzudämmen. Und da muss man schon auch den Hut ziehen, einmal vor den Verantwortlichen, die das hier gefördert haben, und dann natürlich auch vor den Landwirten, die diesen Umstellungsschritt getan haben, die investiert haben, die die Risiken auf sich genommen haben und heute eben diese Mulchbodenwirtschaft durchführen. Der Boden wird dann nur noch gelockert, die Erntereste bleiben oben liegen, und dort hinein wird dann mit Spezialsämaschinen gesät. Die Unkrautbekämpfung funktioniert natürlich auf Basis von Herbiziden, nach wie vor. Aber das Problem der Bodenerosion ist massiv zurückgegangen. Atmo Spatenstich Sprecher: Sachsen, Freiberg bei Dresden: Braunerde aus Hanglehm. Sprecherin: In Freiberg kaufte 2011 ein junger Biolandwirt mit seiner Familie einen Hof und bewirtschaftet nun 150 Hektar Acker und 50 Hektar Grünland ökologisch. Auf Atmo Feld Das entspricht einer Fläche von 150 Fußballfeldern. Pferde, eine Mutterkuhherde, Schafe und Legehennen leben auf und von dem Boden. Der Anfang allerdings war schwer, auch wegen einiger Altlasten im Boden, berichtet Peter Probst: Take 18 (Probst) Auf einen Acker, den ich übernommen hatte, wurde im Herbst 2010, im Frühjahr 2011 habe ich die Flächen umgestellt, ein glyphosathaltiges Spritzmittel angewendet. Das habe ich mir auch von Experten bestätigen lassen, dass diese Fläche einen sogenannten Glyphosatschaden hatte. Also, ich hatte dort wirklich mit Mindererträgen zu kämpfen, es ist ja auch bekannt, dass das Glyphosat die Nährstoffverfügbarkeit im Boden stark einschränkt und auch die biologische Aktivität. Mittlerweile sieht der Acker gut aus, aber da sind jetzt auch schon drei Jahre vergangen. Ich habe Zwischenfrüchte angebaut und Mist gestreut, um einfach das Bodenleben zu stärken und diese Biologie im Acker zu fördern. Und vor allem auch Leguminosen mit angebaut als Hauptkulturen, die ja durch ihre Ausscheidungen stark das Bodenleben füttern. Sprecherin: Auf Atmo Feld Glyphosat ist ein starkes Pflanzengift, das alle Unkräuter vernichten soll und nur noch genetisch veränderte Kulturpflanzen wachsen lässt. Eine Praxis, die im Ökolandbau verpönt ist. Stattdessen sollen Leguminosen den Boden lockern und Nährstoffe heranschaffen. Die sogenannten Stickstoffsammler wie Klee und Luzerne bilden an ihren Wurzeln deutlich sichtbare Knötchen. In ihnen arbeiten Bakterien, die den Pflanzen helfen, Stickstoff aus der Luft zu holen und gut verdaulich aufzubereiten. Kunstdünger wird so überflüssig. Peter Probst hat Agrarwirtschaft studiert und setzt sie erfolgreich praktisch um: Atmo weg Take 19 (Probst) Auf den Flächen, wo noch bisher kein Kleegras oder Luzernegras stand, kommt immer noch in 25 cm Tiefe eine verdichtete Schicht. Durch Maschinen verdichtet, hart wie Beton. Und einen Meter nur daneben, nach drei Jahren Kleegras ist diese Schicht aufgelöst. Der Spaten geht da ganz locker, rein, das ist eine Freude, das zu erleben. Und da kann man wirklich sehen, was der Ökolandbau mit dem Boden macht. Da an erster Stelle die Sommerwicke. Da braucht man tatsächlich bei der Bearbeitung hinterher wesentlich weniger Diesel als auf dem Nachbarfeld. Wasser kann besser aufgenommen werden, die Wurzeln können tiefer rein, also halten die Pflanzen dann auch bei Trockenstress länger aus. Also das ist wirklich der beste Bodenschutz, den es gibt. Sprecherin: Auf Atmo HTW In der sächsischen Landeshauptstadt