COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Sächsisch für Innerdeutsche -Uni Leipzig bietet Sächsisch-Kurs für West-Studenten an- Autor Michael Frantzen Red. Claus Rehfeld Sendung 14.10.11 - 13.07 Uhr Länge 18.45 Minuten Moderation Tiefer, weiter, breiter. Nein, wir reden hier nicht über die Körperhaltung eines durchschnittlichen Oktoberfest-Besuchers nach der vierten Maß Bier. Es geht vielmehr um die Grundhaltung eines Dialekts, der regelmäßig auf der Popularitätsskala lokaler Idiome zusammen mit dem Schwäbischen auf dem letzten Platz landet: Das Sächsische. Warum ist das so? Warum bekommen die Leipziger und Dresdner wegen ihres sächsischen Singsangs immer das Fett weg? Und: Wie lebt es sich damit? Die Frage stellte sich die Redaktion und schickte Michael Frantzen nach Leipzig, an die Uni, um der Sache auf den Klang-Grund zu gehen. Dort ging Mittwoch vergangener Woche ein Sächsisch-Kurs für Anfänger über die Bühne; großes Kabarett, befand Herr Frantzen und beruft sich auf das sächsische Mantra: "Wer Sächsisch einigermaßen imitieren und verstehen kann, wird nie wieder trübsinnig sein in seinem Leben." Denn: Durch diese Sprache wandelt sich alles Dramatische, Abscheuliche, Tragische in 'Gomig'." Na dann: Vorhang auf! Und Ohren auf! - folgt Skript Beitrag - - Skript Beitrag- E 01 (Michler im Hörsaal (H)) "Na, gommn se mal schön rein hier! (Lachen) So einfach bloß rumstehn und uff andre runda gugn - des gibt's nisch. (Lachen) Herzlich Willkommen in Laipsch!" AUT An der Universität Leipzig. Beim "Sächsisch-Kurs für Erstsemester". Die nächsten anderthalb Stunden hat Annekatrin Michler hier das Sagen - die Sprachpäpstin; die sächsische. E 02 (Michler im H.) "Ich bin heute hier, um ihnen nicht unbedingt das Sächsisch beizubringen. Weil isch sag ihn'n ehrlich: A Sachse mog ja gor nich, wenn man ihn nochohmt. Dess gönna so und so nur mir, weil unsere Gusche so gewaggsn is. Gusche ist der Mund. AUT Auf Sächsisch. E 03 (Michler im H.) "Also, sie haben verstanden? Sie sind so weit? Das Hardcore- Sägssch - des is hort." (Lachen) AUT Kann man wohl sagen. E 04 (Beyer) "Dieses Image-Problem." AUT Macht dem Sächsischen zu schaffen. Besonders im Westen der Republik. Nancy Beyer, gebürtige Leipzigerin und noch keine dreißig, kennt das Dilemma. Sie leitet an der Universität Leipzig das Projekt "Abenteuer Fernost", das junge Wessis an ihre Hochschule locken soll. Der Sächsisch-Crashkurs ist ein "Baustein". E 05 (Beyer) "Gegenüber dem sächsischen Dialekt gibt's einfach ganz viele Vorurteile. Man glaubt, na ja, dass es schwer zu verstehen ist." AUT Kommt drauf an. E 06 (Michler im H., mit 2 verstellten Stimmen) (1. Stimme) "Sogn se mol: See gennen sisch doch an de Holz-Weibschen erinnern? (2. Stimme) "Meenen se die, die inne gedrennden Zustond von ihrn Olden lebt?" (Lachen) E 07 (Hennings) "Sächsisch ist ja so praktisch der verschrieene Dialekt in Deutschland!" AUT Konstatiert Marina Hennings. Die 20jährige Hessin ist eine von gut hundert Studierenden, die heute in den Hörsaal Sechs des nagelneuen Hörsaalgebäudes direkt im Stadtzentrum gekommen sind. Beste Adresse: Das Gewandhaus, der Kulturtempel der Leipziger in Blickweite; genau wie Oper und Moritz-Bastei, wo eine gewisse Angela Merkel das eine oder andere Bier "gezischt" haben soll; damals, in den 70ern, als sie ihre Zeit noch nicht damit verbrachte, den Griechen richtiges Haushalten beizubringen, sondern Physik studierte. Erzählen sie sich in