DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 17.08.2010 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 ? 20.00 Uhr Ortserkundungen ?Angekummen in Berlin? Die vergessenen Schtetls der Stunde Null Von Gabriel Heim URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Rachels Lied (singt) ?My voice is not longer was it used to be ? so forgive me.? Ongekummen kein Berlin Iz nit a her und nit a hin Und min fort, min fort, min fort Und man sitzt noch oif an Ort Noch em Regen schein die Sun Wissen doch alle davun Verliert man gar nit den Mut ? Ab-i jecke ganif is kaput. O-Ton Rachel ?I arrived at Schlachtensee and I didn?t know what to expect. We came in the middle of the night and in the morning they took us to Schlachtensee?. Übersetzerin Als ich nach Schlachtensee kam, wusste ich nicht, was mich erwartete. Wir kamen nachts an und am Morgen brachten sie uns dahin. Zitatorin Kossowska Rachela, Warschau 25. Juni 1928, Nationalität Jude, jetzige Adresse: Berlin-Schlachtensee / UNRRA ? Düppel-Center Potsdamer-Chaussee. O-Ton Rachel ?There was a gate, you had to have a permission to get in and than we had to come before a comittee to report that we are here...? Übersetzerin Man brauchte eine Erlaubnis, um durch das Tor zu kommen, und dann mussten wir vor ein Komitee treten, um uns zu melden. Wir waren zu viert: meine Eltern, mein Bruder und ich. Und wir brauchten einen Ort, an dem wir unsere Sachen unterbringen und schlafen konnten? Ich erinnere mich, dass ich auf dem Boden der Polizeiwache schlafen musste, weil es einfach keinen Platz gab. Zitator 8. Dezember 1945. Telegramm an die jüdische Hilfsorganisation JOINT in New York: Situation Berlin kritisch ? Stopp ? 4000 jüdische Flüchtlinge ohne Unterkunft ? Stopp - Nur Platz für 250 im Durchgangslager - Stopp - die anderen auf der Straße ? Stopp ? erbärmliche Umstände, sofortige Hilfe nötig ? Stopp ? Amerikanische Militärbehörden freundlich aber nicht bereit, volle Verantwortung zu übernehmen ? Stopp? Schnelles Handeln erforderlich - Stopp ? Erwarten dringend Antwort ? Stopp ? Ende. O-Ton Micha Gleiberman ?In der Nacht sind wir in einen Zug gegangen und zwei polnische Jungen waren die Anführer, haben uns in einen Boxcar ? einen Viehwagen ? reingenommen und haben uns gesagt, wir sollen still sein, nicht zu reden, und wir sind gefahren die halbe Nacht und plötzlich, der Wagen steht und die Lokomotive ist weggefahren.? Zitatorin Kennkarte des UN-Flüchtlingslagers Düppel für heimatlose Juden in Berlin-Schlachtensee für: Gleiberman, Mozes-Michael geboren 9. Mai 1927 in Krakau Auswanderungsziel: Palästina O-Ton Micha Gleiberman ?Wussten wir nicht was zu tun. Da haben sie die Tür ein bisschen aufgemacht. Sind wir rausgegangen, haben ein wenig umgeguckt, gibt?s keine Leute, wir sind nicht weit von Potsdam. Nicht mehr als 2, 3 Leute zusammen, nicht sprechen! Waren vielleicht zwanzig in dem Wagon ? und sie haben uns Biletten gegeben für die S-Bahn und Fahrt nach Charlottenburg ? nach Zehlendorf fahren. Und dann hat uns jemand getroffen und dann sind wir nach Schlachtensee gekommen. So bin ich nach Schlachtensee gekommen.? Zitator Dokument Dokument UNRRA Report Im Dezember 1945 trafen täglich bis zu 250 polnische Juden ein. Sie berichteten, der Antisemitismus in Polen sei so extrem, dass sie ihrer Sicherheit wegen hätten fliehen müssen. Am 9. Januar 1946 kündigte Colonel Howly an, dass ein Bataillon der 78. US Infanterie-Division seine Unterkünfte in Schlachtensee verlassen werde, um Raum für die Flüchtlinge zu schaffen. Küchenausrüstung, Bettstätten und alle anderen Einrichtungen wurden auf die Versorgung von 500 Menschen ausgerichtet. Innerhalb von zwei Wochen stieg die ursprüngliche Einwohnerzahl von 500 auf ungefähr 1200. MUSIK Ansage ?Angekummen in Berlin? Die vergessenen Schtetls der Stunde Null Ein Feature von Gabriel Heim Autor Heute erinnert nichts, aber auch gar nichts mehr auf dem weiten Gelände im südlichen Berliner Bezirk Zehlendorf an diese Vergangenheit; ein üppiger Park, ein Jugenddorf, dichtes Unterholz. Gründlich ist beseitigt, was wenige Monate nach Kriegsende Rettung, Zukunft, Hoffnung gewesen ist: eine erste Bleibe ? ein Dach auf Zeit für die wenigen