Dresden arbeiten Agrarwissenschaftler und Biologen der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Auch sie suchen Verbesserungsmöglichkeiten für Boden und Pflanzen. Am Lehrstuhl für Ökologischen Landbau forscht Knut Schmidtke: Atmo weg Take 21 (Schmidtke) Die Wissenschaft kann einen Beitrag leisten, ganz sicher. So gibt es Sorten, die mit weniger Nährstoffen, die sie aufnehmen, den gleichen Ertrag bringen, oder sogar einen Mehrertrag bringen. Es gibt Pflanzensorten, die besonders gut in der Lage sind, auch mit Wasserstress umzugehen, das heißt, wenn es mal trocken wird, trotzdem auch Erträge noch zu erbringen. Wir brauchen vor allem eine schonendere Bearbeitung des Bodens, auch im ökologischen Landbau. Und wir brauchen aus der Wissenschaft neue Strategien, um mit reduzierter Bodenbearbeitung und Pflanzen, die gut Unkraut unterdrücken, sozusagen, die Bodenfruchtbarkeit zu mehren. Sprecherin: Auf Atmo Feld Mensch und Tier zu ernähren, ohne Gifte einzusetzen und den Boden auszulaugen ist der Anspruch der Biobauern. Doch nur auf vier Prozent der Flächen in Sachsen wirtschaften sie so. Deutschlandweit sind es knapp sechs Prozent der Äcker. Ökolandwirt Peter Probst sieht sich als Wegbereiter: Atmo weg Take 22 (Probst) Ich bin da schon sehr optimistisch und denke, als Biobauer hat man eine Vorbildfunktion auch regional, also einfach, wenn man das vormacht: Guck mal es geht auch so, ohne Pestizide, ganz natürlich. Wir haben ein wahnsinniges Bodenleben, auf einmal sind wieder die Feldlerchen und die Wachteln auf dem Feld. Das ist einfach mal schön, wenn man das erzählen und zeigen kann. Und das regt sicher auch zum Nachmachen an. Sprecherin: Auf Atmo Lobby Auf der Ebene der Politik versuchen einige, dem Ökolandbau den Boden zu bereiten. Allerdings werden ihre Regeln für nachhaltigere Methoden auch in der konventionellen Landwirtschaft im Verlauf der Gesetzgebung regelmäßig verwässert. Die Agrarlobby interessieren schnelle Gewinne aus Maximalerträgen mehr als langfristig gesunde Böden, beklagt Martin Häusling. Der Grünenpolitiker und Ökolandwirt arbeitet seit fünf Jahren im Europaparlament. Atmo weg Take 23 (Häusling) Das sagt ja auch die europäische Kommission in all ihren Studien, das ist die nachhaltigste Form der Landwirtschaft, die wir praktizieren. Und mich wundert es, dass man nach wie vor auch bei der Bundesrepublik Deutschland zwar das Ziel hat, zwanzig Prozent Ökolandbaufläche, aber das Ziel ja in den nächsten Jahren so nicht erreicht wird, indem man die politischen Rahmenbedingungen so nicht legt, für den Ökolandbau. Da muss man sich halt sehr deutlich entscheiden an dem Punkt. Sprecherin: Auf Atmo Stadt Es liegt nicht an der Nachfrage, gerade die städtischen Verbraucher kaufen verstärkt Bioprodukte, auch befördert durch Lebensmittelskandale der Vergangenheit. Günther Bachmann, Generalsekretär des Nachhaltigkeitsrats der Bundesregierung: Atmo weg Take 24 (Bachmann) Wir müssen jetzt schon, um den Bedarf in den Städten zu decken, Ökolebensmittel aus anderen Ländern beziehen. Und ich rede nicht über Ananas. Ich rede über Weizen, Kartoffeln, Zwiebeln. Ich rede über das, was wir auch hier herstellen könnten. Und dafür reicht unsere Fläche nicht. Oder sie ist zu teuer geworden. Wir haben im Moment eine Bodenpreisentwicklung in der Landwirtschaft, die wir vor 10 Jahren nie vorausgesehen hätten. Sprecherin: Auf Atmo Stadt Noch in den 1990er Jahren gab es Stilllegungsprämien, um die landwirtschaftliche Fläche zu beschränken, weil riesige Überschüsse geerntet wurden. Seit auch für die Energieproduktion in Biogasanlagen Pflanzen angebaut werden, können sich andere Bauern keinen Acker mehr leisten. Hinzu kommt der Flächenhunger der Zivilisation. 