Deutschlandrundfahrt Wo Männer noch wie Wölfe heulen Geländespiele in Deutschland Von Paul Stänner Sendung: 5. Juli 2015, 11.05h Ton: Bernd Friebel Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2015 Regie Collage aus Atmo: Schießen / Trecker / Bagger Autor Früher konnte man Freizeitaktivitäten nach Chromosomen unterscheiden: Männer machten die harten Sachen: sie stapften in neblige Wälder, wo sie frei lebende Tiere erschossen und im Triumph wie Wölfe aufheulten. Sie arbeiteten auf matschigen Baustellen mit schweren Maschinen, sie hauten einander in Boxhallen auf die Augen, die anschwollen und dann aussahen wie Schneebrillen. Musik 1: "Stompin' at the Savoy" Interpret: Benny Goodman and His Orchestra Komponist: B.Goodman, Ch.Webb, E.M. Sapson Label: ZYX, LC-Nr. 06350 Autor: Frauen hingegen fühlten sich zu den weichen Sachen hingezogen: Auf Skiern im Pulverschnee an sanften Abhängen wedelten sie mit den Hüften, auf Ausritten über Wiesen und Felder saßen sie ulkig verdreht im Damensattel auf einem verschlafenen Kaltblutpferd, in Ballsälen ließen sie sich beim Gesellschaftstanz führen. Kennmelodie Sprecher Wo Männer noch wie Wölfe heulen Geländespiele in Deutschland Eine Deutschlandrundfahrt von Paul Stänner Autor Heute dagegen gibt es kaum noch eine Sportart, die nur von Männern ausgeübt wird. Das Fallschirmspringen war ein Sport, von dem ich hoffte, er würde mir eine maskuline Sonderstellung verschaffen. Was müssen das für unglaubliche Typen sein, dachte ich, die sich ohne Not aus einem völlig intakten Flugzeug fallen lassen. Im Flug über Brandenburg hinweg ziehen, unten arbeiten die Bauern, auf der Straße nach Gransee ist wieder Stau. Und ich heiter pendelnd unter einem riesigen Schirm. Was habe ich mir nicht, in der offenen Tür der Pilatus Porter sitzend, an Macho-Punkten davon versprochen, heldenhaft ins Ungewisse zu springen? 1. P.Stänner (Aufnahme während des Falls, Freiluftatmo) So, der Ausstieg war beschissen, ich habe Drehungen noch und noch, mehrere Überschlagungen, Höhe sechshundert... der Wind ist umgesprungen, ich muss nun ganz anders landen, als ich mir das vorgestellt habe. Ich hoffe mal, es wird schon gehen. ...Beine hoch, Fahrt aufnehmen, Scheiße! Das war (Aufschlagsgeräusch) - und das war doch ein bisschen härter als gedacht. Tückischer Wind. Autor Aber dann durfte ich erleben, dass mindestens die Hälfte der Kursteilnehmer Frauen waren und es lediglich einen signifikanten Unterschied gab: Wenn das Kommando kam, dass wir mit der nächsten Maschine aufsteigen würden, eilten die Männer in die Toiletten-Container, um sich noch einmal zu erleichtern, während die Frauen hinter den Hangar gingen, um eine zu rauchen. Das zentrale Problem für uns Männer besteht doch darin, dass wir uns als Männer! erweisen müssen. Dieses Problem hatten wir immer schon. Seit jener Zeit, als Menelaos Troja belagern musste, weil Paris, der Flegel, dessen Frau Helena dorthin verschleppt hatte, müssen Männer den Mann! geben. Vielleicht war Helena ja gar nicht an eine Rückkehr zu diesem Menelaos interessiert. Vielleicht hatte Menelaos die Helena, die zwar legendär schön war, aber auch in die Jahre kam, schon längst über - egal, er musste sich einen Helm aufsetzen und den Mann! machen. Und mit ihm alle anderen - Musik 2: Titel: Hachijo Interpret+Komponist: Ondekoza Label: Nektar, LC-Nr. 08879 Zitator Und Teukros schnellte einen anderen Pfeil von der Sehne Gerade auf Hektor zu; ihn zu treffen strebte sein Mut. Aber er fehlte auch diesmal, denn es lenkte ihn ab Apollon. Doch den Archeptolemos, den kühnen Zügelhalter Hektors, Der zum Kampf heraneilte, traf er in die Brust an der Warze. Autor Ich mache mich auf den Weg durch Deutschland und suche nach Sportarten, die Männer herausfordern, noch Mann zu sein - und nach Landschaften, die dazu passen; Bewertung inklusive: auf einer Macho-Skala von eins bis zehn. Eins wäre so etwas wie Wattwandern in der Abendsonne und zehn wäre - was wäre eigentlich die zehn? Musik 3: Titel: Der Baggerführer Willibald Interpret+Komponist: Dieter Süverküp Label: Polydor, LC-Nr. 05197 Dies ist die Geschichte vom Baggerführer Willibald! Es ist am Morgen kalt Da kommt der Willibald Und klettert in den Bagger Und baggert auf dem Acker Ein großes Tiefes Loch - Was noch? (abblenden) Autor Der Baggerführer Willibald war ein Agitationslied von Dieter Süverkrüp, mit dem in den 70er und 80er Jahren kleine Jungs auf die gesellschaftliche Realität vorbereitet wurden. Willibald baggert ein Loch für einen Keller, nur um zu erkennen, dass das ein Haus für den reichen Boss werden soll. Das ist nicht gerecht. Also baggert Willibald ein Loch für ein Schwimmbad. Musik 3 ... (aufblenden) Da spritzen sich die Leute nass - Autor: Ich vermute, entscheidend für den Erfolg der Agitation war der Baggerführer - ein Elektriker oder Abwasserklempner wäre für kleine Jungs keine Identifikationsfigur gewesen. Musik 3 - Das macht sogar dem Bagger Spaß! Regie Atmo Bagger Autor Als ich im Baggerado, dem Bagger-Eldorado von Nickenich, ankomme, sind andere schon da. Das Paradies für große Schaufeln liegt in einem Industriebezirk am Rande von Nickenich. Im Halbkreis ist eine Lärmschutzwand hochgebaggert, davor viel lockerer Boden und grob geschätzt ein Dutzend Straßenbaumaschinen, darunter etliche Bagger. 