COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. 20.10.2011 Länderreport-Magazin: Angriff der Fans Über Ausschreitungen in deutschen Fußballvereinen Neonazis unterwandern die Fanszene des 1. FC Lokomotive Leipzig, rekrutieren dort neue Anhänger. Beim Zweitligisten Eintracht Frankfurt sorgen Fans regelmäßig für Ausschreitungen, bei denen die Polizei eingreifen muss. Der Berliner Fußballklub BFC Dynamo schafft es trotz etlicher Bemühungen schon seit Jahren nicht, seine gewaltbereiten Anhänger in den Griff zu bekommen. Hat Gewalt in diesen Vereinen Tradition? Welche Rolle spielen Ordnungsdienste wenn es darum geht, Ausschreitungen in den Griff zu bekommen? Welche präventiven Maßnahmen können Fanprojekte ergreifen? Beispiele aus verschiedenen deutschen Stadien. BFC Dynamo Berlin Autorin: Verena Kemna Noch immer leidet der BFC Dynamo Berlin unter den Folgen der Krawalle beim Pokalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern vor zweieinhalb Monaten. Die gefürchteten Hooligans des Berliner Amateurvereins haben ganze Arbeit geleistet. Nach Spielabpfiff haben fast 300 Gewaltbereite Dynamo Fans mit Stangen auf Zuschauer im Gästeblock eingeprügelt. Die Bilanz: 18 Verletzte. Noch immer ermitteln Staatsanwaltschaft und Deutscher Fußball-Bund, Videoaufnahmen werden ausgewertet, Verantwortliche gesucht. Seit der Wende hoffen die Fans beim BFC Dynamo vergebens darauf, dass in ihrem Verein einfach nur guter Fußball gespielt wird. Atmo Hooligans Autor Sehnlichster Wunsch beim BFC Dynamo: Der Sport soll endlich im Mittelpunkt stehen. Doch die Katastrophe vom 30. Juli wirft noch immer lange Schatten. Das Fußball-Pokalspiel zwischen dem BFC Dynamo und dem 1. FC Kaiserslautern vor 10.000 Zuschauern ist bereits abgepfiffen, da stürmen etwa 300 BFC Fans den Fanblock der Gäste aus Kaiserslautern. Noch immer ist nicht geklärt, ob Ordner im Berliner Sportstadion ein Tor absichtlich geöffnet haben. Die Bilanz: 18 Verletzte, darunter Polizeibeamte und Gästefans. BFC Sprecher Martin Richter erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. O-Ton Man merkt, wow, was für eine tolle Stimmung, hat man seit 20 Jahren beim BFC nicht gehabt. Die Mannschaft ist motiviert, man konnte bis zur 90. Minute eine tolle Visitenkarte abgeben, dann nutzen einige wenige diese Plattform und ich sag´s mal ganz hart, vergewaltigen den BFC und damit jeden Fan, der im Stadion steht, jeden der Ehrenamtlichen, die sich für den Verein bemühen und natürlich auch die Mannschaft, die für die gute Leistung um ihren Beifall betrogen wurde. Autor Ein schönes Spiel mit einer vorwiegend friedlichen Kulisse endete in einem Alptraum, so hieß es am Tag danach auf der Homepage des Vereins. Schockstarre bei Spielern, Fans und den vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Der Deutsche Fußball-Bund hat den BFC Dynamo nach den Krawallen zu zwei Geisterspielen und 12.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Spielen vor leeren Rängen und deshalb etwa 15.000 Euro weniger Geld in der Kasse, auch das ist für den Amateurverein eine Strafe, die schmerzt. Martin Richter engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den Verein. O-Ton Also die Ruhe ist sicherlich wieder im Verein eingekehrt. Wir arbeiten die Vorfälle auf, versuchen uns noch besser aufzustellen. Wir haben den Ordnungsdienst gewechselt, den Sicherheitsbeauftragten gewechselt. Wir intensivieren unsere