COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Zeitfragen 28.2.2017, 19:30 Uhr Die neue Wohnungsfrage oder: Wie aus Immobilien Anlageprodukte werden Von Barbara Eisenmann Wohnungen sind Mangelware geworden. Seit einigen Jahren schießen die Preise für Mieten und Immobilien in den Städten in die Höhe. Selbst die Deutsche Bundesbank warnt inzwischen vor einer Immobilienblase. Und es stellen sich Fragen: Warum sind Wohnungen überhaupt zu Finanzprodukten geworden und Häuserblasen offenbar zum Normalzustand? Wie können lokale Wohnungsmärkte zum Spielball globaler Finanzakteure werden? Was macht den deutschen Markt für internationale Anleger so attraktiv? Und haben wir es mit einer Blase zu tun, die irgendwann platzen wird? MUSIK (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, auf Musik) Herzlich Willkommen! SPRECHERIN 1 Alle reden auf einmal von Immobilienblase. SPRECHERIN 2 Sollten wir nicht lieber von einer neuen Wohnungsfrage sprechen? O-TON 1 (Kaufmann) Für den normalen Menschen ist die Wohnung ja der Ort, an dem er wohnt, an dem er lebt, fernsieht, schläft, isst usw. MUSIK 3 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) Herzlich Willkommen in Monaco di Bavaria. Janker, Mass und Opernstar, Sakko, Sekt und Kaviar, genießen Sie mit uns als Ihrem geschmacklichen Ratgeber den Ort, der schon immer die nördlichste Stadt in Italien war. (Matthew Herbert) O-TON 2 (Kaufmann) Für Anleger sind Immobilien Vehikel, um mehr aus ihrem Kapital zu machen, um eine Rendite zu erzielen. MUSIK 4 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt.) Wir füllen die klaffende städtebauliche Budgetlücke durch die Verwirklichung gut verdaulicher Filetstücke. Der Markt wird das Objekt mit Genuss aufnehmen. SPRECHERIN 2 Engels hat schon 1872 oder 73 "Zur Wohnungsfrage" geschrieben. Und da steht gleich am Anfang: "Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung der Wohnungsverhältnisse ... durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten." / SPRECHERIN 1 das ist unser Problem heute. SPRECHERIN 2 Wir müssen ganz von vorne anfangen, die Sache beginnt ja schon viel früher, als der Staat sich von der Wohnungspolitik verabschiedet hat. Zwischen 1998 und 2007 sind über 750.000 Wohnungen privatisiert worden. Und von vier Millionen Sozialwohnungen Ende der achtziger Jahre gibt´s heute grade mal noch 1,5 Millionen. Andrej Holm, der aktivistische Stadtforscher / SPRECHERIN 1 der aus seinem Posten als Staatssekretär für Wohnungspolitik aus dem Berliner Rathaus gemobbt wurde / SPRECHERIN 2 der, der hat mal geschrieben, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen nicht umsonst seit 2005 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung heißt. SPRECHERIN 1 Es geht nur mehr um Stadt als Marke, "arm, aber sexy" und so´n Quatsch, um attraktiv zu sein für internationale Investoren; aber die sozialstaatliche Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen ist schon ewig kein Thema mehr. O-TON 3 (Kaufmann, 4.30) Dadurch, dass privatisiert wird, wird der Immobilienspekulation Material gegeben, der Staat zieht sich raus, weniger sozialer Wohnungsbau. Auf der anderen Seite hat die Politik natürlich auch dafür gesorgt, dass mehr Finanzkapital weltweit unterwegs ist, beispielsweise indem es weniger besteuert wird oder indem die Finanzmärkte liberalisiert worden sind. Das alles hat dazu beigetragen, dass die Finanzsphäre sich aufgebläht hat. SPRECHERIN 2 Sagt Stephan Kaufmann, Wirtschaftsjournalist. SPRECHERIN 1 Immobilien sind jetzt globale