Überlebenden des Osteuropäischen Judentums. Erschöpft und entwurzelt suchen zwischen 1946 und 1948 60-Tausend Juden Schutz und Rast im Amerikanischen Sektor von Berlin. Sie sind Flüchtlinge ohne Rückkehr ? Displaced Persons, DPs, denn ihr Zuhause ist nicht mehr. Zitatorin DP-Registerkarte für: Karolinsky, Regina, Kattowitz, Geburtsdatum unbekannt Auswanderungsziel: Palästina O-Ton R. Karolinsky ?Ich bin gekommen März 46 auch mit Lastwagen, auch aus Stettin. Hat man mir gleich zugewiesen ein Zimmer und dort war ich mehr wie zwei Jahre?. - Als sie angekommen sind, waren da schon viele Leute da? ?Ja ? es waren schon viele Leute da!? - Woher kamen die Leute? ?Die kamen aus verschiedenen Richtungen ? vom Ghetto, vom Lager, aus Russland, versteckt. Da sind die alle gekommen, weil die haben alle gehofft weiterzufahren ? weiterzukommen und ist da geblieben einer länger ? einer kürzer.? O-Ton Katz ?Wir waren fünf Personen in ein schmales, langes Zimmer und wir haben uns gut verstanden. Die Bedingungen waren nicht die besten. Waschen musste man sich unter kaltem Wasser, nur einfach sich abwaschen. Aber so wie wir waren nicht verwöhnt von der letzten Zeit, hat uns das alles gar nichts ausgemacht und mit der Zeit haben wir uns so zusammengenommen und man hat angefangen ?normal? zu leben.? Zitatorin Katz, Bella, Nationalität: Polnisch-Jüdisch. Geburtsort: Vilnius O-Ton Katz ?Wir sind sehr viel rumgefahren in Berlin, Berlin war sehr zerbombt und für uns war es etwas Neues ? wir mussten uns orientieren wie und was ? wie man da kommt, wie man dort kommt ? und so ging das.? - Ihr habt miteinander jiddisch gesprochen? ?Ja, polnisch, jiddisch, russisch. Jiddisch ist ähnlich zu Deutsch, so dass wir haben ?. Wir waren doch lang genug im Ghetto ?. Es war nicht fremd! Sagen wir so.? MUSIK Autor Das ?Düppel-Center?, so die offizielle Bezeichnung, wird von den Vereinten Nationen betrieben. Düppel ist durch die eigene jüdische Lagerpolizei streng gesichert. Verboten für Deutsche! So sehr fürchtet man sich damals vor Gewalttaten zwischen Opfern und Tätern. Hier, am Rand der zerstörten Stadt, gibt es hinter Zäunen und Schranken fast alles: Verpflegung, Kleider, Schulen, Kultur, Ärzte. Nur etwas ist nicht in Sicht, die heiß ersehnte Weiterreise nach Palästina oder Amerika. Aus dem Transitlager wird nach und nach eine kleine Stadt! Musik O-Ton Springer ?Haben wir langsam erst Zeit gebraucht, den Weg zu finden und dabei hat uns dieses Lager viel geholfen. Man bekam zum Leben und zum Essen und wir konnten wieder kontaktieren mit die Menschen, die man nicht kannte. Es waren zwar jüdische Menschen aus Polen, aber wir kannten uns nicht. Und langsam hat sich entwickelt, dass man frühstücken konnte, man konnte dort Mittag essen, man konnte abends Unterricht nehmen ? und es gab auch Verweilungen.? Zitatorin Springer, Abraham, geboren am 10. März 1927 in Tarnobczek Staatenlos. Auswanderungsziel: Palästina O-Ton Springer ?Es gab auch Hochzeiten langsam und langsam hat sich das zur Normalität in Form eines Schtetls wie es in Polen zu Hunderten gegeben hat. Das Schtetl stand immer im Umkreis der Jüdischen Bevölkerung und hier waren wir nur Juden, die überlebt haben, die Kontakt suchten und langsam hat sich so entwickelt, dass ich muss sagen, es fehlte an nichts, von dem man sagen konnte, es war nicht normal. Es hat sich in die zwei Jahre zu ein Kleinstadt entwickelt - zum Nutzen von aller. Es gab viele Leute, die versucht haben Geschäfte zu machen ? es gab viele, die keine Geschäfte gemacht haben, die Lagerverwaltung machten, die Schulunterricht gegeben haben. Wir hatten auch ein Kino gehabt, ausgebaut, wo man ein Film sehen konnte, es war auch provisorisch auch die Synagoge, wenn die Feiertage da waren. Wir befanden uns in der Normalität nach dieser Katastrophe. Und das ist, das was wir nicht erträumt haben mehr, dass so was möglich sein wird. Und die Entwicklung hat gezeigt, dass es notwendig war. Und dafür sind wir, bin ich persönlich sehr, sehr dankbar, dass man den Weg zum Judentum, zum Menschen, zur Normalität zurückgefunden haben. Denn wir lebten nicht in der Normalität, wir waren Verurteilte; nicht auf zehn Jahre, nicht auf zwanzig ? auf die Vernichtung! Und