2. Schäfer Es ist viel anstrengender, als man denkt, wenn man es nicht gewöhnt ist, wenn man es noch nie gemacht hat sowie, weil das Ding ist eh schon widerspenstig, und dadurch, dass man in viele verschiedene Richtungen bewegen kann mit zwei Armen - ja, ist tricky, man unterschätzt das. Autor Nur drei oder vier Kilometer von dem kleinen Eifel-Ort Nickenich entfernt tobt seit Tagen auf einem ehemaligen Bundeswehrflugplatz das Festival "Rock am Ring", aber hier säuseln schwere Motoren schallgedämpft vor sich hin. Ich denke, hier sollte es von Männern wimmeln, stattdessen steigt eine Frau vom Bagger. Judith Schäfer aus Ludwigshafen hat mit dem großen Bagger gebaggert. 3. Schäfer Kriegt man dann so ein Allmachtsgefühl, dass man... NEE Schrecken (lacht) nee, eher Schrecken. Autor In der Tat ist der Bagger beeindruckend. Zwei Ehepaare, einer der Männer hat das Baggern als Geschenk bekommen, und nun dürfen sie alle mal, nur die Dame, die die Sause verschenkt hat, mag nicht auf die Maschine steigen. Ihr war der Schrecken wohl zu groß. Ich suche mir einen anderen Beschenkten: Christian Strobel ... 4. Strobel Von den Eltern hat ich einen kleinen grünen Plastikbagger, so einen Tretbagger, womit ich auch fahren konnte und damit haben wir dann, sowohl ich als auch meine Schwester, im Garten dann gebaggert. Autor Christian Strobel ist mittelgroß, schlank, hat lange Jahre Fußball gespielt und braucht heute sein sportliches Training, um dem kleinen Max nachzulaufen, der mit all dem Sand und den Baggern in Nickenich sein Paradies gefunden hat. Natürlich hat Christian die Baggerei auch geschenkt bekommen, von seiner Frau: 5. Frau Strobel Zum Vatertag hab ich es ihm geschenkt, also die Söhne haben es ihm zum Vatertag geschenkt. - die Söhne sind wie alt? - der Max ist eineinhalb, der Jonas ist gerade vier Wochen alt - das war meine Idee, aber der Kleine mag auch so gerne Bagger, der Max, deshalb haben wir dann gedacht, wenn der Papa mal Bagger fährt, das ist auch für den Max sehr schön und der Papa hat bestimmt auch Spaß beim Baggern. Autor So wird das Bagger-Gen von einer Generation auf die nächste vererbt - und das begann so: 6. Frau Strobel Er hatte als Kind so einen Plastikbagger, wie er hier drin auch steht für die ganz kleinen Kinder, und ich denk einfach, wenn man überlegt, was so ein Mann zum Vatertag... was dem gut gefällt? Letztes Jahr hat er ein Grillseminar bekommen und dieses Jahr dann Baggerfahren, weil das auch so was Männliches ist. Autor Ich denke: Baggerfahren in der Eifel, da geht es gleich in die wilde Natur, die vom großen Löffel geordnet werden muss. Aber die Freifläche des Baggerado ist die ehemalige Liegewiese eines Freibades. Die Idee zum Bagger-Zirkus in der Ackerbau-Eifel entstand, als die Betreiber eines Baumaschinenverleihs merkten, dass es zu wenig Nachwuchs gab für die Großmaschinen - kaum zu glauben, wo doch jede der Maschinen hier ein Männertraum ist. Trotzdem blieb der berufliche Nachwuchs aus und so beschlossen die drei Gesellschafter, künftige Baggerfahrer auf einem Spielplatz für große Jungs anzufixen. Dazu sind die Wochenenden da, wo gegen Geld jeder auf einen Bagger darf. Ute Rochlus ist Gesellschafterin und Fahrlehrerin für Christian. 7. Ute (Vorlauf Motorengeräusch) So Christian, steig mal ein, direkt auf die Kette oder du hast da noch ne Hilfsstufe so ich komm mal jetzt hoch in die Kabine, damit ich dir die einzelnen Funktionen erklären kann. Wir haben hier einen 8 to Bagger, dieser Bagger hat einen Messerlöffel dran, dass siehst du dadran, dass unten ne Schneide dran ist und nicht die Zähne offen stehen. Da fangen wir schon direkt an, wenn du rechts nach innen den Joystick ziehst, - nach innen! ... Autor Die Joysticks sind zwei Hebel rechts und links von Christian, mit denen er wesentliche Funktionen seines Baggers steuern kann. 8. Ute ... - so, dann geht die Schaufel zu, bisschen langsamer, bisschen sanfter, weil der Bagger braucht ne gewisse Zeit zum Umsetzen und ist aber so feinfühlig, dass er die Bewegung, die du mit dem Joystick machst, komplett umsetzt, also es kommt nicht auf die Schnelligkeit drauf an, sondern dass man es flüssig macht. ... Und deshalb machen wir das alles erst mal slow motion und nachher kommt die Schnelligkeit automatisch dazu. (Christian) Alles klar, ok. (Maschine laut) Autor Christian baggert. Er ist hoch konzentriert, presst die Lippen aufeinander. Er macht ein Loch in die Erde. Blickt man auf die Schaufel, sieht dieser Vorgang ziemlich banal aus, schaut man auf Christian, denkt man eher an eine Herzklappenverpflanzung. 9. Ute Wir sehen schon, der Christian macht schon die ersten Schaufeln sehr gut, er hat die Schaufeln schön gefüllt, macht das schön bedächtig und langsam, so dass wir eine ganz schöne flüssige Bewegung sehen. Autor Die Familie steht und staunt. Max bewundert mit großen Augen seinen Vater und will so werden wie er. 10. Regie (XX = Max quickt begeistert, als Atmo frei bis STOP) ...und dann geht die Schaufel hier rüber XX und jetzt guckt, was passiert mit dem Sand? Der Papa lässt den fallen - XX - noch mehr holt der Papa - guck mal, der Papa holt von da hinten Sand - macht ein neues Loch - STOP! STOP!