DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 12.05.2009 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 - 20.00 Uhr Ein Käfig voller Enten? Recherchen zur Sauerlandzelle Von Walter van Rossum URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - O-Ton: (Film) "Fritz Gelowicz, Daniel Schneider, Adem Yilmaz. Drei junge Männer, islamische Gotteskrieger mit einem mörderischen Plan: Bombenbauen für einen Anschlag mitten in Deutschland." Musik Ansage: Ein Käfig voller Enten? Recherchen zur Sauerlandzelle Ein Feature von Walter van Rossum Musik Zitator: Das Ereignis. 4. September 2007 O-Ton: (ARD-Film) "14 Uhr. Ein Sonderkommando der GSG 9 stürmt das Ferienhaus im Eichenweg 22." Autor: Ein Großaufgebot von schwer bewaffneten Sicherheitskräften hat das Schlimmste verhindert, erfahren die Zuschauer. Die Generalbundesanwältin Monika Harms verkündet anschließend vor der Presse: O-Ton: (Harms, Tagesschau) "In einer gemeinsamen Kraftanstrengung ist es den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland gelungen, eine der bislang aus unserer Sicht schwerwiegendsten terroristischen Anschlagsplanungen in diesem Land rechtzeitig zu erkennen und sicher im Blick zu behalten, bevor es zum Ernstfall kommen konnte." O-Ton: (Tagesschau) "Den Fahndern entging auch nicht der Kauf von 12 Kanistern mit insgesamt 730 kg 35-prozentiger Wasserstoffperoxyd-Lösung. Diese Kanister wurden in der Nähe von Hannover unter konspirativen Bedingungen erworben, dann gingen sie quer durch Deutschland. In einer Garage in Freudenstadt im Schwarzwald wurden sie versteckt zwischengelagert." Autor: Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, gibt die Größenordnung der Bedrohung vor: O-Ton: (Tagesschau) "Aus dieser Menge können durch Konzentration und relativ einfache Beimischungen circa 550 kg Sprengstoff, vergleichbar der Wirkung von TNT, hergestellt werden. Zum Vergleich: Die Rucksackbomber in London im Juli 2005 hatten nur jeweils 3-5 kg in ihren Rucksäcken." Autor: Auch die Zeitungen vom nächsten Tag geben sich schockiert. Zitator: Berliner Kurier: "Sie planten die Super-Bombe. - Es sollten entsetzliche Anschläge werden mit Hunderten von Toten. ( ... ) Es sollte das Blutbad von Madrid (191 Tote) und das von London (52 Tote) in den Schatten stellen. Es war nicht irgendwo geplant, sondern sollte mitten unter uns geschehen. ( ... ) [Die Terroristen] waren schon dabei, die Höllen-Sprengsätze zusammenzusetzen.? Autor: Und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentierte Mitherausgeber Berthold Kohler: Zitator: "New York, Madrid. London. Und dann Frankfurt? Hanau? Heidelberg? Die Namen deutscher Städte hätten die Reihe schwerer Anschläge verlängern sollen, mit denen islamistische Terroristen den Westen in seinen Grundfesten zu erschüttern trachten. In der deutschen Provinz, in ihren Ferienhäusern und Garagen, verwandelte sich die 'hohe abstrakte Gefahr', vor der die Sicherheitsbehörden schon lange warnen, in eine sehr konkrete Bedrohung." Autor: Bald erfuhr die Öffentlichkeit auch, was die mutmaßlichen Terroristen damit im mutmaßlichen Schilde führten: Zitator: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. September 2007 "Die drei Terrorverdächtigen, (...) haben mehrere militärische und zivile Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet - darunter auch den Frankfurter Flughafen - als mögliche Ziele ins Visier genommen. Das bestätigte Innenminister Volker Bouffier (CDU) in Wiesbaden. Es handele sich um 'zu allem entschlossene' Männer, deren Absicht es gewesen sei, ein Blutbad anzurichten." Autor: Später wurde noch ein ganzes Potpourri möglicher Anschlagsziele und Daten nachgereicht. Die drei Verhafteten, Fritz Gelowicz, Daniel Schneider und Adem Yilmaz wurden fortan die Sauerlandzelle oder die Sauerlandbomber genannt. Die beiden Deutschen waren zum Islam konvertiert, der Türke Muslim von Geburt. Die Ermittler streuten früh aus, dass hinter den drei jungen Männern noch gefährlichere Kräfte am Werke seien: O-Ton: (Tagesschau) "Sie sollen zur Islamischen Dschihad Union gehören, die in Kontakt zu Al Kaida steht. Fritz G. wurde wie die beiden anderen in Pakistan ausgebildet. Sie lernten Bomben zu bauen." Autor: Nicht ein paar gefährliche Spinner, sondern die Speerspitze des internationalen islamistischen Terrorismus rüstete angeblich zum Großangriff. Das Großaufgebot an Polizei, Geheimdiensten und sonstigen Sicherheitskräften, die an der Überwachung und Festnahme der Verdächtigen beteiligt waren, erschien also einleuchtend: O-Ton: (Tagesthemen) "Al Kaida ist offenbar in Deutschland, mitten in Deutschland. Diesmal noch gestoppt durch eine der größten Polizeiaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie galt der vielleicht größten Bedrohung in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund dreihundert Beamte beobachteten ein halbes Jahr lang die Terrorverdächtigen." Autor: Es waren sogar noch sehr viel mehr Beamte im Einsatz. Die Fahnder waren hochzufrieden mit