Leipzig; sächselnder-weise. E 08 (Hennings) "Es is nich besonders schön, aber es schön zum lachen, wenn man's so hört." (lacht) AUT Annekatrin Michler kennt das schon: Das mit der Lachnummer. Die Anfang 50jährige bietet den Sächsisch-Kurs für Anfänger schon zum dritten Mal an. Kostenlos. E 09 (Michler) "Sägssch fier de innerdeutsche Endwigglung." AUT Für die innerdeutsche Entwicklung tut die Kommunikations- und Businesstrainerin auch sonst einiges: Immer mehr ihrer Klienten, erzählt die gebürtige Leipzigerin, die den Eindruck vermittelt, dass sie eventuell auch noch im Schlaf reden könnte - immer mehr Kunden kämen in der letzten Zeit aus den alten Bundesländern. Business-Leute, die nach etwas neuem suchen; nach etwas Unkonventionellen. Und schließlich bei ihr und ihrem Sächsisch landen. E 10 (Michler im H.) "Sächsisch braucht drei Dinge: Etwas über die Körpersprache müssen wa...da müssen da einfach ran. Sie laufen durch die Stadt und sehen dann ja schon die Sachsen herumlaufen. (Lachen) Zweitens: Wir müssen was über die Vokale und Konsonanten lernen. Und das wichtigste, das ist das allerwichtigste: Über die Seele." AUT Die sächsische. Hängt alles irgendwie zusammen. Letztere wirkt sich auch auf die Körpersprache aus. Der Sachse nimmt sich nicht so wichtig. Doziert die Fachfrau. Deshalb ist das Sächsische: E 11 (Michler) "...ja: eigentlich ne Tiefstatus-Sprache." AUT Das führt manchmal zu Konflikten. Besonders, wenn "Tiefstatus" auf "Hochstatus" trifft. Sprich: Wenn ein Sachse einem Wessi begegnet, dem schon von Kindesbeinen an beigebracht wurde, möglichst aufrecht zu gehen. Wegen der Haltung. Müssen sich die Erstsemester aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und wo- sie-sonst-noch-herkommen-aus-den-alten-Bundesländern umstellen. E 12 (Michler im H.) "Isch bitte sie jetzt mol olle auf zustehn. Dos wollen wa jetzt olle mal üben. (Studenten stehen auf) Also: Die Schulter hängen, eigentlich hängt jetzt alles! (Lachen) Alles! Auch bei Männern. Alles! (Lachen) So. De Gopp runda. Es muss aus dem Mund herausgullern gönnen. Ich mach jetzt zwei, drei und dann sagen wir "Oh-ma" (Lachen) Sie och! Zwei, drei: Oh-ma." (alle) AUT Wir lernen: Der Sachse ist von Natur aus gelassen. E 13 (Michler) "Unna dem Motto: Dess wiad och so! Dess kommt schon von alleene. Ich will nicht sagen, dass es nen Schicksalsdenken is, aber nen tiefes Urvertrauen: Was dran is, is dran. Ich denke schon, da der Sachse schon etwas in sich ruht und sagt, dess wird schon, sind mir ja auf gewisse Weise autark. Diese Rum-Rammelei, damit wir jemand werden könnten, hab ich das Gefühl: Das muss der Sachse nich haben! Dann quatscht der noch so: Das kann für manche wie ne Provokation wirken." AUT Besonders, wenn er auch noch zum Besten gibt, dass er wieder die ganze Zeit nur "rum gerammelt" hat. Kann es schon mal zu Missverständnissen kommen - zwischen Ost und West. E 14 (Michler im H.) "Ein Anwalt aus dem westeuropäischen Sprachgebiet kam '91 nach Leipzig und hatte ein Ehepaar verpflichtet. Und das Ehepaar sollte ihm Montags was zuarbeiten, also irgendwelche Mandanten-Unterlagen. Und sie kamen dann sehr kleinlaut, im Tiefstatus, montags in seine Kanzlei. Und haben sich entschuldigt. Sie hatten also die Zuarbeit nicht fertig. Und sagen: Wissen se, es tut uns escht leid. Wir haben das ganze Wochenende nur gerammelt! (Lachen) Und der Anwalt war völlig konsterniert und dachte: Sach mal, die Ossis, die reden dermaßen offen da