Finanzprodukte. SPRECHERIN 2 Und die lokalen Wohnungsmärkte Spielball internationaler Akteure. SPRECHERIN 1 Man sieht das an Engel und Völkers, egal wo du hinfährst, die sind immer schon da. Wie bei Igel und Hase. (lacht) MUSIK 6 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, 2 Varianten: normal und gefiltert. Block 2) Wir können nur spekulieren. MUSIK 7 (Construction Sounds/1: "Construction Sounds", ab 10.30, Musikfolie für Aufzählungen, wird unter Musik 6 eingeblendet, läuft fort für die nächsten Aufzählungen) SPRECHERIN 2 Häuserblasen sind Normalität geworden. SPRECHERIN 1 Die USA. SPRECHERIN 2 Spanien. SPRECHERIN 1 Irland. SPRECHERIN 2 Holland. SPRECHERIN 1 Großbritannien. SPRECHERIN 2 Belgien. SPRECHERIN 1 China! SPRECHERIN 2 In China bläht sich grade eine riesige Blase auf. SPRECHERIN 1 Die globale Finanzkrise ist vom Platzen einer Immobilienblase ausgelöst worden. SPRECHERIN 2 Und trotzdem bilden sich in Ländern wie den USA oder Spanien schon wieder neue Häuserblasen. O-TON 4 (Kaufmann) Jetzt haben wir aktuell die Situation auf der einen Seite, dass sehr viel Finanzkapital weltweit herumfliegt, sehr viel Finanzkapital sucht nach rentabler Anlage; gleichzeitig herrscht eine Art Anlagenotstand, was bedeutet, gemessen an der Menge an Finanzkapital, das Rendite sucht, gibt es gar nicht genug Möglichkeiten, diese Rendite auch zu erzielen. Und Teile des Finanzkapitals, des weltweiten wie des deutschen, verlegen sich auf den Immobilienmarkt, grade auf den deutschen Immobilienmarkt, weil es heißt, dass die Preise dort noch nicht so stark gestiegen sind wie in anderen Ländern, die gerade eine Blase erlebt haben. Nun treffen diese großen Mengen an Finanzkapital auf einen beschränkten Markt. Der Immobilienmarkt ist immer beschränkt, einfach die Fläche der Erde ist beschränkt, die Fläche Berlins ist beschränkt usw., und das führt zu enormen Preissteigerungen logischerweise, denn damit Immobilien eine konkurrenzfähige Rendite erzielen, müssen die Preise entweder weiter steigen oder die Mieten müssen weiter steigen. SPRECHERIN 1 Das viele überschüssige Kapital sucht also händeringend nach Anlagegelegenheiten. O-TON 5 (Linsin, 5.30) Wir sehen eben halt, dass Deutschland gerade bei global agierenden institutionellen Kapitalsammelstellen als der sichere Hafen gilt. In den letzten Jahren waren es verstärkt US- amerikanische Investoren, die über ihre Investmentplattformen hier in Deutschland investieren. Es kann natürlich auch sein, dass Investoren aus Asien den Weg über einen us- amerikanischen Fondsmanager suchen und hier direkt in Immobilien in Deutschland investieren. SPRECHERIN 2 Sagt Jan Linsin, Senior Director - Head of Research Germany eines großen us- amerikanischen Immobiliendienstleisters mit Sitz in Frankfurt und weltweit über 70.000 Mitarbeitern. SPRECHERIN 1 Was sind das für Anleger? O-TON 6 (Linsin) Wir haben institutionelle Investoren, das sind Staatsfonds, Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke. Dann haben wir Kapitalsammelstellen, beispielsweise Assetmanager oder Investmentmanager, die eben eigenes Geld oder im Auftrag Dritter investieren. Dann haben wir Immobiliengesellschaften, das können börsengelistete Unternehmen sein, das können aber auch nicht börsengelistete Immobilienunternehmen sein, inklusive Projektentwickler. Dann haben wir natürlich noch ein großes Heer an Privatinvestoren, family offices, vermögende Privatpersonen. SPRECHERIN 2 Diese großen Akteure der Immobilienverwertungsbranche haben heute alle ihre eigenen Researchabteilungen. SPRECHERIN 