ihrem Erfolg. Und die Politik ebenso: O-Ton: (Tagesschau, Merkel) "Die Erkenntnis heißt jetzt: Es gibt nicht nur eine abstrakte Gefahr, es gibt reale Gefahren, aber es ist auch eine wirkliche Leistung unserer Polizei..." Autor: sprach die Bundeskanzlerin. Und Dutzende Politiker verlautbarten Ähnliches. Es war auch die Stunde von Innenminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker hatte Recht behalten und sollte noch mehr Rechte bekommen. In der FAZ hieß es am Tag nach den Verhaftungen unter der Überschrift "Schäuble glaubt man erst, wenn etwas passiert": Zitator: "Dass sich etwas Größeres zusammenbraut, davor hatte Schäuble gewarnt, ebenso wie die anderen Behördenchefs. Über Wochen hinweg war er überhört worden(...). Doch war der Dienstagspätnachmittag ein politischer Idealfall für den zuletzt bedrängten Sicherheitsminister der Bundesrepublik: zwölf Fässer voller Sprengstoff, zahlreiche Verhaftungen und kein einziges Opfer, wenn man von der Handverletzung eines Polizeibeamten absieht. Eine bessere Ausstattung kann ein Innenminister im politischen Gefecht nicht bekommen." Autor: Und gleich meldete die Tagesschau neuen sicherheitspolitischen Bedarf: O-Ton: (Tagesschau) "Nach Einschätzung der Behörden zeigt der Fall aber auch ein wachsendes Problem. Weil zwei der Tatverdächtigen Deutsche sind, sei es nötig, die Kriterien für die Fahnung nach Islamisten zu überdenken." Autor: Der militante Islamismus, so hieß es nun, komme mitten aus der Gesellschaft. Die unbehinderte Arbeit der Sicherheitsbehörden erschien plötzlich noch wichtiger. Und die meisten Medien ergingen sich in Superlativen der Bedrohung und feierten ihre Aufdeckung. Musik Zitator: Die Gendarmen Musik Autor: Rechtzeitig zum vorgesehenen, dann aber verschobenen Prozessbeginn gegen die Sauerland-Zelle sendete das öffentlich-rechtliche Erste Fernsehprogramm im März 2009 einen Film mit dem Titel "Terrorjagd im Sauerland. Wie das BKA ein Blutbad verhinderte." O-Ton: (Film) "Was genau geschah bei dieser Polizeiaktion?" Autor: Darüber erfährt man in diesem Film tatsächlich so einiges Verblüffende - vorausgesetzt, man sieht und hört genau hin. O-Ton: (Film) "Die Aktion ist streng geheim. (...) Das BKA will kein Aufsehen im Dorf - auch Bauer Krevet wird nicht eingeweiht." Autor: Auf dem Hof von Bauer Krevet in Oberschledorn errichtete das BKA sein Observationszentrum in Gestalt eines Wohnmobils. Dem Bauern sagte man, es ginge um Funkmessungen. Eine fast perfekte Tarnung: O-Ton: "Ja, um die Ecke stand dann dieser Wohnwagen, mit so Nachtsichtgeräten wie so ein Leopard II, so ungefähr. Und die Männer hielten sich so die Gesichter zu." Autor: erinnert sich ein Nachbar. Musik O-Ton: (Film) "Insgesamt sind jetzt 300 Polizisten in und um Oberschledorn im Einsatz, diskret und leise. Es ist fast wie in einem James-Bond-Film kurz vor dem Showdown." Autor: Das kann in der 900 Seelen-Gemeinde natürlich nicht so ganz verborgen bleiben. Besonders wenn die Geheimagenten sich so benehmen: O-Ton: (Film) "Es waren drei Männer und eine Frau. Und sie sagten aber sofort, sie wechseln sich ab. Sie wären mit zwölf Mann ( ... ) und würde immer abgewechselt werden." Autor: So der Vermieter eines Ferienhauses über seine Gäste, die mit zwei VW Bussen und mehreren großen Limousinen vorfuhren. O-Ton (Film) "Und haben die Ihnen gesagt, dass die von der Polizei sind? - Die haben sich ausgegeben als Studenten von Berlin. Und da sagte mein Sohn, als er das sah mit den Autos: 'Was mögen die reiche Eltern haben.'" Autor: Der Ortsvorsteher von Oberschledorn wird jetzt laufend angesprochen und gefragt, was da eigentlich vor sich gehe: O-Ton: (Film) "Aber die Geschichte mit der Überwachung - das war schon ein Thema. Die Terroristen, die mutmaßlichen, waren wohl nicht so im Mittelpunkt, aber das, was da so drumherum stattgefunden hat, das ist hier im Ort natürlich schon aufgefallen." Autor: Ganz Oberschledorn schien unruhig zu werden - nur die Observierten nicht. O-Ton: (Film) "Noch fünf Stunden bis zum Show-down." Autor: Doch die Beamten sind besorgt, weil die Islamisten bei einem Autoausflug mit voll aufgeblendeten Scheinwerfern von der Polizei angehalten worden sind. Wirklich "generalsstabsmäßige Arbeit" - wie im Film dauernd behauptet wird, aber leider nie zu sehen ist. O-Ton: "13 Uhr. Die Polizei riegelt den Ort hermetisch ab. Die GSG 9 bereitet sich auf einen Einsatz vor." Autor: Hunderte Polizisten sind in und um Oberschledorn postiert - leider sind nicht alle ortskundig: O-Ton: "Da kam ein Polizist auf mich zu und frug nach Eichenweg, Ja, ich sag, das kann ich Ihnen sagen: links rein und dann die erste Straße links. Und dann stiegen die restlichen drei auch noch mit ein und dann ging das blitzschnell nach dem Hause." Autor: Um 14 Uhr stürmt ein schwer bewaffnetes Kommando das Haus. Im Eingangsbereich lassen sich Fritz Gelowicz und Adem Yilmas widerstandslos festnehmen. Doch... O-Ton: (Film) "Daniel Schneider dagegen gelingt die Flucht. Er entkommt durch das Badezimmerfenster in den Garten. Ein Albtraum für die Fahnder." Autor: Wer hätte das ahnen können? Daniel Schneider rennt durch die Siedlung. 