drüber. (Lachen) Bei uns in Sachsen hat rammeln wirklich die Bedeutung von Hektik machen. Ich bin hin gerammelt. Ich hob dee Dür uffgerammelt. Ich hob dee Dür zugerammelt." AUT Wir lernen: Der Sachse rammelt von Natur aus ganz gerne. E 15 (Michler im H.) "Gibt's Fragen? Schon erste Erlebnisse? Sind sie schon mal angefasst worden?" AUT Das tut der phänotypische Sachse nämlich auch ganz gerne. E 16 (Pingel) "Da kenn ich zum Beispiel iauch meinen Hausmeister, der war früher und heute auch noch sehr nett. (lacht) Der is auch immer sehr Körper...also..." AUT Körper-Kontaktfreudig? E 17 (Pingel) "Nä, nä. Sondern einfach nur auf eine freundliche Art und Weise. Und dass er auch gerne hilft. Und dann auch: Ich muss nur irgendwas ansprechen und er sagt direkt: OK, ich mach das für sie." AUT Katharina Pingel ist ein älteres Semester - zumindest was das Sächsische angeht. Die 22jährige studiert Kommunikations- und Medienwissenschaft - und hat schon letzten Oktober den Sächsisch-Kurs für Anfänger mitgemacht. Das hat Früchte getragen. E 18 (Pingel) "Ah ja: Ich hab jetzt nen geschultes sächsisches Ohr." AUT Kostprobe bitte! E 19 (Pingel) "Ich glaub "au" is dann "o". AUT Schon mal nicht schlecht. Und die Konsonanten? E 20 (Pingel) "Em?! Ich weiss gar nicht mehr so genau, um ehrlich zu sein. (lacht) AUT Kann passieren. Ist auch gar nicht so einfach. E 21 (Michler im H.) "Die Sachsen haben drei Konsonanten eingespart. (Studentin) P, t, k. (Michler) Hach! Wunderbar. P, t, k haben wir nich. Das können wir mit unserer Gusche gor nich sogn. P, t, k. B, d, g." AUT Wir lernen: Der Sachse ist von Natur aus bescheiden - und etwas schludrig. Dessen ist er sich durchaus bewusst. E 22 (Michler) "Der Sachse kann wirklich herrlich über sich selbst lachen. Und ich denke, das kann manchmal missverstanden werden. Ich finde, in der heutigen Zeit, wo alle perfekt wirken wollen, alle so toll sind, wo wir ja auch alle keine Fehler machen, da kann der Sachse schon sagen: Dess hob ich ober jetzte wieder vergeigt. Für jemanden, der eher so Stärke-orientiert is, mag das als ne große Schwäche gelten. Und jetzt kommunizieren die Sachsen in ihrem breeten Dialekt ihre Schwächen! Kann dazu beitragen, dass der Sachse von draußen betrachtet als Looser wirkt." AUT Besonders im Fernsehen. E 23 (Langer) "Schauen's sisch die Filme an! Oder irgendetwas. (lachend) Wenn a Depp besetzt werden muss, isses a Sachse." AUT Geht Edelgard Langer gegen den Strich. Und zwar gehörig. Die Rentnerin hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Sächsische zu bewahren - mit ihrem Mundartkabarett "Fiff'sche Gaffeesachsen", den "pfiffigen Kaffeesachsen" - und als Vorsitzende der "Lene-Voigt-Gesellschaft". Letztere trifft sich alle paar Wochen, um die Texte der sächsischen Mundartdichterin zu pflegen. Theoretisch. Praktisch arten die Treffen im "Lene Voigt Kabinett" des protzigen Ratskellers öfters mal zum Kaffeeklatsch aus. Den Herren der Schöpfung behagt das nicht immer. E 24 (Schütte) "Das sind so Quatsch-Tanten. Die können's nicht lassen. Also, wenn wa da jetzt nich nä sagen, dann haben wa gar keine Ruhe mehr." AUT Also: Die Damen! Ruhe bitte! Jetzt spricht nur einer: Wolfgang Schütte, DIE Koryphäe in Sachen Lene Voigt. E 25 (Schütte) "Sie hören von mir nichts anderes als Lene Voigt." AUT Schütte hat sich verdient gemacht um das Erbe von Lene Voigt. Und dem Sächsischen im Allgemeinen. E 26 (Schütte) "Der Sachse: Mensch und Mythos." AUT Lautet eines seiner Standard-Werke. Schütte ist Konvertit. Geboren im Pfälzischen, aufgewachsen im Thüringischen, aber trotzdem durch und durch ein Sachse. Ist ja schließlich auch schon seit 50 Jahren mit einer Sächsin verheiratet. Das hinterlässt Spuren. 