1 Was macht so ein Immobilienforscher im Auftrag der Immobilienindustrie? O-TON 7 (Linsin) Letztlich sind wir Wissensmanager. Und wir wollen und sollen und versuchen auch, Mehrwert zu generieren, auf Basis der von uns erhobenen Daten und auf Grund dessen, was wir als zukünftige Trends im Markt erkennen. MUSIK 8 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, 2 fassungen normal und gefiltert. Block 3) Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. O-TON 8 (Linsin) Immobilienresearch in der Form gibt es in Deutschland institutionalisiert vielleicht die letzten 20 Jahre und auch das Ganze letztlich institutionalisiert Richtung Kapitalmarkt, weil davor war es ein nationales Play, weniger ein internationales und noch weniger ein kapitalmarktlastiges Play. Und man hat verstanden, schon recht früh, dass natürlich die Immobilie, dieses real asset, natürlich auch einen Vermögenswert darstellt, der natürlich in irgendeiner Bilanz steht oder auch bei einer Bank im Kreditbuch steht. Diese Immobilie hat ja einen Wert, und die Frage ist immer, wie bemesse ich diesen Wert und wie kann ich diesen Wert heben, wie kann ich dafür Sorge tragen, dass wenn der Standort gut ist, sprich Bankenlage Frankfurt, aber die Immobilie nicht mehr richtig taugt am Markt, Sie darüber nachdenken, kann ich die Immobilie modernisieren, kann ich die Immobilie entweder neu ausrichten, also redevelopment, oder kann ich die Immobilie einfach abreißen und was Neues bauen. SPRECHERIN 1 Seit Immobilien global konkurrenzfähige Finanzprodukte sind und ein ganzes Heer von Dienstleistern damit beschäftigt ist, immer neue Immobilienanlageprodukte für internationale Investoren zu finden oder herzustellen, haben nicht nur Arme ein Problem in den innerstädtischen Bezirken der großen Städte Wohnungen zu finden, auch Normalverdienerinnen tun sich schwer. SPRECHERIN 2 Busfahrerinnen. SPRECHERIN 1 Krankenhauspersonal SPRECHERIN 2 Lehrer. SPRECHERIN 1 Polizistinnen. SPRECHERIN 2 Usw. SPRECHERIN 1 Luxuslofts, selbst wenn sie leerstehen, oder superteure Miniapartments für Studenten zahlen sich für Investoren eben aus. SPRECHERIN 2 Nur bezahlbare Wohnungen rentieren sich nicht. "Real Estate is attacking housing", so hat das David Madden, das ist ein britischer Soziologe von der London School of Economics, mal genannt. SPRECHERIN 1 Wie würde man das ins Deutsche übersetzen? SPRECHERIN 2 Schwierig, man müsste ausholen und sagen: housing, das ist Wohnen als Gebrauchswert. Und real estate, das ist die Immobilie als Tauschwert. SPRECHERIN 1 Man kann das aber auch mit Zahlen dokumentieren. In München haben sich die Preise für Wohnungen seit 2008 durchschnittlich um 80 Prozent verteuert. In Berlin um 50 Prozent. In Düsseldorf und Frankfurt um 30 bis 40 Prozent. SPRECHERIN 2 Und so entsteht dann eine neue Wohnungsfrage. Engels sagt in seinem Text, wo er über "die eigentümliche Verschärfung der Wohnungsverhältnisse" spricht, auch, dass "diese Wohnungsnot nur soviel von sich reden macht, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat." SPRECHERIN 1 Wie heute. SPRECHERIN 2 Klar. Die Wohnungsfrage rückt hauptsächlich deshalb in die öffentliche Aufmerksamkeit, weil selbst in der Provinz und am Stadtrand die Preise für Immobilien steigen und immer mehr Leute von ihr betroffen sind. MUSIK 9 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) Herzlich Willkommen bei unserer kleinen Goldgrundimmobilientour durch unsere wunderschöne Stadt München. Auf unserer Rundfahrt werden wir natürlich nur die Projekte