75 Hektar, also 56 Fußballfelder versiegeln wir in Deutschland Tag für Tag neu. Häuser, Autobahnen, Einkaufscenter, alles braucht Platz. Bis 2020 will die Bundesregierung diese Betonierwut auf 30 Hektar pro Tag begrenzen. Reinhard Kaiser vom Umweltministerium sieht Land: Atmo weg. Take 25 (Kaiser) Ganz ohne Flächenverbrauch werden wir auch in Zukunft nicht auskommen. Wir können aber sehr viel dafür tun, dass wir Flächen, die bisher schon belastet sind, wieder nutzen. Das geht los mit Dingen, die man schon für erledigt hält: Bahnflächen, die wir in andere Nutzung überführen können, Konversionsflächen aus dem Militärbereich, in praktisch jeder Stadt und Gemeinde gibt es alte Industriebrachen, die man wieder nutzen kann. Das ist das Hauptinstrument, mit dem wir es vermeiden können, in die freie Natur zu gehen und noch ein Stück aus der Landschaft zu schneiden und noch ein Stück. Sprecherin: Auf Atmo Dessau Im Umweltbundesamt in Dessau arbeiten Experten, die den Kommunen und Ländern helfen wollen, mit weniger Flächenverbrauch auszukommen. Umsetzen müssen die Empfehlungen aber immer Politiker vor Ort, die wiedergewählt werden wollen. Keine leichte Aufgabe, Atmo weg weiß Gertrude Penn-Bressel vom UBA: Take 26 (Penn-Bressel) Wenn die Länder ihre Aufgabe ernst nehmen, dann können sie auch sagen: Diese und jene Orte werden sich nur noch im Rahmen der Eigenentwicklung entwickeln. Und Siedlungsschwerpunkte sind künftig bei diesen und jenen Kommunen, zum Beispiel die, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeschlossen sind. Also die Länder haben über die Raumordnung und Landesplanung ein Instrument. In Nordrhein-Westfalen sind sie jetzt gerade beim Landesentwicklungsplan dabei, sich für das Land mal ein 5-Hektar-Ziel zu setzen und es wirklich in der Regional- und Landesplanung umzusetzen und wir drücken ihnen die Daumen. Sprecherin: In vielen Regionen Deutschlands schrumpft die Bevölkerung. Eigentlich Raum für mehr Landwirtschaft oder Naturschutz. Doch die Kommunen halten nach dem Prinzip Hoffnung lieber an ausgewiesenen Baugebieten fest. Dem will die Bundesregierung mit einem Flächentauschprogramm entgegenwirken. Beteiligte Kommunen können Gutscheine, sogenannte Zertifikate, für Baugrund tauschen. Wer nicht baut, weil ohnehin kein Bedarf besteht, kann sie verkaufen an Gemeinden die sie für nötigen Wohnungsbau oder Gewerbeinteressenten brauchen. Ein Pilotversuch mit 50 Kommunen startet gerade. Atmo Spatenstich Je leerer es auf dem Land wird, desto voller in den Großstädten. Hier fehlen bezahlbare Wohnungen, Platz für Gewerbe und Einkauf. Die Städte sollen aber nicht weiter ins Umland wuchern, sondern lieber alte Industriebrachen neu bebauen, rät die Wissenschaft. An der Technischen Universität Berlin forscht dazu Gerd Wessolek: Take 28 (Wessolek) Das könnte dadurch entwickelt werden dass man sich konzentriert auf viele Flächen, die zur Zeit brachliegen und belastet sind. Und hier braucht man ein vielleicht neues Denken und neue Konzepte, so dass das Geld, was durch Flächenversiegelung ja in irgendeiner