Fanarbeit und versuchen mit der Polizei, das Sicherheitskonzept zu optimieren, dass halt solche Vorfälle nicht noch mal passieren. Autor 16 Stadionverbote seien bereits ausgesprochen. Nie wieder, so lautet das neue Credo. Die Androhung, dass die Täter mit aller Härte bestraft werden, das immer wieder offiziell bekundete Bemühen um Aufklärung und nicht zuletzt die Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Berliner Staatsanwaltschaft, all das sind Versuche, um endlich das Image aus der Vergangenheit loszuwerden. Es passiert noch immer, dass Spieler auf dem Platz beschimpft werden. Zu DDR-Zeiten haben Stasimitarbeiter bei BFC Spielen als Schiedsrichter gepfiffen, zur Freude von Stasi-Chef Erich Mielke. O-Ton 44, 45, 49, Schluss, aus abgepfiffen und der BFC Dynamo ist damit zum zehnten Male ensuite DDR Fußballmeister. Herzliche Gratulation. Autor Wer heute für den BFC-Dynamo auf den Platz geht, kennt die DDR nur vom Hörensagen. Trotzdem ist das Image aus Vorwendezeiten präsent. Die Hooligans des einstigen DDR-Vorzeigeclubs sind gefürchtet. Sie tragen rote Vereinsshirts, Bomberjacken, kurz geschorene Haare. Atmo Grölende Fans Autor Bei der Berliner Polizei gelten etwa 80 BFC Fans als gewaltbereit. Viele vermischen dabei DDR-Symbolik und rechtsradikales Gedankengut, erklärt Bernd Schultz vom Berliner Fußballverband. O-Ton Wenn sie die Leute im Stadion sehen, das sind ja keine Leute, die durch die Wende etwas verloren haben, sondern die sind zum Teil nach der Wende geboren. Aber da wird so ein bisschen Kult betrieben, auch mit diesen Rufen immer wieder: Ost-Ost-Ostberlin, das schallt ja immer wieder mal durch das Stadion. Hier sind einfach offenbar ein paar ewig Gestrige immer noch am Werk. Autor Der Fußballverband bescheinigt dem BFC Dynamo eine gute Präventions- und vor allem eine gute Jugendarbeit. Noch laufen die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft. Den Tätern drohen dreijährige bundesweite Stadionverbote und hohe Geldstrafen. Maßnahmen, die hoffentlich abschrecken, erklärt Martin Richter. O-Ton Jeder, der es dann in der Zeitung liest, dass der Verein so drastisch dagegen vorgeht, überlegt es sich wirklich dreimal, ob er zu dem Spiel überhaupt hingeht und ob er dann auch noch Mist baut. Autor Beim Berliner Fußballverband und auch beim BFC Dynamo selbst ist längst klar: Ohne die echten Fans des Berliner Amateurvereins hat der einstige DDR-Serienmeister keine Zukunft. Martin Richter ist voller Zuversicht. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter und Sprecher, freut er sich erstmal auf das nächste Spiel am Freitag Abend. Dann gastiert der BFC Dynamo bei Türkiyemspor Berlin. O-Ton Danach geht´s weiter ganz normal in der Oberliga und im Berliner Pilsener Pokal, um halt so weit wie möglich zu kommen und vielleicht wieder eine große Bühne zu haben, aber dann unter anderen Umständen. Fanprobleme bei Lok Leipzig Autorin: Claudia Altmann Auch der Traditionsverein Lok Leipzig hat Probleme mit seinen rechten Fans. Leipzig gilt seit Jahren als Hauptstadt der Fußballgewalt. Wie nirgendwo sonst prallen hier rechte und linke Anhänger aufeinander. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ausgerechnet in der problematischsten Fanlandschaft der Republik monatelang eine Posse um die Neubesetzung des offiziellen Fanprojekts abspielt hat. Dabei ist dieses Projekt in Leipzig dringend nötig. Unter anderem hat auch der Traditionsverein Lok Leipzig mit rechten Fans zu kämpfen. Claudia Altmann: Atmo Stadion Das Bruno-Plache-Stadion im Leipziger Stadtteil Probstheida. Hier ist die Heimat des 1. FC Lokomotive Leipzig. Ein Club, der auf eine große und lange Tradition zurückblicken kann: Lok Leipzig zählte zu den Spitzenmannschaften der DDR- Oberliga und hatte auch europaweit einen guten Ruf, erarbeitet bei 77 Europapokalspielen. Nach der Wiedervereinigung jedoch ging es bergab. Schließlich Insolvenz und Feierabend. So leicht aber wollten die Fans ihre "Loksche" nicht ins Depot der Fußballgeschichte abschieben lassen. Elf Männer gründeten 2003 den Club neu. Heute spielt der Verein in der fünftklassigen Oberliga Nordost. In die Schlagzeilen kam Lok Leipzig landesweit erneut. Allerdings weniger wegen sportlicher Erfolge, sondern wegen der überwiegend rechten Fangemeinde. Aber warum fühlt die sich gerade hier so wohl? Steffen Kubald, Mit-Neugründer, bis vor kurzem Präsident des Vereins und jetzt Sicherheitschef, meint rückblickend. O Ton Steffen Kubald Es ging um Fußball. Es ging nicht um Rechts, Links, Gelb, Rot Braun, Schwarz. Darum gings nicht. Es ging um Fußball. Es ging um unseren Verein. Sprecher Und da kam es auf jeden einzelnen Mitstreiter an. Auf eine Hooligan-Vergangenheit noch aus DDR-Zeiten konnten auch Gründungsmitglieder zurückblicken. Daher saß die Hemmschwelle wohl etwas tiefer und die Türen standen allen offen. Sogar für die sächsische NPD wurde der Club interessant. Kein Zufall, sagt der Publizist Ronny Blaschke, der seit vielen Jahren die Fußballszene intensiv beobachtet. O Blaschke Verein verkauft sich als Der Verein verkauft sich ja als ein sehr traditionsbewusster Club, der die Stadt Leipzig repräsentiert, die lokalen Wurzeln repräsentiert und das freut natürlich gerade NPD-Funktionäre, weil die solche Begriffe gerne aufgreifen wie Ehre, wie Heimat, wie Lokalpatriotismus. Und da ist der Fußballverein ein tolles Symbol, was man für die eigene Politik nutzen kann. Sprecher Und dazu bedürfe es keineswegs immer extremistischer Parolen. O Blaschke normale politische Aussagen Da kann man zum Beispiel die Anti-Globalisierungspolitik mit dem lokalbewussten Fußballverein gleichsetzen. Da kann man dann das Stadion oder die Jugendarbeit, den Nachwuchsfußball gleichsetzen mit der Parole, dass man gegen Migranten ist, sondern für den einheimischen deutschen Fußballnachwuchs. Das sind dann erstmal die ganz normalen politischen Aussagen, die man mit der Projektionsfläche Fußball zu erklären versucht. Sprecher In den ersten Jahren nach Gründung hat die Vereinsführung das geduldet, sich nicht ausreichend davon distanziert. Wenn rechte Parolen fielen, wurden die Ohren zugemacht. Wenn rechtes Merchandising betrieben wurde, blieben die Augen verschlossen. So konnten sich Strukturen verfestigen. Das Fanprojekt war dabei ein wichtiges Instrument. Neonazis gingen ein und aus. Die NPD betrieb rund um das Stadion Wahlkampf. Zeitweilig waren Mitarbeiter der NPD-Fraktion des sächsischen Landtages auch im Verein tätig. Schließlich eskalierte die Gewalt, waren fremdenfeindliche Parolen nicht mehr zu überhören. Sponsoren bekamen Bauchschmerzen, Sanktionen wie Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit folgten. Der Club sollte aus dem Spielbetrieb genommen werden. Die Stadt Leipzig drohte damit, die Gelder zu streichen. Da erst versuchte der Verein, die Reißleine zu