1983 hat er das erste "Lene Voigt" Buch in der DDR herausgegeben. Ein Knüller. War schnell ausverkauft. So viele "Freunde" wie damals, meint Schütte, hatte er nie wieder. Seitdem dreht sich beim 71jährigen alles um die Frau, die sich mit den Nazis anlegte und ihre Gedichte am liebsten auf Sächsisch verfasste. E 27 (Schütte) "So. Also, das ist der erste Band der Werksausgabe. Mir Sachsen! Ich gucke mal." (blättert) AUT Nach seinem Lieblings-Gedicht. E 28 (Schütte) "In den Lüften pfeift da Föhn, dass da Fenster ziddern. Nä, is das bloß wunderscheen. So a Frühlings-Widdern." AUT Wunderscheen - das Sächsische. Wird nur leider außerhalb von Leipzig, Dresden und Görlitz nicht ganz so gesehen. Wolfgang Schütte kennt auch den Schuldigen. E 29 (Schütte) "Das ist meines Erachtens immer noch die Nachwirkung des Ulbricht- Sächsisch." AUT Walter Ulbricht, seines Zeichens gebürtiger Leipziger und DDR- Staatsratsvorsitzender, für den die Arbeiter und Bauern des Arbeiter- und Bauern- Staates wahlweise "Bardeigenossen" und "Wergdädige" waren. E 30 (Michler) "Der Chef eines Landes sächselt. Das is ne Diskrepanz. Da kann man sich natürlich herrlich drüber kaputt lachen. Entschuldigung!" AUT Alles nur auf den ollen Ulbricht zu schieben - das geht aber auch nicht. Kommt nämlich noch etwas hinzu. E 31 (Michler) "Da Sachse is ja eigentlisch überall. Nä?! Wo se hin gommn, is a Sachse. Erstens weil er exorbitant neugierig is. Zweitens weil er sich reinhängt. Und so ham wa natürlich auch eins erreicht: Das natürlich auch viele Sachsen auch in Führungspositionen nach Berlin gegangen sind." AUT Zu DDR-Zeiten. E 32 (Michler) "Jetzt sind wir natürlich in Berlin mit unserer sächsischen großer Schnauze gegen die preußische große Schnauze. Ich denk, da is auch son Kampf gewesen, der auch ne politische Wirkung hatte. Die Sachsen sind schon wieder überall. Und maßen sich an!" AUT Manchmal auch an der innerdeutschen Grenze. E 33 (Michler) "Natürlich standen an der Grenze neben Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburgern natürlich och der Sachse. Und wenn da sagt: Mochen se mol de Gofferraum of! Das heißt, aus der Machtsituation heraus sächsisch zu sprechen. Sie haben Macht und reden jetzt son weeschen Dialegt. Das bleibt gespeichert. Gespeichert eben auch als negativer Dialekt." AUT Hätten sich die Sachsen vor ein paar Jahrhunderten auch nicht träumen lassen. Bis zum siebenjährigen Krieg Mitte des 18. Jahrhunderts galt das sächsische Idiom als DIE Kultursprache in deutschen Landen, "welcher nachfolgen alle Fürsten und Könige in Deutschland", wie es der vielleicht berühmteste Sachse formulierte: Martin Luther. Wer etwas auf sich hielt in Frankfurt am Main oder Köln schickte seine Kinder zum Studieren nach Leipzig, um das Sächseln zu lernen. E 34 (Michler) "Sachsen hatte ein Standing! Jetzt: Der Luther hat seine Bibel ins Sächsische übersetzt. Jetzt haben ja die Sachsen und die Preußen auch historisch bedingt durch den siebenjährigen Krieg ...ich mein, mir waren dabei Staatssprache zu werden! Die Preußen haben's versaut, nä?! Des is ja auch drin. Natürlich im Unterbewusstsein. Das is schon a Machtverlust. Der irgendwo über Großmutter und Großvater: Die Preußen! Die Schweine! Oder