wenn wir da überlebt haben, brauchten wir Hilfe. Und diese Hilfe begann direkt in Düppel, wo sie zwei Jahre uns verpflegt haben, uns unterstützt haben und uns den Weg gezeigt.? O-Ton Rachel ?The organisation of the camp was almost like in a Stedtl ? like a Kehila with a central committee of those who were elected and they were in charge of all the departments: the Arbeits-Department, the Kleidungsdepartment, education, culture...? Übersetzerin Die Organisation des Lagers war fast wie in einem Schtetl ? wie eine Gemeinde mit einem gewählten Zentralkomitee, das für alle Abteilungen zuständig war: die Arbeitsabteilung, die Kleidungsabteilung, Bildung, Kultur. Es war wie eine Stadt in einer Stadt! Und auch mit dem Zionismus war es wie in den Schtetl. Bei uns gab es alle Formen des Zionismus. In unserem Klassenzimmer hing ein Bild von Weizman und eines von Herzl, denn der Zionismus war die Grundlage für alles. ?Jehudim medaber Ivrith? ? Juden sprecht hebräisch! Ich bin in Polen aufgewachsen. Meine Muttersprache war Hebräisch ? Ich konnte auch Jiddisch, auch Polnisch oder Russisch ? damals wurden alle Sprachen gesprochen. Das Wichtigste war Hebräisch, Hebräisch war alles für uns, Palästina war damals alles für uns, wir sprachen nur darüber. O-Ton Rudi Samuelson ?Die deutschen Juden, die hier in Berlin waren, die sind ja nicht nach Schlachtensee gegangen ? die Berliner Juden.? Zitator Rudi Samuelson ? Geboren 1930 im Freistaat Danzig, Nationalität: Deutsch O-Ton Rudi Samuelson ?Und die hierher zurückgekommen sind gleich nach dem Krieg, die sind ja im Osten gewesen, sind ja die wenigsten im Westen gewesen. Die haben sich in Schlachtensee nicht aufgehalten und insofern gab es nicht Leute, die dort deutsch sprachen. Vereinzelt vielleicht ? aber das weiß ich nicht. Es sind ja einige Monate gewesen und Jahre, die das Lager Schlachtensee existierte und da ist ja ein Durchlauf gewesen.? O-Ton Rachel (Jiddisch) ?Mejn chesben sain durchgegangen durch die Lager 45.000 Jidn ? vor aoderenhalbe johr saijn hervorgekummen 500 chassenes, sajin geboren worden a 1200 Kinder, die Sterblichkeit is a minimale. Es bleibt noch iber sich zu wünschen die Lager mit alle seine ?meileneche chaises? sollen se sicher liquidieren. Soll verwirklicht werden jedens wunsch zu dem wir sajn gekummen daher ? man soll öffnen breit die Türen von Erez Israel für die ?sherith hapleitah?. Übersetzerin Nach meinen Berechnungen sind in eineinhalb Jahren 45-Tausend Juden durch die Berliner Lager gezogen. Wir hatten 500 Hochzeiten, 1200 Kinder kamen zur Welt, es gab kaum Todesfälle. Wir wünschten uns alle, dass die Lager trotz allem bald aufgelöst und dass die Träume der Überlebenden verwirklicht würden. Dazu möge man die Tore nach Israel weit öffnen! MUSIK O-Töne im Café: Springer, Roszenberg, Kuszmacher, Studnik Atmo Gemurmel ? ?hier habe ich gewohnt? ? im 46. Block - Herr Springer ? habt ihr jiddisch gesprochen in Schlachtensee ? ?Ja ? 90 Prozent polnisch und jiddisch!? - Sprechen sie noch jiddisch? ?Ja ? diese Sprache kann man nicht vergessen!? ?Unsere Generation doch? - Autor Nur wenige ?Schlachtenseer? sind in Berlin sesshaft geworden. Wohl auch deshalb haben sie einander nie verloren. Um die Erinnerung an die Zeit des Überlebens und des Neuanfangs lebendig zu halten, treffen sie sich fast täglich in ?ihrem? Café am Kurfürstendamm. Heute sind Monjek Roszenberg, Joel Kuszmacher, Mayer Studnik und Abraham Springer beisammen. Im Café ?Für uns war das ein neuer Anfang, ein neues Leben ? für mich ? ein Paradies ? ich war immer gejagt und gehetzt. In der Schule wurden wir gehetzt. In der Schule hatten wir das Schlimmste erlebt, was wir nur erleben konnten. Dann kam der Krieg ? das wissen se auch, brauch ich nicht weiter zu erzählen. So ist für mich damals gewesen, ein Paradies ? ein neuer Anfang! Ich zum Beispiel bin mehr ein politischer Mensch. Ich habe gesagt, ich such einen der sagt, ich war ein Mitglied in dieser Partei, ich war ein armer Junge und ich habe mich entwickelt und was später passiert, lag nicht in meinem Sinne ? so einem hätte ich einen Kuss gegeben, denn er wäre ehrlich. Aber die Ehrlichkeit war nicht da! Weil die Angst war stärker als die Ehrlichkeit. Wenn