- Atmo Motor, Gespräche im Hintergrund - (Ute) war jetzt nicht tragisch, aber ich bin immer...soll dir ja nichts passieren hier - (Christian) ok, alles klar mach ich (Motoratmo) Autor Da wäre es fast passiert: Christian hat den Bagger zu weit geschwenkt. Um ein Haar hätte er die Bodenhaftung verloren und wäre mit dem schweren Gerät auf den langen Löffel gefallen. Doch Ute war schneller. Und weil alles gut gegangen ist, bekommt Christian noch eine knifflige Aufgabe: Mit dem Bagger muss er einige Plastikbälle aufnehmen und auf unterschiedliche Plastikrohre legen, die aufrecht im Sand stecken. Natürlich sollen Bälle und Rohre heil bleiben. Eine vertrackte Prüfung: 11. Strobel Das auf jeden Fall. Als ich mir zu sicher war, hab ich auf einmal die Schaufel zugemacht statt auf, von daher, man muss sich wirklich konzentrieren und nicht ablenken lassen. - Das wäre doch eigentlich ein schöner Wettbewerb, mal schauen, wer es schneller schafft ... So ein klassischer Männerabend, da ist das auch das Richtige, das passt schon, ... davor grillen, dann baggern, passt! (Motor zur Abblende) Musik 3 Der Baggerführer Willibald Regie Atmo Platz Autor Jetzt bin ich an der Reihe, meine Kindheitsträume auszuleben. Wegen der Mittagsruhe in einer zivilisierten Gesellschaft bekomme ich einen der Bagger in der Halle. Das Dach ist geschwungen und sieht aus wie der Panzer einer riesigen Schildkröte. Früher war sie mal ein Spaßbad. Heute sind die Schwimmbecken mit Sand gefüllt. Darauf stehen Bagger, die nicht ganz so groß sind wie ihre Kollegen draußen. Mit der rechten Hand senke ich den Baggerarm und nehme eine Schaufel voll Sand, die Schaufel hoch, mit der linken Hand schwenke ich zur Seite, mit rechts entleere ich die Schaufel. Das Spiel ist eher enttäuschend - ihm fehlen die dicken Muskeln von Baggerführer Willibald. Die Sticks werden mit den Fingerspitzen bedient. Was immer der Fahrer macht, macht der Bagger auch, jede hektische Bewegung, jeder Kraftüberschuss in der Hand lässt das schwere Gerät rucken und zittern. Baggerfahren ist eine Charakterstudie. Wer nicht sensibel ist wie ein Therapeut, kommt mit dem Gerät nicht gut zurecht. Regie Atmo Platz Autor Da ist kein männliches Gefühl, nichts, was einen röhren lässt, kein Anlass für einen Urschrei. Natürlich macht es Spaß, haufenweise Pferdestärken zu dirigieren, aber Baggern in der Halle, selbst Baggern auf der Wiese, das ist nicht richtig wild! Mein Resümee: Das Spielzeug passt zur Landschaft - aber beides nicht zum Mann. Der Macho-Faktor liegt eher bei 3 bis 4, ungefähr auf der Ebene von "Spanferkel-Grillen am Spieß". Da muss es noch mehr geben. Irgendwas, wovon man schon als kleiner Junge geträumt hat, was man mal machen würde, wenn man eines Tages groß ist und ein richtiger Mann! Musik 4 Titel: Born tob e wild Interpret: Steppenwolf Komponist: Mars Bonfire Label: MCA Records, LC 01056 Autor Die alt-isländischen Sagas sind so etwas wie das Handbuch des wahren Mannes. Musik 2 Titel: Hachijo Interpret+Komponist: Ondekoza Label: Nektar, LC-Nr. 08879 Autor Die Geschichten aus den Jahren zwischen 900 und 1400 sind die Basis-Texte für den wilden, ungestümen Mann. Grimmige Helden treten auf, Männer, die neben dem glühenden Lavastrom des Eyjafjallajökull vergammelten Hai essen und aus Notwendigkeit oder Rauflust dutzendweise ihre Feinde niederschlagen. Zitator Sie legten nun die Enden des Firstbalkens frei und rüttelten dann am Balken, bis er zerbrach. Autor Gleich wird es blutig: Wir erfreuen uns an der "Saga von Grettir Asmundarson". Grettir ist ein großer Kämpfer und Held, hat aber das Manko, ein Pechvogel zu sein. Zitator In diesem Moment sprangen sie in die Hütte hinunter, und es gab einen harten Kampf zwischen ihnen. Grettir schlug mit dem Schwert nach Vikar, einem Gefolgsmann von Hjalti Thordarson, und traf ihn auf der linken Schulter, als er hinuntersprang, und das Schwert fuhr quer durch seine Schulter und kam unten an der rechten Körperseite heraus, so dass der Mann entzweigeschnitten wurde. Autor So geht das seitenweise in den Sagas. Sie schildern finstere Zeiten, in denen Berserker und Trolle den Wikingern das Leben schwer machten und ein Mann sich noch bewähren musste. Und zwar auf die harte Tour: Zitator Die zwei Körperhälften fielen auf Grettir hinunter, wodurch er sein Schwert nicht so schnell erheben konnte, wie er gewollt hätte. In diesem Moment versetzte ihm Thorbjörn Angel einen Schlag zwischen die Schultern, so dass er schwer verletzt wurde. Da sprach Grettir: "Wer keinen Bruder hat, dem fehlt die Rückendeckung." Autor Womit der isländische Held mitten im Gefecht eine wichtige Erkenntnis poetisch formuliert hat: Kämpfen ist Mannschaftssport! Aber wo kann man so etwas noch erleben, wenn man nicht gleich mit der Bundeswehr nach Afghanistan will? Regie Atmo Paintball-Halle 12. Arvid Ok running and gunning: Wir gehen in die Ausgangsposition "break out". Wir drehen unseren Fuß schon in die Richtung, in die wir laufen wollen. Der Rücken ist angespannt, dann geht`s los: Autor Arvid Franke ist im normalen Leben Student und trainiert mit einer kleinen Mannschaft von Paintballern, den Bad Fingers. Fünf oder sechs Gestalten in schwerer Montur, Stollenschuhe, dicke Hosen, einheitliches Mannschaftsshirt - und Markierer. 