umgekehrt: Die Sachsen! Die Looser! Und das wird immer mit erzählt. Und dann sinna auf einmal im Jetzt." AUT So schnell geht das - im Sächsischen. Anfangs, erzählt die Kommunikationstrainerin, habe sie Hemmungen gehabt, Aufträge im Westen zu übernehmen. Wegen ihres Dialekts. Bis sie sich eines Besseren besann - und aus ihrer vermeidlichen Schwäche eine Tugend machte. E 35 (Michler) "Dass ich sie erst weiblich mal weich mache, auch mit diesem sächsischen Humor. Und männlich ganz klar auf den Punkt bringe, was an Potentialen da ist. Der Mensch ist ja eher dabei zu verstecken. Und ich animiere eher: Sag's! Wenn's raus is, bist du befreit!" AUT Weich machen tut Michler auch ihre Studenten im Hörsaal - mit ihrem sächsischen Humor. Das kommt an. E 36 (Höhne) "Ich find die Sachsen sehr freundlich. Wenn man zum Bäcker kommt und man wird lächelnd begrüßt. Das is bei uns schon was Besonderes." AUT Findet Valerie Höhne, angehende Biologie-Studentin aus Stuttgart, die wie sie betont, a) "daheim" nur Hochdeutsch redet; b) Leipzig allein schon wegen der renovierten Gründerzeit-Häuser "stark" findet; und c) beim Klang des Sächsischen Heimatgefühle bekommt. E 37 (Höhne) "Ich find's ähnlich wie Schwäbisch. Dafür köpfen mich die meisten Schwaben und Sachsen gleichermaßen. Ich find's eigentlich nen angenehmen Dialekt. Ich find ihn freundlich, ich find ihn witzig. Und die Sachsen gehen damit auch humorvoll um." E 38 (Michler im H.) "Und jetzt in Sachsen: Ich zeig noch mal kurz: Gusche runter! Kopf runter". Gusche breet! Wir behandeln jetzt die Vokale. Bei uns wird das "a" eigentlich ganz oft zum "o". Ohhhh. (Studenten) Ohhh." E 39 (Mannel) "Mein Mitbewohner kommt doch hier vom Dorf - aus Sachsen. Und ich versteh ihn nich immer. Da gibt's doch manchmal nen bisschen Probleme. Er hat gefragt: Is das eine Sporlampe? Und ich (lacht) wußte nicht, was das heißt. Meinte so: Hä? Was is denn eine Sporlampe?" AUT Haben wir doch schon gelernt: A wird zum o im sächsischen - ergo ist die "Sporlampe" eine... "Sparlampe". Weiß Mira Mannel inzwischen auch. Auch so eine Sächsisch-Erstsemesterin, die noch etwas mit dem Dialekt ihrer neuen Wahlheimat fremdelt. E 40 (Mannel) "Ja, ich würd jetzt sagen: Ist nicht der schönste Dialekt. Aber ich finde generell: Keiner sollte stolz sein auf seinen Dialekt. Das ist jetzt nichts, was besonders schön is." AUT Sollte sie sich besser nicht bei den "fiff'schen Gaffeesachsen" blicken lassen. Die finden nämlich, es kann gar nicht genug gesächselt werden. Edelgard Langer hat auch schon eine Idee, wie man der jüngeren Generation auf die Sprünge helfen kann. E 41 (Langer) "Deshalb wollen wa eben och starten: Mundart in der Schule! Weil: Es ist wischtisch, dass eben de Kinder schon lernen: De Mundart, de gehört zu unserer Region dazu! Das is Heimat." AUT Ihrer Heimat verbunden ist auch Nancy Beyer, die Frau, die den Sächsisch-Kurs für Erstsemester ins Rollen gebracht hat. Die 26jährige ist in Leipzig aufgewachsen, sie hat hier studiert, jetzt das Projekt "Abenteuer Fernost" an der Uni. Viel mehr Leipzig geht nicht. Gesächselt aber wird nicht. E 42 (Beyer) "Wie das an der Universität ist: Sächsisch is nen Randphänomen und spielt da in keinster Weise ne Rolle. Das is doch nen Phänomen, was man in Sprachen und Dialektformen überall finden kann: Dass ältere Generationen die Sprache noch stärker gepflegt haben, noch stärker auch sprechen. Gehen se nach Bayern. Ich denke, da wird das gleiche Phänomen