er gekommen wäre und hat gesagt, er wohnte im Wedding aufm vierten Stock ? und der Vater weiß nicht was er war ? und er ging schnell in die HJ, man hat ihm schnell hübsch angezogen ? da wäre ich vielleicht auch gegangen ? wenn ich in dieselbe Position wäre. Aber darüber zu reden, zu sagen ? Ja ich habe mich geirrt, ich habe Fehler gemacht, so was hats nicht gegeben! Und mit diesen Blödereien: ich habe dort versteckt, ich habe ein Schwager, ein Jid und so ? das war Angst, eine Psychose. Und dann hat man sich später laufenlassen und in den fünfziger Jahren, wo die Regierung entstanden ist, hatten wir mehr zu tun gehabt, was anzuschaffen, zu heiraten ? Kinder zu kriegen!? - Gab es Gespräche mit Deutschen? Über die Katastrophe? ?Nein, Nein und zwar aus einfachem Grund: die Leute, die waren so beschämt, und ängstlich. Die haben gedacht, man wird sie alle erschießen, man wird sie umbringen ? aus Rache oder irgendetwas. Und deswegen waren sie ganz schüchtern und verängstigt. Nach dem Krieg gleich. Nur mit Handel, nur so oberflächlich. Hier hast du die Ware, gib mir Geld, auf Wiedersehen!? Weiter war gar nichts!? - Und ihr Juden habt gar nicht gefragt, wie konnte das alles passieren? ?Nein, Nein!? Musik O-Ton Samuelson ?Wo kommen die wieder her? Denn die Bevölkerung hat ja geglaubt, die Juden sind vernichtet ? es gibt keine Juden mehr! Und nun sind sie wieder da! Ich habe vom ersten Tag an, nachdem ich nach Deutschland gekommen bin um hier zu lernen, habe ich den Nationalsozialismus, die Nazis wiedergefunden und ganz offen. Man hat gesagt, wir kommen noch mal: ich werde Rache nehmen. Die Nazis, die Deutschen. Und da bin ich natürlich auch ganz verängstigt gewesen. Und als ich dann nach Deutschland zurückkam, dann hat man mir ganz offen ins Gesicht gesagt: Was machst du dann hier ? warum bist du nicht in Israel, warum kommst du wieder hier her? Du gehörst doch gar nicht hier her!? Zitator ?Der Weg? (Organ der Jüd. Gemeinde zu Berlin ) vom 2. März 1947 Inzwischen hat sich die verheißene Zukunft in eine bittere Gegenwart verwandelt, und als eine kleine Schar Überlebender und Verbitterter schauen wir ? zur Abwehr nicht mehr fähig ? dem ignorierenden, immer offener triumphierenden Treiben derer zu, die noch vor zwei Jahren angstvoll ausgerufen haben: ?Wir dürfen den Krieg um keinen Preis verlieren, denn wir haben die entsetzliche Rache der Juden zu fürchten, die uns viel grausamer vergelten werden, was wir ihnen angetan haben!? Die Erfahrungen haben jedoch zur Genüge gezeigt, dass das Deutsche Volk seine Furcht nicht nur sehr schnell vergessen hat, sondern im Gegenteil auch gar nicht mehr daran denkt, eine Verpflichtung zur Wiedergutmachung uns überlebenden Juden gegenüber zu empfinden oder gar wirksam werden zu lassen. Autor In Berlin Tempelhof wird im Sommer 1946 ein weiteres Auffanglager für 3000 Menschen eingerichtet. Immer mehr jüdische Flüchtlinge retten sich in den Amerikanischen Sektor von Berlin, denn in Polen wüten schon wieder Pogrome. Das Lager in Schlachtensee ist mittlerweile überfüllt. Warum es in Berlin nur wenige Monate nach der ?Endlösung? nicht schon wieder zu offenem Antisemitismus gekommen ist, begründet die Historikerin Angelika Königseder: O-Ton Königseder ?Diejenigen, die ? wenn wir mal so sagen ? erfolgreich von den Nationalsozialisten mit diesen antisemitischen Bildern und Cliches indoktriniert worden sind, haben das sicherlich noch nicht abgelegt. Und vermutlich war es die massive Präsenz der Amerikaner, die verhindert hat, dass da noch viel mehr Antisemitismus verbal oder möglicherweise auch in Angriffen sich geäußert hat. Es war sicherlich kein neuer, reflektierter, verantwortungsvoller Umgang mit der Schuld an der Shoah, die verhindert hat, dass es zu Ausschreitungen kam, sondern der Schutz, die massive Präsenz und das sichere Wissen, dass die Amerikaner das nicht geduldet hätten. Auf der einen Seite ist es sicherlich eine Ironie, dass nun gerade in der Nähe der berühmt, berüchtigten Wannsee-Villa ein jüdisches DP-Lager nach dem Krieg entstanden ist. Aber für viele jüdische Überlebende war das sicherlich auch ein Triumph, dass nach den Jahren der Verfolgung eben nun genau hier wieder ein Zeichen