ziehen. O Kubald harte Bandagen Es ist prinzipiell so, dass wir da mit harten Bandagen gekämpft haben, mit Hausverboten, mit Stadionverboten, dass wir also auch ne ganze Gruppierung verboten haben, dass die also ihre Fahnen nun nicht mehr bei uns aufhängen dürfen, dass die nicht mehr in ihren Klamotten rumrennen können. Sprecher Steffen Kubald distanziert sich heute und räumt eigene Fehler ein. Aber nicht nur eigene. O Kubald Lehrgeld Man schafft es in Deutschland nicht, die NPD zu verbieten und die Vereine oder die Fans, ja die Vereine im Hauptaugenmerk, sollen sich dann darum kümmern, was die Großen nicht schaffen. Also da fällt mir dann irgendwo mal nichts mehr ein. Wobei es natürlich so ist, es ist auf jeden Fall ein gesellschaftliches Problem, was gelöst werden muss, aber man muss natürlich auch im Verein gucken - das Lehrgeld haben wir bezahlt - das haben wir zu spät festgestellt, dass es nicht funktioniert, alle mitzunehmen, was wir eigentlich wollten. Sprecher Zwar wurde das Problem nicht mehr im Stadion sichtbar, aber gelöst ist es nicht. O Blaschke Gerade Lok hat gezeigt Gerade in Leipzig hat sich ja gezeigt, dass NPD-Leute den Fußball als Medium nutzen und als gemeinsamen Nenner, als thematisches Andock-Feld. Und das kann man im Internet machen. Fußball ist im Internet immer präsent in den sozialen Netzwerken, in den Fanforen. Das kann man in den Kneipen machen, wo sich die Fußballfans treffen, im Fanprojekt, wo sich Fußballfans treffen. Also die NPD ist auf der Suche nach Fußballfans außerhalb des Stadions, weil sie wissen, im Stadion ist die Kontrolle am schärfsten, am ausgiebigsten und wie bitteschön kann man Rechtsextreme aus dem Fußball verbannen, wenn sie im Fußball selbst gar nicht auftreten im Stadion. Sprecher Die Fanszene bleibt weiterhin von Rechten dominiert. Wer sich nicht anschließt, wird rausgekickt. Als im April dieses Jahres nach dem Unfalltod eines rechten Lok-Fans dessen Gesinnungsfreunde in einem streng disziplinierten, von Fackelträgern flankierten Zug durch Probstheida liefen, war das Maß für die Stadtväter voll. Sie entzogen dem bisherigen Träger "Sportjugend e.V." die Unterstützung und drängten auf einen Wechsel, erklärt Siegfried Haller vom Leipziger Jugendamt. O Haller Sportjugend (per Telefon) Also wir haben seit Jahren schon Debatten geführt mit diesem Träger im Rahmen der Förderung über die Jugendhilfe. Dort gibt es ganz bestimmte Auflagen, Fachkräftegebot beispielsweise beim Personal. Es gibt das Gebot der Transparenz. Es gibt das Gebot des professionellen Managements. Es gibt das Gebot der aktiven Öffentlichkeitsarbeit. Ich käönnte das jetzt fortsetzen. Das waren so die Auflagen, mit denen wir gearbeitet haben. Und da gab es immer wieder von städtischer Seite Nachfragen. Da müsst Ihr besser werden. An dem Punkt haben wir sehr intensiv miteinander gearbeitet. Und irgendwann war die Situation so, dass wir gesagt haben, wir sollten jetzt einen Trägerwechsel herbeiführen, weil die Sportjugend auch in ihrer Binnenstruktur zu klein dimensioniert war. Sprecher Dabei geht es um die Trägerschaft für alle Leipziger Fußballvereine. Da die Finanzierung neben der Stadt auch vom DfB und dem Land getragen wird, gab es ein Problem. Sowohl DfB als auch das sächsische Innenministerium wollten die Arbeit mit der Sportjugend fortsetzen und lehnten zunächst den Wechsel zum neuen Träger Outlaw - einer Einrichtung mit