begutachten, bei denen Sie noch einsteigen können. SPRECHERIN 2 In München, das ist neben Frankfurt, Berlin, Hamburg und Düsseldorf einer der sog. "Topfünfmärkte", wie die Immobilienverwertungsbranche das nennt, haben Leute aus dem Kultur- und Sozialbereich ein Bündnis geschmiedet, das mit Aktionen wie einer gefakten Bustour für anlagesuchende Investoren an die Öffentlichkeit getreten ist. MUSIK 10 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, auf Musik, Block 4) Premiumobjekte für handverlesene Klientel. Wenn zu Ihrem Glück die richtige Immobilie fehlt, ziehen Sie mit uns in die Beletage. Von unten sieht die Stadt am schönsten aus. Doch wem sag ich das. Ein Concièrge im Foyer, nur gebetene Gäste, Sicherheit und Geborgenheit, für Sie nur das Beste. Explizit, exklusiv, keine Stangenware. Kunst, Kultur und Kapital. Wa(h)re Wertanlage. Ein Platz an der Sonne für finanzielle Highperformer in direkter Nachbarschaft zu den Traditionen Eingeborener. Fesche Mädels mit ordentlich Holz vor der Tür. Investieren Sie. Es gibt mehr als ein Goldgrundrevier. O-TON 9 (Kaufmann) Interessant an dem Punkt ist, dass den Menschen auffällt, dass die Warenform, sprich, dass etwas verkauft wird, unter Umständen in Gegensatz gerät zu der Versorgung mit dieser Sache. Freunde der Marktwirtschaft sagen immer, der Markt ist das ideale Instrument zur Versorgung. An den Forderungen, dass etwas keine Ware sein soll, merkt man, dass die Warenform die Versorgung gefährdet. SPRECHERIN 1 Wohnungen werden heute als "liquid asset" gehandelt, als flüssiger Vermögenswert; so nennen die das, die Blasenökonomen / SPRECHERIN 2 mit ihren Sprechblasen (lacht). MUSIK 11 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, auf Musik) Wir sind´s, die Planer und Visionäre. Was daraus wird, wir können nur spekulieren. O-TON 10 (Heeg) Liquid in der Tat bedeutet ja dann förmlich einen Widerspruch zu dem Immobilen der Immobilie. Was das dann aber liquide macht, ist der Umstand, dass man erwarten kann, die Sache schnell wieder zu verkaufen. D.h. man setzt eigentlich nicht auf das Produkt selbst, das könnte zur selben Zeit auch irgendetwas anders sein, aber jetzt sind es die Immobilien, die den Hype erzeugen. Und weil ich die wiederverkaufen kann, deswegen läuft die Angelegenheit auch gut. SPRECHERIN 1 Sagt Susanne Heeg, Professorin für Geographische Stadtforschung an der Goethe-Universität in Frankfurt. O-TON 11 (Heeg) Da müssen wir sehen, dass natürlich ne Voraussetzung hierfür ist, dass Wohnungen, wir bleiben jetzt bei Wohnungen, dass sie überhaupt erst mal zum Marktprodukt gemacht werden müssen. Und wenn wir Deutschland betrachten war das bislang so nicht, also bis zu den großen Liberalisierungswellen, die dann ab den neunziger Jahren quasi durch Deutschland durchgingen, in mehreren Wellen, die dann dazu geführt haben, dass zum einen öffentliche Wohnungen plötzlich zum Finanzprodukt geworden sind und dann zunehmend aber auch über die Absicherung, private Absicherung der Rente viel mehr Kapital vorhanden war, was dann auch eine Anlage gesucht hat und was dann quasi in Immobilienfonds gegangen ist. SPRECHERIN 2 Und da entstehen dann diese neoliberalen Zwickmühlen. Wir sollen uns wie Anlegerinnen verhalten, privat für die Rente vorsorgen, und dann investiert der Versicherer in Immobilien / SPRECHERIN 1 und du kannst auf einmal deine Miete nicht mehr bezahlen. MUSIK 12 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. SPRECHERIN 2 Zwischen 1999 und 2008 ist es in Deutschland zu einem ersten Boom an