300 Meter weit, vorbei an spielenden Kindern, bis er von BKA-Beamten gestoppt werden kann. O-Ton: (Film) "Schneider kann dem Polizisten die Dienstwaffe entreißen. Ein Schuss löst sich und verletzt den Beamten an der Hand. Im letzten Moment kommen weitere Polizisten zu Hilfe." O-Ton: (Tagesschau) "In einem sind sich alle Regierungspolitiker einig: über den großen Erfolg der Sicherheitsbehörden." Autor: meldete die Tagesschau nach der Verhaftung. Aus der Nähe betrachtet, hat man eher den Eindruck, Woody Allen sei in den Krieg gegen die Panzerknacker gezogen. Beim Betrachten des ARD-Films begibt sich der Zuschauer 45 Minuten lang in eine aberwitzige Double-Bind-Situation: Es wurde ein Königsdrama angekündigt und dann betreten hochdekorierte Darsteller in teuren Kostümen die Bühne und führen eine Hanswurstiade auf. Mit Sicherheit darf man den Dokumentaristen keine kritischen Absichten unterstellen. Ihr Film hält sich strikt an die perspektivischen Vorgaben der Sicherheitsbehörden und ignoriert systematisch alle Fakten und Zusammenhänge, die nicht in diese Sicht der Dinge passen. Ganz so wie es der überwältigende Teil der berichterstattenden und kommentierenden Medien tut. Musik Zitator: Die Räuber Musik Autor: Erinnern wir uns an die erste Meldung der Tagesschau: O-Ton: (Tagesschau) "Diese Kanister wurden in der Nähe von Hannover unter konspirativen Bedingungen erworben, dann gingen sie quer durch Deutschland." Autor: Was für konspirative Bedingungen mögen das gewesen sein? Schließlich kann jeder sich den Stoff bei jedem Chemikalienhändler beschaffen. Und bei der 35-prozentigen Wasserstoffperoxyd-Lösung, die Fritz Gelowicz und seine Freunde besorgt haben, muss man nicht einmal einen Ausweis vorlegen. Sonderbar ist einiges andere, wollte aber den journalistischen Ermittlern nicht auffallen. Warum kaufen die Verdächtigen zwölf Fässer bei einem Händler in der Nähe von Hannover und fahren damit über 600 km quer durch Deutschland? O-Ton: (Elsässer) "Auf jeden Fall die drei haben dann diese Fässer, 720 kg, durch die halbe Republik in die Gegend von Freudenstadt, im Schwarzwald, gekarrt und dann im Sommer noch einmal eines dieser Fässer fast über dieselbe Distanz ins Sauerland. (...) Autor: Der Publizist Jürgen Elsässer O-Ton weiter: (Elsässer) Dieses Wasserstoffperoxyd ist nicht gefährlich, es sei denn, man mischt es mit anderen Substanzen. Durch die Mischung kommt man zu einem Stoff, der heißt TATP. Dieser Stoff ist tatsächlich hochexplosiv und hochgefährlich." Autor: Von Anfang an wurden in der Berichterstattung Vergleiche mit den Anschlägen von Madrid und London bemüht. Allein, ... O-Ton: (Elsässer) "Es ist bisher kein Fall bekannt, wo mit dieser Substanz überhaupt irgendetwas in die Luft gesprengt worden wäre. Es wird immer gesagt: In London war es diese Substanz, aber das stimmt auch nicht, in London am 7. Juli 2005." Autor: Wahrscheinlich aus guten Gründen. BKA-Chef Jörg Ziercke hatte versäumt die anderen Ingredienzien der Bombe zu nennen: Weizenmehl. Doch in der Tat wird Wasserstoffperoxyd durch solche Zutaten zu einer mörderischen Waffe, nämlich zu TATP. Es gibt allerdings ein gravierendes Problem: Bereits das Drehen eines Verschlusses kann zur Explosion führen - von kleineren Erschütterungen ganz zu schweigen. Insofern gibt es kaum ungeeignetere Bomben für Terroranschläge als die, die da angeblich in Oberschledorn entstehen sollten. Der ARD-Film zeigt ein Ausbildungslager für Terroristen, in dem die drei Sauerlandbomber das Bombenbauen gelernt haben sollen: O-Ton: (Film) "Ausbilder der Islamischen Dschihad Union, IJU, sollen ihn erwartet haben. (...) Diese Bilder hat die IJU selbst ins Internet gestellt. Sie zeigen, hier lernen junge Männer den Umgang mit Chemikalien, um daraus Bomben zu basteln." Autor: Doch in dem Film sieht man nur, wie islamistisch kostümierte und vermummte Menschen Brandsätze in die Gegend schleudern, deren Bauanleitung man sich in etlichen Varianten aus dem Internet herunterladen kann. Die Vorstellung, dass Terroristen in abgelegenen Camps im Hindukusch mit Wasserstoffperoxyd rumhantieren, dürfte jeden Fachmann erheitern. Aber auch die Zuschauer bekommen etwas zu lachen: sie dürfen nämlich den mutmaßlichen Terroristen im ARD-Film auch mal über die Schulter sehen. O-Ton: (Film) "Wie beim Einkochen einer Soße soll zunächst die Konzentration erhöht werden, dann kommen weitere Zutaten hinein. Das ist eine äußerst gefährliche Arbeit. Eine kleine Unaufmerksamkeit und die ganze Masse kann explodieren. Doch soweit kommt es ersteinmal gar nicht: die Töpfe rosten durch - eine unerwartete chemische Reaktion." Autor: Irgendwie scheint die Ausbildung zum Superterroristen - als die die drei stets vorgestellt werden - nicht so richtig funktioniert zu haben. O-Ton: (Film) "Aber die drei Islamisten haben es nicht eilig, noch fühlen sie sich unbeobachtet." O-Ton: (Elsässer) "Diese Jugendlichen hätte man beobachten können mit ner Besatzung von einer Dorfpolizeistelle. Man hat aber, ich glaube 500 Beamte auf sie angesetzt, und hat sie über ein halbes Jahr - allein die Kosten muss man sich vorstellen! - durch mehrere Bundesländer verfolgt. Wobei dieser Aufwand wäre bestimmt nicht nötig gewesen, weil diese drei haben keine Gelegenheit ausgelassen, auf sich aufmerksam zu machen. Einmal haben sie an einer Ampel gestoppt, als sie gemerkt haben, sie werden von einem Observationsfahrzeug verfolgt, sind rausgegangen und haben dem Observationsfahrzeug die Reifen aufgeschlitzt. Das nächste Mal sind sie zu einer US-Disco gefahren und haben vor der US-Disco randaliert, dann haben sie sich lustig gemacht über die Mikrophone, die sie in ihrem Auto vermuteten, zu Recht, und haben dann gesagt: Was macht Pepsi und was macht Coca heute. Pepsi waren die deutschen und Coca waren die amerikanischen Überwacher, die sie zu Recht vermutet haben. Also dieses Trio hat ein halbes Jahr lang durch die Bundesrepublik hindurch plakatiert: Wir sind gefährlich, bitte nehmt uns fest. Als ob sie sich als Schauspieler in einem großen Stück gefühlt hätten, was ja dann auch ein großes Stück war." O-Ton: (Film) "Sylvester 2006. Neun Monate vor Oberschledorn, der einzige konkrete Hinweis auf ein mögliches Anschlagsziel. Fritz Gelowicz fährt zu einer amerikanischen Kaserne im hessischen Hanau. Der Sicherheitsdienst verständigt die Polizei." Autor: Das ist so nicht ganz richtig. Tatsächlich hielt sich Fritz Gelowicz am Sylvestertag 2006 in der Umgebung einer US-amerikanischen Kaserne auf, aber er benahm sich so auffällig, dass das Wachpersonal ihn gar nicht übersehen konnte. Der US-amerikanische Geheimdienst, der den jungen Mann schon seit längerem im Visier hatte, wendete sich jetzt an die deutschen Sicherheitsbehörden. Der entscheidende Hinweis auf die Gruppe kam also von der CIA. Das haben die deutschen Ermittler später ausdrücklich bestätigt. Und so kam es schon im Januar 2007 zu einer Hausdurchsuchung bei Gelowicz - ohne Ergebnis. O-Ton: (Elsässer) "Bei dem Chef, bei diesem Fritz Gelowicz aus Ulm, da wurde ja eine Hausdurchsuchung gemacht, Anfang des Jahres 2007. D. h der Mann wusste, er steht unter extremem Fahndungsdruck, er darf sich nichts zu Schulden kommen lassen. Normalerweise hätte er ja abtauchen müssen, sein Äußeres verändern, sich einen neuen Pass besorgen, einen ordentlichen Anzug kaufen, sich irgendwo unauffällig einmieten in einem Hochhaus - so wie es die RAF gemacht hat - aber der hat nix davon gemacht, der blieb der selbe Fritz, der auf der Fahnungsliste stand. Und dann sind sie zum angeblichen Bombenbauen in diese Gemeinde im Sauerland gefahren, in Oberschledorn, wo eigentlich nur Bauern und wanderlustige Pensionäre sich aufhalten. Da mussten die auffallen." Autor: Nicht genug damit. Im Mai 2007 erschien in dem Magazin Focus ein Artikel, der von großen Ermittlungen gegen eine gefährliche islamistische Gruppe berichtet, und in dem es u. a. heißt: Zitator: "Der Hanau-Trip, Ende Dezember vergangenen Jahres penibel auf Video dokumentiert, ist mit der wichtigste Bestandteil einer bislang geheim gehaltenen Ermittlung der Bundesanwaltschaft." Autor: Unzweifelhaft konnten sich die Verdächtigen in diesem Artikel wiedererkennen. Mag sein, dass Terroristen oder die Hintermänner von Al Kaida nicht den Focus lesen, aber im Juli 2007, also noch Monate vor der spektakulären Festnahme, standen Journalisten des Magazins stern vor der Haustür von Fritz Gelowicz. O-Ton: (Nübel) "Wir selber haben noch einen Monat bevor die Festnahme erfolgte mit Fritz Gelowicz in Ulm geredet, weil der damals schon als Gefährder galt ... Autor: - Stern-Reporter Rainer Nübel war dabei - O-Ton weiter: (Nübel) und er durchaus auch Hinweise darauf hatte, - nach unserer Einschätzung - dass er beobachtet wurde." Autor: Dass sich also die jungen Männer um Fritz Gelowicz unbeobachtet fühlen, ist kaum anzunehmen. Nur, warum tauchen die Verdächtigen nicht ab, wenn sie doch so offensichtlich im Visier der Ermittler und sogar einiger Journalisten stehen? Warum benehmen sie sich im Gegenteil sogar so auffällig? In der Tagesschau verkündet der Terrorismusexperte der ARD, Joachim Wagner, am Tag nach der Festnahme: O-Ton: (Tagesschau) "Die deutschen Sicherheitsbehörden haben über Monate geräuschlos und effektiv zusammengearbeitet. Keine Informationen sind an die Öffentlichkeit durchgesickert." Musik Autor: Der Verfasser des Focus-Artikels vom Mai 2007 ist übrigens ein gewisser Josef Hufelschulte, dem engste Kontakte zum Bundesnachrichtendienst nachgesagt werden. Musik Zitator: Geheimdienste, die Erste Musik O-Ton: (Tagesschau) "Das Al-Kaida-Netzwerk ist in Deutschland angekommen. Alle Terroristen, die hier bisher Gewalttaten verüben wollten, haben zwar ideologisch im Sinne Al Kaidas gehandelt, waren aber nicht organisatorisch mit ihm verbunden. Die heute Verhafteten sollen dagegen die deutsche Zelle einer usbekischen Terrorgruppe bilden, die zum Al Kaida Netzwerk gehört. Sie sollen während der Anschlagsvorbereitungen einen direkten Kontakt zu hochrangigen Terroristen in Nordpakistan gehabt haben." Autor: So wusste der sog. 