bundesweiten Erfahrungen bei der Sozialarbeit mit Jugendlichen - ab. Landespolizeipräsident Bernd Merbitz begründet die damalige Haltung: O Bernd Merbitz Es ging darum, dass der Träger Sportjugend aus unserer Sicht eine sehrt gute Arbeit gemacht hat, auch aus polizeilicher Sicht. Und wir gesagt haben: Wir brauchen was für die Zielgruppen der über 16-Jährigen. Und das hat aus unserer Sicht Sportjugend sehr gut realisiert. Sprecher Nach Ansicht von Ronny Blaschke zeigt sich hier aber ein bisheriges grundsätzliches Problem im Freistaat. O Blaschke Fanprojekte Fanprojekte werden gerade in Sachsen immer noch missverstanden, weil das sächsische Innenministerium dieses Fanprojekt als ordnungspolitisches Werkzeug versteht, um Neonazis irgendwie zu kontrollieren. Das ist aber falsch. Fanprojekte sind Jugendhilfsangebote, die mit Jugendlichen arbeiten, bevor rechtsextreme Einstellungen entstehen können, ganz ganz früh. Sprecher: Das Ergebnis: Seit Juli dieses Jahres gab es überhaupt keinen Träger mehr. Monatelange Diskussionen folgten, bei denen es laut Siegfried Haller vor allem darum ging: O Haller Grundverständnis Nach welchem Grundverständnis und wie soll die Arbeit gestaltet werden, dass sie sowohl diesen jugendhilfespezifischen Auftrag befriedigen können, als auch zusammen mit der Polizei natürlich diese restriktiven ordnungspolitischen Maßnahmen auch voranbringen können. Das ist immer das Spektrum. Da müssen Sie ne kluge Antwort finden vor Ort. Sprecher Dazu waren offenbar alle Beteiligten bereit. Kein einfacher Prozess, der aber auch die Landesregierung dazu gebracht hat, umzudenken. Merbitz Der Vorwurf, vor allen Dingen, dass man sich nur um rechte Fans kümmert. Das ist für uns eine Problemgruppe, die auch sehr ernst zu nehmen ist. Und wenn wir die Jahre zurückschauen: Diese Gewaltexzesse, die wir bei Lok- Leipzig hatten, sind doch wesentlich zurück gegangen. Aber es ist nicht nur dieser Fanbereich. Wir müssen auch frühzeitig in der Prävention bei jungen Leuten anfangen. Sprecher Anfang dieser Woche wurde der gefundene Kompromiss schließlich öffentlich gemacht: Neuer Träger wird Outlaw, aber der Verein Sportjugend bleibt weiterhin im Boot und soll seine Erfahrungen mit einfließen lassen. Die Stadt Leipzig übernimmt einen Teil des Projektes für eine Übergangszeit von zwei Jahren. Siegfried Haller ist optimistisch: O Haller erleichtert Wir sind erleichtert, dass es nach vorne geht, dass wir die Zukunft des Leipziger Fußballfanprojektes immerhin für ne Halb-Millionen-Stadt mit großer bundesweiter Aufmerksamkeit, dass wir jetzt diesen Schritt nach vorne gehen können mit einem bundesweit erfahrenen Träger der Sozialarbeit. Und wir gehen davon aus, dass sich die Erfahrungen der Sportjugend aus der Vergangenheit auch durchaus mit dem neuen Träger so miteinander verbinden lassen, dass wir als Stadt diese Erfahrung versuchen aufzubereiten und dem neuen Träger in geeigneter Weise auch zur Verfügung zu stellen. Die Frankfurter Ultras Autor: Ludgar Fittkau Die Frankfurter "Ultras" gelten als besonders gewaltbereit. Vor allem, wenn brisante Partien etwa gegen Nachbarvereine wie Offenbach, Darmstadt oder Kaiserslautern ausgetragen werden, müssen teilweise mehr als tausend Polizisten eingesetzt werden, um die Frankfurter im Zaum zu halten. Beim Spiel in Dresden in dieser Zweitligasaison provozierten die Frankfurter Ultras die Fans von Dynamo Dresden etwa mit einer