Wohnungsverkäufen gekommen; mehr als 1,3 Millionen Wohnungen wurden verkauft. Vor allem an internationale Private Equity Fonds. Die finanzieren den Kauf mit Krediten, und die Kosten müssen dann von der Bewirtschaftung der Immobilien getragen werden. SPRECHERIN 1 In die Immobilien wurde nichts mehr investiert. SPRECHERIN 2 Das sind diese heute völlig heruntergewirtschafteten Wohnsiedlungen aus den sechziger und siebziger Jahren. MUSIK 13 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) (Gerhard Polts Stimme sagt) Wir können nur spekulieren. (lacht) O-TON 12 (Heeg) Inzwischen, mit der Reurbanisierung in Städten, geht diese Art der Unternehmen fährt ne neue Strategie. Man macht nicht mehr nur, sondern nur in abgewrackten Beständen so weiter, diese Hartz-4-Verwertung. In Städten wie Frankfurt beispielsweise wird in die Wohnungen wieder investiert, mehr außen, ja von außen, man sie versucht, sie aufzuwerten, dass sie n´hübsches Äußeres haben, und dann sehr, sehr teuer zu vermieten. SPRECHERIN 1 Das geschieht jetzt in einem zweiten Boom, dem aktuellen, der nach Ausbruch der Finanzkrise losgegangen ist SPRECHERIN 2 Mit dem vielen Geld von den Zentralbanken, das den Geldhäusern regelrecht hinterher geschmissen wird, das angelegt werden muss. SPRECHERIN 1 Eigentlich haben wir ein Liquiditätsproblem / SPRECHERIN 2 eine Liquiditätsblase (lacht). O-TON 13 (Heeg) Also es begann meiner Meinung nach vor allen Dingen 2010, vielleicht 2009, dass dann gesagt wurde, andere europäische Länder sind jetzt sehr instabil, die Aussichten auf eine Erholung und Stabilisierung der Ökonomie sind nicht gegeben. Und dann fing es an, dass quasi die Gewinner in Europa, und das ist vor allen Dingen Deutschland, wo gesagt wurde, da haben wir jetzt ne Stabilität, da haben wir die Aussicht, dass, wenn wir dort Häuser, Wohnungen kaufen, also quasi im Immobilienbestand investieren, dass das stabile, zwar niedrige, aber stabile Erträge, Renditen erbringt, ja. Und insofern ist dieser Immobilienboom, den wir jetzt hier in Deutschland erleben, hängt mit den mangelnden Aussichten in anderen Ländern zusammen. SPRECHERIN 1 Fragen wir den Immobilienresearcher, was die deutschen Immobilienmärkte für das internationale Finanzkapital so attraktiv macht. O-TON 14 (Linsin) Die Größe, die Nachhaltigkeit, die Sicherheit, unsere Wirtschaftsstruktur, ne sehr breit diversifizierte Wirtschaft, n´Arbeitsmarkt mit 4,1% Arbeitslosen, wir haben noch nie so viele beschäftigt gehabt seit der Wiedervereinigung. Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten steigen, die Jugendarbeitslosigkeit ist im internationalen Vergleich ultraniedrig. Ich hab heute Morgen zahlen gesehen aus Spanien, aus Griechenland, Italien, 40% und mehr. Das ist die Zukunft. Wir produzieren, wir sind innovativ. Wir haben ne hohe Pro-Kopf- Produktivität. Verlässliches Rechtssystem. Sie haben auch dann, wenn es in die Immobilien geht, natürlich ne sehr gute Substanz. Das darf man auch nicht vergessen, wir haben Topimmobilien hier landauf, landab stehen, und zwar in allen Assetklassen. MUSIK 7 (Construction Sounds/1: "Construction Sounds") SPRECHERIN 2 Wohnsiedlungen. SPRECHERIN 1 Gewerbeimmobilien. SPRECHERIN 2 Hotels. SPRECHERIN 1 Bürotürme. SPRECHERIN 2 Wohntürme. SPRECHERIN 1 Logistikgebäude. SPRECHERIN 2 Und der ganz große Renner: Pflegeheime. SPRECHERIN 1 Pflegeheime? 