13. Arvid Markierer richtig halten und den Rücken angespannt lassen, damit wir ein schönes gerades Schussbild haben. Laufen rüber: gun-Wechsel. Den Lauf oben lassen dabei, nicht runternehmen, ganz wichtig, ich will einen sauberen gun-Wechsel sehen. Und wieder in die andere Richtung. Auf die rechte Ping- Scheibe dabei schießen. Das Ganze einmal wiederholen, einmal hin einmal zurück, mit Dauerfeuer, ja. Schnell. Ihr macht vielleicht noch euer Tempo so ein bisschen, guckt, wie schnell ihr könnt, ich korrigiere euch denn dabei, ja. Ok. Wir fangen hinten an bei Lars, der steht schon so schön bereit, denk an den Fuß, schon in Laufrichtung, ok. Und los! (Feuergeräusche) die gun oben lassen beim Wechsel. Ok. Olli - und los! (Feuer) den Lauf, an den Lauf decken, bitte! Und los! (Feuer) Gut! Den Fuß schon in Laufrichtung. (Feuer) Sehr gut, nächste bitte. Regie Atmo "Schießen auf Ping-Scheibe" Autor So geht es eine Weile: Ausgangsposition einnehmen, dann zur gegenüber liegenden Hallenseite laufen, dabei schießen., bzw. markieren, dann stoppen, Markierer an die andere Schulter nehmen und zurücklaufen. Am Ende der Schlange einreihen und warten, bis man wieder dran ist. Regie Atmo frei, dann wieder unterlegen Autor Wir sind in Pankow, in der Nähe der früheren Regierungsmetropole der DDR. In einem Industriegelände stehen mehrere großen Fabrikhallen. Ein Teil des Geländes ist aufgelassen und wird von der Natur zurückerobert. Auf der anderen Seite liegt eine Autowerkstatt, in der auch am Abend noch gearbeitet wird, weiter hinten hängen die Luftballons einer Einweihungsfeier. Eine dieser großen grauen Hallen ist zu einer Paintballanlage umgebaut worden. In diese Halle ist aus engmaschigen Plastiknetzen, wie man sie vom Gerüstbau kennt, ein großer Käfig eingezogen. In dem Käfig: mannshohe, luftgefüllte Plastikteile, die aussehen wie überdimensionale Marshmellows. Dahinter können die Paintballer in Deckung gehen. Regie Atmo sliden frei Autor Das wichtigste Gerät für den Paintballer ist der Markierer: Ein Schieß- Gerät bestehend aus einem Lauf, einem oben aufgesetzten Behälter für die Bälle oder Kugeln und am hinteren Ende einem Pressluftbehälter, der wie ein Gewehrkolben in die Schulter gedrückt wird. Mit der Pressluft werden die Farbkugeln beschleunigt. Oliver übernimmt die Ausbildung: In ihren schweren Monturen mit dicken Hosen, Helmen und flatternden Hemden sehen die Sportler aus wie die Clonkrieger aus dem Film Star Wars. Regie die Atmo dazu 14. Oliver Und was wir jetzt machen ist nepp-shooten, d.h. wir stellen uns gegenüber hinter zwei gleichen Deckungen auf, und Ziel ist es dann, quasi, immer nur kurz aus der Deckung vorzugucken und den Gegner auf der anderen Seite durch die schnelle raus-Bewegung dann mit einem gezielten Schuss zu treffen. Der Gegenspieler macht natürlich genau das Gleiche, d.h. er wird auch dementsprechend schnell wieder draußen sein, schnell wieder drin, d.h. das sind die Geschwindigkeit und die Treffgenauigkeit am wichtigsten bei der Übung. 15. 16. Regie Atmo Schießen Autor Das Spiel ist nicht ohne, und das wird einem gleich klar, wenn man am Halleneingang die Haftungserklärung unterschreibt. Das wichtigste Ausrüstungsstück ist ein die Verständigung behinderndes Ungetüm, das in der Amts-Sprache "Vollgesichtsschutzmaskensystem" heißt. Musik 2 Titel: Hachijo Interpret+Komponist: Ondekoza Label: Nektar, LC-Nr. 08879 Zitator Der Teilnehmer wird darüber belehrt, dass die Teilnahme am Paintballspiel zu schweren und schwersten Verletzungen und Gesundheitsschäden ... führen kann. Der Teilnehmer wird darüber belehrt, dass er zur Verringerung des Verletzungsrisikos auf dem Spielfeld IMMER eine RICHTIG ANGELEGTE Schutzausrüstung (bestehend mindestens aus einem geprüften Vollgesichtsschutzmaskensystem) tragen muss. Der Teilnehmer nimmt zur Kenntnis, dass Paintball als extremes Bewegungs- und Jagdspiel große körperliche und seelische (Stress, Anspannung, Angst) Anstrengungen mit sich bringen kann. Der Teilnehmer wird darüber belehrt, dass andere Teilnehmer ihn mit Geschossen (Farbkapseln), denen eine hohe Geschwindigkeit erteilt wird, beschießen werden und dies insbesondere zu Knochenbrüchen, Blutergüssen, Prellungen und Verlust des Augenlichts und der Zeugungsfähigkeit führen kann. Autor Ist es das, was Männer! wollen? Regie Atmo Munition einfüllen, frei und weg Autor Pause. Die Markierer und die Markierenden sind leergepumpt. Immerhin: die Männerquote betrug fast 99 Prozent, auch der Macho- Faktor aus Blut-Schweiß-und-Tränen war ziemlich hoch, der Sport ist vielversprechend. Josephine war die einzige Frau heute Abend bei den bad fingers. Wir gehen vor die Halle, in die abendliche Stille von Pankow. Josephine ist im Zivilberuf Operationstechnische Assistentin, was mir nach der Lektüre der Haftungsbedingungen mit der Liste möglicher Verletzungen irgendwie beruhigend erscheint. Ihr Freund ist noch in der Halle und ballert. Regie Atmo Pankow 17. Josephine Wir haben auf einer Geburtstagsfeier Paintball gespielt mit ein paar Kumpels ... und nach ein paar Mal spielen haben wir uns überlegt, dass wir das öfter machen wollen und dann im Team und gucken, ob wir auch an Ligen teilnehmen. Autor Will sagen - an Meisterschaften teilnehmen, was schon recht ehrgeizig klingt. 