riesigen Flagge, auf der über dem Stadtbild von Dresden Bombenflugzeuge zu sehen war: "Bomben auf Dynamo", schrieben die Frankfurter darunter. Jetzt ermittelt der DFB gegen die möglichen Urheber des Transparents. Doch neben geschmackloser Provokation und Gewaltbereitschaft gibt es noch eine andere, sozialere Seite der Frankfurter Ultraszene - wie Ludger Fittkau herausfand. Beitragstext Musik: Ultrachaos (Rap) Was ist mit Dir, wenn der Adler einfliegt und sich krallt was er kriegt bis er alles besiegt ... Spieltag, etwa eine Stunde vor Beginn der Partie. Am Fantreff in der Nähe des Haupteingangs finden sich immer mehr von denen ein, die den Adler auf der Brust tragen. Wie der DFB hat auch Eintracht Frankfurt den Adler zum Wappentier erkoren. Vor dem Zweitliga-Spiel gegen Union Berlin bilden sich am Frankfurter Stadion die ersten Fan-Trauben- überwiegend junge Männer. Einige tragen auf ihren T-Shirts die Aufschrift: "Frankfurt - Hauptstadt des Verbrechens". Oder "Frankfurt- Randalemeister 2011". O-Ton Ja, die Statistiken sagen das ja manchmal: Frankfurt - multikriminell und multikulturell, Hauptstadt des Verbrechens. Da steht man dazu. Das sagt kein gewaltbereiter Frankfurter Fan, sondern Ulf Stamer, Fanbetreuer der Polizei in Frankfurt am Main. Er mag die Selbstironie der Fans, auch ihre Lust an der ausgeklügelten Choreografie mit riesigen Transparenten und Sprechchören im Stadion: O-Ton Ja, die Ultras, diese frenetische Feiern, Jubeln. Man steht zu seinem Verein. Man geht sicher nicht nur ins Stadion, um irgendwelche Randale zu machen oder "Randalemeister 2011", den Titel zu verteidigen. Das ist ja nur ne marginale Zahl, das sind ja nur, wenn es hoch kommt, ein Prozent der Zuschauer, weswegen ja auch die Polizei da sein muss. Klar, dieses Ultra-Typische, das man halt riesige Choreografien macht, die natürlich auch in der ganzen Republik gezeigt werden wollen, was auch toll ist, was die Frankfurter auf die Beine stellen, das gehört alles mit dazu. Die Ultras von Eintracht Frankfurt findet man nicht am Haupteingang des Stadions. Ein älterer Fan weist den Weg zu den "Problemfans", wie die Polizei die Ultras trotz aller Sympathie für ihre wilde Leidenschaft dennoch einstuft. Der Fan nennt sie "UF" - das ist schlicht die Abkürzung für "Ultras Frankfurt". O-Ton Sie gehen hier unter der Brücke durch und gleich hinter der Brücke geht son schmaler Weg, der führt hier parallel zur Bahn und dann kommen sie zum Gleisdreieck und da triff sich die UF immer. Die Jungs die haben halt noch ne andere Einstellung zu der Sache. Musik "Ultrachaos" (Rap) Spieltag, die Leute steigen frühmorgens in ihre Busse oder Züge rein, erreichen "Sportfeld", mein erster Blick gilt einem Auto in grün-weiß. Langsam geht es zum Treffpunkt des Tages und ich find es traurig, dass da überwachen- überschaut Dich von oben das Auge des Staates jeden einzelnen Deiner Schritte ... Atmo Hubschrauber Am Gleisdreieck bei der S-Bahn-Station "Sportfeld" hinter dem Stadion kreist ein Hubschrauber. Er bewegt sich langsam in geringer Höhe immer wieder direkt über dem Platz, wo die Ultras Stände aufgebaut haben, an denen sie Bierdosen verkaufen. Schwarz ist hier die dominierende Farbe - auf die vorherrschenden schwarzen Kapuzenpullis ist in weiß ein Adler aufgedruckt - das Wappentier von Eintracht Frankfurt. Polizei-Fanbetreurer Ulf Stamer erklärt, warum hier viele so aussehen wie Kreuzberger Autonome: O-Ton Schwarz ist halt nun mal unsere Traditionsfarbe, genau wie weiß. Wenn wir in Offenbach gelaufen sind in weiß oder in schwarz, dann sagen schon wieder einige: Jetzt kommt hier der schwarze Block oder so was. Würde ich noch nicht einmal sagen. Weil Unsere Ultras, unsere Hools, unsere Problemfanszene allgemein politisch neutral ist. Natürlich gibt es immer welche, ich vergleiche das immer, wenn sie auf einer Mauer sitzen würden, die einen fallen auf die linke, die anderen auf die rechte Seite. Fallen sie auf die rechte Seite, das werden sie nie im Fußballstadion zeigen, weil unsere, wenn überhaupt, linkslastig sind und die würden diese Rechten in diesem Sektor relativ schnell ausgrenzen. Offiziell zeigt zum Beispiel keiner irgendwelche rechten Symbole,. Das traut er sich nicht. Musik: Komm jetzt, zieh ab, mach Platz! Wir reißen alles um, wenn wir über deine Spielweise ziehn. Ultras Frankfurt, gegen euren Standardscheiß und der Mob, der sich gleich versammelt ... Es gibt sie, die gewaltbereiten Ultras bei den Fans der Frankfurer Eintracht. Ultras geben sich wild und rebellisch, so Fanbetreuer Ulf Stamer: Sie reden aus Prinzip nicht mit der Presse oder der Polizei: O-Ton Der Austausch mit der Gruppe, der Hardcore-Gruppe der Ultras, da findet kein Austausch statt. Aber es gibt auch eine Ultrakultur, die sozial engagiert ist. Zum Beispiel Spenden für Kinderhospize sammelt. Etwas, über das viel zu wenig berichtet wird, finden junge Frankfurter Fans vor dem Spiel gegen Berlin, die ihren Namen nicht sagen wollen: O-Ton Collage: 1. Fan Speziell heute sammeln sie für eine Stiftung, Krebsvorsorge und Kinderhospize, indem sie Schals verkaufen und ein bestimmter Anteil geht an die Hospize. 2. Fan Im Fernsehen wird so was halt überhaupt nicht gezeigt, sondern da heißt es da, die haben eine Kamera kaputt gemacht oder da wurde sich vor dem Stadion geschlagen, da wird ja so ins Licht gerückt, dass es beim Fußball fast nur noch ums Schlagen geht und dass das auch den Ultras unterstellt wird. Die Ultras vieler Vereine setzen sich dafür ein, dass Pyrotechnik, etwa bengalisches Feuer, in deutschen Stadien legalisiert wird -bisher ist das verboten. Diese Forderung unterstützen auch viele Frankfurter Fans, die sich vor dem Mikro nicht als "aktive Ultras" outen wollen: O-Ton- Collage 1. Fan: Ich bin für Pyro, dafür stehe ich. Dafür sollte man aber auch gesondere Plätze einführen, dass man die Pyrotechnik auch ausmachen kann, wo nix passieren kann. Älterer Fan: Es gehört irgendwie dazu. In südländischen Ländern ist es die Atmosphäre und bei uns ist es Teufelsgift. Teufelsgift ist bengalisches Feuer für Ulf Stamer, den Fanbetreuer der Frankfurter Polizei nicht. Aber: O-Ton Es ist wirklich aus Deutsch gesagt "sackelgefährlich", mit solchen Sachen zu hantieren, wenn dort welche neben dran stehen. Trotz ihrer unterschiedlichen Rollen auf der Fußball-Bühne: Einig sind sich Frankfurter Polizei und Fans immerhin in einem Punkt. Dass das Stadion jetzt den Namen des Sponsors, einer Bank, trägt, akzeptiert hier im Grunde niemand: O-Ton Fan: Wenn jetzt so'n großer Bankenkonzern glaubt, das sei jetzt sein Stadion, können die es denken. Für mich ist das das Waldstadion. Musik (Adler 2,32) Komm her, schau Dir an, was da jetzt geschieht, und wenn Du das Rauschen der Fahnen genießt, wir heben jetzt ab und wir starten das Lied und nichts ist mehr da, wenn der Adler einfliegt ... 1