jüdischen Lebens gesetzt wird.? MUSIK O-Ton Hilde Kersz ?Dann war in der Stadt am Bahnhof Zoo war Chanukka-Ball, oder Purim, hat man da gefeiert und dann ist man nachts zurück gefahren ins Lager und ob man im Lager selbst Purim gefeiert hat, weiß ich nicht mehr, kann ich mich nicht erinnern.? Autor Hilde Kersz kehrt als junges Mädchen mit ihrer Mutter nach Berlin zurück. Die beiden haben dank falscher Papiere überlebt. Sie kommen 1946 fast mittellos im Lager Schlachtensee an. O Ton Hilde Kersz ?Aber dann zum Shabbes ? Sonnabend abends bin ich dann auch mal tanzen gegangen und da habe ich auch meinen ersten Mann kennengelernt. Das war in Zehlendorf in der ?Glashütte?.? - Da waren auch Christen und Juden? ?Der jüdische Kreis hat extra am Tisch alleine gesessen. Die Jungs sind natürlich gegangen und haben sich ein Mädchen geholt zum Tanzen. Das war ja ne Selbstverständlichkeit, denn es waren ja mehr Männer am Tisch wie Frauen bei uns. Mein Mann hatte schon ein Motorrad ? woher er das hatte, weiß ich nicht ? dann sind wir mit em Motorrad nach Hause gefahren.? - Gab es viele jüdische Jungs, die mit nicht-jüdischen Mädchen zusammen waren? ?Ja ? wir haben hier sehr viele Mischehen ? warum eigentlich der Grund da war, weiß ich nicht! Wir waren alle jung und es sind sehr, sehr viele, die eben christliche Frauen geheiratet haben. Aber ein jüdisches Mädchen... weiß ich nicht, wer da ein Goi geheiratet hat ? ist mir nicht bekannt.? - Durften Deutsche das Lager betreten? ?Nein! Glaube ich nicht, dass da jemand rein gekommen ist. Nein, Polizei war unsere Jungs, sauber gemacht hat man selbst. Ne waren alles unsere Menschen im Lager.? - Und haben sich die Menschen gegenseitig ihre Geschichten erzählt? ?Man hat gefragt: Wo warst du, wie hast du?s erlebt? Aber ich persönlich wollte nie darüber sprechen. Ich wollte nicht erinnert werden ? denn so rosig war ja die Zeit nicht.? O-Ton Springer (Café) ?Der Kontakt hat sich mehr darauf bezogen ? dass wenn man überwindet die Katastrophe, gibt ein gewisser Tauschhandel. Und so hat sich ergeben. Die Leute hatten Hunger, sie brauchten Sachen ? da wurde ein bisschen gehandelt.? -Wo denn? ?Überall in Berlin. Zum Beispiel war ich am Schlachtensee Bahnhof. Ich bin nach Berlin gekommen, wusste ich nur von Schlachtensee Bahnhof, denn weiter bin ich nicht gekommen. Habe ich dort ein bisschen Zigaretten verkauft. War doch ein junger Bursche noch ? und die Leute brauchten das, was wir konnten besorgen. Und so hat sich ein bisschen ein Kontakt entwickelt.? O-Ton Rachel ?Within the camp there was going on business, there was a very famous they called it der 43. Block ? the 43rd block, known as a black marked block...? Übersetzerin Innerhalb des Lagers wurden Geschäfte gemacht, am bekanntesten war der 43. Block, der auch als Schwarzmarkt-Block bekannt war. Dort wurde viel gehandelt, es wurden auch viele Geschäfte mit den Russen gemacht, und viele Leute verschwanden sogar, weil sie von den Russen entführt wurden. Es wurden also die ganze Zeit Geschäfte gemacht, innerhalb und außerhalb des Lagers. Man konnte ja nichts kaufen ? es gab nur die Tauschstellen. Wenn einer Zigaretten hatte und ein anderer Schuhe, dann tauschte man die Zigaretten gegen die Schuhe ? oder was man eben brauchte. Das war das Geschäft. Was die Spekulanten angeht, die gingen weiter als alle anderen ? und sie gingen Risiken ein, weil sie in fremder Währung handelten, weil sie neben Zigaretten, Schokolade und Kaffee auch mit Gold handelten, sie handelten mit allem Möglichen, und viele von ihnen zahlten dafür mit ihrem Leben. Das fand alles in sehr großem Umfang statt, für einige lief das Geschäft sehr gut. Viele blieben in Berlin, weil sie seriöse Geschäftsmänner wurden, nachdem sich die deutsche Währung stabilisiert hatte. Man darf nicht vergessen, dass es in den Lagern keine Währung gab. Unsere Währung war Kaffee und Schokolade und alles, was man tauschen konnte. Zitator Artikel: Juwelenbude ?Neue Zeit? 24. 5. 