18. Josephine Das macht mir halt ziemlich viel Spaß, ich power mich gerne aus, das ist ein Teamsport, es macht Spaß, es mach mir halt auch wirklich Spaß. Und es trainiert den Killerinstinkt, hast du so was? NEIN. Quatsch (lacht) nein, ein Killerinstinkt, das nicht, wie gesagt, das ist ein Teamsport, man muss miteinander agieren, man muss miteinander kommunizieren, das hat ja auch seine Regeln alles und - ja. So wie ich das jetzt gesehen habe, läuft jeder hinter seine Deckung und schießt so für sich. Wie funktioniert das miteinander agieren? Ich kenn es ja jetzt nur von unseren privaten Spielen, die wir so untereinander auf den Feldern in Garzau hatten, und da muss man halt schon miteinander kommunizieren, wenn da jetzt hinten noch einer alleine in der Deckung ist, dann sagt man seinen Teamkollegen halt an: Da hinten ist noch einer! Das kriegt man hier noch besser mit, dass man erzählen kann, wo noch einer ist, wenn man nicht gesagt bekommt, wo noch einer sitzt, dann kann es passieren, dass man da die ganze Zeit hinter der Deckung und: Spielt da jetzt noch einer mit, oder??? Also, man muss wirklich miteinander kommunizieren, ansonsten bringt das nichts. Was ja nicht die Stärke der Männer ist. Warum machen Männer den Sport, warum machen Frauen den Sport? Keine Ahnung, weiß nicht, warum ne Frau den Sport jetzt - ob das ein anderer Grund ist, als ob Männer den Sport machen. Ich denke, alle machen den Sport, weil sie den vielleicht mal ausprobiert haben und den dann ganz toll fanden, und mich und meinen Freund hat es so gereizt, dass wir das öfter machen wollen... Autor Dann gibt es aber da die unschönen Bemerkungen, die man über diesen Sport macht - stören die sie? Josephine ist unerschüttert: 19. Josephine Man hört gleich immer so Klischees - ja, das ist ein Waffensport, dann wird der Killerinstinkt geschürt... aber ich hab das nicht so, auch wenn wir, in Garzau waren jetzt immer, das sind alles total nette Leute, aus jedem Bereich kommen die Leute, Mediziner, handwerkliche Berufe, akademische Berufe, alles Mögliche, - also ein Killerinstinkt wird definitiv nicht geschürt. Musik 5 Titel: Ghost Riders in the Sky Interpret: Johnny Cash Komponist: Stan Jones Label: Columbia, LC-Nr. 00162 Regie Atmo Deutz - Trecker Autor Westheim ist ein Dorf im Hochsauerlandkreis, am östlichen Rand des Sauerlandes. Überregional bekannt sind die Brauerei des Ortes und sein Golfplatz. Auch sonst ist viel Natur um Westheim, Wald und Acker. Wer sich nicht auskennt, bekommt schnell Probleme mit den Haarnadelkurven, die von den Höhen des Sauerlandes herabführen. In Westheim ist gerade Schützenfest, wenn der Trecker steht, hört man gelegentlich Schüsse vom Marktplatz herüber peitschen. 20. Schmiegelt Das war ein 28er Deutz von 1950, ist ein Supertrecker gewesen, konnten sich kleine Bauern nicht leisten, das waren schon die etwas größeren, die so etwas im landwirtschaftlichen Einsatz fuhren. Autor sagt Wolfgang Schmiegelt. Der hat schon einen Sound, der Deutz. Ganz anders - und Freunde der landwirtschaftlichen Zugmaschinen wissen das zu schätzen - ganz anders klingt der Massey: Regie Atmo Massey Ferguson, darüber 21. Kloppenburg Ein MF 135, Massey Ferguson, 42 PS , Frontlader, Baujahr 66 Regie Atmo Motor, fährt in der Gegend herum, läuft aus. Autor sagt Alfons Kloppenburg, der den Massay Ferguson fährt. Schmiegelt und Kloppenburg, und Reinhold Kleck, der erst später etwas sagen wird, gehören zum Oldtimer Club Westheim. Wir stehen vor einer Scheune mit Treckern. 22. Schmiegelt Der Deutz ist luftgekühlt und allgemein lauter als die wassergekühlten wie der Massey Ferguson, das ist ein Vierzylinder, und der Deutz war ein Zweizylinder. Ich wollt grad sagen, die 28er, 55er noch älteren Fahrzeuge, die sehen ja für den Laien aus wie geleckt, als ob sie gerade erst aus der Fabrik gekommen wären und noch nie richtig einen Acker gesehen hätten, was muss man da machen? (Kloppenburg) Ja, die Vorarbeiten zum Lackieren und so was, kann ich selber machen, und denn haben wir wirklich einen Profilackierer hier im Ort, der tät die lackieren. Gute Farbe, und dann klappt das schon, kostet natürlich auch einen Haufen Geld. Autor Eine alte Scheune im Zentrum des überschaubaren Westheim, die eigentlich schon Bauschutt war, wurde von dem Verein in dreijähriger Arbeit proper aufgebaut und beherbergt nun alte Geräte. Regie Atmo Junkers-Motor wird angeworfen bei "Riesenklotz" 23. Schmiegelt Das ist was? Das ist ein Junkersmotor, ein Motor mit gegenläufigen Kolben, zwei Zylinder vier Kolben, das ist was Seltenes. Wurde im Flugzeugbau verwendet und man sieht, das ist ein Riesenklotz, hat 24 PS und wenn man sich den VW Käfer von früher vorstellt, der hatte 24 PS, der Motor war aber wesentlich kleiner als dieser. Aber die Leistung ist hier