0 O-TON 15 (Linsin) Es gibt immer so Firstmover, die natürlich ne andere, ne höhere Risikoneigung haben, die sagen, okay, ich gehe in diese Stadt, ich gehe in diesen Teilmarkt, ich gehe in diesen Objekttytp, ich glaube an Projektentwicklung oder ich glaube sogar auch an alternative Assets, wo vielleicht der ein oder andere coreeigenkapitalstarke Investor noch nicht dran gedacht hat. Auf einmal werden dann Immobilien wie Pflegeheime ganz en vogue und werden im Milliardenbereich dann auch transferiert. O-TON 16 (Linsin) Und Sie haben gewachsene Strukturen. Denken Sie an die Einkaufslagen von Flensburg bis runter nach Garmisch-Partenkirchen. Das sind Faktoren, die letztendlich fundamental, und um das geht es letztlichendlich, internationale Investoren anlocken. SPRECHERIN 1 Und die Zukunft, wie sieht sie aus? O-TON 17 (Linsin) Wir erwarten noch mehr Immobilieninvestments in Deutschland bzw. noch mehr Nachfrage, und zwar querbeet. Fokus ist die Büroimmobilie in den Topmärkten. Wir sehen aber ne Ausweitung, nicht nur auf die Trophybuildings, die Coreimmobilie in den Innenstadtlagen, sondern auch mehr am Stadtrand und in der Peripherie. SPRECHERIN 2 Es wird noch enger werden. SPRECHERIN 1 Und langsam tauchen Zweifel auf, ob man es in Deutschland nicht doch mit einer Blase zu tun kriegt. O-TON 18 (Buch, Pressekonferenz Finanzstabilitätsbericht) Sie werden vermutlich feststellen, dass wir sehr vorsichtig sind, mit dem Begriff "Identifikation einer Blase", ab wann haben wir denn jetzt ne Blase oder nicht, weil ich glaube, das ist etwas, was wir vielleicht im Nachhinein wissen, aber das schlecht prognostizierbar ist. SPRECHERIN 2 Sagt Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, bei der Präsentation des Finanzstabilitätsberichts 2016. SPRECHERIN 1 Rainer Braun und seine Kollegen vom neoliberalen privaten Forschungsinstitut empirica haben einen Blasenindex entwickelt. SPRECHERIN 2 Blasenindex? SPRECHERIN 1 4 Indikatoren, mit denen die die Bildung einer Blase messen. O-TON 19 (Braun) Der erste Indikator ist die Frage, kann ich als Vermieter, als Investor, den Kaufpreis noch über die Miete refinanzieren. O-TON 20 Die zweite Frage, die wir uns bei unserem Blasenindex stellen: Kann denn der Durchschnittshaushalt sich noch Wohneigentum leisten? O-TON 21 Der dritte Indikator, auf den wir schauen, ist die Entwicklung des Angebots und damit die Fertigstellungen, die neu fertig gestellten Wohnungen, pro 1000 Einwohner. O-TON 22 Der vierte Indikator, hier schauen wir uns den Kreditmarkt an, wie viel Kredite, wie viel Wohnungsbaukredite, werden relativ zum BIP in Deutschland vergeben. O-TON 23 Alle 4 Teilindikatoren gehen in Richtung "Vorsicht ne Blase wird wahrscheinlicher", aber alle 4 sagen, "im Moment ist es noch in Ordnung". Gleichwohl ist eben halt der Keim für ne Blase gelegt, nämlich in Form der niedrigen Zinsen und in Form des Hypes, der mittlerweile entsteht, weil mittlerweile natürlich immer mehr Menschen sehen, die einzige oder eine der wenigen Anlagen, wo ich noch halbwegs ne Rendite erwirtschaften kann, sind Immobilien, so dass jetzt wirklich, ich sag mal Hinz und Kunz, die von Tuten und Blasen vom Immobilienmarkt keine Ahnung haben, jetzt hier versucht sind einzusteigen, und des zum Teil auch schon tun. Und des ist natürlich immer der Anfang von ner Blasenbildung. O-TON 24 Wenn wir sehen, wovor die Europäische Zentralbank, hier die Bundesbank warnt, das ist, dass bestimmte innerstädtische Wohnungsmärkte überbewertet seien, wo gesagt wird, die Preise, die da inzwischen erzielt werden, haben nichts mehr mit den Sachwerten zu tun, auch nichts mehr mit normalen Preisgestaltungsmechanismen an Immobilienmärkten zu tun. Wir haben hier ne Blase. Und