47 Unweit vom Bahnhof hat die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen UNRRA für polnische ?displaced persons? ein Durchgangslager eingerichtet. Diese Herrschaften denken aber gar nicht daran ?durchzugehen?. Sie fühlen sich sehr wohl in Berlin, nachdem sie gemerkt haben, wie gut sich die Notlage der Bevölkerung bei einigermaßen gutem Geschäftssinn ausnützen lässt. Sie haben ja alles, was sie brauchen: Speck, Kaffee, Kakao, Butter und Nährmittel. Ihre besten Kunden sind die Mütter von Kleinkindern. Ihr ganzes Geschäft baut sich auf der Tatsache auf, dass jede Mutter ihrem Kind ab und zu einmal ein kräftiges, sättigendes Essen vorsetzen möchte. O-Ton Milgrom ?Ich erinnere mich daran, dass ich im Jahr 1947 mit meiner Mutti hierher kam, denn wir waren wirklich in einer wirtschaftlichen Not. Und meine Mutti verkaufte ihren Schmuck, um meinen Bruder und mich und sich zu ernähren. Und einer der Käufer zeigte auf den Trauring meiner Mutter und meine Mutter nahm ihre Hand weg und sagte: den gebe ich nicht her. Den hat sie nicht verkauft.? Autor Helga Milgrom hat als Kind ihre Mutter beim wöchentlichen Gang zum Schwarzmarkt begleitet ? eine Erinnerung, die ihr unvergessen bleibt. O-Ton Milgrom ?Ich erinnere mich auch daran, dass sehr viele deutsche Bürger sich aufregten darüber, dass hier drüben so ein UNRRA-Lager war und beschimpften diese Menschen auch, die wirklich sehr viel durchgemacht hatten. Der Jude, der ewige Händler, und ich glaube, es ist auch aktenkundig, ich habe mal irgendwas gehört, das ist auch irgendwo festgehalten, dass es da auch Ärger gab.? Zitator Bezeichnenderweise nennt der Berliner das UNRRA-Lager ?Juwelenbude?. Keiner weiß über die Kurse der Edelmetalle besser Bescheid als diese Schieber. Sie fühlen sich sehr wohl in Deutschland, diese Herren. Warum tut die Polizei nicht das Geringste gegen diese ?Gäste?? Es wäre wirklich notwendig, hier einmal Einhalt zu gebieten, indem man den Kaufmännern dieser Art ein bisschen auf die Finger sieht. Sie nutzen die Großzügigkeit der alliierten Behörden aus, um sich zum Schaden der deutschen Bevölkerung die Taschen zu füllen! O-Ton Springer ?Ich habe in dieser Stadt viel, viel Armut gesehen und auch viel Zerstörungen, bloß, es hat mich nicht berührt, weil man uns mehr zerstört hat, man hat unser Leben zerstört. Ich hatte nicht das Gefühl, was ich heute in dieser Stadt habe. Ich bin heute ein Staatsbürger eines freien Landes und wie ich hergekommen bin, mit das was ich gesehen und erlebt habe, hat es mich nicht berührt. Ich habe es zur Kenntnis genommen und habe gedacht, man muss in der Zukunft dafür sorgen, dass keine Kriege, dass keine Vernichtung kommt, dass nicht das Unrecht die Macht kriegt.? MUSIK Zitator The Berlin Observer, 2.8.1946 In Berlin werden die ersten Filme auf Jiddisch gezeigt, seit die Nazis jegliche jüdische Kultur verboten haben. Die Filme werden den Bewohnern des Lagers Schlachtensee und den deutschen Juden der Stadt gezeigt. Die Vorführungen finden im ?Lumina Theater? nahe der Spanischen Allee statt und die Vorstellungen sind jeden Tag überfüllt. Die jüdischen Flüchtlinge aus Polen, die alles dafür getan haben, ihre Kultur zu erhalten, sind überwältigt, jüdische Schauspieler auf der Leinwand zu sehen, die in ihrer eigenen Sprache sprechen! O-Ton Rachel (Jiddisch) ?Eine von de wichtigsten Problemen bei der ?sherith hapleitah? is gewesen das herwegzustellen und organisieren die Kulturarbeit in die Lagern. Nach 7 Jahren sein die abgerissen vom geistig-kulturellen Leben, die Liquidatien von de yidischen intelektuellen Keches, der Mangel von Bücher, Zeitungen und die geistige Erziehung, Menschen, Material hat gefordert a Sach Müh und Arbeit.? Übersetzerin Nach sieben Jahren ohne Bücher, Zeitungen und geistige Erziehung war es eine der wichtigsten Aufgaben in den Lagern den Zugang zu Bildung und Kultur wieder herzustellen. Nach der Ermordung der geistigen Elite war dies eine Aufgabe, die sehr viel Mühe, Arbeit und Material gefordert hat. Zitator Theater Baderech Programm Zettel Im Juni 1946 haben wir unser jüdisches Theater ?Baderech? gegründet. Zuerst haben wir darüber nachgedacht, ein eigenes Theater zu bauen, aber da wir uns in Berlin in einem Durchgangslager befanden, war uns bewusst, dass wir keine große Perspektive haben können. Deshalb trägt das Theater einen zeitweiligen Charakter, genau wie der Name ?Baderech? ? Unterwegs - auch sagt. Die Entstehung eines jüdischen Theaters in Berlin ist ein Ereignis in unserem kulturellen Leben, weil es bisher keines gegeben hat. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ein ernstzunehmendes jüdisches Theater in Berlin zu errichten. Die Leitung vom jüdischen Theater ?Baderech?, Berlin. O-Ton Rachel ?People were very much interested in general culture. We were taken with big trucks, people would pile up in the trucks and taken to the theatre ? to the Schiller-Theater were we saw Schillers the ?Räuber?, we saw ?Jakubowsky and the Colonel?, we saw ?our town? ? Übersetzerin Wir waren sehr an Kultur interessiert. Man brachte uns mit großen LKWs ins Theater, in das Schiller-Theater, wo wir Schillers ?Die Räuber? sahen, wir sahen ?Jakobowsky und der Oberst?, wir sahen ?Unsere kleine Stadt?. Sie brachten uns zur Staatsoper, die in der russischen Zone lag. Dort sahen wir viele russische Opern wie ?Undine? und ?Eugen Onegin? und ?Boris Gudonow?. Aber wir gingen auch in die Städtische Oper, wo wir ?Othello? mit Paul Robeson sahen und wir gingen in die Theater in der amerikanischen Zone. Ich erinnere mich an ?Nathan der Weise? und an die ?Czardasfürstin?. Und sie brachten uns zu den Konzerten. Kultur war sehr, sehr wichtig! Zitator Berliner Kurier 27.6.1947 ?Das Theater der Heimatlosen? Die Zahl der östlichen Juden ist auf ein Bruchteil zusammengeschmolzen. Die Vitalität der Übriggebliebenen konnte alles hinter ihnen liegende Elend nicht vernichten. Sie beweisen es nicht nur dadurch, dass sie überhaupt noch leben, sondern vor allem durch das Ungenügen an der nackten Existenz und die Freude, mit der sie sich trotz des nomadischen Charakters des Lagerlebens wieder den schmückenden und bildenden Formen zuwenden. Das Improvisierte bestimmt natürlich wesentlich den Charakter des neugegründeten Theaters. Aber es ist da und mit ihm der ungebrochene Geist des berühmten jüdischen Theaters früherer Jahrzehnte. ?Mitn Wanderstock in Hant? heißt ihr Theaterstück. Das Thema des ewig zum Wandern und Dulden gezwungenen Juden ist heute so zeitnah wie vor Jahrhunderten, und daher verbindet sich wohl das Gut alter Erinnerungen so geschmeidig mit der Modernität der Darstellung. O-Ton Hilde Kersz ?Ja, natürlich ich war hell begeistert, dass ich auch Theater spielen konnte, dass ich mitspielen konnte ? na da hat man im Lager, in der allgemeinen Küche hat man geprobt ? oder im Kino Luna. Aber das war ja nicht allzu lange. Ich war ja ungefähr nur anderthalb Jahre mit tätig im Theater. Nun war ich ja auch viel auf Tourné. Und dann weiß ich gar nicht mehr, wo sie noch Theater gespielt haben. Ich glaube in ner Schule in ner Aula und in Tempelhof im Lager, da war ich einmal mit, haben wir Theatervorführung gemacht.? [0] O-Ton Gleiberman ?That?s true, the mood was good. People were optimistic! They did not know what?s happen to them ? but the Hoffnung war da! They waited for something to happen. ? Übersetzer Die Stimmung war gut. Die Menschen waren optimistisch! Sie wussten nicht, was mit ihnen geschehen würde, aber sie waren voller Hoffnung! Sie warteten darauf, dass etwas passierte. Niemand hat ein langes Gesicht gemacht oder die Hoffnung verloren. Die Stimmung war optimistisch! Alle machten mit, wenn es eine Aufführung oder einen Tanz gab. Die politischen Parteien waren auch überall und verfolgten ihre eigenen Ziele. Ich war politisch sehr aktiv. ? Ich gehörte der Beitar an, die heute Teil des Likud ist. Beitar ist die Jugendorganisation des Likud. Und ich war Leiter der Beitar in Berlin. Also organisierte ich die Treffen und die Paraden im Lager. Manchmal marschierten wir mit einer Fahne außerhalb des Lagers. Vielleicht, um den Deutschen zu zeigen, dass wir noch leben und dass wir noch politisch aktiv sein können. Es gab noch viele andere jüdische Organisationen in Schlachtensee, von den ganz Linken bis zu uns auf der rechten Seite, und jeder hatte eine eigene Fahne und eine eigene Uniform und alle marschierten zu einem bestimmten Lied. O-Ton Springer ?In diesem Lager gab es wie vor dem Krieg in Polen verschiedene zionistische Organisationen und nicht eine.? -War hier ein Vorbereitungslager auch für den Unabhängigkeitskrieg für Israel? ?Die Haganah hat versucht, hier