immens, der hat ein hohes Drehmoment und treibt da ein 15 KVA Notstromaggregat an. Woher stammt das, wer hatte das im Betrieb? Das haben wir erworben von einem Herrn, der hat diese Art gesammelt, der war besessen. Er ist leider verstorben, und seine Frau war glücklich, dass sie alles verkaufen konnte, weil er hat sich nur um seine Dinge gekümmert hier, Maschinen, Pumpen, Aggregate, und hat dabei auch ein bisschen seine Frau vernachlässigt. Hat sie uns gesagt. Regie Junker läuft aus, startet wieder, läuft aus. Autor Der alte Junkers: Wenn er einmal läuft, lässt er sich so leicht nicht abbremsen. Hier und jetzt stehen drei Männer um einen großen Motor. Sie sind innerlich bewegt und äußerlich schweigsam. Mir scheint, sie können gut still sein, die Sauerländer. Ein Stockwerk höher: 24. Schmiegelt Herkules hört sich immer so stark an, aber so stark ist der gar nicht, der ist vom Baujahr 1917, hat eine Leistung von 1,5 PS bei 550 Umdrehungen, das ist verschwindend gering. Also bis wir den erst mal in Gang hatten, hat ein bisschen gedauert, wir mussten überlegen, wie funktioniert das eigentlich alles, ist eine elektrische Zündanlage dran, eine Magnetzündanlage, der Motor hat keine Zündkerze und keinen Vergaser - und trotzdem läuft der. Also ist ein wirkliches Schmuckstück. Autor Wolfgang Schmiegelt ist KFZ-Elektriker, 40 Jahre war er für den ADAC unterwegs. Es dürfte keine Fahrzeug-Elektrik geben, die er nicht schon in den Händen hatte. Dann war eines Tages das Herkules-Rätsel zu lösen. 25. Schmiegelt ... Wir haben das erst mal zerlegt und reingeguckt und wie funktioniert's? Und siehe da, da war noch was durchgeschlagen, hatte einen Kurzschluss. Haben wir alles neu gemacht in unserer Werkstatt und das Ding läuft - wenn er Sprit hat - wochenlang. Wurde verwendet zur Wasserpumpenantrieb und Ölförderpumpen. Soll in Amerika viel gelaufen haben an diesen Ölfeldern, an diesen Ölpumpen als Antrieb. Autor Dann sitzen wir in der Seele der Traktorenscheune, der Kaffeestube, auf der Eckbank um den großen Tisch. Auf einer Anrichte stehen alte Fotoapparate und eine historische Schreibmaschine, der Raum strahlt Wohnzimmeratmosphäre aus. Jetzt spricht auch Reinhold Kleck: 26. Kleck Man muss sich da reindenken, das sind ja alte Sachen, die fast 100 Jahre alt sind, die Motoren. Das ist schon ein bisschen Nachdenken und Fukkeln, und denn läuft die Sache. Autor Also fukkeln muss man? 27. Kleck fukkeln (lacht) das ist sauerländische Sprache - auf basteln und schrauben Autor Der Oldtimerverein Westheim wurde 1993 gegründet von zehn Männern. Vereine gibt es reichlich - die Schützen nebenan knallen immer noch - und die Konkurrenz ist groß. Der Oldtimerverein hat es geschafft. Heute gehören dem Verein 165 Anhänger an, die gute 60 Schlepper ihr Eigen nennen. Die meisten stehen auf Privatgrundstücken, weil sonst nirgendwo Platz ist, und werden gepflegt und gehegt wie Familienangehörige. Früher hat man solche alten Geräte zerschlagen, um das Altmetall herauszuholen, heute werden sie mit Liebe und Sachverstand aufpoliert. Von den Männern. 28. Kleck Sagen wir mal, zehn Prozent von unserem Verein sind Frauen, die denn auch rührig sind. Einmal im Monat machen wir Kaffeetrinken, die sind denn für diese Sachen zuständig. Die schrauben eigentlich nicht an den Traktoren, das ist eigentlich Männersache, aber ansonsten läuft das hier sehr gut ab mit der Geschichte. Ist es denn schon passiert, dass eine der Frauen sagt, Kuchenbacken ist mir zu langweilig, ich möchte lieber einen Motor auseinander nehmen? Auf den Tag warte ich noch, das wäre auch nicht schlecht, ich helfe gerne mit (lacht) nein, im Augenblick noch nicht. Nein. Autor Zu hohen Festtagen dürfen die Oldtimer an die frische Luft. Dann formiert sich eine Treckerpolonaise durch Westheim. Blitzende Diesel werden vorgeführt, die ganze Arbeit, die in den Maschinen steckt, wird einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Um so etwas auf die Beine zu stellen, muss man schon eine Liebe zu seinem Land pflegen, auf dem diese Maschinen gearbeitet haben. So äußert sich tiefe Zuneigung - Zuneigung zum Ding. 29. Kleck Der schönste Schlepper ist eigentlich der Lanz, der Lanz Bulldog. Das sind noch richtig Raritäten, vom Klang her, und von der Aufwändigkeit, den erst mal in Gang zu machen, das sind schon schöne Sachen. ... Das dauert alleine schon eine Viertelstunde, den in Gang zu machen. Autor Und wo steht er? Wo rollt er? 30. Kleck Nein, den hab ich nicht. Im Dorf haben wir so einen nicht. Aber der Weg dahin ist nicht allzu weit, schätze mal, dass irgendwann noch einer kommt. Autor Im Museum kühlt der Junkers-Doppelzylinder wieder ab. Draußen, auf dem Schützenfest, wird immer noch geschossen. Jetzt wäre eigentlich Zeit zu überlegen, ob das gemütvolle Sammeln, Zerlegen, Abschleifen, Neulackieren, Ausstellen von imposanten Geräten, die viel Geschichte und eine ganz eigene Würde der Arbeitswelt tragen, ob das so richtig was für Männer ist? Rein zahlenmäßig ist das Treckersammeln ein nahezu exklusiv männliches Hobby - und es passt zu dieser bäuerlich geprägten Landschaft; nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Dörfer, die im Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" einen Preis gewonnen haben. Aber wie steht es mit dem Macho-Faktor? Ich gebe eine drei bis vier. Eine willkürliche Entscheidung, schon klar, aber nach meinem Bauchgefühl erscheint es richtig. Musik 6 Titel: Cadillac Walk Interpret+Komponist: Mink DeVille Label: Polyphon, LC-Nr. 00310 Regie Blende in die Atmo "Tresen von Garzau" Autor Garzau - dieser Ort soll der Schauplatz sein meines Selbstversuches. Ein Freilandversuch, Ballern mit Akademikern, wie Josephine in Pankow versprochen hat, ein Geländespiel, wie früher bei den Pfadfindern. Das verspricht einiges. Aus der Literatur erinnert man sich an die Artus-Sage, die ganz unverblümt berichtet, wie wenig es brauchte, dass der gute König Artus einen Krieg anzettelte. Musik 2 Titel: Hachijo Interpret+Komponist: Ondekoza Label: Nektar, LC-Nr. 08879 Zitator Von seiner hohen Gesinnung geleitet, erklärte Artus, um seine Krieger Ruhm erwerben zu lassen und um den vielen Rittern, die er herangebildet und an seinem Hof unterhalten hatte, die Möglichkeit zur Betätigung zu geben, wolle er über das Meer nach Frankreich fahren und es ganz erobern. Autor Krieg ist Männer-Sport - ist es das, was uns die alten Literaten sagen wollten? Autor Garzau ist ein kleiner Flecken östlich von Berlin. Hier unterhielt in vergangenen Zeiten die Nationale Volksarmee der DDR einen atomsicheren Bunker, der das Organisations- und Rechenzentrum der NVA beherbergte. Der Bunker liegt noch immer 17 Meter unter der Erdoberfläche, ist teilweise betriebsbereit und zu besichtigen. Oberirdisch stehen noch einige Plattenbauten und Hallen. Hier kann man bei Gopaintball im freien Gelände mit Farbmurmeln aufeinander schießen. Mehrere Felder sind abgesteckt. Barrieren, aus massiven Röhren gebaut, verteilen sich wie Hindernisse auf einem Springreiter-Parcours - das ist eher was für Freunde des Häuserkampfes. Gleich am Ende des Feldes schließt sich ein dicht zugewachsener Wald an, wo sich die Leser von James Fenimore Cooper zuhause fühlen. Ich bekomme meine Ausrüstung - im Wesentlichen ein schmutzabsorbierender olivgrüner Overall - und gute Worte von Kai: Regie Atmo wechselt in ruhige Außenatmo 31. Kai (Vorlauf Atmo) Paul, du hast von uns gerade die fd12 bekommen, der paintball-markierer hier, das ist ein rein mechanischer Markierer, aber bevor wir zum Markierer kommen, gehen wir noch mal zu den wichtigsten Sicherheitssachen im Paintballbereich, das Wichtigste ist für dich die Paintballmaske, die du auf dem Spielfeld unter keinen Umständen absetzen darfst, ... erst wenn du außerhalb wieder im sicheren Bereich bist. Autor Mir würde es als gelerntem Städtebewohner nicht liegen, den letzten Mohikaner in seinen Wäldern zu jagen, also entscheide ich mich für den Städte-Parcours. Ein rechteckiges Spielfeld, abgehängt mit Netzen, um Fehlschüsse einzufangen. Dort, wo beim Fußball die Tore stehen, stehen zwei Bretterwände, dahinter ist unser Ausgangspunkt. Ich werde von einem losen Team von Freunden aufgenommen, die nicht einmal einen gemeinsamen Namen haben. 32. Spieler Wir können es ja so machen, weil er kein vollwertiger Spieler ist, können wir doch drei machen und dann kommt er in diese Gruppe mit rein, ist doch kein Problem. Ich lauf ohnehin hinterher. Wichtig ist nur eigentlich in-Deckung-bleiben erstmal, gucken ... dann gehen wir gleich hierauf... ok, wir machen ja mehrere Mal und... Autor Dass ich kein "vollwertiger Spieler" bin, ist einerseits korrekt, kratzt aber andererseits auch an meiner empfindsamen Ehre. Die Kränkung bringt mich in Kampfstimmung. Ich werde einem Spielkameraden zugeteilt, David heißt er, ich erinnere mich, dass er Stoppelhaare trägt, das Gesicht ist jetzt ohnehin unter der Maske verschwunden. Wir stehen auf dem Spielfeld, mein Markierer will nicht, wie ich will... 33. David ...musste ab und zu mal schütteln, wenn keene Murmeln... wenn de merkst, da kommt nüscht, dann machste mal so und denn geht's weiter ok wie gesagt, bei Feindkontakt einfach mal immer klackklackklackklackklack um den wegzuhalten, weil der will ja aus der Deckung raus, ruffhalten, wieda zurück, ruffhalten, wieda zurück... Autor Ich denke, das kann ich mir merken. Allerdings ist meine Kampfkraft durch das Vollgesichtsschutzmaskensystem beeinträchtigt. Es behindert meine Sicht und meine Atmung. Ich stehe hinter einer massiven Säule, die mich schützt, vor mir liegt die aufgewühlte Arena und weiter hinten, kurz vor dem dunklen Wald, lauern meine Gegner. Die ich nicht sehe. 34. David ...gleich bei einszweidrei laufen wir los, dann rennen wir gleich da rüber...los? Los! Einszweidreilos! (Atmo) Irgendjemand ist schon tot und ich bekomm überhaupt keinen zu sehen...ich seh überhaupt keinen...bislang seh ich noch gar keinen Gegner, es sei denn, er ist noch vor mir...Schüsse... oh, das hätte ein Kopfschuss sein können. Nicht schlecht. Wo ist er denn? ... (Schüsse, Gelächter aus der Ferne) Gleich nochmal? Nochmal? Ja. Ich glaub, dich hätte ich fast getroffen. Ja, das ist gegen das Ding dagegen und alles gegen meine Brille, das war super, ja (Atmo hängt an) Autor Damit dürfte sich die abfällige Bemerkung "Der