auftauchen. Und sicherlich ist es hier in Sachsen auch ähnlich." AUT Schade eigentlich! Bei dem Potential! Wer war nicht alles Sachse! Johann Sebastian Bach, Wagner, Nietzsche, Leibniz, Karl May. Lauter Sachsen. Mit dem typisch sächsischen Singsang; dem weichen. E 43 (Michler) "Das Weiche besiegt das Harte. Das bezieht sich jetzt im ersten Moment auf die Konsonanten. Mir haben ja wenigstens drei Konsonanten: P, t und k - die werden weich ausgesprochen. Alleene, weil de Gusche nich so breit is, wird's weesch. Weich. Wenn man's jetzt philosophisch sieht, sagt man: Is das nich gigantisch? Das Weiche besiegt das Harte?! Da is wieder diese weiche Gemütlichkeit. Müssen mir denn immer Gas geben und angestrengt was machen und nicht geschehen lassen?" AUT Fragt sich Business-Trainerin Michler, die gerade in Krisenzeiten wie diesen nicht müde wird, ihren Schäfchen den sächsischen "way of life" näher zu bringen. Nicht alles so erst nehmen; Fünwe grade sein lassen; auch mal zu seinen Fehler stehen. Kein ganz einfaches Unterfangen: Viele Geschäftsleute, speziell aus dem Westen, sind da erst einmal überfordert. Besonders, wenn sie ihnen auch noch mit den "weiblichen Werten" kommt. E 44 (Michler) "Na ja, was is weiblich? Weiblich ist Kommunikation. Ist zulassen. Ist ergeben. Ist sozusagen genießen. Männlich ist ziel-orientiert. Klärung. Durchsetzung. Jeder Mensch hat beiden Seiten in sich. Männliches und Weibliches. Wenn ma jetzt mal den Sachsen in seiner Charaktereigenschaft untersucht, is der eher weiblich. Er nimmt sich Zeit. Er sucht Kontakt. Er fragt nach. Er ist teilweise passiv. Nicht faul: Passiv! Das Sächsische ist das Weibliche. Und ich bin jetzt mal sogar ganz frech und wage zu behaupten: Wenn man gegen den Sachsen vorgeht, geht man gegen das Weibliche vor!" AUT Das geht natürlich gar nicht. E 45 (Michler) "Sie sind der erste, wo ich jetzt das so mutig ausdrücke. Wo ich auch gerade glaube, dass es ankommt, was ich meine." AUT Klar doch. Wir lernen: Wer sich am Sächsischen an und für sich versündigt, versündigt sich an der Frau an und für sich. Und das machen höchstens minderbemittelte Chauvis. Selbige sind unter Michlers Schützlingen an der Uni nicht zu finden. Alle ganz wohl erzogen hier. Und wissbegierig. E 46 (Michler im H.) "Sie kennen die Loreley? Und die sächsische Loreley spielt natürlich nich am Rhein, sondern an der Elbe. (Fängt an zu rezitieren) "Isch wees nisch mir is es so gomisch..." Regie: Gesang noch kurz frei stehen lassen und dann unter O-Ton blenden E 47 (Schütte) "Hamses? Es ist in Wirklichkeit gar nicht so schwer und kompliziert." E 48 (Michler im H.) "Und deshalb: Ich denke, jetzt machen wa unsere Abschlussprüfung. Ich bitte noch mal alle aufzustehen. (Studenten stehen auf) Die Melodie ist ja bekannt (Fängt an zu singen) Lalalalala. Also. Bitte die Körperhaltung einnehmen! Zwei, drei: Isch wees nischt, mir is es so gomisch..." Regie: Gesang kurz frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT Sächsisch, hat der österreichische Schriftsteller Grillparzer im 19. Jahrhundert Nase rümpfend zu Protokoll gegeben, sei eine "blökende E-Sprache"; ein "förmliches Mäh" lauter Schafe. Hat er sich aber gründlich geirrt, der Herr Dramatiker. Sächsisch ist nämlich nichts für Schafe, sondern was für Feinschmecker. E 49 (Michler im H.) "Sie haben bestanden! (Applaus und Jubel) Machen se's beste draus. Und wenn se mal die Schnauze voll haben, rufen se an!" (Lachen) -Ende Beitrag-