'Terrorismusexperte' der ARD unmittelbar nach den Verhaftungen im September 2007 zu berichten, und in ähnlicher Form war das überall zu lesen. Seltsam bloß: Von der Islamischen Dschihad Union, der IJU, hatte bis dahin noch kaum einer je etwas gehört. Das ARD-Magazin Monitor, für seine kritischen Recherchen oft gerühmt, berichtete am 4. Oktober 2007: O-Ton: (Monitor) "Wir machen uns auf die Suche nach dieser Islamischen Dschihad Union. Eine eigene Website im Internet gibt es nicht, nur einen Eintrag auf der türkischsprachigen Dschihadistenseite "Sehadet Vakti". Die ist eine Art Sammelbecken von Hasstiraden und Videos aus dem bewaffneten Kampf. Der Eintrag der Islamischen Jihad Union ist dagegen auffällig dürftig: ein Foto von fünf Maskierten, eine Fahne und ein schriftliches Interview mit dem Anführer." Autor: Monitor fragte beim Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg nach, das als besonders kompetent in Sachen Islamismus gilt. O-Ton: (Monitor) "Die Islamische Dschihad Union, so wie sie sich uns darstellt, ist erst mal eine Erfindung im Internet und hat nur eine Präsenz im Internet." Autor: Benno Köpfer vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg. - Aber schließlich gab es doch eine Woche nach der Verhaftung ein Bekennerschreiben im Internet. Auch daran hegt Benno Köpfer so seine Zweifel. O-Ton: (Monitor, Köpfer) "Dieses Bekennerschreiben, was wir ausgewertet haben und gesichert haben auf einer türkischsprachigen Internetseite, ist in türkischer Sprache und nicht in englisch oder usbekisch, wie man es bei einer usbekischen Organisation, die die IJU sein soll, erwarten würde. Dann werden in diesem Bekennerschreiben konkrete Anschlagsziele genannt, Rammstein. Meines Wissens sind aber die Verhafteten bis zuletzt unsicher gewesen, welches Ziel sie überhaupt angreifen sollen, auf welches Objekt sie diesen Anschlag ausüben werden. Und so wird in diesem Bekennerschreiben Medienberichterstattung aufgenommen und eine Woche später kolportiert, und das lässt mich eben an dieser Authentizität zweifeln." O-Ton: (Elsässer) "Da hat praktisch nichts gestimmt. Autor: Jürgen Elsässer O-Ton weiter: (Elsässer) Da hat der Zeitpunkt der Verhaftung nicht gestimmt, da wurde die Sauerlandgemeinde Oberschledorn als Land bezeichnet(...). Die Gruppe hat aber seither eine große Medienkarriere gemacht." Autor: Das Bundeskriminalamt glaubt aber, Genaueres zu wissen. In einem Lagebericht heißt es: Zitator: "Die IJU hat ihre Handlungsfähigkeit mit Bomben-Anschlägen gegen die amerikanische und israelische Botschaft in Taschkent (...) und weiteren Anschlägen gegen den usbekischen Staat unter Beweis gestellt." Autor: Monitor ist der Sache weiter nachgegangen und hat einen gewichtigen Zeugen ausfindig gemacht: Craig Murray, den ehemaligen britischen Botschafter in Usbekistan. O-Ton: (Monitor, Murray) "Es gibt keinen wirklichen Beweis dafür, dass die Islamische Dschihad Union existiert. Zum ersten Mal haben wir den Namen gehört, als die usbekische Regierung sie für Bombenanschläge in Taschkent verantwortlich machte. Ich war da, ich habe die Beweise selbst gesehen. Minuten nach der angeblichen Explosion. Und da waren keine Bomben. Das waren meiner Meinung nach Erschießungen von Dissidenten. Insofern ist die Islamische Dschihad Union das erste Mal als Propaganda aufgetaucht. Es war die Rede von Bomben, die es nicht gab." Autor: Wer sich mit Usbekistan beschäftigt, stößt auch noch auf ein anderes Problem: Das Land wird zweifelsohne von einer blutigen Diktatur beherrscht - was der guten deutsch-usbekischen Zusammenarbeit offenbar keinen Abbruch tut - auch auf Polizei und Geheimdienstebene. Vielleicht deshalb kommt der frühere britische Botschafter Craig Murray zu einer ganz anderen Schlussfolgerung als das Bundeskriminalamt: O-Ton: (Monitor, Murray) "Ich persönlich glaube, dass die Islamische Dschihad Union höchstwahrscheinlich von den usbekischen Geheimdiensten erschaffen wurde. Entweder dadurch, dass sie Anschläge wie in Taschkent selbst inszeniert haben oder indem agents provocateur naive Menschen dazu verleitet haben, Terroranschläge zu verüben." Autor: Fast ein Jahr später greift Monitor das Thema noch einmal auf, führt neue Zeugen ins Feld, die Craig Murrays These belegen. Doch... O-Ton: (Nübel) "Die große Mehrheit der Medien folgt ganz klar der Sprachregelung und sagen wir mal der Geschichtsschreibung staatlicher Stellen - allen voran der Bundesanwaltschaft und des BKA. Autor: Journalist Rainer Nübel O-Ton: (Nübel) Das gilt insbesondere für die Frage, welche Rolle denn die ominöse IJU spielt, die als terroristische Vereinigung im Hintergrund stehen soll und die Sauerlandtäter buchstäblich dirigiert haben soll." Musik Zitator: Geheimdienste, die Zweite Musik Zitator: "Es war ein heißer Tag im August