ausgeschulte Offiziere von die Armeen wegen ihre jüdische Zugehörigkeit sie patriotisch zu beeinflussen, dass sie teilhaben sollten, um nach Israel in den Kampf zu gehen. Und da braucht man eine Verbindung zu dieser Einrichtung und das haben wir gegenseitig versucht. Und es gab welche, die gekommen sind, die nach Israel gegangen sind, die gekämpft haben. Aber außerdem, wenn man 18, 19, 20 Jahre alt ist, es gibt andere Möglichkeit, sich mit Waffen zu bekennen ? zumal wir wussten, dass in Israel der Kampf zur Entstehung des Staates kommt.? Autor Tondokument Ben Gurion proklamiert den Staat Israel (Archiv) unterlegen: Am 14. Mai 1948 ruft David Ben Gurion den Staat Israel aus. Wie überall auf der Welt, so feiern auch die Juden in den Berliner DP-Lagern diesen Tag mit großer Freude und Ausgelassenheit! O-Ton Rachel ?The camp started dancing and dancing and dancing and we danced all night. All night! Around and around and around! ? Übersetzerin Das ganze Lager hat getanzt und getanzt. Wir tanzten die ganze Nacht. Es war das größte Fest, das ich je erlebt habe! Es war so ausgelassen wie auf den Straßen Israels. Es war ein Ausbruch von Enthusiasmus, von Freude und Glück und Singen und Tanzen. MUSIK O-Ton Königseder ?Im Mai 1948 wurde der Jüdische Staat gegründet. Aber zunächst gab es ja noch Einwanderungsbeschränkungen, was dazu führte, dass alle anderen DP-Lager im restlichen Deutschland noch weiterhin bestanden, mit Ausnahme der Lager in Berlin, die nach der Verhängung der Sowjetischen Blockade im Mai 1948 evakuiert wurden. Zuerst gab es Überlegungen, die Lager gerade erst recht bestehen zu lassen, um der Sowjetunion eben kein Zeichen zu geben, dass man mit der Auflösung der Lager möglicherweise auch anfangen würde, die Stadt aufzugeben. Dann hat sich General Clay aber doch entschieden, die Lager aufzulösen, um die Zahl der zu Versorgenden in der Stadt zu reduzieren. Und dann mussten die jüdischen DPs in wenigen Tagen ihr Hab und Gut packen, verkaufen und wurden Ende Juli, Anfang August 1948 nach Frankfurt am Main ausgeflogen. Und zwar mit jenen Flugzeugen, die die abgeriegelte Stadt aus der Luft versorgten. Die jüdischen DPs wurden also nach Tempelhof gebracht, die Sitzbänke in den Flugzeugen ? nachdem man sie von den Lebensmitteln, Kohle und so weiter entladen hatte ? runtergeklappt. Jüdische Flüchtlinge durften einsteigen und wurden nach Frankfurt am Main ausgeflogen. Von dort aus wurden sie auf weitere 23 DP-Lager in Süddeutschland verteilt und warteten dort ? wie alle anderen jüdischen DPs auf eine Auswanderungsgelegenheit.? O-Ton Samuelson ?Ich habe bis heute das, was ich dort zu Anfang gefühlt habe, nicht weiter ausgelebt. Das Gefühl, das ich damals hatte, befreit, frei zu sein, das hat sich im Lauf der Jahre gewandelt, das hat sich geändert. Ich habe damals nicht an die Vergangenheit gedacht. Ich habe damals nicht an meine Familie direkt gedacht ? an die, die nicht mehr existieren. Das war für mich kein Thema. Das ist ein Thema, das jetzt im Alter kommt ? darüber nachzudenken, warum ich und warum die anderen nicht mehr leben. Das ist das Problem. Da kann man sagen Schlachtensee hat den Anfang gemacht. Aber es ist nicht zu Ende. Vielleicht liegt es daran, dass wir zu sehr traumatisiert sind und dass wir das nicht so einfach wegstecken können ? das geht nicht!? Rachels Lied Noch em Regen schein die Sun Wissen doch alle davun Verliert man gar nit den Mut ? Ab-i jecke ganif is kaput. Und Berlin is shtark zerstert Liegt neun elen tief in der Erd Und ich a Yidl steh um schrei: Amcho Isroel chai !!! Übersetzerin Nach dem Regen scheint die Sonne, das wissen doch alle. Da verliert man nicht den Mut, denn der deutsche Gangster ist kaputt! Berlin liegt am Boden, stark zerstört. Staub und Asche überall. Und ich ein kleiner Jude steh auf und schrei: ?Es lebe unser Israel? MUSIK Absage ?Angekummen in Berlin? Die vergessenen Schtetls der Stunde Null Ein Feature von Gabriel Heim Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2010. Es sprachen: Daniel Berger Britta Shulamith-Jakobi Christiane Bruhn Matthias Ponnier und der Autor Ton und Technik: Gunther Rose und Anne Bartel Regie: Anna Panknin Redaktion: Hermann Theißen Musik 2