dann, wenn Sie weiterlesen, sehen Sie dann, heißt es, betrifft aber nur kleine, kleine Bereiche: Frankfurt, Berlin, Hamburg wird noch genommen, noch nicht mal München, so weit ich weiß, ja. Jenseits dessen sind wir noch in einem normalen Verhältnis von Angebot und Nachfrage, da wo es noch nicht zu Übersteuerungen gekommen ist. Das ist der Punkt, weswegen dann alle anderen Akteure sagen: Okay ist n´bisschen n´Problem, aber lass uns weitermachen. SPRECHERIN 1 Sagt Susanne Heeg, die Professorin für Geographische Stadtforschung. O-TON 25 Andererseits sie müssen auch weitermachen. Was ist denn, wenn jetzt ein Fonds, eine Kapitalverwaltungsgesellschaft wie Aberdeen beispielsweise, wenn sie dann mehrere Millionen angeboten bekommen, 500 Millionen, sie wissen, es gibt eigentlich kaum noch was, was liquide ist, was gekauft werden kann. Was tun sie denn dann? Sie werden wohl kaum sagen: Leute, nehmt´s wieder mit nach Hause. Nein. Was sie tun, ist zu sagen: Wir haben neue Immobilienmärkte oder wir haben neue Fondsprodukte jetzt für Sie entwickelt. SPRECHERIN 2 Das können dann Parkuhren in Chicago sein oder Pakete mit faulen Hypothekendarlehen. SPRECHERIN 1 Aber haben wir jetzt eine Blase oder nicht? Die Frage geht an die Bundesbank. O-TON 26 Ja, vielen Dank für die Frage. Also was wir tun können, und was unsre Volkswirte auch tun, ist sich diese Preisentwicklung anzusehen. Es gibt ein sehr regional ausdifferenziertes Modell, mit dem man sich ansehen kann, wie viel der Preisentwicklung ist denn erklärt durch Fundamentalfaktoren, Einkommen, Zinsen, Migrationsentwicklung, all diese Dinge. Und dann sehen wir uns an, was ist der Teil, den wir nicht erklären können. Und da haben wir jetzt einen relativ robusten Befund auch über die letzten Jahre, dass wir irgendwie in so einer Größenordnung von 10-20% haben an Preissteigerung, die jetzt nicht durch diese Fundamentalfaktoren gedeckt ist, also das ist, was wir dann manchmal mit Überbewertung bezeichnen. Das ist aber im Grunde genommen der nicht erklärbare Teil eines Modells, klar. MUSIK 14 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. MUSIK 1 (Grinder in the Sky) O-TON 27 (Kaufmann, 10.36, auf Musik) Richtig am Modell der Bundesbank ist, dass sie davon ausgeht, ein Immobilienpreis ist dann in Ordnung, wenn er bezahlt werden kann. Deswegen geht sie davon aus, von dem Einkommen der privaten Haushalte: Wie viel Geld haben die? Und von der Höhe der Zinsen: Können die sich den Kredit leisten? SPRECHERIN 2 Sagt Stephan Kaufmann, der Wirtschaftsjournalist. O-TON 28 (Kaufmann) Das nennt die Bundesbank die fundamentalen Faktoren, die ein Preisniveau rechtfertigen würden. Wenn sie jetzt sagt, ein Teil des Preisanstiegs lässt sich damit nicht erklären, dann bedeutet das, die Preise sind stärker gestiegen, als es durch steigende Einkommen gerechtfertigt wäre. Dieser Teil ist tatsächlich nicht erklärbar, kein Mensch kann mit Sicherheit sagen, woher das kommt. Naheliegend jedoch ist, dass wir hier eine spekulative Bewegung sehen. MUSIK 15 (Moop Mama by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt) SPRECHERIN 1 Was heißt das spekulative Bewegung? O-TON 29 (Kaufmann) D.h. Spekulanten, Immobilieninvestoren, rechnen anders als ein privater Haushalt. Ein privater Haushalt zahlt 4.000 ? den Quadratmeter, wenn er denkt, er kann das aus seinem Einkommen leisten. Für einen Immobilienspekulanten gibt es so eine Grenze nicht. Der zahlt 5.000, 10.000, 20.000 ? den Quadratmeter. Die Grenze für den Immobilienspekulanten ist nur, kann er morgen