vergangenen Jahres, als der 15-jährige Alaeddine T. aus Braunschweig in einer Moschee in Istanbul auf einen großen, sportlichen Mann traf, der sich Obeida nannte. Tags darauf, so erzählte es der Junge später Beamten des Bundeskriminalamtes, habe Obeida ihm eine Tüte mit einer Jeans und ein paar Schuhen übergeben, mit der Bitte, sie nach Deutschland mitzunehmen." Autor: So steht es in einem Artikel, der im September 2008 auf der Internetseite stern.de erschien und der ein völlig neues Licht auf die Aktivitäten der berüchtigten Sauerlandzelle warf. Einer der Autoren: Rainer Nübel. Zitator: "Am 26. August übergab Alaeddine T., wie ihm geheißen war, die Tüte in einer Moschee in Braunschweig. Der junge Mann, der sie dort entgegen nahm, war eine gute Woche später auf der ganzen Welt bekannt: Fritz Gelowicz. (...) In den Schuhen aus der Türkei waren 20 Sprengzünder versteckt. Der Mann, der die Tüte in Istanbul übergeben hatte, war offenbar ein Kontaktmann des amerikanischen Geheimdienstes CIA und stammt aus der Pfalz, wie stern.de aus Sicherheitskreisen erfuhr. Mevlüt K., ein 29-jähriger Türke aus Ludwigshafen....." O-Ton Nübel: "Wir stießen bei unseren Recherchen auf der Person Mevlüt K., der in Ludwigshafen gelebt hat und der von der Polizei gesucht wurde. (...) Wir erfuhren, dass er in die Türkei ging, dort inhaftiert wurde und nachdem, was wir recherchiert haben, dann offensichtlich vom türkischen Geheimdienst quasi rekrutiert worden sein soll - in Absprache aber auch mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA. Tatsache ist, wie jetzt Recherchen ergeben haben, die auf einer breiten Aktengrundlage basieren, dass in der Tat dieser Mevlüt K. nach Einschätzungen und Erkenntnissen des BKA eine erhebliche Rolle bei der Zünderbeschaffung gespielt hat. (...) Und Mevlüt K. hat von demher eine entscheidende Rolle gespielt, dass nach Erkenntnissen des BKA er mit den maßgeblichen Leuten, die die Zünder beschafft haben, engen Kontakt hatte, er als Chef galt (...) und er offensichtlich auch der war, der einen Teil der Zünder diesem jungen Mann mitgab nach Deutschland, das heißt eine ganz zentrale Funktion. Und da fragt man sich natürlich schon, wenn einer, von dem man erfährt, dass er Kontakte zu Geheimdiensten haben soll, er einer der maßgeblich Beteiligten dieser Terrorvorbereitungen war." Autor: Das aber fragen sich offenbar nur sehr wenige Journalisten. In diesem Falle allerdings wurde von einigen Medien wie zum Beispiel Spiegel online die Rolle von Mevlüt K. sogar thematisiert... O-Ton: (Nübel) "Allerdings in einer Diktion, die mich wirklich wundert, nämlich ausschließlich als Erfolg der staatlichen Stellen, auch des Bundesnachrichtendienstes. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass man sich dort doch eher der Diktion staatlicher Stellen anschließt, um nicht gar zu sagen: die übernimmt - um vielleicht auch nicht die eigene Linie verlassen zu müssen." Autor: So gesehen müssen diese Medien dann ja auch nicht mehr fragen, wo sich Mevlüt K. heute aufhält. O-Ton: (Nübel) "Eine gute Frage. Nachdem, was uns gesagt wird, lebt er in der Türkei - zu unserer Überraschung frei. Er scheint kein Problem mit den Ermittlungsbehörden zu haben. (...) Was uns wundert, denn der andere Tatverdächtige im Sauerlandkomplex, dem das BKA ja auch vorwirft, bei der Beschaffung der Zünder beteiligt zu sein, den hat man vor einigen Monaten in der Türkei festgenommen. Mevlüt K. ist weiterhin auf freiem Fuß, obwohl gegen ihn ein Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft läuft." Autor: Attila Selek ist der vierte Angeklagte im Prozess gegen die Sauerlandzelle. Auch er wird beschuldigt, bei der Beschaffung der Zünder beteiligt gewesen zu sein. Es ist auffällig, wie wenig sich die Medien für diesen Herren interessieren. Warum? Müsste man dann vielleicht auch wieder an Mevlüt K. erinnern? Und was war denn eigentlich die Rolle von Mevlüt K.? Womöglich war er ein V-Mann, aber - und darüber kann auch Rainer Nübel nur spekulieren... O-Ton: (Nübel) "Nur ist halt einfach die Frage, ob nicht staatliche Stellen relativ nahe dran waren ( ... ) bei diesem neuralgischen Punkt der Zünderbeschaffung, ein Stück weit das auch mit dirigiert haben. Die drei in Oberschledorn hätten hantieren können mit Wasserstoffperoxyd wie sie wollten - ohne Zünder ging nichts. Und da könnte die Theorie dahingehen, dass man zumindest so weit ging, was ja auch Fakt ist, dass die Zünder ja auch an die drei gekommen sind. Ob es eine bewusste Hinführung war im Sinne dessen, dass man quasi auch die Belege dafür haben wollte - wäre eine logische Ergänzung dieser Theorie." Autor: Übrigens, von 17 Zündern, die Techniker des BKA untersucht haben, waren nur 2 funktionsfähig. Musik Zitator: Geheimdienste, die Dritte Musik Autor: Anfang 2009 erschoss in Winnenden ein 17-Jähriger 16 Menschen. Die Medien suchten tagelang nach Haarrissen im Charakter des traurigen Jungen, stöberten in seiner Biographie, suchten nach Motiven. Bei Fritz Gelowicz und