ist kein vollwertiger Spieler" ja wohl erledigt haben. Im zweiten Spiel werde ich getroffen, was mir vermutlich zwei blaue Flecke einbringt. Gemäß den Spielregeln halte ich meinen Markierer in die Höhe und lege die freie Hand auf den Kopf. Jeder weiß, ich spiele nicht mehr mit. 35. David Bereit ? drei zwei eins los! (Geballer) Regie Viel schießen als Atmo, darüber Autor Autor Auf der linken Flanke habe ich mich über eine Zwischenstation an eine Deckung herangearbeitet. Es ist eine hohe Röhre, ich kann also stehen. Vorsichtig versuche ich, aus der Deckung zu lugen. Ich sehe erst einmal gar nichts, weil sich die Tarnkleidung des Gegners wirklich schlecht vor dem Waldhintergrund abhebt. Mein Adrenalinspiegel steigt spürbar, als ich sehe, wie seine Farbkugeln auf mich zufliegen. Dann habe ich ihn entdeckt und überschütte ihn meinerseits mit Murmeln. Die Dinger sind so langsam, dass man ihren Flug verfolgen kann. 36. Spieler (Fortsetzg. Take hat Atmo) Das war`s schon. Das war's schon? Eh, Sie haben mich abgeschossen Ich hab dich abgeschossen? Ja! Eh, bin ich gut Kann man sagen. Danke! Autor Am Ende wird durchgezählt: In vier Konfrontationen war ich drei Mal bei der siegreichen Mannschaft. Ich spiele mit dem Gedanken, Umsicht und Treffgenauigkeit zu meinen Kernkompetenzen zu ernennen. Wir diskutieren, ob meine Schießerfolge auf ein naturgegebenes Talent oder stumpfes Anfängerglück zurückzuführen seien - ich finde, Naturtalent klingt besser. Jetzt wäre der richtige Moment, ein wolfsartiges Triumphgeheul erschallen zu lassen, aber die Jungs sehen aus, als hätten sie dafür kein Verständnis. Regie Atmo hoch und weg, akustischer Raum für Nachdenkliches Autor Das Erstaunliche für mich war, wie erschreckend unterhaltsam es sein kann, auf jemanden zu schießen. Seinerzeit habe ich mich gewissenhaft geweigert, der Aufforderung der Bundeswehr zum Wehrdienst Folge zu leisten, heute ziele ich mit einem stark gewehr- ähnlichen Gegenstand auf meine Mitspieler. Natürlich wird es einfacher, wenn man sich immer wieder ins Gewissen ruft, dass das alles ja nur ein Sport ist, und dass nur mit Farbe gespielt wird und dass es Spaß machen soll. Andererseits: Man ist dem Vorwurf ausgesetzt, dass hier - Spiel hin, Spiel her - ein ganz und gar unzivilisierter Killer-Instinkt zum Tragen kommt, die archaische Absicht zu töten, um zu gewinnen. Dagegen hilft es, wenn ich mir klarmache, dass all die friedensbewegten Intellektuellen, die glauben, jetzt seien meine dunklen Seiten offenbar geworden, selbst begeisterte Schach-Spieler sind, die ohne mit der Wimper zu zucken Bauern vom Brett kegeln, Läufer von Pferden niedertrampeln lassen, Türme umreißen und sich der gegnerischen Dame bemächtigen. Deren Spiel ist nicht so sinnlich, aber nicht weniger destruktiv wie meines. Und schon bin ich gerechtfertigt. Regie Atmo draußen Autor Es war ein Sonntag in Feld und Wald und unter ballernden Männern. Ein Sonntag der spontanen Hordenbildung: Wir! gegen die!. So war die Erwartung und wirklich: Es gab an diesem Sonntagnachmittag nur eine einzige Frau auf dem Platz und im Wald, und die stand hinter dem Tresen und verkaufte Getränke. Sollte ich wirklich doch noch einen Sport gefunden haben, entgegen der historischen Entwicklung, wo Männer noch Männer! sind? Vor uns eine zerfurchte Kampfstätte, hinter uns ein verwucherter, schwer zu durchdringender Wald, unter uns der Bunker - das ganze Areal atmet Männlich-Militärisches. Ist dies tatsächlich der Ort, wo Männer herausgefordert werden, noch Männer! zu sein? Brüllend in der freien Natur, schwitzend, staubbedeckt, aber ruhmreich? Mit Macho- Faktor zehn? Es gibt sie noch, die guten Dinge? Eine Weile durfte ich Recht behalten, dann kam der Schock. Thomas war der Bote der düsteren Nachricht. Regie Schlussatmo Garzau 37. Thomas Also, man denkt ja eigentlich, dass Paintball eine Männerdomäne ist, aber dem ist gar nicht so. Gestern zum Beispiel, da war nur eine Frauengruppe da mit 14 Frauen, die hatten eine Betriebsfeier. Autor Das war der Moment, in dem das Bild des grünen Wald-und-Wiesen- Parcours in ein grauverschleiertes Schwarz-Weiß umschlug. Frauen im Schlachtensport. 38. Thomas Junggesellenabschiede sind inzwischen sehr beliebt ... ganze Gruppen, egal ob Frauen oder Männer, und die stellen sich dann in so einen Parcours und dann bekommt der Junggeselle ein Hasenkostüm dann angezogen und dann läuft er diesen Parcours einmal auf, einmal ab und alle, die ein bisschen Geld gespendet haben, - 2 Euro fünfzig, fünf Euro, die dürfen dann auf diesen Hasen schießen. Also es ist eine ganz witzige Sache und er bekommt dann noch ein paar blaue Flecken und noch ein bisschen Geld für den Abend zum Trinken. Das ist aber vom Grundsatz her etwas männerfeindich? Nö, nicht wirklich oder? Es macht doch Spaß, wer möchte nicht den Bräutigam beschießen? (lacht) Kennmelodie Sprecher Wo Männer noch wie Wölfe heuen Geländespiele in Deutschland Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Paul Stänner Ton: Bernd Friebel Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2015 Manuskript und das Audio zur Sendung finden Sie im Internet unter www.deutschlandradiokultur.de 2