teurer verkaufen, aber im Prinzip ist die Berechnung des Immobilienspekulanten maßlos, so lang er morgen teurer verkaufen kann als heute, so lange zahlt er jeden Preis, und das gerät dann ja auch zwangsläufig in Konkurrenz und in Gegensatz zu den Leuten, die die Wohnung einfach brauchen, um drin zu wohnen. MUSIK 16 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt,) Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. Wir können nur spekulieren. ... O-TON 30 (Braun, 50.43, auf beiden Musiken, man hört immer mal wieder "Wir können nur spekulieren") Grundsätzlich ist es so, wir brauchen in Deutschland einfach ne Verdoppelung der jährlichen Wohnungsfertigstellungen, ja. Wir haben einfach über 10 Jahre lang grad mal halb so viele Wohnungen gebaut, wie wir bauen mussten. Die Größenordnung, die wir bedienen müssen, nämlich 200.000 Wohnungen mehr jedes Jahr, also rund 400 statt 200.000 Wohnungen neu zu bauen, die kann ich überhaupt nicht durch Sozialwohnungen fördern. D.h. ich brauche die vereinten Marktkräfte. Ich brauch natürlich auf der einen Seite die kommunalen Wohnungsunternehmen, kann denen auch gern Förderung geben für sozialen Wohnungsbau, aber ich brauch eben halt auch die Privathaushalte als Investoren, die ihr Kapital ja auch gerne geben, weil sie auch keine besseren Anlagemöglichkeiten ohnehin zur Zeit haben, und ich brauch aber auch die kommerziellen Wohnungsunternehmen, die internationalen Investoren. Wir müssen ja froh sein, dass die alle in Deutschland investieren wollen, MUSIK 13 (Moop Mama featured by Die Große Goldgrund Stadtrundfahrt, auf Musik, 2 Fassungen: normal und gefiltert (Gerhard Polts Stimme sagt) Wir können nur spekulieren. (lacht) O-TON 31 (Braun, auf Musik) aber wir müssen ihnen verdammt noch mal halt auch die Möglichkeit geben, investieren zu können, nicht nur in den Bestand, sondern auch in Neubau, indem wir Bauland schaffen, indem wir das Baurecht vereinfachen, indem wir diverse Auflagen, die wir heutzutage haben, entschärfen. MUSIK 17 (Pneumanisch, hochziehen) SPRECHERIN 2 (auf Musik, spricht sehr laut, um sich gegen den Baulärm zu behaupten) So stellen sich Anhänger des Neoliberalismus und Spekulantinnen die Lösung der Wohnungsfrage vor. (Pneumanisch, das Ende, wird verblendet mit der nächsten Musik) MUSIK 1 (Grinder in the Sky) O-TON 32 (Kaufmann) Wenn es nur um Wohnraum ginge, dann hätten die Recht. Dann würde den Leuten Wohnraum fehlen, dann würden Wohnungen gebaut werden und dann könnten Leute einziehen. Aber wir leben ja nicht in einer Versorgungswirtschaft, sondern wir leben ja in einer Marktwirtschaft, und in der Marktwirtschaft zählt der Preis. Und damit sind wir beim Problem. Es fehlt ja nicht Wohnraum, sondern es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Dieses Problem löst der Neubau nicht, weil auf Grund der gestiegenen Immobilien- und Grundstückspreise der Neubau entsprechend teuer wird. Man kann es auch so rum sagen: Neubau findet nur statt, wenn die Miete entsprechend hoch ist oder wenn der Bauherr davon ausgehen kann, dass er teurer verkaufen kann, als er gebaut hat. Solange nur neu gebaut wird, um eine Rendite zu erzielen, kommt man niemals dahin, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum gibt. Insofern bleibt, um das Problem des bezahlbaren Wohnraums zu lösen, nur eine Institution übrig, die Wohnraum schaffen kann und gleichzeitig nicht am Renditegedanken hängt, und das ist der Staat. Ohne den geht´s nicht. SPRECHERIN 2 Wohnen muss ein Grundrecht sein und im Grundgesetz festgeschrieben werden.