seinen Freunden begnügt man sich mit einem schlichten Schema: O-Ton: (Film) "Aus dem ehemaligen Sunnyboy, der leidenschaftlich american football spielte, wird ein fanatischer Islamjünger. Er betet fünf Mal am Tag, lässt sich einen Bart wachsen, trägt islamische Kleidung, besucht Islamseminare." Autor: Der nette Junge von nebenan, aus guten Verhältnissen, wird im nächsten Moment ein islamistischer Terrorist. Den meisten Medien scheint es wichtig, dieses Bild nicht zu stören - sie pflegen das Bild der heilen Welt, in der Fritz Gelowicz angeblich gelebt hatte, bevor er islamistisch infiziert wurde. Nur in einem Artikel des Spiegel und kürzlich im stern konnte man anderes lesen. Jürgen Elsässer: O-Ton: (Elsässer) "Die Sauerlandzelle sind jugendliche Desperados (..). Der angebliche Anführer Fritz hat ja eine wilde Jugend hinter sich, hat die Lehrer geschlagen, hatte mit Drogen Kontakt, alles, was man sich vorstellen kann. Das sind völlig labile, zu Gewalt und Kriminalität neigende Jugendliche, wie es sie nicht nur in der islamischen Diaspora gibt, sondern auch in ostdeutschen Reihen, urdeutschen Gemeinden. Das ist einfach Jugendkriminalität." Autor: Viele sonst gerne verschwiegene Fakten führen zu einem ganz anderen Resultat. O-Ton: (Elsässer) "Die hatten schon Hass im Bauch, die hätten bestimmt gerne Leute geschädigt, Leute getötet, sind aber von ihrer Persönlichkeitsstruktur her absolut unfähig, einen großen Anschlag in Szene zu setzen. Absolut unfähig." Autor: Auf der Suche nach Fritz Gelowicz islamistischer Sozialisation präsentiert der ARD-Film einen gewissen Reda Seyam aus dem Verein Multi-Kultur-Haus in Ulm. Seyam ist Deutscher ägyptischer Herkunft und steht seit Jahren im Verdacht, an verschiedenen Anschlägen als sog. Hintermann beteiligt gewesen zu sein, nie war ihm etwas nachzuweisen. Jener Reda Seyam gibt vor der Kamera ein paar eher harmlose Gesinnungspartikel zu Protokoll, die von den Autoren zu Kriegserklärungen hochtoupiert werden. Wie auch immer: Reda Seyam kannte Fritz Gelowicz nur flüchtig. Entscheidenden Einfluss auf den jungen Fritz Gelowicz nahm ein anderer. O-Ton: (Elsässer) "Eine Sache ist ganz wichtig, was in der medialen Darstellung keine Rolle spielt, nämlich, dass der Chef der Gruppe, dieser Fritz Gelowicz, praktisch gecoacht wurde über Jahre hinweg von einem Ulmer Hassprediger, der seinerseits auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes stand, ein gewisser Yehia Yousif." Autor: Und immerhin der ARD-Film - und sonst fast niemand - erwähnt wenigstens diesen Arzt und seine sonderbaren Beziehungen zu den Sicherheitsbehörden: O-Ton: (Film) "Yousif arbeitet jahrelang auch als Informant für den Geheimdienst. Doch es stellt sich heraus, er hat nur allgemeine Informationen weitergegeben. Und so weiß der Verfassungsschutz letztlich nur: Irgendetwas braut sich da zusammen." Autor: Das möchte man sich auf der Zunge zergehen lassen: Einer der schlimmsten islamistischen Ideologen arbeitet jahrelang für den deutschen Verfassungsschutz, soll aber angeblich nichts Wichtiges verraten haben? Woher wissen das die Autoren? Haben sie das recherchiert oder plappern sie nur nach, was ihnen in strategischer Absicht gesteckt wurde? Glauben sie tatsächlich der Verfassungsschutz würde Yehia Yousif zur erstrangigen Quelle erklären? O-Ton: (Elsässer) "Der hat - und jetzt zitiere ich wieder den Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg - dieser Hassprediger Yehia Yousif hat die Fäden der Sauerlandzelle gezogen bis hin zu ihrer Verhaftung. Trotzdem spricht heute niemand von dem. Und dieser Mann, dieser Hassprediger, früher Ulm, lebt heute unbehelligt in Saudi Arabien, ohne dass es m. W. einen Auslieferungsbefehl deutscherseits gibt. (...) Und dieser Yehia Yousif, Hassprediger, war nicht ein kleines ( ... ) Verfassungsschutz, sondern hat nach Angaben des Verfassungsschutzes sechs Jahre für sie gearbeitet." Autor: Ein Hassprediger arbeitete für den Verfassungsschutz und stiftete aus der Bahn geratene Jugendliche zur Vorbereitung von Anschlägen an, die wiederum ein Innenminister zum Anlass für die Verschärfung von Gesetzen, den Abbau von Grundrechten nutzt? Da deutet sich ein spektakulärer Stoff mit quer über den Globus agierenden Geheimdiensten an, abenteuerliche Verstrickungen, mit denen man sonst doch so gerne das Publikum unterhält, eine skandalöse Geschichte, in der die Presse ihre viel beschworene Rolle als vierte Kraft glänzend spielen könnte. Doch was passiert? Die allermeisten Medien und Journalisten wollen damit partout nichts zu tun haben. Musik Zitator: Terror als Medienspiel Musik Autor: Betrachtet man die Geschichte der sogenannten Sauerlandbomber aus der Nähe, dann bleibt wenig übrig von den eiskalten Terroristen, die von Al Kaida gesteuert die Superbombe in Deutschland zünden wollten. Wir sehen Amateure, die mit ungeeigneten Chemikalien gefährlich rumhantieren und sich geradezu grotesk auffällig benehmen. Die angeblichen Verbindungen zur Crème des internationalen