Weise aufgebracht werden muss, dass man das mit einem vernünftigen Sanierungsaufwand und einer vernünftigen Sanierungssituation verbindet. Da bedarf es einer eindeutigen politischen und rechtlichen Regelung. Da können wir als Naturwissenschaftlicher beisteuern, indem wir Planungssicherheit durch Grenzwerte oder Vorsorgewerte genau definieren, das haben wir auch getan. Und jetzt kommt es darauf an, das umzusetzen. Sprecherin: Auf Atmo Stadt Ehe ein Investor Wohnungen auf einem alten Fabrikgelände baut, muss er wissen, dass keine verborgenen Altlasten im Boden drohen. Oder wer die Sanierung bezahlt und überwacht. Dafür sind in den letzten Jahrzehnten viele Forschungen erfolgreich abgeschlossen worden. Ein anderes Problem sind Grünflächen in den Städten. Nur in Parks und Stadtwäldern kann Regen versickern, hier entsteht auch im Sommer noch kühle Luft zum Durchatmen. Staut sich die Hitze in Straßen und an Häuserwänden, gibt es geschätzte fünf Prozent mehr Todesfälle und viele Kreislaufkranke. Deshalb forscht die TU Berlin auch, wie man auf engem Raum viel fürs Stadtklima tun kann. Atmo weg Gerd Wessolek: Take 29 (Wessolek) Uns kommt es darauf an, dass die Freifläche optimiert wird, denn die Freifläche regelt den Wasserhaushalt, die Verdunstung und die Möglichkeiten das Gelände optimal zu nutzen. Außerdem gibt es bei der Gebäudetechnik sicherlich Optimierungen. Das ist ein Arbeitsfeld von uns herauszufinden, ob man zum Beispiel durch neue Fassadenbegrünungen die Lufttemperatur in Hitzeperioden absenken kann. Zu diesen Techniken, egal ob das Dachbegrünung ist, ob das Fassadenbepflanzung ist, ob das Beschattung ist, ob das Optimierung des Freiraums ist, versuchen wir, in diesem Feld Grundlagen zu schaffen. Sprecher: Sachsen, Dresden: Lehmsand, Vega, Gley der Flussaue. Sprecherin: Auf Atmo IÖR In Dresden beobachtet das Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung Deutschland von oben. Zum Teil per Satellit aus dem All, zum Teil vom Flugzeug aus, sehen die Forscher, wo es grünt und blüht und wo unterm Asphalt kein Gras mehr wächst. Wissenschaft hilft so bei der Planung und kontrolliert Politikversprechen. Atmo weg Gotthard Meinel: Take 30 (Meinel) Es ist wichtig, die Dinge über lange Zeit zu beobachten. Politik treibt schnell von einem Thema zum nächsten und wir schauen denen auf die Finger mit diesen Messergebnissen. Weil es gibt, um zwei Beispiele zu nennen, dieses 30-Hektar-Ziel, dass man bis 2020 täglich 30 Hektar maximal zusätzlich noch in Anspruch nimmt, das kann man noch relativ leicht messen. Aber zum Beispiel die Innenentwicklung gegenüber der Außenentwicklung etwa den Faktor drei dominieren zu lassen, das ist ein Ziel, aber wird derzeit ungenügend gemessen. Und das ist unser Anspruch, mit neuen Verfahren dieses messbar zu machen und insofern wird uns das noch einige Zeit beschäftigen. Atmo Spatenstich Sprecherin: Unser Boden ist vielseitig: Ernährer, Schadstofffilter, Baugrund. Wo wir ihm zuviel aufbürden, gibt er nach, trägt die Last nicht mehr. 2015 ist das internationale Jahr des Bodens, ein Anlass, wenigstens im europäischen Rahmen noch einmal bessere Bodenschutzgesetze in Angriff zu nehmen. Flüsse und Wind tragen Erde über Grenzen hinweg, nationale Gesetze allein genügen deshalb nicht. Und auch in der Praxis müssen wir auf den kostbaren Grund, auf dem unser täglich Brot wächst, mehr Rücksicht nehmen.