islamistischen Terrorismus sind reichlich undurchsichtig. Man muss, die bekannten Fakten nüchtern betrachtet, die medial verbreitete Geschichte von der generalstabsmäßig organisierten und durchgeführten Geheimoperation der Sicherheitsbehörden gegen die zum Blutbad entschlossenen Terroristen aus guten Gründen bezweifeln. Beunruhigender sind die deutlichen Hinweise auf die Verstrickungen der verschiedenen Geheimdienste in die Aktivitäten der verdächtigen jungen Männer. Genauso beunruhigend ist aber auch, dass der überwiegende Teil der Medien von den Ungereimtheiten der offiziellen Darstellung aus Kreisen der Sicherheitsbehörden keine Notiz zu nehmen bereit ist, geschweige denn sich selbst auf die Suche nach der Wahrheit macht. Dennoch scheint bei den meisten Beteiligten Zufriedenheit mit dem Stand der Dinge zu herrschen. Warum? O-Ton: (Tophoven) "Man muss heute davon ausgehen, dass mehr denn je der moderne Terrorismus des 21. Jahrhunderts eine Art Medienstrategie fährt, weil die Drahtzieher des Terrors haben begriffen, dass man mit der medialen Konfrontation der Bevölkerung größere Hysterie, Panik und Angst einjagen kann als möglicherweise mit der Bombe." Autor: Rolf Tophoven vom Essener Institut für Terrorismusforschung O-Ton: (Tophoven) "Ich gehe ja soweit, dass ich sage, Kriege oder Auseinandersetzungen mit terroristischen Gruppierungen werden heute sehr häufig in den Medien gewonnen oder verloren." Autor: Offenbar leisteten die mutmaßlichen Terroristen um Fritz Gelowicz ganze Arbeit, ohne je einen Schuss abgegeben zu haben: Nach einer Umfrage des Emnid-Institus im September 2007 ist für eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung die Terrorgefahr in Deutschland so groß wie nie zuvor. 72 Prozent halten den islamistischen Terrorismus für bedrohlicher als den Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) vor 30 Jahren. 25 Prozent fühlen sich persönlich bedroht. O-Ton: (Tophoven) "Wir sehen hier, dass das Kalkül, die Medien einzusetzen, ein perfektes Kalkül aus der Strategie von Konfliktparteien auch aus der Strategie von Terroristen heute ist. (...) Medien und Terrorismus sind heute unabdingbar sich aufeinander zu bewegende Segmente. Der Terrorist, der nicht zur Kenntnis genommen wird durch die Medien - über das Fernsehen, über den Rundfunk, über die Printmedien - der verpufft in seiner Wirkung." Autor: Und die sog. Sicherheitsdienste? O-Ton: (Tophoven) "Man muss, glaube ich, bei Warnungen, die ja regelmäßig unregelmäßig aus den Kreisen von Sicherheitsbehörden kommen, immer auch den politischen Aspekt sehen. Wenn eine konzertierte Aktion von Warnungen vor möglichen Terroranschlägen - jetzt ganz konkret in Deutschland - jetzt an die Öffentlichkeit getragen wird, hat das immer zwei Ziele: Auf der einen Seite will ich durch eine beschwörende Geste - die Gefahr ist vor der Haustür - suggerieren, wir müssen wachsam sein. Dass die Wachsamkeit zu fördern ist oder gefördert werden soll, ist sicher ein legitimes Anliegen jener Behörden, die für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig sind. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine Art Selbstschutz - so nach dem Motto: Wir wollen uns nie vorwerfen lassen, wir hätten nicht rechtzeitig und ausreichend gewarnt." Autor: Nicht zu vergessen natürlich, dass die Etats und Befugnisse der Sicherheitsbehörden in enger Abhängigkeit zur behaupteten Bedrohung stehen, ebenso wie die Aktien für den sicherheitspolitischen Maßnahmenkatalog des Innenministers. O-Ton: (Nübel) "Ich erinnere nur an die unheimlich öffentlichkeitswirksame Festnahme der mutmaßlichen Islamisten auf dem Flughafen Köln, als die Sicherheitskräfte mehr oder weniger das Flugzeug stürmten. Autor: Rainer Nübel: O-Ton: (Nübel) Wir Medien, wir Journalisten müssen uns, wenn wir so eine Nachricht bekommen, bevor wir dann alle dahin pilgern, doch überlegen, wenn man das wusste, warum hat man die Leute nicht einfach abgefischt, als sie eincheckten, und warum ging man wegen der großen öffentlichen Wirkung ins Flugzeug rein. Wenige Tage später hat sich das Ganze fast in Luft aufgelöst. Die mutmaßlichen Islamisten, die Deutschland verlassen wollten, um dann als Terroristen zurückzukehren, von denen hat das BKA dann kaum mehr gesprochen." O-Ton: (Tophoven) "Alle müssen aufpassen: Sicherheitsbehörden und Medien, müssen aufpassen, dass wir nicht in die mediale Falle der militanten Islamisten oder Terroristen tappen." Musik Absage: Ein Käfig voller Enten? Recherchen zur Sauerlandzelle Ein Feature von Walter van Rossum. Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009 Es sprachen: Frank Arnold und Martin Bross Ton und Technik: Karl-Heinz Stevens und Angelika Brochhaus Regie: Susanne Krings Redaktion: Karin Beindorff O-Ton: (Film) "In Oberschledorn herrscht fast wieder Normalität. Doch die heile Welt hat einen Knacks bekommen - das Sicherheitsgefühl ist weg. Das Gefühl, dass man in Deutschland weit entfernt ist von den Auseinandersetzungen der großen Weltpolitik." 5